Abstracts Rechtsmedizin 2008 · 156:293–342 DOI 10.1007/s00194-008-0555-2 © Springer Medizin Verlag 2008
87. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin 24.–27.09.2008 in Dresden
V001 Hauptvortrag Rechtsmedizinische Begutachtung Rechtsmedizinische Begutachtung – Innovationstransfer von der Forschung zur praktischen Anwendung B Madea1 1Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Hauptaufgabengebiet der Rechtsmedizin in der Routine ist die Begutachtung medizinisch-naturwissenschaftlicher Sachverhalte an verschiede nen Schnittstellen zwischen Medizin und Recht als objektive Tatsachen grundlage zur Lösung von Rechtsfragen. Die Interaktion zwischen Mediziner und Jurist lässt sich dabei in die Ebenen Befunderhebung, Befundinterpretation und rechtliche Würdigung differenzieren. Die Ebene der Befunderhebung ist eine Domäne des Sachverständigen, auf der Ebene der Befundinterpretation findet ein Diskurs zwischen Sachverständigem und Verfahrensparteien statt, die Ebene der rechtlichen Würdigung fällt ausschließlich in die Kompetenz des Juristen. Während bereits die Ebene der Befunderhebung weitgehend von rechtlichen Normen durchwirkt sein kann, können andererseits medizinische Befunde die rechtliche Würdigung determinieren. Rechtsmedizinische Forschung dient im Wesentlichen der Verbesserung der Aussagesicherheit medizinisch-naturwissenschaftlicher Befunde, der Erhöhung des Beweiswertes sowie einer Verbesserung der Rekonstruktion, findet also auf der Ebene der Befunderhebung statt. Rechtsmedizinische Forschung wird sich immer dann als innovativ erweisen, wenn die juristischen Prärogativen, mithin die dienen de Funktion innerhalb des Sachverständigenbeweises beachtet werden. Innerhalb der institutionalisierten Rechtsmedizin in Deutschland gab es nie so viele wissenschaftliche Mitarbeiter wie derzeit, auch die Publikationsmenge hat sich erheblich gesteigert, wobei freilich mancherorts ein kompletter Forschungsquietismus zu verzeichnen ist. Aber erreichen die Forschungsergebnisse wirklich den Adressaten – Verbesserung der Aussagesicherheit? Findet wirklich ein Innovationstransfer statt? Die Beantwortung dieser Frage setzt Erhebungen auf folgenden Ebenen voraus: – Durch Forschung erzielte Innovation mit gesichertem (Mehr-)Nutzen – Funktioniert der Transfer aus der Grundlagenforschung in die Anwendung (im Bereich der klinischen Forschung wird dieser Schritt als translationale Forschung bezeichnet, der Schritt von der Grundlagenzur klinischen Forschung). In der klinischen Forschung schließt sich ein dritter Schritt an: Die Versorgungsforschung, die auf den Transfer aus klinischen Studien in die klinische Praxis fokussiert. Im Bereich der Rechtsmedizin hat sich bislang kein analog zur Klinik differenziertes Evaluationsrepertoire, das die verschiedenen Schritte von der Innovation bis zur Anwendung differenziert analysiert, etablieren kön-
nen. Hierzu tragen sowohl professionelle, organisatorisch bedingte, als auch systembedingte Faktoren bei, die im Einzelnen benannt werden. Gelungene Innovationstransfers finden sich zu verschiedenen Anwendungsgebieten: individualisierende Diagnostik, toxikologische Analytik, Todeszeitbestimmung, molekulare Pathologie. Erstaunlich ist dabei, dass maßgebliche Innovationstransfers sich in Deutschland auf wenige Institute und Persönlichkeiten beschränken. Immer wieder zu Tage tretende Fehler in der Begutachtung sind einer Missachtung etablierter diagnostischer Standards zuzuordnen. V002 Leitlinien zur Untersuchung von Todesfällen im Säuglings- und Kleinkindalter – eine europäische Perspektive T Bajanowski1, M Vennemann2 1Universitätsklinikum, Rechtsmedizin, Essen, Germany 2Universitätsklinikum, Rechtsmedizin, Münster, Germany Die Untersuchung plötzlicher und unerwarteter Todesfälle von Säuglingen und Kleinkindern erfordert häufig besondere Strategien wie auch spezielle Kenntnisse verschiedener Fachdisziplinen. Obwohl dies international anerkannt ist, gibt es in den europäischen Ländern kein standardisiertes Untersuchungsprotokoll, keine allgemeinen Leitlinien, wie eine Analyse der Situation in verschiedenen Ländern zeigt. Die Auffindesituation wird durch Polizeibeamte analysiert. Obduktionen führen Rechtsmediziner durch, die häufig keinerlei Erfahrungen in der Kinderpathologie haben. Die Obduktionsfrequenz variiert erheblich (zwischen 50% z.B. in Deutschland und 100% in Schweden, Österreich und in Tschechien). Für einige Länder, z.B. die Türkei ist sie nicht bekannt. Eine interdisziplinäre Fallkonferenz findet bestenfalls im Rahmen wissenschaftlicher Studien statt (Norwegen, Deutschland). Lediglich in Österreich und den Niederlanden stellt sie eine Routine in SUDI-Fällen dar. In Frankreich erfolgt sie als Bestandteil einer klinischen Obduktion. In den meisten Ländern werden die Eltern über die Obduktionsergebnisse informiert, manchmal durch Polizeibeamte, manchmal durch den Obduzenten, häufig über andere Ärzte als Mittler. Präventionsempfehlungen ergeben sich auf der Basis wissenschaftlicher Studien. Die Empfehlungen erreichen aber auch in Westeuropa nicht alle Bevölkerungsschichten. Als beispielhaft dagegen darf das in UK neu etablierte System bewertet werden, welches auf der Basis gesetzlicher Regelungen und Leitlinien eine qualifizierte interdisziplinäre Untersuchung jedes Todesfalles ermöglichen soll und somit zu einer Senkung der Todesfälle beitragen kann.
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Abstracts V003 Beweiswert klinisch-rechtsmedizinischer Untersuchungsbefunde P Schmidt1, N Fend1, M Kettner1, A Schnabel1 1Goethe-Universität Frankfurt am Main, Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin, Frankfurt am Main, Germany Um den Beweiswert der klinisch-rechtsmedizinischen Begutachtung im Strafverfahren einzuschätzen, wurden die klinisch-rechtsmedizinischen Gutachten des Frankfurter Instituts und die entsprechenden staatsanwaltlichen Ermittlungsakten aus dem Zeitraum 2002 – 2005 retrospektiv analysiert. In diesem Zeitraum wurden 263 klinisch-rechtsmedizinische Verletzungsbegutachtungen durchgeführt, davon 171 im Auftrag der Staatsanwaltschaft. In 118 Fällen standen auch die Ermittlungsakten zur Verfügung. Diese Unterlagen wurden in Bezug auf Alter, Geschlecht, Delikt, festgestellte Verletzungsmuster, behauptete Geschehensabläufe, gutachterliche Fragestellungen, Verfahrensausgang und Stellenwert des Gutachtens für die juristische Argumentation ausgewertet. Die im Raum stehenden Delikte umfassten insbesondere Körperverletzung (n=59), Kindesmisshandlung (n=22) und sexuelle Nötigung (n=14). Unter den Körperverletzungsdelikten standen thematisch die Begutachtung von Messerstichverletzungen, Folgen häuslicher Gewalt und Vernachlässigung/Pflegefehler im Vordergrund. Bei den Körperverletzungsdelikten kam es in 27 Fällen zur Verurteilung, in 32 Fällen zur Verfahrenseinstellung. Die Ermittlungsverfahren bezüglich Kindesmisshandlung wurden in 18 Fällen eingestellt, die Verfahren bezüglich sexueller Nötigung in 11 Fällen. Die rechtlichen Begründungen und die Reflexion rechtsmedizinischer Untersuchungsbefunde und gutachterlicher Wertungen in der juristischen Argumentation werden modellhaft diskutiert. V004 Die Leichenschau vor Kremation – überflüssig oder wichtiges Instrument zur Aufdeckung nicht-natürlicher Todesfälle? T Germerott1, M Todt1, A Fieguth1, D Breitmeier1 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Rechtsmedizin, Hannover, Germany Seit Jahren wird immer wieder die Forderung nach speziell im Leichenschauwesen geschulten Ärzten laut. Derzeit erfolgen die Leichenschauen und die Ausstellung der Todesbescheinigungen durch im Allgemeinen approbierte Ärzte, während die Leichenschauen vor Kremation durch Amtsärzte, Pathologen oder Rechtsmediziner erfolgen muss. In den Jahren 2003 bis 2007 wurden insgesamt 124 Leichen im Rahmen der Leichenschau vor Kremation angehalten und im Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover obduziert. Die entsprechenden Obduktionsprotokolle und Todesbescheinigungen wurden hinsichtlich der Ursächlichkeit der Empfehlung, die Leiche nicht zur Kremation freizugeben, der Befunde auf der Todesbescheinigung und der Obduktionsergebnisse ausgewertet. Des Weiteren erfolgte eine Aufstellung der Fachrichtungen der Erstleichenschau-haltenden Ärzte bzw. an welchem Ort die Leichenschau durchgeführt wurde. Um weiterhin zu überprüfen, ob sich die Qualität der ersten Leichenschau in den letzten Jahren verändert hat, wurden zum Vergleich die Akten der Leichen, die im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 vor Kremation angehalten wurden, ebenfalls unter der oben genannten Fragestellung ausgewertet. V005 „Hineinlaufen in ein Messer“ – Schutzbehauptung oder tragischer Unfall? N Wilke1, K Püschel1 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Sachverhalt: Nach Angaben der Mutter sei ihr 14jähriger Sohn F., nachdem sie ihn bereits mehrfach zum Essen gerufen habe, zu ihr in die Küche gerannt. Sie sei dabei gewesen, die Geschirrspülmaschine auszuräumen. Als sie gerade ein Küchenmesser auf der gegenüber liegenden
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Küchenseite ablegen wollte, sei F. in der Küche eingetroffen. Sie sei dabei mit ihrem Sohn zusammengestoßen, so dass dieser in das Messer hineingelaufen sei. F. wurde zunächst unter Reanimation in Krankenhaus gebracht, wo er jedoch kurze Zeit später verstarb. Obduktionsbefunde: Die Sektion ergab eine Stichverletzung mit einem leicht ansteigenden Verlauf von vorne außen nach unten hinten mittig oben, die in ihrem Verlauf zu einer breiten Eröffnung des Herzens im Spitzenbereich geführt hat. Todesursache war ein inneres Verbluten als Folge dieses Herzstiches. Rekonstruktion: Das „Hineinlaufen in ein Messer“ ist im Rahmen forensischer Begutachtungen eine häufig verwendete Einlassung und erweist sich fast immer als Schutzbehauptung. Anhand einer Analyse dieses Falles soll mittels rekonstruktiver Überlegungen die Möglichkeit eines tragischen Unfalls diskutiert werden. V006 Stumpfe Gewalteinwirkung durch Teeballschläger – Versuche am physikalischen und Finite-Elemente-Modell M Kettner1, F Remek2, S Wiebel3, P Schmidt1, M Schrodt2 1Goethe-Universität Frankfurt am Main, Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin, Frankfurt am Main, Germany 2Gratz Simulation, Weinsberg 3Technische Universität Darmstadt, MPA Darmstadt, Darmstadt Teeball ist ein Sport, der der Vorbereitung auf das Baseballspiel dient. Die dabei verwendeten Schläger sind kürzer, haben geringeren Durchmesser und Gewicht als Baseballschläger und können verdeckt unter der Kleidung getragen werden. Im vorliegenden Fall wurde ein 19jähriger Mann wiederholt mit einem hölzernen Teeballschläger geschlagen, bis dieser zerbrach. Das überlebende Opfer erlitt dabei Hämatome und eine Quetsch-Riss-Wunde an der Stirn. Staatsanwaltschaftlich wurde ein Gutachten mit der Fragestellung beauftragt, ob die auf den Kopf einwirkenden Kräfte (die zum Bruch des Schlägers führten) potentiell lebensbedrohlich seien. In einem physikalischen Modellversuch wurden Schläge gegen eine mit Zellstoff und Schweinehaut bezogene Polyethylenendkappe geführt, die an einen piezoelektrischen Kraftmesser angeschlossen war. Brüche der Schläger traten bei Kräften von 12 bis 20kN auf. Zusätzlich wurde eine computergestützte Simulation durchgeführt, die auf der Finite-Elemente-Methode basiert. Zunächst wurde eine virtueller Schläger mit den Materialeigenschaften von Holz gegen einen zweilagigen hemisphärischen Körper (Knochen- und Weichgewebe) geschlagen. Die Ergebnisse zeigten Übereinstimmung mit den physikalischen Versuchen. Zur wirklichkeitsgetreuen Abbildung der Biomechanik des menschlichen Neurokraniums wurde ein CT-gestütztes dreidimensionales Modell entwickelt. Erste Ergebnisse werden vorgestellt und erläutert. V007 Todesfälle bei Piloten: „Der akute Myokardinfarkt – sind die bisherigen Flugtauglichkeitsuntersuchungen ausreichend?“ T Germerott1, A Fieguth1, K Albrecht2, J Eidam1, D Breitmeier1 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Rechtsmedizin, Hannover, Germany 2Medizinische Hochschule Hannover, Urologie, Hannover In den Medien finden sich immer wieder Berichte über Piloten, die während eines Fluges einen Herzinfarkt erleiden. In der gängigen Literatur finden sich hierzu vor allem Veröffentlichungen über „sudden incapacitation“ aus dem amerikanischen Raum. Aus dem Jahr 2007 sollen aus dem Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover zwei Fälle vorgestellt werden: Ein Hubschrauber- und ein Linienpilot erlitten beide einen KreislaufZusammenbruch, nachdem sie vorher über pectanginöse Beschwerden bzw. ein Druckgefühl im Ösophagus geklagt hatten. Laut polizeilicher Ermittlungen sei in den Tagen zuvor ärztlicherseits in einem Fall ein EKG geschrieben und in dem anderen Fall ein Belastungs-EKG durchgeführt worden.
Die Obduktion der beiden Piloten zeigte in beiden Fällen ein frisches Infarktgeschehen und eine massive lichtungseinengende und lichtungsverschließende Koronarsklerose. Während bei dem Linien-Piloten ein frisches Infarktgeschehen ohne makroskopisch sichtbare Herzmuskeluntergänge vorlag, fanden sich bei dem Hubschrauberpiloten bereits lehmgelbe Myokarduntergänge. Des Weiteren zeigten sich bei beiden Piloten ältere Herzmuskeluntergangsbezirke und eine ausgeprägte Arteriosklerose sowie eine leichte bzw. ausgeprägte Linksherzhypertrophie. Es bleibt daher zu diskutieren, inwiefern die Anforderungen an die Tauglichkeit des Luftfahrtpersonals gemäß JAR-FCL3 als ausreichend zu erachten sind. V008 Gabe von Vitamin-K-Antagonisten und rechtsmedizinische Begutachtung: Eine retrospektive Auswertung T Hollmann1, B Rießelmann1 1Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin, Berlin In der rechtsmedizinischen Routine müssen nicht selten Fälle mit Krankheitsbildern, die mit Störungen der Blutgerinnung einhergehen, begutachtet werden. In der Regel erschließen sich die Ursachen der Gerinnungsstörungen zwanglos durch makroskopisch sichtbare, krankheitsbedingte Befundkonstellationen bei der Obduktion, durch Hinweise in der Krankenvorgeschichte oder aus der Ermittlungsakte. Jedoch werden Blutungen bekanntermaßen auch als unerwünschte Wirkung einer Therapie mit Antikoagulantien gesehen. Treten Verletzungsbilder auf, die an Folgen fremdbedingter äußerer mechanischer Gewalteinwirkungen erinnern, kann die Interpretation naturgemäß schwierig sein. In mehreren Obduktions- und Begutachtungsfällen konnten wir die Einnahme nicht dokumentierter Phenprocoumon-Gaben als Ursachen verstärkter Blutungen erkennen. Daher haben wir mehr als 30 Fälle aus den letzten Jahren, die in unserem Institut bearbeitet wurden und bei denen Phenprocoumon chemisch-toxikologisch nachgewiesen wurde, näher hinsichtlich der morphologichen Korrelate einer gesteigerten Blutungsneigung untersucht. Die Ergebnisse der Auswertung werden detailliert vorgestellt und interpretiert. Fazit: Beim Verdacht einer erhöhten Blutungsneigung sollte stets eine Untersuchung auf Gerinnungshemmer vorgenommen werden. V009 Tödliche Kinderunfälle in Frankfurt am Main, 1994 – 2004 A Costea1, M Kettner2, SA Padosch3, P Schmidt2 1Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH, Zentrum für Frauenheilkunde & Geburtshilfe, Giessen 2Goethe-Universität Frankfurt am Main, Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin, Frankfurt am Main, Germany 3Klinikum der Universität zu Köln, Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Köln Um einen aktuellen Überblick über die Epidemiologie der tödlichen Kinderunfälle im Einzugsgebiet des Frankfurter Instituts für Forensische Medizin zu gewinnen, wurde das Sektionsgut der Jahre 1994 – 2004 retrospektiv analysiert. In diesem Zeitraum wurden 12000 Obduktionen durchgeführt, die in 396 Fällen Kinder bis zum 14. Lebensjahr betrafen, von denen wiederum 87 durch einen Unfall zu Tode gekommen waren. In die Auswertung einbezogen wurden u.a. Geschlecht, Alter, Unfallortund zeitpunkt, Unfallumstände/typ und Todesursachen, Überlebenszeit und Beaufsichtigungssituation. Das Untersuchungsgut umfasste 57 Jungen und 30 Mädchen. 39 Kinder gehörten zur Altersgruppe 0-4 Jahre. Unter den Unfalltypen dominierten Verkehrsunfälle (n=33), Ertrinkungsunfälle (n=24), Stürze (n=13) und Brände (n=9). Bei den Todesursachen waren Verletzungen durch stumpfe Gewalt (n=45), Ertrinken (n=22), CO-Intoxikation (n=8) und Ersticken (n=5) von führender Bedeutung. Die Befunde werden im Vergleich mit (inter)nationalen klinischen und autoptischen Studien diskutiert. Dabei werden insbesondere die Gesichtspunkte der Aufsichtssituation, der Vermeidbarkeit und der Prophylaxe berücksichtigt.
V010 Tod im Spital: Noro-Virus oder Alkaloid? K Gerlach1, T Briellmann1, F Dussy1, V Dittmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Basel, Switzerland Ein junger Mann wurde aus sozialer Indikation mit gastrointestinalen Problemen hospitalisiert. Nach dem Besuch von drei Personen am Krankenbett verschlechterte sich der Zustand des Mannes gravierend. Er begann zu krampfen und verstarb trotz intensivmedizinischer Maßnahmen unter dem Bild eines Herz-Kreislauf-Versagens. Bei der gerichtlichen Obduktion konnte keine morphologisch fassbare Todesursache festgestellt werden. Aufgrund der klinischen Symptomatik und des Krankheitsverlaufes wurden als Todesursache u.a. eine Noro-Virus-Infektion oder eine Alkaloidvergiftung diskutiert. In den toxikologischen Untersuchungen wurde im LC-MS-Screenig ein Alkaloid nachgewiesen, das im Ausland als Medikament u.a. zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt wird, in der Schweiz jedoch nicht als Medikament erhältlich ist. Die quantitative Bestimmung ergab einen Blutspiegel, der den Tod des Mannes ohne Weiteres erklären konnte. Der Fall wird kasuistisch dargestellt, wobei insbesondere auf die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit zwischen Ermittlungsbehörden, Klinikern und Rechtsmedizinern als auch auf die durchgeführte Analytik berichtet wird. V011 Gerichtsärztliche Analyse von Tötungsdelikten des Fallmaterials der Jahre 2003 – 2007 des Instituts für Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Universität Katowice K Rygol1, C Chowaniec1 1Schlesische Medizinische Universität, Institut für Gerichtsmedizin, Katowice, Poland Die Unterschiede zwischen der rechtlichen und gerichtsärztlichen Definition der Tötung können eine unterschiedliche Interpretation in der statistischen Beurteilung bewirken. Die gerichtsärztlichen Prämissen können manchmal mit den späteren (polizeilichen) Untersuchungsergebnissen nicht im Einklang stehen. Eine Analyse des Obduktionsmaterials der Jahre 2003–2007 wurde vor genommen und dabei wird auf die unterschiedliche Beurteilung der Tötungsdelikte durch die gerichtsmedizinische Untersuchung im Vergleich zu den Ergebnissen der abgeschlossenen polizeilichen Untersuchungen eingegangen. Die grö������������������������������������������������������������� β������������������������������������������������������������ te Gruppe des Materials bilden Schlag- und Hiebverletzungen als Folge von Schlägereien oder auch familiären Streitigkeiten. Bei fami liären Auseinandersetzungen waren häufig Männer Opfer von Messerangriffen durch Frauen im Affekt, die in ehelicher oder unehelicher Beziehung zu einem Alkoholiker standen. Die zweite Gruppe betrifft die Kindstötungen, deren Häufigkeit relativ stabil war. Eine besondere Erwähnung verdienen die relativ zahlreichen sexuell motivierten Tötungshandlungen und die Tötungen mittels Schusswaffen. Die untersuchten Fälle werfen weitere Fragen u. a. auf dem Gebiet der Kriminologie, Viktimologie, Epidemiologie und Soziologie auf. V012 Todesfälle im Zusammenhang mit Konsum psychoaktiver Substanzen im Bratislavaer und im Trnavaer Bezirk (Slowakei) in den Jahren 1997 – 2006 J Šidlo1, P Kvasnička2 1Comenius Universität, Lehrstuhl für Nuklearphysik und Biophysik, Fakultät für Mathematik, Physik und Informatik, Bratislava, Slovakia 2Comenius Universität und Amt für die Aufsicht über die Gesundheits fürsorge, Institut für Rechtsmedizin, Bratislava, Slovakia Einführung: Ziel unserer Arbeit war eine Analyse der Todesfälle im Bratislavaer und im Trnavaer Bezirk (ca 1,2 Mio. Einwohnern), die mit illegalen psychoaktiven Stoffen zusammenhängen. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts Methode: Analysiert wurden 10 487 Obduktionsprotokollen aus dem Bratislavaer Institut der Jahre 1997–2006 hinsichtlich der Anamnese, der festgestellten Konzentrationsverteilungen psychoaktiver Stoffe im Körper und der Todesursache. Ergebnisse: Dabei wurden 324 Todesfälle ermittelt, die im Zusammenhang mit dem Konsum illegaler psychoaktiver Stoffe stehen, von denen 172 direkte Todesfälle (Intoxikationen) und 152 indirekte Todesfälle (z.B. Polytrauma, Ersticken) zu unterscheiden waren. Im Bratislavaer Bezirk wurden 83% Todesfälle, im Trnavaer Bezirk 17% ermittelt. Der Anteil der Männer betrug 83% und der der Frauen 17%. Mehr als 35% der Fälle fanden sich in der Altersgruppe von 20-24 Jahren. Die am häufigsten festgestellten Stoffe in der Gruppe der direkten Todesfälle waren Heroin und dessen Metabolite sowie Opiate (78%). In der Gruppe der indirekten Todesfälle wurden Heroin einschließlich Metabolite und Opiate (42%), Cannabinoide (20%) und Stimulantien (20%) gefunden. Schlussfolgerung: Die Analyse hat ein deutliches Übergewicht der Opiate gegenüber den anderen Gruppen psychoaktiver Stoffe bestätigt. Die hohe Zahl der indirekten Todesfälle unterstreicht die Notwendigkeit der Ausweitung der Indikationsstellung für toxikologische Untersuchungen. V013 Scanningmikroskopie in der gerichtsmedizinischen Diagnostik der Mikrospuren K Maksymowicz1, K Marycz2, T Jurek3, R Drozd3 1Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin der Medizinakademie, Wrocław, Poland 2Elektronenmikroskopielabor der Landwirtschaftsakademie, Wrocław, Poland 3Anstalt für Medizinrecht beim Lehrstuhl für Gerichtsmedizin der Medizinakademie, Wrocław, Poland Die Scanningelektronenmiroskopie (SEM) als Kern der Elektronenmikroskopie ermöglicht eine genaue bildliche Darstellung von morphologi schen Prozessen auf Gewebsebene als auch der Zellebene bei relativ geringem Eingriff in die Struktur des untersuchten Materials. Dadurch kann das Untersuchungsmaterial in gering versehrtem Zustand bewahrt werden, so dass wiederholte Untersuchungen am gleichen Material möglich sind. Ein weiterer Vorteil der Scanningelektronenmikroskopie besteht darin, dass Materialien organischer als auch nichtorganischer Natur, und zugleich in diversen physikalischen Zuständen, untersucht werden können. Gleichzeitig können die bildliche Darstellung der Einwirkungen von äußeren Einflüssen auf die Materie und die Prozesse der mechanischen Zersetzung, sowie die Fluktuation der Ionenzersetzung in der organischen Materie beobachtet und dokumentiert werden, so dass die Scanningelektronenmikroskopie zum Rüstzeug der Forschungsinstrumente von Gerichtsmedizin und Kriminalistik gehört. In der vorliegenden Arbeit präsentieren die Autoren Grundlagen für eine technische Vorbehandlung des Untersuchungsmaterials verschiedenen Charakters und Ursprung, das der Untersuchung in der Scanningelektronenmikroskopie unterzogen wird. Beschrieben werden hier Forschungsmöglichkeiten sowohl auf Zellebene als auch auf Gewebsebene bei der Diagnostik von strukturell-morphologischen Veränderungen in der Gerichtsmedizin und Kriminalistik. V014 Hauptvortrag Thanatologie Aktuelle Aspekte der Todeszeitschätzung G Mall1, H Muggenthaler1, S Niederegger1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany Der Vortrag beleuchtet aktuelle Aspekte der Todeszeitschätzung und fokussiert dabei die temperaturgestützte Todeszeitbestimmung in der frühen postmortalen Phase und die Entomologie in der späteren postmortalen Phase.
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V015 Integration qualitativer Daten in die temperaturbasierte Todeszeitbestimmung nach Henßge durch Verwendung bedingter Wahrscheinlichkeitsverteilungen S Potente1, F Biermann2 1Universität Frankfurt/ M., Zentrum der Rechtsmedizin, Frankfurt am Main, Germany 2The Hebrew University of Jerusalem, Department of Economics , Jerusalem, Israel Für die Todeszeitbestimmung im frühen postmortalen Intervall sind temperaturbasierte Verfahren etabliert, welche zum Teil ein TodeszeitIntervall bestimmen (z.B. Nomogramm-Methode nach Henßge). In der Vergangenheit wurden bereits Methoden vorgeschlagen, wie die Genauigkeit der temperaturbasierten Todeszeitbestimmung durch ergänzende Berücksichtigung relevanter qualitativer, nicht primär temperaturabhängiger Sachverhalte, wie Livores, Rigor, chemische, mechanische oder elektrische Reizbarkeit, ergänzt werden kann (z.B. durch die “integrierte Methode” bzw. „compound method“). Dabei wurde jedoch bislang nicht gewürdigt, welches Potential die Verwendung bedingter Wahrscheinlichkeitsverteilungen bei der Konstruktion des Konfidenzintervalls bietet. Bei dem hier vorgestellten Verfahren führt das Vorliegen relevanter qualitativer Sachverhalte, welche auch aus zeitlichen Fakten wie der Auffindezeit bestehen können, zu einer Verengung des 95%-Konfidenzintervalls (Erhöhung der Präzision), welche der alleinigen Verwendung der Compound-Method überlegen ist. Das Verfahren und seine Relevanz werden anhand von Fallbeispielen mit Verwendung der NomogrammMethode und der Compound-Method dargestellt. V016 Zur Problematik der Schätzung der Wasserliegezeit E Doberentz1, B Madea1 1Universität Bonn, Rechtsmedizin, Bonn, Germany Zur Abschätzung der Mindest-Wasserliegezeit wird im Allgemeinen die Tabelle nach Reh aus dem Jahr 1969 herangezogen. Grundlage bilden die Wassertemperaturen des Rheins aus den Jahren 1961 und 1964. Es wird jedem Monat eine durchschnittliche Wassertemperatur zugeordnet und dementsprechende zeitliche terminierte Leichenerscheinungen zugewiesen. Zur Überprüfung der Validität der Reh`schen Tabelle wurden retrospektiv die Liegezeit von 73 Wasserleichen des eigenen Sektionsgutes ermittelt. Grundlage hierfür stellte die Tabelle nach Reh dar. In allen Fällen war die Zeit zwischen der Vermisstenmeldung und der Auffindung bekannt. Es wurde vorausgesetzt, dass diese Zeit der maximalen Wasserliegezeit entspricht. Ein Vergleich der Liegezeit nach Reh mit der bekannten maximal möglichen Wasserliegezeit wurde durchgeführt. In 12 Fällen übertraf die geschätzte Wasserliegezeit die Vermisstenzeit. Die größte zeitliche Differenz betrug hierbei 29 Tage – nach Reh betrug die Mindest-Liegezeit 53 Tage, wobei die maximal mögliche Liegezeit nur 24 Tage betrug. Problematisch ist, dass die aktuellen monatlichen Mittelwerte der Wassertemperaturen des Rheins im Vergleich mit den ermittelten Temperaturen von Reh erheblich variieren und deutlichen jährlichen Schwankungen unterliegen. Bislang liegen nur wenige Untersuchungen zur Zuverlässigkeit der Tabelle vor. Bei erheblicher Diskrepanz zwischen aktuell gemessener Wassertemperatur und durchschnittlicher monatlicher Temperatur nach Reh ist bei der Schätzung der Wasserliegezeit große Zurückhaltung geboten. Für die Zukunft bedarf es aufwendiger Untersuchungen um die Tabelle von Reh an die erhöhten Wassertemperaturen anzupassen. V017 Das Eiablageverhalten von Schmeißfliegen (Calliphoridae) als Anwendung für die Forensische Entomologie S Reibe1, B Madea2 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Entomologie, Bonn, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Bonn
Um die Methode der PMI-Bestimmung mittels insektenkundlichen Asser vaten auszuweiten, haben wir das Eiablageverhalten von Schmeißfliegen bei unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten zum Kadaver untersucht, um zu überprüfen wie rasch die ersten Eier abgelegt werden. Wir haben insgesamt 18 tote Ferkel (Sus scrofa) untersucht, davon 10 im freien Feld und 8 in einem Behältnis mit einer fensterähnlichen Öffnung, die Behältnisse waren entweder klein (20faches Volumen des Schweins) oder groß (54 bzw. 900faches Volumen). Untersucht wurde, wie viele Stunden nach Auslegen der Ferkel erstmalig Eier von Schmeißfliegen gelegt wurden, des weiteren wie viele Eipakete am ersten Tag der Eiablage und wie viele nach 24 Stunden Exposition der Ferkel gezählt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Dauer bis zur Eiablage auf Ferkeln im freien Feld vs. Ferkeln sowohl in einer kleinen als auch in einer großen Kiste keine signifi kanten Unterschiede bestehen (p = 0,99 und p = 0,08). Die Ergebnisse für frei liegend vs. kleine Kiste unterscheiden sich für keine der untersuchten Größen signifikant (p = 0,35 bzw. p = 0,61). Auf Ferkeln in einer großen Kiste zählen wir eine signifikant geringere Anzahl der Eipakete am ersten Eiablagetag (p = 0,02) als auf freiliegenden Ferkeln. Auch die Anzahl der Eipakete nach 24 Stunden Exposition ist in einer großen Kiste deutlich geringer als in der freiliegenden Vergleichsgruppe (p = 0,007). Wir folgern daraus, dass eine für Fliegen erschwerte Zugänglichkeit zur Leiche, wie es z.B. in einer Wohnung mit gekipptem Fenster der Fall ist, zu einer späteren und geringeren Eiablage führen kann.
Studien über die Entwicklung forensisch relevanter Fliegen werden bereits seit vielen Jahren mit dem Ziel einer genaueren Bestimmung der Liegezeit von Leichen durchgeführt (z.B. Reiter 1984). Nach Wilson und Barnett (1983) hängt die Entwicklung von Insekten von der Anzahl an Tagesgraden bzw. Stundengraden ab und ist für jede Art konstant. Jeder Fliegenart kann somit eine charakteristische Tagesgrad- bzw. Stundengradanzahl für die Entwicklung zugewiesen werden, wodurch mittels Berechnung der bereits „verbrauchten“ Tages- bzw. Stundengrade das Alter der Made berechnet wird. Beispielsweise würde dies bedeuten, dass eine Fliegenmade bei konstanten 15°C genau so schnell wächst wie eine Made unter variablen Temperaturbedingungen mit einer Durchschnittstemperatur von 15°C. Mittels einer Klimakammer wird die Tages- bzw. Stundengradtheorie erstmals praktisch validiert, indem individuelle Eigelege auf vier Versuchsanordnungen aufgeteilt und die Entwicklung der Maden untersucht und verglichen wird.
V018 Problematik bei der Liegezeitbestimmung anhand von Insekten im Winter: Vorläufige Studie zur Identifizierung der Überwinterungsphase bei Schmeißfliegen anhand des Konzentrationsverlaufes eines Metamorphosehormons W Wetzel1, S Reibe1, E Albermann2, F Mußhoff2, B Madea3 1Institut für Rechtsmedizin Bonn, Forensische Entomologie, Bonn, Germany 2Institut für Rechtsmedizin Bonn, Toxikologie, Bonn 3Institut für Rechtsmedizin Bonn, Bonn
Die Abschätzung der Todeszeit im frühen postmortalen Intervall erfolgt im Wesentlichen über die Leichenabkühlung. Der Abfall der Körperkern temperatur wird mit Hilfe mathematischer Modelle beschrieben. Etablierte mathematische Modelle beruhen dabei auf empirisch ermittelten Daten aus Leichenabkühlungsversuchen. Die mathematisch-empirische Modellierung ist daher zunächst valide nur auf reale Fälle mit ähnlicher Abkühlungssituation anwendbar. Anhand eines physikalischen Wärmeflussmodells der Leichenabkühlung auf der Basis der Finite-ElementeMethode lässt sich ein Einfluss der Auflagefläche und der Untergrundbeschaffenheit auf das Abkühlungsverhalten der Leiche zeigen. Dieser Einfluss wird in der vorliegenden Arbeit in Abhängigkeit von Dicke und Materialbeschaffenheit der Auflagefläche analysiert und experimentell verifiziert. Die Analyse liefert einen Beitrag zur Anpassung mathematisch-empirischer Modelle auf reale Abkühlungssituationen.
Die Bestimmung der Leichenliegezeit anhand von Insekten im Winter ist problematisch, da sich die Tiere stark temperaturabhängig entwickeln, und unterhalb bestimmter artspezifischer Schwellenwerte keine Weiterentwicklung mehr stattfindet. Durch maternale Faktoren induziert, treten die Larven der Schmeißfliegen unterhalb bestimmter Temperaturen in eine Überwinterungsphase, die Diapause ein, welche bei Calliphoriden im 3. Larvalstadium während der Abwanderungsphase und vor der Verpuppung stattfindet. Rein morphologisch besteht kein Unterschied zwischen Larven in Diapause und solchen, die sich nicht in Diapause befinden. Um eine korrekte Bestimmung des postmortalen Intervalls zu gewährleisten, muss bestimmt werden, ob und seit wann sich die Larven in Diapause befinden. Die Metamorphose der Schmeißfliegen wird durch Hormone aus der Familie der Steroide kontrolliert. 20-Hydroxyecdyson ist dabei das maßgebliche Hormon, welches die Larvalhäutungen und die Verpuppung reguliert. Es ist bekannt, dass während der Diapause der Ecdysteroidtiter sehr gering ist. In dieser Studie wird einen Methode vorgestellt, um den Konzentrationsverlauf von 20-Hydroxyecdyson, in sich normal entwickelnden Larven der Schmeißfliegenart Calliphora vicina im dritten Larvalstadium zu bestimmen. In weiterführenden Studien soll der Konzentrationsverlauf von 20-Hydroxyecdyson in Larven, die sich in Diapause befinden bestimmt werden, um möglicherweise anhand der Konzentration dieses Hormons Aussagen über den Diapausezustand der Larven zu treffen. An einem Fallbeispiel wird die Problematik der Leichenliegezeitbestimmung in den Wintermonaten diskutiert. V019 Entwicklung forensisch relevanter Dipteren unter variablen Temperaturbedingungen S Niederegger1, J Pastuschek1, R Beutel2, G Mall1 1Universität, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany 2Universität, Institut für spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie, Jena, Germany
V020 Der Einfluss von Auflagefläche und Untergrundbeschaffenheit auf die Leichenabkühlung H Muggenthaler1, I Sinicina2, M Hubig1, G Mall1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany 2Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Rechtsmedizin, München, Germany
V021 Die statistische Analyse forensisch-entomologischer Daten – eine kritische Betrachtung H Fremdt1, E Ieno2, A Zuur2, A Saveliev3, J Amendt1 1Zentrum der Rechtsmedizin, Forensische Biologie, Frankfurt, Germany 2Highland Statistics Ltd., Newburgh, United kingdom 3Kazan State University, Faculty of Geography and Ecology , Kazan, Saint helena Grundlage der Leichenliegezeiteingrenzung mittels nekrophager Insekten ist die Altersbestimmung der an einer Leiche und ihrer unmittelbaren Umgebung vorgefundenen juvenilen Entwicklungsstadien. In der Vergangenheit fanden die unterschiedlichsten Methoden Verwendung, die Parameter wie Madenlänge und –gewicht, Temperatur und morphologische Veränderungen berücksichtigten und mittels einfacher statistischer Verfahren wie z.B. linearer Regression auswerteten. Es muss jedoch hinterfragt werden, inwieweit die bislang angewandten Methoden tatsächlich statistisch valide Ergebnisse liefern. Der Vortrag liefert einen kurzen Überblick über die bislang gängigen Verfahren und fasst die in jüngster Zeit aufkommenden Fragen hinsichtlich deren Verlässlichkeit zusammen. In diesem Zusammenhang wird eine eigene Studie zum Wachstum der forensisch relevanten Schmeißfliege Calliphora vicina (Diptera: Calliphoridae) vorgestellt. Die Grundlagen der statistischen Datenauswertung werden dargestellt und die Anwendbarkeit linearer sowie nicht-linearer Modelle auf forensisch relevante Wachstumsstudien diskutiert.
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Abstracts V022 Todeszeiteingrenzung: Das diagnostische Kriterium des Wieder eintritts der Totenstarre S Anders1, M Kunz1, K Püschel1, A Gehl1 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Das Wiedereintreten der Totenstarre nach deren Lösen ist eines der wichtigen im Rahmen der Todeszeiteingrenzung diagnostisch genutzten Phänomene. In der aktuellen rechtsmedizinischen Literatur findet sich regelhaft die Angabe, dass bei einem Wiedereintreten der Totenstarre nach Lösen von einem postmortalen Intervall von maximal 8 Stunden ausgegangen werden kann. Angeregt durch einen Fall, in dem das Phänomen eine wesentliche Rolle spielte, führten wir eigene Untersuchungen durch. Hierzu wurde die Totenstarre bei im Krankenhaus verstorbenen Personen mit bekanntem definierten Todeszeitpunkt nach unterschiedlichen postmortalen Intervallen gelöst und deren Wiedereintreten überprüft. Einschlusskriterien für die Untersuchung waren ein definierter Todeszeitpunkt sowie ein Lebensalter des Verstorbenen von mehr als 16 Jahren. Als Ausschlusskriterien wurden u.a. eine Kühlung des Leichnams, das Vorhandensein einer Sepsis, eine länger andauernde Bettlägerigkeit sowie operative Eingriffe im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Todeseintritt definiert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im Einzellfall von einem Wiedereintritt der Totenstarre auch bei einem postmortalen Intervall von deutlich mehr als 8 Stunden ausgegangen werden darf. V023 Hauptvortrag Forensische Pathologie/Molekularpathologie Diagnostische Ansätze und Probleme bei funktionellen Todes ursachen: Mechanismen – Befunde – Methoden G Kernbach-Wighton1 1The University of Edinburgh, Forensic Medicine Section, Edinburgh, United kingdom Funktionelle Todesmechanismen können wegen fehlender/spärlicher Morphologie erhebliche Probleme bergen. Klinisch imponieren oft ein plötzlicher Tod, häufig symptomarm oder/und mit rapider Verschlechterung. Es können drei Subgruppen unterschieden werden: 1. Keine Äquivalente (zB. Arrhythmien, Long-QT-Syndrom, Commotio cordis, Epilepsie); 2. Alterationen möglich (ua. Asthma, Anaphylaxie, Hypothermie, Hyperexcitation); 3. Typische Befunde (z.B. Hyper-und Hypoglykämie, Hyperinsulinismus, Leber- und Nierenversagen, Wasser- und Elektrolythaushalt). Diagnostische Verfahren können vor allem in der dritten Gruppe einen wesentlichen Beitrag zur Todesursachendefinition leisten. Allerdings ist postmortal-biochemische Analytik durch diverse Umstände und Probleme erschwert. So besteht ua. keine strenge Analogie zwischen postmortalen und klinischen Messwerten. Daher sollten postmortale Bestimmungen stets an mehreren Körperflüssigkeiten durchgeführt werden, wobei die kombinierte Beurteilung mehrerer Messwerte die Präzision erheblich steigern kann. Die Berücksichtigung von Anamnese, Makro-und Mikromorphologie sowie toxikologischer Befunde ist unabdingbar. Dann können postmortal-biochemische Parameter bei adäquater Interpretation einen wesentlichen Beitrag zur Diagnose leisten. Diese kann unter Beachtung evtl. konkurrierender Mechanismen auch nur per exclusionem gestellt werden (Überlappungen möglich). Dieses Referat soll einen komprimierten Überblick über derzeit gängige postmortal-biochemische Verfahren einschließlich Vortests geben, unter besonderer Berücksichtigung von deren Wertigkeit und Einsatzmöglichkeiten in der täglichen Praxis.
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V024 Postmortale Diagnose von diabetischen Entgleisungen – Darstellung von 5 Fallberichten eines hyperglykämischen Komas L Hagemeier1, B Madea1 1Universität Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany In Deutschland waren nach Angaben der Deutschen Diabetes Union im Jahr 2006 etwa 8 Millionen Menschen an einem Diabetes Mellitus erkrankt, davon über 90% an einem Typ-2-Diabetes. Da ein Diabetes lange symptomlos verläuft, sind etwa 2,5% der Bevölkerung Diabetiker, ohne davon zu wissen. Das Coma Diabeticum stellt eine lebensbedrohliche Komplikation dar, an der etwa 2 von 100.000 Einwohnern versterben. Da sich ein diabetisches Koma bei 25% der Patienten als Erstmanifestation zeigt, wird die Relevanz einer sicheren postmortalen Nachweismethode deutlich. In einem Zeitraum von weniger als einem Jahr fanden sich in unserem Sektionsgut fünf Fälle, bei denen sich in der Analyse der Glaskörperflüssig keit mit dem kombinierten Rechenverfahren nach Sippel und Möttönen eine mögliche letale hyperglykämische Entgleisung zeigte. 1) 64-jähriger Diabetiker mit letalem Sturz aus dem zweiten Stockwerk und schwerem Schädel-Hirn Trauma, Alkohol: 0,04 ‰, 2) 34- jährige Frau ohne bekann ten Diabetes, leblos neben ihrem Computer aufgefunden, Adipositas, Depressionen, Alkohol: 0,00 ‰, 3) 65 jährige Frau ohne bekannten Diabetes, tot in der Sauna aufgefunden, am Mittag über Herzschmerzen geklagt, Alkohol: 1,64 ‰, 4) und 5) Geschwisterpaar, Mann 76 Jahre alt, kein bekannter Diabetes, Sturz im Hausflur, schwere bekannte Herzerkankung, Alkohol: 0,00‰; Frau 69 Jahre alt, bekannter Diabetes, blind und taub bei Z.n. Meningitis in der Kindheit, Alkohol: 0,00 ‰, Todesursache: Hämoperikard bei Myocardruptur. Auch bei scheinbar eindeutigen Todesursachen ist die Asservation von Glaskörperflüssigkeit für postmortale biochemische Untersuchungen unverzichtbar. V025 Gen Expression im humanen Locus Coeruleus bei Alkoholintoxikation M Weber1, V Kozhemyako2, R Lessig1, J Edelmann1 1Universität Leipzig, Institut f. Rechtsmedizin, Leipzig, Germany 2Far East Branch of the Russian Academy of Sciences, Laboratory of Marine Biochemistry, Vladivostok, Russian federation Ein Hauptziel bei der Erforschung von Alkohol- und Drogensucht ist die Identifizierung von molekularen Schlüsselmechanismen welche der Entwicklung der zwanghaften Drogeneinnahme zu Grunde liegen. Verschiedene Phänomene wie Toleranzentwicklung und peristierender Suchtdruck nach Entzug könnten durch nachhaltige strukturelle Änderungen in bestimmten Hirnregionen verursacht sein. DNA-Microarrays werden in der Genomanalyse und der differenziellen Genexpression eingesetzt. Als Ausgangspunkt dienen bei letzterem mRNA-Extrakte aus Individuen, welche unterschiedlichen Substanzen (z. B. Drogen, Gifte) oder anderen äußeren Einflüssen (z. B. Trauma) ausgesetzt waren. Mit dieser Technik können tausende Einzelnachweise von zu bestimmten Genen korrespondierenden mRNA-Mengen gleichzeitig durchgeführt werden. Die Ergebnisse erlauben die Detektion von Kandidatengenen, welche eine strukturelle Änderung repräsentieren. Wir haben in einem ersten Ansatz mRNA aus dem Locus coeruleus in zwei Fällen von Alkoholvergiftung und einem Kontrollfall isoliert und mittels cDNAMicroarray-Technik untersucht. Neun Gene waren in beiden Fällen im Vergleich zur Kontrolle um den Faktor 3 oder höher hochreguliert und 35 Gene um den Faktor 3 herunterreguliert. Unter diesen waren Gene, welche für Proteine aus unterschiedlichen funktionellen Gruppen kodieren, unter anderem Transkriptionsfaktoren, Ionenkanäle, Angiogeneseproteine, Metalloproteinasen, Rezeptoren und Motorproteine. Die Ergebnisse stellen eine Basis für die weitere Erforschung molekularer Mechanismen der Sucht dar. Die Ergebnisse könnten sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapie suchtassoziierter Erkrankungen von hohem Nutzen sein.
V026 Immunhistochemisches Expressionsmuster von VEGF und Psoriasin in menschlichen Hautwunden W Grellner1, S Kramer2, M Müller3, H-J Kaatsch2, R Gläser4 1Abteilung Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany 2Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany 3Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Unfallchirurgie, Kiel, Germany 4Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Dermatologie, Kiel, Germany Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) ist ein wichtiges Signalmolekül mit multiplen Funktionen in der Angiogenese. Das Kalziumbindende S100-Protein Psoriasin (S100 A7) zählt zu den erst jüngst charakterisierten antimikrobiellen Peptiden (AMP) der Haut. Beiden Parametern könnte eine Bedeutung bei der Vitalitäts- und Wundaltersschätzung von Hautverletzungen zukommen. Im Sinne eines Humanmodells wurden bei 33 Patienten im Rahmen operativer Eingriffe seriell Hautproben (n=165) mit einem Verletzungsalter von 5 Minuten bis zu 3 Stunden gewonnen. Die immunhistochemische Färbung erfolgte mit monoklonalen Antikörpern gegen VEGF und Psoriasin am Paraffinschnitt. VEGF zeigte nicht selten eine konstitutive Basalexpression in normaler Epidermis. Sofern diese fehlte, fand sich in Hautwunden ein epidermaler Expressionsanstieg ab einem Wundalter von ca. 15 bis 30 Minuten. Im Vordergrund stand die Ausbildung eines fibrillären Netzwerks im Korium (ab ca. 30 bis 60 Minuten, weitere Zunahme). Bei Psoriasin dominierte in Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation eine deutliche Ausgangsexpression in der oberen Epidermis. Als (vermehrt) positiv reagierende Strukturen in Hautwunden erwiesen sich neben dieser Schicht Haarfollikel und Talgdrüsen (ab ca. 30 Minuten, nur vereinzelt früher). Im Sinne eines vorläufigen Fazits erscheinen auf der Basis der bisherigen Untersuchungsergebnisse beide Parameter bei gezielten Fragestellungen geeignet, das Spektrum zur Wundaltersdiagnostik zu ergänzen. V027 Der Ertrinkungstod – eine systematische, retrospektive Untersuchung D Breitmeier1, M Schulz1, D Günther1, A Fieguth1, K Albrecht1 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany Der Ertrinkungstod ist sehr vielschichtig und gehört aufgrund seiner Komplexität und pathophysiologischer Fließübergänge eher zu den schwierigeren Fragestellungen in der Rechtsmedizin. Die Diagnose Ertrinken begründet sich auf der Anamnese, den bei der Obduktion erhobenen Befunden und ergänzender Laboruntersuchungen. Die Untersuchung stellt eine systematische Aufarbeitung der Ertrinkungsfälle im Sektionsgut des Instituts für Rechtsmedizin der MHH im Zeitraum von 1998-2007 dar. Es wurden die Obduktionsgutachten (n=10.152) nebst Erhebung epidemiologischer Daten (Alter, Geschlecht, Todesursache, Auffindungsort und -situation, Vorerkrankungen, Toxikologie, typische Ertrinkungszeichen, Inhalt des Luftleitungssystems, des Magens und des Dünndarms sowie Leichen- und Wasserliegezeit, etc.) ausgewertet. Fernerhin wurden die 128 Ertrinkungsfälle ohne Fäulnisveränderungen auf ihren Flüssigkeitsgehalt im Sinus sphenoidalis hin untersucht und einer Kontrollgruppe (n=221) gegenübergestellt. Insgesamt waren 128 Ertrinkungsfälle ohne und 25 mit Fäulnisveränderungen zu ermitteln. Bei 30 Wasserleichen ergab die Obduktion keine gesicherte Todesursache und in 2 Fällen wurden die Leichen nach ihrem Tod im Wasser beseitigt. Das Spektrum der Todesfälle im Wasser ist sehr vielfältig, sodass eine Einordnung häufig erschwert oder eine Zuordnung in eine bestimmte Fallgruppe erschwert sein kann. Systematische Untersuchungen können bei der Einteilung von großer rechtsmedizinischer Bedeutung sein.
