Anaesthesist 1998 · 47:859–883 © Springer-Verlag 1998
Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI
12.Wissenschaftliche Arbeitstage der Deutschen Gesellschaft für Anaesthesiologie und Intensivmedizin Würzburg, 20.–21. Februar 1998 Die nachfolgend publizierten Vorträge (Abstracts) wurden nach einem vorhergehenden gewichteten Auswahlverfahren auf den Wissenschaftlichen Arbeitstagen der DGAI in Würzburg gehalten, anschließend diskutiert und die dazugehörigen Abstracts im Plenum der Arbeitstage hinsichtlich ihrer Publikationswürdigkeit abgestimmt.Sie erfüllen damit die Kriterien einer begutachteten Publikation als Abstract. Gleichzeitig ergeht die Einladung zur Einreichung von Abstracts für die kommenden Wissenschaftlichen Arbeitstage, die vom 19.–20. Februar 1999 wieder in Würzburg stattfinden werden. Die Anmeldungen sind zu richten an:Prof.Dr.G.Hempelmann,Abt.f.Anaesthesiologie und Intensivmedizin, Justus-Liebig-Universität, Rudolf-Buchheim-Straße 7, D-35385 Gießen.
NO-Synthase-Inhibitoren blockieren direkt den nikotinischen Azetylcholin-Rezeptor M. Scheller1 · M. Blobner1 · H. Schneck1 · C. Franke2 · E. Kochs1 1 Institut für Anaesthesiologie und 2 Neurologische Klinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München Die Untersuchungen wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn, Az. Schn 514/2-1, und durch die Dr.-Ing. Leonhard-Lorenz-Stiftung, Nr. 376/97 Fragestellung. NO-Synthase-Inhibitoren (NOS-I) wie L-Name (NGnitro L-arginine methylester) und L-NMMA (NG-Monomethyl-L-Arginin) antagonisieren als L-Arginin-Analoga kompetitiv die NO-Synthase. NOS-I reduzieren, vermutlich indirekt über die Synthesehemmung von NO als second messenger, den MAC für Isofluran und für Halothan [3]. Daneben wurde eine direkte Interaktion einiger NOS-I mit Rezeptorproteinen beschrieben [2]. In einer in vivo-Studie an Mäusen konnten wir beobachten, daß L-NMMA die Wirkung von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien verstärkt [1]. Die vorliegenden in vitro-Experimente wurden durchgeführt, um eine mögliche direkte Interaktion von L-Name, L-NNMA bzw. L-Arginin (LArg) mit einem klasssischen ligandengesteuerten Ionenkanal, dem nikotinischen Azetylcholinrezeptor (nAChR), zu untersuchen. Methodik. Mit der Patch-Clamp-Technik im „outside-out mode“ wurden Summenströme durch nikotinische Kanäle von kultivierten Mausmuskelzellen untersucht, die den embryonalen AChR exprimieren. Die Aktivierung der Kanäle erfolgte mittels piezo-gesteuerter Applikation einer sättigenden Konzentration von 10-4 M Azetylcholin (ACh). Zunächst wurde 10-4 M ACh in Kombination mit schrittweise steigenden Konzentrationen von L-Name, L-NNMA oder L-Arg in
Einzelpulsen von je 400 ms repetitiv appliziert. Die Länge der Pulse wurde dann zwischen 5 und 20 ms variiert, um den Blockmechanismus mit zugrundeliegender Kinetik zu erfassen. Danach wurden die geschlossenen Kanäle vor der Aktivierung durch 10-4 M ACh mit LName oder L-NMMA vorinkubiert. Ergebnisse. Insgesamt wurden für L-Name 38, für L-NMMA 50 und für L-Arg 7 patches untersucht. Der Ionenstrom durch den nAChR wird durch beide NOS-I konzentrationsabhängig und reversibel blockiert (Abb. 1, 2). Die Blockierung beginnt mit 10-4 M L-Name (10-3 M L-N-NMMA) und beträgt ca. 50% mit 6×10-3 M L-Name (6×10-2 M L-NMMA). L-Arg zeigt in Konzentrationen bis 10-1 M keinen Effekt am nAChR, weder alleine noch in Kombination mit 10-4 M ACh. Die Ko-Applikation von L-Arg mit niedrigeren Konzentrationen (100fach) eines NOS-I und ACh antagonisiert die Blockierung des NOS-I nicht. Nach kurzen Einzelpulsen von 10-4M ACh in Kombination mit einer effektiv blockierenden Konzentration L-Name oder LNMMA zeigen sich Wiederöffnungen der Kanäle. Nach Vorinkubation der patches ist eine zusätzliche konzentrationsabhängige und reversible Blockierung des nAChR zu beobachten. Dieser Effekt liegt zwar im gleichen Konzentrationsbereich, ist aber stärker ausgeprägt als unter gepulster Applikation der NOS-I ohne Vorinkubation (50% Block mit 6×10-4 M L-Name bzw. 2×10-2 M L-NMMA). Interpretation. Die Ergebnisse zeigen, daß NOS-I – vermutlich unabhängig von NO – mit einem ligandengesteuerten Ionenkanal interagieren. Die Substanzen blockieren verschiedene Konformationszustände des nAChR: 1. Offenkanalblock (Wiederöffnungen nach kurzen Einzelpulsen entsprechend dem Übergang vom offenen geblockten zurück zum offenen Zustand) und 2. Geschlossenkanalblock (Stromreduktion nach Vorinkubation). In Anbetracht der hier verwendeten hohen Konzentrationen läßt sich ein unspezifischer Effekt der NOS-I nicht gänzlich ausschließen. Allerdings besteht erstens eiDer Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI inhibitors, 7-nitro indazole and nitroG-L arginine methyl ester, dose dependently reduce the threshold for isoflurane anesthesia. Anesthesiology 85:1111–1119
Lokalanästhetische Wirkungen von Droperidol auf Ionenkanäle der Hinterhornneuronen des Rückenmarks A. Olschewski1 · W. Vogel2 · G. Hempelmann1 Abteilung Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin und 2 Physiologisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen
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Abb.1 m Gemittelte Ströme einer outside-out patch, aktiviert durch 10–4 M ACh alleine oder in Kombination mit L-NMMA wie angegeben
Fragestellung. Bei der Spinal- und Epiduralanästhesie gehören die Hinterhornzellen des Rückenmarks – die erste Schaltstelle des ZNS für die Schmerzwahrnehmung – zu den entscheidenden Zielpunkten der verwendeten Pharmaka. Droperidol (DHBP) wird im Rahmen der Epiduralanästhesie als Antiemetikum in Kombination mit Opioiden appliziert. Seine direkte Wirkung an Rückenmarkneuronen ist nicht bekannt. Wir konnten kürzlich in der „slice“ Präparation des Rückenmarks junger Ratten die Effekte von Lokalanästhetika auf den Natrium- und den schnell inaktivierenden Kaliumkanal nachweisen [2]. An demselben Modell untersuchten wir jetzt die Wirkung von DHBP. Methodik. Die Experimente wurden mittels „patch-clamp“ Technik in „whole-cell“ Konfiguration an 200 µm dicken Schnitten der lumbalen Region (L3–6) des Rückenmarks von 8 bis 18 Tage alten Ratten durchgeführt. Die Neurone wurden mit der „entire soma isolation“ Methode [3] gewonnen. Es wurden insgesamt 49 Neurone der Lamina I–III des Hinterhorns untersucht. DHBP wurde als Reinsubstanz appliziert. Die Experimente wurden mit Impulsmustern wie in Zitat [2] angegeben bei 21–23° C durchgeführt. Um den phasischen oder „usedependent“ Block auszulösen, wurden die Zellen mit jeweils 10 Testimpulsen (1 und 5 Hz) mit einer Impulslänge von 20 ms depolarisiert. Die halbmaximal blockierenden Konzentrationen (IC50) wurden durch Anpassung der Meßpunkte an die Gleichung f(C)=1-C/(C+IC50) (C: Konzentration von DHBP) unter Annahme einer 1:1 Reaktion mittels nicht-linearer Regression erhalten. Die Ergebnisse sind als Mittelwerte±Standardfehler (SE) angegeben. Ergebnisse. Natriumkanal: DHBP blockierte reversibel den Natriumkanal der Hinterhornzellen (IC50=16±1 µM; n=12). Darüber hinaus wurde ein stärkerer physischer oder „use-dependent“ Block beobachtet, der bei frequenter Depolarisation der Kanäle auftrat (n=8). Der „use-dependent“ Block [1] ist durch eine stärkere Bindung des DHBP-Moleküls an seinen Rezeptor im inaktivierten Natriumkanal während der Depolarisation zu erklären.
Abb.2 m Dosis-Wirkungs-Beziehung der NOS-I (Offenkanalblock) ne eindeutig dosisabhängige Wirkung; fener ist die strukturell sehr ähnliche Muttersubstanz L-Arginin auch in sehr hoher Konzentration kaum effektiv. NOS-I interagieren möglicherweise auch mit weiteren Mitgliedern der Familie ligandengesteuerter Kanäle, wie sie u.a. im ZNS verbreitet sind, und könnten auf diesem Wege Einfluß auf den Anästhetikabedarf nehmen. Literatur. 1. Blobner M, Stadler J, Brill T, Veihelmann A, Mayer B, Kochs E (1996) Pharmacodynamics of atracurium and vecuronium in rats with inflammatory liver dysfunction – treatment with N-monomethyl-L-arginine. Anesthesiology 85 Suppl: A811. – 2. Buxton IL, Cheek DJ, Eckman D, Westfall DP, Sanders KM, Keef KD (1993) NGnitro L-arginine methyl ester and other alkyl esters of arginine are muscarinic receptor antagonists. Circ Res 72:387–395. – 3. Pajewski TN, Di Fazio CA, Moscicki JC, Johns RA (1996) Nitric oxide synthase
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Der Anaesthesist 10·98
Kaliumkanäle: Der „delayed-rectifier“ Kaliumkanal wurde in ähnlich niedrigen Konzentrationen (IC50=20±2 µM; n=9) von DHBP blokkiert, dagegen war kein „use-dependent“ Block nachweisbar (n=9). Der schnell inaktivierende Kaliumkanal wurde von DHBP im gleichen Konzentrationsbereich (0–100 µM) nicht beeinflußt (n=11). Interpretation. DHBP blockiert im gleichen Konzentrationsbereich und mit vergleichbarem molekularen Mechanismus wie Bupivacain [2] den Natriumkanal der Hinterhornzellen in Lamina I–III des Rückenmarks. Die Ähnlichkeit kann möglicherweise mit der vergleichbaren Lipophilie und chemischen Struktur der beiden Substanzen erklärt werden. Im Gegensatz zu Lokalanästhetika blockiert DHBP aber bereits in niedrigen Konzentrationen den „delayed-rectifier“ Kaliumkanal, der von großer Bedeutung für die Repolarisation und die Generierung der Serien von Aktionspotentialen ist. Aus unseren Experimeten kann geschlossen werden, daß DHBP durch die Blockade von Natrium- und „delayed-rectifier“ Kaliumkanälen eine dämpfende Wirkung auf die Schmerzweiterleitung in Hinterhornneuronen hat.
Literatur. 1. Hille B (1992) Ionic channels of excitable membranes, 2nd edn. Sunderland, Sinauer. – 2. Olschewski A,Vogel W, Hempelmann G, Safronov BV (1998) Blockade of Na+ and K+ currents by local anesthetics in the dorsal horn neurons of the spinal cord. Anesthesiology 88:172–180. – 3. Safronov BV, Wolff M, Vogel W (1997) Functional distribution of three types of Na+ channel on soma and processes of dorsal horn neurones of rat spinal cord. J Physiol 503:371–385
Die Wirkung von Lidocain, Mexiletin und Carbamazepin auf Tetrodotoxin-resistente Natriumkanäle des sensorischen peripheren Nervensystems M. Bräu1 · M. Dreimann2 · W. Vogel2 · G. Hempelmann1 1 Abteilung Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin und 2 Physiologisches Institut, Justus-Liebig-Universität Gießen Pathologische Schmerzzustände – Phantomschmerzen, posttraumatische Neuralgien, ischämische Neuropathien – sind mit konventionellen Analgetika oft schwierig zu beherrschen. Systemisch applizierte Pharmaka mit Natriumkanal-blockierenden Eigenschaften wie Lokalanästhetika, Antiarrhythmika und Antikonvulsiva stellen hier eine potente therapeutische Alternative dar, wobei diese Substanzen direkt am Entstehungsort der Schmerzen im peripheren Nevensystem angreifen [3]. Für die Schmerzentstehung in peripheren Nerven wird in der jüngeren Literatur ein Natriumkanalsubtyp verantwortlich gemacht [2], der gegenüber Tetrodotoxin (TTX), einem klassischen Neurotoxin, unempfindlich ist [1]. Fragestellung. Welchen Einfluß haben die bei chronischen Schmerzzuständen eingesetzten Natriumkanal-blockierenden Pharmaka Lidocain, Mexiletin und Carbamazepin auf den TTX-resistenten Natriumkanal des peripheren nozizeptiven Nervensystems? Methotik. Die Experimente wurden an kleinen, enzymatisch dissoziierten Hinterwurzel-Ganglienzellen der Ratte durchgeführt. Unter Anwendung der „whole-cell patch-clamp“-Technik wurden die Wirkung von Lidocain, Mexiletin und Carbamazepin auf den TTX-resistenten Natriumstrom bei verschiedenen Membranpotentialen (-90, -70 und -60 mV) gemessen. Die zu untersuchenden Zellen wurden mit Tyrodelösung umspült unter Zusatz von 100 nmol/l TTX (um TTX-sensitive Natriumströme zu unterdrücken) sowie 10 mmol/l Tetraethylammoniumchlorid (um Kaliumströme zu unterdrücken). TTX-resistente Natriumströme wurden mit einem 50 ms dauernden Impuls nach -10 mV ausgelöst, der in Serien von je 10 Impulsen mit einer Frequenz von 2 Hz appliziert wurde. Um den relativen Block zu bestimmen, wurde der „Peak“-Strom des 1. (tonischer Block) und 10. Impulses (phasischer oder „use-dependent“ Block) in Kontrolle und in verschiedenen Konzentrationen der Substanzen gemessen. Die Versuche wurden bei 22° C durchgeführt. Insgesamt wurden 47 Zellen
untersucht. Halbmaximale-Blockierungskonzentrationen (IC50) wurden durch Anpassen der Gleichung f(c)=c/(c+IC50) an die Datenpunkte ermittelt (c: Konzentration der Substanz). Zahlenangaben entsprechen angepaßten Werten±Standardfehler der Anpassung. Ergebnisse. Der TTX-resistente Natriumstrom kleiner HinterwurzelGanglienzellen wird durch alle drei der oben genannten Pharmaka konzentrationsabhängig und reversibel blockiert. Alle Substanzen weisen einen tonischen und phasischen Block auf, der durch ein weniger negatives Membranruhepotential verstärkt wird. Halbmaximale-Blockierungskonzentrationen sind in der nachfolgenden Tabelle 1 aufgeführt. Interpretation. TTX-resistente Natriumkanäle werden durch die untersuchten Substanzen blockiert. Die Blockierungsempfindlichkeit wird dabei durch ein stärker depolarisiertes Membranpotential als auch durch kurz aufeinanderfolgende Depolarisationen (phasischer Block) – Konditionen wie sie in spontan aktiven, neuropathisch erkrankten Nerven vorliegen – gesteigert. Die unter diesen Bedingungen benötigten Blockierungskonzentrationen liegen im Bereich der Plasmakonzentrationen, die während einer systemischen Applikation der Substanzen erreicht werden. Literatur. 1. Elliott AA, Elliott JR (1993) Characterization of TTX-sensitive and TTX-resistant Na+ currents in small cells from adult rat dorsal root ganglia. J Physiol (Lond) 463:30–56. – 2. Gold MS, Reichling DB, Shuster MJ, Levine JD (1996) Hyperalgesic agents increase a tetrodotoxin-resistant Na+ current in nociceptors. Proc Natl Acad Sci USA 93:1108–1112. – 3. Tanelian DL, Brose WG (1991) Neuropathic pain can be relieved by drugs that are use-dependent sodium channel blockers: lidocaine, carbamazepine, and mexiletine. Anesthesiology 74:949–951
Intravenöses Lidocain wirkt peripher antihyperalgetisch, nicht analgetisch W. Koppert1 · S. Zeck1 · R. Sittl1 · M. Schmelz2 Klinik für Anästhesiologie und 2 Institut für Physiologie 1 der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg 1
Fragestellung. Klinische Studien belegen analgetische Effekte von intravenös verabreichtem Lidocain. Dosierungen zwischen 2 und 3 mg/kg führten nicht nur zu Erfolgen in der Behandlung chronischer Schmerzzustände wie Neuralgien und Polyneuropathien, auch akute Schmerzen, z.B. nach Operationen, wurden signifikant reduziert [1]. Es wird vermutet, daß Lidocain neben einer pheripheren Blockade der Schmerzweiterleitung auch die zentrale Schmerzverarbeitung in Hinterhornneuronen des Rückenkmarks modifizieren kann [2]. Ziel
Tabelle 1 Halbmaximale-Blockierungskonzentrationen für den tonischen und phasischen Block verschiedener Natriumkanal-blockierender Substanzen in Abhängigkeit vom Membranpotential Angepaßte Werte±Standardabweichung der Anpassung, Zahl der Experimente in Klammern Membranpotential
–90 mV
–70 mV
–60 mV
Block
Tonisch µmol/l
Phasisch µmol/l
Tonisch µmol/l
Phasisch µmol/l
Tonisch µmol/l
Phasisch mol/l
Lidocain Mexiletin Carbamazepin
326±35 (11) 258±18 (5) 216±22 (5)
83±5 (3) 142±8 (5) 172±20 (5)
128±19 (6) 242±22 (6) 146±17 (8)
53±5 (6) 100±9 (6) 118±14 (8)
53±5 (5) 58±9 (6) 101±11 (5)
23±3 (5) 28±4 (6) 94±11 (5) Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI
Abb.1 b A: Schmerzratings während des tonischen Druckreizes.VAS 100 entspricht der Schmerzschwelle auf einer nach oben offenen Skala. p<0,01, ANOVA für Wiederholungsmessungen. B: Entwicklung des Flares nach Histaminapplikation. p<0,05, ANOVA für Wiederholungsmessungen der vorliegenden Untersuchung waren Aussagen über periphere Wirkungen von intravenös verabreichtem Lidocain in experimentellen Schmerzmodellen. Methodik. Nach Aufklärung und Einverständnisgabe nahmen 12 gesunde Probanden an der Studie teil, das Protokoll wurde von der Ethikkommission der Universität genehmigt. Im ersten Teil der Studie wurden randomisiert und doppelblind im Abstand einer Woche Lidocain 1% oder NaCl 0,9% systemisch verabreicht. In beiden Fällen folgte einer Bolusgabe von 0,2 ml/kg eine kontinuierliche Infusion von 0,2 ml/kg/h während der Dauer des Experiments. Schmerzintensität nach standardisierten Prellreizen und während zweiminütigen tonischen Druckreizes an der zweiten Interdigitalfalte sowie Hitzeschmerzschwellen wurden zwischen beiden Behandlungen verglichen. Weiterhin wurde das Ausmaß des Axonreflexes als Parameter für die C-Faser-Aktivierung beobachtet. Nach iontophoretischer Applikation von Histamin wurden Unterschiede in der Entwicklung der sichtbaren Rötung durch Videoanalyse und Durchblutungsänderungen durch Thermographie erfaßt. Um mögliche zentrale Effekte auszuschließen, wurde in einem zweiten Teil der Studie die Technik der intravenösen Regionalanästhesie angewendet. Nach Legen intravenöser Zugänge in beide Handrücken und Anlegen einer Blutleere an beiden Armen wurden 40 ml Lidocain 0,05% in den einen, 40 ml NaCl 0,9% in den anderen Arm injiziert. Mit Ausnahme der Messungen der Gefäßreaktion wurden die im ersten Teil der Studie verwendeten Reizformen auch hier eingesetzt, um Unterschiede in der Empfindung zwischen beiden Behandlungen zu vergleichen. Ergebnisse. Die Anlage einer Blutleere führte in dem von uns gewählten Beobachtungszeitraum von 30 min zu keiner Veränderung in der Schmerzwahrnehmung. Während sich die Schmerzintensität nach den Prellreizen sowie die Hitzeschmerzschwellen in den Behandlungsgruppen nicht unterschieden, wurde sowohl nach systemischer als auch nach regionaler Gabe von Lidocain eine Abschwächung der mechanischen Hyperalgesie während des tonischen Druckreizes beobachtet (Abb.1A).Auch die sichtbare Rötung war nach systemischer Gabe von Lidocain signifikant verringert (Abb. 1B), thermographische Verfahren ließen keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen erkennen. Interpretation. Die mechanische Hyperalgesie nach tonischem Druck entsteht durch Erregung und Sensibilierung von Untergruppen der Aδ- und C-Fasern. Erste weitergehende Untersuchungen belegen eine Beteiligung von sehr dünnen, primär unerregbaren Nozizeptoren, den sog. „stummen Nozizeptoren“ (Cmi-Fasern, [3]). Das Antwortmuster dieser Fasern scheint bereits durch sehr geringe Lidocainkonzentrationen modifizierbar zu sein und erklärt klinische Beobachtungen über analgetische Effekte in Schmerzzuständen, bei denen eine Hyperalgesie pathognomonisch ist. Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des SFB 353, Teilprojekt C4, durch die DFG unterstützt.
