Abstracts Schmerz 2008 · [Suppl 2] 22:65–184 DOI 10.1007/s00482-008-0722-0 © Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Published by Springer Medizin Verlag – all rights reserved 2008
Veranstalter Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft In Zusammenarbeit mit Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie Deutsche Schmerzgesellschaft
Deutscher Schmerzkongress 2008
Tagungsort Maritim Hotel Berlin Stauffenbergstraße 26 10785 Berlin
Leitlinien gegen Schmerz
Kongresspräsidenten Prof. Dr. Hardo Sorgatz (DGSS) Klinische Psychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Technische Universität Darmstadt Alexanderstraße 10 64283 Darmstadt E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Gunther Haag (DMKG) Michael-Balint-Klinik 78126 Königsfeld E-Mail:
[email protected] Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Komitees Shahnaz Azad (München) Ralf Baron (Kiel) Kay Brune (Erlangen) Stefan Evers (Münster) Peter Kropp (Rostock) Heinz Laubenthal (Bochum) Gabriele Lindena (Kleinmachnow) Walter Magerl (Mainz) Christoph Maier (Bochum) Volker Malzacher (Reutlingen) Arne May (Hamburg) Karl Messlinger (Erlangen) Ralf Nickel (Schlangenbad) Jürgen Osterbrink (Salzburg) Lukas Radbruch (Aachen) Uwe Reuter (Berlin) Michael Schäfer (Berlin) Marcus Schiltenwolf (Heidelberg) Andreas Straube (München) Harald Traue (Ulm) Rolf-Detlef Treede (Mannheim) Anne Willweber-Strumpf (Bremen) Michael Zenz (Bochum) Boris Zernikow (Datteln) Posterkommission Ralf Baron (Kiel) Peter Kropp (Rostock) Walter Magerl (Mainz) – Leitung Christoph Maier (Bochum) – Leitung Ralf Nickel (Schlangenbad) Jürgen Osterbrink (Salzburg) Michael Pfingsten (Göttingen) Andreas Straube (München) Monika Thomm (Köln)
Berlin, 8.–11. Oktober 2008 www.schmerzkongress.de
Grußwort Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, „Leitlinien gegen Schmerz“ sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung ihrer QuellDisziplinen und benötigen den Vergleich mit Ergebnissen und Leitlinien anderer Fachgebiete und Organisationen. Als Zusammenschau aktueller Erkenntnisse und Erfahrungen aus Forschung und Praxis unterliegen sie einem ständigen Abgleich mit neuen wissenschaftlichen Ergebnissen. Das individuelle therapeutische Handeln nach ‚inneren‘ Leitlinien von Therapeuten und Patienten beruht auf klinischen und psychosozialen Erfahrungen, die durch Hörensagen und wissenschaftliche Ergebnisse unterschiedlicher Solidität aktualisiert werden. Diese Handlungsmaximen haben vermutlich großen Einfluss in der Schmerztherapie und zeigen ihre Bedeutung bei Therapieabbrüchen, Selbstmedikation und eklektischem Ausprobieren einer Vielzahl von Maßnahmen gegen den Schmerz. Beim Schmerz erscheint die Notwendigkeit, neben intensiver eigener Forschung oder Praxis auch über den Tellerrand eigenen Handelns zu blicken, besonders groß. Zwar ist das neuronale Flechtwerk der Schmerzauslösung gut untersucht, aber die Ergebnisse der Schmerztherapie widersprechen häufig den bei Tier und Mensch abgesicherten Wirkungsannahmen in negativer, aber auch in positiver Richtung. Schließlich ist Chronischer Schmerz wie keine andere Sinnesempfindung ein gleichsam penetrierendes und fluktuierendes Phänomen, das Therapieerfolge wie -misserfolge simulieren kann. „Leitlinien gegen Schmerz“ – als Motto des Deutschen Schmerzkongress 2008 – soll einen Austausch über Leitlinien zur Schmerztherapie, aktuelle Forschungsergebnisse und subjektive Erfahrungen anregen, die unser Handeln als Schmerztherapeuten, Forscher und Patienten bestimmen. Es soll weniger die Thematik der wiederum sehr vielfältigen Symposien akzentuieren als die Erörterung möglicher Auswirkungen von Symposiumsergebnissen auf künftige Leitlinien gegen den Schmerz. Unter diesem „Leitgedanken“ laden wir, zusammen mit den Präsidien der beiden veranstaltenden Fachgesellschaften, DGSS und DMKG, und zusammen mit den kooperierenden Gesellschaften, DIVS und DSG, Sie herzlich wieder nach Berlin ein. Mit herzlichen Grüßen
Gunther Haag
Hardo Sorgatz Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Herausgeber
Der Schmerz
Organ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes der Österreichischen Schmerzgesellschaft der Schweizerischen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und der Sertürner Gesellschaft Federführende Herausgeber / Editors-in-Chief Prof. Dr. L. Radbruch, Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Palliativmedizin, Aachen Assistenz: PD Dr. F. Elsner, Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Palliativmedizin, Aachen Prof. Dr. H.-G. Schaible, Universitätsklinikum Jena, Institut für Physiologie, Jena Herausgeber / Editors Prof. Dr. E. Alon, Praxis für Schmerztherapie, Facharzt FMH für Anästhesiologie, Zürich (Schweizerische Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) Prof. Dr. M. Bach, Abteilung für Psychiatrie Steyr und Department für Psychosomatik Enns, Landeskrankenhaus Steyr (Österreichische Schmerzgesellschaft) Prof. Dr. E. Beubler, Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie, Graz Prof. Dr. A. Doenicke, Institut für Anästhesiologie, München Prof. Dr. G. Geißlinger, Klinikum der Joh. Wolfgang Goethe-Universität, Institut für klinische Pharmakologie, Frankfurt am Main Prof. Dr. H. Göbel, Schmerzklinik Kiel GmbH & Co., Kiel Dr. U. Hankemeier, Bielefeld Prof. Dr. M. Hasenbring, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Bochum Prof. Dr. J. H. Laubenthal, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsklinik für Anaesthesiologie am St. Josef Hospital, Bochum (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie) Prof. Dr. R. Likar, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Palliativmedizin und Schmerztherapie, LKH Klagenfurt Prof. Dr. C. H. Maier, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Bochum PD Dr. A. May, Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (UKE), Neurologische Klinik, Hamburg Prof. Dr. W. Nix, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Johannes Gutenberg Universität Mainz Dr. W. Sohn, Gemeinschaftspraxis Jörgenhans- Sohn, Kempen Prof. Dr. M. Strumpf, Schmerzklinik im Zentrum Anaesthesiologie, Rettungsund Intensivmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
Prof. Dr. R.-D. Treede, Lehrstuhl für Neurophysiologie, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) Prof. Dr. V. Tronnier, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Klinik für Neurochirurgie, Lübeck Prof. Dr. M. Tryba, Städtische Kliniken, Kassel Prof. Dr. Ralf Wittenberg, St. Elisabeth Hospital, Herten Prof. Dr. M. Zenz, BG-Kliniken Bergmannsheil-Universitätsklinik, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Bochum PD Dr. B. Zernikow, Universität Witten/Herdecke, Institut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik, Datteln Prof. Dr. Dr. M. Zimmermann, Neuroscience & Pain Research Institute, Heidelberg Rubrikherausgeber / Section Editors Bild und Fall C. Maier, Bochum Für Sie gelesen / Journal Club Prof. Dr. W. Nix, Mainz • Prof. Dr. M. Tryba, Kassel Weiterbildung • Zertifizierte Fortbildung / Continuing Medical Education Prof. Dr. H. Göbel, Kiel • PD Dr. R. Sabatowski, Dresden Mitteilungen der DGSS / Notifications from the DGSS Prof. Dr. R.-D. Treede, Mannheim International Advisory Board: PhD S. M. Colleau, Madison, USA • MD R. K. Portenoy, New York, USA MD PhD N. Rawa, Örebro, Schweden • S. A. Schug, Perth, Australia MD M. Stanton-Hicks, Cleveland, USA • Dr. R. G. Twycros, Oxford, UK PhD D. Turk, Pittsburgh, USA
Für Autoren Instructions for Authors Unsere ausführlichen Autorenleitfäden und Musterbeiträge finden Sie online unter / Author guidelines are available at: www.DerSchmerz.de/Autoren Falls es sich bei Ihrem Beitrag um eine randomisierte kontrollierte Studie handelt, sollte sich Ihre Arbeit am sog. CONSORT-Statement orientieren! Dieses Statement, ein erläuternder Kommentar sowie – entscheidend für
Sie – die „Checkliste zur Publikation randomisierter Studien“ sind unter www.DerSchmerz.de abrufbar. Bitte reichen Sie Ihr Manuskript unbedingt zusammen mit der Checkliste beim federführenden Herausgeber ein:
Manuskripteinreichung Prof. Dr. L. Radbruch Klinik für Palliativmedizin | Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen E-Mail:
[email protected]
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Der Schmerz Akuter Schmerz Akutschmerztherapie – ist weniger mehr? Akutschmerzmanagement: Beeinflussung des perioperativen Schmerzerlebens bei wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen
Aus- und Weiterbildung Schmerz – Mehrstufige Konzepte der Ausbildung Chancen für die Schmerztherapie in der Lehre
Chronifizierung
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Zentrale Schmerzen – eine interdisziplinäre Therapie-Herausforderung 72 Sollten multimodale Schmerztherapie-Programme syndromorientiert sein? 72 Inkrementelle Wirkungen pharmakologischer und psychologischer Schmerzbehandlungen 73
Diagnostische Verfahren Diagnostische Verfahren bei orofazialen Schmerzen
Epidemiologie Der Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz – Was hat das Netzwerk Neues geschaffen? Schmerzkognitionen und Coping-Vergleichende Betrachtungen zu Rücken- und Kopfschmerzen aus epidemiologischer Perspektive
Gesundheitsökonomie
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Nachhaltigkeit multimodaler Schmerztherapie 77 Kostenanalyse als „lohnende“ Aufgabe von Gesundheitspolitik, Kostenträgern und Leistungserbringern am Beispiel der Versorgung von Patienten mit Rückenschmerzen 77 Schmerztherapie zwischen Wirtschaftlichkeit und Bankrott 78
Grundlagenforschung Klinik meets Forschung: Antworten auf „brennende“ Fragen aus der Grundlagenforschung Neue Wirkstoffe / Neue Mechanismen Opiate und Opiatrezeptoren im nozizeptiven System
Kopfschmerzen Kopfschmerztherapie in besonderen Situationen Neues aus der Grundlagenforschung zur Pathobiologie und Therapie von Kopfschmerzen Gesichtsschmerzen Die Migräne in der Evolution: Vorteil oder Nachteil? Evidenzbasierte nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie Die Leitlinien der DMKG: Update Kopfschmerzen zurückzuführen auf eine Substanz oder deren Entzug
Leitlinien gegen den Schmerz Interdisziplinäre S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom: Medikamentöse Therapie, Psychotherapie und komplementäre/ alternative Therapien Leitliniengerechte Diagnose und Therapie von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen Leitlinien zum Rückenschmerz Körperliche Aktivität und Schmerz im Alter – Erwünschte und unerwünschte Wirkungen der Therapie nach Leitlinien Psychosomatische Schmerzbegutachtung – Umsetzung der fachübergreifenden Leitlinien zur Qualitätssicherung Interdisziplinäre S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom: Physikalische Therapie/Physiotherapie und komplementäre/ alternative Verfahren Leitlinien zur Behandlung von Schmerzen bei HIV-Infektion und AIDS
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Der Schmerz Neuropathischer Schmerz Tumorinduzierte Störungen der Nerven Mechanismenorientierte Therapie neuropathischer Schmerzen – Wo stehen wir? Chronische Schmerzen und Temperaturstörungen – mehr als nur eine zufällige Liaison?
Pflegewissenschaft Kommunikation und Kooperation: Schlüssel für nachhaltiges Schmerzmanagement ! Pflegesymposium
Rückenschmerzen Interdisziplinäres multidimensionales Assessment beim Rückenschmerz
Schmerzpsychotherapie Angst und Schmerz Somatoforme Schmerzen – Standortbestimmung und zukünftige Entwicklung Schmerz und Suizidrisiko Achtsamkeit und Akzeptanz: Neue Konzepte und Strategien in der Schmerztherapie – Eine kritische Analyse
Therapiealgorithmen und Clinical Pathways
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Physiotherapie bei chronischen Rückenschmerzen. Versorgungsstrukturen im Spannungsfeld zwischen Leitlinien und Realität 104
Transferforschung Modelle zur Schmerzchronifizierung: messbare Phänomene und/oder klinische Relevanz? Chronisch regionales Schmerzsyndrom: Transfer von der Grundlagenforschung in die Klinik und Praxis Rheumatischer Schmerz Proof-of-PAINconcepts: Differenzierte humane Surrogatmodelle der Schmerzmodulation in der translationalen Medizin Natriumkanäle: Hyperexzitabilität bei chronischen Schmerzen – vom Mechanismus zur Klinik
Versorgungsforschung Alltag in deutschen Schmerzzentren: Kenndaten von über 10.000 Patienten Leitlinien in der Palliativmedizin Integrationsversorgung für Patienten mit Rückenschmerzen Versorgungsrealität bei Kopfschmerzerkrankungen
Vulnerable Gruppen
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Schmerzdiagnostik und Therapie bei Patienten mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit 111
Assoziierte Symposien Therapie neuropathischer Schmerzen: Quo vadis? - UCB/Schwarz Pharma Schmerztherapie bei Fibromyalgie: Evidenz- oder Eminenz- basiert? Lilly Deutschland und Boehringer Ingelheim Dysfunktionelle Schmerzsyndrome - Pfizer Therapie von Durchbruchschmerz – heute und morgen – Nycomed Deutschland GmbH Spannungsfeld Neuropathische Schmerzen – Pfizer Impfung gegen Herpes zoster und PHN – Ein neues Konzept der Prävention – Sanofi Pasteur MSD
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Praktikerseminare
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Studententag
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Poster
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Autorenverzeichnis
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Akuter Schmerz Akutschmerztherapie – ist weniger mehr? Balanzierte perioperative Analgesie – brauchen wir wirklich NichtOpioidanalgetika? E. M. Pogatzki-Zahn Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Münster (UKM) Die balanzierte Analgesie stellt ein seit mehr als 10 Jahren propagiertes Therapiekonzept dar, dass mittlerweile zum Standard in der Therapie postoperativer Schmerzen gehört. Prinzipiell geht es darum, durch eine Kombination von verschiedenen Analgetika die Inzidenz und Schwere der Nebenwirkungen und Komplikationen einzelner Substanzen zu vermindern. Voraussetzung hierfür ist die Kombination von Substanzen, die einen unterschiedlichen Wirkmechanismus haben und damit auch ein unterschiedliches Nebenwirkungsspektrum. Konkret wird in der Regel ein Nicht-Opioid-Analgetikum (NOPA) in Kombination mit einem Opioid eingesetzt. Das NOPA wird dabei regelmäßig verabreicht und dient als Basisanalgetikum. Das Opioid wird (mehr oder weniger) bedarfsorientiert zusätzlich (idealerweise patientenkontrollliert) dem Patienten gegeben. Ziel ist hierbei, den Dosisbedarf des Opioids zu reduzieren und damit opioidbedingte Nebenwirkungen zu senken und Komplikationen zu verhindern. Als NOPAs werden in Deutschland in der Regel klassische NSAIDs, Coxibe, Paracetamol und Metamizol eingesetzt. Interessanter Weise zeigen neueste Metaanalysen, dass durch Einsatz dieser Substanzen in Kombination mit Opioiden perioperativ zwar Opioide eingespart werden können; eine Reduktion von Nebenwirkungen ist allerdings nur beim Einsatz einigen NOPAs nachweisbar und auch da z.T. nur marginal. Da NOPAs darüber hinaus ebenfalls nicht unerhebliche Nebenwirkungen haben können, ist ihr Einsatz im Rahmen einer balanzierten perioperativen Analgesie nicht so eindeutig zu bewerten wie bisher angenommen. In diesem Beitrag soll diese Problematik herausgearbeitet und der Einsatz der verschiedenen NOPAs perioperativ differenziert dargestellt werden. Das „Weniger“ aufwerten: Den analgetischen Placeboeffekt nutzen durch psychologische Möglichkeiten und Interventionen R. Klinger Universität Hamburg, Psychotherapeutische Hochschulambulanz Verhaltenstherapie, Fachbereich Psychologie, Hamburg Zielsetzung: Die Wirksamkeit insbesondere von analgetischen Placebos konnte in vielen Studien und in einer Vielzahl von Metaanalysen mit hohen Effektstärken (z.B. Vase et al., Pain, 2002) belegt werden. Benedetti et al. (J Neuroscience, 2003) zeigten, wie eine neutrale Substanz (Placebo-Agens) durch verbale Informationen entweder einen Placebo- oder einen Noceboeffekt erzeugen kann. Diese Arbeitsgruppe wies ebenso nach, dass sich die analgetische Wirkung eines Schmerzmedikamentes zusammensetzt aus einem pharmakologischen und einem psychologischen Wirkanteil (Placeboeffekt). Zudem gibt es starke Evidence, dass Lerneinflüsse eine signifikante Rolle in der Aufrechterhaltung des analgetischen Placeboeffektes spielen (Klinger et al., Pain, 2007). Auf Basis dieser empirischen Befunde ist es wichtig, auch die klinische Relevanz des Placeboeffektes nachzuweisen. Methode: Vorgestellt werden exemplarisch experimentelle Studien aus dem Bereich der Placeboanalgesie, die einen deutlichen Wirkanteil des Placeboeffektes an der analgetischen Schmerzlinderung von Probanden aufzeigen. Ergebnisse: Die Ergebnisse belegen, dass sich in den klinischen Stichproben ein relevanter analgetischer Placeboeffekt aufbauen und aufrechterhalten ließ. Schlussfolgerung: Auf dieser theoretischen und empirischen Basis wird gezeigt, wie der Placeboeffekt auch unter klinischer Perspektive
im Bereich der Schmerztherapie nutzbar ist. Es wird vorgestellt, wie die Placebowirksamkeit in die neue AWMF - Leitlinie „Perioperative und postraumatische Schmerztherapie“ aufgenommen wurde, um einerseits den additiven Effekt von der rein pharmakologischen Wirkung eines Schmerzmedikamentes und dem psychologischen Wirkanteil (Placeboeffekt) zu erreichen, und andererseits negative Effekte im Sinne einer Nocebowirkung zu vermeiden.
Akutschmerzmanagement: Beeinflussung des perioperativen Schmerzerlebens bei wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen Perioperative Schmerztherapie bei wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen R. Kothe, J. F. Zander Interdisziplinäres Wirbelsäulenzentrum, Klinik für Anästhesie, Klinikum Dortmund Operative Eingriffe an der Wirbelsäule sind für viele Patienten mit erheblichen postoperativen Schmerzen verbunden. Dies führt zu einer deutlichen Abnahme der Patientenzufriedenheit, einer erhöhten Komplikationsrate, sowie zu einer verlängerten Rehabilitation. Zusätzlich sind postoperative Schmerzen ein Risikofaktor für die Entwicklung eines chronischen Schmerzsyndromes. Das Ausmaß der postoperativen Schmerzen kann durch verschiedene perioperative Faktoren beeinflusst werden. Neben einer möglichst atraumatischen Operationstechnik ist hier die ausführliche Aufklärung des Patienten über Umfang und Therapie der postoperativen Schmerzen von großer Bedeutung. Am Klinikum Dortmund haben wir für Patienten mit operativen Eingriffen an der Wirbelsäule ein Stufenschema zur postoperativen Schmerztherapie entwickelt. Die Zuordnung der Patienten wird von Operateur und Anästhesist gemeinsam vorgenommen und berücksichtigt verschiedene prä- und intraoperative Faktoren, wie z.B. präoperative Schmerzerfahrung und Ausdehnung des operativen Eingriffes. Besondere Charakteristika sind der gezielte Einsatz von NSAR (keine Anwendung bei Fusionsoperationen), sowie die regelhafte Anwendung von patientenkontrollierten Spritzenpumpen (PCA). Bei größeren Eingriffen kommt zusätzlich die epidurale Schmerztherapie zur Anwendung. Die Platzierung des Katheters wird intraoperativ durch den Operateur vorgenommen. Handhabung und Dosierung der epiduralen Schmerztherapie orientieren sich an den Ergebnissen einer eigenen prospektiv-randomisierten Studie am Universitätsklinikum HamburgEppendorf (Gottschalk et al., Anesthesiology 2004). Im Rahmen des Vortages werden die Erfahrungen mit dem Stufenschema, sowie die organisatorischen Vorausetzungen aus Sicht des Operateurs dargestellt. Einfluss minimal invasiver Operationstechniken auf das perioperative Schmerzerleben und den Analgetikabedarf M. Pietrek Zentrum für Spinale Chirurgie, Klinikum Eilbek - Schön Kliniken, Hamburg Minimal invasive Operationstechniken einschließlich perkutaner, endoskopischer und mikrochirurgischer Verfahren, der Anwendung von Mini-Retraktoren sowie sogenannter mini-open Techniken sind der aktuelle Trend in der Wirbelsäulenchirurgie. Die Vorteile solcher minimal invasiver Verfahren sind neben einem geringeren Weichteiltrauma und niedrigeren intraoperativen Blutverlust vor allem die im Vergleich zu herkömmlichen Techniken geringere perioperative Schmerzintensität und der verminderte Analgetikabedarf. Dieses führt zu einer schnelleren Mobilisation und Rehabilitation mit kürzerer postoperativer stationärer Aufenthaltszeit. Dieses konnte bei mindestens gleich guten klinischen Ergebnissen für mikrochirurgische gegenüber offenen Verfahren sowohl bei Bandscheibenoperationen als auch bei Dekompressionen bei Einengungen des Spinalkanals gezeigt werden. Ebenso fanden sich diese Vorteile minimal Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts invasiver Verfahren auch bei unterschiedlichen dorsalen und ventralen Versteifungsoperationen, bei denen mini-open oder perkutane Techniken mit herkömmlichen größeren Zugängen verglichen wurden. Eigene Studien konnten unter anderem bei Bandscheibenoperationen eine Überlegenheit des transmuskulären Zuganges mit Röhrchenspekulum gegenüber dem subperiostalen Zugang mit herkömmlichem Retraktor in Bezug auf den postoperativen Schmerzmittelverbrauch nachweisen. Zusammenfassend bieten mehrere, überwiegend mittlerweile etablierte, minimal invasive Operationstechniken an der Wirbelsäule dem Patienten Vorteile hinsichtlich des verminderten perioperativen Schmerzerlebens und reduzierten Analgetikabedarfs sowie der schnelleren Mobilisation und Rückkehr in Alltag und Beruf. Das Potential der Psychologie im Akutschmerzmanagement: Evidenzbasierte Interventionen in der Leitlinie gegen Akutschmerz R. Klinger Universität Hamburg, Psychotherapeutische Hochschulambulanz Verhaltenstherapie, Fachbereich Psychologie, Hamburg Der peri- und postoperative Verlauf von Schmerzen und Beeinträchtigungen bei Patienten nach Bandscheibenoperationen wird neben der Operationstechnik entscheidend auch durch psychische Einflussfaktoren determiniert. Die Auswahl „richtiger“ Patienten und deren gezielte Aufklärung über die realistischen Ziele, Möglichkeiten und Grenzen des perioperativen Schmerzmanagements ist Voraussetzung für eine adäquate, erfolgreiche Schmerztherapie. Hierbei spielen psychologische Variablen eine nicht unerhebliche Rolle. Allein das Wissen über die potentielle Beeinflussbarkeit (Kontrollierbarkeit) erhöht die Toleranz den Schmerzen gegenüber. Umgekehrt kann Unwissenheit und Unklarheit über ein zu erwartendes Ereignis (z.B. Operation und Verlauf der postoperativen Schmerzen) die präoperativen Ängste steigern. Ängste und andere emotionalen Beeinträchtigungen sowie Unwissenheit der Patienten führen wiederum dazu, dass postoperative Schmerzen negativ beeinflusst werden. Ebenso führt eine negative Erwartungshaltung (Voreingenommenheit) gegenüber schmerzmedikamentösen Verfahren dazu, dass die Effektivität der medikamentösen Wirkung reduziert ist, während eine positive Erwartung über die medikamentöse Wirkung eines Schmerzmedikamentes dessen Effektivität erhöht. Neben den medikamentösen schmerztherapeutischen Verfahren ist die positive Wirksamkeit von Selbstkontrolltechniken im Sinne kognitiv-behavioraler Verfahren zur Beeinflussung von Schmerzen wie z.B. Entspannungstechniken, Ablenkungstechniken, Imagination, Visualisierungen, im Rahmen stationärer und ambulanter Schmerztherapie heutzutage unumstritten. Auch für den Transfer auf den Bereich der postoperativen Schmerztherapie bzw. der präoperativen Vorbereitung gibt es mittlerweile empirische Hinweise. Auf der Basis der aktuellen Literatur werden zentrale psychologische Aspekte der Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ vorgestellt und auf ihre praktische und klinische Relevanz hin beleuchtet. Diskutiert wird, ob unter der zusätzlichen Berücksichtigung psychologischer Risikofaktoren bei Wirbelsäulenoperationen postoperative Komplikationen, z.B. ein Postnukleotomiesyndrom („Failed Back Surgery Syndrome“) vermieden werden können.
Aus- und Weiterbildung Schmerz – Mehrstufige Konzepte der Ausbildung Aktuelle Situation der Weiterbildung zum Schmerzpsychotherapeuten P. Nilges DRK Schmerz-Zentrum Mainz Die wirksamste Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen basiert auf einem interdisziplinäre Konzept: Ausgehend von einem biopsycho-sozialen Modell kooperieren dabei Ärzte, Psychotherapeuten
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und weitere Berufsgruppen. Voraussetzung dafür sind zum einen Kooperationswissen und -kompetenzen, d.h. Grundkenntnisse der jeweils anderen beteiligten Arbeitsgebiete und Kooperationsfertigkeiten. Weiterhin geht es um Spezialwissen zum Thema Schmerz. In der universitären Ausbildung werden beide Aspekte eher peripher gestreift. In Deutschland ist die Weiterbildung in Spezieller Schmerztherapie inzwischen eine für Ärzte mögliche und in der Versorgungsrealität notwendige Qualifizierung, die von den Kammern und Kostenträgern anerkannt ist. Damit verbunden ist eine Verbesserung der Versorgungsqualität. Eine vergleichbare Qualifikation für Psychotherapeuten fehlte, die Versorgung von Schmerzpatienten war aufgrund eines erheblichen Mangels an weitergebildeten und an Kooperation interessierten Psychotherapeuten unbefriedigend und nicht ausreichend gesichert. Lange Wartezeiten und formelle Hürden haben die Kooperationsmöglichkeiten zusätzlich eingeschränkt. Für die in Kliniken, Ambulanzen und anderen Versorgungseinrichtungen tätigen Psychotherapeuten fehlten Kriterien für die notwendige Behandlungsqualifikation. Eine mit der ärztlichen speziellen Schmerztherapie vergleichbare Weiterbildung für Psychotherapeuten bzw. Schmerzpsychotherapie war sowohl für die Kooperation innerhalb von Behandlungseinrichtungen als auch für die Weiterbehandlung eine dringende Voraussetzung. Die vier deutschen Schmerzgesellschaften (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes – DGSS, Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie – DGS, Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft – DMKG und Deutsche Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung – DGPSF) haben 2003 ein gemeinsames Curriculum und damit verbundene Richtlinien zur Weiterbildung in Spezieller Schmerzpsychotherapie erarbeitet. Die Akzeptanz war bei den Psychologischen Psychotherapeuten zunächst gering, die Widerstände, Gegenargumente und Befürchtungen entsprachen dem Diskussionsprozess bei der Einführung der ärztlichen Speziellen Schmerztherapie („Das haben wir doch immer auch schon gemacht, wir sind doch alle auch Schmerztherapeuten“). Befürchtet wurde eine Entwertung der Psychotherapieausbildung, die erst 1999 per Gesetz durch die Einführung der Approbation geregelt wurde. Befürchtet wurden auch Einschränkungen der Versorgungskompetenzen (Rückgang der Patientenzahlen). Nach intensiver Überzeugungsarbeit ist das durch die Schmerzgesellschaften konzipierte Curriculum inzwischen durch eine erste Psychotherapeutenkammer als Weiterbildung anerkannt. An sechs Standorten (Nord mit Hamburg, Lübeck und Kiel; Bochum; Mainz; Berlin; Bad Salzuflen; München) werden regelmäßig Kurse durchgeführt, die vor Beginn durch die gemeinsame Prüfungskommission akkreditiert werden müssen (www.schmerzpsychotherapie.net). Die Weiterbildung umfasst einen theoretischen Teil mit 80 Unterrichtsstunden und festgelegten Zeitrahmen für die Inhalte medizinische und psychologische Grundlagen, psychotherapeutische Verfahren (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Behandlung), Pharmakotherapie, und wichtige Schmerzsyndrome. Der 2. Teil der Weiterbildung umfasst die praktisch-klinische Tätigkeit in oder in Kooperation mit Versorgungseinrichtungen. Regelmäßige Teilnahme an Schmerzkonferenzen, Supervision, Falldokumentationen sind Voraussetzungen für eine Abschlussprüfung. Die Weiterbildung ist offen für psychologische und ärztliche Psychotherapeuten. Sie kann während der psychotherapeutischen Ausbildung begonnen werden, für die Abschlussprüfung ist die Approbation Voraussetzung.
Chancen für die Schmerztherapie in der Lehre Curriculumsentwicklung und -umsetzung für die Schmerztherapie A. Kopf Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Campus Benjamin Franklin der Charité - Universitätsmedizin Berlin Die neue Approbationsordnung bietet den Universitäten einen erweiterten Spielraum für die Gestaltung der studentischen Lehre. Die Betonung von patientenzentrierten und interdisziplinären Angeboten kommt der im Studium bisher unterrepräsentierten „Allgemeinen
Abstracts Schmerztherapie“ entgegen. Der Medizinische Fakultätenrat hat die Studiendekane aufgefordert, lokale Lösungen für die Integration schmerztherapeutische Inhalte in die Querschnittfächer zu unterstützen. Allerdings fehlen an den meisten Fakultäten ausreichend Dozenten, der genaue Inhalt und Auftrag eines Querschnittfaches Schmerztherapie sind vielfach unklar. In dem Symposium soll daher versucht werden, Perspektiven aufzuzeigen, wie das Fachgebiet Schmerztherapie in der Lehre etabliert bzw. qualitativ verbessert werden kann.
Beispiele spezifischer Behandlungsziele sind u.a. die Reduzierung von „Fear-avoidance“ bei Rückenschmerzpatienten, das Erlernen von Techniken zur Reizabschirmung bei Migräne und auch die Aktivierung und Balancierung von Belastung bei Patienten mit Fibromyalgie.
Chronifizierung
Die chronische Schmerzerkrankung ist eine eigenständige Erkrankung, bei der nur zu Beginn der Schmerz in einem direkten Zusammenhang mit einer bestimmten körperlichen Schädigung steht. Im Verlauf der Chronifizierung löst sich der Schmerz zunehmend von der primären somatischen Ursache und verselbstständigt sich. Der Verlauf ist länger als der normale Heilungsprozess, der Schmerz hat keine physiologische Schutz- und Warnfunktion mehr. Bei der Chronifizierung von Schmerzen kann man von einer individuellen Konstellation biologischer Faktoren (periphere und zentrale Sensitisierung, neuronale Plastizität), psychologischer Faktoren (maladaptive Krankheitseinstellungen, Emotionen, Angst, Depression, Lernen, Konditionierung, Krankheitsgewinn, u.v.a.), sozialen Faktoren (Arbeitsplatz, Beziehungen, Familie, u.v.a) und ggfs. geistigen Faktoren (Lebenskonzept, Lebensziel, u.a.) ausgehen. Handelt es sich um eine in diesem Sinne chronifizierte Schmerzerkrankung ist nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis von keinem Einzeltherapieverfahren langfristig und nachhaltig Schmerzlinderung oder gar Schmerzfreiheit zu erwarten. Als effektiv haben sich dagegen multimodale Schmerztherapiekonzepte erwiesen. Dabei besteht die multimodale Therapie insbesondere aus Elementen der Information und Edukation, der Krankheits-, Schmerzund Stressbewältigung und der allgemeinen körperlichen Stärkung. Die Frage stellt sich nun bei der Durchführung der multimodalen (Gruppen-) Programme, ob eher Gruppen mit gemischten Schmerzsyndromen zusammen gebracht werden sollen oder ob Syndrom-spezifische Gruppen angeboten werden sollen z.B. Rückenschmerzgruppe, Kopfschmerzgruppe, Fibromyalgie-Gruppe. Betrachtet man nun die Genese der chronischen Schmerzerkrankung so ist festzuhalten, dass unabhängig der Schmerzlokalisation alle nichtbiologischen Elemente der multimodalen Schmerztherapie z.B. Information, Edukation, Schmerz- und Stressbewältigung für alle Patienten gleichwertig sind. Somit spricht aus dieser Sicht nichts gegen den Einschluss von Patienten mit verschiedenen Schmerzsyndromen. Betrachtet man nun die wissenschaftliche Literatur zu den Inhalten verschiedener Gruppenprogramme, so gibt es Hinweise, dass die spezifischen Inhalte keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Therapieerfolg haben. So ist z.B. beim chronischen Rückenschmerz für den Therapieerfolg unerheblich, ob der Schwerpunkt auf Verhaltenstherapie oder Physiotherapie gelegt wird (1). Selbst die Anweisung für Rücken gerechtes Verhalten erbringt nach einer aktuellen Metaanalyse bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen keinen Benefit (2). Bei chronischen Schmerzkranken mit Ganzkörperschmerzen im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms erfüllt Aerobic die gleiche Funktion wie andere Bewegungsformen (3). Wird die körperliche Beschwerde oder das körperliche Defizit zu sehr in den Vordergrund gerückt, kann dies sogar Nachteile bringen wie beispielsweise Verbots- und/oder Defizit-orientierte physiotherapeutische Anleitungen. Aus dem Gesagten und aus der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage ergibt sich, dass multimodale Schmerztherapieprogramme nicht Schmerzsyndrom-spezifisch aufgebaut sein müssen, um erfolgreich zu sein. Wesentliche Determinanten des Erfolges sind nach aktuellem Kenntnisstand vielmehr Umfang und Intensität des Programms, Multiprofessionalität und Interdisziplinärität, sowie Motivation und Aktivierung des Patienten zum Gewinn an Handlungskompetenz im Umgang mit der chronischen Schmerzerkrankung.
Zentrale Schmerzen – eine interdisziplinäre Therapie-Herausforderung Hoffnung und Grenzen invasiver Therapien bei zentralen Schmerzen V. Tronnier Neurochirurgische Klinik, Universität zu Lübeck Zentrale Schmerzen entstehen durch Schädigungen im peripheren oder zentralen Nervensystem. Deshalb verbieten sich in den meisten Fällen weitere läsionelle invasive Verfahren. Eher versucht man durch Aktivierung hemmender Bahnsysteme oder subcortikaler Areale mit Hilfe der Neurostimulation oder durch gezielte Applikation hemmender Substanzen an die Synapsen afferenter Bahnen mit Hilfe von Pumpen die chronisch neuropathischen Schmerzen zu modulieren. Im Bereich peripherer Nervenläsionen zeigt die epidurale Rückenmarkstimulation gute Erfolge. Bei Läsionen im Bereich des Rückenmarks oder bei Schmerzen nach Schlaganfall oder Blutungen im Gehirn muss die Stimulation entsprechend weiter zentral erfolgen. Leider liegen sowohl für die Tiefenhirnstimulation (DBS) wie für die Stimulation des präzentralen Cortex (MCS) keine randomisiert kontrollierten Studien vor. Dennoch liegen hoffnungsvolle Ansätze, vor allem für die MCS, vor, basierend auf ersten Daten der transkraniellen Magnetstimulation und funktionellen Bildgebung. Weiterhin muss versucht werden, eine mechanismus-basierte Therapie für zentrale Schmerzen zu etablieren und dabei die Neuroplastizität des peripheren und zentralen Nervensystems zu berücksichtigen. Eigene Daten zur MCS und DBS werden präsentiert und kritisch kommentiert. Evidenzbasierte Daten zur SCS und zur intrathekalen Therapie mit Ziconotid werden vorgestellt und diskutiert.