V028 Elektrokardiographische Dokumentation eines Erstickungstodes A Fieguth1, M Westhoff-Bleck2, T Germerott1, D Breitmeier1 1Inst. f. Rechtsmedizin d. MHH, Rechtsmedizin, Hannover, Germany 2Medizinische Hochschule Hannover, Kardiologie, Hannover Wir berichten, nach unserer Kenntnis erstmals, über einen elektrokardiographisch dokumentierten Todesfall im Zusammenhang mit einer Erstickung durch Rückatmung. Unsere Literaturrecherche ergab lediglich entsprechende Befunddokumentationen von EKG-Veränderungen im Rahmen von Tierversuchen. Eine 81 Jahre alt gewordene Patientin befand sich zur Abklärung eines unklaren Schwindels in stationärer Behandlung. Am Morgen des 3. Tages wurde die Patientin tot in ihrem Bett, mit einer Plastiktüte über dem Kopf, aufgefunden. Über Nacht erfolgte die Ableitung eines LangzeitEKGs. Die Obduktion ergab keinen Hinweis auf Fremdeinwirkung, so dass von einem Suizid durch Rückatmung auszugehen ist. Die hypoxieinduzierten Veränderungen der Herz-Kreislauffunktion und die elektromechanischen Auswirkungen werden dargestellt. Zwischen den ersten durch die Hypoxie erklärbaren EKG-Veränderungen bis zur letzten Herzaktion vergingen insgesamt ca. 20 Minuten. V029 Exsikkoseparameter als Diagnosekriterien in Kindstodesfällen? R Arnold1, S Banaschak2, G Mall1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany 2Universitätsklinik Köln, Institut für Rechtsmedizin, Köln, Germany Kindliche Todesfälle erfahren in den letzten Jahren eine vermehrte Aufmerksamkeit, wenn sie im Kontext von Misshandlung und Vernachlässigung stehen. Zu dieser Fragestellung wurden alle Kindstodesfälle des Jahres 2007 bis Mai 2008 (Kinder im Alter bis 2 Jahre) in eine Untersuchung zur Validität der Exsikkoseparameter Natrium, Kalium, Chlorid, Harnstoff, Kreatinin, Glukose und Laktat einbezogen. Die Messung der Werte erfolgte sowohl im Liquor als auch in der Glaskörperflüssigkeit, wobei die Untersuchungen zwischen einem Tag bis zu mehreren Monaten nach der Obduktion – nach zwischenzeitlichem Einfrieren des Materials – vorgenommen wurden. Fällen mit makromorphologisch wegweisenden Befunden einer Exsikkose stellten wir als Kontrollen nach den Diagnosekriterien nachgewiesene SIDS-Fälle gegenüber. Während auch die Kontrollfälle regelmäßig deutlich erhöhte Kaliumwerte in beiden untersuchten Körperflüssigkeiten aufwiesen, ergaben sich bei autoptisch eindeutiger Exsikkose deutlich erhöhte Konzentrationen für Natrium, Chlorid und Harnstoff. Auffällig waren erhebliche intraindividuelle Abweichungen der Einzelwerte in den beiden Untersuchungsmedien. Die Wertigkeit des sog „dehydration pattern“ (Madea, Herrmann, 1993) wird fallbezogen diskutiert. V030 Ein weiteres Kriterium zur Diagnostik einer Unterkühlung V Wenzel1, L Wenzel2, R Lessig1 1Universität Leipzig, Rechtsmedizin, Leipzig, Germany 2Klinikum St. Georg gGmbH, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Leipzig, Germany Verschiedene Zeichen welche auf eine Unterkühlung hindeuten – hellrote Totenflecke, Wischnewski-Blutungen, Blutungen im M. iliopsoas – sind in der rechtsmedizinischen Literatur beschrieben. Anhand von retrospektiv ausgewerteten Sektionsberichten der letzten 10 Jahre wurden 62 Fälle herausgesucht, die an Unterkühlung verstorben sind. Darunter waren 30 Männer und 32 Frauen. Bei der weiteren Auswertung wurden ausschließlich die Männer betrachtet. 2 von ihnen haben bis zu 2 Tage überlebt. Die übrigen 28 Männer waren unmittelbar und eindeutig an Unterkühlung verstorben. Bei diesen 28 Männern lagen die Hoden nicht mehr im Hodensack, sondern im Leistenkanal oder in Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts dessen Eingangsbereich, was wir als vitales Zeichen deuten. Prospektiv wurde seit 2003 der Hodensack präpariert. Dieses Phänomen ließ sich bei allen Fällen durch Präparation nachweisen. Eine Einblutung in den M. cremaster zeigte sich dabei makroskopisch sowie mikroskopisch nicht. Das Merkmal des verlagerten Hodens war bei anderen Todesursachen nicht nachweisbar. Auch postmortal, zum Beispiel durch Lagerung „frischer Leichen“ in Kühlzellen, ließ es sich nicht hervorrufen. Die Untersuchungen sprechen dafür, dass es bei Männern im Rahmen einer tödlichen Unterkühlung zu einer Verlagerung der Hoden in den Leistenkanal kommt, was als ein weiteres Kriterium für die Diagnostik des Kältetodes herangezogen werden kann. V031 Akute spontane (nicht-traumatische) Subduralblutung als Ursache des plötzlichen Todes aus innerer Ursache J Matschke1, A Klein2, J Sperhake2 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Forensische Neuropathologie, Hamburg, Germany 2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg Eine im Rahmen einer Obduktion nachgewiesene todesursächliche Subduralblutung (SDB) wird im Allgemeinen mit einem erlittenen SchädelHirn-Trauma (SHT) in Verbindung gebracht. Weitere differentialdiagnosti sche zu diskutierende Ursachen sind Störungen der Blutgerinnung, lokale Gefäßmissbildungen sowie Medikamente und Drogen. Wir beschreiben den Fall einer 50 Jahre alt gewordenen Frau, die tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde und bei der die Sektion den Nachweis einer todesursächlichen SDB erbrachte. Hinweise auf ein SHT ließen sich weder morpho logisch noch anamnestisch bzw. durch polizeiliche Ermittlungen eruieren; umfangreiche pathologische Untersuchungen inklusive einer vollständigen forensisch-neuropathologischen Begutachtung erbrachten keine Hinweise auf eine zugrunde liegende Erkrankung. Die toxikologische Analyse ergab ebenfalls keine auffälligen Befunde. In Zusammenschau der Befunde muss von einer akuten spontanen SDB ausgegangen werden. Es handelt sich hierbei um eine äußert seltene Erkrankung, die im Allgemeinen auf eine spontane, d.h. nicht-traumatische Ruptur oberflächlich-kortikaler Gefäße zurückgeführt wird. Obgleich die Kenntnis der akuten spontanen SDB in der rechtsmedizinischen Praxis von großer Bedeutung ist – insbesondere bezüglich der Einordnung als natürlicher Tod aus innerer Ursache, fand die akute spontane SDB im rechtsmedizinischen Schrifttum bisher erst wenig Berücksichtigung. Auf dem Hintergrund des geschilderten Fallberichtes wird die Phänomenologie der akuten spontanen SDB dargestellt. V032 Untersuchung zur Pathogenese der Koronarsklerose HA Hildebrandt1, M Schubries2, M Goessl1, D Mannheim1, D Versari1, J Herrmann1, D Spendlove3, T Bajanowski2, NM Malyar4, R Erbel4, LO Lerman5, A Lerman1 1Department of Internal Medicine, Division of Cardiovascular Diseases, Mayo Clinic College of Medicine, Rochester, USA 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Essen 3Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Bern 4Klinik für Kardiologie, Westdeutsches Herzzentrum, Universität DuisburgEssen, Essen 5Department of Internal Medicine, Division of Nephrology and Hyper tension, Mayo Clinic College of Medicine, Rochester, USA Der plötzliche und unerwartete Tod aus kardialer Ursache ist häufig auf akute Herzrhythmusstörungen oder akute Durchblutungsstörungen des Myokards zurückzuführen. Im letzteren Fall sind gelegentlich auch jüngere Menschen mit isolierten Plaques oder einer isolierten Koronarsklerose betroffen. Vermutet wird, dass den Vasa vasorum bei der Plaqueentstehung eine besondere Bedeutung zukommt. Um der Frage nach möglichen Ursachen der Plaqueentstehung nachzugehen, wurden 15 Koronararterien präpariert und mittels Mikro-CT untersucht. Die Ergebnisse wurden mit 21 Arterienabschnitten anderer Herkunft verglichen (A. renalis, A. femoralis).
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Festgestellt wurde, dass die Verteilungsdichte der Vasa vasorum in den Koronararterien signifikant höher war, als in den Nieren- und Oberschenkelarterien. Die Ergebnisse dieser Studie legen den Schluss nahe, dass die Vasa vasorum als mögliche Eintrittskanäle für Entzündungszellen und andere proarteriosklerotische Faktoren von Bedeutung sind und somit einen Faktor für die Pathogenese gerade der Koronarsklerose darstellen könnten. V033 Thyreoiditis – Differentialdiagnose des plötzlichen Todes aus natürlicher innerer Ursache I Gehb1, H Schimmel2, R Urban3, G Mall1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany 2Johannes Gutenberg-Universität, Institut für Pathologie, Mainz, Germany 3Johannes Gutenberg-Universität, Institut für Rechtsmedizin, Mainz, Germany Der unerwartete Tod, insbesondere junger Menschen, stellt den Arzt im rechtsmedizinischen Alltag vor eine Fülle differentialdiagnostischer Überlegungen. Nach Ausschluss einer Intoxikation durch Alkohol, Drogen oder Medikamente sind feingewebliche Untersuchungen das Mittel der Wahl zur Diagnose krankhafter Organveränderungen. Häufig werden beim akuten Todeseintritt zunächst entzündliche oder chronische Veränderungen der Herzmuskulatur oder des Reizleitungssystems differentialdiagnostisch erwogen. Wir berichten über eine 17-jährige Frau, die im Beisein zweier Personen plötzlich kollabierte und trotz intensiver Reanimationsmaßnahmen verstarb sowie eine 38-jährige Frau, die in ihrem verwahrlosten Haus tot aufgefunden wurde. Durch die chemisch-toxikologischen Untersuchungen konnte in beiden Fällen eine Vergiftung ausgeschlossen werden. Feingeweblich waren Veränderungen der Schilddrüse im Sinne einer Thyreoiditis zu erkennen. Die Schwierigkeiten der postmortalen Untersuchung laborchemisch relevanter Schilddrüsenparameter und die Bedeutung des histologischen Befundes einer Thyreoiditis in Hinblick auf den Todeseintritt werden diskutiert. V034 Neue Risikofaktoren für den plötzlichen Säuglingstod M Vennemann1, T Bajanowski2 1Universität Münster, Institut für Rechtsmedizin, Münster, Germany 2Universität Essen-Duisburg, Institut für Rechtsmedizin, Essen, Germany Die Risikofaktoren für den Plötzlichen Säuglingstod haben sich in den letzten Jahren geändert. Methoden: Die Daten der deutschlandweiten Kindstodsstudie (GeSID) (1998-2001) wurden hinsichtlich Risikofaktoren in der Schlafumgebung der Säuglinge analysiert. Ergebnisse: 333 Kindstodesfälle und 998 Kontrollen wurden in die Studie aufgenommen. Wenige Kinder werden zum Schlafen auf den Bauch gelegt, aber diejenigen die auf dem Bauch schlafen, haben ein deutlich erhöh tes Risiko zu sterben (adj.OR=7.08, 95% KI=3.69-13.60). Diejenigen Kinder, die zum ersten Mal auf den Bauch gelegt wurden hatten ein besonders hohes Risiko (adjOR=37.73, 95% KI=5.37-265.27), ebenso die Säuglinge, die sich selbst auf den Bauch gedreht haben (adjOR=18.54, 95% KI=7.84-43.87). Das gemeinsame Schlafen des Säuglings im Bett der Eltern (bed sharing) erhöht das Risiko für den Plötzlichen Kindstod (adjOR=2.73, 95% KI=1.345.55). Bettdecken waren ebenfalls mit einem erhöhten Risiko assoziiert, ebenso das Schlafen in Bauchlage auf einem Schaffell (adjOR=27.92, 95% KI=6.45-120.91). Der regelmäßige Gebrauch eines Schnullers war mit einer signifikanten Risikoreduktion assoziiert (adjOR=0.40, 95% KI=0.24-0.68). Zusammenfassung: Diese Studie zeigt Risikofaktoren in einer Bevölkerung, in der nur noch wenige Säuglinge zum Schlafen auf den Bauch gelegt werden. Trotzdem ist die Bauchlage nach wie vor ein wichtiger Risikofaktor. Das Risiko erhöht sich wenn die Kinder nicht in der elterlichen Wohnung schlafen, zum ersten Mal auf den Bauch gelegt werden oder sich auf den Bauch drehen. Außerdem ist das Benutzen von Bettdecken mit einem erhöhten Risiko assoziiert.
V035 Suizidale Dekapitation mit einer Kettensäge CM Loddo1, K-H Schiwy-Bochat1, MA Rothschild1 1Uniklinik Köln, Institut für Rechtsmedizin, Köln, Germany Tötungen und Selbsttötungen durch Einwirkung mit einer Kettensäge stellen eine Rarität dar. Bei derartigen Suizidversuchen limitieren sich die Wundtiefe und damit die Verletzungsschwere häufig schon dadurch, dass bei Eintritt einer Bewusstlosigkeit der Druck auf den Schalthebel entfällt und die Säge zum Stillstand kommt. Vollständige suizidale Dekapitationen sind dementsprechend in der Literatur selten beschrieben. Im vorgestellten Fall eines erweiterten Suizids hatte der 24-jährige Täter, der mit seinem Vater in einem gemeinsamen Haushalt isoliert von anderen sozialen Kontakten lebte, den gemeinsamen Tod bereits über mehrere Monate hinweg geplant. Wenige Minuten vor der suizidalen Handlung töte der junge Mann seinen an den Beinen und Händen mit Kabelbindern fixierten Vater durch zahlreiche Messerstiche in den Hals. Für sich selbst hatte der Mann eine Kettensäge auf eine mit Metallfedern versehene Klappenkonstruktion montiert. Damit konnte die Säge scherenartig hochgeklappt und durch die Federn wieder Richtung Boden gezogen werden. Der Schalthebel war fixiert, die Säge über eine Zeitschaltuhr mit Strom versorgt. Wie die Auffindesituation und die Blutspurenanalyse schließen ließen, legte der Mann sich rücklings auf den Boden, den Hals in den Bereich der Kettensäge, ließ sich diese durch die Zugfedern gegen den Hals ziehen und wartete auf das Einschalten der Kettensäge durch die Zeitschaltuhr. Die derart aktivierte Kettensäge führte bei dem Mann schließlich zur vollständigen Dekapitation. Die chemisch-toxikologischen Untersuchungen ergaben keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann zum Zeitpunkt seines Todes unter der Wirkung zentralnervös wirksamer Substanzen gestanden hat. V036 Hauptvortrag Toxikologie Trends in der forensischen Toxikologie F Mußhoff1 1Universitätsklinikum Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Die Kasuistik nimmt zwar in der rechtsmedizinischen Fachliteratur einen großen Stellenwert ein, was auch für Mitteilungen aus der klinischen und forensischen Toxikologie gilt. Außerhalb und insbesondere auch bei leistungsorientierter Mittelvergabe sind Fallmitteilungen aber nur von geringer Bedeutung. Höhere Wertschätzung erfahren laborintensive Originalar beiten,wobeidieforensischeToxikologiemitihrennaturwissenschaftlichen Ansätzen Publikationen in höherwertigen Journalen ermöglicht. Aktuel le Betätigungsfelder auch mit Beteiligung deutscher Arbeitsgruppen sind Untersuchungsreihen zur Etablierung von Abstinenzkontrollen (z.B. Ethylglucuronid oder Fettsäureethylester als Alkoholmarker), die Erarbeitung moderner sensitiver Analysenverfahren (Erarbeitung von Screeningverfahren und Analysenverfahren zur Bestimmung seltener oder niedrig konzentrierter Analyten), Metabolismusstudien (z.B. Stimulantien) oder toxikogenetische Studien (z.B. Tramadol). Eine Anbindung an klinische Fächer mit fachübergreifenden Studien erleichtert den Zugang zu Drittmitteln. Die Existenz des Faches an einer Universität kann schwer nur über reine Dienstleistung begründet werden, Forschungsaktivitäten und die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs gehören ebenso zu den Aufgabenbereichen, wozu es in den einzelnen Institutionen natürlich der Rückendeckung der Verantwortlichen bedarf. Vorgestellt werden aktuelle Forschungsgebiete der forensischen Toxikologie aus dem deutschsprachigen und internationalen Raum.
V037 Multimethoden zur Bestimmung berauschender Mittel aus Serum und Urin mittels LC-MS/MS KM Kirschbaum1, J Bayer1, F Musshoff1, B Madea1 1Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bonn, Germany Gängige Analysenmethoden zur Bestimmung berauschender Mittel mittels Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS) sind i.d.R. häufig nur auf bestimmte Substanzklassen ausgerichtet, so dass für ein allgemeines Screening bzw. zur Bestätigung mehrfach positiver immunchemischer Befunde mehrere GC/MS-Läufe notwendig sind. Mit der universellen Hochleistungsflüssigkeitschromatographie in Verbindung mit der Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) wird die simultane Bestimmung relevanter berauschender Mittel in einem Lauf und nach einfacher Probenaufbereitung ermöglicht. Nach Proteinfällung bzw. Verdünnung von Serum/Urin erfolgt die LCMS/MS-Bestimmung (Q-Trap 4000 mit Allure PFP Propyl-Säule und Laufmittel bestehend aus Ammoniumformiat-Puffer und Acetonitril (pH 3,5)) von Cannabinoiden, Amphetaminen, Cocain(metaboliten), Opiaten, Benzodiazepinen und Methadon(metaboliten) sowie weiterer ausgewählter Analyten in einem Lauf. Die geforderten Bestimmungsgrenzen (Nachweis im Rahmen der Fragestellung Drogen im Straßenverkehr bzw. Anforderungen gem. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung) werden erreicht. Die Kenndaten der validierten Methode werden präsentiert. Eine schnelle Analyse in großen Sequenzen ist gewährleistet, die Notwendigkeit immunchemischer Vorteste ist zu diskutieren. V038 Multi-target-screening-Verfahren für Antidepressiva und Neuroleptika aus Vollblut mittel LC-ESI-MS/MS J Schürenkamp1, J Beike1, H Pfeiffer1, M Lehr2, H Köhler1 1Institut für Rechtsmedizin Münster, Toxikologie, Münster, Germany 2Universität, Pharmazeutische und medizinische Chemie, Münster Es wird ein multi-target-screening-Verfahren für die Identifizierung von allen zugelassenen Antidepressiva und Neuroleptika (n = 68) sowie relevanter Metaboliten vorgestellt. Für die Probenvorbereitung der komplexen Matrix Vollblut wird nach Zusatz von 10 deuterierten internen Standards, die den gesamten chromatographischen Bereich abdecken, eine Festphasenextraktion an einem Kationenaustauscher auf Polymerbasis durchgeführt. Dieses Säulenmaterial (z.B. Waters Oasis MCX®) erlaubt intensives Waschen der beladenen Säule und führt dadurch zu Extrakten, die bei der LC-MS/MS-Messung nur noch minimale Matrixeffekte bei guter Wiederfindung zeigen. Die LC-MS/MS-Detektion erfolgt nach Elektrosprayionisation im multi-reaction-modus unter Verwendung von zwei Massenübergängen pro Analyt. Für alle Analyten wurden die Wiederfindung, Matrixeffekt und Prozesseffizienz nach Matuszewski bestimmt. Es konnte für alle Analyten eine Nachweisgrenze von < 0,5 ng/0,5 g Vollblut erzielt werden. V039 Bestimmung des getränkecharakteristischen Aromastoffes Anethol in Serumproben nach dem Konsum anishaltiger Spirituosen mittels HS-SPME-GC-MS K Schulz1, K Schlenz2, R Metasch3, S Malt2, W Römhild4, J Dreßler1 1Institut für Rechtsmedizin, Toxikologie, Dresden, Germany 2Fachbereich Chemie Hochschule, Zittau/Görlitz 3Fachbereich Chemieingenieurwesen der Hochschule für Technik und Wirtschaft, Dresden 4Institut für Rechtsmedizin, Toxikologie, Magdeburg Die Begleitstoffanalytik beschränkt sich derzeit auf den qualitativen und quantitativen Nachweis von acht Substanzen, die alle weitestgehend uncharakteristisch für den Konsum eines bestimmten alkoholischen Getränkes sind. Hier wird Anethol als „neuer“ Begleitstoff vorgestellt, der als getränkecharakteristischer Inhaltsstoff anishaltigen Spirituosen (z. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts B. Ouzo, Raki, Pastis) nunmehr auch in Serumproben nach dem Konsum dieser Getränke nachgewiesen werden kann. Es wurde eine gaschromatographische Methode mit massenspektrometrischer Detektion nach vorangegangener Headspace-Festphasenmikroextraktion (HS-SPME-GC-MS) zur Bestimmung von Anethol in Serumproben entwickelt. Mittels dieser Methode konnte eine Nachweisgrenze von 3,6 ng/ml und eine Bestimmungsgrenze von 5,3 ng Anethol / ml Serum erzielt werden. Trinkversuche mit Freiwilligen wurden durchgeführt, die unter kontrollierten Bedingungen das alkoholische Getränk Ouzo konsumierten. Die Blutentnahmen erfolgten in zeitlich definierten Abständen. Aus diesen Blutproben konnten die Konzentrations-Zeitprofile von Anethol erstellt werden. Weiterhin wurden Blutproben von 50 Verkehrsteilnehmern, die den Konsum anetholhaltiger Getränke (Ouzo, Raki, Küstennebel) vor der Blutentnahme angaben, auf Anethol untersucht. Hier konnte in zehn Fällen Anethol in Konzentrationen zwischen 5,4 und 17,6 ng/ml Serum nachgewiesen werden. V040 Δ9-Tetrahydrocannabinolsäure A – ein neuer Marker für kurz zurückliegenden Cannabiskonsum? V Auwärter1, J Jung1, G Herzog1, W Weinmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany Δ��������������������������������������������������������������� 9-Tetrahydrocannabinolsäure A (�������������������������������� Δ������������������������������� 9-THCA A) ist die nicht psychoaktiv wirksame biosynthetische Vorläufersubstanz von THC und die Hauptkomponente im Cannabinoidanteil von frischem Pflanzenmaterial der Gattung cannabis sativa. Die Decarboxylierung von Δ������� �������� 9-THCA A zu THC bei Erhitzen verläuft entgegen früherer Annahmen auch beim Rauchen unvollständig, daher konnte ������������������������������� Δ������������������������������ 9-THCA A in Blut und Urin von Cannabiskonsumenten nachgewiesen werden. In der Beurteilung analytischer Cannabinoidbefunde zu forensischen Fragestellungen bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten, Markersubstanzen mit definierter Pharmakokinetik könnten hier zu einer deutlichen Verbesserung führen. In einem Selbstversuch wurden daher 50 mg Δ����������������� ������������������ 9-THCA A in 1 ml Sojaöl gelöst und oral eingenommen. In den folgenden Tagen wurden 13 Blutproben und 30 Urinproben gesammelt und auf �������������� Δ������������� 9-THCA A und Metabolite untersucht. Die maximal erreichte Serumkonzentration betrug nach 3 Stunden 2,5 µg/ml. In der Urinprobe, die 24 Stunden nach Applikation erhoben wurde, wurden im Vergleich zur frühen Eliminationsphase nur noch sehr kleine Signale für das Glucuronid der ��� Δ�� 9THCA A detektiert. Die unerwartet hohen Serumkonzentrationen und die Konzentrationsprofile von Δ���������������������������������� ����������������������������������� 9-THCA A und Metaboliten sprechen dafür, dass der bei THC stark ausgeprägte First-Pass-Effekt und die Umverteilung in fettreiche Gewebe für Δ���������������������������� ����������������������������� 9-THCA A deutlich schwächer ausgeprägt sind. �������������������������������������������������� Δ������������������������������������������������� 9-THCA A und Metabolite kommen daher als vielversprechende Cannabiskonsummarker in Betracht. V041 Studien zum Metabolismus von Δ9-Tetrahydrocannabinolsäure A (THCA) in Rattenurin mittels LC-MS/MS und GC-MS J Jung1, V Auwärter1, MR Meyer2, HH Maurer2, C Neusüß3, W Weinmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany 2Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie, Abteilung experimentelle und klinische Toxikologie, Homburg/Saar 3Fachhochschule Aalen, Fachrichtung Chemie, Aalen Einleitung: THCA ist die nicht-psychoaktive Vorläufersubstanz von ��� Δ�� 9Tetrahydrocannabinol (THC) in Cannabis sativa. Da beim Rauchen die Freisetzung von THC aus THCA unvollständig ist, kann THCA nach Cannabiskonsum nachgewiesen werden. Ziel dieser Studie war die Aufklärung des Metabolismus von THCA. Methoden: Wistar-Ratten erhielten eine THCA-Einzeldosis von 15 mg/kg Körpergewicht zu toxikologisch-diagnostischen Zwecken. Der Urin wurde direkt oder nach enzymatischer Konjugatspaltung durch Proteinfällung aufgearbeitet. Die Metabolite wurden mittels LC-MS/MS getrennt und identifiziert so-
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wie durch exakte Massenbestimmung mittels HPLC-QTOF zusätzlich bestätigt. Zum Nachweis von THC wurden die nach Festphasenextraktion und Derivatisierung mit MSTFA erhaltenen Extrakte mit GC-MS analysiert. Ergebnisse: Zehn THCA-Metabolite wurden detektiert und durch Interpretation der Massenspektren teilweise identifiziert. THCA wird zu 11-Hydroxy-�������������������������������������������� Δ������������������������������������������� 9-THCA-A monohydroxyliert und anschließend in 11-nor-9-carboxy-������������������������������������������ Δ����������������������������������������� 9-THCA-A umgewandelt. Die Muttersubstanz und beide Hauptmetabolite werden auch in glucuronidierter Form ausgeschieden. Zusätzlich wurden ein weiterer monohydroxylierter, zwei dihydroxylierte und zwei Metabolite mit einer Ketofunktion nachgewiesen. Weder THC noch dessen Metabolite wurden nachgewiesen. Schlussfolgerungen: Angesichts der Nachweisbarkeit von THCA und deren Metabolite nach Cannabiskonsum, könnten Kinetikstudien zu neuen Markern für einen kurzzeitig zurückliegenden Konsum führen. V042 Artefaktische Erhöhung der freien Δ9-THC-COOH im Serum: systematische Untersuchungen mit GC/MS und LC-MS/MS in zwei Laboratorien W Weinmann1, B Aebi2, C Steinert1, A Wohlfarth1, J Jung1, G Herzog1, V Auwärter1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany 2Institut für Rechtmedizin, Forensische Toxikologie, Bern Der quantitative Nachweis von Δ����������������������������������� ������������������������������������ 9 THC und dessen Metaboliten im Serum wird mit kinetischen Rechenmodellen zur Interpretation der Konsumgewohnheiten bzw. zur Einschätzung einer akuten Beeinträchtigung herangezogen. Die Glucuronidierung spielt für THC-Carbonsäure eine wesentliche Rolle bei der Verstoffwechselung und wurde bisher für die Rechenmodelle wenig beachtet. Arbeiten von Skopp zeigen, dass THCCOOH-Glucuronid instabil ist und sich während der Derivatisierungsreaktion für GC/MS teilweise zur Glucuronsäure und THC-COOH zersetzt. Unsere eigenen Untersuchungen zeigen, dass alkalische Bedingungen bei der Methylierung diese Hydrolyse erheblich begünstigen. Mit LC-MS/MS wurden in Bern und in Freiburg neue schonende Verfahren ohne Derivatisierung mit den bisherigen (akkreditierten) GC-MS Verfahren nach Silylierung und Methylierung verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass im Vergleich zu den GC/MS-Verfahren mit LC-MS/ MS meist niedrigere THC-COOH-Werte nachgewiesen wurden, sofern THC-COOH-Glucuronid im Serumextrakt vorhanden war, was unter anderem vom Extraktionsverfahren abhängt. Wir stellten unabhängig voneinander in zwei Laboratorien fest, dass bei unterschiedlicher Probenaufarbeitung aufgrund der Hydrolyse von THC-COOH-Glucuronid in Realproben mit nachweisbarem Glucuronidanteil während der Probenaufarbeitung für GC/MS mit einer artefaktischen Erhöhung von THC-COOH-Werten zu rechnen ist – mit Auswirkungen auf die Interpretation der Cannabinoid-Konzentrationen. V043 Abbaukinetiken und Nachweisfenster von Succinylcholin und Succinylmonocholin in Serum und Urin für forensische Anwendungen U Küpper1, F Musshoff1, B Madea1 1Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, Germany Die Erfahrungen mit Succinylcholin(SUX)-Intoxikationen haben gezeigt, dass ein Nachweis der Muttersubstanz SUX bzw. ihres Metaboliten Succinylmonocholin (SMC) zeitlich nur eingeschränkt möglich ist. Zur Bestimmung der Nachweisfenster der beiden Substanzen in einem forensischen Kontext wurde ein kinetisches Modell zum SUX- bzw. SMC-Abbau in relevanten biologischen Matrices erstellt. Patienten, die im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs das Muskelrelaxans SUX verabreicht bekamen, wurde nach einem festgelegten Zeitplan Blut- und Urinproben entnommen und nach kurzer Probenvorbereitung schockgefroren. Für eine vergleichende Auswertung wurden die
Proben von 2 Probanden nicht präpariert, die der restlichen 6 jedoch mit Paraoxon stabilisiert. Proben wurden nach einer zuvor publizierten, validierten Methode mittels Ionenaustausch-Festphasenextraktion aufgearbeitet und einer HPLC-MS/MS-Analytik zugeführt. Im Urin ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen stabilisierten und unstabilisierten Proben feststellen. In dieser Matrix war SUX nach 4 h nicht mehr nachweisbar, SMC war noch bis zu 6 h nach Narkoseeinleitung detektierbar. Für Serum zeigte sich eine klare Überlegenheit von paraoxon-stabilisierten gegenüber nicht stabilisierten Proben: In den nicht stabilisierten war SUX zu keinem Zeitpunkt messbar, in stabilisierten Proben war dieser Analyt jedoch über die ersten 5 Minuten nachweisbar. SMC konnte sowohl in stabilisierten als auch in nicht stabilisierten Serumproben bis zu 6 h nach Einleitung nachgewiesen werden. Die vorgestellte systematische Studie erlaubt die Definition von realistischen Nachweisfenstern für die forensische Fallarbeit. V044 GHB – Konsummuster und Straßenverkehrsrelevanz im Freiburger Raum S Dresen1, W Weinmann1, J Traber1, L Fischer1, V Auwärter1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany γ����������������������������������������������������������������������� -Hydroxybuttersäure (GHB) trat bereits in den 90er Jahren als Freizeitdroge in Erscheinung. Bekannt wurde GHB in erster Linie als Vergewaltigungsdroge durch die Verwendung als K.O.-Tropfen. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass GHB in Folge einer steigenden Zahl von Konsumenten auch im Straßenverkehr und der Notfallmedizin an Relevanz gewonnen hat. Seit 2006 werden in unserem Institut Serum- und Urinproben, die im Zusammenhang mit Straßenverkehrsdelikten oder klinischen Notfällen erhoben wurden, mittels LC-MS/MS auf GHB untersucht. In den wegen Verstößen gegen §§315c und 316 StGB untersuchten Proben konnten trotz einer Zeitspanne zwischen Tatzeitpunkt und Probennahme von meist 1-2 Stunden teilweise noch GHB-Konzentrationen über 200 µg/ml bestimmt werden. In vielen Fällen konnte zusätzlich Amphetamin nachgewiesen werden, aber auch Ecstasy, Cannabis, Cocain und Benzodiazepine traten vereinzelt auf. Aus Gesprächen mit einem in Therapie befindlichen GHB-Abhängigen ergaben sich Hinweise auf eine hohe Popularität der Kombination von GBL, das problemlos und günstig beschafft werden kann, mit LSD. In Serumproben von klinischen Notfällen wurden erwartungsgemäß im Mittel deutlich höhere GHB-Konzentrationen bis weit über 1000 µg/ml festgestellt. Trotz der steigenden Anzahl der Konsumenten und dem hohen Abhängigkeitspotential wird GHB/GBL häufig nicht in Betracht gezogen und dürfte in den Fallzahlen daher nach wie vor eher unterrepräsentiert sein. V045 GHB-Serumkonzentrationen in Korrelation zum psychophysischen Zustandsbild S Drobnik1, R Werner1, C Sauer1, G Mall1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany Gamma Hydroxybuttersäure wird zunehmend als k.o.-Mittel eingesetzt oder auch als Droge (Liquid Ecstasy) konsumiert. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit ist ein Nachweis im Blut bzw. Serum nur bis wenige Stunden nach Konsum möglich, im Urin hingegen etwas länger. In der Literatur finden sich nur spärliche Angaben zu Serumkonzentrationen. Die Mehrzahl der Arbeiten bezieht sich auf Urinbefunde. Für die vorliegende Arbeit wurden alle klinisch- und forensisch-toxikologischen Untersuchungen ab dem Jahr 2006 auf Fälle mit positivem GHB-Nachweis im Blut ausgewertet. Es konnten 6 Fälle, 4 klinisch-toxikologische im Auftrag der zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums und 2 forensisch-toxikologische Fälle im Rahmen einer Fahrtüchtigkeitsbegutachtung gefunden werden. Die GHB-Bestimmung erfolgte mittels GC-MS und erbrachte Serumkonzentrationen zwischen 50 und 500 mg/ l GHB. Auffällig waren im Vergleich der klinischen und forensischen
Fälle Diskrepanzen im psychophysischen Zustandsbild. Die Zustandsbilder im Vergleich zu den nachgewiesenen Serumkonzentrationen werden fallbezogen diskutiert. V046 Konservierungsstoffe zur Hemmung des bakteriellen Abbaus von Ethylglucuronid in Urinproben A Thierauf1, A Serr2, C Halter1, A Al-Ahmad3, W Weinmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Germany 2Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Freiburg 3Zahn-, Mund- und Kieferklinik, Abteilung für Zahnerhaltungskunde, Freiburg Fragestellung: Ethylglucuronid (EtG) ist ein spezifischer Alkoholkonsum marker. In jüngster Zeit wurde von mehreren Arbeitsgruppen ein bakterieller Abbau von EtG in Urin und Blut beobachtet. Mit dem Ziel, den Einfluss von Bakterienhemmstoffen auf die Stabilität der EtG-Konzentrationen zu untersuchen, wurden EtG- und E. coli-dotierte Proben mit verschieden Konservierungsstoffen versetzt. Methoden: Sterilfiltrierte Urinproben wurden mit EtG dotiert, und es wurden Glucuronidase-positive E. coli-Bakterien zugegeben. Als Bakterienhemmstoffe wurden Thymol, Chlorhexidin, Borsäure sowie ein käufliches Vacutainer-System mit Chlorhexidin und Benzylparaben ein gesetzt. Über einen Zeitraum von 9 Tagen wurden täglich die EtG-Kon zentrationen und die Bakterienzahlen bestimmt. EtG wurde mit LC-MS/ MS quantifiziert (Entnahme eines Aliquots, Zugabe von deuteriertem EtG, Proteinfällung mit Methanol, Eindampfen des Überstandes und Aufnahme des Rückstandes in Ameisensäure, LC-ESI-MS/MS, Chromatographie: Synergi polar RP 250mm x 2 mm x 3,5 µm). Zur Bestimmung der Bakterienzahl wurden die verschiedenen Proben auf Blutagar-Platten ausgestrichen. Ergebnisse: Die mit Thymol versetzten Proben zeigten bei zunehmender Bakterienzahl abnehmende EtG-Konzentrationen. Bei Zugabe der übrigen Konservierungsstoffe blieben die EtG-Konzentrationen konstant; eine Bakterienvermehrung fand nicht statt. Die Analytik wurde durch die Zugabe der Wachstumshemmstoffe nicht beeinträchtigt. Schlussfolgerung: Die Möglichkeit des bakteriellen Abbaus ist bei der Interpretation der EtG-Konzentrationen zu bedenken. Für forensische Zwecke wird die Zugabe von Konservierungsstoffen zu Urinproben empfohlen. V047 Qualitative und quantitative Lungengasanalytik zum Nachweis von Suiziden mittels Helium R Bux1, C Juhnke2, HH Klein2 1Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin, Frankfurt/ Main, Germany 2Fachhochschule Frankfurt, Labor für Vakuum- und Tieftemperaturtechnik, Frankfurt/Main Suizide durch Rückatmung mittels einer über den Kopf gezogenen Plastiktüte stellen eine seit Jahrzehnten verbreitete Suizidmethode dar. In den letzten Jahren wird diese Methode, nicht zuletzt auch auf Anraten von sog. Sterbehilfe-Organisationen, vermehrt mit Helium kombiniert, das in die Tüte eingeleitet, oder direkt über eine Maske eingeatmet wird. Obwohl es selbst keine unmittelbare toxikologische Wirkung besitzt, verdrängt es den in der Tüte befindlichen Sauerstoff und trägt so zur Beschleunigung des Sterbeprozesses bei. Da typische Befunde sowohl bezüglich der Morphologie, als auch der Routine-Toxikologie fehlen, sind solche Fälle bei der rechtsmedizinischen Untersuchung oft nur schwer zu erfassen, so dass allein auf die Untersuchungen des Auffindeorts abgestellt werden muss. Werden die Lungen unmittelbar bei der Obduktion in einen vakuumfesten Behälter überführt und der Behälter mit Argon gespült, erlaubt die anschließende Vakuumentgasung der Lungen mit darauf folgender massenspektrometrischer Lungengasanalyse hingegen einen qualitativen und quantitativen Heliumnachweis und leistet so einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung dieser Fälle. Um einen Versand Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts solcher Lungen zur Gasanalyse zu ermöglichen, wird ein geeigneter gasdichter Transportbehälter vorgestellt. V048 Eine fahlblaue Flammenfärbung TA Briellmann1, FE Dussy1, S Blum1, R Hausmann1, V Dittmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Basel, Switzerland Ein im Auto an einem Waldrand nicht ansprechbar aufgefundener Mann wurde mit Zeichen von Unterkühlung hospitalisiert. In der Klinik wurden eine Unterzuckerung, eine Hirnschädigung und eine Blutvergiftung festgestellt. In einem wenige Stunden nach der Auffindung asservierten Urin wurden im Routinescreening ausschließlich die verordneten oder in der Klinik verabreichten Arzneimittel-Wirkstoffe nachgewiesen. Acht Tage nach der Auffindung verstarb der Mann. Bei der gerichtlichen Autopsie wurde als Todesursache eine Aspirationspneumonie diagnostiziert. In einer später zur Untersuchung gegebenen Cola-Flasche mit weißen Antragungen, die im Auto des Verstorbenen sichergestellt worden war, wurden als überraschendes Ergebnis Hinweise auf Arsen gefunden. Die daraufhin in Auftrag gegebenen As-Bestimmungen lieferten für den zur Auffindung zeitnahen Urin eine ArsenKonzentration von 1350 µg/L und für die bei der Obduktion asservierten Blut und Nierengewebe Arsen-Konzentrationen von 106 µg/L bzw. 684 µg/kg. Forensisch-medizinisch ist demzufolge von einer (nichtletalen) Arsenintoxikation auszugehen, die zusammen mit der Unterzuckerung und der Unterkühlung zur Bewusstseinsstörung geführt hat und die als Mitursache für die tödliche Lungenentzündung zu werten ist. Ohne die Hinweise aus der fahlblauen Flammenfärbung bei der erweiterten Untersuchung der weißen Antragungen in der Colaflasche wäre die ArsenIntoxikation unbemerkt geblieben. Dieses Beispiel zeigt auf, dass seltene Giftstoffe, die nicht im Routineverfahren nachgewiesen werden können, wohl oft unentdeckt bleiben. Ohne die Untersuchung der Flasche wäre der Fall nicht gelöst worden. V049 Tödliche Vergiftung nach Aufnahme von Brucin J Teske1, J-P Weller1, HD Tröger1, A Fieguth1 1Inst. f. Rechtsmedizin d. MHH, Rechtsmedizin, Hannover, Germany Brucin (10,11-Dimethoxystrychnin) ist ein Alkaloid, welches zusammen mit Strychnin in Brechnussgewächsen (z.B. Strychnos nux-vomica) vorkommt. Die Substanzen sind Antagonisten am inhibitorischen Glycinrezeptor und können lebensbedrohliche Krämpfe bewirken. Verglichen mit dem stark giftigen Strychnin, mit einer letalen Dosis von etwa 1mg/ kg KM für Erwachsene, soll Brucin nur 1/50 der Toxizität aufweisen. Bei dokumentierten Brechnussvergiftungen wurden Brucingehalte gelegentlich als Nebenfunde ermittelt; Monointoxikationen durch Brucin hingegen sind außergewöhnlich selten. Beschrieben wir der Fall eines 60jährigen Mannes, der seine Ehefrau im Rahmen eines erweiterten Suizides gewaltsam tötete und sich anschließend durch Aufnahme von Brucin als Reinsubstanz suizidierte. Die Obduktion ließ zusammen mit der Auffindesituation eine Vergiftung als naheliegende erscheinen. Die Obduktionsbefunde waren im wesentlichen uncharakteristisch: Massives Lungenödem, mäßiggradig ausgebildete Hirndruckzeichen, deutliche Blutfülle der inneren Organe, ausschließlich flüssiges Leichenblut. Für die toxikologischen Untersuchungen wurde eine Methode zur quantitativen Bestimmung von Brucin mittels Tandemmassenspektrometrie (ESI-LC/MS/MS) etabliert und validiert. Brucin und Strychnin bilden unter Elektrospraybedingungen im positiven Modus [M+H]+ Pseudomo lekülionen, wobei jeweils zwei MRM-Übergänge an einem API 2000 (Applied Biosystems) detektiert wurden. Im beschriebenen Fall kamen Körperflüssigkeiten sowie Gewebsproben zur Untersuchung. Der Vergiftungsverdacht konnte dabei bestätigt werden, darüber hinaus wurden Daten zur Verteilung von Brucin im Körper ermittelt.