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Literatur. 1. Cassuto J, Wallin G, Högström S, Faxen A, Rimbäck G (1985) Inhibition of postopoerative pain by continuous low-dose intravenous infusion of lidocaine.Anesth Analg 64:971–974. – 2. Devor M, Wall PD, Catalan N (1992) Systemic lidocaine silences neuroma and DRG discharge without blocking nerve conduction. Pain 48:261–268. – 3. Schmidt R, Schmelz M, Forster C, Ringkamp M, Torebjörk E, Handwerker H (1996) Novel classes of responsive and unresponsive C nociceptors in human skin. J Neurosci 15:333–341
Kappa-Opioidrezeptoren in sympathischen postganglionären Neuronen tragen nicht wesentlich zu peripheren analgetischen Wirkungen von kappa-Agonisten bei M. Schäfer1 · L. Carter2 · Li Zhou2 · G.R. Uhl3 · C. Stein1 1 Klinik für Anaesthesiologie und op. Intensivmedizin, Freie Universität Berlin 2 Behavioral Pharmacology and Genetics and 3 Molecular Neurobiology Sectins, NIDA/NIH, Baltimore Fragestellung. Sowohl tierexperimentelle als auch kontrollierte klinische Studien zeigen, daß Opioide nach lokaler Gabe in entzündetes Gewebe wirkungsvoll Schmerzen lindern können [2]. Dies hat zur Identifizierung von mu- und delta-Opioidrezeptoren auf peripheren Nervenendigungen [3] und deren korrespondierender mRNA in Zellkörpern primär afferenter Neurone geführt [1]. Eine Beteiligung von sympathischen postganglionären Neuronen bei der peripher vermittelten Opioidanalgesie ist bisher nicht geklärt. Mit dieser Studie untersuchten wir, ob unter entzündlichen Bedingungen kappa-Opioidrezeptoren in sensorischen und sympathischen postganglionären Neuronen exprimiert werden und an peripheren analgetischen Wirkungen von kappa-selektiven Opioiden beteiligt sind. Methodik. Die Richtlinien für ethische Standards der „International Association for the Study of Pain (IASP)“ wurden befolgt. Entsprechend einem etablierten Modell erhielten Wistar Ratten (n=6 pro Gruppe) eine Injektion von 0,15 ml Freunds Adjuvans in eine Hinterpfote und entwickelte eine lokalisierte Entzündung. Null, sechs, 12, 24, 48 und 96 h nach Injektion wurde mRNA aus sensorischen Hinterwurzelganglien L3–L5 und aus paravertebralen sympathischen Grenzstrangganglien L2–L4 extrahiert (3 Gruppen pro Zeitpunkt). Kappa-Opioidrezeptor-spezifische mRNA und 28 S rRNA (als interner Standard) wurden mittels radioaktiver cRNA-Proben (spezifische Aktivität: 4×104 bzw. 8×103 Ci/mmol) und der Durchführung eines Ribonuklease-Protection-Assay identifiziert. Zu den gleichen Zeitpunkten wurden analgetische Wirkungen des intraplantar und intravenös verabreichten kappa-selektiven Agonisten U-50,488H (10, 50, 100 µg) mit Hilfe eines konventionellen Pfotendrucktests (Randall-
Selitto) untersucht. Die Anzahl der zu bestimmten Zeitpunkten funktionell aktiven kappa-Opioidrezeptoren im entzündeten Gewebe wurde durch die Anwendung des irreversiblen kappa-selektiven Antagonisten SMBU-1 (0,1–50 µg) bestimmt. Eine Beteiligung primär afferenter und sympathischer postganglionärer Neurone an der peripheren Analgesie von U-50,488H wurde durch selektive Ausschaltung dieser Neurone mit Hilfe der spezifischen Neurotoxine Capsaicin (30, 50, 70 mg/kg KG s.c. über drei Tage) bzw. 6-Hydroxydopamin (75 mg/kg KG s.c. über drei Tage) untersucht. Der Erfolg dieser Behandlung wurde immunhistochemisch überprüft. Ergebnisse. Kappa-Opioidrezeptor mRNA war sowohl in sensorischen Hinterwurzelganglien (2,62±0,72% kappa mRNA/28S rRNA) als auch in paravertebralen sympathischen Grenzstrangganglien (1,42±0,28% kappa mRNA/28S rRNA) von Kontrolltieren nachweisbar. Diese mRNA Spiegel änderten sich nicht signifikant im weiteren Verlauf der Entzündung (p>0,05, Kruskal-Wallis Test). Die analgetischen Wirkungen von intraplantar verabreichtem U-50,488H waren dosisabhängig und nahmen parallel mit der Dauer der Entzündung zu (p<0,05, lineare Regressionsanalyse). Die intravenöse Gabe war nicht analgetisch wirksam. Nach 96 h der Entzündung waren signifikant höhere Dosen von intraplantarem SMBU-1 notwendig als nach 12 h (p<0,05, zweifaktorielle Varianzanalyse), um die analgetischen Wirkungen von U-50,488H irreversibel aufzuheben. Eine Vorbehandlung mit Capsaicin, nicht jedoch mit 6-Hydroxydopamin hob die analgetischen Wirkungen von U-50,488H vollständig auf (p<0,05, zweifaktorielle Varianzanalyse). Interpretation. Kappa-Opioidrezeptoren werden sowohl in primär afferenten als auch in sympathisch postgangliären Neuronen exprimiert. Die analgetische Wirksamkeit des lokal verabreichten kappaselektiven Agonisten U-50,488H beruht jedoch hauptsächlich auf einer Aktivierung von kappa-Opioidrezeptoren in primär afferenten und weniger in sympathisch postganglionären Neuronen. Der analgetische Effekt von U-50,488H nimmt mit der Dauer der Entzündung kontinuierlich zu, was am ehesten mit einer Zunahme der funktionell aktiven kappa-Opioidrezeptoren im entzündeten Gewebe zu erklären ist. Kontrollierte klinische Studien konnten die analgetische Wirksamkeit einer lokalen Applikation niedriger Dosen von Morphin sowohl beim akuten posttraumatischen als auch beim chronisch entzündlichen Schmerz nachweisen [2]. Unsere Ergebnisse lassen eine erfolgreiche lokale Anwendung von kappa-selektiven Opioiden zur Therapie von komplexen regionalen Schmerzsyndromen, deren Entstehung teilweise auf einer erhöhten Aktivität des sympathischen Nervensystems beruht (z.B. sympathische Reflexdystrophie), fraglich erscheinen. Literatur. 1. Schäfer M, Imai Y, Uhl GR, Stein C (1995) Inflammation enhances peripheral mu-opioid receptor-mediated analgesia, but not mu-opioid receptor transcription in dorsal root ganglia. Eur J Pharmacol 279:165–169
Zur Expresssion Ca2+-regulierender Proteine in chronisch instrumentierten wachen Hunden bei myokardialem Stunning A. Meißner1 · J. Neumann2 · I. Gombosova2 · P. Boknik2 · J.Knapp2 B. Linck2 · H. Lüss2 · F.U. Müller2 · N. Rolf1 · W. Schmitz2 H. Van Aken1 1 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin 2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie, WWU Münster
und eingeschränkten Relaxation, die in einer reduzierten Kalziumaufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum begründet sein könnte [2]. In dieser Studie sollte die Expression Kalzium-regulierender Proteine und deren kodierender RNA in wachen Hunden nach Stunning untersucht werden. Methoden. Die Versuche wurden durch die Tierschutzkommission der WWU Münster genehmigt (Az. 23.0835.1.0 (68/96)). Gesunde Hunde (n=9) wurden nach linksseitiger Thorakotomie chronisch zur Messung von linksatrialem Druck (LAP), aortalem Druck (ABP), linksventrikulärem Druck (LVP) und dessen erster Ableitung (dp/ dtmax), Blutflußgeschwindigkeit (BFV) in der linken vorderen Kranzarterie (LAD) und myokardialer Wanddickenfraktion (WTF) im LAD-perfundierten Bereich instrumentiert. Ein Ballonokkluder um die LAD ermöglichte die reversible Induktion einer LAD-Ischämie. Nach vollständiger Erholung von der Instrumentierung wurde bei wachen Hunden eine Ischämie im LAD-perfundierten Bereich induziert. Bei einer Erholung der Wanddickenfraktion auf 50% des Ausgangswerts wurden die Tiere anästhesiert (10 mg/kg Propofol, 0,02 mg/kg Fentanyl und 0,5 mg/kg Midazolam) und die Herzen exzidiert. Gewebe des LAD- und des Ramus circumflexus der linken Koronararterie (Rcx)-perfundierten Herzareals wurden unverzüglich in flüssigem Stickstoff eingefroren. Protein und RNA wurden aus dem LAD- und RCX-Gebiet extrahiert. SR-CA2+ ATPase (SERCA 2a) und Phospholamban (PLB) Proteinexpression wurden mit quantitativen Immunoblots mittels spezifischer monoklonaler Antikörper und radioaktiv markierten zweiten Antikörpern gemessen. Die GesamtRNA des Herzen wurde mit spezifischen radioaktiven cDNA-Sonden für SERCA und PLB hybridisiert. Die Radioaktivität als Maß der Expression wurde mit einem Phosphorimager gemessen. Die statistische Auswertung erfolgte mit ANOVA für wiederholte Messungen gefolgt von einem gepaarten t-Test mit Bonferroni-Korrektur. Ergebnissse. Die Induktion der Ischämie führte zu einer raschen Änderung der WTF im LAD-perfundierten Bereich zu negativen Werten, während sich die WTF im RCx-Bereich nicht änderte. Die Herzfrequenz nahm nach Ischämieinduktion geringfügig zu (88,4±3,2/min vs. 97,3±5,2/min; p<0,05), der mittlere arterielle Blutdruck (106,2±2,7 mm Hg vs. 94,1±3,4 mm Hg; p<0,05) und LVdP/dt (3085±178 mm Hg/s vs. 2359±150 mm Hg/s; p<0,05) nahmen geringfügig ab. Die Dauer bis zur Erholung auf 50% des Ausgangswerts betrug 39,4±6,4 min. Zum Zeitpunkt der 50%igen Erholung der WTF waren die Expression von SERCA und PLB auf Protein- und mRNA-Ebene im LAD- und RCx-Gebiet gleich. Die cAMP-Spiegel waren hingegen um 27,8% im LAD gegenüber RCx-Gebiet reduziert (p<0,05). Diskussion. Kurzfristiges myokardiales Stunning veränderte nicht die Expression von PLB und SERCA beim Hund, hingegen war der cAMP-Gehalt reduziert. Der reduzierte cAMP-Gehalt führt zu einer verminderten Phosphorylierung von Phospholamban und kann die Kalziumaufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum vermindern [1]. Literatur. 1. Luo W, Grupp I, Harrer J, Ponnish S, Grupp G, Duffy J, Doetschman T, Kranias E (1994) Targeted ablation of the phospholamban gene is associated with markedly enhanced myocardial contractility and loss of β-agonist stimulation. Circ Res 75:401–409. – 2. Schaper W (1995) Stunned myocardium, an opinionated review. Basic Res Cardiol 90:273–275. – 3.Vroom MB,Van Wezel HB (1996) Myocardial stunning, hibernation and ischemic preconditioning. J Cardiothorac Vasc Anesth 10:789–799
Fragestellung. Die biochemischen Mechanismen der reversiblen myokardialen Dysfunktion („stunning“) nach kurzfristigen Myokardischämien sind bisher unklar [3]. Myokardiales Stunning resultiert in einer verminderten Wanddickenänderungsfraktion (WTF) Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI Tabelle 1 H2O2-Produktion nach Stimulation mit FMLP, C5a, DiC8-DAG und PMA Die Fluoreszenzen sind in 103 Molecular Equivalents of Fluorochrome MESF angegeben. (MW±SD, n=6; * p<0,01; Student-t-Test) Stimulus
Kontrolle
Thiopental (25 µg/ml)
p
Methohexital (25 µg/ml)
p
FMLP C5a DiC8-DAG (10 µM) PMA (100 nM)
139,2±19,3 73,4±20,1 45,4±8,3 3663±1723
52,7±10,8* 44,8±10,8* 37,5±8,9 2814±1977
0,004 0,009 0,857 0,485
105,8±30,2 76,3±22,8 42,6±10,8 4286±2114
0,240 0,937 0,629 0,589
Thiopental reduziert die oxidative Antwort neutrophiler Granulozyten durch eine Hemmung der Signaltransduktion D. Fröhlich1 · G. Rothe2 · G. Schmitz2 · E. Hansen1 · K. Taeger1 1 Klinik für Anaesthesiologie und 2 Institut für Laboratoriumsmedizin der Universität Regensburg Fragestellung. Thiopental hemmt im Gegensatz zu Methohexital die Bildung von mikrobiziden Sauerstoffradikalen stark ]2]. Ziel der vorliegenden Studie war es, Art und Mechanismus der Hemmung zu charakterisieren. Methodik. Granulozyten von Versuchspersonen wurden in vitro mit 25 µg/ml des jeweiligen Barbiturats inkubiert. Die Granulozyten wurden mit n-formyl-L-Methionyl-L-Leucyl-L-Phenylalanin (FMLP), C5a, 1,2-Dioctanyl-sn-glycereol (DiC8-DAG) und Phorbol-12-myristat-13-acetat (PMA) stimuliert. Die H2O2-Produktion wurde unter
Verwendung von Dihydrorhodamin 123 auf Ebene der Einzelzellen durchflußzytometrisch erfaßt. Die zytosolische Ca2+-Konzentration wurde mit dem Farbstoff Fluo3 verfolgt. Ergebnisse. Thíopental hemmte im Gegensatz zu Methohexital die FMLP- und die C5a-induzierte H2O2-Produktion mit p<0,01 signifikant. Bei Aktivierung mit DiC8-DAG und PMA konnte keine Hemmung durch Thiopental nachgewiesen werden (Tabelle 1). Der Anstieg des intrazellulären Ca2+ war durch Thiopental unbeeinflußt. Interpretation. C5a und FMLP sind Chemotaxine, für welche Granulozyten spezifische Rezeptoren exprimieren. Beiden Rezeptoren ist der gleiche Signaltransduktionsweg nachgeschaltet [1] (Abb. 1). Aus der starken Hemmung der C5a- oder FMLP-induzierten H2O2Produktion durch Thiopental und der fehlenden Hemmung bei direkter Aktivierung der PKC durch DAG-Analoge (DiC8-DAG und PMA) folgt, daß weder die PKC selbst noch das Enzymsystem der H2O2-Produktion durch Thiopental beeinflußt werden. Die ungestörte zelluläre Ca2+-Antwort unter Thiopental deutet auf eine intake Funktion der Rezeptoren und des G-Proteins hin. Die Ergebnisse weisen auf einen Angriffspunkt von Thiopental unterhalb des Rezeptors und oberhalb der PKC hin. Literatur. 1. Downey GP, Fukushima T, Fialkow L, Waddell TK (1995) Intracellular signaling in neutrophil priming and activation. Sem Cell Biol 6:345–356. – 2. Fröhlich D, Rothe G, Schwall B, Schmitz G, Hobbhahn J, Taeger K (1996) Thiopentone and propofol, but not methohexitone nor midazolam, inhibit neutrophil oxidative responses to the bacterial peptide FMLP. Eur J Anaesthesiol 13:582–588
Die Expression der induzierbaren Stickstoffmonoxid-Synthase (iNOS) hemmt die Freisetzung des endothelialen hyperpolarisierenden Faktors (EDHF) in isolierten Blutgefäßen P. Kessler1 · R. Popp2 · R. Busse2 · V.B. Schini-Kerth2 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie und 2 Zentrum der Physiologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
Abb 1 m Signaltransduktion neutrophiler Granulozyten: (A) Agonist, hier FMLP oder C5a, (R) Rezeptor, (G) G-protein, (PLC) Phospholipase C, (PLD) Phospholipase D, (PKC) Proteinkinase C, (Ox) NADPH-Oxidase, (DAG) Diacylglycerol, (IP3) Inositol-3-phosphat
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Fragestellung. Das Gefäßendothel ist prinzipiell in der Lage, drei verschiedene vasodilatatorisch wirksame Autakoide freizusetzen: Prostazyklin, Stickstoffmonoxid (NO) und einen endothelialen hyperpolarisierenden Faktor (EDHF), der über eine Hyperpolarisation glatter Muskelzellen eine Vasodilatation induziert [2]. Da die endothelabhängige NO-vermittelte Vasodilatation unter pathophysiologischen Bedingungen wie z.B. Arteriosklerose und Entzündungsprozessen, die mit einer Expression der induzierbaren Stickstoffmonoxidsynthase (iNOS) einhergehen, gehemmt ist [1, 3], war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Auswirkungen proinflammatorischer, iNOS-induzierender Mediatoren auf die EDHF-Freisetzung in arteriellen Gefäßsegmenten und mögliche zugrunde liegende Mechanismen zu untersuchen.
Methodik. Isolierte Kaninchenkarotiden und Schweinekoronarien wurden zunächst in An- und Abwesenheit von Interleukin (IL)-1β (100 U/ml) und/oder den zu testenden Substanzen [Cas 1609 (100 µM), ein exogener NO-Donor; Zykloheximid (20 µg/ml), ein Proteinsynthesehemmer; S-Methylisothioharnstoff (SMT, 10 µM), ein Inhibitor der iNOS-Aktivität] für 7 h (Kaninchen) bzw. mit Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-α (1000 U/ml), Interferon (IFN)-γ (500 U/ml) und Lipopolysacccharid (LPS, 10 µg/ml) für 15 h (Schwein) inkubiert. Anschließend wurde die EDHF-mediierte endothelabhängige Relaxation der Gefäßringe – nach Vorkontraktion mit Phenylephrin (1–3 µM, Karotiden) bzw.mit einem Thromboxanalogon (U46619: 0,1–0,3 µM,Koronarien) – im Organbad bei gleichzeitiger Hemmung der NO-Synthase mit NG-Nitro-L-Arginin (L-NAG, 100 µM) und der Zyklooxygenase mit Diclofenac (1 µM) untersucht. Mit Hilfe eines modifizierten Bioassaysystems wurde die Freisetzung von EDHF aus perfundierten Schweinekoronarien über die Registrierung der Änderung des Membranpotentials (Patch-Clamp-Technik) kultivierter glatter Gefäßmuskelzellen der Rattenaorta, die mit dem Effluat superfundiert wurden, bestimmt. Die statistische Analyse erfolgte mit dem Student’s t-Test oder mit Hilfe der einseitigen Varianzanalyse, gefolgt von einer Korrektur nach Bonferroni bei Testwiederholung, wobei p<0,05 als signifikant betrachtet wurde. Ergebnisse. Die Behandlung der Gefäße mit den postinflammatorischen Substanzen führte zu einer signifikanten Hemmung der rezeptorabhängigen (Azetylcholin, Bradykinin) und – unabhängigen (Kalziumionophor) EDHF-mediierten endothelabhängigen Relaxation, während die Relaxation auf Cromakalim, einem Aktivator ATP-sensitiver K+-Kanäle, unbeeinflußt blieb (Tabelle 1). Die Inkubation mit CAS 1609 führte ebenfalls zu einer Reduktion der endothelabhängigen Relaxation. Die gleichzeitige Inkuation mit Zykloheximid oder S-Methylisothioharnstoff hob die Zytokin-induzierte Hemmung auf. Das Perfusat Bradykinin-stimulierter Koronarien führte zu einer Hyperpolarisation glattmuskulärer Detektorzellen von 17,4±0,8 mV unter Kontrollbedingungen (n=6). Diese Hyperpolarisation war nach Vorbehandlung der Koronarsegmente mit Zytokin/LPS (n=6) um 50,6% (p<0,05) und nach Vorbehandlung mit CAS 1609 (n=6) bzw. 8-Bromo-cGMP (n=6) um 54,6% (p<0,05) bzw. 44,3% (p<0,05) reduziert. Interpretation. Diese Befunde zeigen, daß proinflammatorische Mediatoren die EDHF-Freisetzung und EDHF-mediierte endothelabhängige Relaxation in isolierten arteriellen Gefäßen signifikant hemmen. Diese Hemmung wird durch die erhöhte iNOS-induzierte NO-
Tabelle 1 Agonisten-induzierte maximale EDHF-mediierte endothelabhängige Relaxation (MW±SD) Agonist
Maximale Relaxation (%)
Maximale Relaxation (%)
Azetylcholin
Kontrolle 53,4±4,6 Kontrolle 71,3±3,9 Kontrolle 43,1±4,2 Kontrolle 77,6±2,4 Kontrolle 29,6±4,9 IL-1b
IL-1b 24,7±3,9 Zytokin /LPS 23,6±3,1 IL-1b 24,4±1,8 IL-1b 76,1±1,9 CAS 1609 14,3±2,8 IL-1b+ Zykloheximid 40,2±6,4 IL-1b+SMT 25,4±2,1
Bradykinin Kalziumionophor Cromakalim Azetylcholin Azetylcholin
Azetylcholin
14,6±3,1 IL-1b 18,2±1,7
n
p
10
<0,05
9
<0,05
8
<0,05
10
n.s.