Sollten multimodale Schmerztherapie-Programme syndromorientiert sein? Pro B. Nagel DRK Schmerz-Zentrum Mainz, Tagesklinik für interdisziplinäre Schmerztherapie, Mainz Indikation für multimodale Schmerztherapie-Programme sind eine fortschreitende Chronifizierung, eine hohe Erkrankungsschwere und ambulante Therapieresistenz. Chronische Schmerzen sind aber nicht uniform. Syndromspezifisch unterscheiden sich die Patienten u.a. in: • ihren Krankheitsmodellvorstellungen • den typischen und relevanten psychologischen und sozialen Risikofaktoren der funktionellen und auch strukturellen somatischen Pathologie Hieraus ergeben sich sowohl für die ärztliche, die psychologische, als auch die physiotherapeutische Behandlung spezifische Aufgaben und Zielsetzungen, die nur bei syndromorientierter Zusammensetzung der Therapiegruppen erfüllt werden können. Multimodale Therapieprogramme müssen interdisziplinär, aber auch spezifisch angelegt sein.
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Contra D. Irnich Interdisziplinäre Schmerzambulanz, Klinik für Anaesthesiologie, Klinikum der Universität München, Campus Innenstadt
1. Smeets RJ, Vlaeyen JW, Hidding A, Kester AD, van der Heijden GJ, Knottnerus JA. Chronic low back pain: physical training, graded activity with problem solving training, or both? The one-year post-treatment results of a randomized controlled trial. Pain 2008;134(3):263-76 2. Martimo KP, Verbeek J, Karppinen J, Furlan AD, Takala EP, Kuijer PP, Jauhiainen M, Viikari-Juntura E. Effect of training and lifting equipment for preventing back pain in lifting and handling: systematic review. BMJ. 2008;336(7641):429-31 3. Jones KD, Adams D, Winters-Stone K, Burckhardt CS. A comprehensive review of 46 exercise treatment studies in fibromyalgia (19882005). Health Qual Life Outcomes. 2006;25;4:67
Inkrementelle Wirkungen pharmakologischer und psychologischer Schmerzbehandlungen Verhindern psychologische Maßnahmen den Medikamenten-Übergebrauch von Migränepatienten? G. Fritsche Neurologische Universitätsklinik Essen Es werden die Ergebnisse einer psychologischen Präventionsstudie vorgestellt, die im Rahmen des BMBF-Kopfschmerzsymposiums an 7 Standorten in Deutschland stattgefunden hat. Ziel der Studie war die kognitiv-behaviorale Behandlung von Migränepatienten mit einer hochfrequenten Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln und die Verhinderung eines medikamenten-induzierten Kopfschmerzes. Die Behandlung bestand lediglich aus 5 Sitzungen und wurde verglichen mit einer Lese-Warte-Gruppe (Bibliotherapie). Trainings- und Lese-Gruppe profitierten gleichermaßen in hochsignifikantem Ausmaß zum Postzeitpunkt, aber auch noch 14 Monate nach den Interventionen. Es werden die Inhalte des Trainings und der Evaluation vorgestellt und diskutiert. Schmerzpsychotherapien – nicht wirksamer als Analgetika, aber additiv wirksam? H. Reinecke, H. Sorgatz, C. Theiß, M. Zimmerlein Institut für Psychologie, TU-Darmstadt Die Wirksamkeit von Schmerzpsychotherapie bei chronischen Schmerzpatienten erfährt wegen offensichtlich fehlender Nebenwirkungen zunehmendes Interesse. Methodische Unterschiede im Untersuchungsdesign erschweren einen direkten Vergleich mit medikamentösen Verfahren. Eine systematisierte Gegenüberstellung von Ergebnissen aus RCT-Studien soll klären, ob Schmerzpsychotherapieverfahren effektiv bei chronischen Schmerzen sind und Aussagen über Funktionsverbesserungen und Lebensqualität zulassen. Hypothetisch wird erörtert, inwiefern die Psychotherapieverfahren nach einem additiven Modell ergänzend zur Analgetika-Therapie schmerzreduzierende Wirkungen erzielen. In einer Metaanalyse wurden systematisch 14 RCT-Studien (1042 Patienten) zur Wirksamkeit von Schmerzpsychotherapie bei chronischem nicht Tumor-bedingtem Schmerz ausgewertet. Kriterien für die Auswahl der Studien waren u.a. ein Behandlungszeitraum von mindestens 3 Wochen und ein Publikationsdatum zwischen 1990 und 2007. Die Analyse der Studienparameter und die Berechnung der Effektstärken wurde hierarchisch nach Psychotherapieverfahren, Schmerzsyndrom und Studiengüte differenziert durchgeführt. Die Ergebnisse werden mit Befunden aus Metaanalysen zur Langzeitanwendung von Analgetika verglichen. Die Gesamtheit der analysierten schmerzpsychotherapeutischen Verfahren erreicht knapp mittlere Effektstärken, dabei scheinen die Entspannungsverfahren eine Sonderstellung einzunehmen. Wie erwartet ergeben sich gegenüber Wartekontrollgruppen höhere Effekte als gegenüber (Pseudo-) Treatment-Kontrollgruppen. Die Schmerzminderungswerte sind geringer als in Analgetikastudien mit PlazeboKontrolle. Die Zulässigkeit der medikamentösen Fortbehandlung während der Psychotherapiestudien liefert eine Erklärung für geringere Schmerzausgangswerte gegenüber Analgetikastudien und Ansätze für ein additives Wirkmodell.
Diagnostische Verfahren Diagnostische Verfahren bei orofazialen Schmerzen Strukturiertes diagnostisches Vorgehen bei myoarthropathischen Gesichtsschmerzen A. Hugger Westdeutsche Kieferklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf Auf der Grundlage der publizierten diagnostischen Empfehlungen des Arbeitskreises Mund- und Gesichtsschmerzen der DGSS (s. SCHMERZ 2000;14:416-428 sowie aktualisiert 2006;20:481-489) wird das in der Praxis umsetzbare, zweiachsige diagnostische Stufenkonzept zur Erfassung somatischer und psychosozialer Parameter bei myoarthropathischen Gesichtsschmerzen erläutert und auf die Implikationen für die (zahn-)ärztliche Therapie hingewiesen. Schmerzzeichnungen als Hilfsmittel in der Diagnostik orofazialer Schmerzen S. Feierabend Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Würzburg Etwa seit der Mitte des 20. Jahrhunderts werden Schmerzzeichnungen als diagnostisches Hilfsmittel bei verschiedenen schmerzhaften Erkrankungen eingesetzt. Sie dienen vielfach zur einfachen Übersicht über Schmerzlokalisationen, die Verteilung von Schmerzgebieten oder auch zur Therapiekontrolle. Patienten mit orofazialen Schmerzen benötigen besonderes Augenmerk: Sie suchen häufig zunächst Ärzte auf, die hauptsächlich in dieser Region tätig sind (Hals-, Nasen-, Ohrenärzte, Zahnärzte u.ä.). Dort erwähnen sie selten zusätzliche Schmerzen außerhalb der Kopf-/Gesichtsregion. Ganzkörper-Schemata zur Schmerzzeichnung haben bei diesen Patienten den großen Vorteil, dass nicht nur die Aufmerksamkeit des Behandlers auf weitere Schmerzgebiete gelenkt wird, sondern sie besitzen auch eine hohe Spezifität: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass schmerzhafte Areale, die in der Zeichnung angegeben wurden, im Anamnesegespräch nicht erwähnt werden. Für die Schmerzzeichnungen selbst stehen mehrere Vorlagen zur Verfügung. Manche bestehen ausschließlich aus Ganzkörper-Schemata, andere haben die Kopf-/Halsregion als zusätzliche Option zum Einzeichnen integriert. Sehr häufig sind diese gesonderten Ausschnitte sehr klein und für das Einzeichnen orofazialer Schmerzen ungeeignet. Im Jahr 2006 wurde ein neues Schema speziell für Patienten mit orofazialen Schmerzen vorgestellt. Es wurde von der überwiegenden Zahl der Patienten, die zur Evaluation rekrutiert wurden, sehr gut aufgenommen. Die Begründung der Patienten für die Präferenz des neuen Schemas war in erster Linie die Möglichkeit, die Schmerzen genauer einzeichnen zu können. Der Vortrag wird neben den verschiedenen Schemata und ihren Einsatzmöglichkeiten auch Daten zu Reliabilität, Intra- und Interobserver-Agreement sowie der Voraussagekraft eines Therapieerfolges diskutieren. QST im Rahmen der Differentialdiagnostik chronischer Kiefer- und Gesichtsschmerzen M. Daubländer Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie, Mainz Die Quantitativ sensorische Testung (QST) als psychophysikalisches Testverfahren kann im Rahmen von chronischen Kiefer- und Gesichtsschmerzen sowohl extra- als auch intraoral (mit entsprechenden Modifikationen) eingesetzt werden. Ziel ist dabei vor allem die bei den unterDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts schiedlichen Erkrankungen spezifischen Störungsmuster zu erkennen, um so nach Möglichkeit eine mechanismenbasierte Behandlung einleiten zu können. Mittels der Bestimmung von Schmerz- und Empfindlichkeitsschwellen durch natürliche Reize im Ausbreitungsgebiet des N. trigeminus können alle relevanten Fasertypen (A delta, C, A beta) in ihrer Funktion getestet werden. Die Erfassung von sensorischen Plus- und Minuszeichen als Abweichung von den Daten des Normkollektivs geben Hinweise auf eine Deafferenzierung, periphere oder zentrale Sensibilisierung bzw. Beeinträchtigung der deszendierenden Hemmung. Somit ist vor allem bei folgenden Erkrankungen eine sinnvolle Indikation zu sehen: Schmerzsyndrome ausgelöst durch Erkrankungen oder Traumatisierung des N. trigeminus (Trigeminusneuralgie bzw. -neuropathie), pathophysiologisch unklare Erkrankungen wie anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz und idiopathisches Mundschleimhautbrennen und myofaszielle Erkrankungen wie die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Von großer Bedeutung ist dabei, dass bei einem Teil der Gesichtsschmerzpatienten im Rahmen von 3 Studien nicht nur im orofacialen Bereich pathologische sensorische Profile detektiert werden konnten, sondern auch am Rücken sowie an der Hand bzw. dem Fuß. Bei den Patienten mit einer chronischen CMD konnte eine Subgruppendifferenzierung vorgenommen werden, die sensitive Patienten, mit dem Risiko einer generalisierten Schmerzausbreitung erkennen ließ. Hierbei wurde als Diskriminierungsparameter der Tenderpointscore (ACR) eingesetzt.
terschiede im Zusammenspiel aller QST-Parameter (also das eigentliche Profil) zu berechnen, unabhängig davon, ob ein einzelner Parameter pathologisch ausfällt. Mit diesem Modell können latente Gruppierungen unabhängig von diagnostischen Kategorisierungen erkannt werden, die wiederum Rückschlüsse auf funktionelle Zusammenhänge erlauben. Es ließen sich auf der Basis klinisch sinnvoller Modellansätze mathematisch zehn Cluster unterscheiden, die sich in 2 Hauptgruppen trennen (mit oder ohne „Loss of detection“ ). Die Clusteranalyse erlaubt weiterhin die Diskrimination einzelner markanter Profile wie die eines Clusters mit isolierter Ausprägung von Wind-up-Phänomen ohne sonstige Hyperalgesie oder eines r mit Verlust thermischer Diskrimination (=Small-fiber Neuropathie) ohne begleitende Hyperalgesie, ein Muster wie es beim Morbus Fabry vorkommt. Zusammenfassend konnte aus der DFNS-Datenbank eine reliable und valide Klassifikationseinteilung als Basis für die Entwicklung einer mechanismen-basierten Therapie für jeden Patienten ermittelt werden. Die Clusteranalyse eröffnet den neuartigen Weg, komplexe Zusammenhänge von peripheren und zentralen Minussymptomen zusammen mit spezifischen Hyperalgesieformen zu beschreiben, die u.U. zukünftige die unterschiedlichen Responseraten auf bestimmte Medikamente und Interventionen auf beschreibbare komplexe Interaktionen zwischen dem peripheren und zentralen Nervensystem und den darin ablaufenden Reizverarbeitungsprozessen zurückführen könnten.
Epidemiologie
Bei der Identifizierung so genannter „Schmerzgene“ sind in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht worden – dass Schmerzerleben und Schmerzchronifizierung nicht nur unwesentlich von genetischen Faktoren abhängt, wird daher zunehmend anerkannt. Um dies auch für den Bereich der neuropathischen Schmerzen näher zu untersuchen, wurde im DFNS eine DNA-Bank gegründet. Dabei ist es unser Ziel, nicht nur einzelne ätiologisch klassifizierte neuropathische Schmerzsyndrome auf einen genetischen Hintergrund zu untersuchen, sondern vielmehr die Symptomprofile in diese Analyse einzuschließen, um die Mechanismen der Schmerzentstehung besser zu verstehen. Über den Stand der verschiedenen im DFNS durchgeführten Kandidaten-Gen Analysen wird zu berichten sein.
Der Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz – Was hat das Netzwerk Neues geschaffen? Eine neue Klassifikation neuropathischer Schmerzen (LoGa) C. Maier1, H. Richter1, R. Baron2 1Abteilung für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum; 2Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel Neuropathische Schmerzen werden üblicherweise entweder anhand ihrer Schmerzcharakteristik (z. B. neuralgieform) oder anhand der gesicherten oder vermuteten Ätiologie (z. B. einer postherpetischen Neuralgie) klassifiziert. Es können aber trotz gleicher Ätiologie interindividuell unterschiedlich Plus- und Minussymptome vorliegen, die nicht durch Schmerzbeschreibung des Patienten selbst noch durch die klinische Befundung verlässlich erfasst werden. In der weltweit größten Datenbank des DFNS wurden die somato-sensorischen Profile, erhoben nach dem standardisierten QST-Protokoll, von ca. 1.400 Patienten mit verschiedenen neuropathischen Schmerzen (u. a. Trigeminus-, posttraumatische und -herpetische Neuralgie, CRPS, Polyneuropathie und zentraler Schmerz) analysiert. Es bestätigte sich die Ausgangshypothese nachweislich differierender sensorischer Profile bei gleicher Diagnose mit allerdings diagnoseabhängig unterschiedlichen Häufigkeitsmustern z. B. von Hyperalgesien besonders bei der postzosterischen Neuralgie. Hieraus wurde mittels Konfigurationsfrequenzanalyse eine neue diagnoseübergreifende Klassifikation (LOssGAin) mit 2*4 Ausprägungsstufen statistisch ermittelt. LoGa unterscheidet primär Patienten ohne sensorisches Defizit (L0) von solchen mit reinem Verlust an thermischer (L1) oder mechanischer (L2) Diskriminationsfähigkeit oder gemischte Formen (L3). Zweitens wird eine fehlende (G0), eine isolierte thermische (G 1), mechanische (G 2) oder gemischte (G 3) Hyperalgesie/Allodynie kodiert. Somit kann in Analogie zu onkologischen Klassifikationen jeder Patient anhand seiner pathologischen Werte einem möglichen Pathomechanismus deskriptiv zugeordnet werden. In einem zweiten Schritt wurde eine Cluster-Analyse erstellt, um Un-
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Biobanking im DFNS – Der Genetik des Schmerzes auf der Spur? A. Berthele für das DFNS
QST als klinisches Diagnostikum J. Ludwig Sektion für neurologische Schmerzforschung und Therapie, Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus KIel Der Forschungsverbund neuropathischer Schmerz (DFNS) hat mit seiner Testbatterie („QST-Protokoll“) eine Möglichkeit geschaffen, standardisiert verschiedene somatosensorische Symptome zu untersuchen. Die in der QST-Testbatterie enthaltene Thermotestung ermöglicht im Gegensatz zur Neurographie eine Untersuchung der dünnund unmyelinisierten afferenten Nervenfasern, die beispielsweise bei einer Small-fiber-Neuropathie geschädigt sind. Durch Vergleich mit Normwerten gesunder Kontrollen kann bewertet werden, ob bei dem einzelnen untersuchten Patienten eine Sensibilisierung oder ein Funktionsverlust der entsprechenden Nervenfaserklasse vorliegt und ein somatosensorisches Profil erstellt werden. Durch Untersuchung einer großen Anzahl von Patienten mit neuropathischen Erkrankungen wie Polyneuropathie, postherpetischer Neuralgie oder dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom ist es möglich, Aussagen über Häufigkeiten bestimmter Symptome und damit pathophysiologischer Mechanismen der zugrundeliegenen Erkrankung zu treffen. In der Datenbankauswertung des DFNS hat sich gezeigt, dass verschiedene neuropathische Erkrankungen unterschiedliche somatosensorische Profile aufweisen. Wie steht es aber nun mit QST als Diagnostikum? Kann QST zwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen unterscheiden? Kann QST durch Vergleich somtosensorischer Profile als Diagnostikum verschiedener Schmerzerkrankungen eingesetzt werden? Wie ist die Sensitivität und Spezifität von QST?
Abstracts Schmerzkognitionen und Coping-Vergleichende Betrachtungen zu Rücken- und Kopfschmerzen aus epidemiologischer Perspektive Schmerzkognitionen und Coping bei Rückenschmerzen in der Erwachsenenbevölkerung C. O. Schmidt, R. A. Fahland, H. Raspe, T. Kohlmann Institut für Community Medicine, Abteilung Methoden der Community Medicine, Greifswald Hintergrund und Fragestellung: In klinischen und epidemiologischen Untersuchungen haben sich Schmerzkognitionen und Copingstile als wichtige Prädiktoren für Rückenschmerzen und damit einhergehende Beeinträchtigungen erwiesen. Es fehlen jedoch Studien, die deren differentiellen Einfluss auf die Entstehung und Persistenz funktionsbeeinträchtigender Rückenschmerzen in der Allgemeinbevölkerung prospektiv untersuchen. Methodik: Datengrundlage ist die multizentrische epidemiologische Längsschnittstudie des Deutschen Forschungsverbundes Rückenschmerz (DFRS). Berücksichtigt wurden 2038 Personen, die eine positive 3-Monats-Rückenschmerzprävalenz zur Baseline aufwiesen und an einer kurz darauf durchgeführten Risikofaktorbefragung sowie am 1-Jahres Follow-Up teilgenommen hatten. Schmerzbezogene Kognitionen und Copingstile wurden mit dem FABQ und KSI (Hilf-Hoffnungslosigkeit, Katastrophisierung, Durchhalteappell, Vermeidung sozialer Aktivität, Bitte um soziale Unterstützung, Durchhaltestrategien) erfasst, Depressivität mit der CESD. Kontrollvariablen waren Alter, Geschlecht, Schmerzintensität und körperliche Aktivität. Der Schweregrad der Rückenschmerzen wurde mit den Von Korff Items bestimmt. Analysen erfolgten mittels logistischer Regression unter Berücksichtigung des komplexen Sampling Designs. Ergebnisse und Schlussfolgerung: Ungefähr bei jedem sechsten Erwachsenen mit Rückenschmerzen während der drei Monate vor der Baseline gingen diese mit moderaten bis starken Funktionsbeeinträchtigungen einher. Während die meisten Skalen zu schmerzbezogenen Kognitionen und Copingstilen bivariat statistisch signifikant (Odds Ratios ≈ 1,2 - 2,0) mit der Entstehung und Persistenz beeinträchtigender Rückenschmerzen assoziiert waren, hebt sich bei gemeinsamer Betrachtung die KSI Subskala Hilf-Hoffnungslosigkeit als bester Prädiktor hervor. Sie war als einzige psychosoziale Skala im Gesamtmodell signifikant mit der Entstehung (OR=1.3) und Persistenz (OR=1.8) beeinträchtigender Rückenschmerzen assoziiert. Wichtigster einzelner Prädiktor war die Schmerzintensität zur Baseline. Die Analysen zeigen, dass gängige Operationalisierungen von Schmerzkognitionen und Copingstilen nur teilweise den Lauf von Rückenbeschwerden in relevantem Maße prädizieren. Die Studie wurde gefördert aus Mitteln des BMBF (FöKz: 01 EM 0111) Schmerzkognitionen und Coping bei Kopfschmerzen im Kindesund Jugendalter J. Gaßmann, N. Vath, B. Kröner-Herwig Georg-August-Universität, Göttingen, Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie, Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie Ein Ziel der vom BMBF geförderten epidemiologischen Längsschnittstudie „Kinder, Jugendliche und Kopfschmerz“ (KiJuKo) ist die Untersuchung potenzieller Risikofaktoren für die Entstehung von rekurrierenden Kopf- und Rückenschmerzen. Zum ersten Befragungszeitpunkt (2003) wurde an 8800 Familien mit einem Kind im Alter von 7-14 Jahren (Zufallsstichproben aus vier Landkreisen Südniedersachsens und der Stadt Hannover) sowohl für die Kinder (ab 9 Jahren), als auch die Eltern ein Fragebogen verschickt. Es folgten drei weitere Erhebungswellen im Abstand von jeweils einem Jahr (2004 – 2006). Hierbei wurden diejenigen erneut befragt, die in der ersten Welle geantwortet hatten. Von denjenigen, die in der letzten Welle angeschrieben wurden, nahmen 63.3% der Eltern und 62.8% der
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Kinder teil. Die hier präsentierten Daten beziehen sich auf Selbsteinschätzungen der Kinder und Jugendlichen. Bisherige Forschungsbefunde belegen positive Zusammenhänge zwischen dem gedanklichen und/oder verhaltensbezogenen Umgang mit Schmerzen (Copingstrategien) und verschiedenen Merkmalen des Schmerzes (z.B. Intensität oder Beeinträchtigung durch den Schmerz). In Längsschnittauswertungen wurde über binäre logistische Regressionsanalysen geprüft, ob sich psychologische Variablen als Prädiktoren für die Entstehung von Kopf- und Rückenschmerzen identifizieren lassen. Dabei wurden unterschiedliche Vorhersagezeitpunkte berücksichtigt. Da sich in allen Analysen das Geschlecht als bedeutsamer Einflussfaktor für das Neuauftreten von Kopf- und Rückenschmerzen erwies, wurden weitere Auswertungen jeweils separat für Jungen und Mädchen durchgeführt. Zeigen Jungen häufig einen „dysfunktionalen Umgang mit Stress“ i.S.V. von aggressiven Bewältigungsversuchen, haben sie im Vergleich zu denen, die dieses Verhalten seltener zeigen, ein 2,1fach erhöhtes Risiko, dass drei Jahre nach der Ersterhebung Kopfschmerzen auftreten (odds ratio [OR]=2.10; CI=1.132 - 3.907). Jungen, die sich oft wiederholt mit Belastungen beschäftigen („gedankliche Weiterbeschäftigung“) haben ein ungefähr 1,8fach erhöhtes Risiko, rekurrierende Kopfschmerzen zu entwickeln (OR=1.78; CI=1.091 - 2.917). Für Mädchen erwies sich der stressvermehrende Bewältigungsstil i.S.v. „Resignation“ als statistisch signifikant (OR=3.10; CI=1.206 - 7.948). Entsprechende Analysen für die Vorhersage von Rückenschmerzen zeigten nur für die Mädchen in der Subskala „Gedankliche Weiterbeschäftigung“ einen bedeutsamen Einfluss (OR=1.66; CI=1.134 - 2.423). Für Mädchen, die sich überwiegend negativ mit Schmerzreizen beschäftigen („Schmerzkatastrophisierung“), ist die „Chance“ bzw. das Risiko, zwei Jahre nach der Ersterhebung Kopfschmerzen zu entwickeln fast zwei Mal höher als bei denjenigen Mädchen, die gelassener mit Schmerzen umgehen (OR=1.99; CI=1.017 - 3.900). Für Jungen, wie auch für die Entstehung von Rückenschmerzen, konnte dieser Zusammenhang nicht bestätigt werden. Der vermehrte ängstliche Umgang bei der Wahrnehmung körperlicher Symptome („Angstsensitivität“) scheint nur bei der Entwicklung von Kopfschmerzen (Jungen: OR=2.95; CI=1.310 - 6.646; Mädchen: OR=2.23; CI=1.227 - 4.061), nicht aber für das Auftreten von Rückenschmerzen eine Rolle zu spielen. „Somatosensorische Verstärkung“ hat sowohl bei der Entstehung von Kopfschmerzen (Jungen: OR=2.93; CI=1.631 - 5.263; Mädchen: OR=3.362; CI=2.083 - 5.427), als auch von Rückenschmerzen (Jungen: OR=1.97; CI=1.214 - 3.194; Mädchen: OR=2.77; CI=1.786 - 4.283) einen bedeutsamen Einfluss. Letztlich konnte in einem Gesamtmodell mit allen betrachteten Variablen dargelegt werden, dass nur bei den Mädchen die „somatosensorische Verstärkung“ ein wichtiger Einflussfaktor bei der Entstehung von Kopfschmerzen (OR=3.25; CI=1.486 - 7.094) und Rückenschmerzen (OR=2.20; CI=1.162 - 4.157) zu sein scheint. In Übereinstimmung mit bisherigen Forschungsergebnissen erwiesen sich die genannten Konstrukte als risikoerhöhende Faktoren. Limitierende Aspekte werden diskutiert. Schmerzkognitionen und Coping bei Kopfschmerzen in der Erwachsenenbevölkerung G. Fritsche Neurologische Universitätsklinik Essen Die prospektive, populationsbasierte und longitudinale Studie untersuchte die Wechselwirkung biologischer Faktoren, psychiatrischer Komorbidität, Stressexposition und Coping bei der Chronifizierung von Kopfschmerzen. Eingebettet in eine große epidemiologische BMBFStudie untersuchen Querschnitts- sowie Längsschnitt- als auch matched pairs-Vergleiche chronifizierende vs. nicht chronifizierende Kopfschmerzpatienten. Chronische bzw. chronifizierende Patienten zeichnen sich durch erhöhte Depressions- und Stresswerte aus. Als zugrunde liegendes Defizit wird eine mangelhafte Fähigkeit der Patienten identifiziert, in Kopfschmerzsituationen um soziale Unterstützung zu bitten.
Gesundheitsökonomie Nachhaltigkeit multimodaler Schmerztherapie Multimodale tagesklinische Therapie: Strategien, Kosten, Nachhaltigkeit: Ergebnisse einer 5-Jahres-Katamnese B. Arnold Klinikum Dachau, Abteilung für Schmerztherapie Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie, also inhaltlich und in der Zielsetzung eng abgestimmte multidisziplinäre und integrative Behandlung in Kleingruppen mit einem Minimalumfang von mindestens 100 Stunden ist nach aktuellem Stand der medizinischen Erkenntnis die effektivste Therapieform für chronifizierte Schmerzsyndrome mit komplexen körperlichen, seelischen und sozialen Folgen. Voraussetzung ist ein umfassendes Assessment, in das alle Therapeutengruppen einbezogen werden. Am Klinikum Dachau werden für diese Patienten diagnoseunabhängig ein zweitägiges Assessment und eine fünfwöchige multimodale Behandlung mit einem Umfang von 122,5 Therapiestunden angeboten. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Therapie erfolgt zudem 6 Monate nach Behandlungsende eine einwöchige Boosterbehandlung von 22 Stunden. Die Kosten dieses Vorgehens lassen sich anhand des Kalkulationsschemas des InEK, das für die DRG-Berechnung verwendet wird, festlegen. Für den bayerischen Landesbasisfallwert ergeben sich Relativgewichte von 0,339 (Assessment), 2,656 (Therapieprogramm) und 0,585 (Booster), aus denen Gesamt-Fallkosten von ca. 10000.- Euro resultieren. Bei 100 so behandelten Patienten wurde eine 5-Jahres-Katamnese (Einbestellung oder telefonisch) durchgeführt, in der bisher 67 Patienten (62%) erfasst wurden. Für die Parameter durchschnittlicher Schmerz, PDI, Vitalität, körperliche LQ, Depressivität, Angst, Katastrophisieren und Schmerzkontrolle wurden nach 5 Jahren hohe Effektstärken > 0.8 gefunden, mittlere ES für momentanen Schmerz und geringe ES für die psychische LQ. Alle p-Werte waren < .0001. Damit steht den genannten Behandlungskosten eine langfristige Behandlungseffektivität bei relevanten Parametern gegenüber, die die hohe Behandlungsintensität rechtfertigen. Langzeiteffekte auf Fehlzeiten und Gesundheitskosten B. W. Nagel DRK Schmerz-Zentrum-Mainz, Tagesklinik für interdisziplinäre Schmerztherapie, Mainz Die Wirksamkeit multimodaler Schmerztherapie ist inzwischen gut belegt. Vor allem bei chronischen Rückenschmerzen konnte die Effektivität hinsichtlich der Ergebnisvariablen körperlicher Funktionsstatus und Schmerz nachgewiesen werden (Guzmann et al., 2002). Eine bessere Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gelang nur multimodalen Programmen mit kognitiv verhaltenstherapeutischen Inhalten (Schonstein et al., 2002). Andere spezifische Schmerzsyndrome wurden bisher nur wenig untersucht. Für multilokuläre Schmerzerkrankungen ist die Datenlage widersprüchlich (Karjalainen et al. 1998, Turk et al. 1998), für chronische Kopfschmerzen liegen nur wenige Untersuchungen vor (Scharff u. Marcus 1994, Marcus et al. 1998). In der Tagesklinik des DRK Schmerz-Zentrum Mainz wurden von September 2001 bis Ende 2005 insgesamt 1011 Patienten multimodal betreut. Die Patienten beklagten als Hauptschmerzlokalisation überwiegend Rücken- (N=472) und Kopfschmerzen (N=431). 783 Patienten (77,4 %) konnten nach 12 Monaten zum subjektiven Behandlungserfolg befragt werden. 58 % beurteilten ihn als „sehr gut“ oder „gut“, weitere 24,6 % als „zufriedenstellend“. Die Häufigkeit von schmerzbezogenen Arztkontakten und die Anzahl von Behandlungen
nahm signifikant ab. Bei berufstätigen Rückenschmerzpatienten konnten die Arbeitsunfähigkeitstage in 6 Monaten von 44,4 vor Therapie auf 17,9 Tage ein Jahr nach der Behandlung reduziert werden. Derzeit erfolgt eine schriftliche Nachbefragung aller Patienten der Tagesklinik von 2001 bis Ende 2006 (N=1245). Erfragt werden insbesondere Veränderungen im Medikamentengebrauch, bei der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens und bei der Arbeitsfähigkeit. Erste Ergebnisse werden im Vortrag vorgestellt. 1. Guzmann J, Esmail R, Karjalainen K, Malmivaara A, Irvin E, Bombardier C. Multidisciplinary rehabilitation for chronic low back pain: systematic review. The Cochrane Database of Systematic Reviews. 2002; Issue 4 2. Karjalainen K, Malmivaara A, Van Tulder M, Roine R, Jauhiainen M, Hurri H, Koes B. Multidisciplinary rehabilitation for fibromyalgia and musculoskeletal pain in working age adults. The Cochrane Database of Systematic Reviews. 2002; Issue 2 3. Marcus D.A, Scharff L, Mercer S, Turk D.C. Nonpharmacolongical treatment for migraine: incremental utility of physical therapy with relaxation and thermal biofeedback. Cephalalgia 1998; 18: 266-271 4. Scharff L, Marcus D.A. Interdisciplinary Outpatient Group Treatment of Intractable Headache. Headache. 1994; 73-78 5. Schonstein E, Kenny D.T, Keating J, Koes B.W. Work conditioning, work hardening and functional restoration for workers with back and neck pain: Review. The Cochrane Database of Systematic Reviews. 2002; Issue 4 6. Turk D.C, Okifuji A, Sinclair J.D, Starz T.W. Interdisciplinary treatment for fibromyalgia syndrome: clinical and statistical significance. Arthritis-care-res. 1998; 11:186-195
Kostenanalyse als „lohnende“ Aufgabe von Gesundheitspolitik, Kostenträgern und Leistungserbringern am Beispiel der Versorgung von Patienten mit Rückenschmerzen Krankheitskostenanalyse Rücken O. Damm, D. Bowles, W. Greiner School of Public Health, Department of Health Economics, University Bielefeld Objectives: This study aimed to determine the total costs of back pain and spinal disorders (ICD10: M50 - M54) to German society in 2005 as well as to identify different patterns of health service utilization of a patient subpopulation with recurrent back pain. In addition, potential cost savings by implementing guidelines were estimated. Methods: The costs of low back pain were assessed by measuring both direct costs of providing health care to patients, and indirect costs as the value of productivity losses. Furthermore a decision tree was constructed to demonstrate different ways of managing recurrent low back pain. Data was obtained from two German health insurance funds for all identified back pain patients in 2005. The estimation of potential cost savings was based on assumptions of the Bertelsmann foundation expert-panel. Results: In Germany, total cost of low back pain reached € 6.3 billion in 2005. The indirect costs due to productivity losses accounted for 39% of the total costs. Total annual direct costs amounted € 3.8 billion, with an average direct cost of € 230 per patient. Nearly 42% of the direct costs were induced by outpatient treatment, 24 % by physical treatment, 18 % by pharmaceuticals and 14 % by hospitalisation. Patients with chronic or recurrent back pain (21 % of the study’s population) were accountable for 43 % of the direct costs. By modelling scenarios of best practice medical care, potential cost savings add up to 24 % of the direct costs of the patient sub-population with recurrent back pain. Conclusions: Overall these results confirm the high economic burden of back pain for the German society. Best practice medical care was associated with substantial cost saving opportunities. Further research is needed to establish the cost-effectiveness of treatment based on guidelines in a prospective study design. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Krankheitskosten bei den Krankenkassen G. Müller, T. Kohlmann, K. Bös AOK Baden-Württemberg, Institut für Sport und Sportwissenschaft Universität Karlsruhe, Institute of Community Medicine Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald Rückenschmerzen sind mit Gesundheitsausgaben von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes und einer 12-Monats Prävalenzrate erwachsener Deutscher von mehr als 70 % von hoher sozioökonomischer Relevanz. Die AOK Baden-Württemberg bietet deshalb seit 2004 ihren Versicherten mit Rückenschmerzen auf Empfehlung des behandelnden Arztes ein komplexes Rückentrainingsprogramm an. Das AOK-Rückenkonzept beinhaltet dynamisches Krafttraining, Funktionsgymnastik, Stretching und ergonomisches Verhaltenstraining. Ziel der 2007 gestarteten zweijährigen Studie ist die Prüfung und Steigerung der Effizienz und Effektivität des Programms. In dem Vortrag werden die zum Vortragszeitpunkt bereits vorliegenden Baseline-Daten einer Teilstichprobe (N=1.421, 875 ♀, 546 ♂, Æ 46 Jahre [s= 13]) vorgestellt. Erfasste Kostenfelder der Studie sind Krankenhauskosten, Krankengeld, Rehabilitationskosten, ambulante Kosten, Arzneimittel- und Heilmittelkosten. In den 2 Jahren (Okt. 05 bis 30. Sept. 07) vor Start der Interventionsmaßnahme lagen die rückenspezifischen Kosten pro Halbjahr ohne ambulante Kosten bei € 122 [s= 812] (€ 217 inkl. der anteilsmäßigen ambulanten Kosten). Insgesamt beliefen sich die Kosten pro Halbjahr auf durchschnittlich € 604 [s= 1286].
Schmerztherapie zwischen Wirtschaftlichkeit und Bankrott Umfassende Schmerztherapie am Krankenhaus: Abbildung im DRG-System C. Jacobs Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH), Siegburg G-DRG 2009: Was ist neu? Was ist wichtig aus dem Blickwinkel der Schmerztherapie? Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Einführung, Weiterentwicklung und Pflege des DRG-Vergütungssystems wurden von den Selbstverwaltungspartnern im Gesundheitswesen (die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung) dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus – der InEK GmbH als deutsches DRG-Institut – übertragen. Jedes Jahr erfolgt im InEK eine umfassende Weiterentwicklung dieses leistungsorientierten pauschalierenden Vergütungssystems. Dabei spielt der strukturierte Dialog, über den z.B. medizinische Fachgesellschaften Änderungsvorschläge zum DRG-System einbringen können (und dies in großer Zahl tun) eine entscheidende Rolle. Am Ende der Konvergenzphase werden die Änderungen für 2009 vielleicht mit besonderer Spannung erwartet. Zum Zeitpunkt des Einreichens der Abstracts (August 2008) ist die Weiterentwicklung des deutschen DRG-Systems noch nicht abgeschlossen, die Änderungen für 2009 sind noch nicht verabschiedet und somit auch noch nicht veröffentlicht. Daher ist an dieser Stelle erst eine sehr allgemeine Inhaltsangabe möglich: Der Vortrag wird auf die wesentlichen Änderungen des G-DRGSystems eingehen (neue DRGs, Zusatzentgelte, neue Kodes...) und dabei den Schwerpunkt auf die Abbildung schmerztherapeutischer Leistungen im DRG-Vergütungssystem legen. Selbstverständlich bleibt auch etwas Zeit für Fragen und Diskussion.