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V050 Todesursache: Missbrauch von Haarspray B Riesselmann1, S Roscher1, J Tenczer1, W Römhild2 1Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin, Forensische Toxikologie, Berlin, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Magdeburg Nach Expertenmeinung sollen im deutschsprachigen Raum bis zu 10 % der Jugendlichen Erfahrungen im Schnüffeln besitzen. Viele junge Menschen inhalieren zur Erzeugung eines Rausches leicht flüchtige Lösemittel oder Gase. Weit verbreitet ist dabei der Missbrauch z.B. von Lachgas oder von Propan bzw. Butan aus Feuerzeugbenzin, da die entsprechenden Produkte preiswert und leicht zugänglich sind. Das Inhalieren von Kosmetikartikel, z.B. Haarspray oder Deo-Spray, ist hingegen selten. Wir berichten über den Tod einer jungen Frau, die nach Inhalation von Haarspray verstorben ist. Bei den chemisch-toxikologischen Untersuchungen verschiedener Sektionsasservate konnte jeweils eine hohe Dimethylether-Konzentration nachgewiesen werden. Im Hirngewebe lag sie bei 394 mg/kg. Die besonderen analytischen Probleme bei der Bestimmung von Dimethylether werden vorgestellt und die einzelnen Ergebnisse eingehend diskutiert. V051 Hauptvortrag Toxikogenetik Nutzung genomweiter RNA Analysen für Tumordiagonstik und Klassifizierung toxischer Substanzen JG Hengstler1 1Leibniz Research Centre for Working Environment and Human Factors – IfADO, Dortmund, Germany Die Einführung genomweiter RNA Analysen zusammen mit der Verfügbarkeit geeigneter bioinformatischer Klassifizierungstechniken hat zu bemerkenswerten Fortschritten in der Tumordiagnostik als auch bei der Identifikation toxischer Substanzen geführt. So kann die Prognose von Mammakarzinomen anhand bestimmter Genkombinationen wesentlich sicherer vorhergesagt werden als dies mit den klassischen Prognosefaktoren oder durch die Bestimmung einzelner Faktoren möglich ist. Beispiele sind Listen von Proliferations-assoziierten oder Onkogenassoziierten Genen, aus denen über bestimmte Algorithmen Klassifikatoren oder Metagene errechnet werden können. Im Gegensatz zu diesen mit schlechter Prognose einhergehenden Metagenen zeigt ein kürzlich beschriebenes B-Zell Metagen eine verstärkte Infiltration des Tumors mit Immunzellen an und geht mit besserer Prognose einher. Im Bereich der Toxikologie sind kürzlich Klassifizierungsalgorithmen beschrieben worden, welche eine Differenzierung zwischen gentoxischen und nichtgentoxischen Karzinogenen ermöglichen. In der Forensik ist die RNAAnalytik wegen des bekannten Problems der raschen RNA-Degradierung nur von untergeordneter Bedeutung. Doch die Entwicklung neuer Techniken zur Amplifikation relativ degradierter RNA könnte dazu führen, dass diese künftig auch forensisch genutzt werden könnten. V052 Einflüsse auf die Pharmakokinetik – was müssen Sachverständige in foro bedenken? H Andresen1, T Stimpfl1, A Müller1 1Institut für Rechtsmedizin, Toxikologie, Hamburg, Germany Das Fahren unter dem Einfluss „anderer berauschender Mittel“ gewinnt im Untersuchungsgut forensischer Laboratorien immer mehr an Bedeutung. Abhängig von der Deliktart werden die Substanzen und ihre Konzentrationen unterschiedlich bewertet: Wird bei einer Ordnungswidrigkeit gem. §24a StVG der sichere analytische Nachweis einer Wirkung gleichgesetzt, so müssen im Falle einer Straftat nach §316 / §315c STGB die dokumentierten Fahrfehler und die festgestellten Ausfallserscheinungen
auf die Wirkung der nachgewiesenen Medikamente oder illegaler Drogen zurückgeführt werden können. Aufgrund mehrerer Aspekte (z.B. fehlender linearer Proportionalität zwischen Konzentration und Wirkung sowie Gewöhnungseffekten und damit fehlender Grenzwerte) spielen die Wirkstoffkonzentrationen hier – anders als beim Ethanol – nicht die primär ausschlaggebende Rolle. Allerdings haben Sachverständige in foro häufig zu beurteilen, ob der angegebene Konsumzeitpunkt mit der Konzentration bzw. dem Substanz-Metaboliten-Verhältnis vereinbar ist. Dies vor allem, um eine mögliche Vorsätzlichkeit oder eine missbräuchliche Medikamenteneinnahme beurteilen zu können. Hierzu ist die Kenntnis der Pharmakokinetik der jeweiligen Substanzen unabdinglich, wobei auch neuere Erkenntnisse über genetischen Polymorphismus oder Interaktionen mit Medikamenten oder Nahrungsmitteln hier eine bedeutende Rolle spielen können. Dieser Vortrag gibt eine Übersicht über relevante Interaktionen und genetische Varianten. Anhand von Beispielen aus der Praxis wird dargestellt, in welcher Art und Weise diese in die Beurteilung einfließen können. V053 Effekte von Alkohol auf die Pharmakokinetik von Methylphenidat bei kombinierter Aufnahme M Köhm1, G Kauert1, S Tönnes1 1Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Toxikologie, Frankfurt/ Main, Germany FRAGESTELLUNG Methylphenidat (MPH) wird bei juvenilem und persistierendem ADHS eingesetzt. Bei zusätzlichem Alkoholkonsum entsteht Ethylphenidat (EPH), analog zu Kokain/Kokaethylen. Bei forensischen Fällen stellt sich die Frage nach Nachweis und Auswirkungen. METHODEN Es wurden Leberinkubationen und ein Probandenversuch mit 8 Probanden durchgeführt, die dreimalig 20 mg MPH einnahmen, ohne und mit Alkohol (0,8 ‰ BAK) vorher oder nachher. Blutproben wurden mittels HPLC-TOF MS untersucht. ERGEBNISSE Nur mit Leber entstand EPH, das durch MPH und Ethanol gesättigt wurde. Die Metabolisierung zu Ritalinsäure (RA) war durch Ethanol hemmbar. Bei Inkubation mit Kokain (1 mg/l) oder NaF wurden weniger EPH und RA gebildet. Bei den Probanden fanden sich bei Kombination mit Ethanol EPH (0,3-3 µg/l), MPH lag bei 5-29 und RA bei 187-442 µg/l. Die MPH-Kinetik unterschied sich nicht zwischen den Studienbedingungen. Bei Ethanolgabe vor anstatt nach MPH waren Cmax und AUC von EPH erhöht, die RABildung war verzögert und im Vergleich zur alleinigen Einnahme von MPH lagen die Werte niedriger. SCHLUSSFOLGERUNGEN MPH wird zu RA und mit Ethanol zu EPH durch die auch Kokain abbauenden Enzyme metabolisiert. Vergleichbar Kokain und Kokaethylen verändert sich der MPH-Metabolismus in Gegenwart von Ethanol. Während sich MPH-Konzentrationen kaum änderten führte die MPH-Einnahme nach dem Alkoholkonsum zu höheren EPH-Werten. Die Pharmakodynamik ist noch ungeklärt. V054 Use Your Brains – Zur Bedeutung des Nachweises von Drogen direkt an ihrem Wirkort T Stimpfl1, A Müller1, H Andresen1 1Institut für Rechtsmedizin, Toxikologie, Hamburg, Germany Im Rahmen der rechtsmedizinischen Begutachtung von Todesfällen nach Drogenmissbrauch kann der Substanznachweis direkt am Wirkort – z.B. von Morphin in der Medulla oblongata – wichtige Hinweise zur sicheren Aufklärung der möglichen Todesursache liefern. In den 80er-Jahren sind zahlreiche Publikationen zu diesem Thema erschienen. Obwohl Entwicklungen auf dem Gebiet der Probenvorbereitung (inkl. Automatisierung) und nun verfügbare empfindlichere analytische Verfahren heute reproduzierbarere Ergebnisse ermöglichen, finden sich in der aktuellen Literatur nur wenige Hinweise zu dieser Thematik. Dies
ist einer der Gründe, weshalb vom Arbeitskreis für Extraktion der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh) zurzeit praxistaugliche Empfehlungen für eine Standardisierung der Probenvorbereitung im Rahmen von Gewebeuntersuchungen erarbeitet werden. In Kombination mit einer Vereinheitlichung der Probennahme wäre damit die Basis für eine routinemäßige Erhebung von Wirkstoffkonzentrationen in definierten Hirnarealen gegeben. Die erhaltenen Daten könnten zentral gesammelt und zur Aufklärung der möglichen Todesursache national und international nutzbar gemacht werden. In dieser Präsentation soll der aktuelle Stand dieser Entwicklungen dargestellt und entsprechende Zukunftsperspektiven (z.B. Referenzdatenbank) diskutiert werden. V055 Hauptvortrag Forensische Radiologie Imaging – wie baue ich eine moderne forensische Bildgebung auf? MJ Thali1 1Institut für Rechtsmedizin, Zentrum für Forensische Bildgebung und Virtopsy, Bern, Switzerland Seit über 100 Jahren ist die klassische Bildgebung (Röntgen) ein wesentliches Hilfsinstrument in der forensischen Begutachtung. Fotogrammmetrie, 3D Optisches / Laser-Scanning, Ultraschal-Sonographie, Computertomographie und Magnetresonanz Imaging sind als moderne bildgebende Methoden dazu gestoßen. Und wurden bereits in der Forensik evaluiert und validiert (www.virtopsy.com). Zunehmend werden diese modernen Technologien, die zuvor bei Verstorbenen eingesetzt wurden, nun bei Lebenden im Rahmen der klinischen Rechtsmedizin angewandt. Sie lernen den möglichen und empfohlenen Einsatz der modernen Technologie in der klinischen und postmortalen Forensik kennen. Die Dokumentation von Ereignisorten und Tatwerkzeugen mittels Real 3D Data based Documentation and Reconstruction wird ihnen vorgestellt. Wir leisten Hilfestellung bei folgenden Fragestellungen: • welche Technologien kommen zum Einsatz? – Klinische und postmortale forensische Untersuchung • welche Technologien sollen angeschafft werden? – Modernisierung • wie hoch ist mein Ertrag? – Investitions- und Unterhaltskosten • welche fachlichen Qualifikationen werden benötigt? – Forensic Imaging Team • wie gelingt die transdisziplinäre Zusammenarbeit? – Radiologen und Rechtsmediziner Durch Aufzeigen der Trial & Error Processes sowie Critical Incidences and Pitfalls des Virtopsy Projektes zeigen wir auf wie Sie eine Imaging Einheit an ihrem Forensischen Institut erfolgreich aufbauen. V056 Ist eine Unterscheidung von gelegentlich in Leichen vorhandenen Fremdkörper möglich durch Messung der Hounsfield-Dichten? S Bolliger1, L Oesterhelweg1, D Spendlove1, S Ross1, M Thali1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Zentrum für Forensische Bildgebung und Virtopsy, Bern, Switzerland Obwohl Röntgenaufnahmen und insbesondere die Computertomografie eine präzise präautoptische Lokalisierung von Fremdkörper in Leichen ermöglichen, ist die Bestimmung der Art der Fremdkörper anhand der Größe und Form wegen der gelegentlich ausgedehnten Deformation und Fragmentation dieser Objekte oft schwierig. In der Computertomografie wird der Grad der Abschwächung der Röntgenstrahlen (Röntgendichte) in Hounsfield Einheiten (HU) definiert. Da diese HU Materialkonstanten darstellen, haben wir diese Werte in gelegentlich in Leichen vorkommenden Fremdkörpern wie z.B. Metallen, Steinen und anthropogenen Materialien gemessen. Die Kenntnis der HU erlaubte eine Unterscheidung bzw. Bestimmung fast aller untersuchten Metalle, der meisten der Gesteinsproben und anthropogenen Materialien. Diese radiologische, präautoptische Untersuchung könnte sich somit als nützlich in der Unterscheidung von relevanten und weniger relevanten Fremdkörpern in Leichen erweisen und so die Autopsieplanung und Fremdkörpersicherstellung deutlich vereinfachen. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts V057 Natürliche Todesursachen in der postmortalen Ganzkörper CTAngiographie S Ross1, L Oesterhelweg1, D Spendlove1, SA Bolliger1, MJ Thali1 1Institut für Rechtsmedizin, Zentrum Forensische Bildgebung, Bern, Switzerland Trotz der großen Fortschritte in der postmortalen Schnittbildgebung ist die Diagnose von natürlichen Todesursachen nach wie vor eine Domäne der klassischen Autopsie. Die sichere radiologische Diagnose von Gefäßpathologien wie Aneurysmata, Embolien oder Dissektionen ist ohne den Einsatz von Kontrastmittel und der damit verbundenen Darstellung des Gefäßlumens nicht eindeutig möglich. Aus diesem Grunde wurde von unserer Arbeitsgruppe eine Methode der minimal invasiven Ganzkörper CT-Angiographie etabliert und an insgesamt 50 Fällen aus dem Fallgut des Institutes für Rechtsmedizin Bern angewendet. Der Gefäßzugang erfolgte femoral unilateral. Injektion des Kontrastmittels mittels einer modifizierten Herzlungenmaschine. Bildgebung nativ, arteriell und venös in 1.25mm Schichtdicke (Siemens Somatom 6). Zum Zwecke der histologische Diagnose wurden in allen Fällen CT-gesteuerte Stanzbiopsien aus Herz, Lungen, Lymphknoten und den parenchymatösen Oberbauchorganen entnommen. Die Asservation von Urin und peripherem Blut erfolgte vor der Untersuchung. Die CT-Angiographie erlaubte in Verbindung mit der Biopsie die Diagnose eines weiten Spektrums von natürlichen Todesursachen, wie z.B. Hirnblutungen, Koronarinfarkte, Lungenembolien, Malignome und atraumatische Gefäßdissektionen. Die minimal invasive Ganzkörper CT-Angiographie und die CT-gesteuerte Biopsie zeigen nicht nur in der Forensik sondern auch in der klinischen Pathologie ein sehr großes Potential als schnelles, exaktes und reproduzierbares Diagnosewerkzeug. V058 Möglichkeiten der Identifizierung von Gesichtern unter Einsatz eines 3-D Laserscanners D Bellmann1, S Antes1, J Haber2, J Wilske1 1Universität des Saarlandes, Rechtsmedizin, Homburg, Germany 2LKA Bayern, München Im Zeitalter einer zunehmenden bildtechnischen Überwachung exponierter Objekte und Orte kann eine steigende Nachfrage nach Bildvergleichen von Personen zum Zwecke der Identifizierung verzeichnet werden. Um die zu einem Vergleich zweier Gesichter nötigen, annähernd gleichen Kopfhaltungen im dreidimensionalen Raum zu erhalten, wird häufig die vermutete Person unter Angleichung der Kopfhaltung an das Ausgangsbild photographiert. Dabei ist es jedoch nicht möglich, Abweichungen in kleineren Gradbereichen zuverlässig zu vermeiden, da diese allein durch den Augenschein nicht erkannt werden können. Aus diesem Grund wurden die Erfassung des Gesichtes der vermuteten Person mit einem 3-D-Laserscanner und die Darstellung des Gesichtes als dreidimensionales Objekt angestrebt. Untersucht wurden 2- und 3-dimensionale Abbilder von insgesamt 21 Männern und 28 Frauen in der frontalen und in der rechten Halbseitenperspektive. Mit einer selbst entwickelten Software (LKA Bayern, Dr. J. Haber) sollten die 3-dimensionalen Abbilder hinsichtlich ihrer Perspektive und folglich damit deren Kopfhaltung den 2-dimensionalen Abbildungen soweit wie möglich angeglichen werden. Nach der Anpassung noch existierende Unterschiede wurden über Vermessung von Bildkoordinaten aufgezeigt. Zum Vergleich wurde die Angleichung der Kopfhaltung noch einmal per Hand durchgeführt und wiederum der dabei auftretende Fehler bestimmt. In allen Untersuchungsreihen schnitt dabei die Anpassung der Kopfhaltungen mit Hilfe der Software besser ab, wenngleich auch hierbei technische und methodische Schwierigkeiten auftraten.
V059 Polytrauma in der postmortalen Ganzkörper CT-Angiographie P Flach1, D Spendlove1, SA Bolliger1, L Oesterhelweg1, MJ Thali1, S Ross1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Zentrum für Forensische Bildgebung und Virtopsy, Bern, Switzerland Die Diagnose traumatischer Todesursachen wird durch die postmortale Computertomographie entscheidend vereinfacht. So ist zum Beispiel die Möglichkeit einer umfassenden, nicht invasiven Darstellung von Fraktursystemen und freier Luft einzigartig. Allerdings ist die Diagnose von Gefäßrupturen und parenchymatösen Organläsionen ohne die Kontrastierung des Gefäßbettes auf indirekte Zeichen angewiesen und stellt so nach wie vor einen „blinden Fleck“ der postmortalen Radiologie dar. Um eine direkte Darstellung des Gefäßlumens und der Gefäßwand zu erreichen, wurde von unserer Arbeitsgruppe eine Methode der minimal invasiven Ganzkörper CT-Angiographie etabliert und an insgesamt 50 Fällen aus dem Fallgut des Institutes für Rechtsmedizin Bern angewendet. Der Gefäßzugang erfolgte femoral unilateral. Injektion des Kontrastmittels mittels einer modifizierten Herzlungenmaschine. Bildgebung nativ, arteriell und venös in 1.25mm Schichtdicke (Siemens Somatom 6). Die Asservation von Urin und peripherem Blut erfolgte vor der Untersuchung. Die postmortale CT-Angiographie erlaubte eine detailierte Darstellung von traumatischen Gefäßrupturen und von parenchymatösen Läsionen. Sogar kleinste Mikrofrakturen der Wirbelsäule demarkierten sich nach Kontrastmittelgabe. Zusammenfassend zeigt die postmortale Ganzkörper CT-Angiographie bei traumatisch bedingten Todesursachen eine exakte Darstellung von parenchymatösen und vaskulären Verletzungen. Durch die dreidimensionale Darstellung des kompletten Gefäßbettes ist die Diagnose von traumatischen Läsionen in Regionen möglich, welche durch die klassische Autopsie nicht erfasst werden. V060 Fäulnisgasentwicklung in der postmortalen Schnittbildgebung D Spendlove1, S Ross1, S Bolliger1, L Oesterhelweg1, M Thali1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Zentrum für Forensische Bildgebung und Virtopsy, Bern, Switzerland Das postmortale CT ist ein schnelles und verlässliches Instrument zur Darstellung von Gas in Gefäßen und Geweben. Allerdings ist die eindeutige Differenzierung zwischen Fäulnisgas und traumatisch bedingter Luftembolie nicht immer einfach. Um das Muster der fäulnisbedingten Gasentstehungsorte genauer zu beobachten, wurde eine CT-Verlaufskontrolle der Gasentwicklung am Schweinemodell durchgeführt (n=4, Scanintervall 4 h über 76 h , Scanner: Siemens Somatom 6). Die Schweine wurden vor der, von dem Projekt unabhängigen, Euthanasie tierärztlich beurteilt um eine vorbestehende Infektion auszuschließen. Um Einflüsse von Temperaturschwankungen vorzubeugen, wurde der Untersuchungsraum auf eine konstante Raumtemperatur von 20° Celsius klimatisiert. Ebenso wurde kontinuierlich die rektale Temperatur im Verlauf gemessen. Das CT zeigte weit vor den ersten äußerlich sichtbaren Fäulnisveränderungen eine Gasentwicklung in den Gefäßen und den Weichteilen. Die Prädilektionsstellen der Gasentstehung lag bei allen vier Individuen im Spinalkanal und der Pfortader bzw. den portalen Lebergefäßen. Als Umkehrschluss erscheint eine frühzeitige, fäulnisbedingte Gasentstehung im arteriellen Gefäßbett unwahrscheinlich und somit kann hierdurch die Diagnose eine Luftembolie erhärtet werden. V061 Postmortales Multislice-CT, Erfassungs- und Wiedergabealgorithmen C Braun1, H Vogel1, R Michalik-Himmelmann1, A Heinemann1, K Püschel1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Ziel: Um den Zeitaufwand des postmortalen Multislice-CT zu begrenzen, wurde der Untersuchungsablauf analysiert mit dem Ziel, durch Standardisierung die Erfassung der Bilddaten zu optimieren Methode: Erarbeitet wurden Erfassungs- und Wiedergabealgorithmen, die den
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Aufwand bei der Untersuchung und bei der anschließenden Diagnostik begrenzen. Ergebnisse: Für Lagerung der Leiche, Betriebswerte des Computertomographen und die Nachbearbeitung ergeben sich notwendige Alternativen gegenüber Untersuchungen Lebender aufgrund postmortaler Veränderungen, fehlender Notwendigkeit der Begrenzung der Strahlenexposition der Leiche, Unterschieden in der Fragestellung. Postmortale Flüssigkeitsverschiebungen, Schichtungen, und Bildung von Gas im Körper bedingen andere Einstellungen des Gerätes als bei Lebenden. Bei bekanntem Trauma empfiehlt sich eine Untersuchung mit einer Optimierung der Knochendarstellung (mit einem Vorschub im Millimeterbereich mit kleinem Pitch) i.V.m einer zweiten Datenerfassung (Serie) zur Beurteilung des Gehirns – ein zusätzliche Serie kann auch für andere parenchymatöse Organe sinnvoll sein. Ist kein Trauma zu vermuten, ist für die Untersuchung des Kopfes eine Einstellung zu wählen, die Hirnstrukturen optimal wiedergibt; andernfalls besteht die Gefahr, dass Infarkte nicht erfasst werden. Luft ist in der Regel leichter sichtbar. Das Multis-CT bietet gegenüber dem Spiral-CT die Möglichkeit die Lage zu korrigieren – so wird der Seitenvergleich bei der Beurteilung erleichtert. Diskussion: Die Algorithmen, die sich bei Lebenden bewährt haben, sind post mortem nicht direkt übertragbar. V062 Neue Impulse in der klinischen Rechtsmedizin: Das Ludwig-Boltzmann-Institut für klinisch-forensische Bildgebung K Yen1, E Scheurer1, M Grassberger1, R Vollmann1 1Medizinische Universität, Ludwig-Boltzmann-Institut für Klinische Forensische Radiologie und Institut für Gerichtliche Medizin , Graz, Austria Die klinische Rechtsmedizin gewann in den letzten Jahren aufgrund einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber häuslicher und sexueller Gewalt, Gewalt gegenüber Kindern und Verdachtsfällen von medizinischen Behandlungsfehlern stark an Bedeutung. Die forensische Untersuchung von Lebenden ist bis heute jedoch auf eine äußere Besichtigung des Körpers beschränkt. Das neue Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für klinisch-forensische Bildgebung hat zum Ziel, Verfahren zur Erfassung von inneren Verletzungsbefunden als Grundlage für forensische Gutachten zu entwickeln. In einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen forschenden und anwendenden Partnern aus Rechtsmedizin, Medizintechnik, Rechtswissenschaft und Rechtspflege werden Grundlagen für eine standardisierte und zielgerichtete Anwendung von CT und MRT in der Rechtsmedizin entwickelt. Das im LBI erarbeitete Knowhow soll letztendlich in die Entwicklung unseres Fachgebiets einfließen und es allen interessierten Rechtsmedizinern ermöglichen, bildgebende Verfahren in Zusammenarbeit mit der Klinik einzusetzen. In dieser Einführung soll eine Übersicht über das LBI gegeben werden. Außerdem wird eine der 4 Programmlinien vorgestellt, die zum Ziel hat, die rechtlichen Grundlagen in Österreich den in diesem Zusammenhang neu angewendeten und entwickelten Methoden anzupassen und CT und MRT als Teil der Beweismittelerhebung im Gerichtsverfahren einzuführen. V063 Das Ludwig-Boltzmann-Institut für klinisch-forensische Bildgebung: Morphologische Studien M Grassberger1, E Scheurer1, K Yen1,2 1Ludwig-Boltzmann-Institut für Klinische Forensische Radiologie und Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Univers, Gerichtliche Medizin, Graz, Austria 2Medizinische Universität, Gerichtsmedizinisches Institut, Graz, Austria Mittels radiologischer Verfahren wie Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT), die in der klinischen Betreuung von Patienten längst etabliert sind, können auch in der Gerichtsmedizin zusätzliche, objektiv nachweisbare innere Verletzungsbefunde erhoben werden, die eine verbesserte Einschätzung der Art und des Grades der ausgeübten Gewalt gegen die untersuchte Person ermöglichen. Die zusätzliche Erfassung der inneren Verletzungsbefunde wird als Basis für
das gerichtsmedizinische Gutachten einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten. Dafür müssen die vor allem forensisch wichtigen morphologischen Verletzungsbefunde mit MRT und teilweise auch mit CT charakterisiert und prospektiv evaluiert werden, wobei auch Untersuchungen an Verstorbenen als Referenzstandard dienen werden. Aus dem diagnostischen Wert für verschiedene Ereignisarten und Befunde soll eine Indikationsliste für die Anwendung von MRT und CT in der klinischen Rechtsmedizin entwickelt werden. V064 Die Radiologie am Ludwig-Boltzmann-Institut für klinisch-forensische Bildgebung R Vollmann1, E Scheurer1, K Yen1,2 1Ludwig-Boltzmann-Institut für Klinische Forensische Radiologie und Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Univers, Gerichtliche Medizin, Graz, Austria 2Medizinische Universität, Gerichtsmedizinisches Institut, Graz, Austria Das LBI will ein neues Anwendungsgebiet der Radiologie erschließen und internationale Standards für Indikationen, Durchführung, Auswertung und Interpretation der forensisch-radiologischen Verfahren setzen. Damit wird auch eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Gerichtsmedizin und Radiologie begründet, in der weder der eine oder der andere Partner je entbehrlich sein wird. Für die Radiologen bedingen die spezifischen forensischen Fragestellungen eine Anpassung der radiologischen Befundung und der Befunddokumentation. Ziele dieser Programmlinie sind die Qualitätsverbesserung der radiologischen Befundung durch forensisches Training der Radiologen sowie die Zusammenstellung der typischen radiologischen Befunde und Kriterien für die verschiedenen forensischen Ereignis- und Verletzungsarten. V065 Physik und Informatik am Ludwig-Boltzmann-Institut für klinischforensische Bildgebung E Scheurer1, K Yen1,2 1Ludwig-Boltzmann-Institut für Klinische Forensische Radiologie und Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Univers, Gerichtliche Medizin, Graz, Austria 2Medizinische Universität, Gerichtsmedizinisches Institut, Graz, Austria Die klinisch etablierten radiologischen Verfahren, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT), ermöglichen die Erhebung und Charakterisierung von inneren Verletzungsbefunden zusätzlich zur äusseren Besichtigung, so dass die Einschätzung der ausgeübten Gewalt gegen die untersuchte Person verbessert werden kann. Die Methoden sind jedoch auf klinische Diagnostik ausgerichtet, während forensisch wichtige Befunde nicht oder nicht optimal dargestellt werden. Das grosse Potential der MRT, die für die gute Darstellung von Weichteilgewebe und aufgrund ihrer fehlenden Strahlenbelastung für die Anwendung in der klinischen Rechtsmedizin speziell geeignet wäre, lässt sich so noch nicht ausnützen. Die physikalische und systematische Optimierung von Protokollen und Sequenzen sowie die Entwicklung und Anpassung von Hardware sollen die forensische Anwendung von MRT verbessern. Da dem Gerichtsmediziner die wichtige Funktion eines „Übersetzers“ zwi schen dem Fachgebiet der Medizin und den Gerichten zukommt, werden auch neue Visualisierungsmöglichkeiten entwickelt, welche die Ergebnisse für medizinische Laien verständlich und nachvollziehbar machen. V066 Hauptvortrag Forensische Altersbestimmung Forensische Altersschätzung: The State of the Art S Ritz-Timme1 1Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany Auch vor dem Gebiet der Forensischen Altersschätzung kann der Anspruch, nur qualitätsgesicherte Methoden einzusetzen, nicht Halt machen. Minimal sollten einzusetzende Verfahren folgende VoraussetRechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts zungen erfüllen: (1) Sie sollten überprüfbar und qualifiziert publiziert sein; (2) Daten zur Zuverlässigkeit der Methoden müssen verfügbar sein; (3) Ihre Genauigkeit muss ausreichen, um die vorliegende Fragestellung zu klären; (4) Am Lebenden einzusetzende Verfahren dürfen nicht gegen rechtliche und ethische Grundsätze verstoßen. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen hat die Arbeitsgemeinschaft Forensische Altersdiagnostik (AGFAD) Empfehlungen für die Altersschätzung bei Lebenden entwickelt. Zudem hat die AGFAD für die Altersschätzung bei Lebenden im Strafverfahren das Angebot einer externen Qualitätssicherung etabliert. Die Entwicklung qualitätssichernder Standards für die Altersschätzung bei Verstorbenen ist ungleich schwieriger, weil die Fallkonstellationen hier weitaus variabler sind. Allein für Skelettfunde gibt es bereits Empfehlungen der AGFAD. Zur postmortalen Altersschätzung im Kindes-/ Jugendalter steht ein Repertoire valider morphologischer Verfahren zur Verfügung. Deutlich schwieriger ist die Situation im Erwachsenenalter; hier leidet die Präzision der meisten morphologischen Verfahren unter der Variabilität der Ausprägung degenerativer Vorgänge. Ist im Einzelfall eine hohe Präzision der Altersschätzung erforderlich, ist die Indikation des Einsatzes molekularer Methoden zu prüfen. Künftig ist zu erwarten, dass Erkenntnisse aus der Alternsforschung für die forensische Altersschätzung nutzbar gemacht werden können. V067 Die Skelettaltersbestimmungsmethode nach Tanner & Whitehouse und ihre Anwendbarkeit in der forensischen Altersdiagnostik S Schmidt1, I Nitz2, R Schulz3, A Schmeling3 1Institut für Rechtsmedizin, Rechtsmedizin, Berlin, Germany 2im Ruhestand, Berlin 3Institut für Rechtsmedizin, Münster Die Röntgenuntersuchung der Hand stellt eine wichtige Grundlage für die forensische Altersschätzung im Strafverfahren dar. Im Rahmen unserer Untersuchungen überprüften wir die Anwendbarkeit der klinisch weit verbreiteten Skelettaltersbestimmungsbestimmungsmethode nach Tanner und Whitehouse für die forensische Altersdiagnostik bei lebenden Personen. Hierzu wurden die Handradiogramme von 48 Jungen und 44 Mädchen der Altersgruppe 12-16 Jahre retrospektiv ausgewertet. Es werden die statistischen Maßzahlen der Methodenversionen TW2 und TW3 vorgestellt. Die Differenzen zwischen Skelettalter und Mittelwert des chronologischen Alters lagen in der strafrechtlich relevanten Skelettaltersgruppe von 14 bis 16 Jahren für die TW2-Methode zwischen -0,1 und +1,4 Jahre. Für das TW3-Verfahren betrugen die Differenzen zwischen Skelettalter und Mittelwert des chronologischen Alters in der relevanten Altersgruppe -0,4 bis +0,2 Jahre. Aufgrund der Gefahr gravierender Altersüberschätzungen erscheint die TW2-Methode für die forensische Altersdiagnostik nicht geeignet. Die Anwendung des TW3-Verfahrens kann für forensische Altersschätzungen grundsätzlich empfohlen werden. V068 Referenzstudie zur Beurteilung der Ossifikation der medialen Schlüs selbeinepiphysenfugen mit Dünnschicht-Computertomographie R Schulz1, M Kellinghaus1, V Vieth2, S Schmidt3, A Schmeling1 1Universitätsklinikum Münster, Institut für Rechtsmedizin, Münster, Germany 2Universitätsklinikum Münster, Institut für Klinische Radiologie, Münster 3Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Rechtsmedizin, Berlin Nach Abschluss der Handskelettreifung ist die Beurteilung der Ossifikation der medialen Klavikulaepiphysenfuge von entscheidender Bedeutung für die forensische Altersdiagnostik lebender Personen im Strafverfahren. Bislang liegen vier CT-Studien zur Schlüsselbeinossifikation vor. In diesen Studien wurden allerdings zum großen Teil CT-Scans mit Schichtdicken von 7 mm und mehr verwendet. Mühler et al. (Int J Legal Med 120:15-17, 2006) konnten in einer Studie zum Einfluss der Schichtdicke auf
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die Beurteilung der Schlüsselbeinossifikation zeigen, dass aufgrund des Partialvolumeneffekts bei Schichtdicken > 1 mm eine Fehlbestimmung des Ossifikationsstadiums möglich ist. Die Studie präsentiert statistische Maßzahlen für die Dünnschicht-CT-Untersuchung der Schlüsselbeinossifikation zur Anwendung in der Altersschätzungspraxis. V069 Beurteilung der Verknöcherung der medialen Claviculaepiphysenfuge zur Frage der Vollendung des 21. Lebensjahres mithilfe eines digitalen Sonografen F Quirmbach1, F Ramsthaler2, MA Verhoff1 1Universität Gießen, Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Germany 2Universität Frankfurt am Main, Zentrum für Rechtsmedizin, Frankfurt am Main Als wichtiges Kriterium zum Nachweis der Vollendung des 21. Lebensjahres gilt die vollständige Verknöcherung der medialen Epiphysenfuge der Clavicula. Als Goldstandard gilt die Untersuchung mittels Computertomografie (CT), obwohl die dabei entstehende Strahlenbelastung kritisch zu betrachten ist. Deshalb gibt es erste Ansätze, dieses Gelenk mittels Sonografie zu beurteilen (Schulz et al., Int J Legal Med 2008). Material und Methoden: Untersucht wurden 77 Männer im Alter von 18 bis 24 Jahren (Mittelwert 21,4, Median 21,2 Jahre), von denen 42 das 21. Lebensjahr vollendet hatten und 35 nicht. Beide medialen Claviculaepiphysenfugen wurden von 2 Untersuchern beurteilt. Zur Verfügung stand der digitale Sonograf „Sarano“ (Shimadzu) mit der linearen Multifrequenzsonde 8-15 MHz. Die Einteilung der Verknöcherung erfolgte nach Schulz et al. (2008) in 4 Stadien. Ergebnisse: Die Darstellung der Clavicula und die Beurteilung der Epiphysenfuge konnten in hoher Auflösung erfolgen. Von den Probanden ab 21 Jahren wiesen 25 (60 %) beidseits ein Stadium 4 auf und 5 (12 %) einseitig Stadium 4. 12 (28 %) hatten noch kein Stadium 4 ausgebildet, davon waren 9 genau 21 Jahre alt. Bei den unter 21-Jährigen fand sich in 3 Fällen (8,5 %) beidseits Stadium 4, in 3 weiteren einseitig Stadium 4. Diskussion: Erfreulich war die hervorragende Abbildungsleistung der modernen Ultraschalltechnik. Die Aussagekraft der Untersuchungstechnik wird insbesondere durch die 3 Fälle eingeschränkt, bei denen bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres beidseits Stadium 4 diagnostiziert wurde. Für diese Fälle wäre es bedeutsam, ob mittels CT ein Epiphysenfugenrest sichtbar gewesen wäre, der dem Schallkopf nicht zugänglich war. V070 Akkumulation spontaner, altersbedingter Modifikationen der Asparaginsäurereste im Elastin der Arterienwand SM Tung1, R Dobberstein1, S Ritz-Timme1 1Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany Elastin ist eines der wichtigsten Strukturproteine. Nach der Wachstumsperiode wird die Elastinneusynthese durch den Zerfall der TropoelastinmRNA unterbrochen; eine Elastinneusynthese erfolgt nur noch insuffizient. Infolge der Langlebigkeit des Proteins kommt es zu einer allmählichen Akkumulation posttranslationaler Modifikationen, so auch zur Razemisierung von Asparaginsäureresten (AAR). Bislang ist ungeklärt, ob die resultierende Akkumulation von D-Asparaginsäureresten spontan entsteht, oder Folge einer Moleküldegradation und/oder pathologischer Veränderungen ist und welche biologische Konsequenzen daraus resultieren. Vor diesem Hintergrund wurde Elastin aus Arterienabschnitten unterschiedlicher Lokalisation (Aorta ascendens, A.carotis communis, A. infrarenalis und A. iliaca externa) aufgereinigt und die Akkumulation von D-Asparaginsäureresten unter dem Einfluss unterschiedlicher physiologischer sowie pathologischer Bedingungen analysiert. Die Akkumulation von D-Asx-Resten in Elastin scheint ein ubiquitäres Alterungsphänomen der Arterienwand zu sein. In allen Arterienabschnitten fand sich eine altersabhängige Akkumulation von D-Asparaginsäure; fortschreitende Degradation und Arteriosklerose
verschlechtern allerdings die Korrelation von AAR und Lebensalter. Die Elastinproben aus der Aorta infrarenalis zeigten einen so engen Zusammenhang zwischen AAR und Lebensalter, dass dieser für Lebensaltersschätzungen genutzt werden kann. Hier eröffnet sich möglicherweise eine interessante Erweiterung des Methodenspektrums zur ansonsten schwierigen Lebensaltersschätzung an isolierten Leichenteilen. V071 Immunhistochemischer Nachweis seneszenter Zellen als Möglichkeit der Lebensaltersschätzung? F Mayer1, H Graß1, S Ritz-Timme1 1Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany Zellen in Zellkultur zeigen nach einer gewissen Anzahl von Passagen typischerweise Zeichen der zellulären und replikativen Seneszenz mit charakteristischen morphologischen Zeichen, geänderten Zellfunktionen und einem Verharren in der G1-Phase des Zellzyklus. Diese Vorgänge, die typisch für lange kultivierte, „alte“ Zellen sind, werden häufig als zelluläre Ebene des Alterns angesehen; entsprechend dienen seneszente Zellen in der Alternsforschung oft als „Modell“ für die alte Zelle. Sog. „Seneszenzmarker“, d.h. Antigene, die typischerweise durch seneszente Zellen exprimiert werden, werden genutzt, um „gealterte“ Zellen zu identifizieren. Bislang ist aber völlig unklar, ob sich das in der Zellkultur zu beobachtende Phänomen der zellulären Seneszenz auch unter den Bedingungen der natürlichen Alterung von Zellen im Organismus als Alterungsphänomen darstellt. Insoweit ist auch unklar, welche Rolle die zelluläre Senszenz im natürlichen Alterungsprozess spielt. Vor diesem grundlagenwissenschaftlichen Hintergrund wurde humanes, postmortal entnommenes Gewebe aus unterschiedlichen Organen immunhistologisch auf die Expression von Seneszenzmarkern untersucht (beta-Glactosidase, p16). Es zeigte sich nebenbefundlich, dass es für das Auftreten dieser Marker offenbar eine Art „cut-off-Alter“ um das 40./50. Lebensjahr gibt, d.h. dass die genannten Marker erst nach Erreichen dieses Alter nachweisbar sind. Damit dürfte der Nachweis der Expression von Seneszenzmarkern an humanem Gewebe jedenfalls grobe Rückschlüsse auf das Lebensalter zulassen; nutzbar könnte dies bei Untersuchung isolierter Leichenteile sein. V072 Automatische Analyse von hochauflösenden Flat-Panel-CT-Bildern zur Bestimmung des Verknöcherungszustandes von Suturen zur Altersbestimmung beim Menschen C Reuß1, M Obert1, R Schilling2, S Hardt3, F Ramsthaler4, H Traupe1, MA Verhoff3 1Universität Gießen, Abteilung für Neuroradiologie, Gießen, Germany 2Technische Universität Dresden, Institut für Mathematische Stochastik, Dresden 3Universität Gießen, Institut für Rechtsmedizin, Gießen 4Universität Frankfurt am Main, Zentrum für Rechtsmedizin, Frankfurt am Main Die Beurteilung des Verknöcherungsgrades der Suturen zur Altersschätzung geht auf Broca (1824-1880) zurück. Die Einschätzung der Verknöcherungsgrade der verschiedenen Nahtsegmente unterliegt jedoch einer hohen Subjektivität. Zudem können die Schädelnähte nicht als durchgehende Strukturen beurteilt sondern müssen von ekto- und endocranial beschrieben werden. Im Alter von 0 bis 100 Jahren wurden 236 männliche und 124 weibliche Kalottenhälften aus dem Untersuchungsgut der Jahre 2007 und 2008 der Rechtsmedizin in Gießen, mit einem höchauflösenden Flat-PanelCT, dem eXplore Locus Ultra der Firma GE, radiologisch untersucht. Der frontale und occipitale Kalottenbereich wurden in separaten Scans mit 140 kVp und 10 mA erfasst. Die rekonstruierten DICOM-Bilder beschrieben ein Volumen mit einer 512 × 512 × 340 Matrix mit isotroper Voxelgröße von (0,295 mm)3. Der Verknöcherungszustand der sagittalen Sutur im Querschnitt wurde an insgesamt 21899 erhaltenen Schnittbildern mit einer selbst entwickelten Software analysiert. Diese kann für
jedes Schnittbild eigenständig zwischen geschlossen verknöcherter und nicht geschlossener Naht differenzieren. Zwischen der Anzahl der geschlossen verknöcherten Suturen und dem Alter ergab sich ein Korrelationskoeffizient von 0,5. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden nicht festgestellt. Die Zuordnung einer einzelnen Schädelkalotte zu einem Altersbereich war möglich. Die vorgestellte Methode bietet die Möglichkeit einer objektiven und die gesamte Sutur betreffenden Einordnung der Verknöcherung. Die Genauigkeit in der Lebensaltersschätzung lag im Bereich der herkömmlichen Methoden der Beurteilung der Schädelnahtossifikation. V073 Hauptvortrag Klinische Rechtsmedizin Klinische Rechtsmedizin im Wandel K Püschel1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Klinische Rechtsmedizin ist nicht nur eine selbstverständliche gegenwärti ge Aufgabe, sondern insbesondere auch eine Zukunftsperspektive des Fachs Rechtsmedizin. Die strukturelle Weiterentwicklung der institutionel len Voraussetzungen zur Untersuchung von verletzten Opfern von Gewalt (Klinische Rechtsmedizin) erweist sich derzeit als essenzieller Bestandteil für neue Dienstleistungskonzepte in unserem Fach. – Folgende Komplexe werden perspektivisch erörtert: Wie kann die Rolle der Rechtsmedizin bei der Weiterentwicklung von Hilfen für Gewaltopfer aussehen? – Wie ist ihre gegenüber der Justiz und Polizei definierte Ausgangsposition, was kann sie im öffentlichen Gesundheitswesen leisten, wie kann das Fach seine einmalige Stellung zwischen Justizsektor einerseits und Gesundheitswesen andererseits weiter ausbauen und sich sinnvoll in existierende Versorgungsangebote für Gewaltopfer einbringen? – Welche Standards sind bezüglich Untersuchung und Dokumentation zu definieren? – Welche Ausstattung und Ressourcen sind für eine Gewaltopferambulanz erforderlich? – Wie ist die Kooperation mit anderen klinischen Disziplinen zu gestalten? – Wo liegen die Chancen für wissenschaftliche Projekte im Rahmen der Versorgungsforschung? – Wie ist die Thematik in die studentische Lehre sowie die ärztliche Fortbildung zu implementieren? Modellprojekte aus dem Bereich der Rechtsmedizin werden vorgestellt, ebenso aktuelle Arbeitsfelder der bei der Jahrestagung in Mainz 2007 gegründeten Arbeitsgemeinschaft der DGR Klinische Rechtsmedizin. V074 „Häusliche Gewalt“ – Erfahrungen mit der Organisation ärztlicher Fortbildungen in Köln S Banaschak1, C Loddo1, K Peter2, MA Rothschild1 1Institut für Rechtsmedizin, Uniklinik Köln, Köln, Germany 2Amt für Gleichstellung, Stadt Köln Dem Gesundheitswesen wird eine wichtige Rolle bei der Erkennung Häuslicher Gewalt zugeschrieben, so z. B. durch die SIGNAL-Studie in Berlin. Ärzte sollen daher ermutigt werden, Patientinnen bei entsprechenden Verdachtsmomenten direkt anzusprechen. Doch nicht nur die Erkennung einer Verletzung als fremdverursacht ist eine Hürde. Die Ansprache der Patientinnen ist ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet. Vor diesem Hintergrund wurde durch den Arbeitskreis „Gegen Gewalt an Frauen und Kindern“ (Leitung durch das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Köln), in dem die Rechtsmedizin kontinuierlich vertreten ist, eine Fortbildungsveranstaltung konzipiert, die modulartig aufgebaut ist und unterschiedlich zusammengesetzt werden kann. Für Ärzte ist das zentrale Modul das Thema „Gewalt erkennen & dokumentieren“. Es wird eingebettet in Vorträge zum Kölner Hilfesystem, die Ansprache der Patientinnen und polizeiliche Aspekte. Einladungen über die KV bzw. ärztlichen Direktoren einzelner Kliniken führten bereits zu zahlreichen Veranstaltungen. Die durchschnittliche Teilnehmerzahl betrug bislang ca. 15 bis 20 Personen – allerdings mit einem kleineren Ärzteanteil. Der direkten Ansprache der Ärztlichen Direktoren der einzelnen Kliniken kam in Köln eine Schlüsselrolle zu. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen ist eine Erweiterung um ein Modul zum Thema „Kinder & Häusliche Gewalt“ geplant. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts V075 Harmonisierung der Untersuchungen von Opfern sexueller und körperlicher Gewalt in der Schweiz K Gerlach1, D Barbon-Jermini2, C Markwalder3, M Pfäffli4, B Schrag5, U Klopfstein6 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Basel, Switzerland 2Universität, Institut für Rechtsmedizin, Zürich, Switzerland 3Kantonsspital, Institut für Rechtsmedizin, St. Gallen, Switzerland 4Kantonsspital, Institut für Rechtsmedizin, Graubünden, Switzerland 5Centre universitaire de médecine légale, Lausanne, Switzerland 6Universität, Institut für Rechtsmedizin, Bern, Switzerland Die Untersuchungsmodalitäten von Opfern sexueller und körperlicher Gewalt waren in der Schweiz bislang unterschiedlich geregelt. Im Auftrag der Sektion Medizin der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin wurde aus Vertretern der schweizerischen rechtsmedizinischen Institute die Fachgruppe „Körperliche und sexuelle Gewalt“ konstituiert, um im Sinne der Rechtsgleichheit und Verbesserung der Qualität eine Standardisierung der Untersuchungsabläufe zu erreichen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit konnten bislang Empfehlungen zur Untersuchung von Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen nach sexueller Gewalt erarbeitet werden. Diese Empfehlungen sollen generelle forensisch-medizinische Grundsätze der Anamneseerhebung, körperlichen und gynäkologischen Untersuchung, Spurensicherung und Befunddokumentation darstellen und im Sinne von Minimalstandards Schweizweit den jeweiligen Untersuchungsstellen als Wegleitung für die Untersuchung dienen. Empfehlungen zur Untersuchung von Opfern körperlicher Gewalt sollen folgen. Vorgestellt werden sowohl die Arbeit der Fachgruppe „Körperliche und sexuelle Gewalt“ als auch die bislang erarbeiteten Empfehlungen. V076 Das Münchhausen-Syndrom, Herausforderung in Klinik und Begutachtung F Dahlmann1 1Isar-Amper-Klinikum, Klinikum München-Ost, APIII-West, Haar b. München, Germany Die Differenzierung Selbst- und Fremdbeibringung von Verletzungen ist rechtsmedizinischer Alltag. Gelegentlich wird man dabei von Klinikern zu Rate gezogen, denen auffiel, dass eine betreute Person, meist ein Kind, immer wieder mit immer neuen Verletzungen oder vermeintlichen Krankheitssymptomen vorgestellt wird, und sich Zweifel an der Schilderung des Entstehungsmechanismus ergaben, möglicherweise die Bezugsperson die Störung verursachte, um indirekt über die der geschädigten Person gezollte Aufmerksamkeit und Zuwendung selbst diese zu erlangen; ein Störungsbild, das unter der Bezeichnung „Münchhausen by proxy“- Syndrom Eingang in die rechtsmedizinische und psychiatrische Literatur fand. Das ursprüngliche „Münchhausen-Syndrom“, bei dem eine Person eine Schädigung/Krankheit selbst verursacht, eben nicht aufgrund vordergründiger Motive wie finanzielle Vorteile oder Vermeidung juristischer Sanktionen, sondern abzielend allein auf die Einnahme der Rolle des Kranken oder Geschädigten und der damit verbundenen Zuwendung, ist weniger bekannt. Zwei derartige Fälle sollen hier zur Darstellung gelangen, der eines jungen Mannes und der einer Frau. Die Problematik und Komplexität der Erkrankung, welche nicht nur zu schweren – auch iatrogenen – Schädigungen der Betroffenen führen kann, durch umfangreiche diagnostische, z.T. invasive Maßnahmen erhebliche Kosten verursacht, und infolge der Bindung von medizinischem, ggf. sogar Rettungspersonal, auch Dritte in Lebensgefahr geraten lässt, soll dargestellt werden, auch im Hinblick darauf, dass das Krankheitsbild u.a. bei der Begutachtung im Unterbringungs- und Betreuungs- wie auch im Strafrecht Bedeutung erlangen kann.
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V077 Spermien im Urin einer Altenheimbewohnerin – Sexueller Missbrauch oder Probenverfälschung ? S Banaschak1, JB Korda2, F Engelbertz2, U Engelmann2, MA Rothschild3 1Uniklinik Köln, Institut für Rechtsmedizin, Köln, Germany 2Uniklinik Köln, Klinik für Urologie, Köln 3Institut für Rechtsmedizin, Uniklinik Köln, Köln Ausgangspunkt der Frage, ob und wie lange nach einer Ejakulation mit dem Urin Spermien ausgeschieden werden, war der ungewöhnliche Fall einer Altenheimbewohnerin, in deren Urinprobe „massenhaft lebende Spermien“ nachgewiesen wurden. Die DNA-Analyse ergab, dass die Spermien von einem Altenpfleger stammten. Dieser gab an, dass er die eigentliche Urinprobe der Bewohnerin habe fallen lassen und um nicht aufzufallen, habe er seinen eigenen Urin in das Probenbehältnis gefüllt. Die Spermien stammten daher, dass er am gleichen Morgen (5 h vor der Urinprobe) Geschlechtsverkehr gehabt habe. Da die Datenlage nicht ausreichend war, um die gutachterliche Frage zu beantworten, wurden 10 gesunde junge Männer im Alter von 22-31 Jahren nach 48 Stunden sexueller Karenz untersucht. In insgesamt 4 Termi nen wurden die Zeitabstände zwischen Ejakulation und Urinabgabe suk zessive verlängert (ca. 30 min, 2 h, 4 h, > 5 h). Nach mehr als 5 Stunden lagen keine positiven Spermienbefunde mehr vor. Der längste Zeitraum betrug allerdings 4 Stunden und 50 Minuten. Bewegliche Spermatozoen lagen bis maximal 4,5 Stunden im Urin vor, allerdings in nur geringer Anzahl. Zusammenfassend zeigten sich bei ca. 2/3 der Männer postejakulatorisch Spermatozoen im Urin. Je kürzer die Zeitspanne zwischen Ejakulation und Urinabgabe, desto mehr Spermatozoen waren im Urin enthalten und um so beweglicher waren diese. Der Befund „massenhaft lebende Spermien“ im Mittelstrahlurin war mit der Einlassung nicht in Einklang zu bringen. V078 Röntgenbefunde von Hand und Arm nach Folter H Vogel1, C Grillo1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Fragestellung: Die Möglichkeiten von Verfahren der bildgebenden Diagnostik werden dargestellt, Verletzungen durch vorangegangene Folter zu dokumentieren. Der Beitrag bildgebender Diagnostik und ihre Grenzen beim Nachweis von Folter werden diskutiert. Methode: Die Beobachtungen stammen aus den Rehabilitationszentren für Folteropfer in Europa, aus persönlichen Sammlungen und aus eigenen Beobachtungen. Sie wurde dokumentiert auf Röntgenfilmen; Szintigraphie, Computertomographie und Kernspintomographie sind viel versprechende Alternativen. Ergebnisse: Z.T. fehlen Fingerglieder und ganze Finger. Ursache kann sein eine Amputation oder eine Drucknekrose (Aufhängen). Finger und Gelenke können verstümmelt werden durch Kompression. Fremdkörper werden unter die Fingernägel eingeführt. Handdeformationen resultieren aus direktem Trauma, Bohrung oder einer Kontraktur. Ulna oder Radius können im Sinne einer Parierfraktur brechen. Die Schultergelenke können deformiert sein. Weichteilverkalkungen zeigen sich als Folge von Sehnen- und Kapselrupturen. Schlussfolgerung: Die eigenen Beobachtungen sind selektiv: Die Opfer haben überlebt, die Form der Folter ließ Überleben zu. Im allgemeinen sind Verletzungen von Hand und Fuß nicht vital bedrohlich, anders als Stichwunden des Kopfes, des Brustkorbes und des Rumpfes, in den Anus oder in die Genitalien der Frau – sie sind oft tödlich. Die Wahrnehmung der Folter durch die Medien und durch die Öffentlichkeit führt zu Methoden der Folter, die keine Spuren hinterlassen.