7
<0,05
7
<0,05
7
<0,05
Bildung verursacht, die in Endothelzellen die EDHF-Freisetzung über einen cGMP-abhängigen Mechanismus reduziert. Literatur. 1. Kessler P, Bauersachs J, Busse R, Schini-Kerth VB (1997) Inhibition of inducible NO synthase restores the impaired endothelium-dependent relaxations in proinflammatory mediator-induced blood vessels. Arterioscler Thromb Vasc Biol 17:1746–1755. – 2. Taylor SG, Weston AH (1988) Endothelium-derived hyperpolarizing factor: A new endogenous inhibitor from the vascular endothelium. Trends Pharmacol Sci 9:272–274. – 3. Zeiher AM, Drexler H, Wollschläger H, Just H (1991) Modulation of coronary vasomotor tone in humans: Progressive endothelial dysfunction with different early stages of coronary atherosclerosis. Circulation 83:391–401
Genotypisierung polytraumatisierter Patienten Untersuchungen zum Plasminogenaktivator-Inhibitor (PAI-1)-Promotor-Genpolymorphismus T. Menges1 · P.W.M. Hermans2 · O. Böning1 · S.G. Little1 · J. Welters1 T. Langefeld1 · J. Engel1 · A. Sablotzki1 · A.R. de Groot2 G. Hempelmann1 1 Abteilung Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin, Klinikum der Justus-Liebig-Universität, Gießen 2 Klinik für Kinderheilkunde, Erasmus Universität Rotterdam Fragestellung. Aus der großen Zahl von Mediatoren und Inhibitoren haben sich proinflammatorische Zytokine und Serinproteasen plasmatischer Kaskadensysteme als potente Effektoren destruktiver Prozesse auf zellulärer Ebene erwiesen, die im schweren posttraumatischen und postoperativen Krankheitsverlauf zum Multiorganversagen (MOF) führen. Posttraumatische Störungen der Fibrinolyse und ihrer Inhibitoren sind hierfür ein möglicher Pathomechanismus, wobei das in seiner Funktion beeinträchtigte Endothel vermehrt Gewebeplasminogenaktivator (t-PA) und Plasminogenaktivator-Inhibitor (PAI-1) synthetisiert und liberiert. Der unmittelbar posttraumatisch gesteigerten Fibrinolyse folgt im weiteren Verlauf aufgrund gesteigerter PAI-1-Synthese eine systemische Fibrinolysehemmung [2]. Die Größenordnung der PAI-1-Plasmaspiegel ist nach vergleichbarer Stimulation bei polytraumatisierten Patienten durchaus unterschiedlich. Der PAI-1-Genlocus umfaßt neun Exons, acht Introns, und ist auf dem Chromosom 7 (q21.3–q22) lokalisiert. Ein Zwei-Allel-Polymorphismus (PAI-1/4G, PAI-1/5G [ein zusätzlich fünftes Guaninmolekül an Position −675 innerhalb der Promoterregion]) des PAI-1-Genlocus zeigt im Vergleich zu PAI-1-Plasmaspiegeln eine auffällige Genotypverteilung bei verschiedenen Erkrankungen [3]. Inwieweit unterschiedliche PAI-1-Genotypen bei polytraumatisierten Patienten in Relation zu t-PA- und PAI-1-Plasmaspiegeln, der Entwicklung von septisch-toxischen Komplikationen und MOF stehen, sollte in der vorliegenden Studie untersucht werden. Methodik. In einer prospektiven, von der Ethikkommission genehmigten Studie wurden 61 polytraumatisierte Patienten in die Studie eingeschlossen und über einen Zeitraum von 14 Tagen nach dem Unfall auf einer Operativen Intensivstation untersucht. Neben einer standardisierten Medikamenten-, Infusions- und Transfusionstherapie einschließlich bedarfsadaptierter kontrollierter Beatmung erfolgte eine Antibiotikatherapie nach Antibiogramm. Mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wurde ein 890 bp (Basenpaare) langes Segment genomischer DNA jedes Patienten amplifiziert, dieses in einem Agarosegel denaturiert, in einem Hybridisierungsschritt mittels zweier allelspezifischer, markierter [g32P] Primer detektiert und die Genotypen autoradiographisch analysiert [1]. Die Plasmaspiegel des t-PA und PAI-1 wurden immunologisch mittels Elisa-Technik, Plasminogen und Fibrinogen nephelometrisch in den ersten 48 h 6stündlich und dann 24stündlich erfaßt. Die statistische Bewertung erfolgte mit Methoden der deskriptiven und analytischen Statistik. Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI Ergebnisse. Die Verteilung des Genotyps der polytraumatisierten Patienten mit PAI-1/4G//PAI-1/4G homozygot (31,1%), PAI-1/4G//PAI1/5G heterozygot (47,5%) und PAI-1/5G//PAI-1/5G homozygot (21,3%) entsprach ebenso der des Normalkollektivs wie die Allelfrequenz mit PAI-1/4G (55%) und PAI-1/5G (45%). 29 Patienten (47,5) entwickelten eine Sepsis, 23 Patienten(37,7%) ein MOF und 21 Patienten (34,4%) verstarben. Nichtüberlebende Patienten zeigten für das Allel PAI1/4G eine signifikant höhere Prävalenz (68%). Für das Allel PAI-1/4G homozygote Patienten hatten signifikant höhere PAI-1-Plasmaspiegel als heterozygote und PAI-1/5G homozygote Patienten (p<0,005). Plasminogen-, Fibrinogen- und t-PA-Plasmaspiegel zeigten keine Gruppenunterschiede. Ein Multiorganversagen entwickelten 15 PAI1/4G homozygote Patienten, 7 heterozygote und ein PAI-1/5G homozygoter Patient. 84,2% der PAI-1/4G homozygoten Patienten entwickelten eine Sepsis (p>0,05). Ein von 19 Patienten (homozygot für PAI1/4G) verstarben, 21 von 29 heterozygoten und 11 von 13 PAI-1/5G homozygoten Patienten überlebten (p<0,05). Schlußfolgerung. Die nach einer Mehrfachverletzung einsetzende Entzündungsreaktion zeigt im Einzelfall große interindividuelle Schwankungen. Von verschiedenen Zytokinen und Serinproteasen sind Polymorphismen codierender und nicht codierender Regionen beim Menschen beschrieben, wobei die Existenz verschiedener Allele mit gesteigerter oder reduzierter Synthese assoziert sein kann. Die Ergebnisse für polytraumatisierte, PAI-1/4G homozygote Patienten zeigen, daß das PAI-1/4G Allel mit einer signifikant höheren PAI-1 Freisetzung korreliert und diese Patienten signifikant höhere PAI-1Plasmaspiegel haben als heterozygote und PAI-1/5G homozygote Patienten. Die nach einem Trauma freigesetzte Menge an PAI-1 scheint genetich beeinflußt. Inwiefern die Erfassung des Zwei-Allel-Polymorphismus (PAI-1/4G, PAI-1/5G) als genomischer Marker eine Möglichkeit ist, PAI-1/4G homozygote, polytraumatisierte Patienten mit hoher Prävalenz an septisch-toxischen Komplikationen und Organfunktionsstörungen frühzeitig zu identifizieren und die schlechte Prognose dieser Patienten durch differenziertere Therapiestrategien zu verbessern, bedarf weiterer Untersuchungen. Literatur. 1. Dawson SJ, Wiman B, Hamsten A, Green F, Humphries SE, Henney AM (1993) The two allel sequences of a common polymorphism in the promoter of the plasminogen activator inhibitor-1 (PAI-1) gene respond differently to interleukine-1 in HepG2 cells. J Bio Chem 268 (No 15): 10739–10745. – 2.Kluft C, Verheijen JH, Jie AFH, Rijken DC, Preston FE, Sue-Ling HM, Jespersen J, Aasen AO (1985) The postoperative fibrinolytic shutdown; a rapidly reverting acute phase pattern for the fast-acting inhibitor of tissue-type plasminogen activator after trauma. Scand J Clin Lab Invest 45:605–610. – 3. Panahloo A, Mohamed-Ali V, Lane A, Green F, Humphries SE,Yudkin JS (1995) Determinants of plasminogen activator inhibitor 1 activity in treated NIDDM and its relation to a polymorphism in the plasminogen activator inhibitor 1 gene. Diabetes 44:37–42
Redoxsensitive Transkriptionsfaktoren und hepatische Hämoxygenase-1 Genexpression im hämorrhagischen Schock M. Bauer1 · H. Rensing1 · I. Bauer1 · H. Jäschke2 · R. Larsen1 1 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar und 2 Pharmacia und Upjohn Inc., Kalamazoo, MI, USA Fragestellung: Kohlenmonoxid entsteht unter dem katalytischen Einfluß der Hämoxygenase als Intermediärprodukt im Hämstoffwechsel und trägt nach Induktion des Isoenzyms Hämoxygenase-1 (HO-1) zur Aufrechterhaltung des Leberblutflusses nach hämorrhagischem Schock bei [1].Obwohl das Hitzeschockprotein 32 identisch mit der induzierbaren Isoform der Hämoxygenase ist, deuten eigene Untersuchungen darauf hin, daß die Genexpression von HO-1 nach hämor-
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rhagischem Schock und Volumentherapie unabhängig von der Hitzeschockreaktion reguliert wird [2].Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die an DNA-Sequenzen innerhalb der Promoterregion eines Gens binden und dessen Expression regulieren. Neben Bindungsstellen für den „Hitzeschockfaktor“ als zentralem Regulator der Hitzeschockreaktion finden sich in der Promoterregion des HO-1-Gens auch Bindungsstellen für die redoxsensitiven Transkriptionsfaktoren „Nuklärer Faktor (NF) kB“ und „Aktivator Protein (AP)-1“. Veränderungen des Redoxstatus der Zelle, wie sie mit Schock und Volumentherapie einhergehen, können diese Transkriptionsfaktoren, denen eine Schlüsselrolle im Rahmen der hepatischen Entzündungsreaktion zukommt [3], aktivieren. Da Biliverdin als Produkt der Hämoxygenase seinerseits einen wichtigen antioxidativen Schutzmechanismus der Zelle darstellt, sollte die Rolle der redoxsensitiven Transkriptionsfaktoren für die Induktion der HO-1-Genexpression sowie die „feedback“-Modulation der redoxsensitiven Transkriptionsfaktoren durch den HO Stoffwechsel im hämorrhagischen Schock untersucht werden. Methodik. Nach Genehmigung durch die Tierschutzkommission wurde bei männlichen Sprague Dawley Ratten (n=2–5/Gruppe) durch intraperitoneale Injektion von Pentobarbital (50 mg/kg) eine Narkose eingeleitet und durch arteriellen Blutentzug der mittlere arterielle Druck für 60 min auf 40 mm Hg gesenkt; die Volumentherapie erfolgte mittels Blut und Vollelektrolytlösung [1]. Die Narkose während der bis zu 12stündigen Nachbeobachtungsphase wurde durch intravenöse Boli (5 mg/kg) von Pentobarbital aufrechterhalten. Ein Teil der Tiere wurde mit Dexamethason (10 mg/kg), einem Hemmstoff der AP-1/DNA-Interaktion vorbehandelt. Kernproteinextrakte und Gesamt-RNA wurden vor Hämorrhagie (t0), zum Ende der hämorrhagischen Hypotension (tS) sowie 1 (tV1), 3 (tV3), 5 (tV5) und 11 (tV11) h nach Beginn der Volumentherapie gewonnen. Zur Untersuchung der funktionellen Bedeutung der HO-1-Genexpression für die Modulation der Aktivierung der redoxsensitiven Transkriptionsfaktoren, erfolgte bei einem Teil der Tiere die Blockade des HOStoffwechsels zum Zeitpunkt der maximalen Genexpression (5 h nach Beginn der Volumentherapie; n=4–5/Gruppe) mittels des falschen Substrats Zinn-Protoporphyrin-(SnPP)-IX (50 µmol/kg). Der zeitliche Verlauf der Akkumulation von NFkB und AP-1 im Zellkern wurde bei jeweils 2 Tieren pro Zeitpunkt mittels „electrophoretic mobility shift assay“ (EMSA; [3]), die Genexpression von HO-1 bei jeweils 4–5 Tieren mittels Standard Northern blot Analyse [1, 2] untersucht. Die statistische Auswertung des Effekts von Dexamethason auf die HO-1 mRNA-Expression sowie des Effekts von SnPP-IX auf die nukleäre Akkumulation von NFkB erfolgte mittels Mann-Whitney U-Test. Ergebnisse. Schock und Volumentherapie gingen mit einer gesteigerten nukleären NFkB-Bindung, die der Akkumulation der HO-1 mRNA vorausging und ihr Maximum 3 h nach Beginn der Volumentherapie erreichte (t0: 4,9±3,8; tV3: 26,7±4,0; tV5: 9,65±5,1 densitometrische Einheiten [dU]) einher, während AP-1 erst 5 h nach Beginn der Volumentherapie nachweisbar war (t0: 0,6±0,2 dU; tV5: 30,3±5,7 dU). Vorbehandlung mit Dexamethason hemmte die Bindung beider Transkriptionsfaktoren (NFkB: tV3: 2,9±0,1 dU; tV5: 3,6±0,2 dU; AP1: tV5: 3,9±0,5 dU) sowie die Akkumulation der HO-1 mRNA in der Leber zu jedem Zeitpunkt nach Beginn der Volumentherapie um 40–50% (Kontrolle: 16,8±1,7 dU; Dexamethason: 10,7±1,6 dU; p<0,05). Die Hemmung des Hämoxygenasestoffwechsels durch Gabe von SnPP-IX führte ihrerseits zu einer signifikanten Hemmung der nuklären NFkB Bindung (Abb. 1). Schlußfolgerungen. Diese Untersuchungsergebnisse sind vereinbar mit einer Rolle redoxsensitiver Transkriptionsfaktoren für die Regulation der HO-1-Genexpression nach hämorrhagischem Schock. Interessanterweise hemmt Dexamethason zumindest in vivo nicht nur die Aktivierung von AP-1 sondern auch die Aktivierung von NFkB, einem zentralen Regulator der Entzündungsreaktion sowie der
in MNZ-Kulturen, welche mit Lipopolysacchariden (LPS) verschiedener Spezies oder Zytokinen stimuliert waren, gemessen. Die PrimerSpezifität wurden durch Restriktionsanalyse mit verschiedenen Restriktionsenzymen untersucht.
Abb.1 m Einfluß der Hemmung des Hämstoffwechsels auf die nukleäre Bindungsaktivität von NFκB „Akutphasenreaktion“. Obwohl die Expression von HO-1 zu den antioxidativen Schutzmechanismen der Zelle zählt und der Anfall von reaktiven Sauerstoffradikalen zur Aktivierung der redoxsensitiven Transkriptionsfaktoren NFkB und AP-1 führt, hemmt die Blockade des HO-Stoffwechsels mittels des falschen Substrats SnPP-IX die NFkB-Aktivierung. Diese Ergebnisse legen eine Beteiligung des Hämoxygenasestoffwechsels an der Regulation der nach Schockereignissen im Rahmen der Entwicklung eines „Systemic Inflammatory Response Syndrome“ zu verzeichnenden Entzündungsantwort der Leber nahe. Literatur. 1. Bauer M, Pannen BHJ, Bauer I et al. (1996) Evidence for a functional link between stress response and vascular control in hepatic portal circulation. Am J Physiol 271: G929–G935. – 2. Bauer I, Wanner GA, Rensing H et al. (1998) Expression pattern of heme oxygenase isoenzymes 1 and 2 in normal and stress exposed rat liver. Hepatology 27:829–838. – 3. Essani NA, McGuire GM, Manning AM, Jaeschke H (1996) Endotoxin-induced activation of the nuclear transcription factor kB and expression of E-selectin messenger RNA in hepatocytes, Kupffer cells, and endothelial cells in vivo. J Immunol 156:2956–2963
Procalcitonin mRNS Expression in humanen peripheren mononukleären Blutzellen M. Oberhoffer1 · I. Stonans1 · S. Rußwurm1 · E. Stonane2 H. Vogelsang2 · U. Junker2 · L. Jäger2 · und K. Reinhart1 1 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie und 2 Institut für Klinische Immunologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena Fragestellung. Unter physiologischen Bedingungen wird Procalcitonin (PCT), das Prohormon des Calcitonins, in der Schilddrüse synthetisiert. Neuere Untersuchungen identifizieren PCT als Marker der schweren, speziell bakteriellen Infektion sowie der Sepsis. Erhöhte Serumkonzentrationen von PCT fanden sich in den oben beschriebenen klinischen Situationen auch bei thyreoidektomierten Patienten [1]. Daher ist anzunehmen, daß PCT im Rahmen einer Sepsis auch in schilddrüsenfernen Zellen exprimiert wird. Wir untersuchten eine mögliche PCT mRNS Expression humaner mononukleärer Blutzellen (MNZ) und das Maß ihrer Beeinflussung durch Sepsis-relevante Zytokine und Erregerbestandteile. Methodik. Die PCT mRNS Expression in MNZ gesunder Freiwilliger (n=5) wurde mittels Reverse Transcriptase Polymerase Kettenreaktion (RT-PCR) [2] mit Hilfe neuartiger RT-PCR-Primer gemessen. Der Grad der PCT mRNS Expression wurde sowohl in Kontrollen als auch