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Grundlagenforschung Klinik meets Forschung: Antworten auf „brennende“ Fragen aus der Grundlagenforschung Peripheres Nervensystem: Der Nozizeptor – ein überholter Einheits-Begriff? W. Greffrath Lehrstuhl für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim (CBTM), Medizinische Fakultät Mannheim, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Mannheim In den vergangenen Jahren konnten durch die Grundlagenforschung große Fortschritte im Verständnis der Entstehung und Unterhaltung von Schmerzen erzielt werden. Dieser Vortrag soll einen aktuellen Überblick über molekularen Mechanismen geben, die der peripheren Transduktion schmerzhafter Reize und deren Transformation in Aktionspotenziale zu Grunde liegen. Bezüglich der Signaltransduktion für noxische Reize konnten zahlreiche Membranrezeptoren identifiziert und charakterisiert, die spezifisch durch gewebeschädigende Reize aktiviert und / oder sensibilisiert werden können. Die prominentesten dieser Transduktionsmoleküle für noxische Reize stammen aus der großen Familie der transienten Rezeptorpotenzialkanäle (TRP). Diese formen nicht-selektive Kationenkanäle und sind strukturell den spannungsgesteuerten Membrankanälen ähnlich (Transmembrandomänen (TM), intrazellulärer N- und C-Terminus, Porenschleife zwischen TM5 und 6, homo- oder heterotetramere Bildung von Membrankanälen aus vier Proteinuntereinheiten, etc.). Verschiedenartige Reize können diese Membranrezeptoren spezifisch erregen, so thermische Stimuli (warm, heiß, kühl, kalt), chemische Agenzien (Vanilloide und andere Inhaltsstoffe verschiedener Gewürze, (Spinnen-)Gifte, Lipide, Säuren, Ethanol, (Endo )Cannabinoide, u.v.m.), Änderungen der extrazellulären Osmolarität, mechanische Reize, etc. Interessanterweise findet sich also die Polymodalität des Nozizeptors schon auf Ebene der Transduktionsmoleküle wieder. Mindestens sechs solcher TRP-Kanäle konnten in primären nozizeptiven Neuronen identifiziert, charakterisiert und kloniert werden, die im Zusammenwirken an der peripheren Transduktion schmerzhafter chemischer, thermischer und eventuell auch mechanischer Reize beteiligt zu sein scheinen: TRPV1-4, TRPM8 und TRPA1. Zwei dieser Kanäle, TRPV1 und TRPV2 aus der Vanilloidrezeptor-Subfamilie, werden durch noxische Reiztemperaturen in den Bereichen jenseits 42 und 52°C aktiviert, zwei weitere durch Kühloder Kaltreize (TRPM8 und TRPA1); TRPV3 und TRPV4 werden in der Peripherie auch in nicht-neuronalen Zellen exprimiert und reagieren auf nicht-schmerzhafte Reiztemperaturen. Während noch immer nicht zweifelsfrei aufgeklärt ist, welche Rezeptoren für die Detektion akuter Schmerzreize jeweils essenziell sind, ist offensichtlich, dass diese Kanäle nach Sensibilisierung Schmerz dauerhaft unterhalten können, z.B. im Rahmen von Entzündungen und Neuropathien. Hierfür wird die Sensibilisierung der Kanäle gegen Reiztemperaturen im Bereich der Körpertemperatur verantwortlich gemacht, die entweder direkt oder indirekt durch Wirkung an verschiedensten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und intrazelluläre Signalkaskaden erfolgt. Ein durch Sensibilisierung in seiner Erregbarkeit gesteigerter Membranrezeptor vermag dann wiederum auch auf andere Reizmodalitäten gesteigert zu reagieren. Daher gelten diese Rezeptoren als exzellente Zielstrukturen für eine rationale Schmerztherapie. Die ursprünglich große Hoffnung zielgerichteter und daher nebenwirkungsfreier analgetischer Effekte antagonistisch wirksamer Pharmaka muss heute jedoch realistischerweise kritisch hinterfragt und präzisiert werden. So zeigte sich, dass diese Rezeptoren umfangreich auch außerhalb der Nozizeptoren exprimiert werden und dort wichtige nicht-nozizeptive Funktionen besitzen (z.B. in der Thermoregulation). Auch innerhalb eines Nozizeptors werden sie wiederum häufig ko-exprimiert,
wobei offenbar auch eine größere Überlappung der jeweiligen Sensitivität dieser Rezeptoren gegen unterschiedliche Reizmodalitäten angenommen werden muss, was wiederum zum eher klassischen Konzept eines mehr „einheitlichen“ Nozizeptors passt. Weiterhin sind funktionell vollkommen gegensinnige Effekte dieser Rezeptoren im Rahmen der Schmerzentstehung beschrieben worden: Aktivierung von TRPV1 im Nozizeptor wirkt pro-algetisch, in Neuronen des periaquäduktalen zentralen Höhlengraus bewirkt TRPV1 über absteigende Hemmmechanismen Analgesie. Somit muss also heute von einem überaus komplexen Zusammenspiel dieser Membranrezeptoren innerhalb des nozizeptiven Systems für die Schmerzentstehung ausgegangen werden, die in diesem Vortrag dargestellt werden sollen. Rückenmark: Im Dschungel der Neurotransmitter und Neuromodulatoren: welche sollte ich als Kliniker kennen? E. M. Pogatzki-Zahn Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum München (UKM) Basiswissenschaftliche Untersuchungen haben in den letzten Jahrzehnten verschiedenste Neurotransmitter, Rezeptoren, Ionenkanäle und Transduktionskaskaden im Rückenmark identifizieren können, die für Schmerzen – zumindest im Tierexperiment - eine Rolle spielen sollen. Verfolgt man diese basiswissenschaftlichen Untersuchungen, hat man immer mehr das Gefühl, in einem relativ unübersichtlichen Gewirr aus Molekülen und Regulationswegen gelandet zu sein. Viele der neu entdeckten Signalwege sind intellektuell sehr interessant, scheinen aber – zumindest aus heutiger Sicht – bisher wenig klinisch relevant zu sein. Einige von Ihnen sind aber mittlerweile Ziel pharmakologischer Substanzen, die in der Therapie akuter und chronischer Schmerzen beim Menschen zum Einsatz kommen oder die zur Zeit in der klinischen Erprobung sind. Hierzu gehört zum Beispiel „alt“bekannte Moleküle wie Opioid- oder NMDA Rezeptor, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnene Gruppe der Kalziumkanäle oder – für den Schmerz – bisher weniger bekannte Moleküle wie z.B. bestimmte Proteinkinasen. In diesem Beitrag sollen bedeutende Moleküle, die im Rückenmark das Schmerzgeschehen beeinflussen, dargestellt und in Zusammenhang mit Substanzen gebracht werden, die zur Zeit therapeutisch zum Einsatz kommen oder in Zukunft zum Einsatz kommen werden. Zentrales Nervensystem: Kortikale Schmerzverarbeitung – ein möglicher Ansatz für die Therapie chronischer Schmerzen? C. Maihöfner Neurologische Klinik mit Poliklinik, Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Friedrich Alexander Universität ErlangenNürnberg In den letzten Jahren haben sich insbesondere durch den Einsatz von funktionellen bildgebenden Methoden (funktionelle Magnetresonanztomographie, fMRT; Magnetenzephalographie, MEG; Positronenemissionstomographie, PET) neue Einblicke in die fehlgeleiteten Verarbeitungsprozesse von chronischen und neuropathischen Schmerzsyndromen ergeben. Neuropathische Schmerzsyndrome sind durch das Auftreten von spontanen und Stimulus- induzierten Schmerzen gekennzeichnet. Stimulus-induzierte Schmerzen (Hyperalgesie und Allodynie) können prinzipiell aus Sensibilisierungsprozessen im peripheren (primäre Hyperalgesie) oder zentralen Nervensystem (sekundäre Hyperalgesie) resultieren. Während die zugrunde liegenden pathophysiologischen Vorgänge am Nozizeptor und die relevanten spinalen synaptischen Prozesse mittlerweile besser verstanden werden, sind die cerebralen Areale, die für die Vermittlung von Hyperalgesie und Allodynie relevant sind noch Gegenstand kontroverser Diskussion. In dem Vortrag werden verschiedene Mechanismen erläutert, die zu einer Chronifizierung von Nervenschmerzsyndromen beitragen können. Dazu zählen Reorganisationsphänomene von somatotopen Karten in sensorischen und motorischen Arealen (insbesondere relevant bei Phantomschmerzen und Komplex Regionalen Schmerz-
syndromen), Intensitätssteigerungen in primär nozizeptiven Arealen, Rekrutierung von neuen Kortexarealen, die für die affektiv-motivationale Schmerzdimension wichtig sind und fehlerhafte Aktivität von Gehirnarealen, die normalerweise eine endogene Schmerzhemmung bewirken. Daneben weisen PET- Studien auf Veränderungen von exzitatorischen und inhibitorischen Transmittersystemen hin. Weiterentwickelte Methoden der morphologischen Bildgebung (v.a. die Voxelbasierte Morphometrie) zeigen schließlich substantielle strukturelle Veränderungen, die chronische Schmerzen eventuell auch als eine neurodegenerative Erkrankung auffassen lassen.
Neue Wirkstoffe / Neue Mechanismen Periphere CB-1 Rezeptoren: Schmerzlinderung durch lokalisierte, periphere Wirkung N. Agarwal, R. Kuner Institute for Pharmacology, University of Heidelberg, Heidelberg Although endocannabinoids constitute a first line of defence against pain, the anatomical locus and the precise receptor mechanisms underlying cannabinergic modulation of pain are uncertain. Exploiting the system clinically is severely hindered by the cognitive deficits, memory impairment, motor disturbances and psychotropic effects resulting from the central actions of cannabinoids. We deleted the type 1 cannabinoid receptor (CB1) specifically in nociceptive neurons localized in the peripheral nervous system of mice, preserving its expression in the central nervous system and analyzed these genetically modified mice in preclinical models of inflammatory and neuropathic pain. The nociceptor-specific loss of CB1 substantially reduces the analgesia produced by local and systemic, but not intrathecal, delivery of cannabinoids. We conclude that the contribution of CB1-type receptors expressed on the peripheral terminals of nociceptors to cannabinoid-induced analgesia is paramount, which should enable development of peripherally acting CB1 analgesic agonists without any central side effects. Spinale GABA-Rezeptorensubtypen: Neue Zielstrukturen für Analgetika H. U. Zeilhofer Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Zürich, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, ETH Zürich Neuronale Netzwerke in den oberflächlichen Schichten des Rückenmarks (der substantia gelatinosa) kontrollieren die Fortleitung nociceptiver Signale aus peripheren Geweben ins Gehirn. Dabei spielen die hemmenden Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glycin eine Schlüsselrolle. Bei entzündlichen und neuropathischen Schmerzen kommt es zu einem Verlust an synaptischer Hemmung, unter anderem durch eine Prostaglandin-vermittelte Blockade von Glycinrezeptoren und durch eine verminderte Expression eines Kalium/Chlorid-Kotransporters und einer daraus resultierenden Störung der Chloridhomeostase. Wirkstoffe, die die GABAerge Hemmung im Rückenmark verstärken, sollten dementsprechend in der Lage sein, chronische Schmerzen zu lindern. In verschiedenen Tiermodellen chronischer Schmerzen konnten wir zeigen, dass (1) spinal verabreichte Benzodiazepine anti-hyperalgetisch wirken, (2) dass diese anti-hyperalgetische Wirkung von speziellen GABA-A Rezeptorsubtypen vermittelt wird, die die alpha-2 oder alpha-3 Untereinheit enthalten und (3) dass Subtyp-selektive GABA-A Rezeptorliganden nach systemischer Gabe antihyperalgetisch wirken, ohne zu Sedation oder Toleranzentwicklung zu führen. Die sedierende Wirkung und viele andere unerwünschte Wirkungen klassischer Benzodiazepine beruht dagegen auf der Interaktion mit der alpha-1 Untereinheit. Eine selektive Verstärkung der spinalen GABAergen Hemmung sollte somit einen neuen, Erfolg versprechenden Weg für die Behandlung chronischer Schmerzen darstellen. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts NF-kB – ein neues Zielprotein für die Behandlung von Schmerzen? E. Niederberger, C. Möser, K. Baatz, G. Geisslinger pharmazentrum frankfurt /ZAFES, Institut für Klinische Pharmakologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt Der Transkriptionsfaktor NF-kappaB spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Immunantworten, Apoptose und Entzündungen. Darüber hinaus haben einige neuere Studien gezeigt, dass NF-kappaB auch bei der Entstehung und Verarbeitung von Schmerzen beteiligt ist. Die Hemmung der NF-kappaB Aktivierung wird mit antinozizeptiven und entzündungshemmenden Effekten in Zusammenhang gebracht. Ein pharmakologischer Eingriff in die NF-kappaB Aktivierungskaskade könnte daher eine Schmerzhemmung bewirken und so Ansätze für die Entwicklung neuer Therapien für die Behandlung von akuten und chronischen Schmerzen liefern. Die NF-kappaB Signalübertragungskaskade bietet verschiedene Angriffspunkte für Pharmaka, wobei I-kappaB Kinasen (IKK) derzeit im Fokus der Untersuchungen stehen. Verschiedene IKKs können die Phosphorylierung des inhibitorischen Proteins I-kappaB bewirken und so essenziell zur NF-kappaB Aktivierung beitragen. Wir konnten zeigen, dass IKKalpha und beta sowie die neu entdeckte IKKepsilon in verschiedenen schmerzrelevanten Geweben der Maus auf mRNA und Proteinebene exprimiert und nach peripherer nozizeptiver Stimulation im Rückenmark reguliert werden. Die systemische Gabe eines IKKalpha/beta-Inhibitors reduziert die thermische und mechanische Hyperalgesie in Mausmodellen für entzündliche und neuropathische Schmerzen. In ersten Versuchen mit IKKepsilon-knock-out Mäusen konnte ebenfalls eine Beteiligung dieser Kinase in der Schmerzverarbeitung beobachtet werden. Zusammenfassend deutet die derzeitige Ergebnislage darauf hin, dass I-kappaB Kinasen eine wichtige Rolle im Schmerzgeschehen spielen und daher interessante Zielproteine für die Entwicklung neuer Analgetika darstellen könnten.
Opiate und Opiatrezeptoren im nozizeptiven System Opiate – Rezeptoren, Polymorphismen und Pharmakogenetik U. Stamer Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Varianten der Medikamentenwirkorte, vor allem von Rezeptoren und Ionenkanälen, aber auch Transporter-Proteine (z.B.MDR1-Gen) und Unterschiede auf der Ebene der Resorption, Metabolisierung und Exkretion von Pharmaka können die Arzneimittelwirkung beeinflussen. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den metabolisierenden Enzymen zu, die abhängig von ihrer Aktivität Medikamente oder endogene Substanzen mehr oder weniger gut verstoffwechseln. Polymorphismen (genetische Varianten mit einer Allelhäufigkeit von >1%) im Bereich von metabolisierenden Enzymen, wie z.B. den Cytochromen, haben Auswirkung auf die Metabolisierungskapazität. So können so genannte „Poor Metabolizer“ für CYP2D6 Codein und Tramadol nicht in ihre Metaboliten umwandeln, die für die μ-Opioidrezeptor vermittelte Analgesie entscheidend sind. Von diesen Polymorphismen betroffene Patienten erfahren damit keine Analgesie durch Codein und eine reduzierte Analgesie durch Tramadol. Andererseits besteht bei Individuen mit erhöhter CYP2D6 Aktivität, bei sog. „Ultrarapid Metabolizern“ die Gefahr, einer sehr schnellen und erhöhten Metabolisierung der beiden Prodrugs Codein und Tramadol. Dieses kann zu opioidtypischen Nebenwirkungen und Toxizität führen. Atemdepressionen für diese genetische Konstellation sind beschrieben. Weitere Polymorphismen, z.B. des μ-Opioidrezeptors (OPMR1), der COMT oder des MC1R Gens haben einen Einfluss auf Schmerz und Analgesie. Die bis jetzt untersuchten Patientenkollektive sind jedoch meist noch klein und berücksichtigen in der Mehrzahl nur einzelne Gene. Größere prospektive Studien sind notwendig, um den Stellenwert einer diagnostischen Genotypisierung hinsichtlich des Therapie-
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erfolgs, vermeidbarer Nebenwirkungen und der Kosten abzuklären. Die Definition genetischer Risikoprofile würde es erlauben, Risikogruppen einer gezielten Prävention zuzuführen und die medikamentöse (Schmerz-)Therapie zu verbessern und zu individualisieren.
Kopfschmerzen Kopfschmerztherapie in besonderen Situationen In der Schwangerschaft und Stillzeit U. Bingel, S. Evers, W. Paulus 1 Abteilung für Neurologie, Neurozentrum, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf; 2 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster; 3 Institut für Reproduktionstoxikologie, KH St. Elisabeth, Ravensburg Die Migräne betrifft überwiegend Frauen während ihrer reproduktiven Jahre und gehört zu den häufigsten Erkrankungen von Frauen in dieser Phase überhaupt. Da eine medikamentöse Behandlung häufig nötig ist, um eine Migräne suffizient zu behandeln, ergibt sich die Frage nach einer verträglichen und vor allem sicheren Therapie der Migräne in Schwangerschaft und Stillzeit. Da die Migräne selbst in den meisten Fällen kein relevantes eigenständiges Risiko für das ungeborene Leben darstellt, gilt es bei jeder medikamentösen Maßnahme eine sorgfältige Güterabwägung zwischen der Symptomlinderung und einem möglichen negativen Einfluss zu treffen. In diesem Vortrag wird der aktuelle Wissensstand der wechselseitigen Beeinflussung von Migräne und Schwangerschaft, sowie die Behandlungsoptionen der Migräne in Schwangerschaft und Stillzeit dargestellt. Die genannten Empfehlungen orientieren sich an den bestehenden, evidenz-basierten Leitlinie der DGN und DMKG zur Behandlung der Migräne unter Berücksichtigung des aktuell bekannten teratogenen Risikos der einzelnen Substanzen. Die Behandlung des Spannungskopfschmerzes sowie des Clusterkopfschmerzes in der Schwangerschaft wird ebenfalls besprochen. Bei alten Menschen A. Straube Neurologie der Universität München Chronische bzw. rezidivierende Kopfschmerzen sind auch im höheren Lebensalter ein häufiges Problem. 10% der Frauen und 5% der Männer der über 70-jährigen berichten über regelmäßige Kopfschmerzen. Dabei nimmt die Inzidenz der primären Kopfschmerzen mit zunehmenden Alter ab und die der sekundären Kopfschmerzerkrankungen zu. Bei den primären Kopfschmerzen kann es zu einem Symptomwandel kommen, so treten bei der Migräne die vegetative Symptomatik eher in den Hintergrund und ein holozephaler dumpfer Kopfschmerz dominiert. Auch sind isolierte Auren ohne nachfolgenden Kopfschmerz häufiger. Eine ausschließlich nach dem 50. Lebensjahr zu beobachtende primäre Kopfschmerzerkrankung ist der primär schlafgebundene Kopfschmerz, der immer aus dem Schlaf heraus auftritt, holozephal und von mäßiger Intensität ist. Die im Alter relativ häufigeren sekundären Kopfschmerzformen imponieren klinisch meist als Spannungskopfschmerz. Häufigere Ursachen für sekundäre Kopfschmerzerkrankungen sind vor allem intrakranielle Raumforderungen, Augenerkrankungen und autoimmunologische Erkrankungen wie die Arteriitis temporalis. Eine Besonderheit älterer Patienten ist, dass häufig eine Multimorbidität vorliegt, die zur Einnahme mehrerer verschiedener Medikamente pro Tag führt, so dass auch Kopfschmerzen ausgelöst durch eine Substanz oder deren Entzug, häufiger auftreten können. Bedingt durch diese Multimorbidität kommen Störungen der Homöostase mit begleitenden Kopfschmerzen (Schlaf-Apnoe-Syndrom, Dialysekopfschmerz, arterielle Hypertonie, Hypothyreose) ebenfalls häufiger vor. Die Häufigkeit der Trigeminusneuralgie aber auch die der postherpetischen Neuralgie nehmen parallel mit dem Lebensalter zu.
Bei der Therapie von Kopfschmerzen im höheren Alter gilt, dass einerseits auf die Interaktion mit der bestehenden Medikation geachtet werden muss und das gerade bedingt durch weitere einschränkende Erkrankungen mulitmodale, interdisziplinäre Therapiekonzepte zur Anwendung kommen sollten. Als Regel für die Medikamentendosierung kann gelten: go low and go slow.
Neues aus der Grundlagenforschung zur Pathobiologie und Therapie von Kopfschmerzen Migräne U. Reuter Neurologische Klinik und Poliklinik, Charité Universitätsmedizin Berlin Im Rahmen des Vortrages sollen neue Aspekte aus der Pathophysiologie der Migräne aufgezeigt werden. Hierbei soll sich ein Teil des Vortrags auf das Neuropeptid CGRP, den Schlüsselbotenstoff in der Pathophysiologie der Migräne beziehen. Neue CGRP Rezeptor Antagonisten sind effektive Substanzen zur Akutbehandlung der Migräne. Zudem soll die Interaktion von CGRP und Cyclooxygenasen in einem experimentellen Zellkulturmodell beleuchtet werden. Daneben werden im zweiten Teil des Vortrages neue Daten zur Sensibilisierung im Rahmen experimenteller Migränemodelle und zur Bildgebung präsentiert. Trigeminoautonome Kopfschmerzen K.B. Messlinger Institut für Physiologie & Pathophysiologie, Universität Erlangen-Nürnberg Zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen werden der Clusterkopfschmerz und einige seltene Kopfschmerzformen wie die paroxysmale Hemikranie und das SUNCT-Syndrom gezählt. Diese heben sich von anderen primären Kopfschmerzen unter anderem durch auffällige Symptome ab, die auf eine pathologische Aktivierung des autonomen Nervensystems hinweisen, wie Gesichts- und Bindehautrötung, Tränen- und Nasenfluss und Zeichen eines Horner-Syndroms. Außerdem folgen die Kopfschmerzphasen insbesondere beim Clusterkopfschmerz häufig einem Jahres- und einem zirkadianen Rhythmus, Funktionen die vom Hypothalamus gesteuert werden. Dazu passend wurden charakteristische Störungen hormoneller Rhythmen beobachtet, z.B. die des Melatonins. Die Pathogenese dieser ungewöhnlichen Kombinationen aus Kopfschmerz und autonomer Symptomatik ist seit Jahren Gegenstand der Forschung auf verschiedenen methodischen Ebenen. Mit bildgebenden Verfahren wurden bei Clusterkopfschmerz- und SUNCT-Patienten Veränderungen der grauen Substanz und Aktivierungen hypothalamischer Areale gefunden, was zu den hormonellen und zirkadianen Störungen passen könnte. Eine Aktivierung parasympathischer Hirnstammkerne bzw. Kopfganglien durch das nozizeptive trigeminale System (trigemino-autonomer Reflex) wurde tierexperimentell in verschiedenen Untersuchungen gezeigt, erklärt aber weniger die sympathischen Störungen. Diese könnten eher durch neurogene Entzündungsvorgänge und die hypothetische Kompression sympathischer Nervenfasern an den großen Hals- und Kopfarterien erklärt werden. Der vorliegende Beitrag versucht, die neueren Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zur Pathogenese trigeminoautonomer Kopfschmerzen zu einem Gesamtbild zu formen und diese gegenüber anderen primären Kopfschmerzerkrankungen abzugrenzen. Kopfschmerzen vom Spannungstyp J. Ellrich Medical Physiology Group, Center for Sensory-Motor Interaction, Department of Health Science and Technology, Medical Faculty, Aalborg University, Aalborg, Denmark Der Kopfschmerz vom Spannungstyp ist die häufigste Form primärer Kopfschmerzen. Trotz seiner großen klinischen und sozioökonomischen Relevanz ist die Pathophysiologie unklar. Klinische Untersu-
chungen betonen die Schmerzempfindlichkeit der perikranialen Muskulatur als herausragendes Symptom. Basierend auf dieser klinischen Beobachtung wurde ein Tiermodell zur Untersuchung der nozizeptiven Signalverarbeitung der Nackenmuskulatur entwickelt (Cephalalgia 26: 697-706, 2006). Die Experimente wurden an männlichen C57BL/6-Mäusen in Allgemeinanästhesie durchgeführt (Bain Res Prot 11: 178-88, 2003). Noxischer Input aus dem Musculus semispinalis capitis wurde durch Injektion von α,β-meATP hervorgerufen (ATP). Dieses ATP-Analogon interagiert besonders mit ionotropen P2X3-Rezeptoren. Folgende Eigenschaften sprechen für den Einsatz von ATP: • Die interstitielle Konzentration von ATP steigt bei Muskelkontraktion an. • ATP erregt Muskelafferenzen der Gruppen III und IV. • Ionotrope P2X3-Rezeptoren sind auf primären Muskelafferenzen lokalisiert. • Die Infusion von ATP in die Nackenmuskulatur gesunder Versuchspersonen ruft starke Schmerzen und Spannungsgefühl hervor. Die Aktivierung von P2X3-Rezeptoren in der Nackenmuskulatur der Maus durch ATP führt zu einer nachhaltigen zentralen Sensibilisierung im Hirnstamm. Diese zentralnervöse Bahnung wurde durch elektrophysiologische Ableitung des Kieferöffnungsreflexes untersucht. Folgende Pharmaka hemmen die Induktion der Hirnstammbahnung bei vorheriger systemischer Gabe: • unspezifischer NOS-Inhibitor L-NMMA • spezifischer Inhibitor der neuronalen NOS NPLA • Kaliumkanalöffner Retigabin • CGRP-Rezeptor-Antagonist BIBN4096BS. Der unspezifische COX-Inhibitor Indometacin hat dagegen keinen Einfluss auf die Induktion der zentralen Bahnung. Das experimentelle Modell zur Untersuchung der nozizeptiven Signalverarbeitung der Nackenmuskulatur wird von Protagonisten des Spannungskopfschmerzes als pathophysiologisches Modell angesehen (Curr Opin Neurol 19: 305-9, 2006). Pharmakologische Befunde deuten auf unterschiedliche Mechanismen der Induktion und der Aufrechterhaltung der nozizeptiven Bahnung. Zukünftige Studien werden das Akutmodell in ein chronisches Modell überführen.