V079 Infrarot-Fotografie in der rechtsmedizinischen Praxis C Hädrich1, V Wenzel1, A Huffziger1, R Lessig1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Leipzig, Germany Bei der IR-Fotografie werden mit einem Filter die sichtbaren Teile des Lichtspektrums unterdrückt und nur langwellige IR-Strahlung von ca. 700 bis 900 nm erfasst. Dazu eignen sich entweder IR-empfindliches Filmmaterial oder die CCD-Chips handelsüblicher Digitalkameras. Im wissenschaftlichen Bereich wird die im Vergleich zum sichtbaren Licht größere Eindringtiefe und das veränderte Reflexionsverhalten der IR-Strahlung bereits vielfältig zur Untersuchung und Dokumentation genutzt, im foren sisch-kriminalistischen Gebiet z. B. zum Nachweis von Schmauchspuren und Blutanhaftungen. Von den bereits bestehenden Anwendungsmöglichkeiten ausgehend haben wir geprüft, wie die IR-Fotografie auch bei der rechtsmedizinischen Begutachtung von Lebenden und Leichen eingesetzt werden kann. Dazu wurden IR-Aufnahmen von ausgewählten Haut- und Organbefunden angefertigt und mit konventionellen digitalen Fotografien sowie dem visuellen Eindruck der Untersucher verglichen. Die Darstellbarkeit von Hautunterblutungen wurde an einem mittels Eigenblutinjektion gesetzten Hämatom im Zeitverlauf verfolgt und zusätzlich Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Erste Ergebnisse werden vorgestellt. V080 Rekonstruktion eines Tatablaufs mittels Ultraschalluntersuchungen an Lebenden C Kaiser1, S Fassbender2, R Bux1 1Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin, Frankfurt am Main, Germany 2Zentrum der Inneren Medizin, Frankfurt am Main Die Beurteilung von Stichkanaltiefen und die Zuordnung bestimmter Verletzungen zu einem möglichen Tatwerkzeug sind zentrale rechtsmedizinische Fragestellungen bei der Rekonstruktion von Tatabläufen mit Stichverletzungen. Der vorliegende Beitrag soll demonstrieren, inwieweit Ultraschalluntersuchungen an Lebenden hier wertvolle ergänzende Ergebnisse liefern können. Bei der gerichtlichen Leichenöffnung eines 29 Jahre alten Mannes mit insgesamt vier Stichverletzungen in Hals, Brust und Bauch fand sich als Todesursache eine Stichverletzung der rechten Herzkammer, 5,5 cm oberhalb der Herzspitze, ausgehend von einer Einstichwunde im linken Oberbauch. Als mögliche Tatwerkzeuge kamen ein Springmesser mit einer Klingenlänge von 13 cm sowie ein Klapp-/Springmesser mit einer Klingenlänge von 8,5 cm, die von unterschiedlichen Tätern geführt wurden, in Betracht. Bei zunächst am liegenden Leichnam durchgeführten Versuchen konnte die entsprechende Herzverletzung lediglich mit dem längeren Messer erzeugt werden. Nachdem hierbei jedoch Einflüsse von Körperposition, Atemexkursion und Herzschlag nicht berücksichtigt werden konnten, wurden zudem sonographische Untersuchungen an drei männlichen Probanden von vergleichbarer Körperkonstitution durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass beim sitzenden Probanden in Inspirationsstellung die Distanz von der Hautoberfläche in Lokalisation der Wunde bis zu der verletzten Region des Herzens stets unter 8,5 cm lag und somit beide Messer in Frage kamen. V081 Hauptvortrag Forensische Spurenuntersuchung Die Grenzen der DNA-Analyse – vom Umgang mit Minimalspuren und komplexen Mischungen PM Schneider1 1Universität Köln, Institut für Rechtsmedizin, Germany Die Anwendung der DNA-Analyse unter Anwendung hochsensitiver STR-Multiplex-Kits hat eine neue Dimension in der forensischen Spurenkunde eröffnet. Im zehnten Jahr der Deutschen DNA-Analyse Datei hat die eindrucksvolle Trefferstatistik dazu geführt, dass immer mehr
Tatortspuren asserviert und für eine DNA-Analyse eingesandt werden, die an die Grenze der PCR-Sensitivität gehen. Dazu gehören vor allem Abriebe von Hautkontaktspuren und Kleidungsstücke, bei denen die Menge an verfügbarer DNA anhand des Spurenbildes nicht abgeschätzt werden kann. Dies führt zwangsläufig dazu, dass eine PCR mit minimalen DNA-Mengen sowie mit komplexen Mischungen durchgeführt wird. Als Folge entstehen immer mehr Spuren-DNA-Profile, deren Fragmentmuster durch stochastische Effekte beeinflusst sind. Auch gemischte Mehr-Personen-Spuren können einen geringen DNA-Anteil besitzen, der PCR-bedingte Effekte im stochastischen Bereich verursacht. Bei der Auswertung derartiger Spuren sind Strategien für eine besonders zurückhaltende Interpretation notwendig, die anhand von ausgewählten Beispielen erläutert werden sollen. V082 Unterscheidung von Vaginal- und Penisepithelzellen anhand des Zelldurchmessers H Evers1, U Müller2, MA Verhoff1 1Universität Gießen, Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Germany 2Aura Optik, Jena Nach behaupteten Sexualdelikten haben Genitalabstriche große Bedeutung. In der vorliegenden Arbeit sollte überprüft werden, ob Vaginal- und Penisepithelzellen anhand ihrer Größe differenziert werden können. Von 10 Probandinnen wurden Vaginalabstriche in verschiedenen Zyklusphasen, von 5 Probanden Penisabstriche gewonnen. Die Abstriche wurden frisch auf Objektträgern ausgestrichen und getrocknet. Die nativen Ausstrichpräparate wurden mit dem „SteReoLumar.V12”-Stereomikroskope (Zeiss) untersucht. Die Objektträger wurden in Planquadrate aufgeteilt und alle einzeln liegenden, klar abgrenzbaren Epithelzellen fotografiert. Mithilfe der Software Axio Vision Rel. 4.5 wurde für alle Zellen digital der maximale Durchmesser vermessen. Insgesamt wurden 995 Vaginalepithelzellen und 211 Penisepithelzellen untersucht. Der Durchmesser der Vaginalepithelzellen ergab einen Mittelwert von 63,95 µm (Min. = 28,08, Max. = 108,06, s = 11,50) und der Durchmesser der Penisepithelzellen einen Mittelwert von 39,24 µm (Min. = 28,38, Max. = 51,02, s = 4,84). Nach den vorliegenden Ergebnissen lassen sich bei der Interpretation von Vaginalabstrichen keine Aussagen treffen, dass unterhalb eines bestimmten Zelldurchmessers eine Penisepithelzelle vorliegen muss. Werden jedoch bei Penisabstrichen Epithelzellen mit einem max. Durchmesser von deutlich über 50 µm nachgewiesen, spricht dies für Vaginalepithelzellen. Die nach der vorgestellten Methode behandelten Epithelzellen können uneingeschränkt weiter untersucht werden. Beispielsweise können unter Verwendung des von Aura Optik (Jena) entwickelten Mikromanipulators die Zellen einzeln der DNA-Analyse zugeführt werden. V083 Nachweis postmortalen Hundefraßes durch molekulargenetische Analyse von Hundekot und -mageninhalt T Schwark1, R Schlenger1, N von Wurmb-Schwark1 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany Postmortal entstandene Verletzungen durch Haustierfraß sind im rechtsmedizinischen Obduktionsgut keine Seltenheit. Wir berichten von zwei Fällen postmortalen Hundefraßes, in denen eine genetische Analyse von Mageninhalt bzw. Kot der jeweiligen Hunde durchgeführt wurde. Fall 1: Ein 71 Jahre alt gewordener Mann wurde in Rückenlage im Pferdestall seines Anwesens aufgefunden. Im Bereich des Gesichtes konnte ein ausgeprägter, avital erscheinender Weichteilverlust festgestellt werden. Im Stall befand sich außerdem der Dackel des Verstorbenen. Bei der Obduktion konnte als Todesursache ein zentrales vegetatives Regulationsversagen bei Hirnmassenblutung festgestellt werden. Mittels STR-Analyse konnte der von der Polizei asservierte Mageninhalt des Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts Dackels sowie die Anhaftungen in seinen Barthaaren dem Verstorbenen zugeordnet werden. Fall 2: Eine 44 Jahre alt gewordene Frau wurde tot im Wohnzimmer ihrer Wohnung aufgefunden. Der Leichnam zeigte fortgeschrittene Fäulnisveränderungen. In einem Nebenzimmer fand sich ein dehydriertes Kleinkind, außerdem befand sich in der Wohnung ein Hund. Bei der Obduktion der mit Maden besiedelten Leiche wurden flächenhafte Gewebsverluste festgestellt. Für einen Hundefraß typische Bissspuren fanden sich nicht. Aus dem in der Wohnung der Verstorbenen sichergestellten Hundekot ließ sich humane DNA gewinnen, aus der STR-Merkmale amplifiziert werden konnten. In beiden Fällen wurde die morphologische (Verdachts-)Diagnose eines postmortalen Hundefraßes durch molekulargenetische Untersuchungen bestätigt. V084 Genexpressionsstudien an postmortalen Geweben I – Möglichkeiten und Grenzen M Heinrich1, A Koppelkamm1, B Vennemann1, T Fracasso2, H Pfeiffer2, S LutzBonenegel1, U Schmidt1 1Institut für Rechtsmedizin, DNA-Labor, Freiburg, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Münster RNA-Moleküle galten lange Zeit als deutlich weniger stabil als DNAMoleküle. Es wurde vermutet, dass bereits kurze Zeit nach Todeseintritt eine nahezu vollständige Degradierung von RNA zu erwarten ist. In jüngerer Zeit haben jedoch mehrere Studien gezeigt, dass u.U. auch Tage nach Todeseintritt aus dem postmortalen Gewebe intakte RNA gewonnen werden kann. Die Extraktion intakter RNA aus postmortalem menschlichen Gewebe bietet vielfältige Möglichkeiten, nicht nur in der molekularen Todesursachenanalyse, sondern auch in der Analyse der normalen und pathologisch veränderten Expression von Genen, bei der man bisher vor allem auf Tiermodelle angewiesen war. In einer eigenen Studie konnten wir zeigen, dass auch aus humanem, postmortalem Gewebe, das im Rahmen von gerichtlich angeordneten Obduktionen gewonnen wurde, RNA in ausreichender Quantität und Qualität extrahiert werden kann, um quantitative Genexpressionsstudien zu ermöglichen. Es wurden zunächst geeignete Extraktionsmethoden und Aufreinigungsverfahren entwickelt. Anschließend wurde an einem größeren Probenkollektiv der Einfluss verschiedener äußerer Faktoren auf die Stabilität von RNA untersucht. Es sollen die eigenen Ergebnisse kurz vorgestellt und anschließend die Möglichkeiten postmortaler Genexpressionsstudien, aber auch die Schwierigkeiten und Grenzen dieser Methode diskutiert werden. V085 Genexpressionsstudien an postmortalen Geweben II – Besondere Anforderungen an die Normalisierung von qPCR-Daten A Koppelkamm1, T Fracasso2, H Pfeiffer2, B Vennemann1, S Lutz-Bonenegel1, M Heinrich1 1Institut für Rechtsmedizin, DNA-Labor, Freiburg, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Münster Bei der quantitativen Expressionsanalyse von Genen kommt häufig die quantitative real time PCR (qPCR) zum Einsatz, der eine reverse Transkription von RNA in cDNA vorangeschaltet wird. Um unterschiedliche RNA-Gehalte von Geweben, aber auch variable Extraktionsausbeuten und Effizienzen der reversen Transkription ausgleichen zu können, ist eine Normalisierung der erhaltenen quantitativen Daten unerlässlich. Lange Zeit galten die Expressionslevel einzelner endogener Kontrollgene („Housekeeping-Gene“), wie beispielsweise GAPDH oder ß-Actin, als geeignete Maße zur Datennormalisierung. Dagegen ist heute bekannt, dass eine Kombination von mindestens drei sehr gut validierten endogenen Kontrollgenen notwendig ist, um qPCR-Daten zu normalisieren. In unserer Studie wurde die Stabilität von zehn bekannten endogenen Kontrollgenen in postmortalem Gewebe untersucht. Dabei wurden fol-
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gende Faktoren berücksichtigt: Gewebeart, Todesursache, postmortales Intervall und Geschlecht. Der Einfluss der oben genannten Faktoren auf die Stabilität endogener Kontrollgene soll diskutiert werden. Außerdem soll aus den vorliegenden Daten eine Empfehlung bezüglich der Anzahl und der Art der zu verwendenden endogenen Kontrollgene für Genexpressionsstudien an humanem postmortalem Gewebe ausgesprochen werden V086 SNP-Typisierung der mtDNA mittels Pyrosequencing MA Ghulam1, P Wiegand2, W Du1, U Amara1, M Schneider1, E Miltner2, R Klein2 1Universitätsklinik für Anästhesiologie, Experimentelle Anästhesiologie, Ulm 2Institut für Rechtsmedizin Ulm, DNA-Labor, Ulm, Germany In der Forensischen Genetik werden bei Spuren mit degradierter DNA alternativ die SNPs (= single nucleotide polymorphisms) in der Kontrollregion der mtDNA untersucht. Standardmäßig erfolgt dabei eine Sequenzierung nach Sanger et al (1977)mit der Kapillarelektrophorese. Die dabei detektierten SNPs dienen der Zuordnung zu einzelnen Haplotypen bzw. ~gruppen und damit dem ethnischen Ursprung der untersuchten Probe oder dem Vergleich mit Verwandten aus der mütterlichen Linie. Zur Analyse von SNPs stehen neben der Sequenzierung mehrere Methoden zur Verfügung. Als eine neue Technologie wurde vor einigen Jahren das Pyrosequencing eingeführt. Mit Hilfe des Pyrosequencings sind die Genotypisierung eines SNPs sowie die Sequenzierung von Bereichen zwischen 70 bis 80 bp möglich. Zur Etablierung und Validierung des Pyrosequencings wurden zunächst mehrere SNPs der HV1 und HV2 der mtDNA in Speichelproben untersucht. Zum Vergleich wurden die Proben über die herkömmliche Sequenzierung auf einem ABI 3130 analysiert. Im Weiteren folgte die Untersuchung von Spuren (Zigarettenkippen, Haare und Knochen). Hierbei konnten sowohl für das Pyrosequencing als auch für die Sequenzierung übereinstimmende und valide Ergebnisse erzielt werden. Unterschiede zwischen den beiden Methoden ergaben sich im Hinblick auf die benötigten DNA-Mengen, die Analysezeit und die Länge der analysierbaren DNA-Abschnitte. Insgesamt wurde für das Pyrosequencing mehr DNA benötigt, die Analyse war innerhalb eines Tages durchführbar und degradierte DNA war verlässlich analysierbar. Damit ist das Pyrosequencing durch seine kurze Analysezeit gut geeignet, um Spuren mit degradierter DNA erfolgreich zu untersuchen. V087 Auffälligkeiten des mitochondrialen D-Loops beim Plötzlichen Kindstod T Rothämel1, I Reimann1, HD Tröger1, AS Debertin1 1Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Rechtsmedizin, Hannover, Germany Die mtDNA des kompletten D-Loops wurde in 80 SIDS-Fällen sowie 80 Kontrollen sequenziert, womit neben HV I, II und III auch die Zwischenbereiche und Kontrollregionen erfasst sind. Signifikante Differenzen zwischen der Fall- und Kontrollgruppe konnten hierbei ausschließlich in zwei umschriebenen Regionen festgestellt werden: In der non-HV I / non-HV II Region von nt16384 bis nt56 zeigten die SIDS-Fälle vermehrt Substitutionen; Pearson Chi-Square = 0,001 (hoch signifikant). Im HV III häuften sich bei den SIDS-Fällen AC-Insertionen (524.1A, .2C, 524.1A, .2C, .3A, .4C usw.); Mann-Whitney U, Pearson Chi-Square, Fisher’s Exact Test jeweils 0,003 (hoch signifikant). Einschließlich der bei den Kontrollen häufigeren AC-Deletion (523d, 524d) ergaben sich ebenfalls hoch signifikante Unterschiede (Mann-Whitney U = 0,002; Pearson Chi-Square = 0,004). Zusätzlich wurden die Sequenzdaten einer AMOVA unterzogen, die wiederum bezüglich der beiden genannten Regionen eine signifikante genetische Differenzierung ergab. Bleiben die Sequenzunterschiede in der non-HV I / non-HV II Region ohne eindeutigen funktionalen Bezug, ist durch die AC-Insertion oder
–Deletion im HV III die Region direkt oberhalb von MT-TFH, der HSP1Enhancer-Anbindungsstelle, betroffen. Ein möglicher Effekt auf die Transkription von für die oxidative Phosphorylierung wichtigen Polypeptiden als Agens beim SIDS ist vorstellbar und wird diskutiert. V088 STR System TH01 – Einfluss auf die Lebenserwartung? M Heinrich1, J Watzka1, S Lutz-Bonenegel1, A Koppelkamm1, B Vennemann2 1Institut für Rechtsmedizin, DNA-Labor, Freiburg, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Freiburg Das STR-SystemTH01 spielt sowohl in der forensischen Routine als auch in populationsgenetischen Studien eine wichtige Rolle. TH01 liegt im ersten Intron des Gens Tyrosinhydroxylase, dessen Genprodukt als Enzym zur Synthese von Katecholaminen fungiert. Da die Sequenz der Wiederholungseinheiten eine Erkennungsstelle für Transkriptionsfaktoren (Zinkfinger) ist, wird ein Zusammenhang zwischen bestimmten Allelen des Polymorphismus und der Expression des Gens vermutet. Eine Überexpression des Gens wird mit einem erhöhten Blutdruck sowie langfristig mit einem erhöhten Risiko für Herzhypertrophie in Verbindung gebracht. Darüber hinaus wird diskutiert, ob bestimmte TH01-Allele einen Einfluss auf die Lebenserwartung haben. In unserer Studie werden zwei Personengruppen aus dem Sektionsgut des Instituts gegenübergestellt: In der ersten Gruppe wurden Personen mit einem Sterbealter von bis zu 60 Jahren sowie einer natürlichen Todesursache zusammengefasst. Die zweite Gruppe umfasste Personen mit einem Sterbealter über 80 Jahren. In beiden Gruppen wurde der geschlechtsbestimmende Marker Amelogenin sowie der TH01-Polymorphismus in einer Duplex-PCR bestimmt. Durch eine Gegenüberstellung der Allelhäufigkeiten im STR-System TH01 soll analysiert werden, ob ein signifikanter Unterschied der Häufigkeit einzelner Allele zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden kann und somit die Vermutung, die dem TH01 Polymorphismus eine Bedeutung für die Lebenserwartung zuschreibt, in unserem Probenkollektiv relativiert oder gestützt werden kann. V089 Hauptvortrag Y-chromosomale DNA-Polymorphismen Y-chromosomale Marker in der forensischen Molekulargenetik R Lessig1, J Edelmann1 1Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig, Germany Der erste gonosomale Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus (RFLP) wurde bereits 1985 auf dem Y-Chromosom identifiziert (Casanova et al. 1985, Lucotte et al. 1985). Mit Entdeckung der autosomalen STRs auf den verschiedensten Chromosomen lag die Annahme nahe, dass derartige Sequenzen auch auf den Gonosomen zu erwarten sind. Roewer et. al beschrieben 1992 die ersten Y-chromosomalen STRs, z.B. das DYS19. In den darauf folgenden Jahren wurden zunächst Standards für den Einsatz verschiedener STRs geschaffen. So wurde 1997 der sog. minimal Haplotype und mit Einbeziehung des biallelischen Markers YCAII der extended Haplotype für die forensische Routine validiert. Die Kernmaker des minimal Haplotype sind heute in der Routine Standard und in sämtlichen kom merziell verfügbaren Kits enthalten. Sie stellen die Grundlage der Y-STR Datenbank – www.yhrd.org – dar. Die Zahl der beschriebenen Y-STRs hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen und weitere Untersuchungen zur Populationsgenetik werden durchgeführt. In der molekularen Anthropologie wurden SNPs zur Ermittlung der Haplogruppenhäufigkeiten untersucht. Diese sind auch in den Fokus der forensischen Molekulargenetik gerückt, da sie für die Detektion der Y-Haplogruppenzugehörigkeit eingesetzt werden können. Für diese Untersuchung existiert mittlerweile ebenfalls eine ausreichend hohe Anzahl von SNPs. V090 Hauptvortrag X-chromosomale DNA-Polymorphismen Typisierung X-chromosomaler und autosomaler STR-Haplotypen mit geringer Rekombinationsrate und deren Benefit für den Abstammungstest R Szibor1,2 1Institut für Rechtsmedizin, Magdeburg, Germany 2Otto-von-Guericke-Universität , Magdeburg, Germany
Seitdem die Abstammungsdiagnostik eine Fülle von STRs zur Verfügung hat, sind Standardsituationen normalerweise leicht lösbar. Weitläufige Verwandtschaft nachzuweisen, bleibt dagegen schwierig. STRs, die meist mit Allelhäufigkeiten zwischen 5 und 40 % einhergehen, führen oft nicht zu ausreichend hohen Wahrscheinlichkeitswerten, weil hier Merkmalsübereinstimmungen zwischen Personen auch zufällig bestehen können. Selten auftretende Allele, die beweisend sein könnten, sind naturgemäß auch nur selten involviert. Ein effektives Verfahren ist es, anstatt einzelner STR-Allele Allelkombinationen von STR-Clustern als nicht-rekombinierende Haplotypen in die Testung einzuführen. Diese sind als genetische Merkmale mit geringer Frequenz sehr aussagekräftig. Unsere Arbeitsgruppe aus Magdeburg, Leipzig, Dresden und Hamburg arbeitet daran, rekombinationsarme STR-Cluster auf dem X Chromosom forensisch zu validieren. Mit solchen können komplexe Abstammungsfragen geklärt werden. In Einzelfällen funktioniert das auch für autosomale STRs. Beispiele werden vorgestellt. V091 Zwei Fallbeispiele zur Anwendung X-chromosomaler Haplotypen in Defizienzfällen S Hering1, J Edelmann2, C Augustin3, J Dreßler1, R Szibor4 1TU Dresden, Institut für Rechtsmedizin, Dresden, Germany 2Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig 3Universität Hamburg, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg 4Universität Magdeburg, Institut für Rechtsmedizin, Magdeburg Unter der Vielzahl forensisch etablierter X-chromosomaler STR-Marker finden sich auch Cluster eng gekoppelter Marker, die als stabile Haplotypen vererbt werden. Die Übereinstimmung seltener Haplotypen kann erheblich zur Klärung schwieriger Defizienzfälle beitragen. Fall 1: Zur Identifizierung einer weiblichen Brandleiche stand lediglich die Vergleichsspeichelprobe eines Bruders zur Verfügung. Die Analyse von 15 autosomalen STR-Markern ergab 18 übereinstimmende Allele. Prinzipiell besteht jedoch bei der Typisierung von nur zwei Geschwistern keine Ausschlusschance, wenn sie unterschiedlichen Geschlechts sind. Die Analyse X-chromosomaler Marker ergab, dass die Geschwister in drei der vier Kopplungsgruppen des 160 Mb umfassenden X-Chromosoms von der Mutter identische Markerpaare ererbt haben können. Somit konnte die vermutete Identität der Brandleiche bestätigt werden. Fall 2: Am Beispiel einer Großfamilie mit drei Schwestern wurde versucht, die Abstammung vom gleichen Vater zu beurteilen. Da in der jüngsten Generation der Stammbäume männliche Nachkommen vorhanden waren, konnten X-chromosomale Haplotypen eng gekoppelter Marker bestimmt werden. Die Rekonstruktion der Haplotypen der drei Schwestern ermöglichte die Beurteilung deren väterlicher Abstammung. V092 Hauptvortrag Schussverletzungen Irrtümer in der Wundballistik MA Rothschild1, BP Kneubuehl2 1Universität, Institut für Rechtsmedizin, Köln, Germany 2Universität, Institut für Rechtsmedizin, Bern, Switzerland Durch die Entwicklung und Standardisierung von Simulanzien (Gelatine, Glyzerinseife, Polyurethan) sowie die Möglichkeiten der Dokumentation mit modernen Hochgeschwindigkeitskameras konnten in den letzten Jahren wesentliche Erkenntnisse in der Wundballistik erzielt werden. Nachfolgend findet sich eine Auswahl von zum Teil jahrzehntelang als gültig angesehenen Annahmen, die aufgrund neuerer Untersuchungsergebnisse teils bestätigt, überwiegend aber revidiert werden mussten. Einfache Irrtümer wie die Vorstellung, dass man durch den Treffer mit einem Geschoss aus einer Faust- oder Handfeuerwaffe einen Menschen umwerfen oder gar zurückschleudern kann, ließen sich schon durch einfache mathematische Überlegungen (Impulserhaltungssatz) korrigieren. Der Schuss senkrecht in die Luft galt lange als ungefährlich (z.B. Warnschuss durch die Polizei). Durch die sog. Fallschirmgeschwindigkeit eines Geschosses lässt sich aufzeigen, dass Geschosse sämtlicher KurzRechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts und Langwaffen beim Zurückfallen auf die Erde eine Energiedichte > 0.1 J/mm2 aufweisen und damit potentiell lebensgefährlich sind. Die Annahme, dass bei Knochentreffern freigesetzte Knochensplitter ihrerseits wie Sekundärgeschosse wirken können, konnte durch Experimente mit Simulanzien und konsequente Beobachtungen widerlegt werden. Den Knochensplittern, die zumeist nur eine geringe Masse haben, wird eine viel zu geringe Energie übertragen, als dass sie ein eigenes Verletzungspotenzial aufweisen könnten. Bei Kopfschüssen glaubte man lange, dass die sich radial von der Einschussöffnung über den Schädel ausbreitenden sekundären Frakturlinien durch die Fortleitung der Energie im Schädelknochen entstehen würden. Tatsächlich handelt es sich um Berstungsbrüche, die durch den sich im Schädelinneren aufbauenden hydraulischen Druck infolge der temporären Höhle entstehen. Die Gefährlichkeit von in absoluter Nähe abgegebenen Schüssen aus Schreckschusswaffen konnte durch experimentelle Untersuchungen und mathematische Überlegungen bestätigt werden: Aufgrund der hohen Mündungsgeschwindigkeit verfügt der austretende Gasstrahl (Jet) bei Auf treffen auf die Körperoberfläche über eine derart hohe Energiestromdich te, dass diesem Massenstrom der Charakter eines Geschosses zukommt. Die lange kontrovers diskutierte Entstehung des „Schürfsaumes“ bei Einschussverletzungen konnte durch verschiedene Arbeitsgruppen zu einem Ende gebracht werden: Beim Auftreffen des Geschosses werden Hautpartikel tangential mit hoher Geschwindigkeit weggeschleudert. Zusätzlich wird durch die radiale Beschleunigung der Haut das Gewebe überdehnt. Es entsteht ein Kontusionsring. Aber auch eine andere sprachliche Ungenauigkeit ließ sich erhellen: Querschläger vs. Abpraller (Ricochet). Von einem Abpraller wird gesprochen, wenn ein stabil fliegendes Geschoss auf seiner Flugbahn in Kontakt mit einer Struktur (z. B. Wand, Ast etc.) tritt. Bei kleinen Auftreffwinkeln (< a. 2°) fliegt das Geschoss Spitze voran weiter, bei größeren Auftreffwinkel beginnt es stark zu nutieren und erhält so den Charakter eines Querschlägers (große Anstellwinkel), allerdings nur so lange, bis die Nutation wieder abgeklungen ist (Flugdistanz einige hundert Meter). Danach fliegt das Geschoss wiederum stabil, gelegentlich jedoch auch heckvoran. Ein echter Querschläger ist ein ohne oder mit zu geringem Drall verschossenes Geschoss (z. B. bei ausgeschossenem Lauf), welches um eine Querachse rotiert und diese Rotation auch ständig beibehält. Die vermutlich weitest reichenden Erkenntnisse erbrachte die moderne wissenschaftliche Wundballistik durch die Einführung der Kriterien „Wirkung“ und „Wirksamkeit“ bei der Gefährdungsbeurteilung von Geschossen. Durch die Einführung der Definition der Energieabgabe eines Geschosses pro cm Wundkanal ließen sich vernünftigere und „humanere“ Zulassungskriterien für Internationale Abkommen die Schusswaffen von Soldaten betreffend vereinbaren. V093 Bestimmung ballistischer Parameter des Fluidstrahls von kartuschenbetriebenen Schussapparaten M Frank1, E Franke2, B Bockholdt3, N Frank1, A Ekkernkamp1, K-P Philipp3 1Universität Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany 2PTB, Braunschweig 3Universität Greifswald, Institut für Rechtsmedizin, Greifswald Fragestellung: Schussapparate zur Schädlingsbekämpfung unterliegen der Beschussverordnung und sind bei Volljährigkeit frei erhältlich. Die Geräte werden mit einer Kartusche (9x17) geladen und in den Wühlmausgang eingebracht. Die Maus triggert die Explosion durch einen Mechanismus vor der Mündung und wird durch den hohen Gasdruck getötet. Unsachgemäßer Gebrauch kann zu schweren Verletzungen durch den Gasstrahl führen. Ziel der Untersuchung ist die Ermittlung bisher unbekannter ballistischer Größen des austretenden Fluidstrahls. Methoden: Zur Bestimmung des Explosionsdruckes wurde ein Schussapparat (Auber, Deutschland) zur Aufnahme eines piezoelektrischen Druckaufnehmers (Kistler, Schweiz) umgebaut, um den Explosionsdruck direkt im Kartuschenlager zu messen.
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Zur Messung der dynamischen Kraft des Fluidstrahls wurde eine Testbank konstruiert. Ein Quarz Kraftsensor (Kistler, Schweiz) wurde in variablem Abstand zur Mündungsöffnung des Schussapparates angebracht. Jeweils drei Schüsse im Abstand von 25cm, 15cm, 10cm, 5cm, 2,5cm und 0,3cm wurden untersucht. Ergebnis: Der Explosionsdruck erreicht Werte bis zu 1000 bar. Die Kraft des Gasstrahls zeigt bei Abnahme der Distanz einen exponentiellen Anstieg. Die Kraftwerte liegen zwischen 500 N (25 cm Distanz) und 11400 N (0,3 cm Distanz). Aus der simultanen experimentellen Bestimmung von Explosionsdruck und dynamischer Kraft ließen sich Parameter der Ausbreitungsdynamik berechnen. Schlussfolgerung: Die Arbeit liefert den ballistischen Hintergrund für die klinisch beobachteten massiven Gewebezerstörungen. Die Bauart der Geräte (Mündung unmittelbar am Kartuschenmund) charakterisiert die Ausbreitungsdynamik des Gasstrahls. V094 Erweiterter Suizid mit Tötung der Ehefrau und zweier Hunde mittels eines Bolzenschussgerätes L Hagemeier1, B Madea1 1Universität Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Suizide mit Bolzenschussgeräten sind in der Literatur vielfältig beschrieben. Dabei fand sich in seltenen Fällen auch der Einsatz von Bolzenschussgeräten als Mordwaffe. Bisher nicht beschrieben ist der Fall eines erweiterten Suizides. In dem hier vorgestellten Fall sind die Ehefrau und die zwei auf dem Anwesen lebenden Hunde durch Bolzenschussverletzungen getötet worden. Dabei wurden bei der Obduktion der Ehefrau zwei Bolzenschussverletzungen im Schädel festgestellt. Die Abgabe eines zweiten Bolzenschusses in den Schädel ist extrem selten. So sind in der Literatur lediglich 5 Fälle einer mehrfachen Anwendung von Bolzenschussgeräten ausgewiesen. Diese wurden jedoch jeweils in suizidaler Absicht ausgeübt und setzten eine erhaltene Handlungsfähigkeit des Suizidenten voraus. In dem hier beschriebenen Fall wurde der 70 Jahre alte Ehemann, der von Beruf Fleischermeister gewesen war, mit noch im Schädel steckendem Bolzenschussgerät auf dem Rücken liegend aufgefunden. In Verbindung mit den Ermittlungsergebnissen der Polizei ist von einem Tathergang auszugehen, bei dem der Mann erst seine Ehefrau und die Hunde tötete und sich dann selbst mit dem Bolzenschussgerät tötete. Bei den Obduktionen der Eheleute zeigten sich bei beiden Leichen die für Bolzenschussgeräte typischen Befunde: 1) Schmauchspuren im Bereich um den Hautdefekt, 2) ein runder Stanzdefekt der Haut und des darunter gelegenen Schädelknochens, 3) Knochenfragmente im Schusskanal sowie 4) eine über die Bolzeneindringtiefe hinausreichende Zerstörungszone des Gehirns mit Einblutungen. In der Fallbeschreibung wird ferner auf die Mechanik und Funktion des verwendeten Bolzenschussgerätes eingegangen. V095 Selbstgebaute Schussapparate mit Verwendung einfacher Zündstifte: Drei Falldarstellungen S Hartwig1, S Schmidt1, M Tsokos1 1Institut für Rechtsmedizin der Charité, Berlin, Germany Drei Suizidfälle werden beschrieben, bei denen tödliche Kopfschusswunden vorlagen, die durch das Verschießen von üblicher Munition mittels selbst konstruierter Schussapparate entstanden. Bei den Suizidenten handelte es sich um 27 Jahre alte Zwillingsbrüder und einen 53 Jahre alten Mann. Die Schussapparate bestanden aus maschinell bearbeiteten Metallrohren und einem Metallblock mit zentraler Bohrung. Bei dem Zwillingspaar wurden 12 mm Schrotpatronen und bei dem Mann Munition des Kalibers 7,65 mm verwendet. Der Zündmechanismus bestand in allen Fällen aus einem einfachen Zündstift, der in den beiden ersten Fällen mittels eines Hammers und im dritten Fall jeweils mittels eines Steines in den Patronenboden geschlagen wurde. Während selbst her-
gestellte Feuerwaffen in Ländern oder Gruppen mit beschränktem Zugang zu Schusswaffen verbreitet sind und dort vorwiegend kriminellen Zwecken dienen, lässt die Art der Konstruktion der hier vorgestellten Schussapparate und insbesondere der umständliche Zündmechanismus auf eine suizidgebundene Gebrauchsintention schließen. V096 Der mobile Einzelfingerscanner Cross Match® MV5 in der Leichendaktyloskopie: Sind mobile Einzelfingerscanner für den Einsatz bei Massenkatastrophen geeignet? D Breitmeier1, B Landmesser2, Y Schulz1, A Fieguth1, K Albrecht1 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany 2Kriminaltechnisches Institut des Landeskriminalamtes Niedersachsen, Hannover, Germany Die Daktyloskopie als spezielles Gebiet im Erkennungsdienst ist ein geeignetes Mittel zur Identifizierung unbekannter Toter aber auch zur Aufklärung von Straftaten durch Abdrucknahmen am Lebenden. Durch mobilere und kompaktere Geräte soll die Abbildung von Fingerbeeren und Handflächen auch bei Massenkatastrophen erleichtert werden. Am Lebenden und an der Leiche wurde untersucht, welche Möglichkeiten und Grenzen bei dem mobilen Einzelfingerscannern Cross Match® MV5 zu erwarten sind und ob er für den Einsatz bei Massenkatastrophen zu empfehlen ist. Das Gerät wurde bei 12 Leichen im Alter zwischen 5 Wochen und 76 Jahren (mittlere Leichenliegezeit 5,5 Tage) und an 28 Lebenden im Alter zwischen 6 Wochen und 87 Jahren eingesetzt. Insgesamt war der Scanner am Lebenden über alle Altersgruppen hinweg geeignet, ein qualitativ gutes Abdruckmaterial zu erzeugen. An der Leiche war der Scanner nur bedingt geeignet, auswertbares Abdruckmaterial zu erbringen. Insbesondere machten zuvor eingerußte Finger, auch nach der Reinigung, bzw. dunkel lila-bläulich gefärbte Fingerbeeren erheblich Probleme. Ausgeprägte Totenstarre erschwerte deutlich das Handling mit dem Scanner. An der frischen Leiche ist der Scanner uneingeschränkt zu empfehlen. Bei einer Ablösung der Oberhaut war der Scanner ferner in der Lage, auswertbare Abdruckbilder von der Lederhaut des Kleinfingerballens zu erzeugen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Scanner am Lebenden und an der frischen Leiche nach erforderlichen Modifikationen uneingeschränkt einsetzbar ist. Trotz ausreichender Abbildungen der Lederhaut, ist der Einsatz des Scanners an Leichen mit fortgeschrittenen Veränderungen nur eingeschränkt zu empfehlen.
der Barriere in einer Zone von 0 – 3 cm lag und mit zunehmender Entfernung charakteristisch weiter von der Barriere abrückte. Der Längenbreitenquotient sowie die Spurengröße nahmen mit wachsender Distanz zum Schlagzentrum zu, die Gesamtspurenanzahl verhielt sich rückläufig. Schlussfolgerungen: Dem Blutspurenbild hinter Barrieren liegen reproduzierbare physikalische Gesetzmäßigkeiten zugrunde, die praxisrelevante Rückschlüsse zur Tathergangsrekonstruktion liefern können. V098 Elternmord in Deutschland S Wutz1, P Neidenbach2, R Lessig1 1Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig, Germany 2AO Foundation, Zürich Im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „innerfamiliäre Gewalt“ des Rechtsmedizinischen Institutes Leipzig, sollte die seltene Täter-OpferKonstellation „Kind tötet Eltern“ genauer untersucht werden. Nur wenige Veröffentlichungen zu diesem Thema mit niedrigen Fallzahlen sind vorhanden. An sämtlichen deutschen Instituten für Rechtsmedizin wurde angefragt, ob Sektionsprotokolle mit der entsprechenden Täter-Opfer-Konstellation vorliegen und darum gebeten, diese zuzusenden. Der Tatzeitraum wurde auf die Jahre 1999 bis 2006 begrenzt. Kinder gelten hier als biologische Nachkommen, so dass keine Altersbeschränkung der Täter vorgenommen wurde. Anhand der Sektionsprotokolle konnten die zugehörigen Staatsanwaltschaften festgestellt werden, bei denen die vollständigen Akten der entsprechenden Fälle angefordert wurden. Die Akten wurden insgesamt gesichtet und bei Übereinstimmung mit den Einschlusskriterien anhand einer Access Datenbank ausgewertet. Besonders berücksichtigt wurden dabei die Sektionsprotokolle, die psychiatrischen und psychologischen Gutachten, die Urteile und falls vorhanden Revisions – und Berufungsschriften. Insgesamt konnten 139 Fälle in die Auswertung einbezogen werden. Der überwiegende Anteil der Täter war männlich. In unserem Untersuchungsgut begingen nur 11 % Frauen den Elternmord. Das Durchschnittsalter der Täter lag bei 29,9 Jahren für Söhne und bei 32,2 Jahren für Töchter, wobei die Alterspanne zwischen 13 und 59 Jahren lag. Am häufigsten trat der Tod in Folge stumpfer oder scharfer Gewalteinwirkung ein. Nur in 1/10 der Fälle kamen Schusswaffen zum Einsatz. Weitere Auswertungen und detaillierte Ergebnisse der Studie werden vorgestellt.
V097 Blutspritzspuren hinter Barrieren im Modellversuch A-L Skawran1, R Schulz1, H Pfeiffer1 1Institut für Rechtsmedizin, Münster, Germany
V099 Ein ungewöhnlicher Fall von Kindesmisshandlung J Görndt1, M Schulte-Markwort2, K Püschel1 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany 2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik, Hamburg, Germany
Fragestellung: Das Blutspurenverteilungsbild hinter Barrieren wurde experimentell untersucht. Methoden: Mit einer Schlagapparatur wurde mit je 5 ml Schweineblut ein Spurenbild auf unterschiedlichen Spurenträgern (Papier, Tapete und Baumwollstoff) erzeugt. Die Spurenträger wurden horizontal kontinuierlich bis zu einer Entfernung von 4,5 m sowie als vertikale Barriere in Abständen von 30 cm mit einer Höhe von 20 cm im rechten Winkel zum Schlagzentrum positioniert. Es wurden je 8 Versuche mit unterschiedlichen Schlagenergien durchgeführt. Zur Blutspurenbildinterpretation wurden die Parameter Spurenanzahl, Spurengröße sowie der Längenbreitenquotient ausgewertet. Ergebnisse: Horizontal war die max. aufgefangene Spurenanzahl zu finden bei einer Entfernung zwischen 30 und 60 cm vom Schlagzentrum. Vertikal wurde das Anzahlmaximum schlagzentrumsnah in einer Höhe zwischen 12 und 18 cm aufgefangen. Mit weiterer Entfernung fand sich eine Progredienz des Längenbreitenquotienten bis hin zu klassischen Rufzeichenspuren. Auffällig war die hohe Spurenanzahl hinter den Barrieren, wobei hier das Maximum schlagzentrumsnah unmittelbar hinter
Ein neunjähriger Junge wurde – angeblich wegen Verwahrlosung nach tödlichem Autounfall der Mutter – in einer Pflegefamilie aufgenommen. Verhaltensauffälligkeiten wie Einkoten und tagelanges Verstecken im Schrank, in Kombination mit dem Fund eines Fotos, das den Jungen mit unbekleidetem Unterkörper zeigte, weckten bei der Pflegemutter den Verdacht auf einen sexuellen Missbrauch in der Vorgeschichte. Nach Aufforderung, sich ihr anzuvertrauen, sprach der Junge eine erschreckende Geschichte auf ihr Diktiergerät: Er schilderte detailliert, dass seine Mutter von ihrem Lebensgefährten getötet und anschließend in der Badewanne mit einer Säge zerteilt worden sei. Durch die Pflegemutter wurde die Polizei eingeschaltet. Die Ermittlungen ergaben, dass die Mutter des Jungen beim Standesamt nicht als verstorben registriert war. Zudem lag die Anzeige eines Nachbarn vor, den wechselnde Erklärungen zu einem angeblichen Unfalltod der Frau misstrauisch gemacht hatten. – Bei der nun erfolgten Wohnungsdurchsuchung mit Spurensicherung wurden eine Bügelsäge mit Blutantragungen sowie Zahnkronen und Blutantragungen im Badewannenabfluss sichergestellt. Trotz genauer Angaben des Jungen, wo der Lebensgefährte die Leichenteile der Mutter entsorgt haben sollte, Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts wurden diese nie gefunden. Vier Jahre später kam es zur Anklage wegen Totschlags. Das (ungewöhnliche) Urteil – 3 Jahre und 10 Monate Gefängnis, kein Tötungsdelikt sondern „nur“ Kindesmisshandlung – wurde entscheidend beeinflusst durch das kinderpsychiatrische Gutachten, laut dem kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Jungen bestanden habe. V100 Vermummung – Sackgasse der Biometrie? K Kreutz1, F Ramsthaler2, MA Verhoff3 1Institut für Forensische Anthropologie, Wettenberg 2Universität Frankfurt am Main, Zentrum für Rechtsmedizin, Frankfurt / Main 3Universität Gießen, Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Germany Im Alltag des forensich-anthropologisch tätigen Sachverständigen ist der vermummte Täter keine Seltenheit. Wenn der Körper vollständig bekleidet, der Kopf und das Gesicht des Täters nicht mehr in seinen morphologischen Details wahrzunehmen ist, kann es notwendig werden, dynamische Strukturen und Muster aufzudecken, die dem Täter eigen sind und eine Personenidentifizierung ermöglichen. Anhand einer Untersuchung zzgl. Videoaufzeichnungen an 15 erwachsenen Probanden ist ein Ansatz zur Analyse von Bewegungsmustern mit und ohne Vermummung durchgeführt worden, um das Problem der Anwendbarkeit biometrischer Erkennungsverfahren bei vermummten Personen zu durchleuchten. Es ist das Ziel, einen Katalog von beschreibbaren, universellen und gleichzeitig einmaligen Grundelementen der Bewegung und der Bewegungsmuster zu erstellen, mit dem forensisch-anthropologisch in der Biometrie zuverlässig gearbeitet werden kann. V101 Ertrinken im Swimming-pool – ein klarer Fall? K Trübner1, A Klöppel1, T Daldrup2, A Rickert2, T Bajanowski1, B Schmalhausen3 1Universitätsklinik, Institut für Rechtsmedizin, Essen, Germany 2Universität, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany 3Staatsanwaltschaft, Essen, Germany Ein 63-jähriger Zahnarzt wurde tot unter einer Plane im Swimmingpool seines Hauses aufgefunden. Die Obduktion ergab eindeutige Ertrinkungsbefunde, keine Hinweise auf eine Gewalteinwirkung und im Wesentlichen morphologisch unauffällige, altersentsprechende Befunde. Da eine Ursache für das Ertrinken weder durch histologische Untersuchungen noch durch die BAK (0,59 o/0o) angegeben werden konnte, wurde nachträglich eine toxikologische Untersuchung von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben. Dabei wurden Diazepam in einer Konzentration von 0,7µg/ml im Blut nachgewiesen. Im Rahmen der kriminalistischen Ermittlungen geriet die Ehefrau in Verdacht, weil sie Rezepte für Diazepam-Tropfen gefälscht hatte und zuvor einen Mörder für ihren Mann angeheuert haben soll. In einem aufwändigen Indizienprozess mit zahlreichen klinischen, toxikologischen und rechtsmedizinischen Gutachtern wurde die Ehefrau in erster Instanz wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilt. Die eingelegte Revision wurde durch den BGH verworfen. V102 Procalcitonin (PCT) als postmortaler Sepsismarker I – Anwendung bei längerer Leichenliegezeit S Schalinski1, M Tsokos1, V Püschel2 1Universitätsmedizin Berlin, Charité, Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Germany 2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 154.000 Menschen an einer Sepsis. Die Inzidenz entspricht mit ca. 220 Fällen pro 100.000 Einwohner in etwa der des Herzinfarktes. Trotz der Weiterentwicklung intensivme-
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dizinischer Therapiestrategien hat sich die Letalität der Sepsis (35-70%), bei gleichzeitig steigender Inzidenz der Erkrankung, nicht vermindert. Die mit Multiorganversagen einhergehende Sepsis ist heute die führende Todesursache auf nicht-kardiologischen Intensivstationen. Da die makroskopischen und mikroskopischen Befunde bei Sepsis abgesehen von septikopyämischen Abszessen völlig unspezifisch und nicht pathognomonisch sind, bietet der Einsatz immunhistochemischer und insbesondere biochemischer Marker weitere Möglichkeiten in der postmortalen Sepsisdiagnostik. Procalcitonin (PCT) mit seiner hohen Spezifität und Sensitivität für das Vorliegen einer Sepsis zum Todeszeitpunkt und einer guten ex vivo Stabilität wurde bislang lediglich im postmortalen Intervall bis 72 Stunden genauer untersucht. In der Praxis finden Obduktionen jedoch häufig erst >72 Stunden Leichenliegezeit statt. In dieser Studie wurden postmortal in Abständen von 24 Stunden PCTWerte in Serum aus Venenblut von klinisch diagnostizierten Sepsis-Fällen und einer Kontrollgruppe erfasst und ausgewertet, um die Anwendbarkeit von PCT als Sepsismarker auch bei einer Leichenliegezeit von >72 Stunden zu eruieren. V103 Hauptvortrag Problemorientierte Lehre Problem-Orientiertes Lernen im Medizinstudium und der Rechtsmedizin in Dresden P Dieter1 1Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden, Studiendekanat, Dresden, Germany Beim traditionellen Lernen (Lehren) besteht der größte Teil des Unterrichtes in der Faktenvermittlung. Diese Faktenvermittlung findet statt (in unterschiedlichen Gruppengrößen) in Vorlesungen, Kursen, Seminaren, Praktika oder Unterricht am Krankenbett. Die Vorlesungen, meist gehalten von Professoren, nehmen dabei oft den größten Lehranteil ein. Die „Gesamtpräsenzlehrstunden/Woche“ betragen oft Werte > 40. Beim POL oder PBL (Problem Based Learning) sollen die Studierenden an Hand einer Problemdarstellung sich möglichst selbständig und aktiv die Fakten erarbeiten. Die Problemdarstellung ist oft ein (authentischer) Patientenfall. In Kleingruppen/Tutorien (Gruppengröße < 10) wird den Studierenden dieser Patientenfall sukzessive ausgehändigt und die Studierenden sollen „Anamnese, Diagnose und Therapie simulieren“. Dabei werden sie von einem ausgebildeten Tutor unterstützt, der nicht die Rolle des Faktenvermittlers übernimmt, sondern eher die Rolle eines Moderators. Ein großer Teil des Unterrichtes im POL findet in diesen Tutorien statt, Vorlesungen, Kurse und Seminare sind reduziert. Die Lehre in diesen Kleingruppen bedeutet einen erhöhten Bedarf an Lehrkräften. POL bedingt, dass der Anteil des Selbststudiums der Studierenden ansteigt, die „Gesamtpräsenzlehrstunden/Woche sollen Werte < 25 betragen. Dieses erhöhte Selbststudium erfordert eine veränderte Infrastruktur: ein größeres Angebot an Lehrmaterial (Bücher), ein größeres Angebot an Leseraum, Lehrräumen und ein größeres Angebot an PC Arbeitsplätzen. DIPOL® ist ein Hybridcurriculum und wurde in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School (Boston/USA) in Dresden implementiert. Die Dresdner Fakultät wurde für diese Reform vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur einzigen Medizin-Reformfakultät in Deutschland ernannt. Altbewährte (Vorlesungen, Seminare, Kurse, Praktika, Unterricht am Krankenbett) und neue Lehrmethoden (POL, Kleingruppen) finden -sinnvoll aufeinander abgestimmt- ihren Platz in der Lehre. Die „Gesamtpräsenzlehrstunden/Woche“ wurden von 40 auf Werte um 20 reduziert. Die Lehre findet fächerübergreifend in Modulen und Blockkursen statt. Es gibt ein „Thema der Woche“ (entspricht oft den Lehr- und Lerninhalten des Patientenfalles), zu dem oft über 10 Disziplinen ihren Lehranteil beitragen. Die Lehr- und Lerninhalte aller Lehrveranstaltungen in der Woche richten sich an diesem Thema aus. Die Integration der Rechtsmedizin in DIPOL® wird dargestellt.