Ergebnisse. Die semiquantitative RT-PCR Analyse zeigte, daß MNZ mRNS für PCT exprimieren. LPS verschiedener Spezies sowie im Rahmen einer Sepsis wesentliche Zytokine beeinflussen diese Expression. In Kulturen, die mit LPS von E. coli B4 und Salmonella abortus equi (10 µg/ml) stimuliert wurden, war das endgültige RTPCR Produkt der PCT mRNS im Vergleich zur Kontrollkultur um das 2–230fache erhöht. Deutliche Effekte konnten auch durch Inkubation mit jeweils 50 ng/ml IL-1b (bis 18fach), TNF-a (bis 90fach), IL-6 (bis 35fach) und IL-2 (bis 15fach) ausgelöst werden. Unter identischen Versuchsbedingungen besaß IL-10 keinen steigernden Einfluß auf die Expression der mRNS für PCT. Interpretation. Unsere Daten belegen erstmals die Expression von PCT mRNS in humanen MNZ. Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit Untersuchungen, die zytofluorometrisch einen intrazellulären Gehalt an PCT-spezifischen Proteinanteilen in diesen Zellen zeigen konnten [2]. Die Stimulierbarkeit der PCT mRNS Expression durch LPS und Sepsis-relevante Zytokine in Kombination mit den für die Anwendung in der täglichen klinischen Routine günstigen Eigenschaften (rascher Anstieg des Serum PCT nach LPS Stimulation, Halbwertszeit von 29 h, relative Stabilität des Moleküls bei Raumtemperatur) lassen die Substanz als zeitnahen integrativen Parameter der Inflammation erscheinen. Erste Hinweise, daß die PCT-Synthese in Leukozyten wesentlich zur Serum PCT-Konzentration beiträgt, ergeben sich aus Korrelationen mit dem intrazellulären Proteingehalt [2]. Literatur. 1. Assicot M, Gendrel D, Carsin H, Raymond J, Guilbaud J, Bohuon C (1993) High serum procalcitonin concentrations in patients with sepsis and infection. Lancet 341(8844):515–518. – 2. Oberhoffer M, Vogelsang H, Meier-Hellmann A, Jäger L, Reinhart K (1997) Antibody reaction against Katacalcin and Calcitonin in different types of leukocytes indicates intracellular procalcitonin content. Shock 7:123 (Abstr). – 3. Stonans I, Stonane E, Vogelsang H, Junker U, Jäger L (1996) Differential expression of cytokine genes in CD27-positive and -negative CD4 lymphocyte subsets from healthy humans and rheumatoid arthritis patients. Rheumatol Int 15:249–254
Nachweis von ETA- und ETB-Rezeptoren in Pulmonalarterien der Ratte und Charakterisierung der Endothelin-Rezeptorvermittelten Effekte in der Lungenstrombahn von Kaninchen J. Schmeck · K. van Ackern · T. Koch Institut für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg Fragestellung. Seit der Erstbeschreibung des Endothelin durch Yanagisawa 1988, wurde dieses vasoaktive Peptid zum Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen. Dennoch bestehen kontroverse Vorstellungen hinsichtlich der Wirkung von Endothelin-1 (ET-1) in der pulmonalen Zirkulation sowie über die beteiligten Rezeptorsubpopulationen [1, 3]. Ziel der vorliegenden Studie war der Nachweis der in der Lungenstrombahn exprimierten Rezeptoren sowie die Untersuchung der Effekte von ET-1 auf den pulmonalen Vasotonus. Methodik. Die Analyse der Expression von ETA- und ETB-RezeptormRNA wurde an isolierten Ratten-Pulmonalarterien durchgeführt. Die Gesamt-RNA wurde gemäß der Methode von Chomczynski u. Sacchi [2] isoliert und anschließend mittels Superscript II-Reverse Transkriptase (Gibco) in Erstrang-cDNA überführt. Die PCR-Reaktion wurde in einem PCR 2400 System (Perkin Elmer) mittels TaqDer Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI DNA-Polymerase (Gibco) durchgeführt. Folgende Primer wurden eingesetzt:
Die Integrität der cDNA wurde durch GAPDH-Kontrollen überprüft. Die Proben wurden durch Gel-Elektrophorese aufgetrennt und fotografisch dokumentiert. Die Untersuchungen zur Wirkung von ET-1 wurden an 36 isolierten Kaninchenlungen durchgeführt. Nach Intubation über eine Tracheotomie sowie Kanülierung der A. pulmonaris, wurden die Lungen anästhesierter Kaninchen aus dem Thorax herauspräpariert. Die Perfusion erfolgte durch eine Zell- und Plasma-freie Pufferlösung. Während der Versuche wurde der pulmonal-arterielle Druck kontinuierlich registriert. Zu definierten Zeitpunkten erfolgte die Entnahme von Perfusatproben zur Analyse der Thromboxan A2 (TXA2) und Prostazyklin-(PGI2) Konzentrationen durch radioimmunologische Bestimmung ihrer stabilen Metabolite. In der Kontrollgruppe wurde nach einer steady-state-Phase ET-1 in einer Konzentration von 10-8 M (n=6) injiziert. Zehn Minuten zuvor wurde in den entsprechenden Gruppen entweder der selektive Endothelin-A (ETA) Rezeptorantagonist LU135252 (10-6 M; n=6) oder der selektive Endothelin-B(ETB) Rezeptorantagonist BQ788 gegeben. In einer weiteren Versuchsserie wurde der selektive ETB-Rezeptoragonist Sarafotoxin S6c (S6c; 10-8 M; n=6) alleine oder nach vorheriger Applikation von LU135252 (10-6 M; n=6) oder von BQ788 (10-6 M; n=6) eingesetzt. Die statistische Datenanalyse erfolgte durch einfaktorielle Varianzanalyse gefolgt von einem Rangtest nach Scheffé. Statistische Signifikanz wurde für p<0,05 akzeptiert. Ergebnisse. In den isolierten Pulmonalarterien von Ratten gelang der Nachweis von ETA- und ETB-Rezeptor-mRNA. Die Injektion von ET-1 führte zu einem kontinuierlichen Anstieg des PAP. Maximale Druckwerte von 22,8±0,8 mm Hg wurden zum Versuchsende erreicht. Zu diesem Zeitpunkt wurden erhöhte Konzentrationen von TXA2 (715±327 pg/ml vs. 83±7 pg/ml bei Versuchsbeginn) und PGI2 (1403±393 pg/ml vs. 483±52 pg/ml bei Versuchsbeginn) im Perfusat nachgewiesen. Nach Vorgabe von LU135252 wurde eine signifikante Reduktion des PAP gemessen (p<0,05 von 30 min an; p<0,01 ab 100 min bis zum Versuchsende). Durch Gabe von BQ788 wurde der ET-1 induzierte PAP-Anstieg potenziert. Nach 20 min wurde bereits ein PAP von 25,8±1,4 mm Hg erreicht (p<0,001), der bis zum Versuchsende fast unverändert blieb. Nach S6c-Gabe wurde ebenfalls ein deutlicher Anstieg des PAP gemessen (71,8±3,3 mm Hg bei 120 min), der jedoch durch BQ788 nicht antagonisierbar war (60,6±6,5 mm Hg bei 120 min). Durch LU135252 konnte lediglich die Spätphase der S6c induzierten Druckreaktion beeinflußt werden (34,6±12,7 mm Hg bei 120 min; p<0,001). Interpretation. Durch die Untersuchung der mRNA-Expression mittels PCR konnte gezeigt werden, daß sowohl ETA- als auch ETB-Rezeptoren in Lungengefäßen der Ratte exprimiert werden. ET-1 löst in der Lungenstrombahn des Kaninchens eine starke Vasokonstriktion aus. Die inhibitorische Wirkung des ETA-Rezeptorantagonisten LU135252 unterstreicht die vorrangige Bedeutung dieses Rezeptortyps für die Mediierung der Vasokonstriktion. Da nach Blockade der ETB-Rezeptoren durch BQ788 deutlich erhöhte Druckwerte gemessen wurden, kann vermutet werden, daß ETB-Rezeptor assoziierte vasodilatierende Effekte durch BQ788 aufgehoben wurden. Hingegen konnte durch den ETB-Rezeptoragonisten S6c ebenfalls ein deutlicher Druckanstieg hervorgerufen werden, der nicht durch BQ788 beeinflußbar war. Daher kann auf die Existenz von mindestens zwei
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ETB-Rezeptorsubtypen geschlossen werden, einem BQ788 sensiblen, der vasodilatierende Effekte mediiert und einem BQ788 insensiblen vasokonstriktorisch wirksamen ETB-Rezeptor. Literatur. 1. Buchan KW, Magnusson H, Rabe KF, Sumner MJ, Watts IS (1994) Characterisation of the endothelin receptor mediating contraction of human pulmonary artery using BQ123 and Ro 46-2005. Eur J Pharmacol 260:221–226. – 2. Chomczynski P, Sacchi N (1987) Singlestep method of RNA isolation by acid guanidinium thiocyanate-phenol-chloroform extraction. Anal Biochem 162:156–159. – 3. Warner TD,Allcock GH, Corder R,Vane JR (1993) Use of the endothelin antagonists BQ-123 andPD 142893 to reveal three endothelin receptors mediating smooth muscle contraction and the release of EDRF. Br J Pharmacol 110:777–782
Wirkungen erhöhter intraabdomineller bzw. retroperitonealer Drücke im Rahmen laparoskopischer oder retroperitoneoskopischer Eingriffe auf kavale Druckgradienten im Niederdrucksystem des Menschen* R. Giebler1 · M. Behrends1 ·K. Peitgen2 · M. Walz2 · J. Peters1 Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin 2 Abteilung für Allgemeine Chirurgie, Klinikum der Universität – GH Essen
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Fragestellung. Für die minimal invasive Nebennierenchirurgie werden sowohl laparoskopisch-transabdominelle [1] als auch retroperitoneoskopisch – dorsale Zugangswege beschrieben [2]. Wir haben die These geprüft, daß 1.) es bei intra- bzw. retroperitonealer Gasinsufflation zur Ausbildung intravasaler Druckgradienten zwischen intraabdominellem und intrathorakalem Teil des Niederdrucksystems kommt, 2.) sich bei gleichem Insufflationsdruck Druckgradienten in Abhängigkeit vom Insufflationsort (rechts- bzw. linkslateral retroperitoneal, intraperitoneal) unterscheiden. Methodik. Nach Zustimmung von Patient und Ethikkommission der Universität Essen wurden insgesamt 17 Patienten, die sich einer laparoskopischen Cholezystektomie in Rückenlage (n=5) oder einer posterioren retroperitoneoskopischen Adrenalektomie bei Inzidentalom oder Conn-Syndrom (rechts n=6, links n=6) in modifizierter Stufenlagerung unterzogen, untersucht. Die Drücke in der intrathorakalen und extrathorakalen Hohlvene wurden mittels (Kathetertip-Manometer (Millar Instruments Inc., Houston, Texas, USA) nach Anästhesieeinleitung (Ausgangswert) und während unterschiedlicher Insufflationsdruckstufen (10, 15, 20 und 24 mm Hg) gemessen. Die Meßwerte wurden jeweils 5 min nach Änderung des Insufflationsdrucks erhoben. Statistik: Mittelwert (±SEM), mehrfaktorielle ANOVA (intraperitoneale vs. rechtslaterale- vs. linkslaterale CO2 Insufflation, Höhe des Insufflationsdrucks), Newman-Keuls post hoc Test, p<0,05. Ergebnisse. Die intraperitoneale Druckerhöhung führt im Unterschied (p<0,0001) zur rechts- bzw. linkslateralen retroperitonealen Druckerhöhung zur Ausbildung eines ausgeprägten Druckgradienten zwischen abdomineller und intrathorakaler Hohlvene. Der Druckgradient (Kontrolle: 2,8±1,4 mm Hg) zwischen infra- und supradiaphragmalem Druck nimmt mit steigendem intraperitonealen CO2-Insufflationsdruck signifikant zu (p<0,05) und erreicht bei einem Insufflationsdruck von 24 mm Hg 17±1,9 mm Hg (Abb. 1). Dabei liegen die bei 24 mm Hg CO2 Insufflationsdruck gemessenen venösen infradiaphragmalen Drücke nach intraperitonealer Insufflation bei 28±1,4 mm Hg signifikant (p<0,05) höher als nach rechtslateraler
* Diese Studie wurde unterstützt durch die Forschungsförderung der Universität Essen (IFORES-Nr. 107414.0)
Abb.1 m Cavale Druckgradienten während intraperitonealer (A) und retroperitonealer (B) Insufflation; Ausgangswerte (offene Symbole) und Werte bei unterschiedlichen Insufflationsdrücken (geschlossene Symbole). Mittelwert±Standardfehler, * p<0,05 vs. Ausgangswert bzw. linkslateraler CO2 Insufflation. Eine signifikante Steigerung des Druckgradienten (p<0,05) gegenüber der Kontrolle (rechtslateral: 2,0±1,7 mm Hg; linkslateral: 2,8±1,7 mm Hg) findet sich nur bei rechtslateraler Insufflation mit einem Insufflationsdruck von 24 mm Hg (Gradient rechtslateral: 7,8±1,7 mm Hg; Gradient linkslateral: 4,3±1,7 mm Hg). Interpretation. Intraperitoneale CO2 Insufflation führt zur Ausbildung eines ausgeprägten venösen Druckgradienten entlang der infradiaphragmalen Vena cava, vermutlich weil der erhöhte intraabdominelle Druck auf die infradiaphragmalen Vena cava als Starlingscher Widerstand wirkt [3]. Eine unilaterale retroperitoneale CO2 Insufflation scheint einen geringeren Druck auf die infradiaphragmale Vena cava auszuüben. Literatur. 1. Gagner M, Lacroix A, Prinz RA (1993) Early experience with laparoscopic approach for adrenalectomy. Surgery 114:1120– 1124. – 2. Giebler R,Walz M, Peitgen K, Scherer R (1996) Hemodynamic changes after retroperitoneal CO2 insufflation for posterior retroperitoneoscopic adrenalectomy. Anesth Analg 82:827–831. – 3. Takata M, Wise RA, Robotham JL (1990) Effects of abdominal pressure on venous return: abdominal vascular zone conditions. J Appl Physiol 61:1961–1972
Der Lungengefäßtonus beeinflußt den Strömungswiderstand, nicht aber das zentrale Blutvolumen T.W.L. Scheeren1 und G. Wietasch2 1 Institut für Experimentelle Anaesthesiologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2 Klinik für Anästhesiologie und Spezielle Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Fragestellung. Beeinflußt der Lungengefäßtonus das zentrale Blutvolumen? Bekanntlich steigert eine Erhöhung des Lungengefäßtonus (z.B. durch Hypoxie) den pulmonalen Strömungswiderstand (PVR), während die Senkung eines erhöhten Lungengefäßtonus (z.B. durch Inhalation von Prostazyklin, PGI2) gegenteilige Effekte hat [1]. Ob
und wie sich diese Tonusänderungen auf das zentrale Blutvolumen (ZBV, zwischen Pulmonal- und Aortenklappe) auswirken, ist unbekannt. In der Lunge befinden sich ca. 95% des Bluts in Gefäßabschnitten, die nicht zur Konstriktion befähigt sind [2]. Deshalb postulierten wir, daß der Lungengefäßtonus den PVR, nicht aber das ZBV beeinflußt. Zur Überprüfung dieser Hypothese untersuchten wir die Effekte von Erhöhung und Verminderung des Lungengefäßtonus (Hypoxie und PGI2-Aerosol) auf PVR und ZBV gesunder, narkotisierter Hunde. Methodik. Mit Genehmigung der Bezirksregierung wurde in insgesamt 27 Versuchen an 5 narkotisierten (Pentobarbital), spontan atmenden Hunden (26–35 kg) das ZBV als Produkt von Herzminutenvo· lumen (Q, Thermodilution) und mittlerer zentraler Transitzeit (mttzent) von Indozyaningrün (ICG) bestimmt. Die Indikatoren wurden simultan in den rechten Vorhof injiziert (0,2 mg·kg−1 ICG in 5 ml), und die Verdünnungskurven in der Pulmonalarterie sowie in der aszendierenden Aorta registriert. Die mttzent wurde durch Entfaltung der Farbstoffkkurven ermittelt [3]. Der PVR wurde aus der Differenz von pulmonalarteriellem Mitteldruck (MPAP) und Verschlußdruck · (PCWP) im Verhältnis zu Q berechnet. Der Lungengefäßtonus wurde erhöht durch Hypoxie (Atmung von 10 Vol.-% O2) sowie vermindert durch Inhalation von vernebeltem Prostazyklin (PGI2, ca. 7.5 ng·kg−1· min−1) während Normoxie und Hypoxie (je n=9). Verglichen wurden die Meßwerte während der Interventionen mit den jeweiligen Ausgangsmessungen (Wilcoxon-Test), und signifikante Unterschiede (★) wurden angenommen bei einem p<0,05 (adjustiert nach Bonferroni für 6 Tests). Ergebnisse. Der Lungengefäßtonus beeinflußte deutlich den PVR, nicht aber das ZBV (s. Abb. 1): Hypoxie führte zu einer Verdoppelung x ±s–x , p<0,05) bei des PVR (von 4,3±0,6 auf 8,1±0,8 cm H2O·l−1·min, – unverändertem ZBV (13,8±0,6 bzw. 13,2±0,4 ml·kg−1, n.s.). PGI2 verminderte den PVR nur unwesentlich während Normoxie (von 3,6±0,3 auf 3,0±0,2 cm H2O·l−1·min, n.s.), halbierte ihn aber unter Hypoxie (von 7,7±0,5 auf 4,1±0,3 cm H2O·l−1·min, p<0,05). Das ZBV wurde unter beiden Bedingungen durch PGI2 nicht beeinflußt (14,2±0,7 vs. 14,2±0,6 ml·kg−1 unter Normoxie bzw. 13,2±0,4 bzw. 13,6±0,5 ml·kg−1 unter Hypoxie). Der MPAP verdoppelte sich unter Hypoxie (von 16±2 auf 29±3 cm H2O), sank minimal unter PGI2 während Normoxie (von 15±1 auf 13±1 cm H2O), aber halbierte sich nahezu unter PGI2 während Hypoxie (von 29±2 auf 18±1 cm H2O), während der PCWP bei allen Versuchen unverändert blieb (um 5 cm H2O).
