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Historisches
75 Jahre Dieseleinspritzung von Bosch Vor 75 Jahren, im November 1927, startete Bosch die weltweit erste Serienfertigung von Dieseleinspritzpumpen und -düsen. Damit bot das Unternehmen den Motorenherstellern erstmals ein Einspritzsystem an, mit dem sich schnelllaufende Dieselmotoren wirtschaftlich fertigen ließen. Die Idee von Bosch entwickelte sich rasch zu einer Erfolgsgeschichte. Inzwischen hat das Unternehmen über 113 Millionen Dieseleinspritzsysteme produziert – und die Nachfrage nach Personenwagen mit Dieselmotor steigt rapide. Der Marktanteil von DieselPkw liegt in Westeuropa derzeit schon bei 40 %. Dieser Beitrag der Robert Bosch GmbH wirft einen Blick auf die Meilensteine der bisherigen Entwicklung und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.
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Der Autor 1 Einleitung
Als Bosch 1921 mit den ersten Versuchen zur Dieseleinspritzung begann, hatte das Unternehmen mit der Kombination aus Hochspannungs-Magnetzünder und Zündkerze bereits einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Ottomotors geleistet. Die inzwischen schon in beachtlichen Stückzahlen produzierten Zündsysteme bildeten für Bosch damals eine wichtige wirtschaftliche Basis für weitere Aktivitäten. „Das Problem der Probleme“ – so Carl Benz über die Zündung – war beim Ottomotor gelöst. Das Problem der Probleme beim Selbstzünder war die Einspritzung des Kraftstoffs in die hoch verdichtete heiße Luft des Brennraums – und war auch acht Jahre nach dem Tod Rudolf Diesels noch nicht gelöst. Zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter und späteren Aufsichtsratsmitglied Richard Stribeck bekam Robert Bosch jedoch auch dieses Problem in den Griff. Bereits 1923 wurden bei Bosch die ersten Einspritzpumpen-Prototypen erprobt. Erste handgefertigte Vorserienexemplare gingen dann ab März 1927 für Testzwecke an interessierte Motorenhersteller. Die guten Ergebnisse führten schließlich am 30. November 1927 zur so genannten Mengenfreigabe – dem Startschuss für die Serienfertigung der ersten Dieseleinspritzpumpen, Bild 1. Zunächst rüstete MAN seine schweren Lastkraftwagen mit dem neuen Einspritzsystem aus. Danach ging es Schlag auf Schlag: Im Oktober 1928 feierte Bosch die Fertigung der 1000. Einspritzpumpe, im März 1934 verließ bereits die 100.000. Pumpe die Fertigungshallen. Die Einführung von Einspritzpumpen für Diesel-Pkw im Jahr 1936 war ein weiterer wichtiger Meilenstein – und zugleich Basis für den nachhaltigen Erfolg der Diesel-Personenwagen. Die erste Million Einspritzsysteme wurde 1950 erreicht, 2001 dann 100 Millionen. Bis heute hat Bosch über 113 Millionen Diesel-Einspritzsysteme für Pkw und Nkw produziert. Die 75-jährige Entwicklung der DieselEinspritzsysteme ist gekennzeichnet von stetigem Fortschritt. Verbesserte Werkstoffe und Fertigungsverfahren sowie die Einführung der Elektronischen Diesel-Regelung (EDC) 1986 ermöglichten eine immer präzisere Kraftstoffzumessung und immer höhere Einspritzdrücke – heute sind über 2000 bar in Serie realisiert.