V104 Lehrkooperationen im Bereich der forensischen Wissenschaften O Grundmann1, M Tsokos2, I Tebbett1 1University of Florida, Forensic Sciences Distant Education Program, Casa Grande, AZ, United States 2Charite Universitätsmedizin, Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Germany Lehrkooperationen im Bereich der forensischen Wissenschaften sind noch relativ jung, aber die ersten Erfolge einer internationalen Kooperation der University of Florida mit Instituten in Südamerika, Australien und Großbritannien soll hier vorgestellt werden. Das Programm wurde ursprünglich für Labormitarbeiter angeboten, um die verschiedenen Grundlagen der forensischen Disziplinen wie Toxikologie, Analytik sowie DNS- und Serologie zu vermitteln. Schnell gewann das Programm an Popularität und hat mittlerweile weltweit über 600 Studenten. Das Studienangebot umfasst vier verschiedene Schwerpunkte, die alle mit einem Master of Science abgeschlossen werden können. Ebenfalls sind Zertifizierungen in den Gebieten Toxikologie, Analytik, Todesuntersuchung, Umweltforensik und Serologie möglich. Das modulare Studium wird derzeit komplett online in Englisch angeboten und erlaubt Vollzeitbeschäftigten mit einer naturwissenschaftlichen Grundausbildung eine selbstkontrollierte Weiter- und Ausbildung. V105 Studentische Wahrnehmung des Unterrichts an Verstorbenen im Kurs Rechtsmedizin S Anders1, D Fischer-Brügge1, M Fabian1, T Raupach2, D Klusmann3, S Harendza4 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany 2Georg-August-Universität Göttingen, Abteilung Kardiologie und Pneumologie, Göttingen 3Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg 4Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg Aus Gesprächen und aus freien Kommentaren der Evaluation war ersichtlich, dass der Kurs Rechtsmedizin in Hamburg von den Studierenden zwar als gut bewertet, der Anteil Leichenschau mit 4 Stunden praktischen Unter richts an Verstorbenen jedoch als ein in emotionaler Hinsicht starkes Erleb nis gekennzeichnet wird. Auf Grund von teilnehmender Kursbeobachtung und Fokusgruppen wurden Fragebögen entwickelt, um die studentische Wahrnehmung des Kurses genauer zu erfassen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewertung und die Einstufung der Wichtigkeit des Themas Leichenschau durch den Kurs positiv beeinflusst wurden. Der Großteil der Studierenden nahm den Unterricht am Verstorbenen als nicht problematisch wahr, nahezu 80% gaben an, von dieser Erfahrung einen persönlichen Gewinn gehabt zu haben. Der subjektive Lernerfolg zur Thematik „Leichen schau“ wurde als geringer eingeschätzt, als dies die Ergebnisse der standardisierten praktischen Leistungsüberprüfung wiederspiegelten. Hierfür sind u.E. emotionale Effekte verantwortlich. Trotz der insgesamt guten bis sehr guten Bewertung und Wahrnehmung des Kurses bzw. des Unterrichts am Verstorbenen löste der Kurs bei mehr als 18% der Studierenden starke emotionale Effekte aus, die für die Studierenden umgehend wahrnehmbar waren. Wenigstens die Hälfte hatte einen Bedarf nach einem verbalen Austausch über das Erlebte. Diese Beobachtungen sollten bei der Kurskonzeption sowie bei der studentischen Betreuung Beachtung finden, um negative Effekte auf den Lernerfolg und auf die langfristige Wahrnehmung der Thematik im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit zu vermeiden. V106 Rekonstruktion komplexer Unfall-/Tathergänge mittels dreidimensionaler Dokumentations- und Analysemethoden S Näther1, U Buck1, C Jackowski2, S Ross1, M Thali1 1Institut für Rechtsmedizin Bern, Zentrum Forensische Bildgebung, Bern, Switzerland 2Institut für Rechtsmedizin Bern, Medizin, Bern
Die Untersuchung von Verkehrsunfallopfern gehört zur täglichen Routine in der forensischen Medizin. Eine exakte geometrische Erfassung der Körperoberfläche des Unfallopfers, des involvierten Fahrzeuges und des Unfallortes ist besonders bedeutsam für die Rekonstruktion eines komplexen Unfallereignisses. Neben der Dokumentation äußerer Befunde liefern die radiologischen Bildgebungsverfahren Computertomographie und Magnetresonanztomographie zusätzliche Erkenntnisse zur Entstehung der Verletzungen und daher zum Unfallhergang. Die Körperoberfläche, die involvierten Fahrzeuge sowie einzelne bedeutsame Spuren am Unfallort werden mittels 3D optischem Oberflächenscanning (GOM, Braunschweig) hochgenau erfasst. Der Unfallort wird mittels Photogrammetrie und Laserscanning dreidimensional aufgenommen. Durch den virtuellen Vergleich der Beschädigungen an Fahrzeugen und Gegenständen mit den Verletzungen des Unfallopfers und unter Berücksichtigung aller weiteren ereignisrelevanten Spuren vor Ort kann der Hergang des Ereignisses rekonstruiert werden. Am Fallbeispiel einer Kollision zwischen einer Frau und einem Geländewagen in einer Garage wird die Methodik erläutert. Ein Mann fuhr rückwärts soweit in die Garage ein, dass die ihn einweisende Frau zwischen Fahrzeugheck und einem Regal eingeklemmt wurde und tödliche Verletzungen erlitt. Aufgrund der Fallumstände war die Hauptfrage, ob es sich bei dem Ereignis um einen Unfall oder ein Tötungsdelikt handelte. Die Zusammenführung aller erfassten Daten und eine umfassende maßstäbliche, geometrisch korrekte Rekonstruktion des Ereignisses lieferte Erkenntnisse, die mit herkömmlichen Methoden nicht zu gewinnen waren. V107 Statistische Auswertung der sonographischen Untersuchungen in der Rechtsmedizin V Wenzel1, U Böhm1, M Weber1, S Wutz1, G Gelbrich2 1Universität Leipzig, Rechtsmedizin, Leipzig, Germany 2Universität, Coordination Center for Clinical Trials, Leipzig, Germany Mit Beginn des Jahres 2002 wurde die Ultraschalluntersuchung am Leipzi ger Institut für Rechtsmedizin als Routineuntersuchung bei der Feststellung von Verletzungsfolgen, Hämatomen, etabliert. Es wurde im Rahmen der Durchführung von rechtsmedizinischen Obduktionen ergänzend zum üblichen Obduktionsprocedere mittels Ultraschall auf Verletzungsfol gen untersucht. Mit verschiedenen Untersuchungen an Leichen sollten die Einsatzmöglichkeiten getestet werden und gleichzeitig eine Überprüfung der forensischen Aussagemöglichkeiten dieser Untersuchungen erfolgen. Nach der sonographischen Untersuchung der Hämatome erfolgte eine schichtweise Präparation des verletzten Areals mit gleichzeitiger fotographischer Dokumentation sowie Ausmessung der Hämatomlänge und ‑breite. Die optische, sonographische und autoptische Ausdehnung der untersuchten Hämatome wurden statistisch ausgewertet. Bei der Auswertung konnte festgestellt werden, dass die sichtbare Flächenausdehnung oft kleiner als die tatsächliche präparatorische ist. Die Ultraschallmessung bringt einen hochsignifikanten Zugewinn an Präzision bei der Bestimmung der Ausdehnung eines Hämatoms. V108 Einblicke hinter verschlossene Türen – Zwölfjahresanalyse zu Todesfällen im Gewahrsam von Polizeidienststellen und Justizvollzugsanstalten D Günther1, S Gänsler1, HD Tröger1 1 Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Rechtsmedizin der MHH, Hannover, Germany Die Untersuchung von sich im Gewahrsam von Polizeidienststellen und Justizvollzugsanstalten ereigneten Todesfällen gehört seit langem in das Untersuchungsspektrum der Rechtsmedizin, insbesondere zur Eruierung von Anhaltspunkten für ein Fremdverschulden, die gegebenenfalls weitere umfangreiche Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft erforderlich machen. Breites Interesse in der Bevölkerung erfahren publik werdende Fälle, wenn alkoholisierte Personen in die Obhut von PolizeiRechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts dienststellen gebracht werden und dort dann versterben. Retrospektiv wurden für den Zeitraum von 1992 bis 2003 insgesamt 119 Fälle (20 im Polizeigewahrsam und 99 im Justizvollzug Verstorbener) aus dem Obduktionsgut des Instituts für Rechtsmedizin der MHH (einschließlich Außenstelle Oldenburg) analysiert, wobei in 99 Fällen ergänzend auch die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaften eingesehen werden konnten. In fast dreiviertel aller Fälle konnte eine natürliche Todesursache festgestellt werden. Nur selten waren die Verstorbenen weiblichen Geschlechts. Auf die Problematik von Todesfällen im Polizeigewahrsam wird besonders hingewiesen, zumal in fünf Fällen eine Alkohol-Intoxikation sowie in zwei Fällen eine Betäubungsmittel-Intoxikation festgestellt werden konnte. Weitere relevante Erkenntnisse werden vorgestellt.
sätzlich gilt: Eine Falschbezichtigung beschädigt das Ansehen der Institution; eine oberflächliche Begutachtung und mangelnde Nachschau kann das Leben des Kindes gefährden, wie jüngst in die Öffentlichkeit gelangte Fälle wieder zeigen.
V109 Die postmortale Gewebespende am Institut für Rechtsmedizin in Hamburg -Erfahrungen mit dem Aufbau eines Spenderprogramms in den ersten beiden JahrenB Wulff1, AS Schröder2, C Braun1, M Montenero3, A Heinemann1, K Püschel1 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany 2Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany 3Deutsches Institut für Zell- und Gewebeersatz, Berlin, Germany
2005 wurde eine im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales (BMGS) in Auftrag gegebene multizentrische retrospektive Analy se (Erfassungszeitraum 1990 bis 2000) zur Begutachtung letaler Behandlungsfehlervorwürfe im Fach Rechtsmedizin vorgelegt. Zahlreiche der in dieser Studie untersuchten Variablen wurden für die Jahre 2001 bis 2006 am Datenmaterial zweier nordrhein-westfälischer Institute für Rechtsmedi zin (Bonn und Düsseldorf) fortlaufend untersucht. Der aus der BMGS Studie bekannte Anstieg der Zahl der Obduktionen aufgrund eines Behandlungsfehlervorwurfes setzt sich fort. Der Anstieg der Obduktionszahlen aufgrund eines Behandlungsfehlerverdachtes ist dabei nicht durch vermehr te Anzeigen von Angehörigen, sondern durch ein sich veränderndes Verhal ten der Ärzte bedingt. Der Anstieg der Fehlervorwürfe geht nicht mit einer vermehrten Anzahl bestätigter Fehler einher. Im Vergleich zu den Daten der BMGS Studie zeigen sich konstante Gewichtungen bezüglich der Vertei lung der Vorwürfe zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten, gleiches gilt für die Verteilung auf die einzelnen medizinischen Disziplinen. Trotz vermehrter ambulanter Behandlungen hat keine Zunahme der Vorwürfe gegen niedergelassene Ärzte stattgefunden. Entwicklungen bei den Vorwürfen gegen Pflegepersonal und Rettungsdienstmitarbeiter zeigen eine Tendenz zu größerer Kompetenzzuweisung. Hinsichtlich der Verteilung der Fehlervorwürfe reproduziert die fortlaufende Studie Daten der BMGS Studie, die vorgenommene Gruppenbildung erweist sich damit als tragfähiges Gerüst und stellt einen Beitrag zur Entwicklung valider Indikatorensets bei der Beurteilung von Behandlungsfehlern dar.
Mit der ersten postmortalen Spende von Knochen- und Stützgewebe am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf im Juli 2006 begann die Realisierung eines Projekts, das bisher zuvor in ähnlicher Weise lediglich am Zentrum für Rechtsmedizin in Frankfurt implementiert worden war: Ein Rechtsmedizinisches Institut entwickelt ein Spenderprogramm im Rahmen einer Public-Private Partnership in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG gGmbH) in Berlin. Seitdem wurden über 60 weitere Spender gewonnen. Wir stellen die verschiedenen Bausteine des Spenderprogramms vor: Ethische Grundlagen, Schulung des Teams, Angehörigenkontakt sowie Auswahlkriterien für Spender und deren Alters- und Morbiditätsverteilungen. Darüber hinaus schildern wir die Auswirkungen des neuen Gewebegesetzes und skizzieren zukünftige Herausforderungen im öffentlichen Diskurs. P001 Der/Die rechtsmedizinische Sachverständige im Brennpunkt gesellschaftspolitischer Konflikte am Beispiel der Begutachtung anscheinend misshandelter Kinder C Rittner1 1Institut für Rechtsmedizin, Mainz, Germany Der/die rechtsmedizinische Sachverständige (SV) kann im Konflikt um die Kindsmisshandlung in doppelter Funktion tätig werden: Als Ärztin oder Arzt nach der Berufsordnung und als Sachverständige. In diesem potentiellen Interessenkonflikt kommt es nicht selten zu einer Gratwanderung zwischen Sachverständigenpflichten (und deren Überschreitung) und ärztlichem Berufsbild. Die 40-jährige Erfahrung als Sachverständiger lehrt einige Grundsätze, die in Übereinstimmung mit den AWMF-Leitlinien streng zu beachten sind Empathie und gruppendynamische Prozesse – Übertragung von Mutter/Vater auf den/die SV –; Polymorphie und Multikausalität der Verletzunge(n); Schädigungen durch Eltern und/oder nahestehende Personen ohne Verhaltensauffälligkeiten des Kindes; Aufklärung über die Wiederholungsgefahr und Prognose versus Belastungseifer; second opinion bzw. ein ethisches Konsil sollten im Verdachtsfall zum rechtsmedizinischen Standard gehören; eine Kindswohl-Gefährdung muss durch die Jugendämter oder durch das Familiengericht festgestellt werden. Die Beurteilung von Misshandlungs- und Missbrauchsfolgen bei Kindern ist grundsätzlich eine Gratwanderung mit Absturzgefahr. Ein gegebener Verdacht ist oft einzeitig nicht zu beweisen, erst der Wiederholungsfall kann Gewissheit erbringen. Ärztlicher Rat im Rahmen der Schweigepflicht steht in Güterabwägung zu einer möglichen Anzeige bei schweren Straftaten. Grund-
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P002 Behandlungsfehlervorwürfe in letal verlaufenen Fällen – Anschlussstudie anhand der Daten zweier Rechtsmedizinischer Institute M Schmitz1, J Preuss2, H Grass3, B Madea1 1Universität Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany 2Medizinische Universität, Institut für Rechtsmedizin, Lübeck 3Universität Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf
P003 Urteilsanalyse zur rechtlichen Bewertung des Fremdkörperverbleibs nach ambulanten oder stationären ärztlichen Eingriffen M Parzeller1, B Zedler2, R Bux2, H Bratzke2 1Zentrum der Rechtsmedizin, Medizinrecht, Frankfurt am Main, Germany 2Zentrum der Rechtsmedizin, Frankfurt am Main Nach einem operativen Eingriff versehentlich oder bewusst als Fremdkörper verbliebene (zahn-)ärztliche Instrumente bzw. Teile von diesen (Nadelspitzen) oder Hilfsmaterialen (Bauchtücher) sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Der Beitrag befasst sich mit der rechtlichen Wertung dieses Zwischenfalls nach ambulanten oder stationären Eingriffen. Die Problematik wird anhand einer Rechtsprechungsübersicht und -analyse dargestellt. Relevante Urteile wurden in unterschiedlichen Datenbanken, wie Juris Online, Beck Online, VersR etc. ermittelt. In die Analyse wurden zivil-, arbeits- und strafrechtliche Urteile einbezogen, die in den jeweiligen Datenbanken und Urteilssammlungen publiziert wurden. Das Zurücklassen von Fremdkörpern im Operationsgebiet wird von den Gerichten unterschiedlich gewertet. Nach den Umständen des Einzelfalls wird nach sachverständiger Begutachtung entschieden, ob aus dem im Behandlungs- oder Operationsgebiet zurückgelassenen Fremdkörper kein bzw. der Vorwurf eines einfachen oder groben Behandlungsfehlers resultiert. Die Auswertung erfolgt nach den zurückgelassenen oder vergessenen Materialien, dem Geschlecht des Patienten, der medizinischen Fachdisziplin, den Umständen des Einzelfalls und der juristischen Wertung. Dabei wird deutlich, dass ein Behandlungsfehler auch aus Verstößen gegen die therapeutische Aufklärung begangen werden kann, wenn der Patient über den vergessenen Fremdkörper nicht hinreichend informiert wurde.
P004 Morphologie der kraniozerebralen Verletzungen in Fällen von Verkehrstraumata G Grauss1, J Vamze1, V Volksone1 1Staatszentrum für Rechtsmedizin Lettlands, Forensische Pathologie, Riga, Latvia In den letzten Jahren lässt sich eine hohe Inzidenz zwischen den Traumaarten und den Gründen eines gewalttätigen Todes in Lettland beobachten. Die bei der Analyse von Verkehrstraumata am meisten vermerkten Traumata sind ein Verkehrstauma im Innenraum eines Personenwagens sowie ein Zusammenstoß zwischen der geschädigten Person und dem bewegenden Kraftfahrzeug. Die kraniozerebralen Verletzungen werden unter diesen Traumaarten sogar in allen Fällen festgestellt. Die rechtsmedizinische Praxis weist die Fälle auf, in denen die Verhältnisse eines Straßenverkehrsunfalls unbekannt oder ungenau sind, was, seinerseits, eine Schwierigkeit bei der Differentialdiagnosestellung solcher Traumaarten bereitet. Das Ziel der Forschung war es zu klären, ob die kraniozerebralen Verletzungen irgendwelche topographischen oder morphologischen Verschiedenheiten haben, wenn die geschädigte Person sich im Innenraum eines Personenwagens befindet oder ein Fußgänger ist. Die Ergebnisse der Forschung sind in der Arbeit ausgewiesen. P005 Decubitalulcera an Verstorbenen ab 60 Jahren M Tillmann1, G Dickreiter1, J Gerull1, C Rouzbeh1, V Püschel1, K Püschel1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Einleitung: Im Rahmen der Leichenschau im Krematorium wird die Prävalenz von Decubitalulcera bei Verstorbenen ab 60 Jahren ermittelt. Bei einer ersten Studie vor 10 Jahren ergab sich als Konsequenz aus den Ergebnissen eine Verbesserung der Pflegestandards. Jetzt soll die Entwicklung der Dekubitusproblematik innerhalb eines Jahrzehnts verdeutlicht werden. Methoden: In der prospektiven Erfassung der Decubitalulcera in einem Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 werden Erfassung aller Decubitalulcera nach verschiedene Ebenen untersucht: der SHEA-Klassifikation an Verstorbenen ab dem 60. Lebensjahr Überprüfung von Risikofaktoren und Vorerkrankungen der Verstorbenen Korrelationen zwischen dem anhand der Todesbescheinigungen Dekubitus-Schweregrad und dem Sterbeort (Privathaushalt, Krankenhaus, Pflegeheim) Ergebnisse: Die Daten beziehen sich auf Januar bis April 2008: 2567 Verstorbene ab 60 Jahren wurden überprüft, davon waren 57% weiblich mit einem Altersdurchschnitt von 86 Jahren (Männer 43%; 79 Jahre), 12% hatten einen Dekubitus vorzuweisen. Exemplarisch wird hier die am häufigsten auftretende sacrale Dekubitusläsion in Bezug auf das Geschlecht und den Schweregrad nach SHEA dargestellt. Geschlecht Grad I Grad II Grad III Grad IV Gesamt Frauen 30% 22% 5% 3% 60% Männer 19 % 16% 3% 2% 40% Gesamt 49% 38% 8% 5% 100 % Schlussfolgerung: Es zeigt sich eine geringe Prävalenz hochgradiger Decubitalulcera (Grad 3 + 4), wobei hier mehr Frauen als Männer betroffen sind und der Altersgipfel zwischen 90 und 99 Jahren liegt. Die meisten Personen sind im Krankenhaus verstorben. Verglichen mit der Studie aus dem Jahr 1998 ist die Prävalenz der Decubitalulcera nach SHEA Grad 3 und 4 von 2% auf 1,4% zurück gegangen.
- Analyse von ausgebrannten Prothesen - Erfassung von typischen Zugangswegen (Narbentypen) - Postmortale Röntgenaufnahme der implantierten Endoprothesen - Explantation der betreffenden Gelenke vor der Einäscherung Ergebnisse: Die Angaben beziehen sich auf die Zeit bis einschließlich April 2008: 2567 Verstorbene über dem 60. Lebensjahr, 57% weiblich, 43% männlich. Narben einer vermutlichen Hüft-TEP wurden in 12% der Fälle gefunden. Narben einer vermutlichen Knie-TEP in 4% der Fälle. Unter den verschiedenen Zugangswegen fand sich in 39% ein transglutealer Zugang, in 37% ein dorsaler, in 23% ein anterolateraler und in weniger als 1% ein ventraler Zugangsweg. Typisiert wurden 538 ausgebrannte TEPs. Die Endoprothesen im Knie häuften sich mit steigendem BMI. Diagnosen im Zusammenhang mit den Endoprothesen waren Embolie, rheumatischer Formenkreis, Adipositas und Knochenmetastasen, wobei die Aussagekraft hier eingeschränkt ist, da die Angaben auf den Totenscheinen z.T. lückenhaft sind. Schlussfolgerung: Hüft-TEPs kommen viel häufiger vor (81% der klassifizierten Endoprothesen) als andere Arten von TEPs. Signifikant ist, dass mit steigendem BMI auch das Vorkommen von Knie-TEPs ansteigt. Um weitergehende Aussagen zu qualitativen Aspekten machen zu können sind Röntgenaufnahmen, die Explantation einzelner Endoprothesen, sowie Einzelfallanalysen in Vorbereitung. P007 Das Projekt eines gerichtsmedizinischen Atlasses als Lernmittel für Studenten der Medizin P Gavala1, E Nevicka1, I Ivicsics1, J Mlynar2, F Novomesky3 1Health Care Surveillance Authority, Department of Forensic Medicine, Nitra, Slovakia 2Softwear developer, Nitra, Slovakia 3Comenius University, Institute of Forensic Medicine, Jessenius Faculty of Medicine, Martin, Slovakia Die Gerichtsmedizin ist eine Disziplin, die sich vor allem auf die morphologische Dokumentation und Interpretation der Befunde konzentriert. Eine wichtige Aufgabe der Rechtsmediziner ist daher die Erhebung solcher Beweise. Bei unserer Arbeit auf dem Gebiet der Gerichtsmedizin setzen wir seit mehr als zehn Jahren die digitale Photographie ein. Im Laufe der Jahre entstand ein umfangreicher Fundus an wichtigen Befunden für die Anwendung in der Gerichtsmedizin. Die Photographien repräsentieren eine wertvolle Ergänzung zu den Obduktionsprotokollen und Befunddokumentationen, seien es spezifisch gerichtsmedizinische oder andere Dokumentationen. Mittlerweile greifen wir immer wieder auf dieses Archiv zurück – ob zur besseren Veranschaulichung einer Präsentation oder für Studien- und Forschungszwecke zur Visualisierung von verschiedenen Untersuchungen. Das Vorhandensein dieser Datenbank mit ihren Möglichkeiten, welche die elektronische Datenverarbeitung bietet, laden förmlich dazu ein, nach weiteren nutzbringenden Anwendungen zu suchen. Insofern entstand die Idee einer systematischen Sammlung von bereits vorhandenen Daten der Gerichtsmedizin, die wertvolle Dienste in der praktischen Gerichtsmedizin aber auch in der Lehre liefern könnte. Unsere erste Ausgabe dieser systematischen Arbeit katalogisiert mehr als eintausend Digitalphotographien aus unserer gerichtsmedizinischen Praxis. Für Interessenten haben wir Exemplare der slowakischen Ausgabe als Geschenk vorbereitet.
P006 Totalendoprothesen von Hüfte und Kniegelenk – Übersicht und Analyse von quantitativen und qualitativen Aspekten im Rahmen der Krematoriumsleichenschau in Hamburg 2008 J Gerull1, G Dickreiter1, C Rouzbeh1, M Tillmann1, M Morlock2, K Püschel1, V Püschel1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany 2TU-Harburg, Biomechanik, Hamburg
P008 Neue Methode der Herzsektion Y Kolev1, D Radoinova2 1Regionales Krankenhaus Gabrovo, Abteilung für Gerichtsmedizin, Gabrovo, Bulgaria 2Medizinische Universität, Lehrstuhl für Gerichtsmedizin und Deontologie, Varna, Bulgaria
Methode: Übersicht über Knie- und Hüftendoprothesen mit Hilfe einer prospektiven Erfassung von Verstorbenen im Zeitraum vom 01.01.08 bis 31.12.08.Folgende Daten werden u.a. aufgenommen:
Ziel: Das Ziel dieser Methode ist die Gewährung einer einfacheren und effizienteren Art der Herzsektion für Pathologen und Gerichtsmediziner. Wir wurden durch die positiven Rückinformationen von Kollegen Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts und durch die praktischen Vorteile der Methode in unserer Arbeit ermutigt. Methode: Diese Methode unterscheidet sich von der klassischen Virchowschen Sektionstechnik, von den Methoden von Banti, Tatiev und Radanov. Der Schwerpunkt liegt hier in der Untersuchung der Koronararterien und der bequemen Sektion des Myokards von der Hinterwand des Herzens her durch Öffnen jeder der vier Höhlen, indem man links vom Septum beginnt. Nacheinander werden der linke Vorhof, die linke Kammer, die Koronararterien, der rechte Vorhof und die rechte Kammer seziert. Die Schnitte verlaufen dicht am Septum vorbei. In dieser Arbeit wird eine detaillierte anatomische Beschreibung unter Verwendung einfacher Schemata und Bilder für die praktische Anwendung vorgestellt. Schlussfolgerung: Neben der klassischen Methode existieren verschiedene andere Methoden, und jede von ihnen hat ihre Vorteile bei den unterschiedlichen Zielsetzungen. Unsere Methode ist universal und kostengünstig, die Grundstruktur des Herzens bleibt für weitere Untersuchungen erhalten. Wir empfehlen sie speziell für Herzsektion bei verstorbenen Kleinkindern und Neugeborenen. Die Methode stellt eine Alternative für bequeme Arbeit und vollständige Ergebnisse dar.
subepicardium and perivascular fibrosis (r = 0,36). A strong correlation was found also between interstitial fibrosis and fat myocardial infiltration (r = 0,68). Tissue samples of myocardium from 17 middle age and young patients with sudden cardiac death, were analyzed using indirect tristadial ABC peroxidase immunohistochemical method for a panel of 12 antibodies, grouped in 3 categories: antibodies involved in programmed cell death (bcl-2, p53, Fas/CD95, Fas-L, bax, caspase 9), muscular markers (Myo-D1, miogenin, desmin, actin) and growth factor receptors (b-FGF, VEGF, NGF). Miogenin was more sensitive in identifying the ischemic perilesional myocardic fibres than Myo-D1, but less specific; desmin had a greater sensitivity than miogenin and Myo-D1 taken separately, but with no specificity for myocardial fibres. Fas-L, caspase 9 and bax were expressed in more than 75% of cases in perilesional residual cardiomyocites, correlating each other (r = 0.45, respectively r = 0.6, p < 0.05). b-FGF, VEGF and NGF were statistically independent. A protocol for a complete diagnosis of sudden cardiac death is revised.
P009 Herzkontusion bei einer Stichwunde im Brustkorb durch ein Messer Y Kolev1, D Radoinova2, W Dokov2, S Rachev3 1Regionales Krankenhaus, Abteilung für Gerichtsmedizin, Gabrovo, Bulgaria 2Medizinische Universität, Lehrstuhl für Gerichtsmedizin und Deontologie, Varna, Bulgaria 3Regionales Krankenhaus, Abteilung für klinische Pathologie, Gabrovo, Bulgaria
P011 Drug users death aftermath percipients of drug street dose (“cutting products”) D Dermengiu1, G Gorun1, C Curca1, M Ceausu1 1National Institute of Legal Medicine Mina Minovici, Bukarest, Romania
Einleitung: Stichwunden im Brustkorb sind häufige Befunde bei gerichtsmedizinischen Gutachten. Die häufigste Todesursache in diesen Fällen ist die Penetration des Herzens oder der Lunge, die von massiver Blutung begleitet ist. Material und Methode: Es wird ein Fall der Herzkontusion bei Stichwunde (Penetration) im Brustkorb präsentiert, die durch einen Messerstich verursacht worden ist. Die Fragestellung war, ob es sich um einen Suizid oder um ein Tötungsdelikt handelte. Zum Befund einer Stichwunde in der linken Lunge, mit Hämopneumothorax und hämorrhagischen Schock, kam noch eine letale Intoxikation mit Methanol hinzu. Zusätzlich wurde eine atypische Kontusion des Herzens und des Perikardbeutels ohne scharfrandige Verletzung festgestellt. Ergebnisse und Analyse: Es handelte sich offensichtlich um einen Suizid, durch Kombination einer Stichwunde im Brustkorb und einer Methanolintoxikation. Die Herzkontusion entstand indirekt durch den Kontakt des sich kontrahierenden Herzens mit dem Messer, das in die Brusthöhle eingedrungen war. Das Ergebnis gleicht einem Trauma, das durch einen stumpfen Gegenstand verursacht wurde. Schlussfolgerung: Der beschriebene Fall ist ein Beispiel für eine komplexe Situation in unserer Praxis und zeigt, dass man das endgültige Ergebnis erst nach Zusammenstellung und richtiger Interpretation aller mit dem Fall verbundenen Daten verfassen soll. P010 Immunophenotypical and histopathological pleomorphism expression in sudden cardiac death C Curca1, D Dermengiu1, M Ceausu1, C Ardeleanu2, N Drugescu1 1National Institute of Legal Medicine Mina Minovici, Bukarest, Romania 2Victor Babes National Institute of Pathology, Department of Pathology, Bukarest, Romania This study was undertaken to assess histopathological and immunohistochemical markers regarding lesional aspects of fibrosis and damaged hypoxic myocardium in sudden cardiac death. 24 autopsies cases of sudden death related to cardiovascular diseases were selected: myocardial infarct, dishrytmias, toxic cardiomyopathies ( due to alcohol and other drugs), etc. We noticed very frequently perivascular fibrosis and extensive myocardial fibrosis in all chronic drugs of abuse cases. A frequent association statistically relevant was found between interstitium / subendocardium /
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The deaths of drug users could be consequence of a multiple causes, including overdose, interrelated toxic effect of components (toxic cocktails), hipersensibility at one product (idiosyncrasy), decompensation of an anterior altered organic structure or function, chronic complication induced by narcotics etc. Sudden death (in the mean of SUUD offered by WHO) due a drug dose’s percipients with chemical activity is a rare possibility. We present a couple of drug related deaths cases from Romania, consequence of parenteral administration of a drug dose, mixture which included chemical inert components. Both of cases occurs in circumstances applicable for sudden death, but full police – criminalistic investigation made in crime field suggest a deaths due of drug use. Autopsies revealed a very strong suspicion in that direction: marks of injectable chronic drug use, signs of very recent intravenous injection, specific morpho-pathological aspect. The diagnostically surprise arrived after histopathological and toxicological exams, which dictate the final resolution of death’s cause: acute coronarian ischemia due lumen’s obstructions with inert components from drug dose and granulomatous modification of the vessel’s walls, and in the other case result of peripheral vein’s thrombosis with pulmonary trombemboly, process started by this cutting products. The presence of this kind of materials reflects unscrupulousness drug dealers, but permits of reconstruct the chain of traffic. From the medical point of view is necessary to stress in all educational harm-reduction programs the high risk of use of starch, talc powder, dust, clay to dilute – simulate a drug dose. P012 Präanalytische Einflussfaktoren bei der postmortalen Bestimmung biochemischer Parameter aus Glaskörperflüssigkeit S Blana1, F Mußhoff1, B Madea1 1Universitätsklinikum Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Glaskörperflüssigkeit fungiert als wichtiges Untersuchungsmaterial z.B. im Rahmen einer postmortalen Untersuchung auf Stoffwechselentgleisungen. Im Gegensatz zu anderen in der klinischen Chemie gängigen Untersuchungsmatrices ist jedoch eine Probenvorbehandlung notwendig, die Einflussnahme der Probenvorbereitung auf Resultate ist zu überprüfen. Verglichen wurden vier Vorbehandlungsmethoden (Zentrifugation, Erhitzen, Zugabe von Hyaluronidase, Solvatisieren mittels Ultraschallbehandlung). Die vorbehandelten Proben wurden analysiert auf Na, K, Ca, Cl, Kreatinin, Harnstoff, Glukose und Laktat. Es fand eine vergleichende Untersuchung von 120 Glaskörperproben statt.
Die Vorbehandlungsmethoden unterscheiden sich signifkant bei der Bestimmung von Na (p= 001) und Cl (p=0,013) voneinander, so erzielt man mit dem Erhitzen bei Na signifikant höhere Ergebnisse gegenüber allen anderen Methoden. Bei der Bestimmung von Cl werden mit dem Erhitzen gegenüber der Zugabe von Hyaluronidase ebenso signifikant höhere Ergebnisse erzielt. Es zeigt sich, dass die Art der Probenvorbehandlung bei der Interpretation von biochemischen Parametern bei postmortalen Glaskörperuntersuchungen Berücksichtigung finden muss. Neben den Einflüssen der Probenvorbereitung werden Präzisionsdaten vorgestellt. P013 Bestimmung des regionalen Artenspektrums forensisch relevanter Insekten sowie deren Sukzession im Raum Thüringen J Pastuschek1, S Niederegger1, E Anton2, R Beutel2, G Mall1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany 2Universität, Institut für spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie, Jena, Germany Die Bestimmung der Todeszeit (Postmortales Intervall, PMI) stellt eine wichtige Aufgabe der Rechtsmedizin dar. Hierbei kann, insbesondere nach längerer Liegezeit, die forensische Entomologie wertvolle Hinweise liefern. Bisherige Untersuchungen an forensisch relevanten Insektenarten zeigen, dass zur Erfassung des Spektrums und der chronologischen Abfolge des Auftretens (Sukzession), Schweinekadaver einen mit dem Menschen vergleichbaren Modellorganismus darstellen. Darüber hinaus ist bekannt, dass die Leichenfauna neben vielen weiteren Faktoren vor allem regionalen und jahreszeitlichen Unterschieden unterliegt (Amendt et. al, 2004; Grassberger und Frank, 2004 und weitere). Zur Darstellung und Erfassung des regionalen und saisonalen Auftretens forensisch relevanter Insekten werden Schweinekadaver auf einem stadtnahen Grundstück bei Jena/Thüringen ausgelegt und dokumentiert. Erste Ergebnisse dieser Studie sollen hier aufgezeigt werden. P014 Radiostrontiumbestimmung in menschlichen Knochen zur Abschätzung forensisch relevanter Liegezeit F Ramsthaler1, P Ostapzuk2, K Zipp3, M Verhoff4 1104, Zentrum Rechtsmedizin, Frankfurt, Germany 2Institut, Kernforschung, Jülich, Germany 3Amt für Denkmalpflege, Archäologie, Mainz, Germany 4Universität, Rechtsmedizin, Giessen, Germany Die Bestimmung von Isotopensignaturen in Skelettresten wird erfolgreich zur Beantwortung verschiedener anthropologischer Fragestellungen genutzt. Versuche, die Knochenliegezeit anhand morphologischer, feinstruktureller und chemischer Veränderungen zu bestimmen werden durch postmortale Umwelteinflüsse erschwert. Eine Liegezeitstudie (2001) über die 90Sr-Belastung in rezenten Knochen formulierte u.a. die Hypothese, dass Knochenreste von Personen, die vor 1945 verstorben sind, keiner 90Sr-Belastung unterliegen, da erst durch die Atomversuche nach 1945 künstliche Radionukleotide freigesetzt wurden. Fraglich ist, ob durch postmortale Prozesse künstliche Isotope passiv in Knochen gelangen können und ob man das Ausmaß der diagenetischen Störung durch geeignete Parameter abschätzen kann. Wir sind den Fragen nachgegangen, ob in historischen Knochenproben künstliche Isotope sowie Schwankungen von 90Sr-Konzentrationen (g/Ca) nachzuweisen sind. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die intraindividuellen im Vergleich zu den interindividuellen 90Sr-Konzentrationsunterschieden signifikant niedriger ausfielen. Die publizierten Ergebnisse, wonach aus der 90Sr-Konzentration direkt auf die Liegezeit geschlossen werden kann, waren in unserer Stichprobe nicht reproduzierbar. In unseren Untersuchungsreihen an Röhrenknochenproben konnten wir ferner zeigen, dass die diagenetischen Prozesse nur die externen Knochenschichten erfassen, weshalb der Nachweis von Radiostrontium in tiefen Knochenschichten bzw. in Zähnen zur Abschätzung forensisch
relevanter Liegezeit verwendet werden kann. Als Diagenese-Tracer sind seltene Erdelemente geeignet. P015 Todesfall nach der Festnahme eines exzitierten Mannes F Zack1, J Rummel1 1Universität Rostock, Institut für Rechtsmedizin, Rostock, Germany Berichtet wird von einem 29 Jahre alt gewordenen Mann, der in hochgradiger Erregung und stark alkoholisiert einer schwangeren Frau in den Bauch getreten habe. Wegen Widerstandshandlungen und Spuckattacken bei der polizeilichen Festnahme sei es zum Einsatz von Pfefferspray, zur Fixierung in Bauchlage mit Fesselung der Hände und Füße und zum Überziehen eines Spuck- und Beißschutzes gekommen. Bei Eintreffen in einer Augenklinik habe es einen plötzlichen Herzstillstand gegeben. Nach erfolgreicher Reanimation (20 min.) sei ein hypoxischer Hirnschaden festgestellt worden. BAK zwei Stunden später: 2,69 ‰. Todeseintritt acht Tage nach dem Vorfall. Nach „leerem“ Obduktionsbefund erbrachten die histologischen Untersuchungen des Herzens Zeichen einer ausgedehnten, nicht mehr frischen Myokardischämie, einer fokalen gemischtzelligen Zerstörung des rechten Bündelschenkels, fibrodysplastische Wandverdickungen einzelner kleinkalibriger Koronararterien, perivaskuläre Fibrosen mit fokaler, rundzelliger Infiltration, eine Lipomatosis des His-Bündels mit Verlust von Erregungsleitungsfasern sowie eine Persistenz fetaler Dispersionen im Anulus fibrosus. Aus der erst nach der Obduktion polizeilich ermittelten Anamnese des Mannes wurde bekannt, dass er in den letzten zwei Jahren vier stationäre Behandlungen wegen kardialer Beschwerden bei jeweils starker alkoholischer Beeinflussung hatte. Als Todesursache wurde ein hypoxischer Hirnschaden nach akutem Herzstillstand als Folge eines starken Erregungszustandes unter alkoholischer Beeinflussung bei morphologisch nachgewiesener Herzvorschädigung festgestellt. Es werden die pathophysiologischen Aspekte des Todesfalles diskutiert. P016 Molecular biological investigation of cerebral hypoxia and ischemia in medicolegal autopsy D Zhao1, H Maeda1, T Michiue1, T Ishikawa1, L Quan1 1Osaka City University, Medical School, Department of Legal Medicine, Osaka, Japan Cerebral hypoxia and/or ischemia is inevitably involved in the death process, but the process may differ depending on the cause of death. The present study investigated cerebral hypoxia and ischemia by mRNA quantification of vascular endothelial factor (VEGF) and glucose transporter 1 (GLUT1) in the cerebral cortex of the parietal lobe and hippocampus, and the midbrain in autopsy cases (n = 50). The cases comprised fatalities due to mechanical asphyxiation (n = 14), blunt injury (n = 17), sharp instrument injury (n = 11), and acute myocardial ischemia/infarction (n = 3/5). At each brain site, VEGF and GLUT1 mRNAs were low for peracute death due to injury. For mechanical asphyxiation, both mRNA levels were similar to those for peracute injury fatalities, although these levels were varied in strangulation cases. Subacute injury death and acute myocardial infarction cases showed higher VEGF and GLUT1 mRNA values at each site. As indicated above, molecular biological responses to hypoxia/ischemia throughout the whole brain were low for peracute death from injury and acute mechanical asphyxiation, but were higher for acute death from injury and myocardial infarction. A gradual increase in these mRNA levels, depending on the survival time, was seen in the cerebral cortex of injury cases. However, for acute myocardial ischemia without infarction, these mRNA levels were higher in the midbrain, but lower in the cerebral cortex. These topographical differences, mainly seen in the midbrain, may depend on the duration of cerebral circulation after the onset of fatal insults.
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Abstracts P017 Häufige und seltene Verletzungen nach Reanimation CT Buschmann1, M Tsokos1 1Universitätsmedizin Berlin – Charité, Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Germany
P020 Ein besonderer Fall eines postmortem Bisses durch ein Haustier S Burkhardt1, C Lardi1, R La Harpe1 1Institut universitaire romand de médecine légale, Unité médecine forensique, Genf, Switzerland
Reanimationsbemühungen erfordern invasive iatrogene Manipulationen am Patienten. Diese Maßnahmen sind einerseits zur erfolgreichen Wiederbelebung des Patienten unerlässlich, können andererseits aber den Patienten schädigen und den Erfolg der Wiederbelebung negativ beeinflussen. Hierbei wird zwischen häufigen und seltenen Komplikationen unterschieden. Einflussfaktoren sind Dauer und Intensität der Reanimationsmaßnahmen, Alter des Patienten sowie eine gerinnungshemmende Medikation. Wir berichten in der Zusammenschau mit gängiger Literatur über Fälle aus unserem Sektionsgut.
Wir behandeln einen Fall eines tot in seinem Hause aufgefundenen Mannes, in welchem er mit seiner von der Alzheimerkrankheit befallenen Frau lebte, welche nicht bemerkt hatte, dass er seit 2-3 Tagen tot war. Der Körper lag unten an einer Treppe, wies am Kopf und am Hals eine große Wunde ohne vitale Reaktion mit unregelmäßigen Rändern auf, welche die Weichteile und die Knochenstrukturen sowie punktartige Verletzungen an den Halswirbeln und an der linken Hand auf. Verteidigungsverletzung war keine sichtbar. Am Ort war praktisch kein Blut vorzufinden. Die postmortem Verletzungen wurden dem Hund des Toten zugeschrieben, einem Appenzeller Sennenhund, und dies mit Hilfe eines Vergleichs der DNA des Hundes mit der DNA, welche einem Abstrich am Rande der Hauptwunde entnommen wurde.
P018 Genitalverletzungen und intraabdominelle Läsionen durch ein ungewöhnliches Tatwerkzeug S Unkrig1, L Hagemeier1, B Madea2 1Institut für Rechtsmedizin, Prosektur, Bonn 2Institut für Rechtsmedizin, Direktor, Bonn, Germany Die Rekonstruktion des Geschehensablaufs bei Kapitalverbrechen ist seit jeher ein Ziel rechtsmedizinischer Arbeit. Methodisch beinhaltet dies regelmäßig die Zuordnung bestimmter Verletzungsmuster oder typischer Läsionen zu einem definierten Werkzeugtyp; in Einzelfällen gelingt bereits anhand der Morphologie der Abgleich mit einem bestimmten Tatwerkzeug. Anhand der vorliegenden Kasuistik wird die Zuordnung der Verletzungen zu einem vor Ort aufgefundenen Gegenstand des täglichen Gebrauchs exemplarisch dargestellt. Die Obduktion der 28 Jahre alt gewordenen Frau ergab Zeichen eines Strangulationsvorgangs (hier: Tod durch Erdrosseln). Schnitt- und Rissverletzungen des äußeren Genitale, eine sich verjüngende wanddurchsetzende Durchtrennung des hinteren Scheidengewölbes und intraabdominelle Verletzungen wiesen auf eine Penetration mit einem zunächst nicht sicher definierten Gegenstand hin. Nach dem umfassenden Geständnis des Täters war ein Duschkopf aus Kunststoff dem Verletzungsbild zwanglos zuzuordnen. Darstellung der Psychodynamik dieser seltenen Form von Genitalverletzungen. P019 Anaphylaktischer Schock als Ursache eines unerwarteten Todes: zur Diagnostik im forensischen Sektionsgut S Unkrig1, J Wenzel2, L Hagemeier1, B Madea2 1Institut für Rechtsmedizin, Prosektur, Bonn 2Universitätsklinikum Bonn, Dermatologie, Bonn, Germany Dass der seltene anaphylaktische Schock als Sonderform einer allergischen Reaktion vom Typ I als tödliche Komplikation allergischer Erkrankungen im rechtsmedizinischen Sektionsgut gegenüber der amtlichen Todesursachenstatistik prozentual überrepräsentiert erscheint, ergibt sich aus der Natur des Ereignisses, das als Prototyp eines plötzlichen und unerwarteten Todesfalles imponiert. Eine Diagnosesicherung während der Sektion ist wegen der Flüchtigkeit und Inkonstanz morphologischer Begleiterscheinungen häufig unmöglich. In den meisten Fällen fehlen selbst makroskopisch erkennbare Hinweise auf ein allergisches Geschehen. Vorgestellt wird der Fall einer 52 Jahre alt gewordenen Patientin mit multiplen bekannten Allergien, darunter einer Nahrungsmittelallergie auf Nüsse. Die Betroffene hatte unmittelbar nach einer im Freundeskreis eingenommenen Mahlzeit Atembeschwerden entwickelt und war zusammengebrochen. Anhand makroskopischer, serologischer und immunhistochemischer Untersuchungsergebnisse wird die Problematik der postmortalen Diagnose eines anaphylaktischen Schocks dargestellt.
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P021 Kabelbinder als Tatwerkzeug bei suizidalem Erdrosseln – ein Fallbericht E Doberentz1, L Hagemeier1, B Madea1 1Universität Bonn, Rechtsmedizin, Bonn, Germany Selbsterdrosseln stellt eine ungewöhnliche und seltene Todesursache dar, die initial häufig mit einem Tötungsdelikt in Verbindung gebracht wird. Bezogen auf alle Suizide wird ein Selbsterdrosseln mit einer Häufigkeit von 0,3 – 0,6 % beobachtet. Unter Verwendung eines geeigneten Tatwerkzeuges, welches auch nach eingetretener Bewusstlosigkeit die Kompression der Halsgefäße aufrecht erhalten kann, ist ein Selbsterdrosseln durchaus möglich. In der Literatur finden sich mehr als 200 Fälle von Selbsterdrosseln, wobei als Drosselwerkzeuge insbesondere Schals, Gürtel, Schnüre, Krawatten, etc. benutzt wurden, die durch ein Verknoten oder Verdrillen unter Spannung gehalten werden. Seltener ist die Verwendung von selbstarretierenden Werkzeugen, wie einer Blutdruckmanschette oder Kabelbindern. In der Literatur fanden sich lediglich 2 Fallbeschreibungen, in denen Kabelbinder als Drosselwerkzeug Anwendung fanden. Wir stellen den Fall eines 50 Jahre alt gewordenen Mannes vor, der in seinem Bungalow auf einem Campingplatz mit zwei zusammengesteckten Kabelbindern erdrosselt aufgefunden wurde. Der Strangverlauf der Kabelbinder verlief unterhalb der Kehlkopfprominenz, das linke obere Kehlkopfhorn war frakturiert, beidseits fanden sich Unterblutungen in diesem Bereich. Erwartungsgemäß waren Kopf und Hals oberhalb der Strangmarke deutlich gestaut. Die Alkoholanalyse ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,50 ‰. In diesem Fall konnte in Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden die sichere Diagnose eines Selbsterdrosselns gestellt werden. P022 Rechtsmedizinische Obduktionsstudie zu Todesfällen bei der Sexualität aus natürlicher Ursache B Zedler1, M Parzeller1, R Bux1, H Bratzke1 1Zentrum der Rechtsmedizin, Frankfurt am Main, Germany Bei Patienten mit vorgeschädigtem Herzen (KHK, Myokardinfarkt) können sich bei sexuellen Belastungssituationen tödliche Gefahrenmomente ergeben. Beim Orgasmus werden physiologische Werte erreicht, die in etwa dem Anstieg der kardialen und pulmonalen Parameter einer fahrradergometrischen Belastung von ca. 75 Watt mit einer Herzfrequenz von 110 – 180 und bei der Atemfrequenz bis 40 pro Minute entsprechen. Der systolische Blutdruck steigt bis zur Plateauphase um 20 bis 60 mm Hg. Diastolisch wird ein Anstieg zwischen 10 und 20 mm Hg verzeichnet. Die epidemiologische, retrospektive Follow-up-Mortalitätsstudie basiert auf dem Datenmaterial des Zentrums der Rechtsmedizin des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Über einen Zeitraum von 36 Jahren (1972 – 2007) wurden unter ca.