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI
Abb.1 b ■ Kontrolle ■ Hypoxie PGI2/Hypoxie
Interpretation. Erhöhung und Verminderung des Lungengefäßtonus bewirkten ausgeprägte, gleichgerichtete Veränderungen des pulmonalen Strömungswiderstands, beeinflußten jedoch nicht das zentrale Blutvolumen. Maßgeblich hierfür ist allem Anschein nach die besondere Gefäßarchitektur der Lunge, wonach die Wirkorte vasomotorischer Einflüsse kleinkalibrige Widerstandsgefäße mit geringem Blutgehalt sind. Folglich fallen trotz ausgeprägter hämodynamischer Effekte die Volumenveränderungen quantitativ nicht ins Gewicht. Die schwache Wirksamkeit von PGI2 unter Normoxie spricht für einen geringen basalen Lungengefäßtonus am narkotisierten Hund, denn erst bei erhöhtem Lungengefäßtonus (Hypoxie) kamen die vasodilatierenden Eigenschaften von PGI2 zum Tragen. Vasomotorische Einflüsse an der Lunge dienen der Anpassung der Durchblutung an die Ventilation, beeinflussen aber nicht das zentrale Blutvolumen als Füllungsreservoir für das linke Herz. Literatur. 1. Booke M, Bradford DW, Hinder F, Harper D, Brauchle RW, Traber LD, Traber DL (1996) Effects of inhaled nitric oxide and nebulized prostacyclin on hypoxic pulmonary vasoconstriction in anesthestized sheep. Crit Care Med 24:1841–1848. – 2. Dawson CA (1984) Role of pulmonary vasomotion in physiology of the lung. Physiol Rev 64:544–616. – 3. Korb H, Böck J, Hoeft A, DeVivie R (1989) Determination of central blood volume and extravascular lung water by a double fiberoptic device. Proc FBIE 1067:69–74
Einfluß von Beatmung und Nichtbeatmung auf den Lungenstoffwechsel während totaler extrakorporaler Zirkulation S.A. Loer1 · G. Kalweit2 · J. Tarnow1 1 Zentrum für Anaesthesiologie 2 Klinik für Thorax- und kardiovaskuläre Chirurgie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Fragestellung. Die Lunge entnimmt Sauerstoff für ihren eigenen Metabolismus überwiegend der Atemluft. Während der totalen extrakorporalen Zirkulation nimmt sie (bei einer Körpertemperatur von 28° C) etwa 5 ml Sauerstoff pro min aus dem Alveolarraum auf und gibt 4 ml Kohlendioxid pro min ab [2]. Eine fehlende Ventilation bei gleichzeitig unterbrochener pulmonalarterieller Perfusion könnte daher zu Veränderungen des Lungenstoffwechsels sowie zur Bildung endothelialer Ischämiemarker führen. Aus Tierexperimenten ist bekannt, daß während alveolärer Hypoxie insbesondere Endothelin [3] und Thromboxan [1] vermehrt ins pulmonalvernöse Blut freigesetzt
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PGI2
werden.Wir haben bei Patienten die These überprüft, daß eine Nichtbeatmung der Lunge während totaler extrakorporaler Zirkulation den pulmonalen Stoffwechsel beeinflußt und zum Nachweis von Ischämiemarkern führt. Methodik. Mit Genehmigung der zuständigen Ehtikkommission wurden 12 lungengesunde Patienten für eine koronare Bypassoperation (Alter 67±8 Jahre, Körpergewicht 74±11 kg) in die Studie eingeschlossen. Während der totalen extrakorporalen Zirkulation (rektale Temperatur 28,9±1,3° C) wurde eine Lunge bronchial intubiert (bei 10 Patienten: rechter Hauptbronchus, bei 2 Patienten: linker Hauptbronchus) und beatmet (VT 150 ml; f 6 min−1; FiO2: 0,5; PEEP 3 mm Hg; I:E 1:1). Die kontralaterale Lunge wurde nicht beatmet. Zu Beginn und unmittelbar vor Beendigung der totalen extrakorporalen Zirkulation wurde aus den venae pulmonales beider Lungen und der arteria radialis Blut zur Bestimmung der folgenden Variablen entnommen: Blutgase, Laktat, LDH sowie Endothelin-1, Big-Endothelin und Thromboxan B2 (ELISA, Immundiagnostik, Bensheim). Ergebnisse. Während sich alle untersuchten Variablen zu Beginn der totalen extrakorporalen Zirkulation nicht unterschieden, fanden sich kurz vor Ende der EKZ (59–65 min später) signifikante Unterschiede in den Blutgasen und der Thromboxan B2-Konzentration (p<0,05; tTest). Die Konzentrationen von Endothelin-1, Big-Endothelin, Laktat und LDH im pulmonalvenösen Blut der beatmeten und nicht-beatmeten Lungen waren nicht signifikant unterschiedlich (Tabelle 1, MW±SD). Interpretation. Unsere vergleichenden in vivo-Bestimmungen während Ein-Lungen-Ventilation ermöglichten die Beurteilung rein beatmungsabhängiger Einflüsse auf die untersuchten Variablen. In den
Tabelle 1
pO2 [mm Hg] pCO2 (mm Hg) Laktat [mmol/l] LDH [U/l] Endothelin-1 [fmol/ml] Big-Endothelin [fmol/ml] Thromboxan B2 [pg/ml]
Arteriell
Pulmonalvenös Pulmonalvenös beatmete Lunge nicht-beatmete Lunge
244±34 39±5 3,40±1,09 161±33 0,65±0,32 0,69±0,21 450±99
103±23 35±7 3,59±0,64 186±41 0,77±0,32 0,73±0,38 434±92
57±15 49±8 3,86±0,63 172±42 0,81±0,37 0,77±0,28 488±95
nicht-beatmeten Lungen fanden sich ein signifikanter Anstieg der Thromboxankonzentration, eine Abnahme des pO2 und eine Zunahme des pCO2 als Hinweise auf eine möglicherweise beginnende Hypoxie des Lungengewebes. Die Endothelin-1 und Big-Endothelin-Konzentrationen änderten sich tendenziell in die gleiche Richtung, allerdings ohne statistische Signifikanz. Dies könnte an der relativ kurzen Dauer der extrakorporalen Zirkulation und der verzögerten Expression dieser Mediatoren liegen. Unsere Ergebnisse legen nahe, daß 1) insbesondere bei längerdauernder totaler extrakorporaler Zirkulation (deutlich über 1 h) die metabolischen Bedürfnisse der Lungen durch eine adäquate Beatmung erfüllt werden sollten, 2) die systemische Zirkulation über die Bronchialarterien für die Stoffwechselbedürfnisse des Lungengewebes wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielt, und 3) die alveolären Sauerstoffreserven bei fehlender Ventilation und Perfusion begrenzt sind. Literatur. 1. Friedman M, Sellke FW,Wang SY,Weintraub RM, Johnson RG (1994) Parameters of pulmonary injury after total or partial cardiopulmonary bypass. Circulation 90:II 262–268. – 2. Loer SA, Scheeren TWL, Tarnow J (1997) How much oxygen does the human lung consume? Anesthesiology 86:532–537. – 3. Shirakami G, Nakao K, Saito Y, Magaribuchi T, Jougasaki M, Mukoyama M, Arai H, Hosada K, Suga S, Ogawa Y,Yamada T, Mori K, Imura H (1991) Acute pulmonary alveolar hypoxia increases lung and plasma endothelin-1 levels in conscious rats. Life Sci 48:969–976
Altersabhängigkeit humaner kardialer β-adrenerger und muskarinerger Rezeptoren In vitro und in vivo Untersuchungen U. Grossert1 · K. Becker2 · U. Poller2 · J. Jakubetz1 · J. Radke1 1 Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin 2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Fragestellung. Während zahlreiche Untersuchungen eine altersabhängige Abnahme der kardialen β-Adrenozeptor-Funktion beschrieben haben [1], ist relativ wenig über evtl. altersabhängige Veränderungen kardialer Muskarin (M)-Rezeptoren beim Menschen bekannt [2]. Ziel dieser Untersuchung war es daher, näheren Einblick in mögliche Mechanismen einer altersabhängigen Abnahme kardialer β-adrenerger und muskarinerger Rezeptoren zu erhalten. Methoden. Wir bestimmten a) in vitro in rechten Vorhöfen von 91 Patienten verschiedenen Alters (5 Tage bis 83 Jahre), die sich einer offenen herzchirurgischen Operation unterzogen, die Dichte der β-Adrenozeptoren (mit Hilfe von [125J]-Jodocyanopindolol (JCYP)-Bindung) und der M2-Rezeptoren (mit Hilfe von [3H]-N-Methyl-Scopolamin ([3H]-NMS Bindung) sowie die durch 10 µM GTP, 10 µM Isoprenalin (ISO), 10 mM NaF und 10 mM Mn2+ hervorgerufene Aktivierung und durch Carbachol (10 nM–100 µM) hervorgerufene Hemmung der Adenylyl Zyklase und b) in vivo nach Zustimmung der Ethikkommission der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in 6 jungen (mittleres Alter 26 Jahre) und 6 älteren (mittleres Alter 61 Jahre) Probanden den Einfluß einer ISO-Infusion (3,5–35 ng/kg/min für jeweils 10 min) und einer Pirenzepin-Bolus-Injektion (0,32 und 0,64 mg für jeweils 20 min) auf die Herzfrequenz. Ergebnisse. 1) β-Adrenozeptoren. a) in vitro: Die rechts-atriale β-Adrenozeptor-Dichte sowie das β1:β2-Adrenozeptor-Verhältnis (ca. 70:30%) zeigte keine Altersabhängigkeit; auf der anderen Seite nahm die durch 10 µM GTP, 10 µM ISO, 10 mM NaF und 10 mM Mn2+ hervorgerufene Aktivierung der Adenylyl Zyklase signifikant mit dem Alter ab. b) in vivo: Die durch ISO-Infusion hervorgerufene dosisabhängige Zunahme der Herzfrequenz war zwischen den jungen und älteren Probanden nicht signifikant verschieden; nach Vorbehandlung der
Probanden mit Atropin jedoch rief ISO bei den jungen Probanden eine signifikant größere Zunahme der Herzfrequenz als bei den älteren Probanden hervor. 2) Muskarinrezeptoren. a) in vitro: Die rechts-atriale M2-RezeptorDichte nahm signifikant mit dem Alter der Patienten ab; für beide Parameter existierte eine signifikant negative Korrelation (y=−0,531× +132,9; n=39; r=−0,3946; p<0,02). b) in vivo: In beiden Dosierungen rief Pirenzepin bei den jungen Probanden eine signifikant größere Abnahme der durch ISO-Infusion (17ng/kg/Min während des gesamten Versuchsablaufs) erhöhten Herzfrequenz als bei den älteren Probanden hervor. Schlußfolgerung. Im menschlichen rechten Vorhof nehmen β-Adrenorezeptor- und M-Rezeptor-Funktion mit dem Alter ab. Die Abnahme der β-Adrenozeptor-Funktion scheint auf einer Abnahme der Aktivität der katalytischen Untereinheit der Adenylyl-Zyklase zu beruhen, während die Abnahme der M-Rezeptor Funktion auf einer Abnahme der M-Rezeptor-Dichte beruht. Während die Abnahme der M-Rezeptor-Funktion auch in vivo sichtbar ist, wird die Abnahme der β-Adrenozeptorfunktion nur sichtbar, wenn die gegenregulatorische Wirkung der vagalen Aktivität gehemmt ist. Literatur. 1. Folkow B, Svanborg A (1993) Physiology of cardiovascular aging. Physiol Rev 73:725–764 – 2. Poller U, Nedelka G, Radke J, Pönicke K, Brodde O-E (1997) Age-dependent changes in cardiac muscarinic receptor function in healthy volunteers. J Am Coll Cardiol 29:187–193
Einfluß volatiler Anästhetika auf den Reperfusionsschaden nach kardioplegischem Herzstillstand B. Preckel1 · V. Thämer2 · W. Schlack1 1 Institut für Klinische Anaesthesiologie und 2 Institut für Herz- und Kreislaufphysiologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Fragestellung. Die Wiederherstellung des Sauerstoff- und Substratangebots nach myokardialer Ischämie kann zu zusätzlichen Zellschäden in der Reperfusion führen („Reperfusionsschaden“). An isolierten Rattenherzen und an Kaninchenherzen in vivo konnten wir zeigen, daß Inhalationsanästhetika spezifische protektive Effekte gegen den Reperfusionsschaden haben [1–3]. Eine klinische Ischämie/Reperfusionssituation ist in der Herzchirurgie mit kardiopulmonalem Bypass während Aortenabklemmung und Wiederdurchblutung gegeben. Kardioplegischer Arrest ist in diesen Situationen ein gängiges Verfahren, das Herz gegen den ischämischen Schaden zu schützen. Die vorliegende Studie untersuchte, ob die Inhalationsanästhetika Halothan, Enfluran und Isofluran nach Protektion gegen den ischämischen Schaden durch Kardioplegie zusätzliche protektive Effekte gegen den Reperfusionsschaden besitzen. Die Inhalationsanästhetika wurden hierzu nur während der frühen Reperfusion gegeben. Methodik. In einer Langendorff-Präparation wurde an isovolumetrisch schlagenden Rattenherzen (Frequenz 375/min; Krebs-RingerLösung (KRL), konstanter Fluß 11 ml/min, pO2 mm Hg) der linksventrikuläre entwickelte Druck (LVED) und die Creatinkinase (CK)Freisetzung als Variabel der Herzfunktion und des letalen Zellschadens bestimmt. Die Herzen wurden mit kardioplegischer Lösung (HTK-Lösung nach Bretschneider) stillgelegt (7° C, 2 ml/min, 2 min) und einer 30minütigen Ischämie (38° C) ausgesetzt, gefolgt von 60 min normoxischer Reperfusion. In den ersten 30 min der Reperfusion erhielten je 9 Herzen entweder Halothan, Enfluran oder Isofluran gelöst in KRL in einer Konzentration entsprechend 1,5 MAC der Ratte. Neun Herzen wurden nach dem gleichen Protokoll ohne Anästhetikum behandelt und dienten als Kontrolle; sieben weitere Herzen Der Anaesthesist 10·98
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Abb.1 b Linksventrikulär entwickelter Druck (oben) und Creatinkinase Freisetzung (unten) im Zeitverlauf der Experimente. Mittelwerte±Standardfehler; * p<0,05 vs. Kontrolle
wurden einer Ischämie ohne kardioplegischem Arrest und ohne Anästhetikum ausgesetzt (ohne Kardioplegie). Die statistische Analyse erfolgte mittels Varianzanalyse und Dunnett’s Test als post-hoc Test. Die Daten sind angegeben als Mittelwert±Standardfehler. Ergebnisse. Während der Reperfusion erholte sich der LVED in der Kontrollgruppe auf 59,4±5,1% des Ausgangswerts (Abb. 1; *, p<0,05 vs. Kontrolle). Mit Isofluran und Enfluran behandelte Herzen erholten sich nach 60 min Reperfusion signifikant besser als die Kontrollherzen (LVED: Enfluran, 84,3±7,0%; Isofluran, 83,7±7,4% des Ausgangswerts, p<0,05), während Halothan zu einer der Kontrolle entsprechenden Funktionserholung führte. Isofluran und Enfluran reduzierten signifikant die CK-Freisetzung während der ersten 5 min der Reperfusion. Halothan hatte keinen Einfluß auf die CKFreisetzung. Interpretation. Die Ergebnisse zeigen, daß Isofluran und Enfluran während der frühen Reperfusion in einer Konzentration entsprechend 1,5 MAC der Ratte auch nach ischämischer Protektion durch Kardioplegie eine zusätzliche Verbesserung der myokardialen Funk-
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tion bewirken. Halothan hingegen zeigte keinen zusätzlichen Effekt auf den Reperfusionsschaden in diesem experimentellen Aufbau. Literatur. 1. Preckel B, Schlack W, Stunneck D, Thämer V (1997) Einfluß verschiedener Inhalationsanästhetika auf den kardialen Reperfusionsschaden in vitro. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther [Suppl 1] 32:S122. – 2. Schlack W, Hollmann M, Stunneck J, Thämer V (1996) Effect of halothane on myocardial reoxygenation injury in the isolated rat heart. Br J Anaesth 76:860–867. – 3. Schlack W, Preckel B, Barthel H, Obal D, Thämer V (1997) Halothane reduces reperfusion injury after regional ischaemia in the rabbit heart in vivo. Br J Anaesth 79:88–96
Koppelung von regionaler Hirndurchblutung und regionalem Hirnstoffwechsel Sevofluran-versus Isoflurananästhesie C. Lenz1 · A. Rebel1 · K.F. Waschke1 · K. van Ackern1 · W. Kuschinsky2 1 Institut für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim und 2 I. Physiologisches Institut, Universität Heidelberg Fragestellung. Ein Erhalt der Koppelung der lokalen Hirndurchblutung an den Stoffwechselbedarf einzelner Hirnstrukturen unter dem Einfluß volatiler Anästhetika wurde 1989 von Hansen et al. für 1 MAC Halothan und Isofluran nachgewiesen [1]. Es ist bisher unbekannt, ob dies auch für Sevofluran zutrifft. In der vorliegenden Untersuchung wurden deshalb die mittlere und lokale zerebrale Glukoseutilisation (LCGU) und die mittlere und lokale Hirndurchblutung (LCBF) bei Ratten unter dem Einfluß von 1 und 2 MAC Sevofluran und Isofluran mit autoradiographischen Methoden gemessen und die Koppelung von Durchblutung und Stoffwechsel in 32 einzelnen Hirnstrukturen untersucht. Methodik. Nach Genehmigung durch die zuständige Behörde wurden 60 männliche Sprague-Dawley Ratten randomisiert 5 Gruppen
Tabelle 1 paCO2 bei Messung von LCGU und LCBF (mm Hg) Kontrolle
LCGU LCBF
40±3 41±2
1 MAC
2 MAC
Isofluran
Sevofluran
Isofluran
Sevofluran
40±2 40±2
39±2 40±2
40±2 39±2
42±1 41±2
Mittelwerte±Standardabweichung
zu je 6 Tieren für die Glukosestoffwechselmessung und 5 Gruppen zu je 6 Tieren für die Durchblutungsmessung zugeordnet: jeweils 1 und 2 MAC Sevofluran (MAC 2,4%), 1 und 2 MAC Isofluran (MAC 1,4%) und eine Kontrollgruppe wacher Versuchstiere. Bei den Kontrolltieren wurden in Halothan/Lachgas-Narkose die Femoralgefäße rechts katheterisiert, anschließend die Narkose beendet und bis zum Beginn der LCGU- oder LCBF-Messungen eine Erholungsphase von mindestens 3 h eingehalten.Bei allen anderen Tieren wurde die Narkose mit dem gewählten Anästhetikum in einem Luft-Sauerstoffgemisch (FiO2 von 0,3) eingeleitet. Anschließend erfolgte nach Katheterisierung der Femoralgefäße, Tracheotomie, normokapnischer Beatmung (vgl. Tabelle 1) und Relaxierung mit Pancuronium eine Äquilibrierungsphase von 45 min bei den LCGU- und 60 min bei den LCBF-Versuchen unter dem für die jeweilige Gruppe vorgesehenen MAC-Wert. Danach wurde in den jeweiligen Gruppen die Glukoseutilisation mit der [14C] Desoxyglukosemethode [3] oder die Hirndurchblutung mittels der [14C] Jod-Antipyrin-Methode [2] autoradiographisch gemessen. Die mittlere zerebrale Glukoseutilisation und die mittlere Hirndurchblutung wurden bestimmt als der flächengewichtete Durchschnitt von mittlerer Glukoseutilisation oder mittlerer Durchblutung von Hirnschnitten des gesamten Hirns in Abständen von 200 µm. Die Ergebnisse wurden statistisch ausgewertet mittels ANOVA und t-Tests mit Bonferroni-Korrektur für Mehrfachvergleiche und als Mittelwerte mit Standardabweichungen angegeben. Der Verlauf der Regressionsgeraden für die Beziehung zwischen LCGU und LCBF wurde nach der Methode der kleinsten Quadrate bestimmt, die Korrelationskoeffizienten nach Fisher auf Signifikanz gegenüber Null geprüft. Ergebnisse. In Abhängigkeit von der inspiratorischen Konzentration beider Anästhetika zeigte sich die mittlere zerebrale Glukoseutilisation bei 1 MAC mit 37±5 µmol·100 g−1·min−1 (Sevofluran) auf 66% und mit 32±4 µmol·100−1·min−1 (Isofluran) auf 57%, bei 2 MAC mit 23±5 µmol·100 g−1·min−1 (Sevofluran) auf 41% und mit 23±3 µmol·100 g−1· min−1 (Isofluran) auf 42% des Werts der wachen Kontrolltiere (56±5 µmol·100 g−1·min−1) vermindert. Die mittlere Hirndurchblutung war dagegen bei 1 MAC mit 104±15 ml·100 g−1·min−1 (Sevofluran) um 12%
Abb.1 m Koppelung zwischen Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel in 32 Hirnstrukturen unter dem Einfluß von Isofluran und Sevofluran; jeweils 6 Tiere für LCGU und für LCBF; r: Korrelationskoeffizient (p<0,001) Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI und mit 119±19 ml·100 g−1·min−1 (Isofluran) um 28%, bei 2 MAC mit 118±21 ml·100 g−1·min−1 (Sevofluran) um 27% und mit 149±17 ml·100 g−1· min−1 (Isofluran) um 60% höher als die mittlere Hirndurchblutung wacher Kontrolltiere (93±8 ml·100 g−1·min−1). Eine Depression des Stoffwechsels und ein Anstieg der Hirndurchblutung fanden sich bei der regionalen Analyse in den meisten der untersuchten Einzelhirnstrukturen. Nur in einigen Kortexarealen zeigte sich ein Abfall der Hirndurchblutung mit zunehmender MAC. Unter beiden Anästhetika korrelierten Hirnstoffwechsel und Hirndurchblutung in allen 32 untersuchten Hirnstrukturen auf beiden MAC-Stufen eng miteinander (s. Abb. 1). Interpretation. Die vorliegende Untersuchung zeigt, daß unter 1 und 2 MAC Sevofluran- und Isoflurannarkose die im Wachzustand beobachtete physiologische Koppelung von Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel in den untersuchten Hirnstrukturen aufrechterhalten bleibt. Mit zunehmender inspiratorischer Konzentration beider Anästhetika wird das Verhältnis zwischen Durchblutung und Stoffwechsel jedoch auf ein höheres Niveau der Hirndurchblutung angehoben. Literatur. 1. Hansen TD,Warner DS, Todd MM,Vust LJ (1989) The role of cerebral metabolism in determining the local cerebral blood flow effects of volatile anesthetics: evidence for persistent flow-metabolism coupling. J Cereb Blood Flow Metab 9:323–328. – 2. Sakurada O, Kennedy C, Jehle J, Brown JD, Carbin GL, Sokoloff L (1978) Measurement of local cerebral blood flow with iodo [14C] antipyrine. Am J Physiol 234:H59–H66. – 3. Sokoloff L, Reivich M, Kennedy C, Des Rosiers MH, Patlak CS, Pettigrew KD, Sakurada O, Shinohara M (1977) The [14C] deoxyglucose method for the measurement of local cerebral glucose utilization: theory, procedure, and normal values in the conscious and anesthetized albino rat. J Neurochem 28:897–916