Gesichtsschmerzen Was ist ein „anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz“? W. Pöllmann Marianne-Strauß-Klinik, Berg Der „anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz“ – bis 2003 als „atypischer Gesichtsschmerz“ bezeichnet – unterscheidet sich von der Trigeminusneuralgie durch seine Qualität, Lokalisation und das Fehlen typischer Trigger. Er tritt täglich auf, ist die meiste Zeit des Tages spürbar, wird in der Tiefe oft als bohrend empfunden und mit affektiv gefärbten Begriffen wie quälend, wühlend oder zermürbend beschrieben. Bei unscharfer Lokalisation kann er sich von einem anfangs begrenzten Gebiet einer Gesichtshälfte (z.B. Nasolabialfalte, Kinn) über Ober- oder Unterkiefer ausbreiten, ein Seitenwechsel und ein Auftreten an mehreren Stellen gleichzeitig sind möglich. Dem Schmerz kann eine Operation oder Verletzung von Gesicht, Zähnen oder Zahnfleisch vorangegangen sein, er persistiert jedoch ohne nachweisbare lokale Ursache. Typischerweise ist der Neurostatus regelrecht, sensible Defizite fehlen und Untersuchungen einschließlich der Röntgendiagnostik des Gesichts und Kiefers zeigen keine relevanten pathologischen Befunde. Der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz erscheint oftmals als „Problem für Patient und Arzt “ angesichts multipler – oft von verzweifelten Patienten selbst gewünschter – zahn- oder HNO- ärztlicher Interventionen, die die Abgrenzung von primärem Bild und Sekundärfolgen erschweren. Nach klinischer Verdachtsdiagnose ist eine adäquate, ggf. multidisziplinäre Ausschlussdiagnostik zwingend erforderlich einschließlich Sichtung aller – vor allem bildgebender – Originalbefunde, Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts um differentialdiagnostisch in Betracht kommende Erkrankungen wie Tumoren (N. trigeminus, Kleinhirnbrückenwinkel, Schädelbasis) oder Infektionen auszuschließen bzw. bei Nachweis einer bestimmten Ursache eine gezielte Therapie einzuleiten. Bleibt es bei der Verdachtsdiagnose, ist eine Langzeitbetreuung dieser Patienten mit der frühzeitigen Einbeziehung eines verhaltenstherapeutischen Konzeptes (Abbau von Ängsten, Schmerzbewältigung) sinnvoll und notwendig. Dabei wird gemeinsam ein realistisches Therapieziel entwickelt, das auch eine weiteren Odyssee von Arzt zu Arzt vermeiden hilft und den Betroffenen auch vor unsinnigen und die Symptomatik eher verschlechternden operativen Eingriffen bewahren soll. Ein Versuch mit TENS ist stets zu rechtfertigen. Medikamentös haben sich trizyklische Antidepressiva bewährt, günstiger Weise in Kombination mit einem Stressbewältigungstraining. Antikonvulsiva wie Gabapentin, Carbamazepin, Oxcarbazepin oder Pregabalin können ebenfalls versucht werden, ggf. auch in Kombination mit einem Trizyklikum. Gesichtsneuralgien. Was ist neu? S. Förderreuther Neurologische Klinik der LMU München Die aktuelle Literatur zu den Gesichtsneuralgien befasst sich in erster Linie mit der Trigeminusneuralgie, hier sowohl mit deren Pathophysiologie, neuen diagnostischen Möglichkeiten als auch der Therapie. Pathophysiologie: Es ist bekannt, dass es in der Folge eines pathologischen Gefäß-Nerven-Kontaktes zu Demyelinisierungen an der Wurzel des N. trigeminus kommt. In einer kleinen Studie wurden nun anhand von elektronenmikroskopischen Untersuchungen von Biopsaten auch ischämische Läsionen des N. trigeminus nachgewiesen. Sie könnten eine Demyelinisierung begünstigen und erklären, warum nicht alle Patienten mit Gefäß-Nervenkontakt eine TN entwickeln. Elektrophysiologische Untersuchungen, die gezielt die Aδ-Faser Funktion erfassen (schmerz-bezogene evozierte Potentiale, schmerzgetriggerter Blinkreflex), zeigen, dass es bei der TN im Bereich der Nerveneintrittszone am Hirnstamm zu Störungen dieser nozizeptiven Neurone kommt, da man bei Seitenvergleich auf der symptomatischen Seite verminderte Amplituden und verzögerte Latenzen nach Stimulation aller Äste des N.trigeminus findet. Die Beobachtung, dass bei den TN mit Dauerschmerzen im Vergleich zu TN mit ausschließlichen Paroxysmen höhere Amplituden und kürzere Latenzen der Schmerz-evozierten Potenziale nachgewiesen wurden, während sich die ausschließlich im Hirnstamm generierten Blinkreflex Antworten nicht unterschieden, kann als Ausdruck supraspinal lokalisierten, zentralen Sensibilisierung der Schmerzverarbeitung gewertet werden und erklärt möglicherweise die oft beobachtete Therapieresistenz bei der atypischen TN. Diagnostik: Die MR Technologie ermöglicht mit speziellen Sequenzen einen Gefäß-Nerven-Kontakt besser darzustellen und somit die Sensitivität der Methode im Vorfeld einer Jannetta-OP zu verbessern. Möglichkeiten auch die Spezifität zu erhöhen gibt es leider weiterhin nicht. Durch den zusätzlichen Einsatz von Endoskopen kann das Auffinden eines pathologischen Gefäß-Nerven Kontaktes nun auch intraoperativ optimiert werden. Therapie: Mittel der ersten Wahl bleiben das Carbamazepin und das Oxcarbazepin. Prospektive Vergleichsstudien (Plazebo oder CBZ) zum Gabapentin oder Pregabalin liegen weiterhin nicht vor. Neuere Studien berichten auch von positiven Effekten durch Botulinum-Toxin, Sumatriptan und Lidocain. Allerdings weisen die Studien teilweise erhebliche methodische Mängel auf, ihr Einsatz kann daher nicht empfohlen werden. Als einzige Ausnahme kann der Versuch gelten, bei therapierefraktären Fällen im 2. Trigeminusast durch die ipsilaterale nasale Applikation von 8%iger Lidocainlösung eine vorübergehende Entlastung für den Patienten zu erwirken. Die Operation der TN sollte immer dann erfolgen, wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend effektiv ist oder mit intolerablen Nebenwirkungen einhergeht. Gesichert wirksam sind die Mikrovaskuläre Dekompression (MVD, Jannetta OP), destruktive Verfahren am Ganglion Gasseri (Thermoko-
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agulation, Ballonkompression oder Glyzerinrhizolyse) und die Radiochirurgische Behandlung mit Gamma-Knife (erste positive Daten auch zum Cyberknife) oder Linearbeschleuniger. Inzwischen kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass die Langzeitdaten für die Radiochirurgie deutlich schlechter sind als für die anderen Verfahren. Die primäre Erfolgsrate ist dosisabhängig. Mit der Dosis nimmt allerdings auch der Anteil an bleibenden postoperativen Sensibilitätsstörungen im Trigeminusgebiet zu. Myoarthropathien und Gesichtsschmerzen: Defizite in der Diagnostik? A. Wolowski Universitätsklinikum Münster Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Abteilung für Prothetik und Werkstoffkunde, Münster 2002 wurde das Krankheitsbild der Myoarthropathie im Kiefer-Gesichtsbereich durch die Internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) „...als eine Gruppe von verwandten Schmerzzuständen in den Kaumuskeln, dem Kiefergelenk und assoziierten Strukturen in Form muskuloskelettaler Schmerzen“ definiert. Das bedeutet, dass Schmerz der Indikator für die Behandlungsbedürftigkeit orofacialer Dysfunktionen ist, was keineswegs verwunderlich ist, da Funktionsstörungen/Einschränkungen alleine nicht zwangsläufig mit so starkem Leidensdruck verbunden sein müssen, dass ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird. Schmerz als Warnsignal hingegen veranlasst die Betroffenen, der Ursache auf den Grund zu gehen, damit Heilung im Sinne von Symptomfreiheit herbeigeführt wird. Epidemiologische Daten bestätigen das. So haben schätzungsweise 60 - 70 % Menschen orofaciale Funktionsstörungen jeglicher Art zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens [1,2,3,4]. Behandlungsbedarf dieser Störungen und damit die Notwendigkeit diagnostischer Maßnahmen liegt in Deutschland aber nur etwa bei 3 %. Innerhalb dieser 3 % überwiegen die Frauen, was daran liegen mag, dass die Schmerzschwelle bei Frauen sowohl bei elektrischer als auch bei Druckstimulation im Bereich der Kaumuskeln niedriger liegt als bei Männern [5, 6]. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich in der differentialdiagnostischen Abgrenzung der CMD zum „anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz“. Eine Verwechslung beider Diagnosen kann vor allem für Letztgenannte angesichts einer Fixierung auf das Kauorgan bzw. zahnmedizinischen Behandlung als Ursache dramatische Folgen haben. So können die Intensität der Schmerzangabe, das höhere Alter oder eine stärkere psychosoziale Isolation Hinweise auf die Diagnose „anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz“ sein [7]. Das bedeutet, dass angesichts von Schmerzen im Kiefer-Gesichtsbereich immer sowohl somatische als auch psychische und soziale Ursachen zuverlässig abgeklärt werden müssen. Mit Einführung des ursprünglich für wissenschaftliche Studien gedachten Research Diagnostic Criteria (RDC/TMD-G) [8] wurden auch für den klinischen Alltag eindeutige Diagnosekriterien zur Verfügung gestellt, so dass man heute davon ausgehen darf, dass lange Zeit bestehende Defizite in der Diagnostik bald der Vergangenheit angehören. 1. Svensson P: Orofacial musculosketal pain. In Giamberardino M A (Hrsg): Pain 2002 - An Updated Review. IASP Press, Seattle 2002 (447 - 458) 2. Drangsholt M, Le Resche L: Temporomandibular disorder pain. In Combie, I A, Croft PR, Linton S, Le Resche L, von Korff M (Hrsg): Epidemiology of pain. IASP Press, 1999 (202 - 233) 3. Helkimo M: Studies on function and dysfunction of the masticatory system. II. Index for anamnestic and clinical dysfunction and occlusal state. Swed Dent J 67, 101 - 121(1974) 4. Mohlin Q: Prevalence of mandibular dysfunction and relation between malocclusion and mandibular dysfunction in a group of women in Sweden. Europ Orthod 4, 115 - 123 (1983) 5. Maquet D, Croisier JL, Demoulin C, Crielaard JM: Pressure pain thresholds of tender point sites in patients with fibromyalgia and in healthy controls. Eur J Pain 8, 111 - 117 (2004)
6. Summ O, Çolak-Ekici R, Dirkwinkel M, Giese-Plogmeier B, Wolowski A, Evers S: Sex differences in the trigeminal and periphal pain perception. Cephalalgia 27, 610 (2007) 7. Neff A, Wolowski A, Scheutzel P, Kolk A, Ladwig KH, Grübl A, Marten-Mittag B, Hammes M, Horch HH, Gündel H:Differentielle und gemeinsame Merkmale bei Patienten mit atypischen Gesichtsschmerz und kraniomandibulärer Dysfunktion. Mund Kiefer GesichtsChir 7, 227-234 (2003) 8. John MT, Hirsch C, Reiber T, Dworkis S: Translating the research criteria for temporomandibular disorders into german: evaluation of content and process. J Orofac Pain 20, 43 - 52 (2006)
Die Migräne in der Evolution: Vorteil oder Nachteil? Migränepatienten profitieren von krankheitsspezifischen Reaktionsmustern P. Kropp Institut für Medizinische Psychologie, Zentrum für Nervenheilkunde, Medizinische Fakultät der Universität Rostock Die Diagnose „Migräne“ betrifft etwa 10 % der Bevölkerung. Die Migräne tritt dabei nahezu regelmäßig auf und führt dazu, dass während des Anfalls keine Aktivitäten mehr ausgeführt werden können. Dazu kommt die Angst vor dem nächsten Anfall, die sich sehr negativ auf die Lebensqualität auswirken kann. Wie kann man angesichts dieser negativen Auswirkungen von „profitieren“ sprechen? Eine ganze Reihe von Untersuchungen hat gezeigt, dass bei Migränepatienten im Vergleich zu Gesunden spezifische Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsparameter optimiert sind. So weisen Migränepatienten eine höhere phasische Aufmerksamkeitszuwendung auf, sie können sich besser konzentrieren. Außerdem sind Migränepatienten besser in der Lage, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu lösen (Multitasking). Diese Vorteile können auch im beruflichen Kontext eingesetzt werden, indem die Arbeit dichter und effektiver gestaltet werden kann – freilich erkauft mit einem durch den Anfall bedingten mehrtägigen Arbeitsausfall. Im Beitrag werden die krankheitsspezifischen Reaktionsmuster vorgestellt, erläutert und bewertet. Migränepatienten werden gesund alt A. Gendolla Universitätsklinikum, Klinik für Neurologie, Essen In aktuellen epidemiologischen Untersuchungen liegt die Prävalenz für Migräne bei 10%, für Spannungskopfschmerz bei 38% und für chronischen Kopfschmerz (Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat) zwischen 2% und 3%. Bedingt durch Migräne entstehen über die direkten Kosten durch ärztliche Behandlung, Therapie und Zusatzdiagnostik hinaus indirekte Kosten durch Arbeitszeitausfall. Aus der Sicht des betroffenen Individuums entsteht durch Migräne häufig ein deutlicher Verlust der Lebensqualität, was sich vor allen Dingen in der numerischen Summation der Tage im Leben widerspiegelt, in denen Patienten migränebedingt nicht ihren alltäglichen Anforderungen gerecht werden können oder sogar bettlägerig sind. Besorgt reagieren viele Patienten auf Therapievorschläge mit prophylaktisch wirksamen Medikamenten oder Akuttherapie, die sie zeitlebens einnehmen. Seitens des internistischen Komorbiditäten sind kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Schlaganfälle, Asthma und Allergien am häufigsten assoziiert mit Migräne. Aus dem psychiatrischen Erkrankungsbereich sind Depressionen und Angststörungen häufig mit Migräne vergesellschaftet. Für einzelne Komorbiditäten z.B. Migräne und ischämischer Schlaganfall oder entsprechende Untergruppen wie z.B. das CadasilSyndrom oder das Melas-Syndrom bestehen gemeinsame pathophysiologische, genetisch bedingte Mechanismen. Angesichts der Tatsache,
dass Migräne mit einer hohen Prävalenz in der Bevölkerung auftritt und den in epidemiologischen Studien eher niedrigen Raten der migräneassoziierten Komorbiditäten beschrieben werden, haben Migränepatienten krankheitsspezifisch kein erhöhtes Morbiditätsrisko. Darüber hinaus führt der aktive Lebensstil der meisten Migränepatienten bei epidemiologisch niedrigem Komorbiditätsrisiko in den meisten Fällen zu einem gesunden Alter. Ausnahmen sind über die niedrigen genetisch bedingten Komorbiditäten hinaus medikamenteninduzierte gesundheitliche Probleme – die jedoch seit der Ära der Triptane im Unterschied zu Ergotaminen mit den bekannten Nebenwirkungen des Ergotismus deutlich zurückgegangen sind. Auch spielen veränderte Therapiestrategien hinsichtlich der Prophylaxe sicher zukünftig eine Rolle, Migränepatienten ein gesundes Altern zu garantieren. Migränepatienten haben ein hohes Risiko für relevante Komorbiditäten S. Förderreuther Neurologische Klinik der LMU München Der Begriff Komorbidität beschreibt die Beobachtung, dass zwei eigenständige Erkrankungen bei einem Individuum häufiger gemeinsam auftreten, als statistisch zu erwarten. Komorbiditäten können Hinweise auf mögliche pathophysiologische Zusammenhänge verschiedener Erkrankungen liefern und so die Voraussetzung für ein verbessertes Verständnis fundamentaler Mechanismen der Migräne liefern und eine bessere, weil übergeordnete Versorgung von Patienten ermöglichen. Bislang vorliegende Studien haben Komorbidiäten zwischen Migräne und psychiatrischen, cardio-vaskulären und neurologischen Erkrankungen gezeigt. Auch diverse andere, insbesondere mit chronischen Schmerzen (Rückenschmerz, musculo-skeletaler Schmerz, Endometriose) einhergehende Erkrankungen sind zu nennen. Pathophysiologisch interessiert vor allem der Zusammenhang zwischen Migräne und den cardio-vaskulären Erkrankungen. Migräne, insbesondere die Migräne mit Aura ist ein eigenständiger Risikofaktor für einen Schlaganfall. Migräne Patienten haben häufiger ein ungünstiges cardio-vaskuläres Risikoprofil und haben häufiger kongenitale Herzerkrankungen, wie ein offenes Foramen ovale (PFO), Vorhof-Septum Aneurysmen oder einen Mitralklappenprolaps. Migräne Patienten zeigen in der Bildgebung auch häufiger periventrikulär und im Marklager gelegene white matter lesions (WMLs), sowie klinisch stumm verlaufende ischämische Infarkte im Bereich der hinteren Gefäßstrombahn. Nahezu all diese Beobachtungen sind bei der Migräne mit Aura besonders deutlich. Obwohl diese Korrelationen zu Spekulationen verleiten, es könne einen kausalen Zusammenhang zwischen Migräne und Herzerkrankungen mit einem Recht-Links-Shunt geben, gibt es hierfür bislang keine wissenschaftliche Evidenz. Eine neuere Arbeit hat gezeigt, dass die Zahl von WMLs bei einem Rechts-Links-Shunt bei Patienten mit einer Migräne mit Aura im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv nicht erhöht ist. Die einzige prospektive kontrollierte Studie zum PFO-Verschluss als kausalem Therapieansatz bei Migräne verlief negativ. Der Verschluss eines PFO ist keine kausal begründbare Therapie der Migräne. Wichtiger ist es Migräne Patienten auf ihr erhöhtes vaskuläres Risikoprofil hinzuweisen und ggf. zu behandeln. Dies gilt in besonderem Maß für Frauen mit einer Migräne mit Aura, hoher Attackenfrequenz und zusätzlichen weiteren Risikofaktoren wie die Einnahme von Kontrazeptiva oder Rauchen. Migräne und Epilepsie weisen eine Komorbidität auf, die pathophysiologisch wahrscheinlich auf einer beiden Krankheiten gemeinsamen neuronalen Hyperexzitabilität beruht und sich letztlich in vielen gemeinsamen Therapiekonzepten widerspiegelt. Je nach Studie liegt die Prävalenz einer Migräne in Kollektiven von Patienten mit Epilepsie bei ca. 8-23%. Umgekehrt werden die Prävalenzen für eine Epilepsie bei Patienten mit Migräne in einer Größenordnung von 1-17% im Median mit 5,9% angegeben. Möglicherweise ist die Assoziation auch hier für die Migräne mit Aura besonders deutlich. Die Komorbidität zu kennen und zu berücksichtigen ist sowohl unter diagnostischen wie therapeutischen Gesichtspunkten wichtig. Es kann schwierig sein, bestimmte Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Formen der hemiplegischen Migräne von einem epileptischen Anfall zu differenzieren. Selten kann eine Migräne epileptische Anfälle triggern („Migralepsie“) oder es kommt zu iktalen Migränekopfschmerzen (Hemicrania epileptica). Postiktale Kopfschmerzen können bei bis zu 50% der Patienten auftreten. Sie entsprechen häufig einem Migräne Kopfschmerz und erfordern in aller Regel eine differenzierte Schmerztherapie. Im klinischen Alltag einer Kopfschmerzambulanz kommt die Komorbidität von Migräne und psychiatrischen Erkrankungen (Depression, Angststörungen, Bipolare Störungen) sicherlich am häufigsten zum Tragen. Die Komorbiditäten sind bidirektional und wurden in verschiedenen Untersuchungen belegt. In einer populationsbezogenen Studie an mehr als 50000 Erwachsenen hatten Migräne Patienten wahrscheinlicher eine Depression (OR 2,7) oder Angststörung (OR 3,2) als Kontrollpersonen ohne Kopfschmerz. Es zeigte sich zudem die Tendenz, dass die Wahrscheinlichkeit psychiatrisch zu erkranken mit der Migräneattackenfrequenz korrelierte. In einer longitudinalen zwei Jahres Studie wurde gezeigt, dass eine Depression mit einem relativen Risiko neu an einer Migräne zu erkranken von 3,4 einhergeht. Umgekehrt war das relative Risiko neu an einer Depression zu erkranken bei Migräne Patienten auf 5,8 erhöht. Chronischer Schmerz wirkt sich stets negativ auf die Behandlung einer Depression aus und Depressionen gehen häufiger mit einer höheren Beeinträchtigung durch den Schmerz einher. Es ist daher wichtig entsprechende Komorbiditäten rechtzeitig zu erkennen, Patienten entsprechend aufzuklären und früh gezielt zu behandeln. Wahrscheinlich kann nur so einer Therapieresistenz und Schmerzchronifizierung vorgebeugt werden, denn die Informationen „Schmerz“ und „Depression“ werden über weite Strecken auf denselben Bahnsystemen mit denselben Transmittern übertragen.
Studien in der Migräne-/Spannungskopfschmerzprophylaxe waren negativ (u.a. Straunsheim et al. 2000; Ernst 1999), so dass eine Wirksamkeit bisher nicht nachgewiesen werden konnte. In den aktuellen Leitlinien und nach Evidenz-basierten Kriterien wird die Homöopathie als nicht wirksam angesehen, auch wenn eine Vielzahl von Patienten und Ärzten Erfolge berichten und ein sehr geringes Nebenwirkungsspektrum besteht. Für Pestwurz (Petasides hybrides, Substanz Petadolex) zeigte sich in Plazebo-kontrollierten Studien ein positiver Effekt in der Reduktion der Migräneattacken (Diener et al., 2004; Lipton et al., 2004). Die Dosierung 2 x 75 mg/d scheint gegenüber 100 mg/d wirksamer zu sein (Agosti et al., 2006). Für Pestwurz besteht damit ein Evidenzgrad B. Mutterkraut (Tanacetum parthenium) in der Dosierung 3 x 6,25 mg weist eine Reduktion der Anzahl der Migräneattacken auf (Pfaffenrath et al., 2002 diese Studie negativ). Eine Cochrane Analyse ermittelte widersprüchliche Effekte in der Migräneprophylaxe für Mutterkraut (Pittler und Ernst, 2004), es konnte jedoch die Wirksamkeit in wenigstens 2 Studien nachgewiesen werden. Leider wurde die Wirkung der übrigen Phytotherapeutika niemals in doppel-blind, Plazebo-kontrollierten, randomisierten Studien getestet. Unter den nicht pflanzlichen Substanzen konnten Coenzym Q 10 3 x 10 mg (Rozen et al., 2002¸ Sandor et al, 2003) und Riboflavin (Schoenen et al., 1998, Boehnke et al., 2004) bei circa der Hälfte der in Placebo-kontrollierten randomisierten Studien behandelten Patienten eine Migränefrequenzreduktion von mind. 50% erreichen. Für Magnesium in der Dosierung 2 x 300 mg/d konnte eine Migräne-prophylaktische Wirkung nachgewiesen werden (Peikert et al., 1996), weitere Studien konnten diese Wirkung jedoch nicht bestätigen, so dass Magnesium nur als Mittel der dritten Wahl angesehen wird.
Evidenzbasierte nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie
Verhaltenstherapie P. Kropp Institut für Medizinische Psychologie, Medizinische Fakultät der Universität Rostock
Von Akupunktur bis Homöopathie M. Marziniak Klinik und Poliklinik für Neurologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Nichtmedikamentöse Therapieverfahren in der Kopfschmerztherapie wie Akupunktur, Homöopathie und Phytotherapie stellen wichtige Behandlungsoptionen dar. Der Vortrag wird einen Überblick über die Studienlage dieser Behandlungsverfahren in der Kopfschmerztherapie unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien geben. Die German Acupuncture Trials (GERAC-Studie) überprüften die Wirksamkeit von Nadel-Körperakupunktur bei Patienten mit Migräne oder chronischen Spannungskopfschmerzen im Vergleich zu Scheinakupunktur und medikamentöser Prophylaxe. Bei den Migränepatienten bewirkten 10 bis 15 Akupunktursitzungen eine mittlere Reduktion der Migränetage von 28% (Scheinbehandlung), gegenüber 38% bei der Verum-Akupunktur und 33% der medikamentösen Prophylaxe. Die Unterschiede zwischen Verum- und Scheinakupunktur waren sehr klein und nicht signifikant, so dass die Autoren aufgrund seltener schwerwiegender unerwünschter Ereignisse und weniger Kontraindikationen die Nadel-Körperakupunktur als Ergänzung zur klassischen, leitlinienorientierten Schmerztherapie ansahen (Endres et al., 2007). Weitere Studien bestätigten diese Beobachtung. Eine Metaanalyse über den Effekt der Akupunktur bei Spannungskopfschmerzen ergab keine Überlegenheit in der Verumgruppe gegenüber den Scheinbehandelten (Davis et al., 2008). Zusammenfassend scheint sich mit der KörperAkupunktur eine Reduktion der Anzahl der Kopfschmerztage bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen erreichen zu lassen, allerdings ergibt sich kein bisher nachgewiesener Vorteil gegenüber der Scheinakupunktur. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten sind eine fehlende Standardisierung der Akupunkturpunkte und der Zahl der Behandlungen sowie eine hohe Plazeborate problematisch. Verschiedene homöopathische, randomisierte, plazebokontrollierte
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Eine ganze Anzahl evidenzbasierter verhaltenstherapeutischer Verfahren kann zur Behandlung von Kopfschmerzen eingesetzt werden. Vorteile dieser Behandlungsansätze sind ihre relativ einfache und universelle Anwendbarkeit, die geringe Nebenwirkung und die Möglichkeit zur Kombination mit medikamentösen Verfahren. So entsprechen bei der Prophylaxe der Migräne bereits unspezifische Entspannungsverfahren in ihrem Evidenzgrad der Wirkung von Beta-Blockern; ebenso sind Biofeedbackbehandlungen und die kognitive Verhaltenstherapie in diesem Rahmen hoch effektiv und wirksam. Im Vortrag werden die Verfahren kurz vorgestellt, es wird über aktuelle Studien und Meta-Analysen berichtet, die eine objektive Bewertung verhaltenstherapeutischer Verfahren ermöglichen. Interessant ist dabei die Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Verfahren, die eine nachhaltige Besserung der Kopfschmerzsymptomatik bewirken können. Auf sie und die nötigen therapeutischen Schritte wird hier besonders eingegangen. Sport und Physiotherapie C. Gaul1, V. Busch2 1 Neurologische Klinik und Poliklinik, Martin-Luther-Universität HalleWittenberg; 2 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Regensburg Ausdauersport und Physiotherapie werden Patienten mit Kopfschmerzen häufig empfohlen bzw. verordnet. Die Datenlage, auf der dies erfolgt ist schwach. Für Ausdauersport fehlen große randomisierte Studien, die die Wirksamkeit belegen. Die Datenlage zur Wirksamkeit von Physiotherapie ist vergleichbar schlecht, hier kommt noch hinzu, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren Anwendung findet. Darüber hinaus ist die Behandlungshäufigkeit und -intensität völlig unklar. Offen ist, wie Ausdauersport und Physiotherapie bei unterschiedlichen Kopfschmerzentitäten wirken. Diskutiert werden direkte Effekte
auf schmerzverarbeitende Strukturen (z.B trigeminale Transmission), jedoch auch endophinerge, endotheliale und immunmodulatorische Mechanismen. Psychologische Effekte, die zu einem allgemeinen Stressabbau, einer Entspannungsinduktion oder einer Erhöhung der Selbstwirksamkeit bzw. Aktivität zur Schmerzbewältigung beitragen, werden ebenfalls postuliert. Dem gegenüberstehen Kopfschmerzpatienten, die eine Attackenauslösung z.B. bei Anwendung von Massagetechniken berichten, sowie Anstrengungskopfschmerzen bei sportlicher Betätigung. Die Nachfrage nach nichtmedikamentösen Verfahren, Ausdauersport und Physiotherapie unter den Patienten mit Migräne und anderen Kopfschmerzen ist groß. Notwendig sind Studien, bei denen die Diagnose nach den ICHD-II Kriterien gestellt werden. Nötig ist die Definition und Erfassung klinisch relevanter Endpunkte (Kopfschmerzhäufigkeit, -Intensität, Verbrauch an Attackenmedikation) mit ausreichender Nachbeobachtungszeit. Möglicherweise ist aerober Ausdauersport am günstigsten, hier wäre ist eine praxistaugliche Therapiesteuerung durch physiologische Parameter sinnvoll. Geklärt werden muss weiterhin, ob Sport und Physiotherapie nur als Baustein eines multimodalen Therapieprogrammes wirken oder auch isoliert günstige Effekte entfalten. Die systematische Untersuchung der Wirksamkeit der Verfahren ist jedoch notwendig, um auch gegenüber den Kostenträgern Verordnungen zu begründen und auch um die Patienten zum Beispiel zum Sport motivieren zu können. 1. Astin JA, Ernst E. The effectiveness of spinal manipulation for the treatment of headache disordes: a systematic review of randomized clinical trials. Cephalagia 2002 Oct;22(8):617-2 2. Biondi DM. Pysical treatment for headache: a structured review. Headache 2005;45:738-746 3. Busch V, Gaul C. Sport bei Migräne: Übersicht und Diskussion sowie Implikationen für zukünftige Studien. Der Schmerz 2008;22:137-147 4. Busch V, Gaul C. Exercise in Migraine Therapy-Is There Any Evidence for Efficacy? A Critical Review. Headache 2008;48: 890–899 5. Bronfort G, Nilsson N, Haas M, Evans R, Goldsmith CH, Assendelft WJJ, Bouter LM. Non-invasive physical treatment for chronic/recurrent headache. The Cochrane Library 2006,4:1-17 6. Fernández-de-las-Peñas C. Physical therapy and exercise in headache Cephalalgia, 2008, 28 (Suppl. 1), 36–38 7. International Headache Society. Classification and diagnostic criteria for headache disorders, cranial neuralgias and facial pain. Cephalalgia 2004;24(suppl.1):1-160
Die Leitlinien der DMKG: Update Migräne H. C. Diener für die Autoren der Leitlinie Universitätsklinik für Neurologie und Westdeutsches Kopfschmerzzentrum Migräneattacke: Die Kombination eines Triptans mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum ist besser als die Wirkung der Einzelsubstanzen. Zolmitriptan Nasenspray (5 mg) und Schmelztablette (2,5 mg) sowie Rizatriptan 5 und 10 mg sind zur Behandlung von Migräneattacken im Kindes- und Jugendalter wirksam. Die intravenöse Gabe von Paracetamol ist bei akuten Migräneattacken nicht wirksam. Migräneprophylaxe: Die Wirksamkeit von Topiramat wurde durch eine Reihe von Studien in Dosierungen zwischen 25 und einer Zieldosis von 100 mg täglich bestätigt. Topiramat ist auch zur Behandlung der chronischen Migräne mit und ohne medikamenten-induzierten Kopfschmerz geeignet. Coenzym Q10 zeigt möglicherweise eine migräneprophylaktische Wirksamkeit. Botulinumtoxin A ist zur Migräneprophylaxe der episodischen Migräne nicht wirksam (⇓⇓). Es fehlen große randomisierte Studien zur Wirksamkeit der Behandlung der chronischen Migräne. Akupunktur und Scheinakupunktur unterscheiden sich in ihrer migräneprophylaktischen Wirkung nicht voneinander
und sind vergleichbar mit der Wirksamkeit der medikamentösen Standardtherapie. Der interventionelle Verschluss eines persistierenden Foramen ovale (PFO) sollte zum jetzigen Zeitpunkt zur Migräneprophylaxe nicht eingesetzt werden. Selten idiopathische Kopfschmerzen S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Die Kopfschmerzklassifikation der International Headache Society unterscheidet in ihrem Kapitel 4 verschiedene idiopathische Kopfschmerzerkrankungen, die als selten gelten, aber als eigenständige Entität aufgefasst werden müssen. Zu diesen gehören der primäre stechende Kopfschmerz, der primäre Hustenkopfschmerz, der primäre Kopfschmerz bei körperlicher Anstrengung, der primäre Kopfschmerz bei sexueller Aktivität, der primäre schlafgebundene Kopfschmerz, der primäre Donnerschlagkopfschmerz, die Hemicrania continua und der Neu aufgetretene tägliche Kopfschmerz. Es handelt sich um harmlose Erkrankungen mit einer guten Prognose, die aber die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken können. Außerdem muss bei den meisten dieser Entitäten eine symptomatische Form durch geeignete diagnostische Maßnahmen ausgeschlossen werden. Aufgrund einer Analyse der publizierten Fallberichte und einem Expertenkonsens sind von der DMKG für diese Kopfschmerzerkrankungen Therapieempfehlungen herausgegeben worden, auch wenn große randomisierte, kontrollierte Studien nicht vorliegen. Die meisten dieser Erkrankungen sprechen neben einer spezifischen Therapie unter anderem auf Indometacin und auf die Gabe des Betablockers Propranolol an. Chronischer täglicher Kopfschmerz A. Straube Neurologie, Universität München Unter chronischen täglichen Kopfschmerzen kann man in Anlehnung an die IHS-Kriterien jeden Kopfschmerz verstehen, der an >15 Tagen im Monat für mehr als 3 Monate besteht. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien können vier primäre Kopfschmerzerkrankungen abgegrenzt werden: 1) chronische Migräne, 2) Kopfschmerz vom Spannungstyp, 3) Hemicrania continua, 4) neu aufgetretener Kopfschmerz. Abzugrenzen ist dabei der als ein sekundärer Kopfschmerz klassifizierte Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch (früher: Analgetikakopfschmerz), der aber eine Komplikation einer primären Kopfschmerzerkrankung darstellt sowie sekundäre Dauerkopfschmerzen wie z.B. das Schlaf-Apnoe-Syndrom, der Pseudotumor zerebri usw. Zu der häufigsten primären Form gehört die chronische Migräne, bei der in etwa 80% ein Medikamentenübergebrauch beobachtet werden kann. Noch unklar und Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen ist, an wie vielen Tagen des Monats der Kopfschmerz Migränecharakter haben muss und an wie vielen Tagen der Kopfschmerz eher einem Spannungskopfschmerz ähneln darf, um trotzdem noch für die Definition „chronische Migräne“ zu qualifizieren. Inwieweit ein Medikamentenübergebrauch alleinig für die Chronifizierung einer primär episodischen Migräne verantwortlich ist und ob es sich bei der chronischen Migräne primär um eine Untergruppe der Migräneerkrankungen handelt, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Letztlich hat aber die Einführung des Konzeptes einer chronischen Migräne auch zu ganz neuen Therapieansätzen bei chronischen Kopfschmerzen geführt und so zu einer Verbesserung der Therapiemöglichkeiten. Neuralgien S. Förderreuther Neurologische Klinik der LMU München Kontrollierte Studien für eine evidenzbasierte Therapie liegen nur für die Trigeminusneuralgie (TN) vor. Die Glossopharyngeus Neuralgie (Schmerzprojektion in den Rachen, die Tonsillenloge, den Kieferwinkel oder das Ohr) und die N. intermedius Neuralgie (Schmerzprojektion Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts in die Tiefe des Ohrs) sind Raritäten und werden im Analogieschluss behandelt. Nur die Therapie umschriebener gut zugänglicher Nerven im Gesichtsbereich (z.B. N.supraorbitalis Neuralgie) unterscheidet sich durch die Möglichkeit lokalanästhetische Blockaden anzuwenden. Die Diagnose einer TN beruht zunächst auf der dafür typischen Schmerzanalyse: spontane oder reiz-getriggert auftretende, heftige, Sekunden bis maximal 2 Minuten anhaltende, messerstichartig oder elektrisierend einschießender Schmerzparoxysmen im Dermatom eines Nerven. Dagegen müssen dumpfe, brennende oder ziehende, leichte bis mittelstarke anhaltende Schmerzen stets an andere Ursachen denken lassen. Sie erfordern andere diagnostische und therapeutische Maßnahmen. Zweiter diagnostischer Schritt ist die Unterscheidung zwischen einer klassischen (alte Nomenklatur: idiopathisch), in der Regel durch einen pathologischen Gefäß- Nerven-Kontakt ausgelösten und einer symptomatischen TN bedingt durch einen Tumor, eine Entmarkung oder eine andere umschriebene Nervenschädigung. Bei der klassischen TN bedingen Gefäßpulsationen eine segmentale Demyelinisierung der Nervenwurzel mit der Folge von ephaptischer Übertragungen elektrischer Entladungen nicht nozizeptiver Afferenzen auf nozizeptive Afferenzen. Klinisch weisen Auffälligkeiten im neurologischen Befund, anhaltende Schmerzen auch zwischen den Paroxysmen und ein atypischer Befall (z.B. V1 bei einer Trigeminusneuralgie) auf eine symptomatische Genese hin. Bildgebende Diagnostik mit MRT ist zum primären Differenzierung zwischen einer klassischen und einer symptomatischen TN in der Regel unverzichtbar. Ergeben sich aus der Bildgebung keine unmittelbaren operativen Konsequenzen, so wird primär eine medikamentöse Prophylaxe eingeleitet. Die Geschwindigkeit mit der die Substanzen eindosiert werden, richtet sich nach der individuellen Schmerzsituation des Patienten und ist in der Regel ein Kompromiss aus dem erforderlichen Wirkeintritt und den Nebenwirkungen. Mittel der ersten Wahl bleiben Carbamazepin und Oxcarbazepin. Die Wirksamkeit von Phenytoin ist in erster Linie empirisch gesichert. Gabapentin und Pregabalin werden inzwischen viel in der Therapie der TN eingesetzt. Ihre Wirksamkeit wurde allerdings bislang nicht in kontrollierten Vergleichsstudien untersucht. Ihre Ansprechraten liegen wahrscheinlich unter denen der Substanzen erster Wahl. Dasselbe gilt für andere Antikonvulsiva, die als Mittel der 2. Wahl eingesetzt werden können (Valproinsäure, Lamotrigin, Topiramat). Bei Bedarf eignet sich Baclofen als add-on zu Carbamazepin oder Oxcarbazepin. Bei der TN im Rahmen einer MS kann Misoprostol versucht werden. Operative Maßnahmen sollten rechtzeitig bei Nachlassen der medikamentösen Prophylaxe und / oder nicht tolerablen Nebenwirkungen in Betracht gezogen werden. Welche Methode zur Anwendung kommt, richtet sich vor allem nach der Ursache für die Neuralgie und dem allgemeinen OP Risiko des Patienten. Gesichert wirksam sind die Mikrovaskuläre Dekompression (MVD, Jannetta OP), destruktive Verfahren am Ganglion Gasseri (Thermokoagulation, Ballonkompression oder Glyzerinrhizolyse) und die Radiochirurgische Behandlung mit Gamma-Knife (erste positive Daten auch zum Cyberknife) oder Linearbeschleuniger. Die MVD ist das einzige nicht destruktive Verfahren, das als kausaler Therapieansatz gelten kann. Destruktive Verfahren am Ganglion Gasseri kommen in erster Linie für Patienten mit symptomatischen Neuralgien oder hohem Operationsrisiko in Betracht. Die Radiochirurgie hat zwar das geringste Nebenwirkungsrisiko, ist in ihren primären Ansprechraten den anderen Verfahren jedoch unterlegen und zeigt auch schlechtere Langzeitdaten. Bei Versagen eines operativen Verfahrens kann eine Wiederholung desselben erfolgen oder auf eine andere Methode gewechselt werden. Posttraumatischer Kopfschmerz I. W. Husstedt Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Nach der internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen in der Fassung von 2003 wird ein akuter und chronischer posttraumatischer Kopfschmerz jeweils bei mittlerer oder schwerer Kopfverletzung sowie bei leichter Kopfverletzung unterschieden. Für die USA wird von einer jährlichen Rate posttraumatischer Kopfschmerzen von 420
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auf 100.000 Einwohner ausgegangen und von ca. 290.000 stationären Fällen pro Jahr. Die leichte Form unterscheidet sich von der besonders schweren Form durch die Länge des Bewusstseinsverlusts, der Schwere der Bewusstseinsstörung – gemessen an der Glasgow-Coma-Scale – der posttraumatischen Amnesie sowie dem Nachweis einer traumatischen Hirnläsion. Die akute Form ist definiert als sistierend innerhalb von 3 Monaten, die chronische Form als persistierend über 3 Monate. Führende Ursachen des traumatischen Kopfschmerzes stellen Stürze, Verkehrsunfälle und Überfälle dar. Je nach Schwere wird nach der Definition der IHS eine traumatische Hirnläsion in der zerebralen Bildgebung gefordert sowie Symptome und Zeichen einer Hirnerschütterung. Die leichteren Formen können einen Symptomkomplex mit Veränderungen der Kognition, des Verhaltens und des Bewusstseins zur Folge haben und mit oder ohne Auffälligkeiten in den neurologischen Untersuchungen einhergehen. Die chronischen Formen stellen häufig Teil eines posttraumatischen Syndroms dar, wozu Symptome wie Gleichgewichtsstörungen, Konzentrationsstörungen, eingeschränkte Arbeitsfähigkeit, Gereiztheit, depressive Verstimmung und Schlafstörungen gehören. Gerade der Zusammenhang zwischen Rechtsstreitigkeiten und anderen noch ausstehenden Regelungen von Kompensationsansprüchen ist nicht eindeutig geklärt, es wird jedoch gefordert, den Patienten im Hinblick auf eine mögliche Simulation oder dem Wunsch nach einer erhöhten Kompensation zu beurteilen. Der posttraumatische Kopfschmerz weist semiologisch viele Symptome des Kopfschmerzes vom Spannungstyp auf. Er ist durch einen bilateralen, milden bis mäßigen Schmerz gekennzeichnet, der bereits durch geringe physische oder psychische Aktivitäten verstärkt werden kann. Die Häufigkeit der frontalen und okzipitalen Beschwerden ist fast identisch und nur bei ca. 10 % bestehen die Beschwerden frontal und okzipital. Die Abgrenzung zu bereits vor dem Trauma vorhanden, nun häufiger auftretenden idiopathischen Kopfschmerzen kann schwierig sein. Insbesondere beim chronisch-posttraumatischen Kopfschmerz stehen Symptome wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Reizbarkeit, Schwindel, Schlafstörungen und depressive Verstimmung weit im Vordergrund. In welchem Ausmaß die Erwartung mit ausschlaggebend ist, nach einem entsprechenden Unfall Kopfschmerzen zu bekommen, ist nicht sicher geklärt. Frauen weisen im Vergleich zu Männern ein erhöhtes Risiko auf, einen posttraumatischen Kopfschmerz zu entwickeln. Die Kopfschmerzdauer korreliert nicht mit der Länge der Bewusstlosigkeit und z. B. den Veränderungen im EEG. Die konsequente medikamentöse und physikalische Therapie sowie Biofeedback scheinen langfristig therapeutisch am erfolgreichsten zu sein. Die meisten Publikationen untersuchen die Effektivität von Amitriptylin, dass in einzelnen Studien in einer Dosierung von 75 bis 250 mg in 90 % der Fälle effektiv sein soll. Auch die anderen gängigen Antidepressiva können effektiv sein, sind jedoch nur in geringem Umfang untersucht. Zwei Jahre nach dem Ereignis haben noch bis zu 24 % kontinuierlich Kopfschmerzen und ca. 25 % sind noch nicht an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Bezüglich des posttraumatischen Kopfschmerzes sind bislang noch viele Fragen offen und es ist eine wesentlich intensivere Grundlagenforschung zum Verständnis und Verbesserung der Therapiemaßnahmen und Langzeitprognose notwendig.