33.000 forensischen Obduktionen 78 Fälle (0,24 %) mit einer natürlichen Todesursache im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen dokumentiert. Bis auf fünf Frauen waren ausschließlich Männer betroffen. Der Altersdurchschnitt der Frauen betrug 39,8 Jahre und der der Männer 58,0 Jahre. Als häufigste Todesursachen (n = 50/ 64,1 %) wurden Myokardinfarkte und Reinfarkte sowie eine koronare Herzerkrankung festgestellt. Die meisten Todesfälle ereigneten sich beim oder nach dem Geschlechtsverkehr (n = 43) oder bei manueller bzw. oraler Stimulation (n = 23). In den meisten Fällen trat der plötzliche Tod bei der Kohabitation oder dem sexuellen Kontakt mit einer Prostituierten (n = 32)ein. P023 Beeinflussung der mikroskopischen Struktur und immunhistochemischen Reaktivität von Obduktionspräparaten durch postmortale Veränderungen B Giebe1, S Adersson1, H Driud2 1Rättsmedincinalverket, Rättsmedicinska avdelningen Solna, Stockholm, Sweden 2Karolinska Institutet, Enheten för rättsmedicin, Stockholm, Sweden Die histologische Diagnostik wird durch postmortale Veränderungen beeinflusst. Solche morphologischen Veränderungen können sowohl dazu führen, dass normale und krankhafte Gewebestrukturen schwerer zu beurteilen sind als auch dazu, dass diese fehlinterpretiert werden. Immunhistochemische Färbungen können gleichermaßen beeinflusst werden. Der aktuellen Studie liegen systematische Untersuchungen innerhalb eines definierten postmortalen Intervalles zu Grunde. Die Zielstellung war eine Auswertung von sowohl konventionellen als auch immunhistochemischen Färbungen an fäulnisveränderten Präparaten. Gewebeproben von Herz und Lunge wurden bei der Obduktion einbehalten und entweder direkt formalinfixiert oder nach 1 respective 3 Tagen „experimenteller Fäulnis“ fixiert und nach konventionellen Methoden (HE, van Gieson, PTAH) gefärbt und immunhistochemisch behandelt (C9, CD45, fibrinogen, myoglobin). Zum Einsatz kamen sowohl monoclonale als auch polyclonale Antikörper. Die konventionellen Färbungen ergaben verhältnismäßig gleichförmige Veränderungen, jedoch mit deutlichen, strukturellen Veränderungen nach verzögerter Fixierung. Immunhistochemische Reaktivität war auch bei starken Fäulnisveränderungen nachweisbar, jedoch war die strukturelle Zuordnung erschwert. Die polyclonalen Antikörper gegen Myoglobin wiesen eine bessere Reaktivität auf als die monoclonalen Antikörper. Bei starker Fäulnis ist es deshalb von Vorteil die unterschiedliche Reaktivität unterschiedlicher Antikörper zu kennen oder ins Kalkül zu ziehen. Weitere systematische Untersuchungen sind deshalb dringend notwendig. P024 Unterschiedliche Morphologie von Knochenbrüchen in Abhängigkeit von der Einwirkungsgeschwindigkeit MA Kislov1, MV Pareshin2, E Ehrlich3, VI Bachmetjev1 1Regionales Büro der gerichtsmedizinischen Expertise, Voronezh, Russian federation 2Regionales Büro der gerichtsmedizinischen Expertise, Mitsurinsk, Russian federation 3Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin, Somatik, Berlin, Germany Querfrakturen der langen Röhrenknochen erlauben bei der biomechani schen Rekonstruktion des Geschehensablaufes Rückschlüsse auf die Einwirkungsrichtung der Gewalt. Bei Verkehrsunfällen unterscheidet man zusätzlich zwischen Frakturen, die durch schnellere Einwirkungen, z.B. durch die Kollision mit Stoßstangen entstehen und Frakturen, die durch langsamere Einwirkungen, erst in einer späteren Phase der Kollision, entstehen können, so z. B. bei einer anschließenden Überrollung des Opfers. Zur Klärung der Frage der Differenzialdiagnose zwischen schnelleren, schlagartigen Einwirkungen und langsamerer Kompression wurden Untersuchungen an isolierten langen Röhrenknochen Erwachsener beider Geschlechter im Alter von 20 bis 60 Jahren durchgeführt. Insgesamt wurden 122 Knochen unter einem Auflichtmikroskop nach Mazeration
unter kleineren Vergrößerungen untersucht. Bei jedem Knochenbruch wurde auf 72 unterschiedliche morphologische Merkmale der Frakturmuster, der Knochenränder und der Bruchflächen geachtet. Es zeigte sich, dass 22 Merkmale einen signifikant hohen diagnostischen Wert hatten. So waren 12 morphologische Merkmale für eine langsame Einwirkung und 10 für einen Anstoß spezifisch. So ist eine Unterscheidung zwischen einer Anstoßverletzung und einer Fraktur infolge einer Radüberrollung bei Vorhandensein spezifischer Merkmale möglich. Dies erlaubt es, ein differenzialdiagnostisches Verfahren zu entwickeln. P025 S100B Expression in forensic brain trauma fatalities: a valuable tool? EA de Letter1, MF Espeel2, ME Craemeersch3, FW Berlengee3, C Ampe4, J SmetT5, RN van Coster5, MH Piette3 1Ghent University, Forensic Medicine, GENT, Belgium 2Ghent University, Anatomy, Embryology, Histology and Medical Physics, GENT, Belgium 3Ghent University, Forensic Medicine, GENT, Belgium 4Ghent University, Biochemistry, Medical Protein Research, VIB, GENT, Belgium 5Ghent University, Pediatrics, Division of Pediatric Neurology and Metabolism, Gent The S100 protein, and more specifically the bèta-bèta fraction (S100B), is a calcium-binding peptide which exerts paracrine and autocrine effects on neurons and glia. At present, S100B is mainly used as a tumour marker. We aimed to investigate the usefulness of S100B expression as marker for the evaluation of brain trauma fatalities. We hypothesized that S100B can provide an indication of the severity of the insult and survival period following various head traumata. The expression of S100B is examined by Western blotting (WB) in human lysates from all brain lobes and by immunohistochemistry (IHC) in formalin-fixed, paraffin embedded slides from the same cases. The monoclonal antibody was from Santa Cruz Biotechnology Inc (CA, USA). Appropriate positive and negative controls were included for both techniques. Preliminary WB results in four cases indicate an intra-individual variation of S100B expression between the 8 brain lobes, in relation to the extent of trauma (e.g. coup versus contre-coup lesions). So far, these data are in agreement with IHC staining intensity results in the individual cases. A distinct correlation between the level of S100B expression and the survival period following trauma could not be established. There are several unknown variables which may interfere here, such as e.g. the extent of tissue autolysis. However, the WB and IHC results are in line with the individual medico-legal observations. More cases are currently under investigation. P026 RNA-Extraktion ausgewählter Hirnregionen – Möglichkeiten und Grenzen M Fiedler1, M Franke1, J Dreßler1 1TU Dresden, Institut für Rechtsmedizin, Dresden, Germany Die RNA hat viele Feinde – in Anbetracht dessen müssen im Bereich der RNA – Extraktion spezielle Vorkehrungen getroffen werden, insbesondere da es sich hierbei um Gehirnproben Verstorbener handelt. Ziel unserer Arbeit sind Ergebnisse auf molekularer Ebene, welche eine rechtsmedizinische Einschätzung des Alters von Schädel-Hirnverletzungen (SHT) ermöglicht. Für unsere Versuche werden hierzu Teile des Cerebellum, der Pons, des Hippocampus und aus dem jeweiligen Kontusionsbereich verwendet. Eine wichtige Rolle spielt hierbei das Intervall zwischen Eintritt des Todes und Probenentnahme. Vorstellbar ist auch ein Zusammenhang zwischen Todesursache und RNA-Gehalt, welcher Gegenstand laufender Untersuchungen ist. Nach mehr als 3 Tagen Differenz lässt sich nur noch eine unzureichende Menge RNA aufgrund von Degradationsprozessen, u.a. durch RNAsen, nachweisen. Des Weiteren ist eine gesichert konstant gehaltene Kühlkette von etwa -80°C essentiell, welche sofortige Lagerung auf Trockeneis und Stickstoffbehältern beinhaltet, um eine weitere Degradation der RNA zu vermeiden. Zudem ist auf eine sterile Entnahme zu achten, welche sich jedoch im rechtsmedizinischen Obduktionsbereich Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts eher schwierig gestaltet. Wurden diese Vorkehrungen getroffen, lässt sich mit Hilfe des QIAmp-Mini-Kits die eigentliche Extraktion durchführen. Dies ist Voraussetzung um Anschlussuntersuchungen mit Hilfe des Microarray (Affymetrix) auf die messenger RNA von Kandidatengenen, welche z.B. im Regenerationsprozess nach Schädel-Hirn-Traumen (SHT) relevant sind, durchführen zu können. P027 Todesfall eines Neugeborenen mit Argininosuccinatazidämie S Heide1, D Wand2, M Kleiber1, C Richter1 1Martin-Luther-Universität, Institut für Rechtsmedizin, Halle/S., Germany 2Martin-Luther-Universität, Institut für Humangenetik, Halle/S. Die Argininosuccinatazidämie ist eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung des Harnstoffsäurezyklus, verursacht durch einen Defekt der Argininosuccinat-Lyase (ASL) mit dem Resultat einer Akkumulation von Argininosuccinat (ASA) in den Körperflüssigkeiten und einer Hyperammonämie. Das klinische Bild und deren Manifestation sind sehr variabel. Neben einer neonatalen malignen Form sind in der Literatur late-onset Varianten bekannt. Mutationen im ASL- Gen sind verantwortliche für die veränderte Enzymaktivität. Bei unserem Kasus handelt es sich um ein weibliches Neugeborenes doppelt konsanguiner gesunder Eltern türkischer Abstammung. Das Mädchen wurde in der 38+4 SSW nach einem regelrechten Schwangerschaftsverlauf mit normgerechten Geburtsmaßen entbunden. Die postnatale Anpassung verlief regelrecht (Apgar 10/10/10). Ein am 2. Tag postnatal sich entwickelnder Tremor, eine Tachykardie und respiratorische Probleme erforderten eine intensivpflichtige Versorgung. In Folge kam es zur Ausprägung einer therapieresistenten Epilepsie und am 4. Lebenstag nach respiratorischer Insuffizienz und kardialer Dekompensation zum Exitus letalis. Bei der Obduktion imponierte eine Hepatomegalie. Feingeweblich war eine Myokarditis nachweisbar. Die laborspezifische Diagnostik des Neugeborenenscreenings zeigten eine deutliche Erhöhung von Argininosuccinat und Citrullin im peripheren Blut, so dass die Diagnose einer Argininosuccinatazidämie zu stellen ist. P028 Die Schädelfrakturen beim Hinfallen auf eine Ebene O Teteris1 1Riga Stradins University, Forensic Medical Chair, Riga, Latvia In der Forschung sind die Angaben der Autopsie (Leicheneröffnung) über die Beschaffenheit von Schädelfrakturen beim Hinfallen auf eine Ebene von eigener Größe mit oder ohne eine Vorbeschleunigung zusammengefasst. Hier sind die Frakturlinien im Bereich des Hinterkopfes, der Schläfe, der Stirn beschrieben sowie ist die Auswirkung des Alters, des Geschlechtes, des Gewichtes und der Größe einer Person erforscht. P029 Außergewöhnlicher Fall einer Perthes´schen Druckstauung S Schmitter1, U Flössel1 1TU Dresden, Institut für Rechtsmedizin, Dresden, Germany Der Perthes´schen Druckstauung liegt ein schweres Thoraxkompressionstrauma zu Grunde. Ursache ist typischerweise ein Verschütten, das Begraben unter schweren Gegenständen oder ein Einklemmen im Rahmen von Verkehrs- oder Arbeitsunfällen. Es wird über ein Unfallgeschehen berichtet, bei dem die Fahrerin eines Kleintransporters mit Automatikgetriebe zwischen der offenen Fahrertür und einem Stützpfeiler in einer Lagerhalle eingeklemmt wurde. Die Fahrerin befand sich außerhalb des Fahrzeuges. Das Fahrzeug rollte bei eingelegtem Rückwärtsgang selbständig, ohne Betätigung des Gaspedals. Die Betroffene geriet bei der beschriebenen Fahrzeugbewegung zwischen Fahrzeugtür und Pfeiler und dadurch in eine hilflose Position, in welcher sie zum Abbremsen des Fahrzeuges nicht mehr in der Lage
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war. Der stetige Antrieb des Fahrzeuges führte schlussendlich zur Ausbildung des Perthes´Syndroms. P030 Zum Problem der Vitalitätsdiagnostik bei Brandleichen M Bohnert1 1Universitätsklinikum, Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Germany In den meisten Fällen ist der autoptische Nachweis der vitalen Brandexposition unproblematisch. Schwierig wird es jedoch dann, wenn die klassischen Zeichen (Rußaspiration, Rußverschlucken, Verbrennungen der oberen Atemwege, Erhöhung der CO-Hb-Konzentration im Leichenblut) negativ oder nur schwach ausgeprägt sind; erst recht, wenn gleichzeitig konkurrierende Todesursachen vorliegen. Diese Situation kommt insbesondere bei 3 Fallgruppen gehäuft vor: 1.) Perakute Hitzetodesfälle, häufig durch Kleiderbrand, 2.) alte Menschen, die nach Gebäudebränden tot geborgen werden und 3.) Todesfälle mit zusätzlicher mechanischer Traumatisierung. Durch retrospektive Analyse der Freiburger Brandtodesfälle aus den Jahren 1996 bis 2007 (n = 136) – unter besonderer Berücksichti gung der genannten Fallgruppen – konnte eine Wertung der einzelnen Vitalparameter vorgenommen werden. Auf deren Basis wird eine Empfehlung zum Vorgehen bei strittigen Fällen abgegeben. P031 Forensic application of fibrocyte accumulation to skin wound age determination Y Ishida1, T Kondo1, A Takatsu2, A Kimura1, M Kawaguchi1, W Eisenmenger3, Y Ishida1, T Kondo1, A Takatsu2, A Kimura1, M Kawaguchi1, W Eisenmenger3 1Wakayama Medical University, Forensic Medicnie, Wakayama, Japan 2Jikei University, Tokyo 3University of Munich, Forensic Medicine, Munich Introduction: Wound age determination is one of the most important matters in forensic autopsy. In this study, we immunohistochemically examined fibrocyte, bone marrow-derived mesenchymal cells, in human skin wounds with different wound age. Materials and Methods: A total 53 human skin wounds with different post-infliction intervals ranging from a few minutes to 21 days were removed at forensic autopsies. The wound specimens were classified into five groups: group I, 0-12 h; II, 1-3 d; III, 4-9 d; IV, 10-14 d; and V, 17-21 d. The specimens were fixed in 10% buffered formalin and embedded in paraffin for preparation of 6 μm sections. After deparaffinization, double-immunofluorescence analysis was carried out by using anti-CD45 and anti-collagen I antibodies. For morphometrical analysis, the ratio of number of CD45+collagen I+ fibrocytes to total number of CD45+ cells were calculated. The specimens were also stained with Masson’s trichrome to determine collagen deposition. Results and Discussion: In wound specimens of groups I and II, fibrocytes were hardly detected at the wound sites. The infiltration of fibrocytes into wounds was markedly increased along with increases in wound age, and group IV showed highest average of fibrocyte ratio as 18.8%. Moreover, the extent of fibrocyte infiltration was almost correlated with collagen deposition in wound beds, implying that fibrocytes are involved in granulation tissue formation during wound healing. In groups III and V, the averages of fibrocyte ratio were less than 10%. Collectively, these observations indicate that fibrocytes may be useful marker for wound age determination. P032 Simultaner plötzlicher Kindstod eines Zwillingspaares T Rothämel1, J Teske1, HD Tröger1, AS Debertin1 1Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Rechtsmedizin, Hannover, Germany Anfang 2008 wurden wir zu einer höchst ungewöhnlichen Leichenauffindesituation hinzugezogen: Ein von den Eltern alarmierter Notarzt hatte nur noch den Tod eines 5 Wochen alten Zwillingspaares, Junge und Mäd-
chen, feststellen können. Trotz fehlender Hinweise auf ein Verbrechen, erschien der Polizei die Möglichkeit eines simultanen Falles von SIDS derart unvorstellbar, dass besonders akribisch ermittelt wurde: Gegen 02.45 Uhr letzte Fütterung, Verbringen in Bauchlage gemeinsam in ein Bett, um 11.00 Uhr Auffindung in unveränderter Lage. Uns stellte sich die Situation wie folgt dar: Die Säuglinge mit Stramplern bekleidet, mit dickerer Zudecke bedeckt, bei recht hoher Raumtemperatur von 25°C. Nach den postmortalen Veränderungen war der Junge ca. 2 Stunden vor dem Mädchen verstorben. Auch wenn sich eine klassische SIDS-Auffindesituation mit Bauchlage und deutlichen Anzeichen einer Hyperthermie darstellte, drang die Staatsanwaltschaft auf eine sofortige Obduktion. Diese zeigte dann charakteristische Befunde des SIDS, die virologischen und toxikologischen Untersuchungen verliefen negativ. Der simultane plötzliche Kindstod (SSIDS) bei Zwillingen ist als ein extrem seltenes Ereignis anzusehen, Reviews und Falldarstellungen berichten seit 1900 von 14 Fällen. P033 Tod im Gefängnis D Stiller1, M Kleiber1, S Heide1 1Martin-Luther-Universität, Institut für Rechtsmedizin, Halle/S., Germany Todesfälle in Haftanstalten führen aufgrund des von den Medien geschürten öffentlichen Interesses regelmäßig zu besonders intensiver Ermittlungstätigkeit. Das hallische Universitätsinstitut für Rechtsmedizin verzeichnete in einem Zehnjahreszeitraum 44 Obduktionen von im Justizvollzug Verstorbenen, was einer – im Vergleich zum sonstigen Ermittlungseifer der Staatsanwälte bei unklaren Todesfällen – sensationellen Sektionsrate von 95 % entspricht. Verstorbene Frauen (n=5) waren im Bezug auf ihren Anteil an den Haft insassen überrepräsentiert. Bis auf eine Ausnahme handelte es sich dabei um Suizide. Von den Männern verstarb ein Drittel infolge – überwiegend bekannter – vorbestehender Erkrankungen, oft in höherem Lebensalter. Nichtnatürliche Todesfälle waren meist Folge suizidaler Handlungen, die vor allem während der Untersuchungshaft begangen wurden. Außerdem waren ein Tötungsdelikt und eine akzidentielle Vergiftung (Methadon) zu verzeichnen. Die häufigste Suizidmethode war die Strangulation (n=24), gefolgt von tödlichen Schnittverletzungen und Vergiftungen. Das Thema Suizid/Suizidgefährdung in der Haftsituation ist ein uraltes und viel diskutiertes Problemfeld. Diesbezüglich können auch wir mit unserer Analyse die Erfahrung stützen, dass eine Eigengefährdung nicht immer erkennbar sein muss. Wenn es keine Hinweise gibt, wird sich auch in Zukunft nicht jeder Suizid im Gefängnis verhindern lassen. P034 Ein ungewöhnlicher Knochenfund – rechtsmedizinische Aspekte eines zweifachen Tötungsdeliktes B Vennemann1, M Heinrich1, U Schmidt1, S Pollak1 1Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Germany Im Herbst 2005 fand eine Pilzsammlerin in einem steil abfallenden Waldstück einen mit transparenter Folie umwickelten menschlichen Schädel. Die polizeiliche Nachsuche in der Umgebung führte rasch zur Auffindung zweier annähernd vollständiger menschlicher Skelette, die mit einem Teppich sowie weiteren Decken umwickelt waren. Der Verdacht, dass es sich bei den Verstorbenen um eine seit Mai 2002 vermisste, damals 42-jährige Frau und ihre 11 Jahre alte Tochter handelte, konnte durch die Obduktion sowie molekulargenetische Untersuchungen bestätigt werden. Der Schädel der 42 Jahre alten Frau wies Spuren stumpfer Gewalteinwirkung auf, der kindliche Schädel war zunächst nicht auffindbar. Im Sommer 2006 wurden nahe des Auffindeortes der Skelette zahlreiche Knochenfragmente eines Schädels eines kindlichen Individuums gefunden, der ebenfalls Verletzungsspuren aufwies. Die morphologischen und molekularbiologischen Befunde sowie die Untersuchungen zum Alter des kindlichen Individuums zum Todeszeitpunkt werden vorgestellt.
P035 Seltene kongenitale Herzanomalien – eine singuläre rechte Koronararterie M Kettner1, G Mall2, S Kauferstein1, H Bratzke1 1Goethe-Universität Frankfurt am Main, Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin, Frankfurt am Main, Germany 2Klinikum Darmstadt, Institut für Pathologie, Darmstadt Anomalien der Koronararterien umfassen ein weites Spektrum anatomischer Varianten und werden bei etwa 1,3% symptomatischer erwachsener Patienten festgestellt, die sich einer Koronarangiographie unterziehen. Singuläre Koronararterien lassen sich bei 0,024-0,066% dieser Fälle nachweisen. Nach LIPTON (1979) werden die sehr seltenen Fälle mit korrektem anatomischen Verlauf der betreffenden Koronararterie als sog. L/R-I Typ klassifiziert. Diese Anomalie, bei der das gesamte Herz durch eine einzige regelrecht angelegte Koronararterie mit kompensatorischer Weitung des Lumens versorgt wird, ist bisher in wenigen Fällen für die linke und vereinzelt für die rechte Koronararterie erwachsener Patienten bzw. Verstorbener beschrieben worden. Im vorliegenden Fall verstarb ein 6 jähriger Junge im akuten Herzversagen, nachdem er beim Sport kollabiert und frustran reanimiert worden war. Seit etwa 10 Monaten hatte er über intermittierende retrosternale Schmerzen geklagt. Autoptisch fand sich eine singuläre Koronararterie, die dem rechten Sinus von Valsalva entsprang, einen korrekten anatomischen Verlauf aufwies (R-I Typ) und eine Vielzahl kleinster Äste abgab. Histologisch zeigten sich Kalzifizierungen und Narbengewebe in den Papillarmuskeln der Mitralklappe. Derzeit diagnostizierbare Ionenkanalerkrankungen wurden DNA-analytisch ausgeschlossen. Die speziellen autoptischen und histologischen Befunde des vorliegenden Falls werden unter pathophysiologischen Gesichtspunkten diskutiert. P036 Sicherheitsmaßnahmen bei der rechtsmedizinischen Obduktion und beim Umgang mit Asservaten bei Verdacht auf Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung F Ramsthaler1, M Kettner1, M Verhoff2 1Universität Frankfurt, Zentrum der Rechtsmedizin, Frankfurt/Main, Germany 2Universität, Rechtsmedizin, Giessen, Germany Die Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung (CJD) gehört zu den übertragbaren spongiformen Enzephalopathien. Nach heutigem Verständnis wird CJD durch infektiöse Prionen verursacht, die durch eine Konformationsänderung aus einem körpereigenen Eiweiß entstehen. Jährlich sterben in Deutschland ca. 100 Personen an CJD. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Infektiosität von Prionen postmortal auch im Zustand der fortgeschrittenen Leichenfäulnis bzw. nach Formalinfixierung von Gewebeproben erhalten bleiben kann. Aus diesem Grunde sind beim Umgang mit verdächtigen Leichen (z.B. klinisch rasant fortschreitende Demenz mit CJD-typischen neurologi schen Ausfällen) besondere Sicherheitsmaßnahmen notwendig. So sollte die Hirnsektion – soweit möglich – erst nach der Körpersektion erfolgen. Das Einatmen von Aerosolen beim Aufsägen des Schädels ist unbedingt zu vermeiden. Gemäß einer Empfehlung des Berufsverbandes Deutscher Pathologen kann durch Durchführung eines 60minütigen Ameisensäurebades (95-100%ig) nach der Formalinfixierung das Infektionsrisiko verringert werden. Paraffinblöckchen und angefertigte histologische Präparate müssen besonders gekennzeichnet werden. Alle Abfälle sind gesondert zu entsorgen. Der Sektionsort muss nach Beendigung der Obduktion mit einer frisch angesetzten 5%igen Na-OCl-Lösung desinfiziert werden. Der Leichnam soll nach Beendung der Obduktion mit einer Na-OCl Lösung gewaschen werden. Bei Verletzungen ist die Wunde unmittelbar mit jodid- oder phenolhaltigen Desinfektionsmitteln zu behandeln.
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Abstracts P037 Tödliche Infektionen durch Kokken B Zedler1, V Schäfer2, A Schnabel1, M Parzeller1, P Schmidt1, H Bratzke1 1Zentrum der Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Frankfurt am Main, Germany 2Zentrum der Hygiene, Frankfurt am Main, Germany Klassische Infektionskrankheiten spielen dank verbesserter hygienischer Bedingungen, Fortschritten in der medizinischen Versorgung und genereller Veränderungen der Lebensbedingungen in der Todesursachenstatistik der Bundesrepublik Deutschland heutzutage eine wesentlich geringere Rolle als früher. Für die rechtsmedizinische Praxis resultiert aus dieser Entwicklung die Gefahr, dass bei Sektionen zu selten an das Vorliegen einer unter Umständen tödlichen Infektion gedacht wird. Die autoptische Diagnose von tödlichen Pneumonien bei drei Kindern innerhalb von drei Wochen ist Anlass, diese Fallserie vorzustellen und insbesondere auf die Relevanz der postmortalen mikrobiologischen Diagnostik hinzuweisen. Zwei Jungen im Alter von vier bzw. neun Jahren und ein 15jähriges Mädchen verstarben nach jeweils maximal zwei Tage anhaltender Krankheitssymptomatik (Schwäche, hohes Fieber) zu Hause. Bei den Sektionen wiesen alle drei Kinder Entzündungen der oberen und unteren Atemwege auf, bei dem Mädchen fanden sich außerdem Einblutungen der Nebennieren. Die histologischen Untersuchungen zeigten neben einer Pneumonie eine unterschiedlich ausgeprägte Beteiligung des Myokards. Bei den mikrobiologischen Untersuchungen fanden sich bei den Knaben jeweils in Reinkultur Streptokokken der Gruppe A bzw. Staphylococcus aureus, bei dem Mädchen lagen beide Keime vor. Bei den Streptokokken handelte es sich um Toxinbildner, die ein Toxisches Schocksyndrom auslösen können. P038 Darstellung von Coronarstents mittels Trenn-Dünnschliff-Technik D Stiller1, A Bernstein1 1MLU Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Germany Die histologische Untersuchung von Koronararterien in Abschnitten, in denen eine Stent-Implantation erfolgte, bereitet oft Schwierigkeiten, da bei einer konventionellen Aufarbeitung mit Paraffineinbettung es wegen der Härte des eingebrachten Metalls zur Zerstörung der Blöckchen kommt. Ebenso ist die Aufarbeitung von verkalkten Artherombeeten, insbesondere wenn das Entstehungsalter aufgepfropfter Thromben bestimmt werden soll, mitunter schwierig. Wir möchten über unsere Erfahrungen mit der Einbettung der Proben in Kunstharz (Methylmetacrylat) und die anschließende Bearbeitung mit der Trenn-Dünnschlifftechnik berichten. Diese Technik ist eine Methode zur Herstellung von Schliffpräparaten von nicht schneidbarem Gewebe für die mikroskopische Untersuchung. Die Implantate verbleiben dabei in ihrer ursprünglichen Lage. Bei nachfolgender Anfertigung von HE, Giemsa und zahlreichen anderen konventionellen Färbungen ist eine genaue histologische Beurteilung möglich. Das Verfahren wird anhand eines konkreten Falles beispielhaft vorgestellt. P039 Nachweis von Ethylglucuronid (EtG) und Ethylsulfat (EtS) in Haaren mittels Flüssigchromatogaphie/ Elektrospray Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) E Albermann1, F Mußhoff1, B Madea1 1Universität Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Die Bestimmung von Ethylglucuronid (EtG) i.d.R. gemeinsam mit Ethylsulfat (EtS) aus Urin im Rahmen von Abstinenzkontrollen hat sich etabliert und wurde u.a. in den Beurteilungskriterien zur Kraftfahreignung integriert. Problematischer ist die Bestimmung aus Haaren, da aufgrund der geringen Inkorporationsraten die Sensitivität gegeben sein muss, zudem existieren derzeit keine anerkannten Entscheidungsgrenzen zur Diskriminierung des Konsumverhaltens. Entwickelt wurde eine Analysenmethode mit wässriger Extraktion aus Haaren und anschließender Bestimmung mittels Hochleistungsflüssigkeitschromato-
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graphie-Tandem-Massenspektrometrie (LS-MS/MS) auf einer Q-Trap 4000 (Applied Biosystems) unter Verwendung einer Phenomenex Synergi Polar RP Säule (250x4 mm) mit einem Laufmittelgemisch aus 0.1% Ameisensäure und Acetonitril. Zur Verbesserung der Ionisierung erfolgt eine post-column Zugabe von Acetonitril. Die Bestimmungsgrenze für Ethylglucuronid liegt bei <5 pg/mg. Die verwendete Methode wurde gem. Vorgaben der Fachgesellschaft validiert. Die Anwendbarkeit wurde an authentischem Probenmaterial belegt. P040 Drogentodesfälle in den neuen Bundesländern 1995–2004 S Zwingenberger1, J Pietsch1, J Dreßler1 1TU Dresden, Rechtsmedizin, Dresden, Germany In den letzten 15 Jahren stieg die Zahl der Drogentodesfälle in den neuen Bundesländern stetig an. Ziel dieser Studie war es daher, diese Drogentodesfälle retrospektiv für die Jahre 1995-2004 zu analysieren und mit den von den Landeskriminalämtern (LKA) erhobenen Daten zu vergleichen. Die Daten wurden direkt aus den Obduktionsbefunden der rechtsmedizinischen Institute in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt recherchiert. Ebenfalls berücksichtigt wurden nur von den LKA gemeldete Drogentodesfälle. Im Betrachtungszeitraum wurden 510 Drogentodesfälle in den neuen Bundesländern erfasst. Dies entspricht 0,4 Fällen auf 100000 Einwohner und 3 % der Drogentoten Gesamtdeutschlands. 83 % dieser Drogentoten waren männlich. Das mediane Alter lag bei 24 Jahren. 55 % der Drogentoten verstarben unter dem Einfluss von Opiaten, überwiegend nach Aufnahme von Heroin. Im Vergleich der Bundesländer konnten keine relevanten Unterschiede gefunden werden. Der Datenvergleich mit den LKA erbrachte das Resultat, dass bei der Recherche in den rechtsmedizinischen Instituten 88 % aller Drogentodesfälle im Studienzeitraum gefunden werden konnten, die LKA jedoch nur 54 % erfassten. Mit dem Beitrag wird eine Übersicht über die Drogentodesfälle in den neuen Bundesländern zwischen 1995 und 2004 gegeben. Die Differenz bei der Erfassung der Drogentodesfälle zwischen den rechtsmedizinischen Instituten und den LKA weist auf ein erhebliches Kommunikationsdefizit in den derzeit bestehenden Strukturen hin. P041 Todesfälle infolge missbräuchlicher Inhalation so genannter Schnüffelstoffe Y Schulz1, K-P Larsch1, F Ast1, J Teske1, K Hussein2, D Breitmeier1 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Rechtsmedizin, Hannover, Germany 2Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Pathologie, Hannover Es wird zunehmend über Todesfälle durch missbräuchliche Inhalation so genannter Schnüffelstoffe zur Rauscherzeugung berichtet. Häufig werden im Handel frei verkäufliche Produkte, wie z. B. Deodorantien, geschnüffelt. Ebenso werden Dämpfe organischer Lösungsmittel, von Aerosolen und ähnlichen flüchtigen Stoffen eingeatmet. Die Literatur unterscheidet zwischen chronischen Einzelschnüfflern, Gruppenschnüfflern und Ausprobierschnüfflern. Wenngleich die Prävalenz dieser Art von Rauschmittelkonsum in Deutschland im internationalen Vergleich als relativ gering einzustufen ist, ist eine steigende Entwicklung anzunehmen mit bislang unbekannter gesundheitspolitischer Tragweite. Verfügbare Daten entsprechend gelagerter Fälle bzw. systematische Untersuchungen sind bislang im Wesentlichen auf Einzelfallbeschreibungen beschränkt. Im Hinblick darauf wurden alle derartigen Todesfälle innerhalb des Obduktionsgutes des Institutes für Rechtsmedizin (n = 8018) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in dem Zeitraum von 2001 – 2007 ausgewertet. Die Ergebnisse werden u. a. hinsichtlich der Auffindesituation sowie der Alters- und der Geschlechterzugehörigkeit Verstorbener und der Art missbräuchlich verwendeter Substanzen dargestellt. Die gegenständliche Arbeit soll als Anregung dienen, vergleichbare Untersuchungen durch weitere rechtsmedizinische Institute zu initiieren,
u. U. im Rahmen einer multizentrischen Studie, um einen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit über ein in unserer Gesellschaft noch zu wenig beachtetes Phänomen derartiger, prinzipiell vermeidbarer Todesfälle zu leisten.
Hinsichtlich des Arbeitsaufwandes ist die LC-MS/MS-Methode der GC-MS-Analytik bei Suchanalysen überlegen, wobei die Grenzen der Verfahren in die letztendliche Bewertung individuell mit einbezogen werden müssen.
P042 Selektivitätsprobleme in der HPLC-MS/MS und resultierende Konsequenzen für die analytische Toxikologie U Küpper1, F Musshoff1, B Madea1 1Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, Germany
P044 Ist die quantitative Bestimmung von 6-Acetylmorphin und Morphin aus Bloodspots der Analyse aus Vollblut vergleichbar? R Garcia1, R Mattern1, G Skopp1 1Inst. Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Heidelberg, Germany
Obwohl die HPLC-MS/MS sich zunehmender Popularität erfreut, so ist das Bewusstsein für die Grenzen dieser Methode, besonders für Selektivtätsprobleme, in vielen Nutzern noch unterentwickelt. Eine zuvor publizierte Methode zum Nachweis von Succinylcholin (SUX) und Succinylmonocholin (SMC) in biologischen Matrices wird als Beispiel für die Gefahren einer zu unkritischen Interpretation von HPLC-MS/MSErgebnissen vorgestellt. Proben durchliefen eine Ionenpaar-Festphasenextration mit anschließender Gradientenchromatographie. Der Nachweis der Analyte erfolgte im MRM-Modus, wobei 2 Übergänge je Analyt sowie seine Retentionszeit und die gleichzeitige Elution eines deuterierten Analogons zur Identifikation herangezogen wurden. Sowohl in nativem Humanserum als auch –urin wurde eine Interferenz mit dem Haupt-MRM von SMC gefunden, die mit diesem Analyten coeluierte und so seine Identifikation und Quantifizierung kompromittierte. Es wurde weiterhin nachgewiesen, dass die besagte Interferenz eine physiko-chemische Eigenschaft, die Alkali-Labilität, mit SMC gemein hat. Die Abwesenheit des für SMC charakteristischen zweit- und drittstärksten Übergangs in der unbekannten Substanz war der einzige Hinweis auf das Vorliegen einer Interferenz. Die detaillierte Darstellung der beobachteten Selektivitätsprobleme zielt darauf ab, das Augenmerk der Anwender auf dieses noch wenig beachtete Problem in der HPLC-MS/MS zu lenken. Es ist nachweislich notwendig, stets mehr als nur einen Ionenübergang aufzuzeichnen um den zweifelsfreien Nachweis der gesuchten Analyten führen zu können. Auch die Verwendung nachweisschwächerer MRMs kann zur Lösung von Selektivitätsproblemen empfohlen werden. P043 GC-MS versus LC-MS/MS: Methodenvergleich bei forensisch-toxikologischen Suchanalysen A Gottzein1, J Bayer1, F Musshoff1, B Madea1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Toxikologie, Bonn, Germany In den letzten Jahren hat die Flüssigkeitschromatographie mit massenspektrometrischer Detektion (LC-MS/MS) in der forensisch-toxikologischen Routine-Analytik zunehmend an Bedeutung gewonnen. Um die Eignung dieses Verfahrens für Suchanalysen einzuschätzen, wurde es in Hinblick auf Ergebnissicherheit, Arbeitsaufwand und auch wirtschaftliche Aspekte einer etablierten gaschromatographisch-massenspektrometrischer Methode (GC-MS) vergleichend gegenübergestellt. Fünfzig reale Fälle der letzten Monate wurden der Suchanalyse unterzogen. Als Untersuchungsmatrices dienten vornehmlich Blut und Urin. Bei der LC-MS/MS-Methode erfolgt eine Flüssig/Flüssig-Extraktion mit Chlorbutan bzw. Acetonitrilfällung. Die Extraktion für die GC-MSAnalytik differenziert hinsichtlich der Matrix und der Säure-Basen-Eigenschaften der möglichen Analyten und es kommen Mechanismen der Flüssig/Flüssig- wie auch der Festphasen-Extraktion zum Einsatz. Der Aufwand der Extraktion bei der GC-MS-Methode ist bedeutend höher, hinzu kommt die Notwendigkeit einer Derivatisierung. Allerdings werden bei der LC-MS/MS-Methode einige Substanzklassen, z.B. Diuretika nicht erfasst. Des Weiteren weist Letztere eine höhere Sensitivität auf, die allerdings auch zum vermehrten Auftreten von Störeffekten führen kann.
Fragestellung: Die HIV-Prävalenz bei Heroinabhängigen wird in Deutschland auf 4-6%, die HCV-Prävalenz auf über 60% geschätzt, Daten für eine Schätzung der Inzidenz weiterer viraler oder bakterieller Infektionen fehlen. Muss bei infizierten Personen Blut entnommen werden, kann das Infektionsrisiko durch Asservierung der Probe auf einem Filterpapierstreifen – vergleichbar der Trockenblutprobe für den Guthrie-Test im Rahmen der Neugeborenen-Untersuchung – für Transport, Lagerung und Aufarbeitung im Labor erheblich gesenkt werden. Ziel der vorliegenden Untersuchung war zu prüfen, ob die Bestimmung von Morphin und 6-Acetylmorphin in Bloodspots der aus Vollblut vergleichbar ist. Methode: Nach Entwicklung und Validierung einer Lösemittelextraktion und LC/MS/MS Methode für ein Probenvolumen von 100 µL wurde die Kurzzeitstabilität von Morphin und 6-Acetylmorphin bei -20, 4 und 40°C in Blut- und Trockenblutproben verglichen. Weiterhin wurden 50 authentische Opiat-positive Proben direkt und nach Anfertigung eines Bloodspots analysiert. Ergebnisse: Die Validierungsparameter für Vollblut- und Trockenblutproben waren vergleichbar. 6-Acetylmorphin erwies sich in Trockenblutproben als wesentlich stabiler als in Vollbutproben. Für authentische Proben ergab sich eine signifikante Korrelation zwischen den Ergebnissen aus Vollblut und Bloodspots. Schlussfolgerung: Trockenblutproben sind für die Untersuchung von Opiaten ebenso gut geeignet wie konventionelle Blutproben. Vorteilhaft sind eine Stabilisierung des hydrolyseempfindlichen 6-Acetylmorphins und eine Minimierung des Infektionsrisikos. P045 Tod eines Säuglings durch Intoxikation oder Ersticken? – Eine Fallbeschreibung H Wollersen1, F Erdmann1, MA Verhoff1, R Dettmeyer1 1Institut für Rechtsmedizin, Toxikologie und Blutalkohol, Giessen, Germany Einleitung: Im Gegensatz zu Erwachsenen sind für Kinder häufig keine therapeutischen Bereiche für Medikamentenwirkstoff-Konzentrationen im Blut bekannt. Zur Orientierung erfolgt häufig eine empirische begründete gewichtsadaptierte Medikation. Dies erschwert die Interpretation ermittelter Medikamentenspiegel im Blut. Kasuistik: Nach Entbindung unter falschem Namen verließ eine 31-jährige Frau mit Säugling unbemerkt die Klinik. 5 Tage später wurde der Säugling im Kofferraum ihres PKW`s tot in einer Mülltüte gefunden. In der Wohnung der Frau fand sich eine Vielzahl von Medikamenten. Obduktionsergebnis: Reifes männliches Neugeborenes ohne Fehlbildungen, einzelne Petechien subpleural und subepicardial. Keine Verletzungen, insbesondere kein Anhalt für ein Ersticken durch weiche Bedeckung. Histologie: Altersentsprechende Normalbefunde bei akuter Blutstauung, fraglich leichtes peripheres Lungenemphysem. Toxikologie: Blut, Leber, Gehirn und Urin mit Metamizol-Konzentrationen > 1000 mg/L. Darüber hinaus im Blut eine Thiopental-Konzentration von 63,9 ng/mL. Im Urin die Wirkstoffe Tramadol und Ibuprofen samt Metaboliten. Diskussion: Differentialdiagnostisch war eine bis zur Schläfrigkeit bzw. bis zur Bewusstlosigkeit führende oder gar letale Intoxikation versus einem Ersticken durch weiche Bedeckung zu klären. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts P046 Tödliche Intoxikation mit Cytisin aus Goldregen (Laburnum anagyroides) F Mußhoff1, B Madea1 1Universitätsklinikum Bonn, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Cytisin, das toxische Pyridin-Alkaloid aus Goldregen (Laburnum anagyroides ) verfügt nicht zuletzt aufgrund der Strukturverwandtschaft über ähnliche pharmakologische Effekte wie Nikotin. Für Kinder liegt die orale tödliche Dosis zwischen fünf und zwanzig Samen oder bei zehn Blüten. Erste Symptome einer Intoxikation sind Übelkeit, Schwindel, Schmerzen in Mund, Rachen und Magen. Es folgen Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Erbrechen und Durchfall. Große Dosen führen zu Erregungszuständen, Krämpfen und Lähmung, gegebenenfalls bis zur tödlichen Atemlähmung. Allerdings sind Todesfälle aufgrund der emetischen Effekte nur in Ausnahmen beschrieben. Wir berichten über eine tödliche Intoxikation bei einem 20-jährigen Mann, der sich aus entsprechendem Pflanzenmaterial einen Tee zubereitet hatte. Cytisin wurde mittels LC-ESI-MS/MS in folgenden Konzentrationen detektiert: Femoralblut 2.5 ng/mL; Herzblut 0.9 ng/mL; Urin 7.2 ng/mL; Mageninhalt 1.4 ng/mL; Leber 4.2 ng/g; Niere 4.7 ng/g; Galle 6.1 ng/mL; Gehirn 0.3 ng/g. Sonstige chemisch-toxikologische Analysen führten zu unauffälligen Befunden. Bei Ausschluss anderweitiger Todesursachen wurde im gegenständlichen Fall eine Cytisin-Intoxikation als todesursächlich angenommen, wenngleich die ermittelten Substanzkonzentrationen als nicht außergewöhnlich hoch erscheinen. Zum ersten Mal erfolgte eine quantitative Analyse an menschlichem postmortem Material. Wie aus pharmakokinetischen Messungen aus Mäusen bekannt, wurden höchste Konzentrationen in Leber, Niere und Galle festgestellt. P047 Tödliche bzw. schwere Codeinintoxikation bei dreijährigen Zwillingen N Ferreirós Bouzas1, S Dresen1, W Weinmann1 V Auwärter1, R Trittler2, H Nadjem3, R Hentschel4, C Müller4, A Pahl5, M Hermanns-Clausen6 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany 2Uniklinik Freiburg , Apotheke , Freiburg 3Institut für Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Freiburg 4Uniklinik Freiburg , Freiburg 5Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie, Erlangen-Nürnberg 6Uniklinik Freiburg , Vergiftungs-Informations-Zentrale, Freiburg Codein wird regelmäßig als Antitussivum und Analgetikum verordnet. In dieser Arbeit wird die Intoxikation von zwei 3 ¼ Jahre alten männlichen Zwillingen vorgestellt, die beide einmal täglich über 6 Tage hinweg jeweils 10 Tropfen einer Codein retard Suspension (Codipront) erhielten. Einer der beiden Kinder entwickelte im Laufe der Nacht schwere Nebenwirkungen: Bewusstlosigkeit, Erbrechen, Atemdepression; konnte jedoch in der Intensivstation der Kinderklinik erfolgreich behandelt werden. Der Bruder verstarb währenddessen zu Hause in seinem Bett. Es wurden aufwändige GC/MS und LC-MS/MS Analysen von Körperflüssigkeiten und Organen (Serum, Urin, Cerebrospinalflüssigkeit und Gehirn) auf Codein und deren Metaboliten durchgeführt. Weiterhin wurde der Konzentrationsverlauf eines pharmakokinetischen Modells simuliert und eine Genotypisierung des CYP2D6 Gens (verantwortlich für die oxidative Demethylierung von Codein zu Morphin) mittels realtime PCR durchgeführt. Die gemessenen Konzentrationen von Codein und Morphin in den Proben lagen beim verstorbenen Jungen im hoch toxischen Bereich, bei seinem Bruder zwar darunter, aber sie waren gegenüber den in der Literatur beschriebenen therapeutischen Werten deutlich erhöht. Die wahrscheinlichste Ursache für die Intoxikation ist eine versehentliche Überdosierung.
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P048 Doxepin- und Nordoxepinkonzentrationen bei einer Monovergiftung mit Doxepin A Dettling1, G Skopp1, I Pedal1, H-T Haffner1 1Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg, Germany Fragestellung: Für die Bewertung von Doxepinkonzentrationen bei letal verlaufenen Intoxikationen finden sich in der Literatur unzureichende Angaben über Wirkstoffkonzentrationen, häufig fehlen auch Angaben über die Herkunft des Untersuchungsmaterials. Bei klinischen Untersuchungen wird gewöhnlich die Summenkonzentration aus Doxepin und Nordoxepin angegeben. Allerdings spielen auch Einzelkonzentrationen und Konzentrationsverhältnisse eine wichtige Rolle. Methoden: Im Rahmen einer Obduktion wurden bei Verdacht auf eine Doxepinintoxikation die gängigen Gewebeproben und Körperflüssigkeiten entnommen. Hieraus wurden die Doxepin- und Nordoxepinkonzentrationen (n=4) mittels LC-MS/MS bestimmt. Ergebnisse: Es fanden sich folgende mittlere Konzentrationen für Doxepin: Schenkelvenenblut 779 ng/ml, Herzblut 997 ng/ml, Urin 2617 ng/ml, Mageninhalt 0,45 mg, Gallenflüssigkeit 110923 ng/ml, Lungengewebe 3672 ng/g, Lebergewebe 894 ng/g, Muskulatur 231 ng/g, Hirngewebe 459 ng/g, Nierengewebe 1865 ng/g. Für Nordoxepin lagen die mittleren Konzentrationen wie folgt: Schenkelvenenblut 1058 ng/ml, Herzblut 558 ng/ml, Urin 7891 ng/ml, Mageninhalt 0,24 mg, Gallenflüssigkeit 67860 ng/ml, Lungengewebe 6658 ng/g, Lebergewebe 910 ng/g, Muskulatur 201 ng/g, Hirngewebe 1790,8 ng/g, Nierengewebe 793,4 ng/g. Schlussfolgerung: Es wird empfohlen, in jedem Fall die Konzentration von Nordoxepin getrennt zu bestimmen (Langsamhydroxylierer) und mit der von Doxepin zu vergleichen. Da klinisch-therapeutische Bereiche bis jetzt nicht eindeutig festgelegt werden konnten, ist in Todesfällen eine sorgfältige Aufarbeitung des Falles besonders wichtig. P049 Suizid mit Tiermedikamenten: Analytik – Rekonstruktion – Handlungsfähigkeit W Grellner1, G Rochholz2, KM Kirschbaum3, B Madea3, F Musshoff3 1Abteilung Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany 2Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany 3Universität, Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Germany Im rechtsmedizinischen Schrifttum tauchen berufstypische Methoden bei Suiziden nicht ganz selten auf. Der vorzustellende Fall zeichnete sich indes durch eine besondere Seltenheit der angewandten Kombination von parenteral zu applizierenden Arzneimitteln zur Analgesierung und Tötung von Tieren aus. Ein 72 Jahre alt gewordener pensionierter Tierarzt wurde tot in seinem Bett aufgefunden. In der Umgebung fanden sich beinahe leere Fläschchen der Tierarzneimittel T61® (Embutramid, Mebezonium, Tetracain), L-Polamivet® (Levomethadon, Fenpipramid) und Xylazin sowie verschiedene Spritzen und Infusionsbesteck. Bei der Obduktion wurden neben einem metastasierten Darmkrebsleiden frische Punktionsmale u.a. an beiden Handrücken, am rechten Unterarm und im Bereich eines implantierten Ports festgestellt. Im Blut ließen sich Methadon, Embutramid, Mebezonium, Xylazin, MetamizolAbbauprodukte, Tilidin-Metaboliten, Ibuprofen und Metaboliten nachweisen. Ferner fanden sich im Urin zusätzlich Paracetamol, Codein und Metaboliten, Tramadol-Metaboliten und Naloxon. Durch weiterführende Untersuchungen des Infusionsbestecks und der Spritzen konnte die Infusion des tierärztlichen Analgetikums L-Polamivet® in Kombination mit dem Sedativum Xylazin nachgewiesen werden. Das Tiertötungsmittel T61® wurde mittels einer Spritze verabreicht. Dieses Vorgehen ermöglichte offenbar eine längere Handlungsfähigkeit als bei einer alleinigen i.v. Tötung durch T61® zu erwarten wäre.