Reduktion der neuroregenerativen Effekte von S-(+)-Ketamin durch antisense RNA gegen NF-kappaB bei hippokampalen Neuronen in vitro S. Himmelseher1 · E. Pfenninger2 1 Institut für Anaesthesiologie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München und 2 Universitätsklinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität Ulm Fragestellung. Neben neuroprotektiven Effekten zeigt S-(+)-Ketamin, das rechtsdrehende Isomer des razemischen Ketamin, neuroregenerative Ansätze bei kultivierten hippokampalen Neuronen nach Glutamatschädigung und axonaler Transektion, was mit einer gesteigerten Proteinexpression des Wachstums-assoziierten Proteins GAP43 verbunden ist [1]. Der nukleäre Transkriptionsfaktor NF-kappaB (NF-κB) hat sich als ein bedeutender Schutzfaktor zwischen membran-assoziierten Signalereignissen und Veränderungen der neuronalen Genexpression bei zerebralen Schädigungen herauskristallisiert [2]. Da der exzitatorische Neurotransmitter Glutamat ein wichtiges Neurotoxin bei zerebralen Läsionen ist und NF-κB bei primären Neuronen zu aktivieren vermag [3], untersuchten wir, ob die neuroregenerativen Effekte von S-(+)-Ketamin durch die Antagonisierung von NF-κB beeinflußt werden. Methodik. Hippokampale Neurone von Rattenembryonen wurden 10–12 Tage bis zur Differenzierung in adulte Nervenzellen in vitro kultiviert. Nach einer 8 min Schädigung in 100 µM Glutamat wurden die Kulturen (n>8 pro Gruppe) unbehandelt, in der Gegenwart von S(+)-Ketamin (10−4 M) oder nach Zugabe von antisense-RNA Oligonukleotiden gegen NF-κB (10 µM) und S-(+)-Ketamin für eine Woche belassen. Die antisense-RNA gegen NF-κB bestand aus einem 18mer Phosphorothioat-Oligodeoxynukleotid gegen die p65 Untereinheit von NF-κB, welche essentiell für die Funktion des NF-κB
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Abb.1 m Antisense RNA gegen NF-κB und die Reduktion der Effekte von S-(+)-Ketamin auf die Proteinexpression des Wachstums-assoziierten Proteins GAP-43 (Median±SD; n>8) Heterodimers ist [4]. Die Expression von GAP-43 und p65 wurde proteinelektrophoretisch mit der Methode des Western Blotting bestimmt und densitometrisch ausgewertet. Nach Vortestung durch den Kruskall-Wallis Test wurden Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe und den anderen Gruppen mithilfe der Analyse der Mediane und Standardabweichungen durch den Mann-Whitney U-Test korrigiert nach Bonferroni Holmes statistisch auf einem Signifikanzniveau von 0,05 beurteilt. Ergebnisse. 7 Tage nach Glutamatexposition reduzierte sich die Expression von p65 auf 20% in den mit antisense-RNA gegen NF-κB behandelten Neuronen relativ zu den unbehandelten Kontrollen. „Mismatch“ antisense RNA zeigte keinen Effekt auf die Expression von p65. GAP-43 verringerte sich unerheblich in den Kontrollkulturen, die nur mit antisense RNA gegenNF-κK behandelt wurden. Glutamat reduzierte GAP-43 um 80% in den geschädigten, unbehandelten Kulturen relativ zu den ungeschädigten Kontrollen (p<0,05). S-(+)-Ketamin induzierte einen Anstieg von GAP-43 auf 55% der Kontrollneurone, während nach gleichzeitiger Applikation von antisense-RNA gegen NF-κB und S-(+)-Ketamin nur eine Zunahme von GAP-43 auf 30% der Kontrollkulturen zu verzeichnen war (p<0,05) (Abb. 1). Interpretation. Transiente Glutamatexposition induziert nachhaltige Schäden in hippokampalen Neuronen. Ein Mangel des nuklären Transkriptionsfaktors NF-κB hemmt das neuroregenerative Potential von S(+)-Ketamin, das sich in einer gesteigerten Expression von GAP-43 ausdrückt. Da die Aktivierung von NF-κB hippokampale Neurone vor Schädigung durch oxidative Insulte wie z.B. durch freie Radikale und Metallionen, oder das Amyloidpeptid (APP Abeta25–35), zu schützen vermag [2], ist zu überprüfen, ob die neuroregenerativen Effekte von S(+)-Ketamin durch simultane Verabreichung von Substanzen, die die Expression von NF-κB vermehren, augmentiert werden könnten. Literatur. 1. Himmelseher S, Pfenninger E, Georgieff M (1996) The effects of ketamine-isomers on neuronal injury and regeneration in rat hippocampal neurons. Anesth Analg 83:505–512. – 2. Mattson MP, Goodman Y, Luo H, Fu W, Furukawa K (1997) Activation of NF-kappaB protects hippocampal neurons against oxidative stress-induced apoptosis: evidence for induction of manganese superoxide dismutase and suppression of peroxynitrite production and protein tyrosine nitration. J Neurosci Res 49:681–697. – 3. Kaltschmidt C, Kaltschmidt B, Baeuerle PA (1995) Stimulation of ionotropic glutamate receptors activates transcription factor NF-κB in primary neurons. Proc Natl Acad Sci USA 92:9618–9622. – 4. Nolan GP, Ghosh S, Liou HC, Tempst P, Baltimore D (1991) DNA binding and IκB inhibition of the cloned p65 subunit of NF-κB, a rel-related polypeptide. Cell 64:961–969
Eine globale zerebrale Ischämie aufgrund eines Herz-Kreislaufstillstands induziert eine neuronale Degeneration und eine frühe Expression von „immediate early genes“ im Hippokampus der Maus* P. Teschendorf1 · J. Krumnikl1 · P. Vogel1 · B. Schmitz1 · P. Gass2 E. Martin3 · B.W. Böttiger1 1 Klinik für Anaesthesiologie der Universität Heidelberg 2 Klinik für Anaesthesiologie der Universität Erlangen und 3 Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg Fragestellung. Zur Analyse der Rolle spezifischer Gene und Proteine bei neuronaler Signaltransduktion bzw. bei degenerativen und regenerativen Prozessen nach globaler zerebraler Ischämie ist die Etablierung eines reversiblen globalen zerebralen Ischämiemodells bei der Maus sinnvoll. Hierdurch wird die Untersuchung von Tieren mit spezifischen genomischen Veränderungen möglich. Wir berichten hier über die Entwicklung eines solchen Modells und die Implikationen bezüglich neuronaler Degeneration und Expression von „immediate early genes“ im Hippokampus. Methodik. Nach Zustimmung der Tierschutzkommission wurden männliche NMRI-Mäuse (n=13) mittels Halothan (0,8–1,5 Vol.-%) in einem Lachgas-/Sauerstoffgemisch (70%/30%) anästhesiert. Die Trachea wurde intubiert, die Lungen beatmet und die V. und A. femoralis kanüliert. Anschließend erfolgte die Induktion eines 5minütigen Kreislaufstillstands (KS) durch elektrische Fibrillation [1]. Nach erfolgreicher kardiopulmonaler Reanimation (CPR) [1] (n=10) wurden die Tiere nach 3 h (n=7) und 7 Tagen (n=3) mit Paraformaldehyd transkardial perfundiert und die Gehirne entnommen. Die Tiere der 3 h Gruppe wurden bis zu diesem Zeitpunkt weiter anästhesiert, die Tiere der 7 Tage Gruppe wurden 1 h nach KS dekanüliert, extubiert und vor der Perfusion erneut anästhesiert. Der arterielle Mitteldruck (MAP) wurde während der Beatmung kontinuierlich aufgezeichnet. Die in situ Detektion der neuronalen Degeneration erfolgte durch die TUNEL-Technik in Gehirnschnitten aus dem Bereich des dorsalen Hippokampus [3]. In entsprechenden Schnitten wurden nach 3 h die „immediate early genes“ c-Jun, c-Fos und Krox-24 mittels Immunhistochemie auf Proteinebene regional analysiert. Zusätzlich wurden drei scheinoperierte Tiere, die bei identischer Anästhesie intubiert, kanüliert und für 3 h beatmet wurden, sowie drei Kontrolltiere untersucht. Ergebnisse. Der Verlauf des MAP bei den Tieren der experimentellen Gruppen ist in der Tabelle 1 wiedergegeben. TUNEL-positive Neurone waren nach 7 Tagen bei allen Tieren dieser Gruppe im selektiv vulnerablen CA1 Sektor des Hippokampus nachweisbar (Abb. 1). Etwa 30% aller TUNEL-positiven Neurone zeigten kondensiertes Chromatin und sog. „apoptotic bodies“ (Abb. 1). In anderen Hirnregionen bzw. nach 3 h fanden sich keine TUNEL-positiven Zellen. Die immunhistochemischen Untersuchungen zeigten 3 h nach KS eine deutliche Induktion von c-Fos, c-Jun und Krox-24 Protein in allen Arealen des
* Diese Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Forschergruppe Zi-110/22-1) und durch die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg (Nr. 11/94) gefördert
Tabelle 1 MAP in mm Hg, Mittelwerte±SD Gruppe
MAP vor KS
MAP 1 min nach CPR
MAP 20 min nach CPR
MAP 40 min nach CPR
3h 7 Tage
87±12 87±13
113±23 116±16
80±17 90±17
76±18 88±16
Abb.1 m TUNEL-positive Neurone im CA1 Sektor des Hippokampus nach 5 min globaler zerebraler Ischämie aufgrund eines Kreislaufstillstands bei der Maus. Die Ausschnittsvergrößerung zeigt den Kern eines einzelnen Neurons mit kondensiertem Chromatin bzw.„apoptotic bodies“ Hippokampus. Die stärkste Expression wurde dabei in den Neuronen des CA1 Sektors und im Gyrus dentatus beobachtet. Im Gegensatz hierzu fand sich bei scheinoperierten Tieren im Vergleich mit den Kontrollen keine neuronale Degeneration und keine verstärkte Expression von „immediate early genes“ im Hippokampus. Interpretation. Die vorliegende Arbeit präsentiert erstmals ein Modell einer reversiblen globalen zerebralen Ischämie mittels KS und anschließender CPR bei der Maus. Nach 5 min KS und 7 Tagen Reperfusion zeigte sich eine selektive neuronale Degeneration im CA1 Sektor des Hippokampus. Die Detection von kondensiertem Chromatin und „apoptotic bodies“ deutet auf eine apoptotische Komponente des neuronalen Zelltods in diesem Bereich hin [3]. Eine Expression der „intermediate early genes“ c-Fos, c-Jun und Krox-24 konnte 3 h nach KS in allen hippokampalen Arealen beobachtet werden, im CA1 Sektor war diese am stärksten ausgeprägt. Die Etablierung des vorliegenden Modells repräsentiert den ersten Schritt zur Analyse von selektiver neuronaler Vulnerabilität, Genexpression und neuronaler Signaltransduktion nach globaler zerebraler Ischämie bei genetisch veränderten Tieren. Literatur. 1. Böttiger BW, Schmitz B, Wiessner C, Vogel P, Hossmann KA (1997) Neuronal stress response and neuronal cell death as assessed by DNA fragmentation following cardiac arrest in rats. J Cereb Blood Flow Metab [Suppl 1] 17:S428. — 2. Choi DW (1996) Ischemiainduced neuronal apoptosis. Curr Opin Neurobiol 6:667–672. – 3. Gavrieli Y, Sherman Y, Ben-Sasson SA (1992) Identification of programmed cell death in situ via specific labeling of DNA fragmentation. J Cell Biol 119:493–501
Langfristige Toleranz gegenüber globaler Hirnischämie induziert durch Vorbehandlung mit 3-Nitropropionsäure bei Ratten Eine neue zerebroprotektive Strategie vor geplanten Zirkulationsunterbrechungen A.M. Brambrink1 · R. Noppens1 · W.F. Dick1 · O. Kempski2 1 Klinik für Anästhesiologie und 2 Institut für Neurochirurgische Pathophysiologie der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz Fragestellung. Hirnzellen entwickeln nach kurzen ischämischen Episoden eine Toleranz gegenüber einer nachfolgenden, normalerweise Zelltod auslösenden Ischämie („ischämisches Preconditioning“). Ein neuroprotektives Konzept, das mittels einer prophylaktischen Hirnischämie eine Toleranz gegenüber einer bevorstehenden Durchblutungsstörung – z.B. während kardiochirurgischer oder neurochirurgischer Eingriffe – zu induzieren versucht, hat keine klinische ReleDer Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI vanz. Durch Vorbehandlung mit geringen Dosen von 3-Nitropropionsäure ([3-NPA] ⇒ Blockierung der Succinatdehydrogenaseaktivität im Mitochondrium ⇒ Inhibition der oxydativen Phosphorylierung) konnte eine Neuroprotektion gegenüber Hypoxie (Zellkulturen) [1, 3] und fokaler Hirnischämie (kurze Überlebenszeit) [2] induziert werden. Für die anästhesiologische und notfallmedizinische Praxis sind globale Durchblutungsstörungen des Gehirns sowie das langfristige Outcome von besonderer Bedeutung. Wir untersuchten daher, ob eine 3-NPA-Vorbehandlung das kurz- und langfristige Outcome nach globaler Hirnischämie verbessert und welches Vorbehandlungs-/Insult-Intervall günstig ist. Methodik. Mit Zustimmung der regionalen Ethikkommission für Tierschutzfragen (Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz, D-67433 Neustadt) wurden anästhesierte (Chloralhydrat, Induktion: 380 mg/kg KG, Erhaltungsdosis: 38 mg/kg KG/h, intraperitoneal [i.p.]) und kontrolliert beatmete Wistar-Ratten (220–300 g KG,n=55) einer 15minütigen globalen Hirnischämie ausgesetzt (bilateraler Karotisverschluß +arterieller Mitteldruck=35 mm Hg). Während des Insults und der frühen Erholungsphase (90 min) wurden der regionale zerebrale Blutfluß (rCBF) sowie somatosensorisch evozierte Potentiale (SEPs) registriert. Der rCBF wurde über einer Fläche von 1,5 cm2 mittels LaserDoppler-Flowmetrie („Scanning-Technik“, 30 Punkte) gemessen. Für die SEPs wurde an der rechten Vorderpfote stimuliert (0,2, 0,6, 1,0 und 2,0 Hz) und über dem kontralateralen somatosensorischen Kortex registriert. Während der folgenden 6 Tage wurden regelmäßig der klinische Status, die neurologische Leistungsfähigkeit sowie Gewicht, Futterund Wasserbrauch überprüft. Die Tiere wurden im Anschluß transkardial perfundiert (4% gepuffertes Formaldehyd) und das Gehirn für eine histopathologische Auswertung aufgearbeitet (Paraffinschnitte (4 µm), Hämatoxilin/Eosin- und Luxol-Fast-Blue-Färbung). Lichtmikroskopisch wurde die Anzahl der überlebenden Neurone in vier Arealen des Hippokampus (CA1, CA2, CA3, CA4) sowie in drei Arealen des Kortex ausgezält. Morphologische Zeichen wie z.B. Zellkernpyknose, Vakuolenbildung oder geschrumpftes Zytoplasma galten als Hinweise für nicht mehr vorhandene neuronale Vitalität. Als Vorbehandlung erhielten die Tiere randomisiert 3 (n=10), 12 (n=12) oder 24 (n=10) h vor dem Insult eine Injektion 3-NPA (20 mg/kg KG, i.p.) bzw. eine entsprechende Menge an Trägerlösung (isotone Kochsalzlösung, unbehandelte Kontrollen, n=23). Multiple Varianzanalysen (ANOVA) wurden durchgeführt, um Unterschiede zwischen den Gruppen zu ermitteln (Signifikanzniveau=p<0,05). Ergebnisse. Die physiologischen Parameter (Temperatur, Blutgase und Hämodynamik) waren gleich vor, während und nach dem ischämischen Insult unabhängig vom Behandlungsschema. Die unmittelbare postischämische Hirndurchblutung war höher nach 3 hVorbehandlung mit 3-NPA und zeigte keine hypoperfundierten Hirnareale (<15 Laser Doppler-Einheiten) verglichen mit 12- oder 24 h-Vorbehandlung bzw. unbehandelten Kontrollen (7%, 16% bzw. 12% der gesamten Fläche hypoperfundiert). Die elektrophysiologische Erholung (SEPs) war 30, 45, 60, 75 und 90 min nach dem Insult besser mit 3 h-Vorbehandlung (55±33[SD]%, 69±31%, 78±43%, 76±23%, 90±38% der Ausgangsamplitude, p<0,05) verglichen mit Tieren ohne (23±22%, 32±15%, 42±19%, 48±22%, 58±24%) bzw. nach 12 h- oder 24 h-Vorbehandlung. Sechs Tage später waren im Neokortex nach 3 hbzw. 12 h-Vorbehandlung signifikant weniger (36±12% bzw. 38±16%, p<0,001), nach 24 h-Vorbehandlung signifikant mehr überlebende Neurone nachweisbar (77±16%, p<0,05) als bei nicht behandelten Tieren (59±22%). Der Hippokampus (CA1) zeigte ebenfalls eine verbesserte Neuroprotektion bei 24 h-Vorbehandlung (92±14% überlebende Neurone, p<0,001) gegenüber 3 h- bzw. 12 h-Vorbehandlung (65±14% bzw. 56±28%) oder Kontrolltieren (60±27%). Interpretation. Nach Gabe von 3-NPA kommt es zu einer stetigen Zunahme von Sauerstoffradikalen im Gewebe (Höhepunkt nach ca. 3 h) [3]. Bei einem zeitgleichen ischämischen Insult (3 h-Gruppe) resultiert während der Reperfusion offensichtlich ein höherer zerebraler
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Blutfluß und konsekutiv eine verbesserte Erholung der neurophysiologischen Funktion (SEPs). Die mit dem „Radikalen-Burst“ vergesellschaftete erhöhte Freisetzung von Glutamat [3] könnte ihrerseits jedoch zu einem vermehrten apoptotischen Zelluntergang im Kortex beigetragen haben, der typischerweise erst im späteren Verlauf der postischämischen Erholung manifest wird. Bei einem längeren Vorbehandlungs-Ischämieintervall (24 h) führt die subkritische Blockade der Atmungskette durch 3-NPA – möglicherweise vermittelt über den „Radikalen-Burst“ – zur Aktivierung verschiedener intrazellulärer Defensiv- bzw. Erholungsmechanismen (gesteigerte Bildung protektiver Proteine, wie z.B. Superoxyddismutase [2], die Induktion von ‘Immediate Early Genes’ und deren Folgeprodukten (z.B. HSP72, bcl2) sowie eine allgemeine Stoffwechselreduktion), die eine langfristige Ischämietoleranz der Neurone induzieren. Die partielle Blockade der oxydativen Phosphorylierung mittels 3-NPA wenigstens 24 h vor einer geplanten globalen Unterbrechung der Hirndurchblutung erscheint als ein vielversprechendes neuroprotektives Konzept. Literatur. 1. Riepe MW, Esclaire F, Kasischke K, Schreiber S, Nakase H, Kempski O, Ludolph AC, Dirnagl U, Hugon J (1997) Increased hypoxic tolerance by chemical inhibition of oxydative phosphorylation: chemical preconditioning. J Cereb Blood Flow Metab 17:257–264. – 2. Wiegand F, Liao W, Redetzki A, Knapp F, Lindauer U, Meisel A, Dirnagl U (1997a) Induced tolerance to focal cerebral ischemia by chemical inhibition of oxydative phosphorylation in the rat: time course and dependence on protein synthesis. J Cereb Blood Flow Metab [Suppl 1] 17:207. – 3. Wiegand F, Lindauer U, Busch C, Liao W, Megow D, Dirnagl U (1997b) Tolerance to focal cerebral ischemia induced by 3-nitropropionic acid (3-NPA) is mediated by formation of reactive oxygen species (ROS). Soc Neurosci Abstr 23:2185
Während Desflurannarkosen sinkt die „Approximate Entropy“ des EEG mit zunehmender Anästhetikumkonzentration J. Bruhn · H. Roepcke · A. Hoeft Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Spezielle Intensivmedizin, Universität Bonn Fragestellung. Unsere Hypothese war, daß das EEG während tiefer Narkose mehr „Regelmäßigkeit“ als während flacherer Narkosephasen zeige. In Anlehnung an die Kolmogorov-Sinai-Entropie wurde von Pincus et al. [2] die „Approximate Entropy“ (ApEn) als Maß für eine Systemregularität vorgestellt. Wenn innerhalb einer Datenreihe eine Abfolge von m aufeinanderfolgenden Werten einer zweiten Abfolge von m aufeinanderfolgenden Werte mit einer Toleranz r gleicht, macht die ApEn eine Aussage über die (Un-)Wahrscheinlichkeit, daß auch die Differenz der jeweiligen m+lten Werte innerhalb der Toleranz r liegt. Diese Studie soll die ApEn des intra-operativen EEG in Abhängigkeit von der Narkosetiefe quantifizieren. Methodik. Nach Beratung durch die Ethikkommission nahmen 12 Patientinnen, ASA I–II, Alter 33–65 Jahre, mit gynäkologischen Laparatomien an der Studie teil. Nach Einleitung der Narkosen mit Propofol wurden die Narkosen mit Desfluran als Monoanästhetikum aufrechterhalten. In der Phase zwischen Peritonealeröffnung und -verschluß wurde die Desflurankonzentration zwischen 0,5 und 1,6 MAC variiert, solange die Narkosetiefe als klinisch adäquat beurteilt wurde. Die endtidale Desflurankonzentration wurde gemessen (CapnomacTM, Fa. Datex). Desfluran-Effekt-Kompartment Konzentrationen (ceff Desfl) wurden durch simultanes pharmakodynamisch-pharmakokinetisches Modeling gewonnen. Es wurde ein frontales EEG abgeleitet und mit 125 Hz digitalisiert. Die ApEn wurde aus einer Epochenlänge von 8,192 s (=210 Datenpunkte) berechnet. Der EEG Median, die spektrale Eck-Frequenz 95 (SEF 95) und der Bispectralindex (BIS, Aspect A-1000) wurden mitbestimmt und mittels der Vorhersagewahrscheinlichkeit Pk nach Smith et al. [3] verglichen.