Kopfschmerzen zurückzuführen auf eine Substanz oder deren Entzug Mögliche Entstehungsmechanismen A. Gorsler, H. Kaube Interdisziplinäres Schmerzzentrum und Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Freiburg Bereits seit den 50er Jahren ist bekannt, dass die regelmäßige Einnahme von Ergotaminen Kopfschmerzen verursachen kann. Der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch (MOH) kann allerdings durch alle üblichen zur Therapie des Kopfschmerzes eingesetzten Medikamente ausgelöst werden, wobei die Zeit bis zur Entstehung eines MOH bei den unterschiedlichen Stoffgruppen wahrscheinlich unter-
schiedlich ist. Die Entstehung des MOH ist bisher noch unklar. Seit der Markteinführung der Triptane erscheinen die bisher vermuteten Zusammenhänge zwischen Medikamenteneinnahme und dadurch ausgelösten Kopfschmerz noch unklarer. Die „natürliche“ Chronifizierungsrate von Migränikern liegt bei 3% pro Jahr, aber weniger als die Hälfte der Patienten, die eine chronische Migräne bekommen, hat zuvor einen Schmerzmittelübergebrauch betrieben. Die kritische Schwelle scheint bei einer Einnahme von Schmerzmitteln an mehr als 10 Tagen pro Monat zu liegen. Neben einer genetischen Prädisposition werden auch durch den Arzneimittelübergebrauch induzierte Veränderungen des zentralen Nervensystems vermutet. Auch wenn die Zusammenhänge komplizierter sind, kann mit dem entsprechenden Management unter Hinzuziehung eines Kopfschmerzkalenders, der klinischen Beobachtung und der rechtzeitigen prophylaktischen Therapie die Entwicklung eines Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerzes verhindert werden. Epidemiologie A. Straube Neurologie, Universität München Die IHS definiert unter der Gruppe 8 verschiedene Formen von Kopfschmerzen, die durch die akute oder chronische Einnahme bzw. deren Entzug bedingt sind. Meist wird aber dabei nur an den sogenannten Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch (MOH) gedacht (früher Analgetikakopfschmerz). In den vorliegenden epidemiologischen Zahlen aus verschiedenen Ländern wird die Prävalenz mit 1-2% der Bevölkerung angegeben, in Deutschland liegen die Zahlen bei etwa 1%, am häufigsten ist der MOH bei Frauen >40 Jahre. Unklar ist, ob die Häufigkeit des MOHs in den letzten Jahren zugenommen hat. Risikofaktoren für die Entwicklung eines MOHs sind die primäre Frequenz der Migräneattacken, aber auch familiäre Faktoren wie Suchterkrankungen und möglicherweise auch ein erhöhter Body-Mass-Index. Diese epidemiologischen Ergebnisse werden auch von noch vereinzelten Befunden aus Bildgebungsuntersuchungen unterstützt, die eine Funktionsstörung im orbito-frontalen Kortex vermuten lassen. Neben dem MOH darf aber auch nicht der Kopfschmerz, der direkt durch die Einnahme von Medikamenten oder Drogen ausgelöst wird, vergessen werden. Typische Medikamente, die Kopfschmerzen auslösen können, sind die vasoaktiven Substanzen Phosphodiesterasehemmer, Nitropräparate, Reserpin und auch kurzwirksame Ca-Antagonisten, seltener dürften Kopfschmerzen nach Blutdrucksteigernden Medikamenten und Drogen sein. Neben der Einnahme kann aber auch der Entzug von Substanzen zu Kopfschmerzen führen, dieses gilt insbesondere für Koffein aber auch für vasokonstriktorische Medikamente. Übersicht über klinische Studien zum Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch G. Haag Michael Balint Klinik, Königsfeld im Schwarzwald Der medication overuse headache (MOH) stellt zweifellos eine der zentralen Fragen der Kopfschmerztherapie dar. Dementsprechend sind alle hierzu gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse für die betroffenen Patienten und behandelnden Ärzte von größter Bedeutung. Deshalb müssen alle Beteiligten ein besonderes Interesse daran haben, dass diese Erkenntnisse wissenschaftlichen „state of the art“ Qualitätskriterien genügen. In den vergangenen vierzig Jahren hat eine Vielzahl von Untersuchungen erst zum Erkennen und dann zum besseren Verständnis des MOH beigetragen. Diese Erkenntnisse wurden überwiegend in spezialisierten Kopfschmerzzentren gewonnen, in denen sich Patienten mit chronischen Kopfschmerzformen kumulieren – darunter eben gerade auch Patienten mit MOH. Ausgehend von dem „paradoxen Effekt“ des Auslösens von Kopfschmerzen durch das Migränetherapeutikum Ergotamin war für viele Jahre eine der meistuntersuchten Fragen die
nach dem Risiko für die MOH-Entwicklung durch die verschiedenen in der Kopfschmerztherapie verwandten Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen: Sind mit diesen unterschiedlichen Substanzen auch unterschiedliche Risiken für eine MOH-Induktion und sich daraus ergebende Komplikationen bis hin zu unterschiedlichen Therapien und Therapieerfolgen verbunden? Beispielhaft wird die Frage untersucht, ob und wenn ja, welche Belege es für eine Differenzierung der Kopfschmerz- und Migränemedikamente im Bezug zum Auftreten eines MOH besteht. Hierzu liegen mehrere Dutzend Publikationen von Studien vor, bei denen es sich in den meisten Fällen um Fallserien aus Kopfschmerzzentren handelt. Hierbei wurden entweder retrospektiv die Krankenakten oder prospektiv eine kleinere oder auch größere Anzahl von Patienten analysiert, die den Diagnosen MOH oder pMOH (probable MOH) gemäß IHCD-I/II entsprechen bzw. nahe kommen. Meistens finden sich Angaben über die zum Zeitpunkt der Diagnosestellung „overused“ Medikation. Charakteristisch, wie die Unterschiede in der analysierten Fallzahl, die in der Größenordnung zwischen 10 und 1000 schwanken, sind große Unterschiede in der prozentualen Verwendungshäufigkeit der „overused“ Medikation. So ergeben sich beispielsweise aus den analysierten Studien für Triptrane Werte zwischen 2 und 40%, für Ergotamin und Ergotaminderivate 2-12%, für die so genannten „einfachen Analgetika“ (simple analgesics) 9 bis 39% und für die Kombinationsanalgetika 30 bis 85%. Für die Kombinationsanalgetika ist anzumerken, dass hierunter Kombinationen mit den unterschiedlichsten Wirkstoffen (z.B. Barbiturate, Kodein) zusammengefasst sind und detaillierte Angaben zu den einzelnen Kombinationspräparaten in den meisten Artikeln fehlen. Bestimmte Kombinationen, wie z.B. aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein werden manchmal zu den Kombinationsanalgetika, in andern Fällen zu den einfachen Analgetika gezählt. In einigen Publikationen werden die Daten zur „overused medication“ lediglich berichtet, in anderen ausführlich diskutiert und interpretiert. Am Beispiel der unterschiedlichen Werte für die Triptane und ihrer relativ zu den anderen Medikamenten noch nicht all zu lang zurückliegenden Einführung in die Migränetherapie und ihres vergleichsweise hohen Preises, finden sich in einigen Publikationen entsprechende Hinweise, dass zumindest indirekt eine mögliche durch die Patientenauswahl bedingte Verzerrung – einen Selektionsbias vorliegen könnte. Ausdrücklich werden die bei allen Fallserien inhärenten Verzerrungen, die größeren Teils unter einem „Selektionsbias“ zu subsumieren sind, zur Erklärung der Unterschiede in der Häufigkeit der „overused medication“ weder erwähnt noch diskutiert. Da diese systematischen Verzerrungen in ihrem Ausmaß nicht zu quantifizieren sind, sind sie auch methodisch nicht beherrschbar. Fallserien sind somit methodenimmanent ungeeignet, quantitative Fragen nach unterschiedlichen Risiken für eine MOH-Induktion zu beantworten. Es bleibt als wissenschaftliche Erkenntnis lediglich die qualitativen Daten „MOH im Zusammenhang mit Medikament X beobachtet (ja/nein)“. Die systematische Verzerrung lässt sich an einem hypothetischen Beispiel gut verdeutlichen: Angenommen sei eine Stadt mit 111.000 Einwohnern, von denen 10% ihre Kopfschmerzen medikamentös behandeln, also genau 11.100. Von diesen nehmen aus den verschiedensten Gründen (z.B. Empfehlung, Verschreibung, Werbung usw.) 10.000 das Präparat A, 1000 Präparat B und 100 Präparat C ein. Angenommen sei, dass die MOH-Auftretenshäufigkeit völlig unabhängig vom Wirkstoff des eingenommen Medikamentes sei und deshalb bei allen identisch bei 1% liege. Zur Vereinfachung sei angenommen, dass alle 111 Patienten (= 1% der 11.100 medikamentös behandelten Kopfschmerzpatienten) in nur einer Klinik behandelt werden. Dort hätte eine entsprechende Fallserie folgendes Ergebnis: MOH im Zusammenhang mit Präparat A 100 Fälle, mit Präparat B 10 Fälle mit Präparat C 1 Fall, d.h. für Präparat A ergibt sich eine Prävalenz-Rate von 90,9%, Präparat B eine von 9% und Präparat C eine von 0,1%. Die wahre MOH-Prävalenz-Rate beträgt nach der Vorgabe unabhängig vom Präparatetyp1%. Die korrekte Interpretation der Untersuchung wäre: MOH wurde bei Einnahme von jedem der drei Präparate beobachtet. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Anmerkung: Probleme mit überlappenden Konfidenzintervallen aufgrund geringer Fallzahlen und weitere methodische Fragen seien bei diesem hypothetischen Beispiel ausgeklammert Wenn Daten aus klinischen Fallserien verkürzt und ohne Hinweis auf die Limitierung durch selection bias, sampling variation und weitere mögliche systematische Verzerrungen Eingang in Übersichtsarbeiten und Lehrbücher finden, birgt dies die erhebliche Gefahr von Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Nachdem heute akzeptiert ist, dass, bei zu häufiger Anwendung, alle zur Akuttherapie von primären Kopfschmerzerkrankungen zur Verfügung stehenden Medikamente das Risiko einer MOH-Induktion beinhalten, wurden in einem ersten Schritt beispielsweise in der epidemiologischen Querschnittsstudie von Colas et al. 2004 Prävalenz-Raten zumindest für Medikamentengruppen (z.B. Triptane) erhoben. Da in dieser Population von ca. 10.000 Personen 74 MOH-Patienten identifiziert werden konnten, wird deutlich, welche Populationsgröße in einer Prävalenzstudie untersucht werden müsste, um tatsächlich einzelne Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen hinsichtlich ihrer MOH Prävalenz-Rate mit einem ausreichenden Konfidenzintervall zu untersuchen. Allerdings lässt sich streng genommen mit Beobachtungsstudien ein Kausalzusammenhang nicht beweisen. Die Daten blieben „suggestive“, denn „ultimately, the extent of which… medication overuse… contributes to the onset or maintenance of chronic daily headache in practice remains uncertain until evidence is obtained from a placebo-controlled clinical trial”, wie Ann Scher et al. 2005 in der Diskussion zu einem Leserbrief in Neurology (65:180) feststellten. Es bleibt aber festzuhalten: aussagekräftige Studien sind durchführbar! Und wenn die Frage nach einem unterschiedlichen MOH-Risiko verschiedener Schmerz- und Migränepräparate tatsächlich von entsprechendem Interesse ist, muss gelten: Das Richtige tun… und das Richtige richtig tun. Denn „KEINE Wissenschaft ist besser als schlechte Wissenschaft (M.Müllner)!
Leitlinien gegen den Schmerz Interdisziplinäre S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom: Medikamentöse Therapie, Psychotherapie und komplementäre/alternative Therapien Medikamentöse Therapie und invasive Verfahren C. Sommer Neurologische Klinik der Universität Würzburg Es werden die Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche anlässlich der Erstellung der AWMF S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom berichtet, sowie die Ergebnisse eigener Metaanalysen und aktualisierter Literaturrecherchen. Während sich Empfehlungen zum kurzfristigen (4-12 Wochen) Einsatz von Medikamenten auf randomisierte kontrollierte klinische Studien stützen können, fehlen Studien, die einen Nutzen eines längerfristigen Gebrauches (6-12 Monate) der Medikamente belegen. Ebenso fehlen prospektive mehrjährige Kohortenstudien, welche den Nutzen einer langfristigen medikamentösen Therapie unter Abwägung von Wirkungen und Nebenwirkungen belegen. In der Leitlinie erhielt die zeitlich befristete Verwendung von Amitriptylin den Empfehlungsgrad A, den Empfehlungsgrad B für die zeitlich befristete Verwendung erhielten Fluoxetin und Duloxetin. Eine Wirksamkeit ist auch für das Antikonvulsivum Pregabalin belegt, sowie in kleineren Studien für mehrere andere Medikamente. Die Effektstärken sind für die meisten Medikamente gering. Die praktische Anwendung der Ergebnisse der Leitlinienarbeit wird diskutiert.
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Psychotherapie der Fibromyalgie K. Thieme1, W. Häuser2, K. Bernardy3 1 Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim (Deutsche Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung DGPSF); 2 Zentrum für Schmerztherapie, Klinikum Saarbrücken (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie DIVS); 3 Fachklinik für Psychosomatische Medizin, MediClin Bliestal Kliniken und Medizinische Fakultät der Universitätskliniken des Saarlandes, Blieskastel Fragestellung: Eine interdisziplinäre Leitlinie zur Therapie der Fibromyalgie (FM) wurde in Kooperation von 10 medizinischen bzw. psychologischen Fachgesellschaften und zwei Patientenselbsthilfeorganisationen erstellt. Methodik: Eine Literatursuche über alle kontrollierten Studien zur Therapie der FM mit psychologischen bzw. psychotherapeutischen Verfahren wurde unter Benutzung der Cochrane Collaboration Reviews (1993-12/2006), Medline (1980-2006), PsychInfo (1966-12/ 2006) und Scopus (1980-12/ 2006) durchgeführt. Für die Vergabe von Evidenzklassen wurde das System des Oxford-Centre for Evidence Based Medicine verwendet. Für die Vergabe von Empfehlungsgraden wurde die Empfehlungsgraduierung der nationalen Versorgungsleitlinien verwendet. Die Erstellung der Empfehlungen erfolgte in einem mehrstufigen nominalen Gruppenprozess. Ergebnisse: Die zeitlich befristete Verwendung von kognitiver und operanter Verhaltenstherapie erhielt den Empfehlungsgrad A und die zeitlich befristete Verwendung von Hypnotherapie/geleitete Imagination und therapeutischen Schreiben den Empfehlungsgrad B. Schlussfolgerungen: Auf FM-Subgruppen zugeschnittene Behandlungsverfahren sollten entwickelt und untersucht werden. Komplementäre und alternative Verfahren J. Langhorst1, W. Häuser2, D. Irnich3, N. Speeck4, E. Felde5, A. Winkelmann6, H. Lucius7, A. Michalsen1, F. Musial1 1 Innere Medizin V, Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte, Essen (Deutsche Gesellschaft für Naturheilkunde DGNHK); 2 Zentrum für Schmerztherapie/ Klinik Innere Medizin I, Klinikum Saarbrücken, Saarbrücken (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie DIVS); 3 Klinik für Anästhesiologie, LMU München, München (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes DGSS); 4 Deutsche Rheuma-Liga, Bonn; 5 Deutsche Fibromyalgie Vereinigung, Seckach; 6 Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, LMU München (Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation DGPRM); 7 Schmerzambulanz am Schmerzzentrum Nord, SCHLEIKlinikum Schleswig (Deutsche Gesellschaft für Neurologie DGN) Fragestellung: Eine interdisziplinäre Leitlinie wurde in Kooperation von zehn medizinischen und psychologischen Fachgesellschaften sowie zwei Patientenselbsthilfeorganisationen in einem mehrstufigen nominalen Gruppenprozess erarbeitet. Methodik: Eine Literatursuche über alle kontrollierten Studien zu komplementären und alternativen Therapien (CAM) des FMS wurde unter Benutzung der Cochrane Collaboration Reviews (1993-12/2006), Medline (1980-12/2006), PsychInfo (1966-12/ 2006) und Scopus (1980-12/ 2006) durchgeführt. Für die Vergabe von Evidenzklassen wurde das System des Oxford-Centre for Evidence Based Medicine verwendet. Für die Vergabe von Empfehlungsgraden wurde die Empfehlungsgraduierung der nationalen Versorgungsleitlinien verwendet. Ergebnisse: Eine Empfehlung für den Einsatz von CAM kann aufgrund der kurzen Studiendauern sowie der fehlenden Untersuchungen nach Therapieende nur eingeschränkt erfolgen. Schlussfolgerung: Der zeitlich befristete Einsatz von Akupunktur, vegetarischer Ernährung, Homöopathie, Tai Qi, Qi-Gong, Musik- und Körpertherapien kann innerhalb eines multimodalen Therapiekonzeptes erwogen werden (Empfehlungsgrad offen).
Leitliniengerechte Diagnose und Therapie von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen Leitliniengerechte Diagnose F. Ebinger Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Bereich Neuropädiatrie, Heidelberg Kopfschmerzen von Kindern und Jugendlichen sind ein häufiger Vorstellungsgrund beim Kinder- und Jugendarzt aber auch beim Allgemeinarzt oder beim Neurologen. Ihnen können verschiedenste Grunderkrankungen zugrunde liegen. Meist handelt es sich jedoch um primäre Kopfschmerzen. Die Diagnose primärer Kopfschmerzen ist nicht durch pathognomonische Befunde spezieller Untersuchungen möglich. Sie erfolgt nach gründlicher Anamneseerhebung anhand des typischen Verlaufs und nach sorgfältiger internistisch-pädiatrischer und kinder-neurologischer Untersuchung zum Ausschluss von Hinweisen auf sekundäre Kopfschmerzen. Eine ergänzende augenärztliche Untersuchung ist immer sinnvoll. Auch bei Kindern und Jugendlichen gelten die diagnostischen Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft für z. B. Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp oder idiopathischen stechenden Kopfschmerz. Wichtig ist es aber, epidemiologische Daten und pädiatrische Besonderheiten zu kennen und richtig zu bewerten. Vielfach werden routinemäßig weitere Untersuchungen veranlasst, die einer kritischen Überprüfung für die Eignung als Routinemaßnahme nicht standhalten. Zum Sinn standardmäßiger Kontrollen von Laborwerten aus Blut oder Liquor gibt es keine Literaturangaben; sie sollten nur bei entsprechenden Hinweisen erfolgen. Ein EEG ist nicht in der Lage, primäre von sekundären Kopfschmerzen oder Migräne von Kopfschmerzen vom Spannungstyp zu differenzieren. Es ist auch nicht als Entscheidungshilfe für die Indikation einer Bildgebung des Schädels geeignet. Es macht – außerhalb von Studien zur Pathophysiologie – dann Sinn, wenn vermutet wird, dass die Kopfschmerzen im Rahmen von cerebralen Krampfanfällen auftreten. Auch eine kranielle Schichtbildgebung ist nicht als Routinemaßnahme indiziert. Sie sollte jedoch – in Form einer MRTomographie – bei Verdachtsmomenten in der körperlichen Untersuchung oder in der Anamnese erfolgen. Solche anamnestischen Auffälligkeiten können die Charakteristik der einzelnen Attacken (z. B. häufig nachts; oft okzipital), den Verlauf der Kopfschmerzerkrankung (z. B. Dauerkopfschmerz oder gar Progredienz) oder begleitende Auffälligkeiten (z. B. Nüchternerbrechen; Abknicken der Wachstumskurve; übermäßig zunehmender Kopfumfang) betreffen. Auch eine übergroße Besorgnis von Patient oder Eltern können eine Indikation zur MRT darstellen. Zusammengefasst werden rekurrierende Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen klinisch und nicht durch besondere technische Untersuchungen diagnostiziert. Technische Untersuchungen sind nicht indiziert, wenn zum einen die Anamnese typisch ist und keine weiteren Auffälligkeiten bietet und wenn zum anderen auch die körperliche Untersuchung keinen Hinweis auf sekundäre Kopfschmerzen ergibt. Leitliniengerechte Attackentherapie S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Auch im Kindes- und Jugendalter können Kopfschmerzattacken leitliniengerecht behandelt werden. Dazu haben die DMKG und die Deutsche Gesellschaft für Neuropädiatrie 2008 erstmals gemeinsam evidenzbasierte Leitlinien herausgegeben. Danach werden für die medikamentöse Akuttherapie der Migräne an erster Stelle Ibuprofen (10 mg/kg Körpergewicht) und Paracetamol (15 mg/kg Körpergewicht) empfohlen. Für schwere und durch die o.g. Medikamente nicht beherrschbare Attacken wird intranasales Sumatriptan 10-20 mg empfohlen. Auch für Sumatriptan subkutan, Zolmitriptan 2,5 mg und Rizatriptan 10 mg gibt es Hinweise für eine
Wirksamkeit. Die Gabe dieser Medikamente sollte jedoch einem Kopfschmerzspezialisten vorbehalten bleiben. Als adjuvante Gabe zur Behandlung der Übelkeit und zur Resorptionssteigerung der nachfolgend verabreichten Analgetika wird Domperidon im Kindesalter empfohlen, Metoclopramid ist bei Kindern bis 12 Jahren kontraindiziert. Die in der Behandlung von Erwachsenen häufig eingesetzten Substanzen Metoclopramid und Acetylsalicylsäure (ASS) werden für Kinder unter 14 bzw. unter 12 Jahren nicht empfohlen. Leitliniengerechte Intervalltherapie R. Pothmann Zentrum Kinderschmerztherapie, Hamburg Die Indikation für eine Intervallbehandlung von Kopfschmerzen ist gegeben, wenn die monatliche Frequenz über 3 Anfällen liegt, vor allem wenn die Attackentherapie nicht ausreichend wirkt, der Anfall länger als 3 Tage dauert oder neurologische Ausfälle persistieren. Für die medikamentöse Prophylaxe der Migräne werden Magnesium, Betablocker (Propranolol oder Metoprolol) und Flunarizin empfohlen. Flunarizin ist auch prophylaktisches Mittel der ersten Wahl bei migräneähnlichen Syndromen. Bei anderen Kopfschmerzarten liegen keine kontrollierten Studien für das Kindesalter vor. In der nicht-medikamentösen Prophylaxe von Kopfschmerzen im Kindesalter werden mit höchster Evidenz Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation), Biofeedbackverfahren und kindgerechte kognitiv-verhaltensorientierte Therapieprogramme empfohlen. Gesunde Ernährung, ausreichendes Trinken, Schlafhygiene, maßvoller Medienkonsum und regelmäßige sportliche Betätigung sind zwar wissenschaftlich schwerer zu evaluieren, können aber als Basis hilfreich sein. Somatoforme Kopfschmerzen gehen typischerweise mit einem höheren Komorbiditätsrisiko einher und bedürfen einer individuellen verhaltenstherapeutisch bzw. systemisch ausgerichteten Psychotherapie
Leitlinien zum Rückenschmerz AkdÄ – Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft – mehr als Arzneimittel beim Rückenschmerz J. Hildebrandt Göttingen Die AkdÄ ist ein wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer und berät diese und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in allen Fragen der Arzneimitteltherapie und -sicherheit. Sie wird von beiden Spitzenorganisationen paritätisch finanziert. Mitarbeiter der Geschäftsstelle der AkdÄ haben gutachterliche Funktion im Arbeitsausschuss Arzneimittel des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Die AkdÄ ist aber auch maßgeblich am Nationalen Programm für Versorgungsleitlinien bei der Bundesärztekammer beteiligt. Sie gibt seit 1996 gemäß ihren Statuten Therapieempfehlungen zu den wichtigen allgemeinärztlichen und internistischen Indikationsgebieten heraus. Den Therapieempfehlungen der AkdÄ wurde im sog. Leitlinien-Clearingverfahren durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) eine hohe methodische und inhaltliche Qualität bescheinigt. Die Therapieempfehlungen werden nach einem festgelegten Procedere in der Arbeitsgruppe konsentiert und mit wissenschaftlichen Fachgesellschaften abgestimmt. Die Leitlinie wird von der AkdÄ als einem Gremium der verfassten Ärzteschaft erstellt (bottom-up Verfahren). Die Kommission legt besonderen Nachdruck auf die Erfassung und Dokumentation der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder von Interessenkonflikten, insbesondere von Interessen der pharmazeutischen Industrie. Aus diesen Gründen ist mit einer hohen Akzeptanz der Leitlinie in der Ärzteschaft zu rechnen. In der 3. Auflage wurden 2007 Empfehlungen zur Therapie von Kreuzschmerzen erstellt. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Diese Therapieempfehlungen repräsentieren den Konsens der entsprechenden Fachmitglieder und allgemeinmedizinischen Kommissionsmitglieder. Die Therapieempfehlungen wurden inhaltlich abgestimmt mit der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC). Sie lagen darüber hinaus der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS), der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) vor. Sie sind weitgehend deckungsgleich mit den Europäischen Leitlinien. COST Europäische Leitlinien zum Rückenschmerz G. Müller Rückenzentrum Am Michel Hamburg Im Rahmen der COST Action B13 (Low-Back-Pain Guidelines to its Management) waren zwischen 1999 und 2005 vier Arbeitsgruppen zu den Themen Prävention, Akute Rückenschmerzen, chronische Rückenschmerzen und Beckenschmerzen tätig. Die Gruppen bestanden aus insgesamt 48 Experten aus 16 Ländern, für die Erstellung der Leitlinien wurden neben vielen einzelnen Studien insgesamt 70 klinische Leitlinien und 800 systematische Reviews analysiert. Ein Ziel aller Arbeitsgruppen war, die Evidenzlage für präventive, diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Rückenschmerzen zu beschreiben und eine Reihe von Empfehlungen zu erstellen, die als Grundlage für nationale Leitlinien dienen können. Die Erstellung dieser nationalen Leitlinien direkt waren nicht Inhalt der EU-Arbeitsgruppe. Ziele der Arbeitsgruppen waren: • Bereitstellen von Empfehlungen für Präventions- und Behandlungsstrategien von Rückenschmerzen oder ihrer Konsequenzen. Diese Empfehlungen sollen von den beteiligten Fachgruppen in den verschiedenen Ländern genutzt werden können. • Sicherstellen eines evidenz-basierten Ansatzes mittels systematischer Reviews und existierender Leitlinien. • Entwickeln eines interdisziplinären Ansatzes, der die Zusammenarbeit zwischen relevanten, in die Prävention und Behandlung eingebundenen Akteuren fördert und ein einheitlicheres Vorgehen zwischen den verschiedenen europäischen Ländern fördert. • Identifizieren ineffektiver Interventionen, um deren Anwendung einzudämmen. • Hinweisen auf Forschungsdefizite. Da insbesondere im Bereich der Prävention und dem chronischen Rückenschmerz bisher keine adäquaten Leitlinien vorlagen, bieten die vorliegenden Ergebnisse und Bewertungen wertvolle Hilfe für ein umfassendes Versorgungskonzept für Rückenschmerzen. Die detaillierte Publikation aller Ergebnisse ist nachzulesen in Eur Spine J (2006) 15 Suppl. 2 und unter www.backpaineurope.org. NVL Nationale Versorgungs-Leitlinie S. Weinbrenner, D. Villarroel, G. Ollenschläger NVL-Autorengruppe. ÄZQ – Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin Das Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL-Programm) ist eine gemeinsame Initiative von BÄK, KBV und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Qualitätsförderung in der Medizin mit Hilfe evidenzbasierter, versorgungsbereichübergreifender Leitlinien. Nationale VersorgungsLeitlinien sind insbesondere inhaltliche Grundlage für die Ausgestaltung von Konzepten der strukturierten und integrierten Versorgung und können auf diese Weise die Implementierung von Leitlinien in den Versorgungsalltag sichern. Die Empfehlungen sollen den interdisziplinären Konsens aller an einem Versorgungsproblem beteiligten Berufsgruppen auf der Grundlage der besten verfügbaren Evidenz wiedergeben.
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Kreuzschmerzen sind von hoher gesundheitspolitischer Relevanz. Jede fünfte Frau und jeder siebte Mann in Deutschland leiden unter chronischen Rückenschmerzen. Darüber hinaus finden sich eine große Variabilität der Behandlung, sowohl im ambulanten als auch im stationären Versorgungssektor sowie eine breite Anwendung von Therapiemaßnahmen, bei denen es nur unzureichende oder keine wissenschaftlichen Belege für einen Nutzen gibt. Ein Expertenkreis der aus Vertretern von 27 medizinischen Fachgesellschaften besteht, erarbeitet gemeinsam Empfehlungen, die zu einer besseren Versorgung der Patienten mit Kreuzschmerz beitragen sollen. Grundlage der Empfehlungen sind einerseits Synopsen der zugrunde gelegten Quellleitlinien (Europäische LL, LL der AkdÄ) und andererseits Evidenzdarlegung nach systematischer Recherche und Aufbereitung der Literatur. Die Struktur der NVL umfasst folgende Themen: 1. Definition, Epidemiologie und sozioökonomische Bedeutung 2. Management des Rückenschmerzes 3. Diagnostik des Kreuzschmerzes 4. Eckpunkte der Therapie des Kreuzschmerzes 5. Nichtmedikamentöse, nicht-invasive Therapieformen 6. Medikamentöse Therapie 7. Invasive Therapieformen 8. Maßnahmen zur Prävention des Kreuzschmerzes 9. Multimodale, interdisziplinäre Behandlung / Rehabilitation 10. Versorgungskoordination 11. Kreuzschmerzen in der Schwangerschaft 12. Ziele der NVL 13. Qualitätsförderung und Qualitätsmanagement Bisher wurden etwa zwei Drittel der Kapitel weitest gehend abgeschlossen. Geplant ist die NVL bis Ende des Jahres 2008 abzuschließen und zu konsentieren. Weiterführende Informationen unter: www.versorgungsleitlinien.de Von der Leitlinie in die Umsetzung: Gesundheitspfad Rücken H.-R. Casser DRK Schmerz-Zentrum Zahlreiche nationale und internationale Leitlinien bezüglich der Behandlung des Rückenschmerzes stimmen aufgrund der Studienlage überein, dass nur durch intensive inhaltlich und organisatorisch aufeinander abgestimmte und aufeinander aufbauende medizinische, psychologische und physiotherapeutische Behandlungsprogramme eine positive Beeinflussung der bekannten komplexen Dysfunktion chronischer Schmerzen möglich ist (Flor et al. 1995, Guzmann et al. 2002). Der „Gesundheitspfad Rücken“ der Bertelsmann-Stiftung hatte sich zum Ziel gesetzt, den Versorgungsprozess von Patienten mit Rückenschmerzen hinsichtlich Prävention, kurativer Versorgung und Rehabilitation interdisziplinär zu diskutieren und publizieren. Unter Beteiligung von Medizinern verschiedenster Fachrichtungen aus Praxis, Klinik und Forschung, Epidemiologen, Gesundheitswissenschaftler, Physiotherapeuten, Krankenkassenvertretern, dem Medizinischen Dienst und Psychotherapeuten wurde ein Konzept entwickelt, das sich als „Best Practice“ Modell versteht und als Orientierungshilfe für Leistungsbringer und Leistungsversicherer dienen soll. Unter Einbeziehung sämtlicher Rückenschmerzformen wurde ein Behandlungspfad entwickelt, der drei Aktionsebenen enthält (primärärztlich, fachspezifisch, interdisziplinär) sowie auch die bedarfsweise Einbeziehung spezieller Module ermöglicht. Integriert wurde dabei auch die Prävention und Rehabilitation. In dreijähriger erfolgreicher Arbeit wurde ein Behandlungspfad entwickelt, der von allen Fachbereichen konsentiert wurde und als Grundlage und Qualitätsmaßstab für bestehende und kommende Rückenschmerz-Integrationskonzepte dient.
Körperliche Aktivität und Schmerz im Alter – Erwünschte und unerwünschte Wirkungen der Therapie nach Leitlinien
Sind die Leitlinien in der Akutgeriatrie umzusetzen? A. Lukas Bethesda Geriatrische Klinik Ulm, Akademisches Krankenhaus der Universität Ulm
Leitlinien zu körperlicher Aktivität und Schmerz im Alter – eine Übersicht C. Leonhardt, H.-D. Basler Institut für Medizinische Psychologie, Philipps-Universität Marburg
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Sie stellen einen Konsens zu einer bestimmten Vorgehensweise dar, sind wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Handlungsempfehlungen. Was aber wissen wir über evidenzbasierte Schmerztherapie im Alter? Geriatrische Fragestellungen werden bisher in der Wissenschaft immer noch zu selten berücksichtigt. Können Erkenntnisse, die an jüngeren Patienten gewonnen wurden, einfach auf den älteren Menschen übertragen werden? Ein geriatrischer Patient ist gekennzeichnet durch Multimorbidität, die seine Fähigkeit zur Selbstpflege und selbständigen Alltagsbewältigung einschränkt. Daneben gelten als typische Merkmale Polypharmazie, sowie kognitive und sensorische Defizite. In der Schmerztherapie geriatrischer Patienten gilt es diese Faktoren zu berücksichtigen. Dies erfordert eine stärkere Integrationsfähigkeit des Arztes, als das für jüngere Altersgruppen erforderlich wäre. Wie kann unter diesen Voraussetzungen eine „leitliniengerechte“ Schmerztherapie an einer geriatrischen Akutklinik aussehen? Im Vortrag werden Erfahrungen der Bethesda Geriatrischen Klinik in Ulm dargestellt.
Eine Literaturrecherche zum Thema mit den Stichworten „guideline“ und „older persons/older people/elderly/aging“ und „chronic pain/ persistent pain and/or physical activity/ exercise“ in den Datenbanken Medline, Pubmed, PsychInfo und SPORTDiscus erbrachte zwischen 0 und 120 Treffer. Eine Sichtung der Abstracts zeigte, dass derzeit nur wenige evidenzbasierte Leitlinien zur Schmerzbehandlung und/oder Aktivitätsförderung im Alter vorliegen, obwohl mit einem enormen Anstieg der älteren Bevölkerungsgruppe bis 2050 zu rechnen ist, so dass von vielen Forschern mehr Studien mit dieser Altersgruppe angemahnt werden. Bedeutsam in der Schmerzbehandlung sind die Leitlinien der Australischen Schmerzgesellschaft [1] (www.apsoc.org.au) sowie der American Geriatrics Society [2,3] (www.americangeriatrics.org), die beide explizit auch Empfehlungen zu körperlicher Aktivität bzw. Exercise abgeben. Aus einer Public Health-Perspektive sind darüber hinaus die Empfehlungen des American College of Sports Medicine & der American Heart Association (2007) zu regelmäßiger körperlicher Aktivität im Alter zu berücksichtigen [4]. Weitere Leitlinien existieren zur Prävention von Stürzen sowie zu bestimmten Krankheitsbildern im Alter (z.B. Diabetes, Demenz), die z.T. ebenfalls schmerztherapiebezogene Hinweise geben. Die wichtigsten evidenzbasierten Empfehlungen der Leitlinien lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Aktivitätsprogramme sollten allen älteren Schmerzpatienten angeboten werden, dabei Komorbiditäten, Medikation und körperliche Einschränkungen berücksichtigen. • Die Angebote sollten individuell angepasst werden, um eine langfristige Compliance zu ermöglichen. • Wichtig sind Übungen, die die Gelenk-Beweglichkeit und Muskelkraft verbessern, Haltung und Gangsicherheit fördern sowie die kardiovaskuläre Fitness erhalten. • Bei Sturzgefahr sollten regelmäßig Gleichgewichtsübungen durchgeführt werden. • Besonders wichtig für ältere Schmerzpatienten in Pflegeheimen sind isotonische Übungen, die Schmerzintensität und depressive Stimmung reduzieren. Unterschiede der Leitlinien in den Empfehlungen zu Häufigkeit und Intensität von Übungen sowie bezüglich bestimmter Subgruppen (Pflegeheimbewohner, selbständige ältere Schmerzpatienten) werden im Vortrag erläutert. 1. Australian Pain Society. Pain in Residential Aged Care Facilities: Management Strategies. Sydney: Australian Pain Society, 2005. 2. AGS Panel on Persistent Pain in Older Persons. The Management of Persistent Pain in Older Persons. J Am Geriatr Soc 2002; 50: S205S224. 3. American Geriatrics Society Panel on Exercise and Osteoarthritis. Exercise prescription for older adults with osteoarthritis pain: consensus practice recommendations. A supplement to the AGS Clinical Practice Guidelines on the management of chronic pain in older adults. J Am Geriatr Soc 2001; Jun;49(6):808-23. 4. Nelson ME et al. Physical Activity and Public Health in Older Adults: Recommendation from the American College of Sports Medicine and the American Heart Association. Med Sci Sports Exerc 2007; 39 (8): 1435-1445.