P050 Falsch positiver Ethylglucuronid-Befund mit LC-MS/MS ist vermeidbar H Gnann1, A Wohlfarth1, A Thierauf2, W Weinmann1, C Halter1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Freiburg Der Alkoholmarker Ethylglucuronid (EtG) wird routinemäßig in Urin- und Serumproben spezifisch mittels LC-MS/MS nachgewiesen. Allerdings tritt im HPLC-Chromatogramm oft ein Störsignal einer endogenen Substanz in unmittelbarer Nähe des EtG-Signals auf und dies führte in einem Fremdlabor zu einem falsch positiven Befund. Bei der Nachanalyse in unserem Labor wurden verschiedene HPLC-Säulen eingesetzt, um das Störsignal soweit abzutrennen, dass es von einem echten EtG-Signal eindeutig unterscheidbar ist. Das Störsignal konnte chromatographisch je nach Säulenart sowohl vor als auch hinter das EtG-Signal verschoben werden. Bei der Synergi Polar RP (250 x 2mm, 4µ) Säule trat es 0,25 min nach dem EtG-Signal auf, bei der Hypercarb (100 x 2,1mm, 5µ) Säule 0,25 min vorher. Bei wenig selektiven Chromatographiesäulen kann es zur Überlagerung mit EtG kommen. Für die eindeutige Identifizierung von EtG mit LC-MS/MS ist zu fordern, dass außer der Retentionszeit ein Quantifier-Ion (Übergang: 221/75) und zwei Qualifier-Ionen (Übergänge: 221/85 und 221/113) mit den jeweiligen relativen Ionenintensitäten erhalten werden. Auch dieses Kriterium wurde im Fremdlabor nicht beachtet. Das Verhältnis zwischen dem ersten Qualifier-Ion und dem Quantifier-Ion liegt bei 100% (gleiche Signalintensität), zwischen dem zweiten Qualifier-Ion und dem Quantifier-Ion bei 50 %. Nur wenn diese Forderungen erfüllt sind, kann EtG als „nachgewiesen“ betrachtet werden. P051 Direkte Alkoholkonsummarker in der Routineanwendung A Wohlfarth1, C Halter1, V Auwärter1, H Gnann1, FM Wurst2, W Weinmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Toxikologie, Freiburg, Germany 2Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Christian-DopplerKlinik, Salzburg Die direkten Alkoholkonsummarker Fettsäureethylester (FAEE), Ethylglucuronid (EtG), Ethylsulfat (EtS) und Phosphatidylethanol (PEth) besitzen abhängig von konsumierter Ethanoldosis und Probenmedium charak teristische Nachweiszeiten und sind aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Spezifität gut zur Beantwortung verschiedener Fragestellungen geeignet. Fettsäureethylester, die sich monatelang in Haaren ablagern, können als Beweis eines chronischen Konsums herangezogen werden. PEth bildet sich nach Ethanolaufnahme von mehr als 50 Gramm pro Tag über 2 bis 3 Wochen und ist beim Nachweis eines chronischen Konsums in Sensitivität den traditionellen Markern überlegen. Analysiert wird Vollblut. Eine geringe und seltene Ethanolaufnahme produziert keine positiven Ergebnisse. EtG und EtS in Urin dienen u. a. der Kontrolle von Alkoholentwöhnungspatienten. Selbst kleine Ethanolmengen, die nur einmalig konsumiert werden, sind detektierbar, größere Dosen bis zu 5 Tagen. Im Regelfall sind beide Marker vorhanden, doch variieren die Konzentrationen individuell erheblich, wobei in einigen Fällen ein Marker ganz fehlen kann. Von 461 Proben (221 aus Psychiatrien, 240 aus eigenen Trinkversuchen), die von Januar bis Mai 2008 an unserem Institut gemessen wurden, enthielten 87 sowohl EtG als auch EtS. In 18 Proben war nur EtG nachweisbar, in 21 nur EtS. Bemerkenswert ist, dass ein Trinkversuchteilnehmer über den gesamten Zeitraum kein EtG produzierte, aber einen mit den anderen vergleichbaren EtS-Konzentrationsverlauf zeigte. P052 Nachweis von basischen Drogen mit Online-Extraktion und LC-MS/MS B Munz1, N Ferreirós Bouzas1, S Dresen1, H Gnann1, W Weinmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany Online-Extraktion gekoppelt an ein LC-MS/MS-System wird als Alternative zur offline-SPE mit GC-MS-Analyse eingesetzt. Sie verkürzt die Auf-
arbeitungszeit für Serum- und Urinproben erheblich und erlaubt somit einen schnellen Nachweis von basischen Drogen aus biologischer Matrix. Methode: Es wird mit zwei Extraktionssäulen parallel gearbeitet, so dass auf der einen Säule die Extraktion stattfindet, während die extrahierten Analyten von der anderen Säule eluiert und chromatographisch getrennt werden. Als Extraktions- und analytische Säulen werden Restek Allure PFP Säulen verwendet, die eine hohe Retentionskraft für basische Drogen aufweisen. Serum- oder Urinproben können nach Proteinfällung mit Methanol/Zinksulfat-Lösung, Abdampfen und Aufnehmen in Ameisensäure 0,1 % direkt injiziert werden. Ein chromatographischer Lauf dauert 21 min. Ergebnis: Es sind 20 basische Drogen und Metabolite in der Methode enthalten (u.a. Opiate, Amphetamine, Kokain, LSD, Methadon) für die eine Bestimmung von 5 ng/mL in Serum möglich ist. Außer Ecgoninmethylester können alle wichtigen Metabolite erfasst werden, auch die Glucuronide des Morphins. Schlussfolgerung: Die online-SPE mit LC-MS/MS-Analyse ist dazu geeignet, basische Drogen in niedrigen Konzentrationen aus Serum- und Urinproben mit geringer Probenaufarbeitung zu bestimmen. P053 Alkohol Inhalation statt Alkohol Trinken? Eine kritische Untersuchung eines neuen Trends aus England S Lüderwald1, B Zinka1, T Gilg1 1Universität, Rechtsmedizin, München, Germany AWOL ist die Abkürzung für Alkohol Without Liquid. Das Inhalationsgerät, mit dem der Alkohol in Kneipen inhaliert statt getrunken wird, wurde von einem Londoner Geschäftsmann entwickelt. Er verspricht, dass der Alkohol statt über die Blutbahn über die Lungen aufgenommen wird und somit zu keiner Gewichtszunahme und zu keinem alkoholbedingten „Kater“ am nächsten Tag führt. AWOL verspricht ein Gefühl, dass weniger dem regulären Betrunkensein als eher einem „stoned“Gefühl entspricht. Bereits wenige Milliliter eines inhalierten Absinths sollen zu einem Gefühl von Entspannung führen. Es soll geklärt werden, ob derartige Versprechen von AWOL nachvollziehbar sind und ob eine relevante Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden kann. Methode: In einer Untersuchung inhalierten 10 Probanden hochprozentige Alkoholika mittels eines originalen AWOL-Gerätes. Es erfolgten regelmäßige Atemalkohol – und Blutalkoholbestimmungen. Ergebnisse: Bei keinem der Probanden konnte eine relevante BAK nachgewiesen werden, die Gefühlswahrnehmung der Probanden war in keinem Fall als positiv beschrieben worden. Schlussfolgerung: Durch eine Inhalation von Alkohol kann keine relevante BAK nachgewiesen werden. Die versprochenen Effekte blieben bei unseren Probanden aus. P054 Präanalytische Stabilität von Benzodiazepinen auf einem Speichelsammler J Kempf1, T Wuske2, W Weinmann1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Germany 2Drägerwerk AG, Research Unit, Lübeck Einleitung: Speichel wird z.B. in Straßenverkehrskontrollen als Alternative zu den weit verbreiteten Blut- und Urinvortest eingesetzt. Probenentnahmesysteme müssen neben Anforderungen wie Robustheit und einfacher Handhabung auch eine forensisch verwertbare Probenanalyse z.B. die Möglichkeit einer Bestätigungsanalyse, zulassen. In dieser Studie wurde die präanalytische Stabilität von elf häufig missbrauchten Benzodiazepinen auf einem kommerziellen Speichelsammler untersucht. Methoden: Dotierter Leerspeichelpool wurde auf Speichelsammler gegeben und diese zwischen 5 min und 14 Tagen bei Raumtemperatur gelagert. Die Sammler wurden ohne weitere Behandlung („nativ“) und nach Zugabe von 950 µl Methanol gelagert. Zusätzlich wurden eine methanolische Lösung von Benzodiazepinen, sowie dotierter Speichel gelagert. Nativ gelagerten Proben wurden vor der Analyse 950 µl Methanol zugesetzt, die Sammler wurden in einer Salivette abzentrifugiert, das Eluat Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts eingeengt und die Benzodiazepine mittels Flüssigextraktion extrahiert. Die quantitative Bestimmung wurde mittels LC-MS/MS durchgeführt. Ergebnisse: Wir fanden unterschiedliche Verluste an Analyten durch Abbau und/oder Adsorption an das Trägermaterial während der 14-tägigen „nativen“ Lagerung. Besonders hohe Verluste wurden bei Benzodiazepinen mit Nitro-Gruppe (Flunitrazepam, Clonazepam) festgestellt. Diese Verluste an Analyten konnten durch Lagerung der Sammler in Methanol nahezu vollständig verhindert werden. P055 A Quantitative General Unknown Screening Method for Drugs and Toxic Compounds in Urine Using Liquid Chromatography–Mass Spectrometry T Rezai1, M Kozak1, R Turner1, A Schoen1, S Robinson2, B Duretz3 1Thermo Fisher Scientific, San Jose, United states 2Thermo Fisher Scientific Stafford House, Hemel Hempstead, United kingdom 3Thermo Fisher Scientific, Courtaboeuf, France Many clinical and forensic laboratories utilize general unknown screening (GUS) to identify and quantify analytes present in biological samples. The aim of this work was to develop one method on a triple quadrupole LC-MS/MS system that could be used to both identify and quantify unknown analytes in human urine. Clinicians under time constraints to screen samples could potentially benefit from such a method. An H-SRM (highly-selective reaction monitoring) based screen for 300 analytes was developed using the three most intense transitions and ion ratios for identifying each analyte. Quantitation curves were made for a subset of 50 analytes with human urine samples, which were prepared using dual mode Hypersep-Verify CX cartridges. For each of the analyte, the sum of the H-SRM transitions were used for quantitation. Samples were analyzed using electrospray ionization on a TSQ Quantum Access triple quadrupole mass spectrometer. A 13 minute LC method on a 50 x 2.1 5µm Hypersil Gold PFP column was implemented. Post-acquisition automated data processing provided for quick and error free data analysis. The screening was validated by processing and analyzing urine samples spiked with 10 randomly selected compounds in concentrations of 1 ng/ mL to 1000 ng/mL. Calibration curves were obtained from SPE spiked urine samples and LOQ’s were reported. The method was confirmed in patient urine samples. Validation results demonstrate a sensitive, time efficient GUS method supporting the detection of 300 drugs and toxic compounds in urine samples. Further, the use of H-SRM has shown improvement in signal to noise. P056 Vergewaltigung oder erotischer Traum unter Propofol? – Eine Kasuistik E Pufal1, E Bloch-Bogusławska1, G Rochholz2, C Franzelius2, K Śliwka1 1Nicolaus Copernicus University, Collegium Medicum, Department of Legal Medicine, Toruń-Bydgoszcz, Poland 2Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany Am Institut für Rechtsmedizin in Bydgoszcz wurde eine Blutprobe und ein Vaginalabstrich einer Patientin entnommen, die in einer Frauenarztpraxis behandelt worden war und den Frauenarzt beschuldigte, sie vergewaltigt zu haben. Die Frau machte detaillierte Angaben, der Arzt wies die Beschuldigungen als frei erfunden zurück. Während sich im Vaginalabstrich keine Spermazellen fanden, konnte in der fünf Stunden nach dem Vorfall entnommenen Blutprobe mittels Gaschromatographie/Massenspektrometrie der Wirkstoff Propofol nachgewiesen werden. Propofol (Disoprivan®, Recofol®) wurde 1989 in den USA und 1996 in Polen als Anästhetikum zugelassen. Er wird intravenös verabreicht und führt rasch zum Bewusstseinsverlust, der bei üblicher Dosierung etwa vier bis acht Minuten anhält. Da im Zusammenhang mit der Anwendung von Propofol beim Abklingen der Wirkung lebhafte Träume, zum Teil auch mit sexuellem Inhalt auftreten können, war der Frage nachzu-
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gehen, ob die Beschuldigungen der Wahrheit entsprachen oder es sich um sexuelle Träume als Nebenwirkung der Propofol-Gabe handelte. P057 Aufklärung der molekularen Mechanismen der zellschädigenden Wirkung von Methadon und das Potential zum Einsatz von Methadon in der Krebstherapie C Friesen1, M Roscher1, A Alt1, E Miltner1 1Universität Ulm, Rechtsmedizin, Ulm, Germany Fragestellung: Das therapeutische Opioid Methadon (D,L-Methadonhydrochlorid) wird als Substitutionsmittel gegen körperliche Entzugserscheinungen bei Heroinabhängigkeit eingesetzt. In unseren Studien haben wir die zellschädigende Wirkung von Methadon in leukämischen und nichtleukämischen humanen Zellen untersucht und die molekularen Mechanismen der zellschädigenden Wirkung von Methadon aufgeklärt. Methoden: Leukämiezellen oder Lymphozyten werden mit verschiedenen Konzentrationen von Methadon inkubiert. Nach 24 und 48h werden durchflusszytometrische Analysen, Zellzyklus-, Proliferations- und Western-Blot-Analysen durchgeführt. Ergebnisse: Methadon hemmt in leukämischen Zellen in der G1 Phase die Proliferation und induziert Apoptose, während nicht-leukämische Zellen überleben. Methadon aktiviert in leukämischen Zellen Apoptosesignalwege durch die Aktivierung von Caspase-9 und -3, Herunterregulation des antiapoptotischen Proteins BclxL und des caspaseninhibierenden Proteins XIAP. Außerdem wird PARP, ein Substrat der Caspase-3, gespalten. Desweiteren kann Methadon durch direkte Mitochondrienaktivierung die Chemoresistenz in Leukämiezellen durchbrechen. Der rezeptorvermittelte Signalweg des Bruder- und Selbstmordes der Zelle konnte bei Methadon nicht gefunden werden. Schlussfolgerungen: Methadon induziert Apoptose und aktiviert Apoptosesignalwege in leukämischen humanen Zellen. Methadon scheint ein vielversprechender therapeutischer Ansatz nicht nur zur Behandlung der Opioidabhängigkeit zu sein sondern ist auch eine neue Therapiestrategie zur Behandlung von Leukämien, besonders wenn die konventionellen Therapien fehlschlagen. P058 In vitro Voruntersuchungen zur Interaktion von Amitriptylin und Nortriptylin mit dem Phase-II-Metabolismus von Buprenorphin S Oechsler1, G Skopp1 1Inst. Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Heidelberg, Germany Fragestellung: Die Glucuronidierung stellt den wichtigsten Stoffwechselweg zur Elimination von Fremdstoffen aus dem Körper dar. Das zunehmend in der Substitutionstherapie eingesetzte Buprenorphin (BUP) wird, ebenso wie sein pharmakologisch aktiver Metabolit Norbuprenorphin (NBUP), vorzugsweise glucuronidiert. Bisher ist nicht bekannt, a) welche Glucuronyltransferasen (UGT) beteiligt sind und b) ob z.B. Psychopharmaka wie Amitriptylin und Nortriptylin zu Wechselwirkungen mit dem Phase-II-Abbau führen. Methoden: Zur Bestimmung der Glucuronide von BUP und NBUP wurde eine LC/MS/MS Methode entwickelt und validiert. Nach Identifizierung der an der Glucuronidierung von BUP und NBUP beteiligten UGTs wurden die zugehörigen Kinetiken (Km: Michaelis-Menten Konstante, Vmax: maximale Reaktionsgeschwindigkeit) bestimmt. Zusätzlich wurde die potentielle Interaktion mit Amitriptylin und Nortriptylin näher charakterisiert (IC50, Inhibitorkonzentration bei 50% Kontrollaktivität). Ergebnisse: BUP wird vorzugsweise durch UGT2B7, 1A3 und 1A1, NBUP nur durch UGT1A3 und 1A1 glucuronidiert. Eine Hemmung durch Amitriptylin wurde für die Glucuronidierung durch UGT1A3 beobachtet, während Nortriptylin keine Wechselwirkungen zeigte. Schlussfolgerung: Durch weitergehende Untersuchungen und Einbeziehung weiterer potentieller Interaktionspartner soll geklärt werden, inwieweit eine Hemmung des Phase-II-Metabolismus von BUP und NBUP eine Rolle bei Medikamentenzwischenfällen spielt.
P059 Zur Knochenmineraldichte-Verteilung humaner Rippen M Darok1, HP Dimai2, S Kirschbichler3, E Tomasch3 1Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Graz, Graz, Austria 2Universitätsklinik für Innere Medizin, Abt. für Endokrinologie, Graz 3Technische Universität Graz, Institut für Fahrzeugsicherheit, Graz Aus den vorliegenden Forschungsergebnissen zum Thema Fahrzeugsicherheit und Insassenschutz kann kein adäquates Modell bezüglich der Wahrscheinlichkeit von Rippenbrüchen infolge der Wirkung der Rückhaltesysteme im Fahrzeug entwickelt werden. Unser Ziel war, die Knochenmineraldichteverteilung in menschlichen Rippen zu erfassen. Hierzu wurden ausschließlich Rippensets von Verstorbenen verwendet, die ihren Körper zu Lebzeiten der Forschung und Wissenschaft vermacht hatten. Die Rippen wurden in definierte Segmente aufgeteilt, die Segmente wurden auf Druck und Biegung getestet. Die Knochenmineraldichte jedes einzelnen Segments wurde sowohl mittels quantitativer Computertomographie (QCT) als auch mittels Doppelröntgen-Absorptiometrie (DXA) gemessen. Die DXA-Methode gilt zwar als weit verbreitetes Standardverfahren in der Früherkennung von Osteoporose, gibt jedoch lediglich die Flächendichte (g/cm²) an, während das QCT-Verfahren die tatsächliche Volumendichte (g/cm³) misst. Unseren Messungen zufolge nehmen sowohl die Flächen- als auch die Volumendichte von dorsal nach ventral ab; lediglich die erste Rippe bildet hier eine Ausnahme. Ein Zusammenhang zwischen Dichte und Belastbarkeit der Rippensegmente konnte bei den ersten Untersuchungen nicht festgestellt werden; demnach spielt die Feinstruktur eine große Rolle. Es wurden daher weitere Testreihen durchgeführt, über deren Ergebnisse ebenfalls berichtet wird. P060 Grenzen bildgebender Verfahren in der Rechtsmedizin – 2 Fallbeispiele W Schweitzer1, M Keller1, W Bär1 1Institut für Rechtsmedizin, Zürich, Switzerland Rechtsmedizinische Anwendung von 3D-Scanverfahren ist ein neues Gebiet, wo uns Einsatzmöglichkeiten, Verlässlichkeit, aber auch Grenzen interessieren. – Anhand zweier Fallbeispiele illustrieren wir die Leistungsfähigkeit konventionell erhobener Befunde, deren Detektion mit CT- oder MRI-Scans nicht gelingen dürfte. – Fall 1: Eine Frau wird mit zahlreichen Kopfverletzungen als Folge mutmaßlicher Pfannen-, Hammer- und Glasflaschenschläge tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Bei der Rekonstruktion des Tötungsdelikts stellt sich auch die Frage nach der Anzahl Schläge auf den Kopf. Die beste befund-basierte Näherung liefert bei sich teils überlagernden Kopfschwartenwunden die ergänzende Stereomikroskopie des Schädels, der Berstungszentren mit Bruchspalten im Mikrometerbereich erkennen lässt. Diese Befundgröße liegt massiv unterhalb der Auflösung klinischer CT-Scanner. – Fall 2: Eine 16 Jahre alte Sportlerin stirbt nach kardiologischer Abklärung zweier Synkopen plötzlich während eines Trainings. Eine arrhythmogene, rechtsventrikuläre Cardiomyopathie war zwar ex post elektrokardiographisch erkennbar, war aber weder sonografisch noch makroskopisch erkennbar gewesen. – Wir stellen die beiden Fälle sowie unsere sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für den Einsatz bildgebender Verfahren auf dem Poster dar. P061 Bildgebende Verfahren in der Rechtsmedizin: Eigenschaftsvektoren zur Klassifizierung von dreidimensional digitalisierten Wunden E Roehrich1, W Bär1, W Schweitzer1 1Institut für Rechtsmedizin, Zürich, Switzerland Modelle von Hautverletzungen aus den Kategorien Strangfurche, Schussverletzung, halbscharfe Gewalt und Schürfung an rauer Oberfläche haben wir bereits erfolgreich mit Hilfe mathematischer Formenanalyse (Shapevektoren) am Modell klassifizieren können [1]. Die Untersuchungsmethode, die auf die bildhafte Darstellung der Gauß-Krümmung auf 5 unterschiedlichen Skalen basiert und sich durch weitere geometrische
Ableitungen, sogenannte Shape Deskriptoren, erweitern lässt, wird nun auf 3D-Digitalisierungen echter Hautverletzungen angewendet. Eine Gruppe von 7 Hammerverletzungen (geformte, mehrheitlich stumpfe Gewalt) kann erfolgreich von einer zweiten Gruppe von Schürf- und Quetschwunden als Folge eines Verkehrsunfalls (flächige, stumpfe Gewalt) diskriminiert werden. Methode und Fallstudie werden auf dem Poster dargestellt. – - [1] Röhrich E, Schweitzer W, Bär W (2007) Bildgebende Verfahren in der Rechtsmedizin: Eigenschaftsvektoren zur Klassifizierung von dreidimensionalen Wundformen am Modell. Rechtsmedizin 17(4):271. P062 Gefäßdarstellung mit Luft im postmortalen Computertomogramm A Heinemann1, A Gehl1, H Vogel1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Fragestellung: Die Analyse von Gefäßdarstellungen im postmortalen Computertomogramm führte zu der Frage, inwieweit die Darstellung von Gefäßen mit Luft oder Gas sich für die Diagnostik eignete. Methode: Analysiert wurden die Gefäße der Leichen, die seit Januar 2008 in Institut für Rechtsmedizin des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf mit einem Multislice-CT untersucht wurden. Die Darstellung der Arterien und Venen mit Luft und Blut wurde ergänzt durch gezielte Injektionen in Herz und Gefäße. Ergebnisse: Bei perforierenden Verletzungen mit Luftembolie, bei irrtümlicher Gabe von Luft ins Gefäßsystem und bei Polytrauma mit Luftembolie kommt es zur Darstellung des Lumens von Herz, Aorta, Arterien, Venen, intrazerebralen Arteriellen und Venen, und Portalvenen. Diese Beobachtung führte zur gezielten Injektion von Luft in Herzkammern. Geprüft wurde, inwieweit sich die koronaren Gefäße und die Arterien des intrazerebralen Kreislaufes darstellten. Es ergab sich, dass es zu einer Darstellung kommt, die Aussagen über intravaskuläre Pathologien erlauben. Schlussfolgerung: In der Krankenversorgung gibt es bei Spezialindikationen die Darstellung von Gefäßen mit Kohlendioxyd. Postmortal kommt es zu einer guten Darstellung der koronaren Arterien und der intrazerebralen Arterien. Im Unterschied zur Untersuchung von Lebenden beschränkt sich die Aussage auf die Pathologie in Gefäßlumen beziehungsweise in der Gefäßwand – eine Aussage über eine Störung der Gefäßorganschranke ist bisher zur Zeit nicht möglich. Ansätze für eine weiterführende Diagnostik von Gefäßpathologie werden aufgezeigt. P063 Gefäße im postmortalen Computertomogramm M Kammal1, H Vogel1, C Braun1, A Gehl1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Fragestellung: Im postmortalen Computertomogramm werden Veränderungen der Arterien, Venen und des Herzes sichtbar. Ihre Systematik soll dargestellt werden. Methode: Im Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg werden seit Januar 2008 Leichen in der Routine mit einem Multislice-CT untersucht. Die Veränderungen der Gefäßsysteme wurden erfaßt und ausgewertet. Ergebnisse: Postmortal sind Schichtungen im Lumen, Änderungen der Form der Aorta und der großen Venen und Luftfüllungen zu erkennen. Schichtungen im Herzen, der Aorta, der Lungenvenen und der großen Venen zeigen eine Dichtezunahme in den tiefer liegenden Abschnitten und als Folge ein Hervortreten der Gefäßwand. Die Formänderung der Aorta ist am auffälligsten im Bereich des Aortenbogens – im Abgangsbereich des Truncus brachiocephalicus erscheint eine Umformung ähnlich einem Kleeblatt. Die Vena cava inferior kollabiert Im Abdomen werden Luftfüllungen in den Arterien, Venen, Portalvenen und im Gallengangsystem sichtbar. Schlussfolgerung: Als Ursache der Veränderungen der Gefäßform kommt eine Änderung des Gefäßwandtonus, eine Veränderung des intravaskulären Druckes und eine Veränderung des Druckgradienten zwischen Gefäßinnerem und Umgebung in Betracht. Das Auftreten der Formänderungen und der Gasbildung zeigt Muster in Abhängigkeit von der seit dem Tode verstrichenen Zeit. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts P064 Häusliche Gewalt in Japan und Deutschland – ein interkultureller Vergleich B Gahr1, I Michele2, H Graß1, S Ritz-Timme1 1Institut für Rechtsmedizin Düsseldorf, Morphologie, Düsseldorf, Germany 2Institut für Rechtsmedizin Düsseldorf, Proteinlabor, Düsseldorf In Kooperation mit dem Lehrstuhl Modernes Japan (HHU Düsseldorf) wurde ein interkulturell vergleichendes Projekt zum Thema Häusliche Gewalt konzipiert, das besonders auf die medizinischen Hilfestrukturen fokussiert. Erfahrungen aus Deutschland und Japan belegen eine mangelhafte Integration des Gesundheitswesens in die Hilfenetzwerke für Gewaltopfer. Jedoch zeigt das eigene rechtsmedizinische Angebot am Universitätsklinikum Düsseldorf, wie eine verbesserte Integration der (rechts)medizinischen Ressourcen zur Verbesserung der Gewaltopferversorgung erreicht werden kann. Basierend auf diesen eigenen und weiteren Erfahrungen soll im interkulturellen Vergleich einem Katalog von Fragen nachgegangen werden, um in einer abschließenden Diskussion und Gegenüberstellung Optimierungsstrategien in der Gewaltopferversorgung in Deutschland und Japan unter Berücksichtigung kultureller Aspekte herauszuarbeiten, die für die praktische klinisch-rechtsmedizinische Arbeit mit unterschiedlich kulturell geprägten Gewaltopfern von Bedeutung sein dürften. Zunächst werden die gesellschaftliche und individuelle Wahrnehmung von Gewalt im Allgemeinen und der Gewalt im häuslichen Umfeld (intimate partner violence) in Japan und Deutschland untersucht. Die Hilfeangebote und deren Nutzung durch Opfer werden analysiert. Die Bedürfnisse der Gewaltopfer im Ländervergleich und das Dunkelfeld in Deutschland und Japan werden beschrieben. Weiter ist eine Befragung im medizinischen Hilfesystem einer japanischen Region geplant, die mit den Düsseldorfer Strukturen vergleichbar ist, um die so gewonnenen Daten mit einer bereits vorliegenden Befragung im Raum Düsseldorf vergleichen zu können. P065 Kleine, hops mal! – und wie daraus ein Verdacht auf Kindesmisshandlung wurde B Gahr1, K Lammert2, S Ritz-Timme1, H Graß1 1Institut für Rechtsmedizin Düsseldorf, Morphologie, Düsseldorf, Germany 2St. Clemens Hospital, Kinder- und Jugendmedizin, Geldern In einer Kinderarztpraxis wurde ein Kleinkind notfallmäßig durch die Mutter vorgestellt, nachdem diese bei dem Kind Hämatome am Stamm und im Gesicht sowie fleckförmige Einblutungen in der Gesichtshaut gesehen hatte. Der zunächst aufgesuchte Kinderarzt fand „frische, streifige Hämatome“ im Gesicht und äußerte den Verdacht der Kindesmisshandlung. Mit dieser Verdachtsdiagnose wurde das Kind zur weiteren Abklärung stationär eingewiesen. In der klinischen Anamnese wurde über ein Spiel-/Sportgerät im Haushalt der Familie berichtet, bei dem es sich um ein Hüpfgestell handelt, in dem ein Kleinkind, in einem Textilsitz sitzend, mit leichtem Bodenkontakt, durch elastische Aufhängungen des Sitzes (hier durch Befestigung in einem Türrahmen), aufund niederhüpfen kann. In der Klinik wurde mittels einer Puppe mit den Körpermaßen des Kindes der mögliche Verletzungsmechanismus rekonstruiert. Ergänzend erfolgte eine Beratung mit einem rechtsmedizinischen Institut. In der Zusammenschau der Erkenntnisse wurde maßgeblich ein Unfallgeschehen angenommen und die Eltern über die Gefährlichkeit des Spielgerätes eindringlich aufgeklärt. Es wird über die Fallrekonstruktion berichtet und die Herstellerhinweise zur Gerätenutzung kritisch diskutiert.
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P066 Gewaltopferversorgung am Beispiel der Verbundversorgung im Rahmen eines universitären Netzwerkes – Fokus Unfallchirurgie H Graß1, P Jungbluth2, L Müller-Herkenhoff1, K Dassler1, S Ritz-Timme1 1Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany 2Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Düsseldorf Die Implementierung eines klinischen Netzwerks für die Versorgung von Gewaltopfern am Universitätsklinikum Düsseldorf wird wissenschaftlich begleitet. Zur Erhebung der Ausgangssituation vor Etablierung des Netzwerkes erfolgte eine retrospektive Aktenanalyse aller ambulanten und stationären Patienten für das Jahr 2004, die in der Klinik für Unfallchirurgie behandelt wurden. Zu allen Fällen, die nach Aktenlage mit Gewalterleben zusammenhingen, wurden Daten deskriptiv nach den Stichworten Alter, Geschlecht, Fakten zur Gewalttat, Gewaltfolgen, Art und Umfang der Befunddokumentation sowie Veranlassung weiterer Maßnahmen ausgewertet, Akten von 7148 Patienten (6201 ambulant ; 947 stationär) wurden analysiert. Insgesamt konnten 349 Gewaltopfer identifiziert werden (157 Fälle von Gewalt im öffentlichen Raum, 59 Opfer interpersoneller Gewalt, 133 nicht eindeutig einzuordnende Fälle). Insgesamt entspricht dies einem Patientenanteil von 4,9 % . Der Altersdurchschnitt der Gewaltopfer betrug 30,5 Jahre, das Geschlechterverhältnis lag bei fast 3:1 (F:M). Auffällig war die lückenhafte Anamnese und Dokumentation in vielen Fällen. Ein rechtsmedizinisches Konsil oder eine Weiterleitung in Beratungsstellen erfolgte nur in vereinzelten Fällen bzw. gar nicht. Mit Blick auf die festgestellten Lücken in der Betreuung und Unterversorgung dieser Patienten wird die Notwendigkeit einer ärztlichen Schulung und interdisziplinären Versorgung von Gewaltopfern sehr klar. P067 Verletzungen von Frauen bei Partnerschaftskonflikten in Novosibirsk, Russland E Ehrlich1, AM Motovilova2 1Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin, Berlin, Germany 2Regionales Büro der gerichtsmedizinischen Expertise, Novosibirsk, Russian federation Gerichtsmedizinische Untersuchungen von Lebenden in Russland werden in speziellen Ambulanzen durchgeführt. Die russische Strafprozes sordnung schreibt gerichtsmedizinische Untersuchungen von Unfallopfern vor, so dass die Untersuchungszahlen entsprechend hoch sind. Analysiert wurden Daten einer Ambulanz in Novosibirsk in Sibirien. Dabei handelt es sich um eine städtische Ambulanz. Im Jahr 2005 wurden insgesamt 2485 Gewaltopfer untersucht, 1034 (42%) davon waren Frauen. 258 dieser Frauen gaben bei der Untersuchung an, Opfer eines Partnerschaftskonfliktes zu sein. Gleiche Angaben machten nur 11 Männer (4%). In teressant war ein markanter saisonaler Anstieg der Untersuchungen von August bis November (monatlich ca. 30) bei minimalen Opferzahlen in den Sommermonaten Juni (6) und Juli (12). Die meisten Frauen (104) befanden sich in der vierten Lebensdekade und kamen gleich nach der Tat zur Untersuchung (72) oder innerhalb von 3 Tagen (81). Das Gesicht (119) und die Unterarme (93) waren die bevorzugten Verletzungsregionen, der Genitalbereich war nur in 2 Fällen betroffen. Auch wurden nur bei 10 Opfern Verletzungen der Brustdrüsen notiert. Am häufigsten waren Hämatome (248) und Abschürfungen (85) zu sehen. In 16 Fällen wurden verschiedene Knochenbrüche diagnostiziert. In 2 Fällen waren frische Zigarettenverbrennungen und in 2 weiteren Fällen Verbrühungen festzustellen. P068 Gewahrsamstauglichkeitsuntersuchung – ist der Arzt dazu verpflichtet? S Heide1, M Krüger2, M Kleiber1, D Stiller1 1Martin-Luther-Universität, Institut für Rechtsmedizin, Halle/S., Germany 2Martin-Luther-Universität , Lehrstuhl für Strafrecht, Halle/S., Germany
Gelegentlich wird der Rechtsmediziner von der Polizei um eine Beurteilung der Gewahrsamstauglichkeit eines Festgenommenen gebeten. Einige rechtsmedizinische Institute in Deutschland führen diese Untersuchungen sehr häufig durch (bis zu 2500 Untersuchungen/Jahr). Andere Institute verweisen darauf, dass diese Begutachtungen nicht zum Aufgabengebiet der Rechtsmedizin gehören. In einigen europäischen Ländern ist die ärztliche Zuständigkeit bei der Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam klar definiert. Demgegenüber ist in Deutschland in den Polizeigewahrsamsordnungen und Poli zeigesetzen der Bundesländer nur selten eine konkrete Festlegung dazu getroffen, wer die Beurteilung der Gewahrsamstauglichkeit durchführen soll. Polizeiärzte sind in der Praxis mit dieser Aufgabe quantitativ überfordert. Häufig wird deshalb von den Innenministerien oder Polizeidienststellen versucht, andere Ärzte vertraglich für diese Tätigkeit zu binden. Nicht in allen Regionen gelingt der Abschluss einer solchen Zuständigkeitsvereinbarung und in mehreren Publikationen wurde seitens der Polizei kritisiert, dass sich mitunter Ärzte weigern, eine entsprechende Untersuchung vorzunehmen. Neben Unsicherheiten im Umgang mit dieser Problematik können hier rechtliche, standesrechtliche und ethische Bedenken eine Rolle spielen. Es soll diskutiert werden, ob und gegebenenfalls welcher Arzt zur Beurteilung der Gewahrsamstauglichkeit verpflichtet werden kann und ob ihm ju ristische Konsequenzen drohen, wenn er diese Untersuchung verweigert. P069 Motivation für menschliche Bissverletzungen AS Schröder1, J Krohn1, K Püschel1, D Seifert1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Bissverletzungen werden bei rechtsmedizinischen Untersuchungen von Menschen nach unterschiedlich motivierten Gewaltdelikten beobachtet. Wir haben retrospektiv 143 Verletzungsfälle durch menschliche Bisse ausgewertet, die im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in den Jahren 2000 bis 2007 bei Opfern und Tätern von Gewaltdelikten dokumentiert worden. Die Anzahl der weiblichen Untersuchten überwog dabei mit einem Anteil von ca. 70%. Es wurden drei „Motivationskonstellationen“ für das Beißen erarbeitet: Durch Aggression motivierte Bissverletzungen („Wutbeißen“). Sexuell motivierte Bissverletzungen. Bissverletzung als Abwehrverletzung. Eine detaillierte Analyse der Motivation erfolgte nach soziodemografischen Daten (Täter-Opfer-Beziehungen, Alter, Geschlecht) sowie nach Lokalisation der Bissverletzungen. Es stellte sich heraus, dass es sich in der Mehrzahl der Fälle um Taten im sozialen Nahfeld handelte. Die Bissverletzungen fanden sich am häufigsten an gut zugänglichen unbekleideten Körperregionen. Die Beziehung von Bissverletzungen zu anderen Gewaltformen (z.B. Würgen) wurden analysiert. Dabei konnte eine Korrelation von Bissverletzungen und sexuell motivierten Taten festgestellt werden. P070 Kinder – Hämatome! – Misshandlung? I Senkpiehl1, H-J Kaatsch1 1Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany Kindesmisshandlungen, insbesondere körperliche Misshandlungen, geraten zunehmend ins öffentliche Interesse. Aus der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2006 geht eine Zunahme der körperlichen Misshandlungen bei Kindern von 7,8% hervor, im Gegensatz dazu wurde eine Abnahme von 8,6% des sexuellen Missbrauchs bei Kindern verzeichnet. Bei körperlichen Misshandlungen können vielfältige Verletzungsarten beobachtet werden. In den meisten Fällen liefern Hämatome erste Hinweise und nicht selten stellen sie die Basis der Diagnose „körperliche Misshandlung“ dar, wenn keine anderen Verletzungen vorliegen. Hinsichtlich der zumeist im Rahmen eines Gutachtens geforderten Alterseinschätzung der Hämatome sind bezüglich der zeitlichen Farbveränderungen bei Kindern die unterschiedlichsten Angaben zu finden. Eine Zuordnung zu einem zeitlichen Vorfall ist somit deutlich erschwert. In der Literatur wird
dahingegen ein Modell beschrieben, welches auf der Hämatomanzahl, lokalisation sowie -formung basiert, anhand dessen eine Differenzierung zwischen einer Misshandlung und einem Unfall ermöglicht werden soll. Die zweckmäßige Anwendung des Modells wird anhand Ergebnissen körperlicher Untersuchungen unseres Institutes überprüft. P071 Analyse der knöchernen Verletzungen im Rahmen von Kindesmisshandlungen aus dem Untersuchungskollektiv der rechtsmedizinischen Untersuchungsstelle in Hamburg N Wilke1 D Seifert1, J Sperhake1 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Knöcherne Verletzungen bei Kindern finden sich häufig im Rahmen von Misshandlungen. Etwa 10- 50% der misshandelten Kinder sollen eine Fraktur aufweisen (laut Literaturanalyse von Herrmann). Gemäß der Literatur gilt dabei das Alter als Hauptrisikofaktor. Demnach finden sich 55-70% aller Misshandlungsfrakturen im Alter unter 1Jahr und sogar 80% unter 18 Monaten. Die Fälle von Kindesmisshandlung aus dem Bereich unserer klinischen Gewaltopferambulanz am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf werden ausgewertet und speziell im Hinblick auf das knöcherne Verletzungsmuster analysiert. Die Ergebnisse werden mit den Angaben aus der gängigen Literatur verglichen. Die in unserem Untersuchungskollektiv geringere Frakturhäufigkeit ist am ehesten im Zusammenhang mit dem niedrig schwelligen Ansatz der rechtsmedizinischen Ambulanz zu verstehen. P073 Forensische Validierung des STR-Markers DXS10160: Strukturanalyse, Allelnomenklatur, Populations- und Kopplungsdaten S Hering1, J Edelmann2, C Augustin3, J Dreßler1, R Szibor4 1TU Dresden, Institut für Rechtsmedizin, Dresden, Germany 2Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig 3Universität Hamburg, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg 4Universität Magdeburg, Institut für Rechtsmedizin, Magdeburg DXS10160 wird vom Human Genome Project in der Region Xp11, ca. 56 506 kb vom p-Telomer des X-Chromosoms lokalisiert. Der Pentanukleo tidmarker weist eine komplexe Repeatstruktur mit zwei unterschiedlichen Grundmustern auf (Typ A und Typ B), für die eine Allelnomenklatur entsprechend den ISFG-Empfehlungen vorgeschlagen wird. Es werden Populationsdaten und Sequenzanalysen für eine deutsche Stichprobe präsen tiert. Mit den Markern DXS10159 und DXS10161-DXS10165 im centromeren Bereich zwischen 55999–63994 kb wurde in einer Familienstudie (Jungen mit deren Müttern und mütterlichen Großvätern) geprüft, ob zwischen den Loci Rekombinationen auftreten. Kombinationen eng gekoppelter, d. h. nichtrecombinierender Marker eignen sich besonders zur Lösung komplizierter Defizienzfälle. P074 Nachweis von mitochondrialen Einzelnukleotid-Polymorphismen bei FFPE Schnitten von tumorösem und nicht-tumorösem Gewebe S Köhnemann1, A Jeibmann2, H Carsten3,1, W Paulus2, H Pfeiffer4 1Universitätsklinikum, Forensische Molekulargenetik, Münster, Germany 2Universitätsklinikum, Neuropathologie, Münster 3Forensische Genetik, Münster 4Universitätsklinikum, Rechtsmedizin, Münster Es wurde ein Nachweisverfahren entwickelt, in dem 31 mitochondriale (mt) Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) in einer Multiplex-PCR und einer Multiplex-SNaPshot Reaktion analysiert werden können. Mit dieser SNP-Auswahl ist eine Einordnung in das phylogenetische Netz der weltweit vorkommenden mt-Haplogruppen möglich, zudem können pathogene Haplotypen identifiziert werden. Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts Die Typisierung von DNA-Extrakten aus 10 Jahre alten FFPE (Formalin Fixed Paraffin Embedded) Gewebeschnitten ist gut durchführbar. Die Untersuchung von ungefärbten und HE-gefärbten Schnitten ergab identische Resultate. Voruntersuchungen, jeweils am Blut und Tumorgewebe eines Falles durchgeführt, konnten genetische Unterschiede aufzeigen, die als pathogen eingestuft werden können. Das Nachweisverfahrens ermöglicht es weitere SNPs aufzunehmen oder etablierte SNPs auszutauschen, deshalb ist das Nachweisverfahren bestens geeignet um ausgewählte mt-SNPs post mortem an FFPE Gewebe nachzuweisen. P075 DNA-Untersuchungen an Kontaktlinsen J Sanft1, G Mall1 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Rechtsmedizin, Jena, Germany Kontaktlinsen können wichtige Spuren bezüglich einer forensischen DNA-Untersuchung darstellen. Zum Beispiel könnten Kontaktlinsen als Material zur Identifizierung unbekannter Toter genutzt werden. Momentan wird Vergleichsmaterial in Form von Zahnbürsten, Rasierern und Haarbürsten/Kämmen genutzt. Die Amplifikation von DNA solcher Spuren kann schwierig sein, da Verunreinigungen, welche durch die Nutzung von Zahnpasta oder Haarkosmetika resultieren, die PCR inhibieren können. Da Kontaktlinsen im direkten Kontakt mit der Augenschleimhaut sind, sollte sich genügend zellhaltiges Material daran befinden um eine erfolgreiche Typisierung zu ermöglichen. Hier sind die Ergebnisse der DNA-Extraktion mit drei verschiedenen Methoden (alle basierend auf Phenol-Chloroform-Extraktion), der Quantifizierung sowie der Typisierung dargestellt. In diesem Versuch wurden Tageslinsen genutzt um zu prüfen, ob eine Mindesttragezeit von ca. zehn Stunden (ein Tag) ausreichend ist um genügend Zellmaterial für ein vollständiges DNA-Profil zu binden. P076 Afrikanische Frequenzdaten autosomaler STRs zum Aufbau einer Datenbank N von Wurmb-Schwark1, K Bernhardt1, T Schwark1, E Simeoni1, F Tschentscher2, ENL Browne3, RD Horstmann4, M Poetsch5 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany 2Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 3School of Medical Sciences, Kwame Nkrumah University of Science and Technology, Department of Community Health, Kumasi, Ghana 4Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin, Institut für Molekulare Medizin, Hamburg 5Universität Essen, Institut für Rechtsmedizin, Essen, Germany Abstammungsuntersuchungen im Rahmen von Asylanträgen und Familienzusammenführungen werden häufig als sogenannte Defizienzgutachten, d.h. ohne Untersuchung aller Beteiligten (Kind, Kindesmutter, Putativvater) durchgeführt. In solchen Fällen (meist nur Analyse von Kind und Putativvater) ist es daher wünschenswert, möglichst genaue Populationsdaten für die biostatistische Auswertung zu nutzen. Für die vorliegende Studie wurden Short Tandem Repeat (STR)-Daten von unverwandten Personen aus verschiedenen nord-, west- und zentralafrikanischen Ländern erstellt. Die Proben wurden danach ausgewählt, aus welchen Ländern Personen an Abstammungsuntersuchungen beteiligt waren, bzw. freiwillige Probanden gewonnen werden konnten. Bisher konnten 315 Proben aus 16 verschiedenen Ländern mit jeweils mindestens 15 verschiedenen autosomalen STRs (D8S1179, D21S11, D7S820, CSF1PO, D3S1358, TH01, D13S317, D16S539, D2S1338, D19S433, VWA, TPOX, D18S51, D5S818, FGA) analysiert werden, wobei Ghana mit insgesamt 252 Individuen die größte Gruppe umfasst. Zusätzliche Proben stammen von Personen aus Marokko (20 Proben), Kamerun (9), Nigeria (8), Togo (6), Elfenbeinküste (4), Kongo (3), Angola (2), Sierra Leone (2), Senegal (2) sowie Algerien, Gambia, Zentralafrikanische Republik, Bur-
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kina Faso, Guinea und Liberien mit je einem Probanden. Die erhobenen Allelfrequenzen werden zum einen untereinander, zum anderen mit einem selbst-erstellten Datensatz, bestehend aus 200 Proben von unverwandten Personen aus Schleswig-Holstein, verglichen. P077 X-chromosomale Populationsdaten aus Mitteldeutschland U-D Immel1, M Kleiber2 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Genetik, Halle/Saale, Germany 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Halle, Halle, Germany Die Untersuchung X-chromosomaler (ChrX) STR-Marker ist in der Abstammungsbegutachtung – insbesondere bei Defizienzfällen – eine zusätzliche und zum Teil fallentscheidende analytische Option. In der vorliegenden Studie wurden die ChrX-STRs Loci DXS8378, HPRTB, DXS7423, DXS7132, DXS10134, DXS10074, DXS10101 und DXS10135 untersucht. Dazu wurde der auf dem Markt befindliche Kit Mentype® Argus X-8 (Fa. Biotype) genutzt. Für unsere Validierungsstudie aus dem Raum Mitteldeutschland (Halle) wurden ca. 100 Familien, bestehend aus Mutter/Tochter/Vater, typisiert und ausgewertet. Wir präsentieren hier erste populationsgenetische Daten aus Halle, biostatistischen Kenngrößen der Marker und Mutationsverhalten. Die X-chromosomalen STR-Marker lassen sich als Erweiterung der autosomalen STR-Analyse bei Abstammungsuntersuchungen mit weiblichen Nachkommen, Defizienzfällen oder Mutter-Sohn-Verwandtschaftsnachweisen verwenden. P078 Y-chromosomale Populationsdaten aus Tschechien U-D Immel1, M Macek2, T Piskáčková2, M Kleiber3 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Genetik, Halle/Saale, Germany 2Institute of Biology and Medical Genetics, 2nd Sch. Medicine & UH Motol, Prague, Czech republic 3Institut für Rechtsmedizin, Universität Halle, Halle, Germany In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Y-chromosomale STR-Systeme für populationsgenetische und forensische Untersuchungen etabliert. In der Literatur liegen derzeit zahlreiche Daten aus dem europäischen, amerikanischen und asiatischen Raum vor, jedoch kaum über Araber. Aus Tschechien wurden Speichelproben von ca. 200 unverwandten Männern gesammelt, wobei Minoritäten ausgespart blieben. Genomische DNA wurde nach dem Quiagen-Verfahren isoliert und für die Amplifikation der 12 Y-STRLoci DYS19, DYS385a/b, DYS389I/II, DYS390, DYS391, DYS392, DYS393, DYS437, DYS438 und DYS439 unter Verwendung des ’PowerPlex® Y System’ (Promega) eingesetzt. Unter den 200 Tschechen wurden unterschiedliche Haplotypen beobachtet, von denen ein Großteil ein einziges Mal auftrat. Die ’Gene Diversity’ nach Nei (1987) wurde ermittelt. Wir präsentieren hier erste populationsgenetische Daten, biostatistische Kenngrößen der Marker und Mutationsverhalten. Die Y-STR-Loci aus dem ’PowerPlex® Y System’, stellen ein geeignetes Mittel zur Identifikation männlicher Abstammungslinien in der tschechischen Bevölkerung für die Anwendung in Abstammungsbegutachtung und Spurenkunde dar. P079 Mitochondriale Heteroplasmie – Methoden der mtDNA-Analyse an Einzelmitochondrien R Pflugradt1, T Sänger1, U Schmidt1, M Heinrich1, S Lutz-Bonengel1 1Institut für Rechtsmedizin, DNA-Labor, Freiburg, Germany Bei der Auswertung von mtDNA-Daten spielt die mitochondriale Heteroplasmie eine besondere Rolle, da immer noch Unklarheiten über ihre Entstehung, Verteilung und Häufigkeit im Organismus bestehen. Um das Phänomen der Heteroplasmie näher beleuchten zu können, soll in
der hier vorgestellten Studie die DNA einzelner Mitochondrien analysiert werden. Ziel ist es, separierte Mitochondrien auf chemisch strukturierten Objektträgern abzulegen und deren DNA mittels hochsensibler „Low-Volume“ (LV)-PCRs zu amplifizieren. Als Methoden zur Ablage werden sowohl die Durchflusszytometrie (FCM) als auch die Laser-Mikrodissektion (LCM) angewandt. Neben einem verbesserten Verständnis der mitochondrialen Heteroplasmie soll durch eine weitere Erhöhung der Analysesensitivität die forensisch relevante Untersuchung sog. „Low-Copy-Number“ (LCN)Proben optimiert werden. Die Etablierung einer Technik zur Analyse einzelner Mitochondrien kommt nicht nur der forensischen Spurenkunde, sondern auch anderen biomedizinischen Disziplinen zugute, die sich der mitochondrialen Forschung widmen. P080 Molekulargenetische Untersuchungen von Finger- bzw. Zehennägeln zur Identifikation hochgradig postmortal veränderter Leichen F Amaro Suárez1, M Santiesteban Vidal2, L Friol Garcia2, S Braun3, K Thiele3 1Institut für Gerichtliche Medizin, Havanna, Cuba 2Kriminalistisches Zentrallabor, Havanna, Cuba 3Universität, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig, Germany Das Erstellen eines DNA-Profils von Leichen oder Leichenteilen mit hochgradig postmortalen Veränderungen erfolgt in der Regel an Knochengewebe. Die DNA Isolation aus Knochen ist unter Umständen zeitraubend. Oftmals sind bei derartig veränderten Leichen die Finger- bzw. Zehennägel noch gut erhalten, aus denen sich rasch und ohne aufwändige Präparation DNA isolieren lässt. Zunächst wurden im Rahmen der Studie vier DNA-Isolationsverfahren (Chelex-100, CTAB, QIAGEN, organische Extraktion mit Phenol/Chloroform/ Isoamylalkohol) auf ihre DNA Ausbeute untersucht. Selbst bei hochgradig postmortalen Leichenveränderungen konnten aus den Nägeln relativ hohe Mengen gering degradierter DNA isoliert werden, wobei sich bei der STR Analyse mit den herkömmlichen PCR Amplifikationskits von Applied Biosystems, Biotype und Promega (AmpFℓSTR® Identifiler®, PowerPlex® ES und 16 System, Mentype® NonaplexQS) nach Variation der PCR Parameter sehr häufig vollständige DNA Profile erhalten wurden. Ferner wird über erste Erfahrungen mit dem AmpFℓSTR® MiniFilerTM Kit (Applied Biosystems) und dem PowerPlex® S5 System (Promega) bei der Typisierung degradierter DNA aus Finger- bzw. Fußnägeln berichtet. P081 Schützt eine schusssichere Weste vor dem Armbrustschuss? I Bouška1, M Beran2 1Karlsuniversität Prag, Institut für Rechtsmedizin, Prag, Czech Republic 2Karlsuniversität Prag, Institut für Rechtmedizin, Prag, Czech Republic Die Widerstandsfähigkeit der schusssichere Westen, Typ Gilet PareBalles (Klasse der ballistischen Widerstandsfähigkeit, Stufe 2), die von der Polizei und Sondergruppen angewendet wird, wurde an Tiermodellen (Schwein) getestet. Zum Test wurde die Armbrust Horton, Modell Hunter Supreme (Zugkraft 667 N, Schussweite 230m) verwendet sowie zwei Arten von Stahlspitzen (Field-Typ mit biogivalner Pfeilspitze und dreischneidiger 3 Blade Broadhead, Gewicht 8,4 g, Scheiddurchmesser 8mm und 35,5 mm, Gesamtgewicht der Pfeilspitze – 32,2 g). Das Objekt wurde aus einer Entfernung von 6 m getroffen, die Anfangsgeschwindigkeit des Pfeiles war 69 m/s bzw. 79 m/s, Querschnittbelastung unter 1 g/mm2. Bei wiederholten Schüssen gegen den ungeschützten Tierkörper (Gewicht 70 kg) kam es zur Perforation der Brustwand und zur Penetration in thorakale Organe (Lungen, Herz). Die Verwendung der schusssicheren Weste verhinderte jedoch nicht – auf Grund des Schneidetyps – das Eindringen der Pfeillspitze in die Tierbrust, wenn auch die Länge des Stichkanals kürzer war, d.h. die Pfeilspitze bis 3 cm in die Unterhaut eindrang. In der Tschechischen Republik werden Armbrustverletzungen, auch mit tödlichem Ausgang, wiederholt festgestellt. Es gibt z.Zt. keine gesetzliche Regelung beim Verkauf dieser heimtückischen Waffe.