spielsweise in mittleren und schweren Nutzfahrzeugmotoren sowie in Schiffsund Stationärmotoren eingesetzt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Systemen wird die Reiheneinspritzpumpe über den Motorölkreislauf geschmiert und kommt daher auch eher mit minderen Kraftstoffqualitäten zurecht. Bei der Reiheneinspritzpumpe betätigt eine Nockenwelle für jeden Motorzylinder ein Pumpenelement. Mit dieser Pumpe sind heute Drücke bis zu 1300 bar möglich. Die erste Verteilereinspritzpumpe von Bosch wurde 1962 vorgestellt. Auch dieses bewährte System wurde immer weiter verbessert und kommt bis heute in zahlreichen Varianten bei IDI- und DI-Motoren zum Einsatz. Verteilereinspritzpumpen haben nur ein Hochdruckpumpenelement für alle Zylinder. Je nach Bauform übernimmt die Druckerzeugung ein Axialoder mehrere Radialkolben. 2.1 Die Elektronische Dieselregelung – EDC
Steigende Anforderungen an Verbrauch und Komfort sowie neue AbgasemissionsGesetze erforderten eine immer präzisere Regelung von Einspritzmenge und -zeit-
Dr.-Ing. Ulrich Dohle, Bereichsvorstand Entwicklung, Geschäftsbereich Diesel Systems, Robert Bosch GmbH, Stuttgart.
punkt. Die zunächst rein mechanischen Steuerungs- und Regelsysteme wurden daher zunehmend von elektrisch betätigten Stellern ersetzt. Mechanik und Elektronik verschmolzen zur Mechatronik. Je komplexer die Anforderungen wurden, desto mehr Sensoren und Aktoren wurden benötigt. Die Entwicklung führte schließlich zur Elektronischen Dieselregelung – oder Electronic Diesel Control (EDC). Diese wurde von Bosch 1986 eingeführt. Die Vorteile der Elektronischen Dieselregelung werden heute bei allen Einspritzsystemen genutzt. Neben der präziseren Regelung gehört auch die Diagnosefähigkeit und die Langzeitstabilität zu den Vorteilen der EDC. Und ohne EDC wäre die
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2 Die „Klassiker“: Reihen- und Verteilereinspritzpumpen
Reiheneinspritzpumpen sind die „Klassiker“ der Dieseleinspritztechnik. Sie werden bis heute in verschiedenen Varianten bei-
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Bild 1: 1927 lieferte Bosch die weltweit ersten in Serie gefertigten Diesel-Einspritzpumpen aus Figure 1: In 1927 Bosch was the first company world-wide offering series-production Diesel injection pumps
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Direkteinspritzung für Dieselmotoren nicht möglich gewesen.
2.2 Durchbruch für den DI-Dieselmotor
2.2 Durchbruch für den DI-Dieselmotor
Das enorme Potenzial der Verteilereinspritzpumpen demonstrierte 1989 der Audi 100 TDI: Als erster Serien-Personenwagen mit Direkteinspritzung wurde von einer elektronisch gesteuerten VP34 versorgt. Das Druckniveau lag damals bei etwa 700 bar an der Pumpe und knapp 1000 bar an der Düse. Mit der VP34 beziehungsweise der eng verwandten VP37 wurde auch „Drive-by-wire“ in Form des E-Gas eingeführt. Heute ist dies – auch beim Ottomotor – Stand der Technik. Der Audi 100 TDI überraschte die Fachwelt in vielerlei Hinsicht – vor allem auch mit seinem guten Komfort- und Schwingungsverhalten. Neben dem E-Gas sowie einer aufwändigen Motorlagerung hatte daran auch der neuartige ZweifederDüsenhalter wesentlichen Anteil. Die Einspritzdüsen sind das Bindeglied zwischen Einspritzpumpe und Motor und haben großen Einfluss auf die Aufbereitung des Kraftstoffs und die Formung des Einspritzverlaufs. Der im Audi 100 TDI eingesetzte Zweifeder-Düsenhalter ermöglicht eine gezielte Voreinspritzung. Dadurch ergibt sich bei der Verbrennung ein sanfterer Druckanstieg – mit entsprechenden Vorteilen in der Geräuschentwicklung. Eine weitere Innovation war die Mehrstrahldüse. Mit den heute üblichen Fünfoder Sechslochdüsen wird – zumal in Verbindung mit dem hohen Einspritzdruck – eine sehr feine Verteilung des Kraftstoffs im Brennraum erreicht, was sich günstig auf das Verbrauchs- und Abgasverhalten auswirkt, Bild 2.