Multimodale Programme in einem Schmerzzentrum – eine Leitlinien konforme Therapie? P. Mattenklodt1, A. Ingenhorst1,2, B. Flatau3, N. Grießinger1,4 1 Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Erlangen; 2 Orthopädische klinik, Universitätsklinikum im Waldkrankenhaus, Erlangen; 3 medi train - Zentrum für Gesundheitssport und Sporttherapie, Erlangen; 4 Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen Chronische Schmerzen bei älteren Menschen erfahren in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit. Das drückt sich auch in der Publikation verschiedener internationaler Leitlinien zur Schmerztherapie in Alter (1, 2) aus. Schmerztherapie bei Senioren sollte demnach die folgenden Punkte gewährleisten: • Körperliches Training sollte allen älteren Schmerzpatienten angeboten werden. Das Training sollte Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft und der Ausdauer enthalten. • Patienten-Edukation sollte integraler Bestandteil der Therapie sein und Informationen über Selbsthilfestrategien, mögliche Schmerzursachen, Behandlungsmöglichkeiten und -ziele, Behandlungserwartungen und dem Umgang mit Schmerzmedikamenten beinhalten. • Kognitiv-verhaltenstherapeutische Trainingsprogramme sind ein wichtiger Therapiebaustein für alle Patienten mit chronischen Schmerzen, die hiervon profitieren können, und sollten Edukation, die Vermittlung eines plausiblen Behandlungsmodells, ein Schmerzbewältigungstraining und Rückfall-Prophylaxe beinhalten. • Physikalische Maßnahmen sollten ausschließlich in Kombination mit aktivierenden Verfahren eingesetzt werden. Das Schmerzzentrum des Universitätsklinikum Erlangen bietet seit 3 Jahren eine multimodale Schmerztherapie für Senioren (> 70 Jahre) an, die speziell an die Bedürfnisse dieser Patientengruppe angepasst ist. Der Vortrag stellt das Konzept dieser Therapie dar, beschreibt Besonderheiten und Schwierigkeiten der Umsetzung und beleuchtet die Leitlinien vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen. 1. American Geriatric Association (2002) The management of persistent pain in older persons. J Am Geriatr Soc 50: S205-S224. 2. Australian Pain Society (2005) Pain in residential aged care facilities. Management strategies. Sydney. Australian Pain Society. (http://www. apsoc.org.au/owner/files/9e2c2n.pdf) Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Psychosomatische Schmerzbegutachtung – Umsetzung der fachübergreifenden Leitlinien zur Qualitätssicherung Standardisierte ICF-bezogene Erfassung von Aktivität und Partizipation bei psychosomatischen Schmerzpatienten B. Zentgraf, C. Löschmann, M. Nosper, U. T. Egle Psychosomatische Klinik Gengenbach, eqs-Institut Hamburg, MDK Rheinland-Pfalz Alzey Als Ergänzung der ICD-10-Klassifikation von Diagnosen hat die WHO in den letzten Jahren die International Classification for Functioning and Disability (ICF) entwickelt. Damit kann das Ausmaß der Einschränkungen in Aktivität und Partizipation systematisch erfasst werden. Zur Vereinfachung haben Arbeitsgruppen der WHO inzwischen Operationalisierungen für bestimmte Krankheitsbilder, u.a. für Chronic Widespread Pain entwickelt, mit denen eine systematische Fremdbeurteilung möglich ist. Parallel dazu wurde in den letzten Jahren ein Selbsteinschätzungsverfahren (ICF AT50-Psych, Nosper 2006) entwickelt und validiert, welche aus Sicht des Patienten eine differenzierte Beurteilung des Ausmaßes der psychischen Einschränkung erlaubt. Neben ersten Ergebnissen (N=500) bei pathogenetisch differenten Subgruppen wird ein Überblick über die ICF-Klassifikation und ihre Bedeutung bei der Leistungsbeurteilung chronischer Schmerzpatienten gegeben. Neben dem Rehabilitationsbereich, wo ICF-Diagnostik seitens der Deutschen Rentenversicherung inzwischen eingeführt wurde, spielt die Nutzung dieser Systematik zur Beurteilung von Leistungseinschränkungen auch bei der Begutachtung chronischer Schmerzpatienten eine wesentliche Rolle, wie die fachübergreifenden Leitlinien zur Schmerzbegutachtung (Widder et al 2007) festlegen. 1. Widder B, Dertwinkel R, Egle UT, Foerster K, Schiltenwolf M: Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen. Psychotherapeut 52:334–346, 2007 Die Begutachtung iatrogen verursachter und unterhaltener Schmerzsyndrome U. Schairer MEDAS-Interlaken, IGPS, Interlaken Bei der Begutachtung chronischer Schmerzen findet – unter der Vorstellung einer multifaktoriellen Ätiologie des chronischen Schmerzes – die Exploration psychosozialer Einflussfaktoren, die zur Chronifizierung der Schmerzsymptomatik geführt haben, besondere Beachtung. Bekannt und gut untersucht sind Persönlichkeitsfaktoren, familiäre Einflüsse und Arbeitsplatzeinflüsse. Weniger beachtet und wenig untersucht sind iatrogene Einflüsse auf die Schmerzchronifizierung. Von gutachterlicher Relevanz sind insbesondere die im Krankheitsverlauf bei Schmerzpatienten häufig stattfindenden falschen diagnostischen und therapeutischen Weichenstellungen. Dadurch erhalten die Betroffenen einseitige Erklärungsmodelle und entwickeln unrealistische, passive Veränderungserwartungen, die ihre Mitwirkungsfähigkeit so einschränken, dass sie für sinnvolle Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, trotz ihrer Mitwirkungspflicht nicht mehr zugänglich sind oder damit überfordert werden. Der Beitrag beschreibt den Teil eines Moduls im Curriculum psychosomatische Schmerzbegutachtung, der sich speziell mit diesem Thema befasst, geht auf Studienergebnisse ein, beleuchtet u.a. die Auswirkungen unkritischer Opioid-Therapie und diskutiert die mögliche Verstärkung iatrogener Chronifizierung durch den Gutachter. Wissenschaftlich fundierte Differenzierung zwischen somatoformer Schmerzstörung, Aggravation und Simulation B. Gruner Psychosomatische Praxis, Weimar Die Erfassung des Ausmaßes der Beeinträchtigung durch Schmerzen stellt bereits im klinischen Kontext eine Herausforderung dar; dies
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trifft ganz besonders für die somatoforme Schmerzstörung zu. Sie erhöht sich nochmals in der Begutachtungssituation, da Erwartungen von finanzieller Entschädigung von Klienten als Verstärker hinzukommen. Kernaufgabe des Gutachters ist die Erkennung einer solchen „künstlichen“ Symptommodulation i.S. von Aggravation oder gar Simulation. Bei der somatoformen Schmerzstörung ist ein vorwiegend unbewusstes Motiv für die Symptombildung verantwortlich. Dabei spielen biographisch frühe schmerzbezogene Lernprozesse in Form von Konditionierung und Priming eine wesentliche Rolle. Die Simulation ist dagegen ein bewusstes Verhalten mit gezieltem Vortäuschen von Beschwerden. Das Auftreten von Simulation in der Gutachtensituation muss bedacht werden, ist im sozialmedizinischen Kontext aber sehr viel seltener als unterstellt. Bewusste Symptomverstärkungen sind im Begutachtungskontext jedoch absoluthoch relevant. Es werden vorhandene Beschwerden zielorientiert betont, um z.B. das Ziel einer Berentung zu erreichen. Das Ausmaß dieser Aggravationen zu erfassen, ist wesentlicher Bestandteil bei der Begutachtung. Untersuchungen zu dieser Thematik sind nicht häufig und erwartungsgemäß problematisch. Die Beschränkung auf einzelne, auffällige Verhaltensweisen oder gar auf klinische Fragebögen zur Diagnostik der Beschwerdevalidität ist nicht hinreichend valide. Die Komplexität der Problematik erfordert eine Mehrebenenbetrachtung. Neben dem Abgleich anamnestischer und der in der Gutachtensituation erhobenen Daten sind es die Verhaltensbeobachtung, die Ergebnisse testpsychologischer Untersuchungen, einschl. Leistungstests und Symptomvalidierungstests sowie fremdanamnestische Aussagen Dimensionen, die Berücksichtigung finden sollen. Hier bietet die ICF wertvolle Ergänzungsmöglichkeiten. Mit den verschiedenen Datenquellen wird im Gutachtenprozess eine laufende Konsistenzprüfung durchgeführt.
Interdisziplinäre S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom: Physikalische Therapie/Physiotherapie und komplementäre/alternative Verfahren Physikalische Therapie/Physiotherapie M. Schiltenwolf1, W. Häuser2, E. Felde3, C. Flügge4, R. Häfner5, M. Settan3, M. Offenbächer6 1 Sektion Schmerztherapie Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg; 2 Zentrum für Schmerztherapie, Klinikum Saabrücken (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie DIVS); 3 Deutsche Fibromyalgie Vereinigung, Seckach; 4 Niedergelassene Physiotherapeutin, Köln (Zentralverband der Krankengymnasten und Physiotherapeuten ZVK); 5 Dt. Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, Garmisch-Partenkirchen (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie GKJR); 6 Generation Research Program, Humanwissenschaftliches Zentrum, Ludwig-Maximilians-Universität München, Bad Tölz (Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation DGPMR) Hintergrund: Eine interdisziplinäre Leitlinie auf S3-Niveau zur Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms (FMS) wurde in Kooperation von 10 medizinischen bzw. psychologischen Fachgesellschaften und zwei Patientenselbsthilfeorganisationen erstellt (041/004). Methodik: Hierzu wurde eine Literatursuche über alle kontrollierten Studien zur Physiotherapie, medizinische Trainingstherapie sowie physikalischen Therapie des FMS unter Benutzung der Cochrane Collaboration Reviews (1993-12/2006), Medline (1980-12/2006), PsychInfo (1966-12/2006) und Scopus (1980-12/2006) durchgeführt. Für die Vergabe von Evidenzklassen wurde das System des OxfordCentre for Evidence Based Medicine verwendet. Für die Vergabe von Empfehlungsgraden wurde die Empfehlungsgraduierung der nationalen Versorgungsleitlinien verwendet. Die Erstellung der Empfehlungen erfolgte in einem mehrstufigen nominalen Gruppenprozess.
Ergebnisse: Aerobes Ausdauertraining erhielt den Empfehlungsgrad A und die zeitlich befristete Verwendung von Ganzkörperwärmetherapie und Balneo- bzw. Spatherapie den Empfehlungsgrad B. Schlussfolgerung: Die Aussagekraft der meisten Studien zu verschiedenen Verfahren der Physiotherapie, medizinischen Trainingstherapie und physikalischen Therapie ist durch die kurze Studiendauer (durchschnittliche Studiendauer 6-12 Wochen) und kleine Fallzahlen in den meisten Studien eingeschränkt. Multimodale Therapie B. Arnold Abteilung für Schmerztherapie, Klinikum Dachau Fragestellung: Eine interdisziplinäre Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms (FMS) wurde in Kooperation von 10 medizinischen bzw. psychologischen Fachgesellschaften und 2 Patientenselbsthilfeorganisationen erstellt. Zudem wurde eine Metaanalyse zur multimodalen Schmerztherapie erarbeitet. Methodik: Eine Literatursuche über alle kontrollierten Studien zur multimodalen Therapie (MT) des FMS wurde unter Benutzung der Cochrane Library (1993–12/2006), Medline (1980–12/2006), PsychInfo (1966–12/2006) und Scopus (1980–12/2006) durchgeführt. Für die Vergabe von Evidenzklassen wurde das System des Oxford Centre for Evidence-Based Medicine verwendet, für die Vergabe von Empfehlungsgraden die Empfehlungsgraduierung der nationalen Versorungsleitlinien. Die Erstellung der Leitlinien-Empfehlungen erfolgte in einem mehrstufigen nominalen Gruppenprozess. Für die Metaanalyse wurden in einem zweiten Schritt kontrollierte Studien gesucht, deren Outcome-Daten FMS spezifisch und für eine Metaanalyse geeignet waren. Ergebnisse: Multimodale Therapie ist Wartegruppen bzw. medizinischer Routinebehandlung überlegen (Evidenzgrad Ia) und soll Patienten mit FMS angeboten werden (Empfehlungsgrad A). Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen auch längerfristige Effekte multimodaler Therapie auf. Höhere Therapieintensität bedingt stärkere Effekte. Hinweise zur Kosteneffektivität liegen vor. Schlussfolgerung: Trotz unbefriedigender Studienlage ist die Effektivität Multimodaler Schmerztherapie in der Behandlung des FMS Monotherapien evident. Zukünftige Studien sollten Parameter wie Medikation, Kotherapie und Komorbiditäten, aber auch die Kosteneffektivität berücksichtigen. Auf FMS-Subgruppen zugeschnittene Behandlungsverfahren sollten untersucht werden.
Leitlinien zur Behandlung von Schmerzen bei HIV-Infektion und AIDS Epidemiologie von Schmerzen und Depression bei HIV-Infektion und AIDS I. W. Husstedt, S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Die Analyse typischer Symptome bei schweren Erkrankungen wie Tumorleiden, AIDS, koronare Herzerkrankungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen und Niereninsuffizienz ergab, dass unabhängig von der Erkrankung von allen Patienten Schmerzen, Atemstörungen und ein Fatigue-Syndrom als am meisten belastende Symptome angegeben wurden. Schmerzen stellen den zweithäufigsten Grund für eine Einweisung von Patienten im Aids-Stadium ins Krankenhaus dar. Die Prävalenz von Schmerzen beträgt 50 bis 60% bei stationär aufgenommenen Patienten, 68% bei ambulanten und sind führend bei 97 % aller Patienten im Finalstadium. Nach Organsystem differenziert liegen Bauchschmerzen bei bis zu 20%, thorakale Schmerzen bei bis zu 22%, Schmerzen der Mundhöhle bei bis zu 28%, Schmerzen des Ösophagus bei 30%, neuropathische Schmerzen bei 50% und Kopfschmerzen bei bis zu 60% vor. Diese epidemiologischen Daten betreffen Patienten, die Zugang zur hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) ha-
ben, die seit 1996 die Standardtherapie in hochentwickelten Industrieländern mit guten finanziellen Ressourcen darstellt. In Ländern ohne Zugang zu HAART werden Schmerzen als führendes Symptom der HIV-Infektion von 98% angegeben, für 34% waren Schmerzen das belastendste Symptom überhaupt. Viele Patienten haben sich die HIVInfektion durch intravenösen Drogengebrauch akquiriert, sodass eine Schmerztherapie viel problematischer ist. Untersuchungen zeigen, dass Patienten mit HIV-Infektion, die einen Drogengebrauch aufweisen, in höherem Maße von Schmerzsyndromen betroffen sind, während sich im Aids-Stadium diese Unterschiede egalisieren. Auch besteht eine Korrelation zwischen der Anzahl der verschiedenen Schmerzsyndrome und dem immunologischen Status der HIV-Infizierten. Patienten, die die HIV-Infektion durch intravenösen Drogengebrauch akquiriert haben, werden jedoch schlechter therapeutisch-analgetisch versorgt und weisen eine signifikant geringere Reduktion von Schmerzen sowie ein höheres Maß an psychosozialen Problemen auf. Untersuchungen zur Qualität der Schmerztherapie ergaben, dass 85% der Patienten eine nicht angemessene Therapie erhielten und dass Koanalgetika (Antiepileptika, Thymoleptika) nur in 10% der Fälle verordnet wurden. Insbesondere Frauen und Patienten mit niedrigem Bildungsstand wurden schmerztherapeutisch schlechter versorgt. Bei 37% der Patienten kann aus der Anamnese und der Untersuchung keine kausale Zuordnung der Schmerzsyndrome getroffen werden. Ambulante Patienten geben im Schnitt 2,5 verschiedene Schmerzsyndrome an, auf der visuellen Analogskala wird der mittlere bis schlimmste Schmerz mit 7,4 angegeben. Während bei 20% der Patienten mit HIV-Infektion und Schmerzen keinerlei Medikamente eingesetzt werden, erhalten 41% nichtsteroidale Antiphlogistika, 26% Opioide und lediglich 6% Koanalgetika. Häufige Barrieren einer adäquaten Schmerztherapie HIV-Infizierter stellen von Seiten der Therapeuten die Angabe nicht ausreichenden Wissens, der Wunsch, keine Opioide zu verschreiben, die fehlende Ausbildung und die Angst vor Medikamentenmissbrauch der Patienten dar. Die HIV-Infektion selbst induziert über direkte und indirekte Mechanismen umfassende immunologische Veränderungen, die klinisch zu HIV-assoziierten neurokognitiven Störungen, Neuropathien, Myopathien und depressiven Syndromen führen. Von neuropathologischer Seite wird die Invasion und Replikation des HIVirus im Gehirn als chronische Meningoenzephalitis beschrieben mit Aktivierung von Astrozyten und Mikroglia mit allen Aspekten eines komplexen, chronisch- entzündlichen Prozesses. Das HI-Virusprotein gp120 ist hoch neurotoxisch und kann durch Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, TNF-α und Interleukin I tierexperimentell eine mechanische Allodynie induzieren, die durch neutralisierende Antikörper blockiert werden kann. Die Veränderung der Schmerzschwelle kann auch tierexperimentell an Ratten – z. B. im Tail-FlickTest - thermische Hyperalgesie – nachgewiesen werden. Die Substanz P stellt einen Neurotransmitter an Nozizeptoren dar und wirkt neuromodulatorisch bei Entzündungen. Die HIV-induzierte chronische Meningoenzephalitis induziert eine Erhöhung der Spiegel von Substanz P mit Veränderungen der Algotransmission. Es ist bekannt, dass Schmerzen und depressive Syndrome oft miteinander gekoppelt sind. Die HI-Infektion des ZNS induziert zum einen neurokognitive Störungen unterschiedlichen Ausmaßes, die das Vollbild einer Demenz erreichen können. Depressivität ist ein Bestandteil vieler demenzieller Entwicklungen, wobei Patienten mit HIV-Infektion gravierende Veränderungen des Serotonin- und Noradrenalin-Metabolismus aufweisen. In der Praxis besonders kritisch ist der Zeitraum nach Mitteilung der HIV-Infektion, wo 50% eine depressive Episode erleben, 5% suizidale Ideen haben und 2% einen Suizidversuch unternehmen. Umfangreiche Studien ergaben eine Prävalenz depressiver Episoden bei Patienten mit HIV-Infektion von 57% und von Angststörungen von 34%. Oft besteht zusätzlich ein Substanzmissbrauch von Alkohol und Drogen jeglicher Art. Nach umfangreichen Untersuchungen werden nur 50% der depressiven Episoden HIV-Infizierter korrekt diagnostiziert und nur 10% adäquat behandelt. Die Ursache hierfür besteht auch in der Tatsache, dass ca. 80% der HIV-Infizierten mit depressiven Episoden primär körperliche Beschwerden in den Vordergrund stellen. Oft werden vorderDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts gründig verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, diffuse, schlecht lokalisierbare Schmerzen im Abdomen, Thorax und Kopf, Muskelund Gelenkbeschwerden, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen und Schwindel geklagt. Die differenzierte organische Abklärung aller geäußerten Symptome ist richtungsweisend. HIV-Infizierte, die neben der HIV-Infektion eine chronische Hepatitis aufweisen und entsprechend mit Interferon behandelt werden, weisen ein hohes Risiko auf, depressive Episoden als Medikamentennebenwirkung zu entwickeln. Depressivität stellt einen der häufigsten Gründe dar, Retrovirustatika nicht einzunehmen und somit die Langzeitprognose wesentlich zu verschlechtern, da sich rasch Resistenzen entwickeln. Bereits die begründete Verdachtsdiagnose einer depressiven Episode bei einem Patienten mit HIV-Infektion rechtfertigt daher eine Therapie mit Medikamenten und psychotherapeutischen Verfahren. Aufgrund der komplexen Interaktionen mit den Retrovirustatika der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) muss das Antidepressivum sorgfältig ausgewählt werden. Günstig und mit wenig Interaktionen verbunden sind Citalopram, Duloxetin und Venlafaxin. Die enorm verlängerte Überlebenszeit im AIDS-Stadium von 10 - 15 Jahren und mehr unter HAART führt zu einer Zunahme akuter und chronischer Schmerzsyndrome sowie depressiver Episoden, denen biochemische, durch das HI-Virus ausgelöste Prozesse zugrunde liegen. Schmerzen und Depression sind bei Patienten mit HIV-Infektion unterdiagnostiziert und nicht unter Einsatz aller therapeutischen Möglichkeiten behandelt, obwohl diese Erkrankungen die Langzeitprognose und Adhärenz zur Therapie drastisch beeinflussen. Die Verbesserung der therapeutischen Situation von HIV-Infizierten mit Schmerzen und depressiven Episoden stellt eine der Herausforderungen für dieses spezielle Patientenkollektiv auch in Deutschland dar. Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von neuropathischen Schmerzen bei HIV-Infektion und AIDS K. Hahn Universitätsklinikum Charité Campus Mitte, Klinik für Neurologie, Berlin Polyneuropathien stellen die häufigste Neuromanifestation bei Patienten mit HIV-Infektion dar, wobei die schmerzhaften sensorischen Polyneuropathien (HIV-SN), welche die distal symmetrische HIV-assoziierte Polyneuropathie und die antiretroviral toxische Neuropathie einschließt, den häufigsten Subtyp bilden. Unter den schmerzhaften Neuropathien sollte differentialdiagnostisch immer auch eine HIVassoziierte vaskulitische Polyneuropathie, die bioptisch zu sichern ist, erwogen werden. Durch den Einsatz der hochaktiven antiretroviralen Therapie und damit verbunden einer längeren Überlebenszeit der HIV-Infizierten gewinnen Komorbiditäten zunehmend an Relevanz, was in der Diagnostik Berücksichtigung finden muss. Die symptomatische Schmerztherapie muss neben allgemeinen schmerztherapeutischen Aspekten in erster Linie das Interaktionsspektrum mit den antiretroviralen Substanzen berücksichtigen. Unproblematisch bezüglich medikamentöser Interaktionen sind unter den Antiepileptika die Substanzen Gabapentin und Pregabalin, bei den Thymoleptika Duloxetin. Bei allen anderen Substanzen sind prinzipiell Interaktionen möglich. Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Kopf- und Gesichtsschmerzen bei HIV-infektion und AIDS S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Kopfschmerzen sind eines der häufigsten Schmerzsyndrome bei HIVInfizierten. Wie bei vielen Schmerzzuständen besteht auch bei Kopfschmerzen eine schmerztherapeutische Unterversorgung der HIVinfizierten Patienten. Systematisch können Kopfschmerzen während der HIV-Infektion in vier Gruppen eingeteilt werden. Zum einen können Kopfschmerzen durch das HI-Virus selbst ausgelöst werden. Semiologisch ähneln diese Kopfschmerzen einem Kopfschmerz vom Spannungstyp. Es gibt hier eine akute und eine chronische Verlaufs-
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form. Dann können Kopfschmerzen als Symptom einer sekundären Erkrankung auftreten, hierbei insbesondere bei opportunistischen Infektionen des ZNS (v.a. Kryptokokkose und Toxoplasmose). Weiterhin kann die Therapie der HIV-Infektion und der verschiedenen neurologischen Komplikationen zu Kopfschmerzen führen, dies gilt insbesondere für die Protease-Inhibitoren. Schließlich können natürlich auch idiopathische Kopfschmerzen bei HIV-Infizierten auftreten, dabei muss auf die spezifischen Interaktionen zwischen der Therapie dieser Kopfschmerzen und der antiretroviralen Therapie geachtet werden. Prinzipiell können aber die Leitlinien der DMKG zur Behandlung von Kopfschmerzen auch auf diese Patientengruppe angewendet werden.
Neuropathischer Schmerz Tumorinduzierte Störungen der Nerven Chemotherapieinduzierte (schmerzhafte) Polyneuropathie J. Schattschneider, A. Binder, R. Baron Klinik für Neurologie, Diakonissenanstalt Flensburg, Sektion für neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, UKSH, Campus Kiel Im Rahmen maligner Erkrankungen kommt es häufig zu einer Schädigung neuromuskulärer Strukturen. Die ursächlichen pathophysiologischen Mechanismen sind jedoch vielschichtig. Neben der direkten Infiltration durch neoplastische Zellen kann das Nervengewebe paraneoplastisch geschädigt werden. Zusammengenommen führt dies bei ca. 2,5% der Patienten mit Karzinomen oder Lymphomen zu einer klinisch manifesten sensomotorischen Polyneuropathie. Weitaus häufiger tritt die Neuropathie als Nebenwirkung einer zytostatischen Therapie mit Taxoiden, Vinca-Alkaloiden oder platinhaltigen Substanzen auf. Pathophysiologisch liegt der Neurotoxizität eine Behinderung des axonalen Transportes mit nachfolgender Gewebsschädigung zugrunde. In Abhängigkeit des verwendeten Pharmakons ergeben sich unterschiedlich starke Schädigungen der einzelnen Faserqualitäten. Klinisch stehen häufig schmerzhafte Parästhesien neben Störungen der Mechanorezeption sowie Propriozeption im Vordergrund. Das Ausmaß der Nervenschädigung wird durch die verabreichte Gesamtdosis des jeweiligen Zytostatikums beeinflusst. Bei schweren Verläufen können die neurotoxischen Nebenwirkungen einen Abbruch der Chemotherpie notwendig machen. Versuche, durch den Einsatz neuroprotektiver Substanzen oder symptomatischer Therapien eine Reduktion der Nebenwirkungen zu erreichen, waren bis jetzt nur eingeschränkt erfolgreich. Knochenschmerz T. Brabant Krankenhaus St. Joseph-Stift GmbH, Zentrum für Geriatrie und Frührehabilitation Bei vom Knochen ausgehenden Schmerzen werden generalisierte Knochenschmerzen, zumeist metabolische oder metastatische Erkrankungen, und lokalisierte Knochenschmerzen unterschieden. Differentialdiagnostisch sind unterschiedliche Erkrankungen Ursache von Knochenschmerzen, die vor einer symptomatischen Therapie abgeklärt werden müssen. Aus der Vielzahl der unterschiedlichen Erkrankungen mit Knochenschmerzen werden in diesem Beitrag systemische Knochenschmerzen und deren Therapie bei onkologisch/hämatologischen Erkrankungen und osteologischen Erkrankungen am Beispiel der Osteoporose vorgestellt. Knochenschmerzen sind das häufigste Symptom bei Patienten mit ossären Metastasen und die häufigste Ursache für starke Tumor-
schmerzen. Ca. 2/3 aller Knochenmetastasen sind schmerzhaft. Pathophysiologisch handelt es sich hierbei meist um einen Nociceptorschmerz, wobei neben mechanischen Faktoren wie erhöhtem Druck in den Markräumen, Dehnung des Periost/Endosts und Zerstörung von Knochengewebe, humorale, entzündliche und nervale Faktoren eine Rolle spielen. Zytokine wie Prostaglandin und Serotonin und auch das RANKL/OPG System sind wichtige Auslöser und Mediatoren des Knochenschmerzes. Tumorzellen, die im Knochen ein hervorragendes Reservoir von Zytokinen und Wachstumsfaktoren finden und sich derer zur Bildung von Metastasen bedienen, stimulieren und sezernieren Zytokine und Signalmoleküle wie PTHrP, die Osteoklasten und T-Lymphozyten aktivieren, und über die Freisetzung von inflammatorischen Mediatoren zur Reizung von Nociceptoren im stark innervierten Periost führen. Knochenresorption und Knochenaufbau sind normalerweise miteinander gekoppelt, die Interaktion beider Mechanismen sind bei ossärer Metastasierung und bei der Osteoporose gestört. Auch beim Knochenschmerz durch Osteoporose und osteoporotischer Fraktur spielen neben der Dehnung und/oder des Einreißens des Periosts das RANKL/OPG System und die damit verbundenen Zytokine eine entscheidende Rolle. Therapeutisch steht die kausale Therapie des Knochenschmerzes im Vordergrund, wobei neben zentral und peripher wirkenden Analgetika, invasiven Schmerztherapieverfahren und antineoplastischer Therapie, die antiresorptive Therapie und die Strahlentherapie im Vordergrund stehen. Durch ihre exclusive Affinität zum Knochen sind Bisphosphonate ein wesentlicher Therapiebestandteil in der Behandlung von Knochenschmerzen durch ossäre Metastasen oder osteoporotischer Frakturen, wobei dieser Effekt sowohl bei osteolytischen wie auch bei osteoblastischen Knochenreaktionen beobachtet wird. Wesentlicher Effekt der Strahlentherapie bei tumorbedingtem Knochenschmerz ist die Tumorreduktion oder -vernichtung. Ein schmerzpalliativer Effekt kann auch ohne Tumorreduktion aufgrund der hemmenden Wirkung der Strahlen auf die schmerzauslösenden Zytokine nachgewiesen werden.
Mechanismenorientierte Therapie neuropathischer Schmerzen – Wo stehen wir? QST als Schlüsselmethode zum Verständnis der Pathophysiologie? R. Rolke1, C. Geber1, F. Birklein1, R.-D. Treede2 1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2 Lehrstuhl für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Neuropathische Schmerzen entstehen als direkte Konsequenz einer Läsion oder Erkrankung, die das somatosensorische System betrifft. Die Diagnose eines neuropathischen Schmerzsyndroms stützt sich entsprechend auf den Nachweis einer Schädigung sensibler Bahnsysteme – von der Peripherie bis ins zentrale Nervensystem. Bildgebende Verfahren oder konventionelle Elektrophysiologie erlauben dabei oft den Nachweis einer Nervenverletzung, die typisch mit sensiblen Minuszeichen im Sinn einer Hypästhesie oder Hypoalgesie im Rahmen der Deafferenzierung einhergehen kann. Sensible Pluszeichen wie eine thermische oder mechanische Hyperalgesie im Rahmen einer peripheren oder zentralen Sensibilisierung des nozizeptiven Systems entgehen diesen Verfahren in der Regel. Zur Erfassung des vollständigen somatosensorischen Phänotyps einschließlich aller sensiblen Plus- und Minuszeichen steht die quantitative sensorische Testung (QST) zur Verfügung. Dabei werden 13 QST Parameter bestimmt – einschließlich der Erfassung von thermischen und mechanischen Detektionsund Schmerzschwellen. Die QST zeigt, dass beim neuropathischen Schmerz unterschiedliche neurobiologische Schmerzmechanismen detektiert werden können. Am häufigsten findet sich der Mechanismus einer Deafferenzierung. Zusätzlich zeigen viele Patienten eine
Überempfindlichkeit gegenüber spitzen mechanischen Reizen (Pinprick-Hyperalgesie) und eine dynamisch mechanische Allodynie nach leichten Berührungsreizen. Diese Symptome weisen auf eine mögliche zentrale Sensibilisierung der Schmerzempfindlichkeit hin. Im Rahmen des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz (DFNS) wurde QST als Schlüsselmethode zur Charakterisierung des sensorischen Phänotyps von Schmerzpatienten eingesetzt, um ausgehend von spezifischen sensiblen Symptomkonstellationen indirekt auf zugrunde liegende Schmerzmechanismen zurückschließen zu können. QST stellt dabei die entscheidende diagnostische Brücke von der Charakterisierung der Schmerzpathophysiologie zur mechanismen-basierten Therapie dar. Wie neuropathisch sind unsere Schmerzmodelle? T. Klein Lehrstuhl für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Als neuropathische Schmerzen bezeichnet man Schmerzereignisse, die unmittelbar auf einer Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Systems beruhen (“Pain arising as a direct consequence of a lesion or disease affecting somatosensory system”; IASP 2008). In verschiedenen Tiermodellen des neuropathischen Schmerzes werden diese Beeinträchtigungen des somatosensorischen Systems experimentell nachgestellt und die sich daraus ergebenden, dem neuropathischen Schmerz zugrunde liegenden pathophysiologischen Prozessen untersucht. Da dies offensichtlich aus ethischen Gründen beim Menschen nicht in Frage kommt, fokussieren Untersuchungen am Menschen vielmehr auf den Vergleich von klinischen Zeichen und Symptomen des neuropathischen Schmerzes zu entsprechenden Veränderungen in humanen Surrogatmodellen. Dieser auf den ersten Blick sehr limitiert wirkender Ansatz zur Untersuchung neuropathischer Schmerzen ermöglicht aber aufgrund der einzigartigen Fähigkeit des Menschen zur verbalen Kommunikation den Zugang zu Schmerzcharakteristika wie beispielsweise Schmerzintensität und Schmerzqualität, was in tierexperimentellen Ansätzen nicht möglich ist. In dem Vortrag sollen nun das Potenzial und die Limitierungen humaner Schmerzmodelle des neuropathischen Schmerzes erläutert und der mögliche Beitrag bei der Entwicklung mechanismen-basierter Klassifikationen und Therapieansätze diskutiert werden. 1. Klein T, Magerl W, Rolke R, Treede RD. Human surrogate models of neuropathic pain. Pain 2005; 15:227-233. 2. Loeser JD, Treede RD. The Kyoto protocol of IASP Basic Pain Terminology. Pain. 2008; 31;137:473-477. Ist die Quantitative Sensorische Testung (QST) bei der Therapieplanung hilfreich? A. Scherens, C. Maier Abteilung für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum Basierend auf den vorhandenen Normwerten ist es möglich, Plus- und Minussymptome bei neuropathischen Schmerzen auch im Einzelfall als sicher pathologisch einzustufen. Grundsätzlich ist bei den Normwerten zu beachten, dass diese gebildet wurden, um mit einer 95% Wahrscheinlichkeit einen Wert als pathologisch einstufen zu können. Daher gibt es eine relativ große Übergangszone für Werte, die nicht sicher pathologisch sind (Spezifität > Sensitivität), besonders bei Systemerkrankungen (z.B. PNP) da hier der Seitenvergleich zur relativen Beurteilung nicht herangezogen werden kann. Mit dieser Einschränkung erlaubt QST aber eine Validierung von Patientenangaben oder Fragebogenresultaten z.B. Überempfindlichkeit, Sensibilisierung oder Allodynie. Im QST bestätigen sich diese Befunde nur bei weniger als 30%. Die QST erlaubt eine Unterscheidung zwischen peripherer Sensibilisierung oder zentraler SchmerzfehlverarbeiDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts tung. Dadurch gibt sie eine Rationale für Sympathikusblockaden, verhaltenstherapeutischen Interventionen und bestimmte Medikamente gezogen werden. Im klinischen Alltag spielt die QST in der Diagnostik neurologischer Erkrankungen eine immer größere Rolle, z.B bei Patienten mit scheinbar unklarem Syndrom (z. B. burning feet) oder zur Unterscheidung zwischen einer Fibromyalgie und Small-fibre-Neuropathie. QST erlaubt auch eine Differenzierung der vom Patienten teils identisch geschilderten Beschwerden und ermöglicht somit gezieltere therapeutische Ansätze (Beispiel: Übergangsschmerzen bei Deafferenzierung). So ist beispielsweise die topische Gabe von Lokalanästhetika nur sinnvoll, wenn noch periphere Rezeptoren nachweisbar sind. Umstritten ist bis heute der Einsatz von QST zur Differentialdiagnose somatoformer und anderer nur psychisch erklärbarer Syndrome. Dagegen ist QST unstrittig hilfreich bei Patienten mit somatischen Korrelaten und gleichzeitiger somatoformer Störung. Letztlich handelt es sich bei QST aber um ein psycho-physisches Untersuchungsverfahren, welches derzeit z. B. bei gutachterlichen Fragestellungen nicht empfohlen werden kann.
Chronische Schmerzen und Temperaturstörungen – mehr als nur eine zufällige Liaison? Thermische Hyperalgesie als Symptom neuropathischer Schmerzen M. Valet, G. Wasner, A. Binder, S. C. Azad, N. Birbaumer, H. Flor, G. B. Landwehrmeyer, C. Maihöfner, C. Schaub, C. Sommer, M. Tegenthoff, V. Tronnier, R. Baron, C. Maier, T. R. Tölle, R.-D. Treede 1 Sektion für Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Campus Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein; 2 Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Ruhr-Universität Bochum; 3 Neurologische Klinik und Poliklinik im NeuroKopf-Zentrum, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München; 4 Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz; 5 Klinik für Anästhesiologie, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München; 6 Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, Eberhard Karls Universität Tübingen; 7 Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; 8 Neurologische Klinik, Universität Ulm; 9 Neurologische Klinik, Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg; 10 Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Würzburg Neuropathischer Schmerz zeigt eine große Anzahl von Symptomen, unter denen die Patienten im Verlaufe der Erkrankung in unterschiedlichem Ausmaß leiden können. Neben den Spontanschmerzen treten evozierte Schmerzen auf, zu denen die mechanische und thermische Hyperalgesie zählen. Im Rahmen des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS) konnte unter Einbeziehung von 10 Zentren erstmals die Prävalenz der thermischen Hyperalgesie (sowohl auf Kälte als auch auf Hitze) beim neuropathischem Schmerz in einer größeren Kohorte untersucht werden. Das sensorische Profil von Patienten mit neuropathischen Schmerzen unterschiedlicher Ätiologie wurde an allen Zentren mit einem standardisierten Protokoll der Quantitativ Sensorischen Testung (QST) untersucht (Rollke et al., 2006). Kälte- oder Hitzehyperalgesie lag dann vor, wenn das sensorische Profil sich um zwei Standardabweichungen außerhalb der Normwerte befand, die an einem Normkollektiv von n=180 Gesunden (spezifiziert nach Alter, Geschlecht und Lokalisation in Gesicht, Hand, Fuß) erhoben wurden. Zum Zeitpunkt der Datenanalyse (12/2007) wurden in der Datenbank insgesamt 1174 Patienten geführt. Hierunter fanden sich Diagnosen wie schmerzhafte Polyneuropathie (PNP, n=306), Trigeminusneuralgie (TGN, n=147), postherpetische Neuralgie (PHN, n=75), Zentraler Schmerz (CP, n=63), posttraumatische Neuralgie (PTN, n=176) und
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komplex regionales Schmerzsyndrom (CRPS, n=407). Patienten mit gleichzeitiger nozizeptiver Schmerzkomponente, einer Doppeldiagnose neuropathischer Schmerzen oder Tumorleiden wurden nicht berücksichtigt. Beim gegenwärtigen Stand der Analyse beträgt die Prävalenz von thermischer Hyperalgesie für das CRPS 42% (9% Kälte, 22% Hitze, 11% Beides), für die PHN 30% (12% Kälte, 15% Hitze, 3% Beides), für die TGN 22% (8% Kälte, 8% Hitze, 6% Beides), für die PTN 15% (2% Kälte, 9% Hitze, 4% Beides), für die PNP 9% (2% Kälte, 6% Hitze, 1% Beides), für CP 9% (2% Kälte, 5% Hitze, 2% Beides). Damit weist das CRPS im Vgl. zu den anderen Diagnosen die höchste Prävalenz von thermischer Hyperalgesie, CP und PNP dagegen die niedrigste auf. Kältehyperalgesie scheint am häufigsten bei der PHN (12%) vorzukommen, wohingegen die Hitzehyperalgesie am häufigsten beim CRPS (22%) auftritt. Das gleichzeitige Auftreten beider Formen der Hyperalgesie findet sich am häufigsten beim CRPS (11%). Das Symptom der thermischen Hyperalgesie tritt bei allen betrachteten Krankheitsentitäten auf, allerdings zeigen sich teilweise deutliche Unterschiede in der Prävalenz. In einem nächsten Analyseschritt soll die Überlappung von verbalen Deskriptoren der Schmerzempfindung mit den QST Profil herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass trotz unterschiedlicher Diagnosen von einer gemeinsamen archetypischen neurobiologischen Grundlage der Schmerzen ausgegangen werden muss. Thermisch-evozierte Schmerzen am Beispiel der Kältehyperalgesie A. Binder Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Kiel Thermisch evozierte Schmerzen sind charakteristische Symptome neuropathischer Schmerzen. Die Kältehyperalgesie ist hierbei ein hinsichtlich der Ätiologie und der zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen besonderes Symptom. Ätiologisch und pathomechanistisch kann eine Kältehyperalgesie sowohl nach peripherer C- oder A-Faser-Läsion als auch nach einer Läsion verschiedener Zentren des zentralen Nervensystems auftreten. Ebenso ist eine reversible, vermutlich auf einer funktionellen Sensibilisierung peripherer Nervenfasern zurückzuführende Kältehyperalgesie nach Oxaliplatin-Gabe beschrieben. Klinisch kann z.B. diese zu einem therapielimitierenden Faktor werden. Andereseits ist eine symptomorientierte Therapie der Kältehyperalgesie bisher nicht bekannt. Ziel dieses Vortrags ist es daher, die klinische Phänomenologie in Verbindung mit den zugrunde liegenden Mechanismen darzustellen und mögliche Therapiestrategien hieraus zu entwickeln.