P082 Schusswunden und die Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Schießstand Z Senberga1 1Riga‘s Stradins university, Forensic medicine, Riga, Latvia Das Ziel der Arbeit ist es, Daten über Schusswunden in Lettland in der Zeit von 2004 – 2007 zu erfassen. Typische Wundgrößen und Schussnebenwirkungen sind erforscht worden. Es sind auch Experimente durchgeführt worden, wo aus einem Gewehr mit gekürztem Lauf aus verschiedenen Schießständen geschossen wurde. Die Ergebnisse sind mit dem Fluoriszenter-Röntgenstrahlungsaparat „Spektroscan“analysiert worden. P083 Suizidale Mundschussverletzung mittels Signalpistole S Hartwig1, M Tsokos1 1Institut für Rechtsmedizin der Charité, Berlin, Germany Ein Suizidfall wird beschrieben, bei dem ein 67 Jahre alter Mann sich mittels einer üblichen Signalpistole unter Verwendung der dafür gängigen Signalmunition eine tödliche Mundschussverletzung zuzog. Die in den Mund geschossene Signalmunition führte zu schweren lokalen Verbrennungen des Mund-, Nasen- und Rachenraumes sowie durch die Entzündung der Bekleidung zu Verbrennungen an Rumpf und unteren Extremitäten. Zusätzlich wies die Schusshand, die die teilverbrannte Waffe fest umklammerte, schwere Verbrennungen bis hin zur Verkohlung auf. Die pathomorphologischen Befunde dieses ungewöhnlichen Todesfalles werden dargestellt. P084 Gewebe – und Organspende in Italien. Entwurf von Informationsformen für verschiedene Zielgruppen DR Schillaci1 1Università degli Studi Milano – Bicocca, Dipartimento di Scienze Chirurgiche, Monza, Italy Bereits seit 1993 hat Italien die rechtliche Basis für die Organtransplantation; in 1999 ist eine Widerspruchsregelung eingeführt worden, wodurch nur ein expliziter Dissens zur Lebzeit die Organentnahme abstellen kann. Diese Anordnung ist heutzutage noch nicht wirksam geworden und die erweiterte Zustimmungsregelung gilt noch. In Artikel 2 ist die Beförderung an einer Information für die Bevölkerung festgelegt, um eine freie und bewusste Entscheidung zu erreichen. Seit 2001 arbeiten wir mit einer Selbsthilfegruppe (AIDO – Associazione Italiana Donatori di Organi) um Informationsveranstaltungen für verschiedene Zielgruppen zu organisieren. Es werden unsere verschiedenen Informationsformen dargestellt: A) öffentliche Informationskampagne mit Hilfe vom Gesundheitswesen um wissenschaftliche Erklärungen zu erteilen und Fragen zu beantworten (drei Einzelvorträge: ein transplantierter Patient; gesetzliche Regelungen der Organspende, Organvermittlung und Transplantation (Rechtsmediziner); klinische Aufklärungen (Transplantationschirurg); B) Mittel- Hochschulprojekte: durch eine emotionale Erfahrung, dank der Zusammenkunft mit Lebendorganspender und transplantiertem Patienten, sind Kunstwerke und ein neues Theater/Filmprojekt vorbereitet worden; D) Informationskampagne an der Medizinfakultät: Resultate unserer Passantenbefragung mit Fragebögen E) telephonisches Interview in der Bevölkerung; F) Informationsparcours als Unterricht an schon qualifiziertem Pflegepersonal/Ärzten und Studenten.
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Abstracts P085 Current prescription practice in cases of sudden non-suspicious deaths G Kernbach-Wighton1, SSG *) Names in alphabetical order1 1The University of Edinburgh, Forensic Medicine Section, Edinburgh, United kingdom *)Braithwaite I, Bakri NAC, Fleming G, Jaiya A, Lee K, Mcmanus K, Smith D, Wong Pang Loong A The study aimed to investigate prescription practices in patients who suffered sudden, non-suspicious deaths based on police and forensic autopsy reports from people who died in Edinburgh/Lothians/Scottish Borders between January and March 2005. The sample was narrowed to cardiac and respiratory deaths only, both to gain specifity within the project and make it more manageable. After obtaining results from 111 cases various trends were analysed. The results demonstrate a weak negative correlation between age and number of prescriptions. Hypertension, chronic alcoholism and diabetes were the most commonly previously diagnosed medical conditions. As “per definitionem”, vessel disease, myocardial infarct/ischaemia and other heart failure were the three most common primary causes of death. Anticoagulants, beta-blockers and diuretics were among the most commonly prescribed drugs. The average number of drugs prescribed for women was higher than for men. It could be shown an apparent variability of prescribing practices but there were also many limitations. Lack of complete medical history meant previous diagnoses were often ambiguous or scarce, and communication between the police and general practitioners was often confused and narrow. Other correlations, e.g. concerning age, clinical visits and number of prescribed drugs are discussed as well. P086 Analyse zu intrafamiliären Tötungen – Ansätze für präventive Maßnahmen S Miyaishi1, N Tamiya2, S Komagoe1, K Püschel3 1Uni Okayama, Rechtsmedizin, Okayama, Japan 2Uni Tsukuba, Health Services Research, Tukuba, Japan 3Uni Hamburg, Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Es gehört zum Selbstverständnis für Rechtsmediziner, die bei der Obduktion erzielten Kenntnisse für die Lebenden nutzbar zu machen (Von den Toten lernen für die Lebenden), z.B. für die Prävention der Vernachlässigung und Misshandlung alter Menschen. In diesem Sinne untersuchten die Autoren die Umstände intrafamiliärer Tötungen (außer bei Ehepaaren sowie in Pflege- oder Stiefbeziehung) in Deutschland und in Japan. Die Ergebnisse der Studie wurden unter Aspekten von Public Health beurteilt. Zur Auswertung kamen 66 Fälle aus 23 Jahren (19802002) in Hamburg, darunter 21 Elterntötungen, 40 Kindestötungen und 5 andere Tötungsfälle. In Japan ereigneten sich in der Untersuchungsregion 77 Fälle in 22 Jahren (1980-2001), darunter 22 Elterntötungen, 45 Kindestötungen und 11 andere Tötungsfälle. Elterntötungen mit zwei Opfern gab es dreimal in Japan und in einem Fall in Deutschland. In 5 Fällen in Japan wurden zwei Kinder von einem Täter getötet. In einem Fall (Deutschland) töteten beide Eltern gemeinsam ihr Kind. Alte Menschen (über 65 Jahre) wurden in Deutschland nur in 33,3% zum Opfer, dagegen war deren Anteil in Japan deutlich höher (72,0%). Die Beteiligung psychiatrisch kranker Täter (einschließlich Drogenabusus und mentaler Retardierung) war in Deutschland viel niedriger als in Japan (38,1% bzw. 73,7% bei Elterntötung, 19,0% bzw. 52,6% bei Kindestötung). Aspekte von Gesundheitspolitik und Public Health im Hinblick auf alte Menschen und die Verhütung von Kindesmisshandlungen, dies auch in Verbindung mit geistiger Hygiene, gaben in Japan den Anlass, unter Berücksichtigung von familiären Strukturen, Bindungen und Lebensformen die aktuelle Situation mit Deutschland zu vergleichen.
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P087 Zur zunehmenden Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht am Beispiel der Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main M Parzeller1, B Zedler1 1Zentrum der Rechtsmedizin, Medizinrecht, Frankfurt am Main, Germany Tendenziell zeichnet sich eine zunehmende Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht ab, die den Arzt zum Bruch der ärztlichen Schweigepflicht veranlassen sollen, wie es z. B. in den geplanten Änderungen zur Meldung so genannter selbstverschuldeter Erkrankungen an die Krankenversicherung im SGB V geplant ist. Auch Meldungen illegaler Ausländer durch öffentliche Stellen und Meldungen forensischer Ambulanzen sowie die weitreichend geänderten staatlichen Eingriffsbefugnisse in die Rechte von Berufsgeheimnisträgern nach der StPO tragen zur Aushöhlung bei. Am Beispiel der Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main wird verdeutlicht, wie Aushöhlungen zu einer erheblichen Verunsicherung bezüglich Offenbarungspflichten und Offenbarungsbefugnissen von der ärztlichen Schweigepflicht bei infektiösen Erkrankungen geführt hat. In einem Obiter dictum vertrat das OLG Frankfurt, dass der Arzt eine Lebensgefährtin eines Patienten, die ebenfalls bei ihm in Behandlung ist, über dessen HIV-Erkrankung nicht nur informieren darf, sondern muss. Das Obiter dictum des OLG Frankfurt hat inzwischen zahlreiche Befürworter in der juristischen Literatur gefunden. Da möglicherweise erhebliche Auswirkungen für das Arzt-PatientenVertrauensverhältnis und rechtliche Konsequenzen entstehen können, werden die Schwachstellen dieser Rechtsprechung und der Argumente in der Literatur aus rechtsmedizinischer und wissenschaftlicher Sicht aufgezeigt. P088 Abused and neglected children in autopsy and clinical cases – From the perspective of forensic pathologists in Japan I Takase1, Y Yamamoto1, T Nakagawa1, K Nishi1 1University of Medical Science, Department of Legal Medicine, Shiga, Japan Forensic pathologists sometimes perform autopsies on abused and neglected children. In our experience, causes of death were subdural hematoma, hypothermia, starvation, and bacteremia. Some cases of long-term abuse show marked involution of the thymus. Alternatively, death judged to have occurred due to a severe beating from parents or family members, and in such cases the thymus has a normal size and histological appearance. We are also asked to give expert opinions on injuries inflicted on living children in cooperation with the health and welfare department of the prefectural office, local family consultation centers, and prefectural police or police stations with the appropriate jurisdiction. Our efforts in this area have gradually improved the situation, and many perpetrators who at first deny mistreatment of children will acknowledge their actions and obey orders by local government offices when confronted with forensic evidence. The autopsy and clinical cases described above are shown to initiate discussion of how children receive serious injuries, why such terrible situations are not always prevented, and how intervention in domestic problems can be achieved. A comprehensive multidisciplinary system for child abuse and domestic violence has not been completely established in Japan, and in many instances we are working in the dark. Therefore, we require more information and advice from other professionals who have accumulated experience in this field.
P089 Rückführung von Verstorbenen aus dem Ausland unter forensischen Aspekten T Riemer1, K Püschel2, X Baur1, C Schlaich1 1Universität, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Hamburg, Germany 2Universität, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Hintergrund: Aus dem Ausland nach Hamburg zurückgeführte Leichen müssen aus seuchenhygienischen Gründen vom Hafen- und Flughafenärztlichen Dienst (HÄD) der Gesundheitsbehörde freigegeben werden. Für unklare oder unnatürliche Todesfälle gab es bisher kein einheitliches Verfahren. Ergebnisse:Von1998bis2007wurdenüberdenHamburgerHafenoderFlughafen 515 Verstorbene aus dem Ausland repatriiert. Nach Beurteilung der Leichenpässe lagen in 41% aller Fälle natürliche Todesursachen vor. In 22% wurde die Todesart als unnatürlich klassifiziert, in 37% blieb diese unklar. Wurden zuvor lediglich 1% aller in diesem Zeitraum dem HÄD gemeldeten Todesfälle nicht freigegeben, so betrug die Quote im Jahr 2007, nach Einführung des neuen Verfahrens, 20% aller dem HÄD gemeldeten Auslandstoten. Insgesamt wurden (nur) 28 Verstorbene einer äußeren Leichenschau unterzogen, davon wurden 22 obduziert. In einem Fall stellte sich eine gemäß Angaben im Leichenpass als natürlich eingeteilte Todesart in der Sektion als unnatürlich heraus. Von den als 10 unnatürlich klassifizierten Todesfällen bestätigte die Obduktion in 7 Fällen die Einteilung, in 3 Fällen blieb die Diagnose unklar. Von den 11 gemäß Leichenpass unklaren Todesfällen erwiesen sich im Sektionsergebnis 8 als natürlich, 2 als unnatürlich, 1 weiterhin als unklar. Schlussfolgerung: Der hohe Anteil von Todesfällen unnatürlicher oder unklarer Art war Anlass für die Einführung eines neuen Verfahrens bei der Leichenfreigabe durch den HÄD im Jahr 2007. Hierbei werden nicht nur seuchenhygienische, sondern auch forensische Aspekte überprüft und die Kriminalpolizei sowie die Rechtsmedizin konsequent involviert. P090 Einfluss von Ethnie und Nationalität auf die Inzidenz des Plötzlichen Säuglingstodes (SIDS) in Hamburg T Werner1, J Sperhake1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany In epidemiologischen Studien zum SIDS sind nicht ausreichende Deutschkenntnisse der Eltern häufig ein Ausschlusskriterium. Dadurch werden womöglich SIDS-Fälle in nicht deutschen Familien bzw. in Familien mit „Migrationshintergrund“ systematisch nicht ausreichend untersucht. Fragestellung: Wie hoch ist der Anteil von SIDS-Fällen aus nicht deutschen Familien bzw. aus Familien mit Migrationshintergrund? Wie verteilen sich diese Fälle auf verschiedene Nationalitäten und wie hoch ist der jeweilige Anteil verglichen mit dem Bevölkerungsanteil. Material und Methoden: Die Nationalität bzw. die Herkunft des Kindes und beider Elternteile wurden retrospektiv über Falldaten des Institutes für Rechtsmedizin ergänzt durch polizeiliche Daten für den Zeitraum 1996 bis 2005 ermittelt. Ein „Migrationshintergrund“ wurde dann angenommen, wenn ein Elternteil einen ausländischen Geburtsort hatte, das Kind aber in Deutschland geboren wurde. Zusätzlich wurden weitere epidemiologische Eckdaten erfasst. Zum Vergleich wurden Bevölkerungskennzahlen des Statistikamtes Nord herangezogen. Ergebnisse: Insgesamt wurden 108 SIDS-Fälle in die Untersuchung eingeschlossen. 89 (82%) der verstorbenen Kinder waren deutscher Staatsangehörigkeit. Von diesen wiesen 12 einen Migrationshintergrund auf. 18 Kinder (17%) hatten eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit. Ein Fall mit unbekannter Staatsangehörigkeit wurde als Migrationshintergrund eingestuft. Die kumulative SIDS-Inzidenz (Fälle/1.000 Lebendgeburten) für den untersuchten Zeitraum betrug für Kinder deutscher Staatsangehörigkeit 0,71 und für ausländische Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund 0,58.
P091 Elbwasserleichen von Dresden bis Hamburg J Dreßler1, U Preiß1, R Lessing2, D Stiller3, C König4, K Jachau5, U Krüger6, I Gerling7, D Breitmeier8, N Sacherer9, J Rabofski9, P Friedrich9, K Püschel9 1TU Dresden, Institut für Rechstmedizin, Dresden 2Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig 3Martin Luther Universität, Institut für Rechtsmedizin, Halle-Wittenberg 4Brandenburgisches Landesinstitut, Institut für Rechtsmedizin, Potsdam 5Otto-von-Guericke-Universität, Institut für Rechtsmedizin, Magdeburg 6Universität Rostock, Institut für Rechstmedizin , Rostock 7Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Lübeck 8Medizinische Hochschule, Institut für Rechtsmedizin, Hannover 9Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany 2006 wurde auf der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin abgesprochen, Elbwasserleichen im Hinblick auf morpholo gische, phänomenologische, kriminalistische und epidemologische Merk male zu untersuchen. Erste Ergebnisse wurden 2007 auf der Frühjahrstagung Nord präsentiert. Insgesamt wurden 702 Todesfälle aus dem Wasser der Elbe erfasst. Allein aus Hamburg liegen Daten von 687 Fällen vor. Hierfür wurden folgende Kennzahlen ermittelt: Männer 74%, Frauen 26%, Suizide 46%, Unfälle 26%, unklare Todesart 27%, Tötungsdelikte 1%, Emphysema aquosum 60%, Schaumpilz 9%, Paltauf´sche Flecken 7%, Fäulnis 63%, Waschhaut 61%. P092 „Er war immer schon ein Bastler“ – ein ungewöhnlicher Suizid T Schwark1, U Wiesbrock1, C Franzelius1, G Rochholz1 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Germany Vor dem Hintergrund der jüngsten Sterbehilfediskussion um die von dem ehemaligen Hamburger Innensenator Dr. Kusch Ende März 2008 vorgestellte „Tötungsmaschine“, mit deren Hilfe Schwerstkranke durch die intravenöse Injektion eines Narkotikums sowie von Kaliumchlorid ihr Leben beenden können, soll der folgende Fall vorgestellt werden: Ein 51 Jahre alt gewordener Mann, der sich aufgrund eines einige Monate zuvor diagnostizierten, inoperablen Lungentumors in stationärer palliativmedizinischer Behandlung befand, wurde morgens gegen 04.30 Uhr tot in seinem Bett aufgefunden. Eine Krankenschwester hatte zuvor aus dem Zimmer Geräusche „wie von einem Elektrorasierer“ gehört und aus diesem Grund nach dem Patienten gesehen. Neben dem Verstorbenen fand sich ein aus fischertechnik® zusammengesetzter Infusionsautomat mit einer 20 ml Spritze, die an eine Venenverweilkanüle angeschlossen war. Durch die Obduktion des Verstorbenen konnte die klinische Diagnose eines fortgeschrittenen Tumors der linken Lunge bestätigt werden, eine morphologisch fassbare Todesursache fand sich jedoch nicht. Aufgrund der Auffindungssituation wurde eine Vergiftung angenommen. Bei der chemisch-toxikologischen Untersuchung des Spritzeninhaltes und des Blutes des Verstorbenen fand sich das in der Tiermedizin eingesetzte Barbiturat Pentobarbital. In der Gesamtschau konnte so ein – möglicherweise durch Dr. Kuschs „Tötungsmaschine“ inspirierter – Suizid des als Bastler bekannten Patienten mittels eines selbst gebauten Infusionsautomaten nachgewiesen werden. P093 Morbidität obdachloser Menschen in Hamburg S Nawka1, K Püschel1 1Institut für Rechtsmedizin, Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Frühere Studien zur Mortalität wohnungsloser Menschen in Hamburg ergaben eine deutlich verminderte Lebenserwartung (Durchschnittsalter zum Todeszeitpunkt ca. 45 Jahre). Diese Feststellung wird im Jahr 2008 durch klinische und laborchemische Untersuchungen bei Obdachlosen (im Gegensatz zu Wohnungslosen ohne jede Unterkunft) ergänzt. Die Untersuchungen erfolgen auf der Straße bzw. im Auto der Mobilen Hilfe (rollende Ambulanz für Obdachlose). Die bisher vorliegenden Ergebnisse Rechtsmedizin 4 · 2008
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Abstracts (n=55) zeigen ein Geschlechtsverhältnis von 10:1 (männlich:weiblich). Das Alter der untersuchten Personen liegt zwischen 19 und 73 Jahren mit einem Median von 47. Fumatorium liegt bei 85% vor – mit einem maximalen Tageskonsum von über 120 Zigaretten täglich. Der Parameter für chronischen Alkoholismus (CDT) war in 45% erhöht, die akute Alkoholisierung war mit 10% dagegen geringer. Leberenzyme (GOT,GPT,GGT) waren in 45% pathologisch erhöht. Hepatitis-AK wurden nachgewiesen: für A in 40%, für B in 20% und für C in 10% der Fälle. HIV-Nachweis war in einem einzigen Fall positiv, was jedoch anamnestisch bekannt war. Die BSG lag in 40% oberhalb der Normgrenze. Erniedrigte Hämoglobinwerte lagen in 15% vor. Der HbA1c-Wert war in 15% erhöht, womit der Verdacht auf Diabetes mellitus gegeben ist. Erhöhte Blutdruckwerte als Hinweis auf einen arteriellen Hypertonus wurden in 30% gemessen. Desolater Zahnsta tus lag in 90% der Fälle vor, in 5% völlige Zahnlosigkeit. Die medizinische Versorgung Obdachloser erfordert einen sehr niedrigschwelligen Zugang. Die Neuerungen im Gesundheitssystem wirken sich zum Teil speziell für Obdachlose deutlich negativ aus. P094 Trocknungszeit von Blutspuren auf „indoor“ Oberflächen F Ramsthaler1, R Bux1, M Kettner1, C Kaiser1 1104, Zentrum Rechtsmedizin, Frankfurt, Germany Die bis zum partiellen und vollständigen Eintrocknen einer Blutspur auf vertikalen und horizontalen Kontaktflächen notwendige Zeit ist in erster Linie von der Blutmenge und von der Oberflächenstruktur, auf die die Tropfen auftreffen, abhängig. Zu den wesentlichen Faktoren, die die Trocknungszeit beeinflussen, gehören u.a. Lufttemperatur, Oberflächentemperatur der Kontaktfläche, Luftbewegung und Luftfeuchtigkeit. Das Trocknungsverhalten eines sog. Standardtropfens auf typischen „indoor“-Oberflächen wurde unter definierten, variierbaren Umweltbedingungen experimentell untersucht. Die Studienergebnisse werden vorgestellt und kritisch diskutiert. P095 Sepsis durch Gangrän nach Anlegen eines Penisrings M Große Perdekamp1, A Thierauf1 1Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Germany Geschildert werden die Obduktionsbefunde eines 48-jährigen Mannes, der leblos in der Wohnung seiner Mutter aufgefunden wurde. An Vorerkrankungen waren ein langjähriger Diabetes mellitus, eine langjährige Alkoholkrankheit und ein operativ behandeltes Pankreaskarzinom bekannt. Bei der äußeren Leichenschau zeigte der Penisschaft eine Einschnürung, die durch einen zirkulären Penisring verursacht war. Die damit verbundene Abklemmung des männlichen Gliedes führte zu einer Gangrän des distal gelegenen Penisanteils, zur Thrombosierung von Beckenvenen und zum Harnrückstau mit starker Ausweitung der Harnblase, der Harnleiter und der Nierenbecken. Die Gesamtheit der Befunde sprach für eine todesursächliche Sepsis nach bakterieller Besiedelung der Penis-Gangrän. P096 Procalcitonin (PCT) als postmortaler Sepsismarker II – Korrelation der Serum-PCT-Werte von autoptisch gewonnenem Herz- und Venenblut S Schalinski1, M Tsokos1, V Püschel2 1Universitätsmedizin Berlin, Charité, Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Germany 2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Germany Die forensische Relevanz des Krankheitsbildes Sepsis im Zusammenhang mit dem Vorwurf ärztlichen Fehlverhaltens ergibt sich u.a. daraus, dass über 50% aller Sepsisfälle Folge nosokomial erworbener Infektionen sind. Die sichere klinische Diagnose einer Sepsis kann schon beim Lebenden sehr problematisch sein und ist seit vielen Jahren von internationalen und fachdisziplinären Diskrepanzen geprägt. Das Hauptproblem für den Kli-
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niker besteht darin, die pathophysiologische Sepsisdefinition in eine praktikable, auf biologischen und rasch verfügbaren Kriterien beruhende klinische Sepsisdiagnose umzusetzen. Noch weit schwieriger kann für den Obduzenten die postmortale Diagnose einer (todesursächlichen) Sepsis am Autopsiematerial, insbesondere bei fehlender oder lückenhafter Krankheitsanamnese, sein. Es hat sich in unserer Untersuchungspraxis gezeigt, dass der Einsatz verschiedener neuerer biochemischer Marker einen erheblichen Fortschritt in der postmortalen Diagnosestellung der Sepsis und auch eine Verbesserung der forensischen Beweisführung in entsprechenden Fällen gewährleistet. In dieser Studie wurden postmortal in Abständen von 24 Stunden PCT-Werte im Serum aus Herz- und Venenblut von klinisch diagnostizierten Sepsis-Fällen und einer Kontrollgruppe erfasst und ausgewertet, um die Anwendbarkeit von PCT als Sepsismarker bei einer Leichenliegezeit von mehr als 72 Stunden zu eruieren. P097 Alkoholismus und Religiösität bei Suizidenten H Jung1 L Hecser1, K Trübner2 1Institut für Rechtsmedizin, Tirgu Mures, Romania 2Universität Duisburg-Essen, Institut für Rechtsmedizin, Duisburg-Essen, Germany Chronischer Alkoholismus und das Fehlen oder der Verlust tragfähiger religiöser Bindungen sind Risikofaktoren für einen Suizid. In Rumänien ist bei allen Suizidfällen eine forensische Obduktion obligatorisch. Der Kreis Mures hat eine doppelt so hohe Suizidrate (20-25/100 000 Einwohner) bezogen auf den Mittelwert in Rumänien. In unserer Studie wurden 235 Suizide aus den Jahren 2004-2005 unter dem Aspekt des Einflusses von Alkohol und der Religionszugehörigkeit ausgewertet. Das Verhältnis Männer : Frauen betrug 4,2 : 1 und der Altersmittelwert 50 Jahre. Eine Alkoholisierung kurz vor der Tat war in 49% der Fälle mit einem signifikanten Geschlechtsunterschied (38% Frauen, 51% Männer) und einer höheren Inzidenz in der Altersgruppe der 21-25jährigen (82%) zu beobachten. In 37% der Fälle wurde von den Angehörigen angegeben, dass bei den Suizidenten ein täglicher Alkoholkonsum vorlag. Hochkonzentrierte Getränke wurden in 33% der Fälle und ein Mehrfachkonsum (Bier, Wein, Schnaps) bei 52% der Suizidenten beobachtet. Die jährliche Suizidrate bezogen auf 100.000 Einwohner ist bei Reformierten (33) signifikant höher als bei Katholiken (26) und Orthodoxen (13). 45% der Suizidenten unter den Reformierten hatten keinen oder nur seltenen Kontakt zur Kirche, während dies bei den Katholiken nur in 28% der Fall war. Die schwachen Sozialbindungen, die Durkheim schon 1897 als Anomie bezeichnete, sind als Risikofaktor für einen Suizid zu betrachten. P099 Aspekte der Haushaltsverletzungen von Frauen I Kowrizhnykh1, L Kowrizhnykh1, A Maltsev1 1Institut für gerichtsmedizinische Expertise für das Kirower Gebiet, Kirow, Russian federation Einleitung: Das Problem der Traumatisierung im Alltag gewinnt zunehmend an Bedeutung, sowohl hinsichtlich der Fallzahlen als auch des Traumatisierungsgrades. Material und Methode: Es wurde eine Analyse der Haushaltsunfälle von Frauen im Kirower Gebiet im Zeitraum 2002-2004 durchgeführt. Die Fälle wurden nach Altersgruppen aufgeteilt. Ergebnisse: Die Auswertung ergab, dass im Jahr 2002 4690, im Jahr 2003 5000 und im Jahr 2004 5404 Haushaltsunfälle auftraten, wobei die Altersgruppe 20-49 Jahre die meisten Fälle (n=9699) aufwiesen. Bei der Klassifikation der Haushaltsverletzungen von Frauen sind die Verletzungen nach stumpfer Gewalteinwirkung am häufigsten (über 90 %), die Verletzungen nach scharfer Gewalteinwirkung fanden sich in 4,3 % der Fälle (n=200), während thermische Brandwunden ( ca. 0,4 %) und chemische Brandwunden (ca. 0,2 %) selten festgestellt wurden. Bei der Einschätzung des Schweregrades der Verletzungen wurde in 70% der Fälle keine gesundheitliche Beeinträchtigung angenommen, in 21% wurde die Schädigung als „leicht“, in 7% als „mittelschwer“ und in 2% als „schwer“ eingeschätzt. Mehr als die Hälfte der Personen waren zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert. Schlussfolgerung: Die Zunahme
Abstracts / Autorenregister häuslicher Verletzungen bei Frauen steht in kausalem Zusammenhang mit verschlechterten sozio-ökonomischen Lebensbedingungen vieler Familien und ist mit dem Alkoholmissbrauch eng verknüpft. P100 Der Beitrag der Rechtsmedizin an einer tierexperimentellen Untersuchung am Schwein über perkutane Schneidbiopsien der Milz mit und ohne Verschluss des Punktionskanals durch Gelatineschwamm T Riepert1, J Holle2, JH Fischer3, MA Rothschild4, R Urban1, M Zähringer5 1Universität Mainz, Institut für Rechtsmedizin, Mainz, Germany 2Heinrich Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Pathologie , Düsseldorf, Germany 3Universität zu Köln, Institut für Experimentelle Medizin, Köln, Germany 4Universität zu Köln, Institut für Rechtsmedizin, Köln, Germany 5Marienhospital Stuttgart, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Stuttgart, Germany In einer tierexperimentellen Studie an 26 Schweinen wurden zur Überprüfung der Effizienz der Verschlusstechnik von perkutanen Schneidbi-
opsien der Milz feingewebliche Untersuchungen des Stichkanals durchgeführt. Vorher wurden bei einem Teil der Tiere die Stichkanäle in der Milz mittels eines Gelatineschwamms unter der Vorstellung, hierdurch den Blutverlust aus dem Stichkanal zu begrenzen, abgedichtet. Der Blutverlust in die Bauchhöhle wurde im Rahmen der Obduktion der Tiere objektiviert. In der Gruppe der mit Gelatineschwamm verschlossenen Punktionskanäle war der Blutverlust statistisch signifikant geringer als in der Kontrollgruppe. Die Aufbereitung der Milzen und der Punktionskanäle geschah nach rechtsmedizinischen Kriterien. Nach Fixierung in gepuffertem 4%igem Formalin wurden Schnitte längs und quer zur Richtung der Stichkanäle angefertigt. Für die lichtmikroskopische Beurteilung erfolgten Färbungen mittels Hämatoxylin-Eosin und Elastica-van-Gieson. Die vorzustellenden mikromorphologischen Befunde zeigen eindrucksvoll die Ausdehnung der Blutung innerhalb der Stichkanäle sowie die Abdichtung durch den Gelatineschwamm. Die Studie wurde gemäß § 8 Tierschutzgesetz genehmigt.
Autorenregister Adersson S. P023 Aebi B. V042 Al-Ahmad A. V046 Albermann E. V018, P039 Albrecht K. V007, V027, V096 Alt A. P057 Amara U. V086 Amaro Suárez F. P080 Amendt J. V021 Ampe C. P025 Anders S. V022, V105 Andresen H. V052, V054 Antes S. V058 Anton E. P013 Ardeleanu C. P010 Arnold R. V029 Ast F. P041 Augustin C. V091, P073 Auwärter V. V040, V041, V042, V044, P047, P051 Bachmetjev V. P024 Bajanowski T. V002, V032, V034, V101 Banaschak S. V029, V074, V077 Barbon-Jermini D. V075 Baur X. P089 Bayer J. V037, P043 Beike J. V038 Bellmann D. V058 Beran M. P081 Berlengee F. P025 Bernhardt K. P076 Bernstein A. P038 Beutel R. V019, P013 Biermann F. V015 Blana S. P012 Bloch-Bogus³awska E. P056 Blum S. V048 Bockholdt B. V093 Bohnert M. P030 Bolliger S. V056, V057, V059, V060 Bouška I. P081 Bratzke H. P003, P022, P035, P037
Braun C. V061, V109, P063 Braun S. P080 Breitmeier D. V004, V007, V027, V028, V096, P041, P091 Briellmann T. V010, V048 Browne E. P076 Buck U. V106 Burkhardt S. P020 Buschmann C. P017 Bux R. V047, V080, P003, P022, P094 Bär W. P060, P061 Böhm U. V107 Carsten H. P074 Ceausu M. P010, P011 Chowaniec C. V011 Costea A. V009 Craeymeersch M. P025 Curca C. P010, P011 Dahlmann F. V076 Daldrup T. V101 Darok M. P059 Dassler K. P066 De Letter E. P025 Debertin A. V087, P032 Dermengiu D. P010, P011 Dettling A. P048 Dettmeyer R. P045 Dickreiter G. P005, P006 Dieter P. V103 Dimai H. P059 Dittmann V. V010, V048 Dobberstein R. V070 Doberentz E. V016, P021 Dokov W. P009 Dresen S. V044, P047, P052 Dreßler J. V039, V091, P026, P040, P073, P091 Driud H. P023 Drobnik S. V045 Drozd R. V013 Drugescu N. P010 Du W. V086
Duretz B. P055 Dussy F. V010, V048 Edelmann J. V025, V089, V091, P073 Ehrlich E. P024, P067 Eidam J. V007 Eisenmenger W. P031 Ekkernkamp A. V093 Engelbertz F. V077 Engelmann U. V077 Erbel R. V032 Erdmann F. P045 Espeel M. P025 Evers H. V082 Fabian M. V105 Fassbender S. V080 Fend N. V003 Ferreirós Bouzas N. P047, P052 Fiedler M. P026 Fieguth A. V004, V007, V027, V028, V049, V096 Fischer-Brügge D. V105 Fischer J. P100 Fischer L. V044 Flach P. V059 Flössel U. P029 Fracasso T. V084, V085 Frank M. V093 Frank N. V093 Franke E. V093 Franke M. P026 Franzelius C. P056, P092 Fremdt H. V021 Friedrich P. P091 Friesen C. P057 Friol Garcia L. P080 Gahr B. P064, P065 Garcia R. P044 Gavala P. P007 Gehb I. V033 Gehl A. V022, P062, P063 Rechtsmedizin 4 · 2008
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Autorenregister Gelbrich G. V107 Gerlach K. V010, V075 Gerling I. P091 Germerott T. V004, V007, V028 Gerull J. P005, P006 Ghulam M. V086 Giebe B. P023 Gilg T. P053 Gläser R. V026 Gnann H. P050, P051, P052 Goessl M. V032 Gorun G. P011 Gottzein A. P043 Grassberger M. V062, V063 Grauss G. P004 Graß H. V071, P002, P064, P065, P066 Grellner W. V026, P049 Grillo C. V078 Große Perdekamp M. P095 Grundmann O. V104 Gänsler S. V108 Görndt J. V099 Günther D. V027, V108 Haber J. V058 Haffner H. P048 Hagemeier L. V024, V094, P018, P019, P021 Halter C. V046, P050, P051 Hardt S. V072 Harendza S. V105 Hartwig S. V095, P083 Hausmann R. V048 Hecser L. P097 Heide S. P027, P033, P068 Heinemann A. V061, V109, P062 Heinrich M. V084, V085, V088, P034, P079 Hengstler J. V051 Hentschel R. P047 Hering S. V091, P073 Hermanns-Clausen M. P047 Herrmann J. V032 Herzog G. V040, V042 Hildebrandt H. V032 Holle J. P100 Hollmann T. V008 Horstmann R. P076 Hubig M. V020 Huffziger A. V079 Hussein K. P041 Hädrich C. V079
Kaatsch H.-J. V026, P070 Kaiser C. V080, P094 Kammal M. P063 Kauert G. V053 Kauferstein S. P035 Kawaguchi M. P031 Keller M. P060 Kellinghaus M. V068 Kempf J. P054 Kernbach-Wighton G. V023, P085 Kettner M. V003, V006, V009, P035, P036, P094 Kimura A. P031 Kirschbaum K. V037, P049 Kirschbichler S. P059 Kislov M. P024 Kleiber M. P027, P033, P068, P077, P078 Klein A. V031 Klein H. V047 Klein R. V086 Klopfstein U. V075 Klusmann D. V105 Klöppel A. V101 Kneubuehl B. V092 Kolev Y. P008, P009 Komagoe S. P086 Kondo T. P031 Koppelkamm A. V084, V085, V088 Korda J. V077 Kowrizhnykh I. P099 Kozak M. P055 Kozhemyako V. V025 Kramer S. V026 Kreutz K. V100 Krohn J. P069 Krüger M. P068 Krüger U. P091 Kunz M. V022 Kvasnièka P. V012 Köhler H. V038 Köhm M. V053 Köhnemann S. P074 König C. P091 Küpper U. V043, P042
Ieno E. V021 Immel U. P077, P078 Ishida Y. P031 Ishikawa T. P016 Ivicsics I. P007
La Harpe R. P020 Lammert K. P065 Landmesser B. V096 Lardi C. P020 Larsch K. P041 Lehr M. V038 Lerman A. V032 Lessig R. V025, V030, V079, V089, P091, V098 Loddo C. V035, V074 Lutz-Bonenegel S. V084, V085, V088, P079 Lüderwald S. P053
Jachau K. P091 Jackowski C. V106 Jeibmann A. P074 Juhnke C. V047 Jung H. P097 Jung J. V040, V041, V042 Jungbluth P. P066 Jurek T. V013
Macek M. P078 Madea B. V001, V016, V017, V018, V024, V037, V043, V094, P002, P012, P018, P019, P021, P039, P042, P043, P046, P049 Maeda H. P016 Maksymowicz K. V013 Mall G. V014, V019, V020, V029, V033, V045, P013, P035, P075
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Malt S. V039 Maltsev A. P099 Malyar N. V032 Mannheim D. V032 Markwalder C. V075 Marycz K. V013 Matschke J. V031 Mattern R. P044 Maurer H. V041 Mayer F. V071 Metasch R. V039 Meyer M. V041 Michalik-Himmelmann R. V061 Michele I. P064 Michiue T. P016 Miltner E. V086, P057 Miyaishi S. P086 Mlynar J. P007 Montenero M. V109 Morlock M. P006 Motovilova A. P067 Muggenthaler H. V014, V020 Munz B. P052 Musshoff F. V018, V036, V037, V043, P012, P039, P042, P043, P046, P049 Müller-Herkenhoff L. P066 Müller A. V052, V054 Müller C. P047 Müller M. V026 Müller U. V082 Nadjem H. P047 Nakagawa T. P088 Nawka S. P093 Neidenbach P. V098 Neusüß C. V041 Nevicka E. P007 Niederegger S. V014, V019, P013 Nishi K. P088 Nitz I. V067 Novomesky F. P007 Näther S. V106 Obert M. V072 Oechsler S. P058 Oesterhelweg L. V056, V057, V059, V060 Ostapzuk P. P014 Padosch S. V009 Pahl A. P047 Pareshin M. P024 Parzeller M. P003, P022, P037, P087 Pastuschek J. V019, P013 Paulus W. P074 Pedal I. P048 Peter K. V074 Pfeiffer H. V038, V084, V085, V097, P074 Pflugradt R. P079 Pfäffli M. V075 Philipp K. V093 Pietsch J. P040 Piette M. P025 Piskáèková T. P078 Poetsch M. P076 Pollak S. P034 Potente S. V015 Preiß U. P091
Preuss J. P002 Pufal E. P056 Püschel K. V005, V022, V061, V073, V099, V109, P005, P006, P069, P086, P089, P091, P093 Püschel V. V102, P005, P006, P096 Quan L. P016 Quirmbach F. V069 Rabofski J. P091 Rachev S. P009 Radoinova D. P008, P009 Ramsthaler F. V069, V072, V100, P014, P036, P094 Raupach T. V105 Reibe S. V017, V018 Reimann I. V087 Remek F. V006 Reuß C. V072 Rezai T. P055 Richter C. P027 Rickert A. V101 Riemer T. P089 Riepert T. P100 Rießelmann B. V008, V050 Rittner C. P001 Ritz-Timme S. V066, V070, V071, P064, P065, P066 Robinson S. P055 Rochholz G. P049, P056, P092 Roehrich E. P061 Roscher M. P057 Roscher S. V050 Ross S. V056, V057, V059, V060, V106 Rothschild M. V035, V074, V077, V092, P100 Rothämel T. V087, P032 Rouzbeh C. P005, P006 Rummel J. P015 Rygol K. V011 Römhild W. V039, V050 Sacherer N. P091 Sanft J. P075 Santiesteban Vidal M. P080 Sauer C. V045 Saveliev A. V021 Schalinski S. V102, P096 Scheurer E. V062, V063, V064, V065 Schillaci D. P084 Schilling R. V072 Schimmel H. V033 Schiwy-Bochat K. V035 Schlaich C. P089 Schlenger R. V083 Schlenz K. V039 Schmalhausen B. V101 Schmeling A. V067, V068 Schmidt P. V003, V006, V009, P037 Schmidt S. V067, V068, V095 Schmidt U. V084, P034, P079 Schmitter S. P029 Schmitz M. P002 Schnabel A. V003, P037 Schneider M. V086 Schneider P. V081
Schoen A. P055 Schrag B. V075 Schrodt M. V006 Schröder A. V109, P069 Schubries M. V032 Schulte-Markwort M. V099 Schulz K. V039 Schulz M. V027 Schulz R. V067, V068, V097 Schulz Y. V096, P041 Schwark T. V083, P076, P092 Schweitzer W. P060, P061 Schäfer V. P037 Schürenkamp J. V038 Seifert D. P069, P071 Senberga Z. P082 Senkpiehl I. P070 Serr A. V046 Simeoni E. P076 Sinicina I. V020 Skawran A. V097 Skopp G. P044, P048, P058 Œliwka K. P056 Šidlo J. V012 Smet J. P025 Spendlove D. V032, V056, V057, V059, V060 Sperhake J. V031, P071, P090 Steinert C. V042 Stiller D. P033, P038, P068, P091 Stimpfl T. V052, V054 Szibor R. V090, V091, P073 Sänger T. P079 Takase I. P088 Takatsu A. P031 Tamiya N. P086 Tebbett I. V104 Tenczer J. V050 Teske J. V049, P032, P041 Teteris O. P028 Thali M. V055, V056, V057, V059, V060, V106 Thiele K. P080 Thierauf A. V046, P050, P095 Tillmann M. P005, P006 Todt M. V004 Tomasch E. P059 Traber J. V044 Traupe H. V072 Trittler R. P047 Tröger H. V049, V087, V108, P032 Trübner K. V101, P097 Tschentscher F. P076 Tsokos M. V095, V102, V104, P017, P083, P096 Tung S. V070 Turner R. P055 Tönnes S. V053
Verhoff M. V069, V072, V082, V100, P014, P036, P045 Versari D. V032 Vieth V. V068 Vogel H. V061, V078, P062, P063 Volksone V. P004 Vollmann R. V062, V064 von Wurmb-Schwark N. V083, P076 Wand D. P027 Watzka J. V088 Weber M. V025, V107 Weinmann W. V040, V041, V042, V044, V046, P047, P050, P051, P052, P054 Weller J. V049 Wenzel J. P019 Wenzel L. V030 Wenzel V. V030, V079, V107 Werner R. V045 Werner T. P090 Westhoff-Bleck M. V028 Wetzel W. V018 Wiebel S. V006 Wiegand P. V086 Wiesbrock U. P092 Wilke N. V005, P071 Wilske J. V058 Wohlfarth A. V042, P050, P051 Wollersen H. P045 Wulff B. V109 Wurst F. P051 Wuske T. P054 Wutz S. V098, V107 Yamamoto Y. P088 Yen K. V062, V063, V064, V065 Zack F. P015 Zedler B. P003, P022, P037, P087 Zhao D. P016 Zinka B. P053 Zipp K. P014 Zuur A. V021 Zwingenberger S. P040 Zähringer M. P100
Unkrig S. P018, P019 Urban R. V033, P100 Vamze J. P004 van Coster R. P025 Vennemann B. V084, V085, V088, P034 Vennemann M. V002, V034 Rechtsmedizin 4 · 2008
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