Abb.1 b„Approximate Entropy“ vs. intraop. Desflurankonzentration. Linke Seite: Patient # 1, rechte Seite: Modell für alle Patienten Ergebnisse. Die ApEn nimmt kontinuierlich über den untersuchten Desfluran-Konzentrationsbereich ab (Abb. 1). Die höchste Vorhersagewahrscheinlichkeit Pk der ApEn zur Vorhersage von ceff Desfl wurde mit m=2 und r=0,2 • Standardabweichung der jeweiligen 210 Datenpunkte erreicht. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit Pk beträgt 0,86±0,06 für ApEn, 0,78±0,06 für den Median, 0,86±0,06 für SEF 95 und 0,82±0,06 für BIS (Mittelwert±Standardabweichung). (Ein Wert von 1,0 bedeutet perfekte Anästhetikumkonzentrationvorhersage durch den Indikator, ein Wert von 0,5 bedeutet keinen Zusammenhang zwischen Indikator und Anästhetikakonzentration) [3]. Der erforderliche Rechenaufwand ermöglicht eine on-line Berechnung der ApEn. Interpretation. Bei hohen intra-operativen Konzentrationen des volatilen Anästhetikums Desfluran und entsprechend tiefer Narkose zeigt das EEG mehr Regelmäßigkeit als während niedrigerer Konzentrationen des volatilen Anästhetikums und somit flacher Narkosephasen. Aus informationstheoretischer Sicht bedeutet die abnehmende ApEn einen abnehmenden Informationsgehalt des auf die Oberfläche projizierten EEG pro Zeiteinheit. Die ApEn ermöglicht die Vorhersage der Anästhetikum-Konzentration aus dem EEG unabhängig von der Fouriertransformation. Die ApEn hat gegenüber anderen nicht-linearen Verfahren, wie z.B. der Analyse der Dimension, den Vorteil einer mehr als 10fach niedrigeren Anzahl der zur Errechnung benötigten Datenpunkte [1]. Die Eignung der ApEn als Indikator für Anästhetikum-Konzentrationen im Effektkompartiment entspricht im untersuchten Bereich der von Monoparametern des EEG nach Fouriertransformation. Somit könnte die „Approximate Entropy“ ein alternativer oder zusätzlicher EEG-Parameter für die online Analyse der Narkosetiefe im untersuchten Bereich werden.
pressure“, EDP) der zerebralen Zirkulation angesehen. Folgerichtig wird der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) aus der Differenz zwischen mittlerem arteriellen Druck (MAD) und dem ICP errechnet. Für andere Organsysteme ist hingegen gezeigt worden, daß ein kritischer Verschlußdruck (CCP) des arteriolären Anteils des Gefäßsystems existiert, der den EDP determiniert, solange der venöse Abflußdruck des Organsystems diesen nicht übersteigt [1, 2]. Wir untersuchten daher, ob ein kritischer Verschlußdruck der zerebralen Widerstandsgefäße existiert, und inwieweit dieser durch induzierte Veränderungen des zerebralen Vasomotorentonus beeinflußt wird. Hierzu wurde bei Patienten nach Schädel-Hirn-Trauma der EDP der zerebralen Zirkulation auf der Basis von Druck-Fluß Beziehungen ermittelt und mit dem simultan gemessenen ICP verglichen. Methodik. Nach Beratung durch die örtliche Ethikkommission wurden 17 analgosedierte, intubierte und kontrolliert beatmete Patienten mit einem ICP <20 mm Hg in die Untersuchung einbezogen. Die kontinuierliche Messung des intrakraniellen Drucks erfolgte mit Hilfe eines epiduralen Druckaufnehmers [Spiegelberg]. Der arterielle Blutdruck (Part.) wurde in der A. radialis gemessen. Die Blutflußgeschwindigkeit in der A. cerebri media (VMCA) wurde unter Verwendung eines 2 MHz Doppler-Systems [EME TC 2000] bestimmt. VMCA und Part. wurden mit einer Frequenz von 50 Hz auf einem Microcomputer aufgezeichnet. Die Berechnung des EDP erfolgte durch Bestimmung des „Nullfluß-Drucks“, der mittels Extrapolation der instantanen Druck-Flußgeschwindigkeits-Beziehung ermittelt wurde (Abb. 1). Der arterielle pCO2 (paCO2) wurde im Bereich zwischen 30 und 50 mm Hg durch randomisierte Variation des Atemminutenvolumens in
Literatur. 1. Fell J, Röschke J, Mann K, Schäffner C (1996) Discrimination of sleep stages: a comparison between spectral and nonlinear EEG measures. EEG Clin Neurophysiol 98:401–410. – 2. Pincus SM, Gladstone IM, Ehrenkranz RA (1991) A regularity statistic for medical data analysis. J Clin Monit 7:335–345. – 3. Smith WD, Dutton RC, Smith NT (1996) Measuring the performance of anesthetic depth indicator. Anesthesiology 84:38–51
Untersuchungen über den Einfluß des zerebralen Vasomotorentonus auf den stromabwärtsgerichteten Druck der zerebralen Zirkulation W. Buhre1 · A. Weyland1 · S. Grund1 · H.C. Ludwig2 · H. Sonntag Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin und 2 Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Georg-August-Universität Göttingen 1
Fragestellung. Aufgrund der anatomischen Besonderheiten extrazerebraler Venen wird üblicherweise der intrakranielle Druck (ICP) als effektiver stromabwärtsgerichteter Druck („effective downstream
Abb.1 m Exemplarische Darstellung der instanten Druck-Flußgeschwindigkeits-Beziehung für einen einzelnen Herzschlag. Der extrapolierte Schnittpunkt mit der x-Achse entspricht dem Nullflußdruck und kennzeichnet den EDP der zerebralen Zirkulation Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI Tabelle 1 Parameter der zerebralen und systemischen Hämodynamik in Abhängigkeit vom arteriellen paCO2. * signifikanter Einfluß des paCO2 (MANOVA p<0,05), # signifikante Differenz zum ICP, Mittelwerte±Standardabweichung. ZVD=zentralvenöser Druck paCO2 [mm Hg]
EDP* [mm Hg]
ICP* [mm Hg]
VMCA* (cm s-1]
MAD [mm Hg]
ZVD [mm Hg]
30±4 35±3 39±4 43±4 47±5
23±9# 21±9# 19±9# 17±9 14±10
9±3 10±4 13±3 15±4 18±5
39±21 44±24 52±30 62±37 70±43
81±12 81±11 79±18 77±18 77±19
13±5 12±6 14±6 13±5 12±5
Schritten von 4–5 mm Hg verändert. Die Meßwerte wurden mittels Varianzanalyse für wiederholte Messungen (MANOVA) und anschließendem t-Test unter Adjustierung des Signifikanzniveaus geprüft. Es wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% für den Fehler erster Art akzeptiert. Ergebnisse. MAD und ZVD änderten sich nicht signifikant bei Änderung des paCO2. Die digitalisierten Werte für VMCA und Part. zeigten eine enge lineare Beziehung (Abb. 1) und erlaubten die Ermittlung des EDP bei allen Patienten. Wie erwartet fiel der ICP bei abnehmendem paCO2 signifikant ab. Demgegenüber nahm der EDP bei Reduktion des paCO2 zu (Tabelle 1, Abb. 2) und überstieg den ICP im paCO2-Bereich von 30–39 mm Hg signifikant (Abb. 2).
Literatur. 1. Jackman AP, Green JF (1990) A theoretical description of arterial pressure-flow relationship with verification in the isolated hindlimb of the dog. Ann Biomed Eng 18:89–101. – 2. Permutt S, Riley RL (1963) Hemodynamics of collapsible vessels with tone: The vascular waterfall. J Appl Physiol 18:924–932. – 3. Wagner EM, Traystman RJ (1986) Hydrostatic determination of cerebral perfusion. Crit Care Med 14:484–490
Direkte Messung der Zwerchfellrelaxation nach Mivacurium mittels trachealer Okklusionsdruckmessung nach Magnetstimulation der Nervi phrenici J. Hinz · H. Buscher · P. Auer · M. Sydow · M. Wrigge · H. Burchardi Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August-Universität Göttingen Fragestellung. Der Relaxationsgrad des Zwerchfells als Hauptatemmuskel ist bei der Wirkdauer von Muskelrelaxanzien von besonderem Interesse. Bisherige Methoden zur Messung der Zwerchfellrelaxation sind entweder invasiv (z.B. transdiaphragmale Druckmessung) oder methodisch aufwendig (z.B. phono-audiometrisch). Die Zwerchfellkraft kann über Messung des Atemwegsdrucks bei Okklusion nach transkutaner Magnetstimulation der Nn. phrenici bestimmt werden [2]. Wir überprüften mit dieser Methode die Wirkdauer des nicht-depolarisierenden Muskelrelaxans Mivacurium.
Diskussion. Es wurde bisher davon ausgegangen, daß der ICP aufgrund eines im Bereich extrakortikaler Venen lokalisierten Starlingschen Widerstands dem EDP der zerebralen Zirkulation entspricht [3]. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen hingegen, daß der ICP nicht zwangsläufig mit dem zerebralen EDP gleichzusetzen ist. Der Befund, daß der aus Druck-Flußgeschwindigkeits-Beziehungen bestimmte EDP unter hypokapnischen Bedingungen den ICP übersteigt, legt nahe, daß ein zweiter kritischer Verschlußdruck existiert, der im Bereich der zerebralen Widerstandsgefäße lokalisiert ist. Hieraus ergibt sich ein modifiziertes Konzept der zerebralen Zirkulation, das durch zwei seriell geschaltete Starlingsche Widerstände gekennzeichnet ist. Bei der Berechnung des CPP ist als stromabwärts gerichteter Druck daher, in Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe, entweder der arterioläre CCP, der CCP im Bereich der Brückenvenen oder der zentralvenöse Druck zu berücksichtigen.
Patienten und Methode. Nach positiver Begutachtung durch das Ethikkommittee unserer Fakultät wurden 21 Patienten der ASA-Klassen I und II in die Studie eingeschlossen (11 männlich, 10 weiblich, 57,05±15,68 Jahre, 77,95±12,74 kg). Nach Aufklärung und Einwilligung erhielten sie am Vorabend der Operation und am Operationstag 10 mg Diazepam per os. Die Narkose wurde mit 3 mg/kg KG Propofol und 20 µg/kg KG Alfentanil eingeleitet. Die orotracheale Intubation erfolgte nach lokaler Anästhesie des Larynx mit Lidocain 1%. Die Narkose wurde mit 4 mg/kg KG/h Propofol und 5 µg/kg KG/h Alfentanil fortgeführt. Durch elektrische Stimulation des N. ulnaris und Beschleunigungsmessung des Daumens (TOF-Guard, Fa. Biometer, Turnhout, Belgien) wurde der Relaxationsgrad des M. adductor pollicis bestimmt. Zeitgleich wurden transkutan die Nn. phrenici supramaximal in Höhe des siebten Halswirbels von dorsal mit einem Magnetstimulator (Magpro, Fa. Dantec Medical, Dänemark) stimuliert. Der Relaxationsgrad des Zwerchfells wurde über Atemwegsdruckmessung (Fa. Huba Control, Schweiz) bei okkludiertem Trachealtubus gemessen. Die Drücke wurden mit 200 Hz digitalisiert und über ein Daten-Aquisationsprogramm (Turbo Lab, Fa. Stemmer, Eichenau) zur späteren Auswertung gespeichert. Nach Messung der Ausgangswerte wurden 0,15 mg/kg KG Mivacurium i.v. appliziert (2 ED95 [1]. Es wurden minütlich sowohl die Einzelreizantworten im Vergleich zum Ausgangswert vor Relaxanziengabe als auch der Train-of-
Abb.2 m Effekt der Variation des paCO2 auf ICP und EDP. # p<0,05 versus ICP. Mittelwerte±SD
Abb.1 m Typischer Relaxationszeitverlauf am M. add. poll. und Zwerchfell. Zur Zeit 0 erfolgte die Applikation von Mivacurium
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Der Anaesthesist 10·98
Zentrale und periphere antinozizeptive Aktivität des alpha2-Agonisten Clonidin im Rattenmodell
Tabelle 1 Ergebnisse als Mittelwerte±Standardabweichung (SD) Zwerchfell
Anschlagszeit 10%-Erholung 25%-Erholung 75%-Erholung 90%-Erholung TOF 0,8-Erholung 25%–75%-Erholung
M.add.poll.
Zeit (min)
SD
Zeit (min)
SD
2,8 6,7 8,8 15,4 19,5 25,1 7,8
0,8 2,1 2,2 4,2 6,1 10,2 3,9
3,0 19,6 22,6 32,3 37,6 37,5 9,6
0,9 4,4 5,0 8,4 11,3 9,4 4,5
Anschlagzeit: Zeitraum von Mivacuriumgabe bis Vollrelaxation 25%–75%-Erholung: Erholungszeit nach Mivacuriumgabe von 25% auf 75% des Ausgangswerts TOF-0,8-Erholung: Erholungszeit auf eine TOF-Ratio von 0,8 10%-Erholung, 25%-Erholung, 75%-Erholung, 90%-Erholung: Erholungszeit nach Mivacuriumgabe auf 10%, 25%, 75% und 90% des Ausgangswerts four (TOF) für beide Nervenstimulationen bestimmt (Abb. 1). Nach den Vorschlägen von Viby-Mogensen et al. [3] wurden folgende Zeiten für das Zwerchfell bzw. den M. add. poll. bestimmt: die Zeit bis zur vollständigen Relaxation (Anschlagszeit), die Zeit bis zur 10%, 25%, 75% und 90% Erholung im Verhältnis zum jeweiligen Ausgangswert während einer Einzelstimulation (10%-Erholung, 25%-Erholung, 75%-Erholung, 90%-Erholung), die Zeit der Erholung von 25% auf 75% des Ausgangswerts (Erholungsgeschwindigkeit) und die Erholungszeit auf eine TOF-Ratio von 0,8 (TOF-0,8-Erholung). Die statistische Auswertung erfolgte mit einem t-Test für verbundene Stichproben mit einem Signifikanzniveau von p<0,05. Ergebnisse. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 1 aufgelistet. Die Anschlagzeiten von Mivacurium unterscheiden sich nicht zwischen M. add. poll. und Zwerchfell (p=0,48). Die Erholung setzt am Zwerchfell signifikant früher ein als am M. add. poll. (10% Erholung) (p<0,05). Jedoch ist die Erholungsgeschwindigkeit (25%–75%-Erholung) des Zwerchfells gegenüber dem M. add. poll. nicht signifikant schneller (p<0,27). Die 90%-Erholungszeit ist am M. add. poll. gegenüber dem Zwerchfell signifikant (p<0,05) langsamer. Die verabreichte Dosis von Mivacurium reichte in allen Fällen zur vollständigen Relaxation von Zwerchfell und M. add. poll. aus. Schlußfolgerungen. Mit der angewandten Methode läßt sich die Wirkung von Muskelrelaxanzien am Zwerchfell bei intubierten Patienten einfach und nicht invasiv messen. Die gefundenen Erholungszeiten für den M. add. poll. stimmen gut mit Angaben aus der Literatur überein [1]. Daten über die Wirkdauer von Mivacurium am Zwerchfell liegen bisher nicht vor. Die signifikant schnellere Erholungszeit der Zwerchfellkraft nach einer zweifach ED95Dosis von Mivacurium liegt an dem schnelleren Erholungsbeginn (10%-Erholung). Dagegen ist die Erholungsgeschwindigkeit unbedeutend für die kürzere Wirkdauer von Mivacurium am Zwerchfell. Literatur. 1. Plaud B, Debaene B, Lequeau F, Meistelmann C, Donati F (1996) Mivacurium neuromuscular block of the adductor muscles of the larynx and adductor pollicis. Anesthesiology 85:77–81. – 2.Valta P, Buscher H, Sydow M, Burchardi H (1997) Twitch airway and transdiaphragmatic pressure in intubated patients. Intensive Care Med [Suppl] 23:S24. – Viby-Mogensen J, Engbaek J, Gramstad L, Jensen E, Jensen FS, Koscienlnak-Nilsen Z, Skoovgaard D (1996) Good clinical research practice (GCRP) in pharmacodynamic studies of neuromuscular blocking agents. Acta Anaesthesiol Scand 40:59–74
H. Buerkle · M. Schäpsmeier · E. Pogatzki · R. Wüsten · H. Van Aken Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Fragestellung. Untersuchungen zur analgetischen Aktivität des alpha2-Agonisten Clonidin konzentrierten sich bislang auf die antinozizeptive Wirkung dieser Substanz durch systemische oder zentrale Applikation (epidural/spinal). Dabei konnte in präklinischen und klinischen Studien eine dosisabhängige Analgesie für akute Schmerzen, Entzündungsschmerzen und neuropathische Schmerzsyndrome ermittelt werden. Eine periphere Applikation von Clonidin, so die Hypothese der vorliegenden Untersuchung, hemmt Entzündungsschmerzen direkt am Nozizeptor. Dabei würde über Inhibition von A-deltaund C-Fasern das Entstehen von primärer Hyperalgesie verhindert. Konsekutiv könnte über eine periphere analgetische Wirkung von Clonidin eine Freisetzung von exzitatorischen Neurotransmittern am spinalen Hinterhornneuron gehemmt werden mit nachfolgender Reduktion einer sekundären Hyperalgesie [2]. Die vorliegende Arbeit vergleicht deshalb die zentrale (intrathekale (IT)) und periphere (intraartikuläre (IA)) antinozizeptive Wirkung von Clonidin im Rattenmodell [3]. Durch Vergleich von Dosis-Wirkungskurven über 28 h bei bestehendem Entzündungsreiz wird gleichzeitig der Einfluß von inflammatorischen Prozessen auf diese antinozizeptive Aktivität ermittelt. Methodik. Alle vorgestellten Untersuchungen wurden nach den Richtlinien der IASP und der Tierschutzkommission (G9/97) an der WWU Münster durchgeführt. Männlichen Sprague Dawley Ratten, 300–320 g, wurde ein intrathekaler Katheter implantiert [3]. Tonisch persistierender Entzündungsschmerz wurde durch Injektion von 3% Kaolin/Carregeenan-Gemisch in das rechte Kniegelenk induziert. Eine Bestimmung der mechanischen und thermischen Hyperalgesie an der ipsilateralen Pfote des entzündeten Kniegelenks wurde über Applikation von „von Frey Haaren“ und der Anwendung eines thermischen Stimulus über eine modifizierte „Hargreaves Box“ über 28 h vorgenommen [1]. Die Gabe von Clonidin erfolgte 30 min nach Entzündungsinduktion und erneut 24 h später entweder IT, oder IA in das entzündete Kniegelenk. Die spezifische zentrale oder periphere Wirkung des alpha2-Agonisten wurde durch Applikation des Antagonisten Yohimbim (IT oder IA) überprüft. Ergebnisse. IT Clonidin resultierte in einer dosisabhängigen thermischen (Abb. 1) und mechanischen Antinozizeption (ED50therm Tag 1/Tag 2: 4,9 µg (±1,2)/7,4 µg (±0,9); ED50 mech Tag 1/Tag 2: 2,6 µg (±6)/±2,5 µg (±5,9)). Periphere Applikation von Clonidin resultierte ebenfalls in einer dosisabhängigen potenten Analgesie (ED50therm Tag 1/Tag 2: 6,0 µg (±1,17); 7,2 µg (±2,4)); ED50mech Tag 1/Tag 2: 4,5 µg (±2,2)/4,7 µg (±3,2)). Dabei wurde kein signifikanter Unterschied in der analgetischen Aktivität zur zentralen Injektion mittels ED50-Werte festgestellt. Die spezifische, periphere antinozizeptive Wirkung von Clonidin konnte durch Antagonisierung mit IA Yohimbin aufgezeigt werden. Interpretation. Die zentrale und periphere Gabe von Clonidin resultiert in der Inhibition von Entzündungsschmerzen mit äquipotenter Analgesie. Primäre Hyperalgesie kann durch die periphere Applikation von Clonidin supprimiert werden. Dabei wird eine sekundäre, zentralnervös induzierte Hyperalgesie über spezifische alpha2-adrenerge Wirkung am Nozizeptor mittels nachfolgender Reduktion von exzitatorischen Aminosäuren-Freisetzung im Bereich des Rückenmarks aufgehoben. Literatur. 1. Buerkle H, Boschin M, Marcus AME, Brodner G,Van Aken H (1998) Central and peripheral analgesia mediated by the acetylcholesterase-inhibitor neostigmine in the rat inflamed knee joint Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI
Abb.1 m Dosiswirkungskurven für thermische Analgesie nach Injektion von Clonidin (in µg) intrathekal (IT) oder intraartikulär (IA; in das rechte, entzündete Kniegelenk) in % maximal möglicher Analgesie (% MPE; y-Achse). Alle Punkte stellen Mittelwerte von 6–8 Tieren ±SD dar. Ipsilaterale Pfote bezeichnet die hintere Extremität und Kniegelenksentzündung. * p<0,05 zwischen linker und rechter Pfote
model. Anesth Analg (in press). – 2. Woolf CJ (1983) Evidence for a central component of post-injury pain hypersensitivity. Nature 306:686–688. – 3. Yang LC, Marsala M, Yaksh TL (1996) Characterization of time course of spinal amino acids, citrulline and PGE2 release after carrageenan/kaolin-induced knee joint inflammation: a chronic microdialysis study. Pain 67:345–354
Massiver Anstieg der Adrenalin-Plasmakonzentration und hämodynamische Aktivierung durch µ-Rezeptorblockade bei opioidabhängigen Patienten trotz Allgemeinanästhesie P. Kienbaum1 · N. Thürauf1 · M.C. Michel2 ·N. Scherbaum3 M. Gastpar3 · J. Peters1 1 Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin 2 Biochemisches Forschungslabor, Abteilung für Nierenund Hochdruckkrankheiten und 3 Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinikum GH Essen Fragestellung. Die Kurzentgiftung während Allgemeinanästhesie ist ein neues Therapiekonzept zur Behandlung opioidabhängiger Patienten, welchem methodisch eine akute Opioid-Rezeptorblockade durch intravenöse Gabe großer Dosen des µ-Rezeptorantagonisten Naloxon zugrunde liegt [2]. Während dieses Behandlungsverfahren mögicherweise eine neue therapeutische Aufgabe für den Anästhesisten darstellt, ermöglicht es auch die Untersuchung von Effekten einer akuten µ-Rezeptorblockade bei chronisch stimuliertem Opioidsystem. Wir testeten die Hypothese, daß eine Rezeptorblockade bei opioidabhängigen Patienten durch Naloxon trotz tiefer Allgemeinanästhesie zu einer sympathoadrenalen Aktivierung und kardiovaskulären Stimulation führt. Methodik. Nach Billigung des Studienprotokolls durch die Ethikkommission des Universitätsklinikums Essen, Feststellung der Geschäftsfähigkeit der Patienten und Aufklärung über den experimentellen Charakter des Verfahrens entschieden sich 10 mono-opioidabhängige Patienten mit einer Drogenanamnese von 78±19 Monaten (Mittelwert±Standardfehler) und Methadonsubstitution (81±19 mg d−1 seit 19±6 Monaten) für diese Behandlung. Nach Benzodiazepinprämedikation wurden arterielle, zentralvenöse und pulmonalarterielle Katheter in Lokalanästhesie eingeführt und intravaskuläre Drücke (Elektromanometrie), Herz- und systemische Widerstandsindizes (Thermo-