Pflegewissenschaft Kommunikation und Kooperation: Schlüssel für nachhaltiges Schmerzmanagement ! Der Unsinn von den Indianern: Schmerzmanagement bei Kindern W. Henkel Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln Nachdem Schmerzen bei Kindern auch in der modernen Medizin und Pflege entweder nicht ernst genommen, oder aber nicht ausreichend behandelt wurden, vollzieht sich seit etwa 20 Jahren ein Wandel im Verstehen und Behandeln von Schmerzen bei Kindern. So gibt es in Deutschland seit 1999 Empfehlungen zur Schmerztherapie in der pädiatrischen Onkologie. In der pflegerischen klinischen Praxis wird seit Ende der 1980er Jahre durch Mittel der Schmerzvermeidung („minimal handling“, Ele-
mente der Basale Stimulation) eine Änderung im Umgang mit akuten Schmerzen bei Kindern deutlich. Seit Ende der 1990er Jahre werden vor allem in der pädiatrischen Onkologie, aber auch in der Neonatologie Schmerzen anhand validierter Skalen (Selbst- oder Fremdbeurteilung) gemessen. Die Messergebnisse sind Grundlage der medikamentösen Schmerztherapie. Spezifisch pflegerische Elemente der Schmerztherapie neben der Erhebung von Schmerzen sind eine adäquate Aufklärung über geplante schmerzhafte Prozeduren, der Einsatz von gezielter Ablenkung und einfachen Entspannungstechniken, das Miteinbeziehen von Kind und Eltern sowie traditionell physikalische Maßnahmen. Evidenzbasiertes Wissen in der Pflege von Kindern mit Schmerzen stammt häufig aus den Bereichen von Medizin und Psychologie. Zunehmend werden Fragestellungen jedoch auch pflegewissenschaftlich bearbeitet. Beispiele dafür sind die Entwicklung einer validierten Skala zur Schmerzmessung bei schwerst-mehrfachbehinderten Kindern und Untersuchungen über die Wirksamkeit von Glucose auf das Schmerzempfinden von Neonaten bei Stichinzisionen. Alter und Schmerz: Lösungsansätze aus Sicht der Pflegewissenschaft E. Sirsch Private Universität Witten/Herdecke gGmbH Bei der Schmerzerfassung und -einschätzung gilt die Empfehlung, dass die Selbstauskunft Vorrang vor der Fremdeinschätzung hat (DNQP, 2004). Das Postulat von McCaffery (1997): „Schmerz ist das, was die Person die ihn erfährt über ihn angibt; er ist vorhanden, wenn sie sagt, dass er da ist“ greift in der Pflege alter Menschen oft zu kurz. Denn die Selbsteinschätzung stößt, insbesondere bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, an ihre Grenzen. Im höheren Lebensalter wird Schmerz dazu oft als zum Alter dazugehörig angesehen und auch daher nicht immer ausreichend behandelt. Ein effektives Schmerzmanagement setzt nicht nur das Erkennen, sondern auch das „Zugestehen“ von Schmerz voraus. Das „Gegenüber“, häufig professionell Pflegende und MedizinerInnen, haben die „Definitionsmacht“, welches Verhalten als Schmerz gedeutet wird und welches nicht. In der Begleitung und Pflege alter Menschen ist oft, insbesondere bei kognitiven Beeinträchtigungen oder Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, statt der Selbsteinschätzung eine Fremdeinschätzung von Schmerz erforderlich. Eine wichtige Aufgabe in der Pflege alter Menschen ist es, eine systematische Schmerzeinschätzung bereits zu Beginn der pflegerischen Beziehung vorzunehmen. Darauf kann, insbesondere bei der vulnerablen Gruppe multimorbider alter Menschen, ein angemessenes Management der schmerzreduzierenden Maßnahmen aufbauen. So gilt es auch immer abzuklären, ob nicht z. B. herausfordernde Verhaltensweisen eine Folge von nicht erkannten Schmerzzuständen sein können. In den letzten Jahren sind eine Reihe von Assessments zur Schmerzerfassung als Fremdeinschätzung im englischsprachigen Raum veröffentlich worden (Herr, 2006; Zwakhalen, 2006) und zum Teil auch ins Deutsche übertragen worden (Basler, et al. 2004; Fischer, 2006). Der Einsatz dieser Instrumente erfordert allerdings fachliche Expertise, um eine systematische Abfolge von Einschätzungen und Interventionen vornehmen zu können (Fischer, 2006; Gnass & Sirsch 2007). Nur ein Schmerz, der erkannt wird, kann auch behandelt werden. In der Begleitung und Pflege alter Menschen nehmen Pflegende, ob pflegende Angehörige oder professionell Pflegende, eine Schlüsselstellung ein. Die Expertise der Pflegenden macht häufig eine systematische Schmerzeinschätzung bei alten Menschen, und damit das erfolgreiche Schmerzmanagement, erst möglich.
Pflegesymposium Die transkutane elektrische Nervenstimulation – Eine multiprospektive Studie M. Thomm1, N. Schlegel2, D. Grünewald3, E. Löseke4, P. Paul5 1,2 Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Uniklinik Köln; 3 Schmerzambulanz der Charité Campus Mitte; 4 Schmerzzentrum der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Brüderkrankenhaus St. Josef, Paderborn; 5 Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin St. Marien Hospital, Lünen Anhand eines 2-seitigen Evaluierungsbogens sind in einem Zeitraum von 8 Monaten 185 Patienten (121 Frauen 65,4%, 64 Männer 34,6%) über die Anwendung und Wirksamkeit der TENS-Therapie befragt worden. Die Studie ist in 4 Schmerzzentren (2 Universitätskliniken, 2 akad. Lehrkrankenhäuser) durchgeführt und die Fragebögen mittels des Statistikprogramms SPSS ausgewertet worden. Lumbaler Rückenschmerz sowie HWS- und Nackenschmerzen waren die Hauptindikationsgebiete für eine TENS-Verschreibung. 174 (94,1%) Patienten gaben bei Ausfüllen des Fragebogens weiterhin Schmerzen an. Die Frage auf aktuelle Benutzung beantworteten 155 (83,8%) Patienten mit „ja“ und 30 (16,2%) mit „nein“. Im Durchschnitt wurde das Gerät 3x/Tag für 30 Min. angewandt und zeigte im Median eine Schmerzlinderung von 40%. 35 (13,5%) Patienten brachen die Therapie u. a. wegen mangelnden Effekts ab. In der Anfangsphase der TENS-Therapie gaben 150 (82,9%) der befragten Patienten auf einer deskriptiven Skala eine sehr gute bis mittlere und 29 (17,1%) eine schlechte bis sehr schlechte Schmerzlinderung an; im Verlauf der Therapie bzw. bei regelmäßiger Anwendung erfuhren 161 (90,4%) Patienten jedoch eine sehr gute bis mittlere und nur 17 (9,5%) eine schlechte bis sehr schlechte Schmerzkontrolle. In zwei weiteren Fragen wurden die Patienten aufgefordert, auf der nummerischen Rangskala (NRS) ihre durchschnittliche Schmerzstärke mit und ohne TENS-Anwendung anzugeben. Die durchschnittliche Schmerzstärke ohne TENS lag bei NRS 7 und mit TENS nur noch bei NRS 4 (p<0,001). 153 (82,7%) der Befragten nahmen zusätzlich zur Linderung ihrer Schmerzen Analgetika ein und führten physiotherapeutische Maßnahmen durch. Insgesamt gesehen beurteilten die befragten 167 Patienten (90,2%) auf der deskriptiven Skala einen sehr guten bis mittleren Behandlungserfolg ihrer chronischen Schmerzen unter Anwendung des TENS-Gerätes und nur 18 Patienten (9,7%) beurteilten einen schlechten bis sehr schlechten Behandlungserfolg. Die allgemeine Behandlung in den an der Studie teilnehmenden Schmerzambulanzen beurteilten 98,9% der Befragten zwischen sehr gut bis mittel. Die statistisch signifikanten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die TENS-Therapie eine gültige Therapieform als adjuvante Maßnahme bei der Behandlung chronischer Schmerzen, insbesondere bei muskuloskeletalen Beschwerden darstellt. Alter, Geschlecht, Bildung und Schmerz: Gibt es Zusammenhänge? J. Osterbrink Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft, Salzburg Studien die obige Frage versucht zu beantworten, sind aufgrund der unterschiedlichen Instrumenten, Settings und Studienqualität nicht vergleichbar (Robinson et al. 1998). In Bezug auf den Umgang mit Schmerz gibt es zwischen Männern und Frauen Unterschiede, die in den verschiedenen Familienkonzepten begründet sind. Bei Frauen ist auffällig, dass sie Schmerzen Anderer zu erkennen lernen und auch im Sinne des „Familienkonzeptes” reagieren. So sind Männer aufgrund ihrer sozialen Rolle weniger bereit offen über ihre Schmerzen zu berichten als Frauen. Die angeblich geringere Schmerztoleranz bei Frauen (Bingefors, K. and D. Isacson 2004), konnte die Studie von Chia et al. 2002 zum postoperativen Schmerz nicht bestätigen. So war der Morphinverbrauch bei gleicher Schmerzintensität bei Frauen wesentlich geringer Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts als bei den Männern. Auch in ihrer Schmerzwahrnehmung und ihrem Schmerzmanagement unterscheiden sich beide Geschlechter. Frauen assoziieren Schmerzen mit weniger negativen Emotionen und wobei sie das besseres Copingverhalten als Männer aufweisen (Robinson et al. 2005). Bei älteren Menschen sind ähnliche Verhaltensmodelle zu beobachten (Blomqvist et al. 2002). In der Schmerztherapie sind die psychologischen Interventionen (Schmerzablenkung) bei Männern erfolgreicher als bei Frauen. Hier finden sich Parallelen zur Studie von Blomqvist (ebenda) die das Schmerzerleben älterer Menschen untersuchte, als hilfreichste Methode wurde die Ablenkungen und Entspannung angeben. Hinsichtlich der Aspekte Schmerz, Geschlecht und Bildung stellen einige Studien einen Zusammenhang her. So berichteten Frauen in Teilzeitarbeit häufiger über Schmerzen als Vollzeitkräfte, dies verhielt sich bei Männern ebenso. Abschließend ist anzumerken, das viele Studienergebnisse aus den anfangs genannten Gründen schwer vergleichbar sind. Es besteht demnach ein erheblicher Forschungsbedarf in Bezug auf die Zusammenhänge zu diesem Thema. Abschließende Ergebnisse des Projektes „Schmerzfreies Krankenhaus“ mit insgesamt 8425 Patienten zeigen, dass es klinisch relevante Korrelationen zwischen den vier Dimensionen gibt und somit eine gezielte Patientenberatung und -schulung und fokussierte Bildungsmaßnahmen für Ärzte und Pflegende ermöglicht wird. 1. Bingefors, K., & Isacson, D. (2004). Epidemiology, co-morbidity, and impact on health-related quality of life of self-reported headache and musculoskeletal pain-a gender perspective. Eur J Pain, 8(5), 435-450. 2. Blomqvist, K., & Edberg, A. K. (2002). Living with persistent pain: experiences of older people receiving home care. J Adv Nurs, 40(3), 297-306. 3. Blomqvist, K., & Hallberg, I. R. (2002). Managing pain in older persons who receive home-help for their daily living. Perceptions by older persons and care providers. Scand J Caring Sci, 16(3), 319-328. 4. Chia, Y. Y., Chow, L. H., Hung, C. C., Liu, K., Ger, L. P., & Wang, P. N. (2002). Gender and pain upon movement are associated with the requirements for postoperative patient-controlled iv analgesia: a prospective survey of 2,298 Chinese patients. Can J Anaesth, 49(3), 249-255. 5. Robinson, M., Wise, E., Riley, J., Atchison, J. (1998). Sex Differences in Clinical Pain: A Multisample Study. Journal of Clinical Psychology in Medical Settings, 5(4), 413-424. 6. Robinson, M. E., Dannecker, E. A., George, S. Z., Otis, J., Atchison, J. W., & Fillingim, R. B. (2005). Sex differences in the associations among psychological factors and pain report: a novel psychophysical study of patients with chronic low back pain. J Pain, 6(7), 463-470. Muss Verbandswechsel schmerzhaft sein? E. Schaperdoth Wundmanagement Klinikum der Universität zu Köln Hintergrund: Die Behandlung von chronischen, schlecht heilenden Wunden stellt sowohl für den Patienten als auch für das therapeutische Team eine große Herausforderung dar. Schmerz spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die bei einem Verbandwechsel auftretenden Schmerzen sind physisch und psychisch stark belastend und können vom Patienten gar als traumatisches Erlebnis empfunden werden. Der dadurch ausgelöste Stress verzögert die Wundheilung. In erster Linie ist aber der Verlust an Lebensqualität als Folge von Schmerzen aufzuführen. Schlafstörungen, Angst oder Mobilitätseinschränkungen gehen häufig mit Schmerzen einher und machen es dem Patienten mitunter unmöglich, sich selbst zu versorgen. Behandlungsziele der Wundversorgung: • Schmerzarmer Verbandwechsel • Atraumatische Entfernung von Verbandstoffen • Schmerzarme Entfernung von avitalem Gewebe • Schutz von Granulations- und Epithelgewebe • Steigerung des Wohlbefindens des Patienten und seiner Lebensqualität
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Methode: Ein verbindlicher Therapieplan wird unter Einbeziehung des Patienten im interdisziplinären Team erstellt. Alle Maßnahmen werden gemeinsam mit dem Patienten diskutiert und festgelegt. Ein Analgetikum wird immer vorbeugend verabreicht und nicht erst nachdem der Schmerz entstanden ist. Um die Wirksamkeit der angewendeten Schmerztherapie zu überprüfen werden geeignete Schmerzskalen verwendet. Die laufende Schmerzbeurteilung erfolgt routinemäßig. Dabei werden der Wundschmerz, die Wundumgebung sowie alle neuen regionalen Schmerzen berücksichtigt. Vor der Durchführung eines Débridements wird ein topisches Lokalanästhetikum angewandt. Ausgedehnte Nekrosektomien erfolgen in Vollnarkose. Die Wundversorgung erfolgt phasengerecht. Als Versorgungsprodukte werden ausschließlich Materialien, die einen atraumatischen Wechsel ermöglichen genutzt. Ergebnis: • Reduzierung des Schmerzscores • Schnelle und schonende Reinigung der Wunde • Atraumatische Verbandwechsel • Steigerung der Patientenzufriedenheit Das Einbeziehen des Patienten und seiner Angehörigen in die Therapie ist von großer Bedeutung und verbessert die Aussichten auf einen Therapieerfolg wesentlich. Der chronische Schmerzpatient – was gibt’s denn da zu pflegen? C. Hafner Schmerzzentrum Universitätsklinikum Erlangen Der „chronische Schmerzpatient“ – ein Begriff, hinter der ein Mensch mit seiner individuellen Krankheitskarriere und lebensgeschichtlichen Prägung steht. Zur Behandlung von chronischen Schmerzen werden Multimodale Therapieprogramme angeboten, die an den drei Säulen des Bio-Psycho-Sozialen Modells anknüpfen. Dieser Vortrag befasst sich mit der Frage, welche Aufgaben die Pflege in der Begleitung hochchronifizierter Schmerzpatienten in der Multimodalen Therapie übernimmt und wo hier die spezifisch pflegerischen Aufgaben zu sehen sind. Da das Aufgabenspektrum der Pflege im interdisziplinären Team breit gefächert ist, wurde eine Patientenbefragung durchgeführt, um eine Wertigkeit dieser Aufgaben aus Patientensicht zu erfahren. Die Ergebnisse dieser Befragung werden erörtert. Zusätzlich kann die Bezugnahme auf geeignete Pflegetheorien helfen, die Bedürfnisse des chronischen Schmerzpatienten besser zu verstehen, das eigene Verhalten zu reflektieren und professionell zu handeln. Qualitätssicherungsprojekt im Akutschmerz – Erste Ergebnisse nach orthopädischen Eingriffen B. Wolff Sana-Kliniken Sommerfeld, Hellmuth-Ulrici-Kliniken, Abteilung für invasive und perioperative Schmerztherapie, Kremmen Nach operativen Eingriffen ohne Schmerzen aufzuwachen und mit möglichst wenigen Schmerzen zu genesen, wünschen sich die meisten Patienten. Die medizinischen Möglichkeiten für eine adäquate Schmerztherapie sind vorhanden und in den S3-Leitlinien zur Akutschmerztherapie festgelegt. Prinzipiell sind die Vorteile einer suffizienten Schmerztherapie für die Patienten bekannt, jedoch bestehen weiterhin Defizite in der Akutschmerztherapie. Als Gründe für dieses Paradoxon werden die unzureichende Implementierung bestehender Konzepte zur postoperativen Schmerztherapie und oft organisatorische Bedingungen genannt. Bedenken von Patienten in Bezug auf eine Medikamentenabhängigkeit, Ängste vor Nebenwirkungen der Schmerzmittel sowie vor Dosissteigerungen können auch zu einer inadäquaten Schmerztherapie führen, der Patientenedukation im Schmerzmanagement als Kernbereich professioneller Pflege kommt hier eine große Bedeutung zu. Das Projekt „Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerzthe-
rapie“ (QUIPS) der FSU Jena hat das Ziel, die Qualität der Schmerztherapie in Krankenhäusern zu verbessern. Durch eine standardisierte Patientenbefragung nach operativen Eingriffen werden Ergebnisparameter (Daten z.B. zur Schmerzintensität, zur Beeinträchtigung und zur Zufriedenheit) erfasst und anschließend elektronisch auf einen zentralen Benchmarkserver geleitet. Zeitnah erhalten die teilnehmenden Krankenhäuser webbasierend ein Feedback, diese Ergebnisse ermöglichen ein internes Benchmarking, die eigenen Stationen können gegenüber gestellt werden, und ein externes Benchmarking, in dem die Ergebnisse anonymisierter Krankenhäuser zum Vergleich der Qualität der postoperativen Schmerztherapie zur Verfügung stehen. Durch die zusätzliche Erhebung von Prozessparametern (Angaben z.B. zur Narkose, Operation, Schmerztherapie) können Defizite erkannt werden und die Auswirkungen von Interventionen zur Verbesserung der postoperativen Schmerztherapie beurteilt werden. Eine direkte Zuordnung der schmerzbezogenen Fragestellungen auf die jeweiligen Fachbereiche wird durch das Projekt ermöglicht. Die Fachklinik für Orthopädie der Sana-Kliniken Sommerfeld ist seit März 2008 am Projekt beteiligt. Die erhobenen Daten geben den Ist-Zustand in der perioperativen Schmerztherapie der o.g. Fachklinik auf drei Stationen wieder und ermöglichen eine Datenanalyse, es wurden im Zeitraum von März 2008 - September 2008 insgesamt 450 Patientenbefragungen durchgeführt. Durch die Identifizierung von Defiziten und die Ermittlung der Patientenzufriedenheit kann das vorgestellte Projekt einen Beitrag zur Verbesserung der Schmerztherapieversorgung aus Sicht des Patienten und aus der Sicht aller an der Patientenversorgung beteiligter Berufsgruppen leisten. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf dem Weg zum „Schmerzarmen Krankenhaus“ – Der Beitrag zur Pflege L. Bohlmann Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Schmerzmanagement Die Therapie akuter und chronischer Schmerzen ist aufgrund unzureichender ganzheitlicher Schmerztherapiekonzepte ein zentrales Problem im klinischen Alltag. Aufgrund des intensiven Patientenkontaktes nehmen bei der Umsetzung eines schmerztherapeutischen Gesamtkonzeptes Pflegefachkräfte eine zentrale Rolle ein [1]. Durch Einführung des Projekts „Schmerzarmes Krankenhaus“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wurden durch kontinuierliche Schulungen der ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter/innen Handlungsalgorithmen zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen etabliert. Durch Einführung der Schmerzalgorithmen und fest definierten Handlungsanweisungen zum Verhalten bei Nebenwirkungen und Komplikationen gestaltet sich Schmerztherapie nicht mehr als alleinige Aufgabe des Arztes, sondern wird aktiv vom Pflegepersonal mitgestaltet und umgesetzt. Zur Aus- und Fortbildung dient die Initiierung eines multiprofessionellen Arbeitskreises „Interdisziplinäre Schmerztherapie“, die klinikübergreifende Fortbildungsveranstaltung „Forum Schmerz- und Palliativmedizin“ sowie die Herausgabe eines Leitfadens mit Empfehlungen zur perioperativen Schmerztherapie. Das Erstellen eines Patienteninformationsflyers „Keine Angst vor Schmerzen – Wir haben was dagegen!“ klärt über die Möglichkeiten der postoperativen Schmerztherapie auf und soll unterstützend dazu beitragen, bestehende Ängste vor Schmerzen zu minimieren. 1. MacLellan K. Journal of Advanced Nursing 2004; 46 179-185; International Association for the Study of Pain. http://www.iasp-pain.org/nursing_toc.html.
Rückenschmerzen Interdisziplinäres multidimensionales Assessment beim Rückenschmerz Zeitpunkt und Vorgehensweise: Im Rahmen der Erstversorgung oder erst bei Therapieresistenz? H.-R. Casser DRK Schmerz-Zentrum, Mainz Es ist evidence based, dass Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen durch eine komplexe Wechselwirkung körperlicher, psychischer und sozialer Fehlfunktionen zustande kommt. Nur durch ein intensives inhaltlich und organisatorisch aufeinander abgestimmtes und aufeinander aufbauendes medizinisches, psychologisches und physiotherapeutisches Behandlungsprogramm ist eine positive Beeinflussung von Dysfunktionen nachgewiesen worden (Flor et al. 1995, Guzman et al. 2002). Dies wiederum setzt eine strukturierte interdisziplinäre Diagnostik voraus. Neben einer differenzierten Schmerzanamnese und -analyse mit Klassifizierung des Chronifizierungsstadiums setzt diese eine kompetente orthopädische, manualmedizinische und neurologische körperliche Untersuchung und Funktionsdiagnostik voraus sowie eine psychologische Exploration, ggf. mit weiteren psychologischen Testverfahren. Hinzu kommt eine Überprüfung der Therapiemotivation und möglicher weiterer Kontextfaktoren. Entsprechend des Ergebnisses wird die Indikation für ein multimodales interdisziplinäres Therapieprogramm gestellt. Dieses umfangreiche und aufwendige Verfahren ist bei der Erstversorgung eines Rückenschmerzpatienten in der Regel nicht erforderlich. Vielmehr sollten bei der Erstvorstellung im Rahmen eines Screenings Patienten mit psychosozialen Risikofaktoren (Yellow flags) durch geeignete Screeningverfahren, z. B. Heidelberger Kurzfragebogen oder Örebro-Fragebogen, bzw. Patienten mit drohender Therapieresistenz (über 12 Wochen) ausgewählt werden, sich diesem Verfahren zu unterziehen. Das Assessment dient aber auch dazu, den Zugang zu interdisziplinären multimodalen Therapieprogrammen zu limitieren und ggf. zunächst andere gezielteTherapieoptionen zu empfehlen. Beurteilung psychosozialer Faktoren: Wann Fragebogen-Screening, wann psychologische Exploration? M. Pfingsten Schmerzambulanz, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Bei (nicht spezifischen) Rückenschmerzen hat die Mehrzahl der in den letzten Jahren durchgeführten prospektiven Studien gezeigt, dass psychosoziale Faktoren für den Krankheitsverlauf und für den Übergang vom akuten zum chronischen Schmerz eine entscheidende Rolle spielen. Sowohl für kognitive, wie auch für emotionale und Verhaltensfaktoren zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zur Entwicklung von chronischen Verläufen. Es ist gesundheitsökonomisch wenig sinnvoll und für die Fixierung eines chronischen Verlaufes fatal, mit der Identifikation von (psychosozialen) Risikofaktoren mehr als 4 Wochen zu warten. Zur Verhinderung kostenintensiver Entwicklungen ist es daher sinnvoll, Patienten mit derartigen Risikofaktoren möglichst frühzeitig (innerhalb der ersten 14 Tage ab Beginn der akuten Phase) zu erfassen. Am besten gelingt die Erfassung dieser Risikofaktoren durch eine ausführliche psychologische Exploration. Andererseits sind langwierige Untersuchungsgänge oder lebensgeschichtliche Explorationen aller Patienten mit Rückenschmerzen in der Erstversorgung i.d.R. nicht durchführbar und nicht ökonomisch, so dass im Sinne eines Screenings auf ein Fragebogenverfahren zurückgegriffen werden sollte. Die Zielsetzung besteht in einer möglichst hohen Sensitivität des Verfahrens. Das Screening sollte auch eine ausreichende Spezifität aufweisen, damit Patienten mit geDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts ringem Chronifizierungsrisiko hinreichend genau identifiziert werden können, so dass sich die Behandlung bei dieser Gruppe auf einfache Maßnahmen beschränken kann. Das Screening sollte vom Umfang her kurz gestaltet, ökonomisch einsetzbar und möglichst einfach auswertbar sein. Darüber hinaus sollten die Ergebnisse möglichst konkrete Hinweise auf die in existierenden Leitlinien empfohlenen Behandlungsoptionen geben und die Wahl entsprechender diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unterstützen. Hierzu liegen mehrere geeignete Verfahren vor, die mit 20-30 Items für den niedergelassenen Bereich allerdings immer noch zu umfangreich ausfallen. Im Rahmen einer BMBF-Studie wird von unserer Arbeitsgruppe ein kürzeres Verfahren eingesetzt, dessen Einsatz sich bereits in einer internationalen Studie bewährt hat. Es geht auf das Örebro Musculoskeletal Pain Screening Questionnaire (MPSQ) von Steven Linton (Schweden) zurück. Nach Berechnungen aus einer Vorstudie ist in ca. 15% aller akuten Fälle damit zu rechnen, dass das Risiko einer Chronifizierung besteht. Wenn es gelingt, diese Gruppe mit hinreichender Präzision zu identifizieren, können bei diesen Patienten weiter gehende psychologische Diagnostik (entweder Fragebogen und/oder Exploration) stattfinden, aus deren Ergebnissen sich wiederum fokussierte therapeutische Empfehlungen ableiten lassen.
Aktivierungen in entsprechenden Hirnarealen manifestiert. Wir präsentierten Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (CRS) visuelle Stimuli, die einerseits neutrale Bewegungen (N) zeigen und andererseits solche, die Schmerz antizipieren lassen (S), um festzustellen, ob bei CRS-Patienten bei der Verarbeitung von S-Bildern andere Hirnareale beteiligt sind als bei der von N-Bildern und ob sie sich diesbezüglich von gesunden Kontrollprobanden unterscheiden. Im Rahmen des Fear-Avoidance Modells wird die Angst vor Bewegungen häufig auch als Bewegungsphobie konzeptualisiert. Deshalb untersuchten wir weiterhin, ob bei der Betrachtung der S-Bilder ähnliche Hirnstrukturen beteiligt sind wie bei Patienten mit einer Spinnenphobie, wenn sie mit Spinnenbildern konfrontiert werden. Die Darbietung von allgemein Angst auslösendem Bildmaterial aus der IAPS ermöglicht darüber hinaus festzustellen, ob bei den CRS-Patienten die Verarbeitung der SBilder andere Hirnregionen aktiviert als die anderer Angst auslösender visueller Stimuli.
Welchen Beitrag leistet die physiotherapeutische Untersuchung mit welcher therapeutischen Konsequenz? U. Wolf Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Physiotherapie
Präoperative Angst steht in Zusammenhang mit dem Anästhesiebedarf und mit Aspekten der postoperativen Genesung. Des weiteren konnte mehrfach gezeigt werden, dass Patienten, die in der Zeit vor einer Operation Angst erleben, postoperativ stärkere Schmerzen haben. Der Beitrag gibt eine Übersicht zum emotionalen Zustand von Patienten vor Operationen. Insbesondere wird den Fragen nachgegangen, ob Patienten präoperativ emotionale Veränderungen haben, die auf „Angst“ hinweisen, und ob sich unterschiedlich alte Patienten in ihrer emotionalen Auslenkung und im Verlauf der emotionalen Reaktion unterscheiden. Berichtet werden Untersuchungen, in denen Patienten vor Operationen ihr emotionales Befinden beurteilen. Dieser Zustand wird mit dem Befinden mehrere Wochen nach der Operation verglichen, wodurch die Bestimmung der präoperativen „Auslenkung“ möglich wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die präoperative emotionale Auslenkung von Patienten stark ist und vor allem die Emotion „Angst“ betrifft. 1849jährige Frauen und insbesondere solche mit einem hohen Ausmaß negativer habitueller Stressverarbeitung sind Patienten mit hoher präoperativer Angst. In der postoperativen Phase unterscheiden sich unterschiedlich alte Patienten deutlich im Reaktionsverlauf und in der Dauer bis die Ausgangslage wieder erreicht ist. Die Befunde bekräftigen, dass „Angst“ ein Zielsymptom präoperativer Maßnahmen sein sollte.
Die deutlichste Evidenz für klassische physiotherapeutische Interventionen bei low back pain liegt für die Behandlung in der subakuten Phase vor. Bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz können aktive Therapieformen empfohlen werden, wobei unspezifische Techniken im Vergleich zu spezifischen als gleichwertig angesehen werden. Dabei ist weitgehend unbekannt, welche Maßnahmen der Physiotherapie in den verschieden Chronifizierungsstadien zum Tragen kommen. Der Vortrag zeigt einerseits auf, welchen Beitrag die Physiotherapie zur klinischen Unterscheidung von eher peripher nozizeptiv ausgelösten Symptomen und Symptomen, die überwiegend auf eine Sensibilisierung des zentralen Nervensystems zurückgehen, leisten kann. Andererseits werden Maßnahmen zur strukturellen Diagnostik sowie Funktions- und Belastungstests aber auch Möglichkeiten zur Unterstützung der Beurteilung von Psychosozialen Faktoren vorgestellt. Die sich daraus ableitende Therapie wird aus Sicht der Forschung und der gängigen Praxis dargestellt.
Schmerzpsychotherapie Angst und Schmerz Angst vor Bewegung – FMRI-Studie zur Bewegungsangst bei Patienten mit Rückenschmerzen A. Barke1, J. Baudewig2, P. Dechent2, B. Kröner-Herwig1 1 Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie, Abteilung für Klinische Psychologie; 2 MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie, Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Göttingen Ein wichtiges biopsychosoziales Modell für die Chronifizierung von Rückenschmerzen ist das Fear-Avoidance-Modell, das eine vom Patienten in der akuten Phase des Rückenschmerzes erworbene Angst vor Bewegungen postuliert, die zu Schonverhalten mit einer weitgehenden Vermeidung von Bewegungen und so langfristig zu einer Dekonditionierung des muskoloskeletalen Systems führt. So entsteht ein Teufelskreis Schmerz ◊ Angst vor Bewegung ◊ Bewegungsvermeidung ◊ Schmerzsensitivierung ◊ Schmerz. Unsere Arbeitsgruppe berichtet über eine laufende fMRT-Studie zu der Frage, ob sich das Konstrukt der Angst vor Bewegungen durch
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Angst vorm Messer – Emotionen und emotionale Auslenkung bei Operationen M. Hüppe Universität zu Lübeck, Klinik für Anästhesiologie
Angst vor Emotionen und Schmerz H. C. Traue Sektion Medizinische Psychologie, Universität Ulm Die Suppression emotionaler Reaktionen kann als Komponente einer allgemeinen Theorie der Hemmung als dysfunktionale Emotionsregulation betrachtet werden. Als subjektive Krankheitstheorie äußern auch viele Schmerzpatienten die Überzeugung, dass es sie krank macht, wenn sie ihre Gefühle unterdrücken. Empirische Daten aus experimentellen und klinischen Studien können in ein psychobiologisches Pfadmodell zwischen Stress, emotionaler Hemmung und Parametern von Krankheitsprozessen zusammen geführt werden (Traue & Deighton, 2007). Die Bedeutung von emotionaler Hemmung insbesondere für Kopfschmerz wurde mit unterschiedlichen Methoden in neueren Studien bestätigt: Längsschnittstudien mit zeitreihenanalytischen Methoden des ARIMA Modells (Traue et al. 2005), und Fragebogenstudien mit Angerw als Indikator für emotionale Hemmung (Nicholson et al, 2003). Ein direkter experimenteller Nachweis dieses Zusammenhangs gelang Quantana & Burns (2007). Die Autoren untersuchten den Effekt der Unterdrückung von Ärgererleben und Ägerausdruck unter mentalem
Stress, der mit einem Schmerzstimulus (cold pressure) gepaart wurde. Unter der Suppressionsbedingung waren das subjektive Schmerzerleben und die äger-bezogenen Kognitionen signifikant erhöht. Die Autoren bezeichnen diesen Effekt, nicht unberechtigt, als paradox, weil andere Studien – allerdings unabhängig von Schmerzverarbeitung – eine Reduktion physiologischer Reaktionen unter Suppressionsbedingungen fanden (Lissek et al. 2007). Vaalonen et al. (2002) interpretieren ihre experimentellen Befunde von Kindern mit Kopfschmerzen so, dass sowohl Externalisierung als auch Internalisierung als dysfunktionale Emotionregulation zu Schmerzen beitragen und einen Vulnerabilitätsfaktor bilden. Neuere neurobiologische Befunde zur Emotionsregulation sollen im Hinblick auf diese Widersprüche diskutiert werden. 1. Nicholson et al. (2003) Differences in anger expression between individuals with and without headache after controlling for depression and anxiety. Headache. 2003 Jun;43(6):651-63 2. Lissek et al. (2007) Emotion Regulation and Potentiated Startle Across Affective Picture and Threat-of Shock Paradigms. Biol. Psychol. 76 (12) 124-133 3. Quartana & Burns (2007) Painful consequences of anger suppression. Emotion. 2007 May Vol 7(2) 400-414 4. Traue & Deighton (2007) Emotional Inhibition. In G. Fink (Ed.) Encyclopedia of Stress, San Diego: Academic Press 2nd edition 5. Traue et al. (2005) Alltagsstress, emotionale Befindlichkeit, Hemmung und chronische Kopfschmerzen: Zeitreihenstatistische Analyse von 31 Einzelfällen, Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin, 26, 2, 213 239 6. Vaalamo et al. (2002) Interactive effects of internalizing and externalizing problem behaviors on recurrent pain in children.J Pediatr Psychol. 27(3):245-57
Somatoforme Schmerzen – Standortbestimmung und zukünftige Entwicklung Diagnose und Differenzialdiagnose somatoformer Schmerzen – Aus Sicht der Therapieforschung R. Nickel1, U. T. Egle2 1 Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, HSK Wiesbaden, Standort Schlangenbad; 2 Psychosomatische Fachklinik Gengenbach, Gengenbach Hintergrund: Patienten mit somatoformen Schmerzstörungen oder Somatisierungsstörungen mit Leitsymptom Schmerz haben die Tendenz auf psychische und psychosoziale Belastungen mit körperlichen Beschwerden zu reagieren. Die aktuelle wissenschaftliche Diskussion beschäftigt sich mit der Frage einer diagnostischen Neuordnung dieser Patientengruppe. Ein Aspekt dieser Diskussion ist, in wie weit Patienten, die die bisherigen diagnostischen Kriterien nicht vollständig erfüllen, dennoch adäquat abgebildet werden können. Dies ist auch deshalb relevant, da diese Patienten, Patienten mit multiplen somatoformen Symptomen, ebenfalls eine deutliche Beeinträchtigung zeigen und zudem Kosten verursachen. Fragestellung: Charakterisierung von Patienten mit den Diagnosen einer Somatoformen Schmerzstörung bzw. Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz hinsichtlich komorbider psychischer Störungen, dem Ausmaß der Beeinträchtigung, Bewältigungsstrategien und Krankheitsvorgeschichte. Dies wird mit Blick auf mögliche Therapiestrategien diskutiert. Ergebnis: 282 Patienten mit der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung (n = 218) oder Somatisierungsstörung (n = 58) wurden mit Hilfe von SKID I und II, einer biografischen Anamnese und Fragebögen (SOMS, CSQ, SF-36) weiter untersucht. Auch wenn Patienten mit einer Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz insgesamt mehr Beschwerden aufwiesen (M=18,9, SD 6,9, p < .0001) als Patienten mit einer somatoformen Schmerzstörung (M=11,6, SD 6,5), war das Vor-
handensein weiterer somatisierter Beschwerden neben Schmerzen, etwa Schwindel, Übelkeit und Erbrechen kennzeichnend für beide Gruppen. So gaben 13,8% der Patienten mit einer somatoformen Schmerzstörung (≤ 5), 33,8% (6 bis 12) und 31,3% (≥ 13) Symptome an. Patienten mit wenigen (≤ 5, n = 40) verglichen mit vielen (6-12, n = 100) oder (≥ 13, n = 135) körperlichen Symptomen zeigten hinsichtlich der Copingstrategien im CSQ (Aufmerksamkeitsablenkung p > .01, Katastrophisieren p = .001, Aktivitätssteigerung p = .001 und Schmerzverhalten p < .0001) sowie der Beeinträchtigung der Lebensqualität (SF-36; körperlich p < .0001, psychisch p < .0001) signifikante Unterschiede. Eine stärkere Symptombildung war dabei mit einer höheren Beeinträchtigung bzw. ungünstigeren Bewältigungsstrategien assoziiert. Erwartungsgemäß korreliert eine höhere Symptombelastung (SOMS) auch mit dem Vorhandensein einer psychischen komorbiden Störung. Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse unterstützen grundsätzlich das Festhalten an der Diagnosegruppe, geben aber auch Anregung für mögliche Modifikationen und relativieren die Differenzierung zwischen somatoformer Schmerzstörung und Somatisierungsstörung (mit Leitsymptom Schmerz): Zum einen zeigen sich unabhängig vom Ausmaß der Symptomatik vergleichbare Bewältigungsstrategien bei Patienten dieser Gruppe, zum anderen sind sie hinsichtlich des Ausmaßes der aktuellen Beeinträchtigung höher belastet. Eine Differenzierung innerhalb einer gemeinsamen Kategorie im Sinne einer Schweregraduierung (Ausmaß der Beeinträchtigung, Dauer, Krankheitsmodell, Bewältigungsstrategien, Krankheitsgewinn) – vergleichbar mit der im ICD-10 bereits bei depressiven Störungen vorhandenen – könnte eine sinnvolle Alternative sein. Diagnose und Differenzialdiagnose somatoformer Beschwerden – Aus Sicht der Klinik W. Häuser Innere Medizin I (Gastroenterologie, Hepatologie, Stoffwechselerkrankungen, Infektiologie, Psychosomatik), Klinikum Saarbrücken Aus Sicht einer integrierten internistischen Psychosomatik ist eine Klassifikation von chronischen Schmerzen ohne erklärende strukturelle Läsionen bzw. biochemische Abweichungen aus Gründen der Dokumentation und klinischen Forschung notwendig. Die Diagnosekriterien einer somatoformen Störung nach ICD-10 und DMS-IV sind nicht präzise definiert. Daher zieht es der Autor bei chronischen Schmerzen ohne erklärende strukturelle Läsionen bzw. biochemische Abweichungen vor, eine deskriptive Diagnose eines funktionellen somatischen Syndroms (physical symptom disorder), dessen Symptomund Zeitkriterien präzise definiert sind, wie Fibromyalgiesyndrom (FMS) oder Reizdarmsyndrom zu stellen. Durch weitergehende psychotherapeutische Diagnostik wird abgeklärt, wie viele „somatoforme“ Anteile (somatische Fixierung mit einseitigen somatischen subjektiven Krankheitsursachen und wiederholten Forderungen nach technischer Ausschlussdiagnostik, psychosoziale oder emotionale Konflikte in zeitlichem Zusammenhang mit dem Auftreten oder Intensivierung der Schmerzsymptomatik, hohes subjektives Beeinträchtigungserleben) bei dem jeweiligen Patienten vorliegen. Weiterhin erfolgt eine strukturierte Diagnostik bzgl. körperlicher und psychischer Komorbiditäten. In dem Vortrag werden Daten dieser biopsychosozialen Simultandiagnostik von zwei FMS-Stichproben (Angehörige der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung, Schmerz- und Psychosomatikambulanz eines Tertiärzentrums) dargestellt. Diagnose und Differenzialdiagnose somatoformer Schmerzen – Konzeptuelle Sicht P. Henningsen Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Medizinische Psychologie der TU München Das konzeptuelle Verständnis somatoformer Schmerzen ist in den letzten Jahren in Bewegung geraten. Im Vortrag werden insbesondere klassifikatorische, aber auch pathophysiologische Entwicklungen vorgestellt: Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts • die Diskussion zu somatoformen Schmerzen im Hinblick auf ICD11 u. DSM-V • die neue Ergänzungs-Kategorie „Schmerzstörung“ in der deutschen ICD-10 • das Verhältnis zu funktionellen somatoformen Syndromen wie Fibromyalgie oder Reizdarmsyndrom sowie das Verhältnis zur Depression • die neueren Befunde zu funktionellen und strukturellen Korrelaten zentraler Verarbeitungsstörungen bei somatoformen Schmerzen Im Fazit soll deutlich werden, dass die bisherige Kategorie der somatoformen Schmerzstörung nach ICD-10 F45.4 erhebliche Probeme aufweist, dass aber das Konzept von Schmerzen, die nicht primär durch peripher organische Schäden verursacht sind, an Bedeutung in letzter Zeit eher zu- als abgenommen hat.