Bild 2: Der dank hohem Druck und Mehrlochdüse fein zerstäubte Kraftstoffstrahl ermöglicht eine saubere Verbrennung Figure 2: High pressure and the multi-hole nozzle produce a finely atomised fuel spray and thus ensure clean combustion
2.3 Die Verteilereinspritzpumpe VP44
2.3 Die Verteilereinspritzpumpe VP44
Ein weiterer wichtiger Schritt in die Zukunft stellte 1996 die Einführung der Radialkolben-Verteilereinspritzpumpe VP44 dar. Diese ermöglichte noch höhere Drücke, zunächst rund 1400 bar an der Düse, heute in der zweiten Generation sogar bis zu 1800 bar. Dabei werden die in der Einspritzleitung entstehenden Druckwellen zur Drucküberhöhung von der Pumpe zur Düse genutzt. Der pumpenseitige Druck liegt bei 1100 bar. Die Kraftstoffdosierung erfolgt hier durch Magnetventile, die eine schnelle und sehr präzise Zumessung auch kleiner und kleinster Kraftstoffmengen ermöglichen. Die VP44 erlaubt dadurch auch eine ganz gezielte Voreinspritzung mit einem Volumen von nur rund 2 mm3 pro Hub. Das Ergebnis ist ein besonders niedriges
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Bild 3: Die Radialkolben-Verteilereinspritzpumpe VP44 wurde 1996 erstmals im Opel Vectra eingesetzt Figure 3: In 1996 the Opel Vectra was the first car to feature the radial-piston distributor-type injection pump VP44
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Verbrennungsgeräusch. Die hochgenaue Ansteuerung der Magnetventile für die Mengen- und Förderbeginnregelung erfolgt bei der aktuellen Generation der VP44 durch ein direkt an das Pumpengehäuse montiertes Hybridsteuergerät, Bild 3.
3 Neue Systeme für DI-Dieselmotoren: Common-Rail- und Unit-Injector-Systeme
3 Neue Systeme für DI-Dieselmotoren: Common-Rail- und Unit-Injector-Systeme
Die Einführung des Audi 100 TDI im Jahr 1989 wirkte wie ein Kristallisationspunkt für die Entwicklung neuer Einspritzssysteme, die ein hohes Druckniveau sowie die Formung des Einspritzverlaufs ermöglichen, Bild 4. Neben der bereits erwähnten Radialkolbenpumpe VP44 gilt dies vor allem für das 1997 von Bosch erstmals eingeführte Common-Rail-System sowie das Unit-Injector-System (UIS), das im Personenwagen 1998 bei VW Premiere feierte. Für Nutzfahrzeuge liefert Bosch das UIS seit 1994 und das Unit-Pump-System (UPS) seit 1995.
Bild 4: Moderne Diesel-Hochdruckeinspritzsysteme von Bosch Figure 4: Modern Diesel high-pressure injection systems by Bosch
3.1 Das Common-Rail-System
3.1 Das Common-Rail-System
Beim Common-Rail-System wird der Einspritzdruck von einer separaten Hochdruckpumpe erzeugt. Der Druck ist von den Einspritzungen entkoppelt und kann unabhängig von der Motordrehzahl und der Einspritzmenge eingestellt werden. An die Stelle der druckgesteuerten Einspritzventile treten hier elektrisch betätigte Injektoren. Über deren Ansteuerzeitpunkt und -dauer werden Einspritzbeginn und -menge geregelt. Der Vorteil dieses Systems ist die große Freiheit hinsichtlich Anzahl und Zeitpunkt der Einspritzungen – derzeit sind bis zu fünf Teileinspritzungen möglich. Beim Common-Rail-System ist der Einspritzdruck in weiten Bereichen des Kennfelds frei wählbar. Die Einspritzdrücke gehen von etwa 250 bar im Leerlauf bis über 1600 bar Maximaldruck beim aktuellen System der zweiten Generation. Das System ist mit einer gemeinsamen Speicherleiste (Common Rail) sowie je einem Injektor pro Brennraum modular aufgebaut, Bild 5, und somit für Motoren mit allen denkbaren Zylinderzahlen verwendbar. Die Adaption des Systems ist einfach, die Antriebsmomentspitzen sind relativ gering. 3.2 Unit-Injector-System (UIS) und Unit-Pump-System (UPS)