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dilutionsmethode) sowie Adrenalin- und Noradrenalin-Plasmakonzentrationen (HPLC und elektrochemische Detektion) bestimmt. Die Variablen wurden jeweils vor Anästhesie, während „Steady-State“Bedingungen nach Einleitung und Aufrechterhaltung einer Anästhesie mit Methohexital (74±14 µg kg−1 min−1) und wiederholt während einer 180minütigen Beobachtungsphase unter Naloxongabe bestimmt. Naloxon wurde initial in einer Dosis von 0,4 mg intravenös injiziert, gefolgt von Bolusgaben in ansteigender Dosis (0,8 mg, 1,6 mg, 3,2 mg, 6,4 mg) im Abstand von je 15 min bis zu einer Gesamtdosis von 12,4 mg innerhalb von 60 min. Die Rezeptorblockade wurde für 24 h mit einer Dauerinfusion von Naloxon (0,8 mg h−1) aufrechterhalten. Statistik. Einweg-ANOVA für wiederholte Messungen, Fisher’s LSD Post-Hoc-Test, p<0,05. Ergebnisse. Naloxongabe induzierte einen Anstieg der AdrenalinPlasmakonzentration im Vergleich zu den Kontrollwerten nach Einleitung der Allgemeinanästhesie um das 30fache (von 15±3 pg m−1 auf 458±96), während die Noradrenalin-Plasmakonzentration zwar signifikant anstieg (von 76±14 pg ml−1 auf 226±19), aber den Referenzbereich nicht überschritt. Zunahmen von Herzfrequenz (89±5 min−1 auf 108±5) und Schlagvolumen (+44%) bedingten einen erheblichen Anstieg des Herzindex um 74% (von 2,7±0,1 l min−1 m−2 auf 4,7±0,6), während parallel der systemische Gefäßwiderstandsindex um 40% abnahm. Der systolische arterielle Druck stieg lediglich von 113±5 mm Hg auf 138±5 an, während der diastolische arterielle Druck unverändert blieb. Interpretion. Trotz tiefer Barbituratanästhesie führt eine µ-Rezeptorblockade bei opioidabhängigen Patienten zu einer massiven Adrenalinfreisetzung sowie einer erheblichen Kreislaufstimulation, die mit hämodynamischen Veränderungen durch Infusion von Adrenalin bei gesunden Freiwilligen vergleichbar ist [3]. Unsere Ergebnisse bestätigen darüber hinaus tierexperimentell erhobene Daten an morphinabhängigen wachen Ratten und lassen einen dämpfenden Einfluß von Opioiden auf kreislaufregulatorische Variablen annehmen [1]. Die Diskrepanz zwischen den Anstiegen der Adrenalin- und Noradrenalin-Plasmakonzentrationen ist untypisch für eine generalisierte Sympathikusaktivierung und läßt uns spekulieren, daß Opioide beim Menschen ihre Effekte auf das sympathische Nervensystem v.a. in Form einer Dämpfung des Nebennierenmark-Systems ausüben. Literatur. 1. Delle M, Ricksten S-E, Häggendal J, Olsson K, Skarphedinsson JO, Thorén P (1990) Regional changes in sympathetic nerve activity and baroreceptor reflex function and arterial plasma levels of catecholamines, renin and vasopressin during naloxone-precipitated morphin withdrawal in rats. J Pharm Exp Ther 253:646–660. – 2. Loimer N, Schmid R, Lenz K, Presslich O, Grünberger J (1990) Acute blocking of naloxone-precipitated opiate withdrawal symptoms by methohexitone. Br J Psych 157:748–752. – 3. Stratton JR, Pfeifer MA,
Ritchie JL, Halter JB (1985) Hemodynamic effects of epinephrine: concentration-effect study in humans. J Appl Physiol 58:1199–1206
Endogenes Kohlenmonoxid ist für die Aufrechterhaltung der sinusoidalen Perfusion in der isoliert perfundierten Rattenleber nach hämorrhagischem Schock von funktioneller Bedeutung B.H.J. Pannen · N. Köhler · K. Geiger Anästhesiologische Universitätsklinik Freiburg Fragestellung. Die Aufrechterhaltung der sinusoidalen Perfusion nach passagerer Ischämie der Leber, wie z.B. in der Volumensubstitionsphase nach hämorrhagischem Schock (HS), ist für die Limitierung des Organschadens von entscheidender Bedeutung [2]. Vorausgegangene Untersuchungen haben gezeigt, daß Stickstoffmonoxid (NO) in der frühen Volumensubstitutionsphase nach HS (≥1 h) zur Reduktion des portalen Strömungswiderstands beiträgt [3]. Im späteren Verlauf (≥5 h nach HS) wird in der Leber Hämoxygenase-1 exprimiert, ein Enzym, das die Umwandlung von Häm in Biliverdin unter Freisetzung des portalen Vasodilatators Kohlenmonoxid (CO) katalysiert [1]. Es war Ziel dieser Untersuchung, die relative Bedeutung von endogenem NO und CO für die Aufrechterhaltung von sinusoidaler Perfusion, hepatozytärem Redoxstatus und Gallesekretion in der späteren Volumensubstitutionsphase nach HS zu untersuchen. Methodik. Nach Genehmigung durch das zuständige Regierungspräsidium wurde bei Sprague-Dawley Ratten in Pentobarbitalanästhesie der arterielle Mitteldruck durch Blutentzug für 1 h auf 40 mm Hg gesenkt.Anschließend erfolgte die Volumensubstitution (5 h) durch Retransfusion von Citratblut sowie Ringerlösung. Bei anästhesierten Kontrolltieren wurde der Erhaltungsbedarf während des gleichen Zeitraums durch Infusion von Ringerlösung gedeckt. Danach wurde die Leber in einem rezirkulierenden System mit Krebs-HenseleitPuffer, der 5% Rattenerythrozyten enthielt, bei 37° C über die V. portae isoliert perfundiert. Sinusoidweite und Erythrozytenströmungsgeschwindigkeit wurde epifluoreszenzmikroskopisch bestimmt, und der sinusoidale volumetrische Fluß (|Qv) berechnet. Der hepatozytäre Redoxstatus wurde durch spektrophotometrische Messung von Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat, und Berechnung des Ketonkör* Die Untersuchungen wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Pa 533/2-1) unterstützt
Tabelle 1 · Einfluß von HS auf Qv, AcAc/b-OHB und GP in der isoliert perfundierten Leber zum Ausgangszeitpunkt Mittelwerte±S.E.M.. p<0,05 im Vergleich zu Kontrollen (#)
· Qv AcAc/b-OHB GP
Einheit
Kontrollen
Schock
pico liter (pl)/s
48,6±3,07 0,59±0,079 32,8±1,77
30,8±2,77# 0,45±0,143# 31,4±1,12
mg/5 min
perquotienten (AcAc/β-OHB) analysiert. Zur Messung der Gallenproduktion (GP) wurde der Ductus choledochus kanüliert. Nach Registrierung aller Ausgangswerte wurde dem Perfusat in Kontrollbzw. Schockexperimenten entweder der Hämoxygenase-Inhibitor Zinn-Protoporphyrin-IX (SnPP-IX; 50 µM) oder der NO-Synthasehemmer S-Methylthioharnstoff (SMT; 100 µM) oder Vehikel (1 ml Krebs-Henseleit-Puffer) zugegeben (6 Versuchsgruppen; n=6/Gruppe). Nach 10 min wurden alle Messungen wiederholt. Die Ergebnisse sind als Mittelwerte±S.E.M. dargestellt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels t-Tests bzw. Varianzanalysen und Student-NewmanKeuls post-hoc-Tests. · Ergebnisse. Nach HS waren Qv und AcAc/β-OHB zum Ausgangszeitpunkt im Vergleich zu Kontrollen erniedrigt (Tabelle 1). Die Zufuhr von SnPP-IX führte in der Kontrollgruppe zu einer mäßigen und in der Schockgruppe zu einer massiven Abnahme von |Qv (Abb. 1a). Im · Gegensatz dazu blieb Qv unter allen anderen Versuchsbedingungen unverändert (Abb. 1a). Eine Abnahme von AcAc/β-OHB war ausschließlich nach HS und Zufuhr von SnPP-IX nachweisbar, während es in den anderen Versuchsgruppen entweder zu einem Anstieg bzw. zu keiner Veränderung kam (Abb. 1b). Die GP nahm nur nach HS und Zufuhr von SnPP-IX signifikant ab (Abb. 1c). Interpretation. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, 1.) daß endogenes CO in der späten Volumensubstitutionsphase nach HS wesentlich zur Aufrechterhaltung der sinusoidalen Perfusion beiträgt, 2.) daß diese Protektion der Lebermikrozirkulation durch CO für die funktionelle Integrität der Leber von Bedeutung sein könnte, da die Ab· nahme von Qv nach SnPP-IX mit einer Reduktion von AcAc/β-OHB und GP einherging und 3.) daß NO im Gegensatz zu CO unter diesen Bedingungen für die Aufrechterhaltung von Lebermikrozirkulation und Gallesekretion keine wesentliche Bedeutung zukommt.
Abb.1 b Einfluß von HS auf die Verände· β-OHB und GP durch rung von Q v, AcAc/β SnPP-IX, SMT und Vehikel in der isoliert perfundierten Leber, Mittelwerte ±S.E.M.; p<0,05 im Vergleich zum Ausgangswert (*), zu Kontrollen (#) Der Anaesthesist 10·98
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Kurzfassung der wissenschaftlichen Vorträge der DGAI Literatur. 1. Bauer M, Pannen BHJ, Bauer I, Herzog C, Wanner GA, Hanselmann R, Zhang JX, Clemens MG, Larsen R (1996) Evidence for a functional link between stress response and vascular control in hepatic portal circulation. Am J Physiol 271:G929–G935. – 2. Chun K, Zhang JX, Biewer J, Ferguson D, Clemens MG (1994) Microcirculatory failure determines lethal hepatocyte injury in ischemic/reperfused rat livers. Shock 1:3–9. – 3. Pannen BHJ, Bauer M, Nöldge-Schomburg GFE, Zhang JX, Robotham JL, Clemens MG, Geiger KK (1997) Regulation of hepatic blood flow during resuscitation from hemorrhagic shock: role of NO and endothelins. Am J Physiol 272:H2736–H2745
Die Akutphasereaktion des Pankreas Tierexperimentelle Untersuchungen zur Funktion und Charakterisierung protektiver Faktoren F. Fiedler1 · N. Croissant1 · V. Keim2 ·J.-C. Dagorn3 · J. Iovanna3 Institut für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Klinikum Mannheim 2 Medizinische Klinik II, Universität Leipzig 3 U 315 INSERM, Marseille, Frankreich
kung (z.B. Clusterin, BTG-2) ein bisher unbekanntes Gen isoliert werden. Dieses ist 602 Basenpaare lang und kodiert ein 80 Aminosäuren langes und 8,955 kD großes Protein (p8-Protein). Das Gen wird, sowohl nach ödematöser als auch nekrotisierender Pankreatitis, während der Akutphase, überexprimiert. In vitro wird es beim programmierten Zelltod induziert, und es wirkt als Wachstumsfaktor in Cos-7-Zellen. Interpretation. Bei der Ratte stellt die organspezifische Aktuphasereaktion des Pankreas einen potenten Schutzmechanismus dar, der in unserem Experiment den Organismus vor den potentiell letalen Folgen einer experimentellen Pankreatitis schützt. Als mögliche Mediatoren dieses Abwehrmechanismus kommen, aufgrund ihres Expressionsmusters, neben den Pankreatitis-assozierten Proteinen das bisher nicht beschriebene p8-Protein und die erstmals im Pankreas entdeckten antiapoptotischen Proteine Clusterin und BTG-2 in Betracht. Weitere Untersuchungen (z.B. mittels Antisense und Knockout-Techniken) sind jedoch notwendig, um die genaue Funktion der pankreasspezifischen Akutphasereaktion zu klären.
1
Fragestellung. Körpereigene Streßproteine (z.B. Hitzeschockproteine) können den Verlauf eines experimentell induzierten Organversagens oder einer Sepsis abschwächen [1]. Exokrine Pankreaszellen bilden unter Streßbedingungen (z.B. Entzündung, Ischämie) spezifische Akutphaseproteine (Pankreas-assoziierte Proteine), die sich von denen der Leber und den Hitzeschockproteinen unterscheiden [2].Ausgehend von der Hypothese, daß diese pankreasspezifische Akutphasereaktion protektiv wirkt, wurden die folgenden Untersuchungen durchgeführt, um 1. einen protektiven Effekt zu verifizieren und 2. mögliche Mediatoren dieses Effektes zu entdecken und zu charakterisieren. Methodik. Die Untersuchungen wurden an Wistar Ratten gemäß den Richtlinien des Regierungspräsidiums Karlsruhe durchgeführt. Eine Akutphasereaktion des Pankreas wurde durch i.p. Injektion von Cerulein induziert (n=126). Die Kinetik der Akutphaseantwort wurde mittels Protein- (Western-Blot) und RNA-Nachweis (Northern-Blot) der Pankreatitis-assozierten Proteine verifiziert. Vor Ausbildung (2 h nach Cerulein), am Höhepunkt (48 h nach Cerulein) und nach Rückbildung (168 h nach Cerulein) der Akutphasereaktion wurde eine schwere, potentiell letale Gallensalzpankreatitis ausgelöst. Bei Kontrolltieren (n=126) wurde eine Gallensalzpankreatitis induziert, ohne daß davor eine Akutphasereaktion ausgelöst worden war. Als Zielparameter wurden das Überleben der Studienpopulationen bis zu einer Dauer von 7 Tagen erfaßt und der Schweregrad der experimentellen Pankreatitis mittels biochemischer, histologischer und molekularbiologischer Parameter quantifizeirt. Um mögliche Mediatoren des beobachteten Effekts zu erfassen, wurde aus einem Pankreas zum Zeitpunkt des Maximum der Akutphasereaktion eine cDNA-Bibliothek konstruiert und deren einzelne Klone sequenziert. Die Expression potentiell protektiver Gene wurde in verschiedenen Pankreatitismodellen und Zellinien untersucht. Ergebnisse. Nach Induktion der Gallensalzpankreatitis bildete sich in allen Versuchsgruppen eine nekrotisierende Entzündung von vergleichbarem Schweregrad aus. Die Überlebensrate in allen Kontrollgruppen, ebenso wie in den Gruppen, bei denen die Gallensalzpankreatitis vor Ausbildung und nach Rückbildung der Akutphaseantwort induziert worden war, betrug 40% (33%–58%). In der Versuchsgruppe, bei der die potentiell letale Erkrankung am Maximum der Akutphasereaktion induziert worden war, überlebten 83% der Tiere (p<0,01). Bisher konnten 360 Klone der cDNA-Bibliothek sequenziert werden. Als potentiell protektiver Faktor konnte neben Transkripten von Proteinen mit bekannter antiapoptotischer Wir-
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Der Anaesthesist 10·98
Literatur. 1. Chu EK, Ribeiro SP, Slutsky AS (1997) Heat stress indcreases survival rates in lipopolysaccharide-stimulated rats. Crit Care Med 25:1727–1732. – 2. Keim V, Mössner J (1997) Das Pankreatitis-assozierte Protein – Molekulare Charakterisierung und klinische Bedeutung. Z Gastroenterol [Suppl 1] 35:42–50
Die Hemmung des Peristaltikreflexes beim Meerschweinchen in vitro durch selektive µ-, κ- und δ-Opioidliganden Die durch δ-Opioidliganden induzierte Hemmung ist überwiegend durch µ-Rezeptoren vermittelt H. Arzet1 · M.K. Herbert1 · P. Holzer2 · N. Roewer1 1 Klinik für Anästhesiologie der Universität Würzburg 2 Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie der Universität Graz Fragestellung. Der Peristaltikreflex, Grundlage des propulsiven Transports von Darminhalt, steht unter der Kontrolle exzitatorischer und inhibitorischer Transmitter im Plexus myentericus [1]. Kürzlich konnte in vitro gezeigt werden, daß der selektive δ-Opioidagonist DPDPE erst in 300fach höherer Dosierung eine komplette Hemmung der Peristaltik bewirkt als selektive µ-, und κ-Agonisten [2]. Da die in der Entwicklung befindlichen δ-Opioidliganden z.B. für die Schmerztherapie von großer klinischer Bedeutung sind, wäre wichtig zu wissen, ob diese tatsächlich eine geringere Peristaltikhemmung bewirken und worin dies begründet ist. Methodik. Mit Zustimmung der Tierversuchskommission wurde bei Meerschweinchen das proximale Ileum entnommen. Die Darmsegmente wurden horizontal in einem Organbad in eine Vorrichtung eingespannt, die eine kontinuierliche Perfusion der Segmente mit Tyrode (karbogeniert, 37° C) gegen einen Druck von 400 Pascal (Pa) ermöglichte. Bei intraluminaler Perfusion mit Tyrode wird in den Darmsegmenten ab einem individuellen, im Zeitverlauf aber konstanten Schwellenwert des intraluminalen Drucks ein Peristaltikreflex ausgelöst, der die Entleerung des Darmsegments bewirkt. Nach mindestens 5 gleichmäßigen Kontraktionen (Kontrolle) wurde den Darmsegmenten jeweils ein Opioidrezeptoragonist (µ-Rezeptor: (D-Ala2, N-Me-Phe4, glycerol5)-Enkephalin, DAMGO; κ-Rezeptor: U-50488; δ-Rezeptor: (D-pen2, p-chlorophe4, D-Pen5)-Enkephalin, DPDPE) zugegeben. Die Opioidrezeptoragonisten wurden einer Konzentration gegeben, die zu einer kompletten Hemmung (KH) des Peristaltikreflexes führt (DAMGO und U-50488 jeweils 100 nM, DPDPE 30 µM). Selektive Opioidrezeptorantagonisten (µ-Rezeptor: Naloxonazin; κ-Rezeptor: Nor-Binaltorphimin, NBI; δ-Rezeptor: BNTX-Maleat, BNTX) wurden in
unterschiedlicher Konzentration entweder 20 min vor oder 5 min nach dem Agonisten dem Organbad zugegeben. Dreißig min nach Zugabe der zweiten Substanz wurde der Schwellenwert zur Auslösung des Peristaltikreflexes bestimmt. Ein Druckanstieg von ≤Pa im Vergleich zum Schwellenwert in der Kontrollperiode wurde als komplette Antagonisierung gewertet. Ein Anstieg der Schwelle zwischen 10 und 100 Pa wurde als partielle, eine anhaltend KH bzw. ein Schwellenanstieg >100 Pa als fehlende Antagonisierung definiert. Ergebnisse. (s. auch Abb. 1). Die durch den µ-Liganden DAMGO induzierte Hemmung des Peristaltikreflexes wird durch den µ-Antagonist Naloxonazin (50 nM) von 5 Segmenten komplett und in 5 nM Konzentration bei allen 4 Segmenten partiell aufgehoben. Auch der δAntagonist BNTX hebt in hoher Konzentration (50 nM) bei 2 von 4 Segmenten die DAMGO induzierte KH auf, während NBI (κ-Antagonist) keinen Effekt zeigt. Die durch 100 nM U-50488 ausgelöste KH kann nur durch NBI (s.Abb. 1) antagonisiert werden. Selektive µ-. und δ-Antagonisten zeigen bei der durch U-50488 vermittelten KH keine Wirkung. Im Gegensatz dazu wird die durch den δ-Liganden DPDPE (30 µM) induzierte Hemmung vom µ-Antagonisten Naloxonazin (50 nM) bei 3 von 5 Segmenten komplett und den verbleibenden 2 Segmenten partiell aufgehoben. Der selektive δ-Antagonist BNTX hingegen führt bei der durch δ-Rezeptoren vermittelten Hemmung in 5 nM Konzentration zu keiner und bei 50 nM nur zu einer partiellen Antagonisierung (3 von 4 Segmente). Interpretation. Selektive µ- bzw. κ-Antagonisten heben die durch µbzw. κ-Liganden induzierte Hemmung des Peristaltikreflexes auf. Demzufolge ist die Hemmung des Peristaltikreflexes im Dünndarm sowohl durch µ- als auch κ-Rezeptoren vermittelt. Im Gegensatz dazu wird die durch hochdosierte, selektive δ-Liganden vermittelte Hemmung überwiegend über µ-Rezeptoren vermittelt. Dies könnte daran liegen, daß (a) durch δ-Liganden die Dünndarmperistaltik nicht gehemmt wird, oder (b) im Dünndarm keine und nur wenige δ-Opioidrezeptoren vorhanden sind und daraus resultierend (c) δ-Liganden in hoher Dosierung unspezifisch an µ-Rezeptoren binden und somit eine durch µ-Antagonisten aufhebbare Hemmung hervorrufen. Diese Befunde sind klinisch von großer Bedeutung, wenn durch die Entwicklung neuer Opioidanalgetika, die am δ-Rezeptor binden, die Hemmung der Peristaltik vermindert ist. Abb.1 m DAMGO (100 nM), U-50488 (100 nM) und DPDPE (30 µM) hemmen komplett den Peristaltikreflex.Selektive Antagonisten am µ-Rezeptor (Naloxonazin), κ-Rezeptor (NBI, Nor-Binaltorphimine) und δ-Rezeptor (BNTX-Maleat) heben diese Hemmung, je nach Agonist, komplett, partiell oder gar nicht auf
Literatur. 1. Costa M, Furness JB (1982) Nervous control of intestinal motility. In: Bertacchini A (ed) Handbook of experimental pharmacology. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 279–382. – 2. Herbert MK, Arzet H, Holzer P, Roewer N (1997) Hemmung des Peristaltikreflexes in vitro durch selektive µ-, κ- und δ-Opioidliganden. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther [Suppl 1] 32:125
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