Beim Unit-Injector-System (UIS), Bild 6, das bei VW zum Einsatz kommt und dort unter der Bezeichnung Pumpe-Düse-System läuft, bilden Einspritzpumpe und Einspritz-
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Bild 5: Die Speichereinspritzung Common Rail kam 1997 auf den Markt Figure 5: The Common Rail Injection System was launched in 1997
ventil eine Einheit. Pro Motorzylinder befindet sich je eine dieser Einheiten im Zylinderkopf und wird dort direkt über einen Stößel oder indirekt über einen Kipphebel von der Nockenwelle angetrieben. Das UPS-System – Unit Pump System oder
Pumpe-Leitung-Düse – arbeitet grundsätzlich nach dem gleichen Prinzip. Hier ist jedoch eine kurze Hochdruckleitung zwischen Pumpe und Düse angebracht, was mehr konstruktiven Freiraum bei der Brennraumgestaltung und der Anordnung
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3.2 Unit-Injector-System (UIS) und Unit-Pump-System (UPS)
Bild 6: Das Unit-Injector-System wurde 1998 bei VW im Pkw eingeführt. Mit 2050 bar baut es derzeit den höchsten Einspritzdruck auf Figure 6: VW was the first manufacturer to install the Unit Injector System in their passenger cars in 1998. This system currently delivers the highest injection pressure, 2050 bar
der Nockenwelle schafft. UIS und UPS werden in vielen Nkw-Motoren eingesetzt. Der erforderliche Einspritzdruck wird jeweils zum Zeitpunkt der Einspritzung erzeugt. Der erreichbare Druck ist also von der Drehzahl des Motors abhängig. Mit
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über 2000 bar stellt das sehr kompakte System, dessen Hochdruckbereich besonders klein ist, die Spitze des derzeit Machbaren dar. Auch das Unit-Injector-System ist modular aufgebaut und damit für alle Zylinderzahlen einsetzbar.
4 Ausblick
Moderne Dieselmotoren mit Direkteinspritzung und Turboaufladung haben – nicht zuletzt dank der Hochdruck-Einspritzsysteme von Bosch – einen Standard erreicht, von dem die Pioniere vor 75 Jahren wohl nicht einmal zu träumen wagten. Dennoch stellt der aktuelle Stand nur eine Momentaufnahme dar: Die Entwicklung wird auch in den nächsten Jahren mit hoher Dynamik zu noch drehmomentstärkeren, emissionsärmeren, verbrauchsgünstigeren und noch komfortableren Dieselmotoren führen. Mitte 2003 wird Bosch die Piezo-Aktorik einführen und dadurch die Präzision der Kraftstoffzumessung noch weiter steigern. Der Piezo-Aktor ist dabei in den Injektor-Körper integriert (Inline-Injektor). Vorteile sind wenig Reibung im Innern des Injektors, steife Düsenmodel-Ansteuerung und extrem schnelle Reaktionszeiten. Mit den Piezo-Injektoren werden bis zu fünf Teileinspritzungen mit einem Volumen bis etwa 1 mm3 pro Hub möglich. Auch das Druckniveau beim Common-Rail-System wird noch weiter steigen – in etwa zwei bis drei Jahren auf bis zu 1800 bar. Der Trend geht weiterhin zu Düsen mit noch feineren Löchern und weiter optimierten Geometrien. Diese stellen hohe Anforderungen an die Fertigung, doch der Aufwand lohnt, denn optimierte, auf die Brennraumgeometrie abgestimmte Düsenformen sind ebenso wichtig wie der oft diskutierte höhere Einspritzdruck. Darum arbeitet Bosch auch intensiv an der Vario-Düse. Damit lässt sich die Kraftstoffzerstäubung sowohl zeitlich als auch räumlich variabel gestalten, was sich positiv auf Abgas- und Geräuschemissionen auswirkt. Auch die homogene Verbrennung eröffnet neue Potenziale. Die genannten Beispiele zeigen, dass die Entwicklung beim Dieselmotor noch längst nicht abgeschlossen ist. Als Pionier der Dieseleinspritztechnik wird Bosch auch in der Zukunft diese Entwicklung aktiv mitgestalten. ■
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