Schmerz und Suizidrisiko Epidemiologie von Suizid und Suizidrisiko bei Schmerzen C. O. Schmidt, R. A. Fahland, A.-B. Watzke, T. Kohlmann Institut für Community Medicine, Abteilung Methoden der Community Medicine, Greifswald Rund 10.000 Selbstmorde werden pro Jahr in Deutschland verzeichnet. Welcher Anteil hiervon auf chronischen Schmerz zurückzuführen ist, kann derzeit nur vage geschätzt werden. Gesichert ist immerhin, dass chronischer Schmerz konsistent mit einer erhöhten Rate von suizidalen Gedanken, Suizidversuchen und erfolgreichen Suiziden assoziiert ist – die Chance entsprechender Gedanken und Handlungen ist bei Personen mit chronischen Schmerzen deutlich erhöht. Hinsichtlich der Bewertung dieser Assoziationen ist zu berücksichtigen, inwieweit diese spezifisch für bestimmte Schmerzformen sind, welchen Einfluss die untersuchte Population besitzt und durch welche Prozesse der Zusammenhang erklärbar wird. So konnte wiederholt gezeigt werden, dass Migräne mit mehr suizidbezogenen Gedanken und Handlungen einherging als andere Schmerzstörungen, während für neuropathische Schmerzen schwächere Effekte auftraten (Smith et al. 2004). Da die meisten Studien bei Patienten durchgeführt wurden, sind Generalisierungen auf die Allgemeinbevölkerung problematisch. Für diese gibt es bislang wenige, aber dennoch aussagekräftige Daten, die ebenfalls den Zusammenhang zwischen chronischem Schmerz und suizidalen Gedanken und Handlungsformen bestätigen (z.B. Ratcliffe et al. 2008). Problematisch ist hingegen die Annahme einer Kausalität: Wiederholt konnte aufgezeigt werden, dass suizidale Gedanken und Handlungsformen in stärkerem Maße auf begleitende psychiatrische, insbesondere affektive Störungen zurückführbar sind und weniger unmittelbar auf das Schmerzproblem selbst. Dennoch blieben die Zusammenhänge oft von klinischer Relevanz, selbst wenn für Depressivität und weitere psychiatrische Störungen kontrolliert wurde. Eine praktische Folgerung hieraus ist, suizidale Einstellungen bei chronischen Schmerzpatienten auch dann zu explorieren, wenn keine Hinweise auf weitere psychiatrische komorbide Störungen vorliegen. 1. Ratcliffe GE et al. Chronic pain conditions and suicidal ideation and suicide attempts: an epidemiologic perspective. Clin.J.Pain 2008;24:204-10. 2. Smith MT et al. Suicidal ideation, plans, and attempts in chronic pain patients: factors associated with increased risk. Pain 2004;111:201-8. Suizid und Suizidrisiko – Welche Rolle spielt chronischer Schmerz? P. Nilges, C. Mainitz DRK Schmerz-Zentrum Mainz, Institut für klinische Psychologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Der umgangssprachlich so bezeichnete „Freitod“ wird oft gerade dann gewählt, wenn die Freiheit der Entscheidung eingeschränkt ist. „Auf einmal wußte ich, dass ich alle Probleme lösen könnte, die mir so furchtbar ausweglos erschienen – nur dieses eine nicht: gerade gesprungen zu sein“.
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Diese Äußerung eines Menschen, der während einer depressiven Phase von der Golden Gate Bridge gesprungen war, und überlebt hatte, deutet an, wie vielschichtig die Entscheidungen, Bewertungen und damit auch die therapeutischen Konsequenzen sein können. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen treten Suizidgedanken, -absichten und -handlungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger auf. Intuitiv wird dies mit der Symptomatik selbst in Verbindung gebracht. Auch im klinischen Alltag wird dieser Zusammenhang in der Diskussion mit Patienten bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit von Angaben zur Schmerzstärke gelegentlich hergestellt: „Sie geben ständig eine Stärke von 10 an, das ist ein Selbstmordschmerz, ist das wirklich so stark?“ Tatsächlich ist in bisherigen Studien der Zusammenhang mit Schmerzcharakteristika selbst nicht eindeutig. Ein weiterer Aspekt betrifft die mit Schmerz assoziierten psychischen Belastungen: Das Risiko, bei Schmerzen depressive Störungen zu entwickeln, ist deutlich erhöht. Zudem kann die Intensität komorbider Depressionen bei zusätzlicher Belastung durch Schmerz verstärkt werden. Während Suizidgedanken dabei ein häufiges (und in der Diagnostik zentrales) Symptom darstellen, ist der Zusammenhang mit konkreten Suizidabsichten und Suizidversuchen unklar, zuverlässige Zahlen fehlen. In einer eigenen Studie wurden mit strukturierten Interviews und Fragebögen die psychische Belastung (Depressivität, Angst, Stressbelastung), Schmerzcharakteristika und Merkmale von Suizidalität (Gedanken an den Tod, Suizidgedanken, -absichten) bei einer stationär behandelten Gruppe von Patienten mit chronischen Schmerzen unterschiedlicher Lokalisation erfasst. Dabei wurden sowohl die Häufigkeit als auch Intensität der Suizidtendenzen erfasst. Die direkte Bedeutung von Schmerz ist nicht nachweisbar: Weder Dauer noch unterschiedliche Variablen der Schmerzintensität stehen im Zusammenhang mit Suizidalität. Untersucht wurde die mögliche Bedeutung von Schmerzakzeptanz als Schutzfaktor gegen Suizidalität. Tatsächlich besteht ein deutlicher negativer Zusammenhang, d.h. je ausgeprägter die Tendenz ist, Schmerzen als Teil des Lebens zu akzeptieren und dennoch aktiv zu bleiben, desto geringer sind Suizidtendenzen. Diese Beziehung ist allerdings auf einen vermittelnden Einfluss von Depressivität zurückzuführen, ein direkter Zusammenhang besteht nach unseren Ergebnissen nicht. Eindeutige Beziehungen bestehen zwischen allen Aspekten der Suizidalität mit Depressivität und klinisch diagnostizierten depressiven Störungen. In weiteren Studien werden die Bedeutung der in diesem Kontext typischen Kognitionen – vor allem Katastrophisieren – untersucht sowie Hinweise auf diagnostische und therapeutische Konsequenzen gegeben. Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei Suizidrisiken V. Lindner Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Schleswig Holstein, -Campus Kiel Psychiatrisch-psychotherapeutische Zuständigkeitsbedingungen Unter forensischen Gesichtspunkten stellt die Todessehnsucht von Menschen dann eine Behandlungsindikation dar, wenn sie im Gefolge einer psychiatrischen Erkrankung auftritt, deren Symptomatologie eine Suizidalität als Ausdruck der krankheitsbedingten Eigengefährdung mit sich bringt. Eine derartige Ausgangssituation rechtfertigt auch den Eingriff in die ansonsten als hohes Rechtsgut angesehene Freiheit zur selbstbestimmten Lebensgestaltung, sobald seitens des betroffenen Patienten eine Behandlungsbereitschaft nicht besteht. Die hierzu vorhandene Rechtsgrundlage ist auf Länderebene im sogenannten Psych. KG geregelt. Übereinstimmend werden in den unterschiedlichen Gesetzestexten die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung ohne oder gegen den Willen der Betroffenen festgelegt. Sie erstrecken sich auf die Möglichkeit der Zwangsüberwachung und Zwangsbehandlung.
Umgang mit Patienten nach einem erfolgten Suizidversuch Neben einer oft zunächst im Vordergrund stehenden Behandlungsnotwendigkeit entstandener körperlicher Beeinträchtigungen ist frühzeitig zu bedenken, dass nach einem „misslungenen“ Suizidversuch die Suizidgefahr weiter groß ist und entsprechend eine intensive Überwachung der Betroffenen erfordert. Der unmittelbare Affektdruck kann durch die Gabe von Benzodiazepinen (insbesondere Lorazepam) symptomatisch gelindert werden. Das weitere Vorgehen gestaltet sich dann ursachenorientiert, wobei manchmal auch schon die Aktivierung des zur Verfügung stehenden psychosozialen Unterstützungssystems bei akuten Anpassungsstörungen eine therapeutische Entlastung darstellen kann. Umgang mit suizidgefährdeten Patienten Risikokonstellationen: Akute Anpassungsstörung auf (häufig schuldhaft verursachte) Lebenskatastrophen Schwere seelische Grunderkrankungen (insbesondere Depressionen) im Stadium der Symptomverschärfung und der Stabilisierungsphase Dauerhafte Störungsmuster (z.B. Persönlichkeitsstörungen) mit chronischer Suizidalität Gefährdungsausmaß: 1. Überzeugung eines unzureichenden Lebenswertes der eigenen Lebenssituation. 2. Konkreter Todeswunsch ohne Realisierungsabsicht auf Grund persönlicher Vorbehalte. 3. Todeswunsch ohne Realisierung auf Grund einer krankheitsbedingten Antriebshemmung oder unzureichender Fähigkeit zur zweckhaften Handlungskonzeption. 4. Die Durchführung des Suizids füllt das Denken aus ohne die Wahrnehmung von Gegenargumenten oder fortdauernder seelischer Ausnahmezustand nach erfolgtem Suizidversuch. Therapeutische Intervention: Ansprechen einer vermuteten „echten“ Suizidalität. Für 1. Psychotherapeutisch-psychiatrische Behandlung der Grundstörung mit entsprechender Bearbeitung der krankheitsbedingten Überzeugungshintergründe. Für 2. Vereinbarung eines „Vertrages“ bei erhaltener Absprachefähigkeit des Patienten Für 3. und 4. Stationäre Überwachung mit Behandlung der Grundstörung Probleme: Ambivalenzkonflikt des Patienten kann nach scheinbar erfolgreicher Intervention das Suizidrisiko paradox erhöhen. Der getroffene Entschluss zum Suizid führt zu einer emotionalen Entlastung und suggeriert den Behandlern eine Zustandsverbesserung. Bei Patienten mit verminderter Impulskontrolle und chronischer Suizidalität besteht ein oft kaum beherrschbares bzw. vorhersehbares Risiko.
Achtsamkeit und Akzeptanz: Neue Konzepte und Strategien in der Schmerztherapie - Eine kritische Analyse Mindfulness – was ist das und kann man es messen? H. Walach University of Northampton, School of Social Sciences & Samueli Insitute, European Office (www.siib.org) Das Konzept der Achtsamkeit (engl. Mindfulness) stammt aus dem Theravada Buddhismus und ist einer Lehrrede ca. 100 v. Chr. das erste Mal schriftlich fixiert worden. Ende der 1970er Jahre wurde das Konzept in einem nicht-religiösen Rahmen von Jon Kabat-Zinn aufgegriffen und in einem strukturierten Stressbewältigungstraining (MBSR) verwendet. Unter Achtsamkeit versteht man eine bestimmte Grundhaltung sich selbst und der Welt gegenüber, die vor allem von den beiden Hauptfaktoren kontinuierlich Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment und bedingungslose Akzeptanz geprägt ist. Weitere zentrale Eigenschaften sind eine nicht-wertende Haltung, Anfängergeist, Offenheit, sowie ein positives und liebevolles Herangehen an alle Erfahrungen. Geübt wird die Acht-
samkeit formal in der Meditation oder informell bei Alltagstätigkeiten. Im klinischen Bereich kommen vor allem die beiden manualisierten Programm MBSR und MBCT (mindfulness based cognitive therapy) zur Anwendung. Für erstes ergab eine Metaanalyse kontrollierter Studien mittelgroße Effektstärken (d=0.5) bei einer Vielzahl von chronischen Erkrankungen. Gemessen wird die Achtsamkeit als latentes Konstrukt indirekt über Fragebogen. Dazu gibt es mittlerweile sieben verschiedene Instrumente. Neuere Ansätze versuchen eine achtsame Haltung auch in experimentellen Settings zu messen. In der Schmerztherapie stellt MBSR und andere akzeptanzbasierte Ansätze ein verhaltensmedizinisches Kursprogramm zur Verfügung, das vor allem geeignet ist, das Coping bei chronischen Schmerzen zu verbessern und dadurch die Lebensqualität zu erhöhen. Die Patienten/ innen übernehmen vermehrt die Eigenverantwortung für ihre Befindlichkeit und lernen durch die unvoreingenommene akzeptierende Haltung die Grundmechanismen ihres Schmerzes und ihrer Schmerzaufrechterhaltenden Verhaltensweisen kennen. Konzepte und Anwendung achtsamkeits- und akzeptanzbasierter Therapien in der Behandlung chronischer Schmerzen am Beispiel der Acceptance and Commitment Therapy (ACT) M. Lüking Interdisziplinäres Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Freiburg Die Verhaltenstherapie hat sich seit ihren Anfängen kontinuierlich weiterentwickelt. Während in der so genannten ersten Welle der Verhaltenstherapie Verhalten und seine Veränderung unter dem Einfluss klassischer und operanter Lernprozesse betrachtet wurden, erweiterte sich die Perspektive in der so genannten zweiten Welle um die Einbeziehung der Kognitionen und Emotionen: neben dem offenen und damit direkt beobachtbaren Verhalten wurde das verdeckte Verhalten (Kognitionen) in die Interventionen einbezogen, indem Verhaltensänderungen direkt auf die Veränderung von Kognitionen zurückgeführt und entsprechende Interventionen entwickelt wurden. In der so genannten dritten Welle der Verhaltenstherapie wird sowohl offenes als auch verdecktes Verhalten in seinem Kontext, d.h. seiner zeitlichen und funktionalen Geschichte, betrachtet. Dabei steht nicht das Erscheinungsbild des Verhaltens, sondern seine Funktion im Mittelpunkt des Interesses. Es werden daher nicht Gedankenprozesse selbst verändert, sondern die Beziehung der Person zu diesen Prozessen. Therapieansätze, die dieser dritten Welle der Verhaltenstherapie zugerechnet werden und die zunehmend Anwendung bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten finden, sind die Acceptance und Commitment Therapy (ACT) von Steven Hayes (1999) und die auf ihr basierende CCBT (Contextual Cognitive-Behavioral Therapy; McCracken, 2005). In diesen Therapieansätzen geht es nicht darum, Schmerzerfahrungen durch direkte Arbeit an schmerzbezogenen Kognitionen zu verändern. Vielmehr werden die Schmerzpatienten darin unterstützt, Gesundheitsverhalten in Richtung persönlich wertvoller Erfahrungen – unabhängig von den Schmerzen und den automatisch damit einhergehenden Gefühlen und Gedanken – auszubauen und somit eigenes Verhalten zu Flexibilisieren. Gradmesser ist dabei, inwieweit das jeweilige Verhalten dabei hilft, persönlich wichtige Richtungsziele zu verfolgen. Therapeutische Interventionen lassen sich dabei auf der einen Seite akzeptanz- und achtsamkeitsbasierten Strategien, auf der anderen Seite Strategien zu Werteklärung und zur Förderung wertebezogenen Verhaltens zuordnen. Die diesen Verfahren innewohnende Sichtweise ist für im Rahmen bisheriger kognitiv-behavioraler Ansätze arbeitender Schmerzpsychotherapeuten zunächst ungewohnt und wirft zahlreiche Fragen auf: handelt es sich um komplementäre oder ergänzende Konzepte? Gibt es Schnittstellen zwischen den Ansätzen und wenn ja, wo liegen sie? Gibt es unter den chronischen Schmerzpatienten eine spezielle Zielgruppe für diese Ansätze? Eine kurze Darstellung der Therapieansätze und deren Anwendung in verschiedenen schmerztherapeutischen Settings soll die Grundlage für eine Diskussion in Bezug auf die praktische Einordnung dieser Ansätze bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten bilden. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Mindfulness-Based Stress-Reduction in der Schmerztherapie – Stand der Evidenz A. Koch, C. Nachtigall, G. Ströhle, K. Mitte, B. Strauß Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Methodenlehre und Evaluationsforschung, Lehrstuhl für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie & Psychologische Diagnostik, FSU Jena; Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Jena der FSU Jena Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) ist ein auf der Achtsamkeitspraxis des Theravada-Buddhismus basierendes manualisiertes Trainingsprogramm. Losgelöst von religiösen Kontexten wurde es als acht- bis zwölfwöchiges, hoch-strukturiertes Gruppentherapieprogramm konzipiert. Mittels differenzierter Therapiebausteine wird den Teilnehmern die achtsame Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks verdeutlicht. Durch die regelmäßige Übung ist der Patient zeitlich, emotional und kognitiv hoch in die Achtsamkeitsmeditationspraxis involviert. Therapieziele sind die Entwicklung emotionaler Stabilität und die Auflösung dysfunktionaler Einstellungen über eine ganzheitliche Implementierung der Achtsamkeit in den Alltag. Primäranalytisch liegen heterogene Befunde hinsichtlich der präventiven und therapeutischen Wirkung des MBSR vor. Metaanalytisch wurden bereits mittlere Effekte für verschiedene gesundheitsbezogenen Parameter aufgezeigt. Die Ergebnisse konnten im Rahmen dieser aktualisierten Metaanalyse über eine größere Menge eingeschlossener Studien, Kontrolle der Studienqualität, differenziertere Effektstärkenkategorien, Analyse von Publikationsverzerrungen und über die Integration in Random-EffectModelle generalisierend und abgesichert repliziert werden. In einer Vorstudie konnten keine Moderatoren des Therapieerfolges, deren Existenz diese spezifische Intervention eigentlich nahe legen würde, im Rahmen der homogenen Effekte identifiziert werden. Für die medizinische Betreuung von Patienten mit schmerzassoziierten chronischen Erkrankungen kann MBSR eine wertvolle Alternative oder Zusatztherapie im Rahmen der konservativen Behandlung darstellen. Akzeptanz und Selbsteffizienz – Konträre Konzepte? B. Kröner-Herwig Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Göttingen Self efficacy (deutsch: Selbsteffizienz /Selbstwirksamkeit; SE) ist ein Begriff, der von Bandura geprägt wurde und in den Kontext einer Theorie der Selbstregulation zu stellen ist. SE ist zuvorderst als ein kognitives Konstrukt zu betrachten, nämlich als SE-Erwartung. Dies beinhaltet die Überzeugung auf eigene innere Prozesse bzw. auf Situationen Einfluss nehmen zu können. Somit hat das Konstrukt einen engen Bezug zum Prozess der Bewältigung, der nach Lazarus eine emotionsregulierende bzw. eine situationskontrollierende Funktion hat. Eine hohe SE-Überzeugung führt nach Bandura zu adaptiven emotionalen Reaktionen und funktionalem Verhalten. Dem entsprechend ist eine Erhöhung der SE ein in jeder Therapie erwünschter Prozess, so auch in der Schmerztherapie. Hohe SE-Überzeugung führt dazu, dass im Sinne der Emotionsregulierung das Gefühl der Hilflosigkeit im Umgang mit dem Schmerz abgebaut wird und Hoffnungslosigkeit und Depressivität sich verringern. Gleichzeitig bestimmt SE, welche Verhaltensweisen gewählt werden in Konfrontation mit den bedrohlichen Stressor „Schmerz“. Sie beeinflusst die Fähigkeit, ein Verhalten trotz Hindernissen aufrecht zu erhalten (z.B. weiter sportlichen Freizeitaktivitäten nachzugehen, trotz Schmerz). Eine hohe SE wird somit in der kognitivbehavioralen Therapie des chronischen Schmerzes zu einem übergeordneten Ziel, da dieser Zielzustand sowohl auf emotionaler Ebene wie auf der Verhaltensebene langfristige positive Auswirkungen zeigt. In diesem Sinne moderiert SE die Beziehung von Schmerz und Beeinträchtigung. Eine Reihe von Befunden stützt die Annahme, dass die Stärkung von SE zu einer Minderung der schmerzbedingten Beeinträchtigung führt. Akzeptanz wird von den Vertretern des Konzepts (z.B. McCracken) häufig als konträr zum Konzept der Kontrolle (Schmerzkontrolle) gese-
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hen und vor den Gefahren des Versuchs, Kontrolle (z.B. Schmerzkontrolle) zu erreichen, gewarnt. Akzeptanz wird als mehrdimensionales Konstrukt verstanden. Dabei werden die folgenden Komponenten unterschieden: 1) „activity engagement“ (seine Lebensziele ungeachtet des Schmerzes zu verfolgen), 2) „pain willingness“ (Überzeugung, dass Vermeidung und Kontrolle von Schmerz oft unmöglich sind), 3) „thought control“ (Überzeugung, dass Schmerz über Gedanken nicht verändert werden kann) und 4) „chronicity“ (Anerkennung, dass sich der Schmerz nicht verändert). Die Protagonisten des Akzeptanzansatzes vertreten die Auffassung, dass „mindful based therapy“ (MST) oder „acceptance and commitment therapy“ das Erreichen von Akzeptanz am besten fördern und damit zu mehr Lebensqualität und weniger Beeinträchtigung gegenüber dem Schmerz führen. Erste Befunde, in denen eine erhöhte Akzeptanz mit weniger Beeinträchtigung einhergeht, stützen diese Erwartung. Somit scheint also beides, Selbsteffizienz und Akzeptanz, mit verbessertem Befinden einher zu gehen. Eine genauere Analyse der Akzeptanz zeigt, dass der erste Faktor „activity engagement“ auch als ein Bestandteil des SE zu verstehen ist. Alle kognitiv-behavioralen Therapieprogramme enthalten die Zielvorgabe, Aktivitäten – insbesondere Selbstwert fördernde – „trotz“ Schmerz aufrecht zu erhalten. Pain willingness zu erreichen scheint verwandt mit der Absicht der klassischen Schmerztherapie „Schmerzfreiheit“ als persönliches Ziel des Patienten durch die „Ertragbarkeit“ des Schmerzes abzulösen, was auch als Bedeutungsbestandteil des Subfaktors der Akzeptanz der „chronicity“ zu verstehen ist (Die Schmerzen werden bleiben). Eine Grundannahme der MST geht davon aus, dass über Kognitionsveränderungen keine Schmerzkontrolle zu erreichen ist und langfristig eher nachteilige Konsequenzen hat. Gedanken (ob negative oder positive) sollten dagegen als vorübergehende „Erscheinungen“ gelassen hingenommen werden. Eine große Zahl von Befunden zeigt jedoch eine enge Beziehung von kognitiven Prozessen wie Katastrophisierung und Leiden am Schmerz. Hier sind konzeptuelle Widersprüche zwischen der klassischen KVT mit dem Kernkonzept der Selbsteffizienz und der MST mit ihrem Kernkonzept Akzeptanz nicht zu leugnen. Es sollte geprüft werden, welche Beziehung die Subfaktoren der Variablen Akzeptanz, insbesondere der Faktor „thought control“, mit SE sowie der schmerzbedingten emotionalen und behavioralen Beeinträchtigung aufweisen.
Therapiealgorithmen und Clinical Pathways Physiotherapie bei chronischen Rückenschmerzen. Versorgungsstrukturen im Spannungsfeld zwischen Leitlinien und Realität Möglichkeiten und Grenzen von Physiotherapie in der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen im Bewegungssystem K. Niemier Sana Kliniken Sommerfeld, Kremmen Der zielgerichtete Einsatz von Physiotherapie ist ein Baustein in der Therapie chronischer Schmerzen. Physiotherapie kann kausal Funktionsstörungen des Bewegungssystems und des vegetativen Nervensystems behandeln, sowie symptomatisch zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. Die wichtigsten Funktionsstörungen und die aktuelle Evidenzlage sollen in diesem Beitrag dargestellt und die Umsetzung von funktionellen Behandlungsstrategien im klinischen Alltag diskutiert werden.
Physiotherapeutische Versorgungsstrukturen und leitliniengerechter Einsatz von Physiotherapie im Alltag W. Seidel Klinik für Manuelle Medizin, Fachkrankenhaus für nichtoperative Orthopädie und Schmerzmedizin, Sana Kliniken Sommerfeld, Kremmen Physiotherapie wird in allen Leitlinien zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen empfohlen. Der gezielte Einsatz ist in der Praxis u. a. durch Budgetierung begrenzt. In Komplexangeboten (z. Bsp. Erweiterte Ambulante Physiotherapie – EAP, Rückenintensivprogrammen, ambulanter Reha) ist befundgerechte Anwendung von Physiotherapie möglich. Im stationären Setting sind unter DRG-Bedingungen OPS für Komplexbehandlungen (Frühreha; Geriatrie, Rheumatologie, chronische Schmerzerkrankungen, Schmerzerkrankungen am Bewegungssystem) geschaffen, die die Anwendung von Physiotherapieverfahren zulassen und zum Teil vorgeben. Gleiches gilt für die stationäre Rehabilitation. Grundsätzliches Problem ist die Diskrepanz zwischen der häufigen Anwendung, der unzureichenden Studienlage für klinische Wirksamkeit und daraus resultierendem unübersichtlichem Verordnungsverhalten. Der Schlüssel für die gezielte Anwendung ist nach differenzierender interdisziplinärer Diagnostik ein auf schmerzassoziierte Befunde gerichteter Einsatz von Physiotherapiemitteln. Die Rolle der Physiotherapie in ambulanten Komplexprogrammen D. Seeger Georg-August-Universität, Humanmedizin, Schmerzklinik/BE Physiotherapie, Göttingen In der Therapie von Rückenschmerzen hat sich in den vergangenen Jahren ein Wandel vollzogen, der sich auch auf die physiotherapeutische Behandlung auswirkt. Algorithmen ärztlicher Leitlinien geben bestimmte Handlungsweisen vor, an denen sich verordnende Ärzte orientieren. Als Basis für die Verordnung steht der Heilmittelkatalog zur Verfügung. Dort ist für komplexe Probleme die Therapieverordnung D1 vorgesehen, die Einzeltherapie mit aktiven oder passiven Maßnahmen vorsieht und ergänzende Maßnahmen wie Wärme oder Kälte mit einbezieht. Für den Aufbau der Muskelkraft ist in diesem Paket KG am Gerät (KGG) mit einbezogen. Diese Verordnungsmöglichkeit spiegelt den Therapiebedarf einer komplexen Problematik z.B. eines Patienten mit Rückenschmerzen, sagt aber nichts über die notwendige Vorgehensweise in einer modernen Komplextherapie, z.B. multimodaler und/oder interdisziplinärer Therapieprogramme aus. Obwohl die Effektivität von Komplexprogrammen mittlerweile erwiesen und anerkannt ist, müssen die Inhalte jenseits des Heilmittelkatalogs definiert und umgesetzt werden. In diesem Vortrag werden die Maßnahmen der Physiotherapie zur möglichen Umsetzung in einem multimodalen und/oder interdisziplinären Programm in Beziehung gesetzt.
Transferforschung Modelle zur Schmerzchronifizierung: messbare Phänomene und/oder klinische Relevanz? Wenn Schmerzen Spuren hinterlassen – Untersuchungen zum Schmerzgedächtnis bei Kindern C. Hermann Abteilung Klinische Psychologie & Psychotherapie, Justus-Liebig-Universität Gießen Sowohl Tier- als auch Humanbefunde belegen, dass das somatosensorische System zum Zeitpunkt der Geburt noch einer deutlichen strukturellen und funktionellen Reifung unterliegt. Die Perinatalperiode könnte somit eine besonders sensible Phase für strukturelle oder funktionelle
Veränderungen des schmerzverarbeitenden Systems durch Schmerzerfahrungen darstellen. Humanbefunde zu längerfristigen Veränderungen der Schmerzverarbeitung infolge früher Schmerzerfahrungen liegen jedoch bisher kaum vor. In einer Reihe von Studien konnten wir bei Schulkindern mit frühen Schmerzerfahrungen mittels psychophysischer Messmethoden (Quantitative Sensorische Testung) und funktioneller Bildgebung zeigen, dass insbesonder frühgeborene Kinder mit Schmerzerfahrungen unmittelbar nach der Geburt eine veränderte Schmerzwahrnehmung haben. In einer weiteren Studie wurde überprüft, ob solche langfristigen Veränderungen der Schmerzempfindlichkeit auch dann zu beobachten sind, wenn die Schmerzerfahrungen in einem Zeitraum gemacht werden, in dem das schmerzverarbeitende System funktionell ausgereift ist. Hierzu wurden reifgeborene Kinder im Alter von 9 bis 16 Jahren untersucht, die zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat auf Grund einer Verbrühung oder Verbrennung stationär behandelt wurden. Ingesamt legen unsere Ergebnisse nahe, dass Schmerzerfahrungen unmittelbar nach der Geburt und auch im frühen Kleinkindalter langfristige Veränderungen in der Schmerzverarbeitung zur Folge haben können. Allerdings weisen diese Veränderungen in Abhängigkeit von Art und Zeitpunkt der Schmerzerfahrung ein differentielles Muster hinsichtlich der betroffenen Schmerzmodalität und der jeweils veränderten Schmerzempfindlichkeitsparamter auf.
Chronisch regionales Schmerzsyndrom: Transfer von der Grundlagenforschung in die Klinik und Praxis Wechselspiel pro- und antiinflammatorischer Zytokine als ein Baustein der Entstehung und Aufrechterhaltung des CRPS C. Sommer, N. Üçeyler Neurologische Klinik der Universität Würzburg Bei jedem Trauma, auch bei Traumata, die ein CRPS nach sich ziehen, werden in der Akutphase große Mengen an pro-inflammatorischen Zytokinen produziert und freigesetzt. Diese akute entzündliche Reaktion wird durch anti-inflammatorische Zytokine gegenreguliert. Eine Vorstellung zur Pathogenese des CRPS ist, dass ein Defizit der lokalen Entzündungshemmung besteht und somit die entzündlichen Vorgänge ungebremst ablaufen. Daher ist die Messung der Spiegel pro- und antiinflammatorische Zytokine in Blut, Liquor oder Gewebeproben von Patienten mit CRPS seit einigen Jahren für verschiedene Arbeitsgruppen von großem Interesse. Wir und andere fanden reduzierte Werte für anti-inflammatorische Zytokine in Liquor und Serum von Patienten mit CRPS, was auf eine Imbalance zwischen diesen Systemen hinweist. Diese Annahme wird zudem durch Berichte über eine erfolgreiche analgetische Behandlung von Patienten mit CRPS mittels anti-TNFTherapie gestützt. Warum bei Patienten mit CRPS diese Imbalance im Zytokinsystem vorliegt ist noch unklar, es könnten sowohl genetische Faktoren wie auch eine vorherige Stimulation des Immunsystems durch Krankheitserreger eine Rolle spielen. Die Schlussfolgerungen aus diesen Befunden für die Therapie des CRPS müssen in kontrollierten Studien überprüft werden. Bilder einer veränderten Schmerzverarbeitung des Gehirns beim CRPS: Von der funktionellen Bildgebung zum Funktionstraining beim Patienten F. Birklein Neurologische Universitätsklinik Mainz Chronischer Schmerz hat seine Warnfunktion längst verloren – er ist vielmehr ein emotionales, oft angstbesetztes Erleben von insuffizienter körperlicher Funktion (Interozeption), vor allem bei Patienten mit CRPS. Wie durch die Ergebnisse funktioneller Bildgebungsstudien der letzen Jahre eindrucksvoll belegt, hinterlässt dieses chronische Schmerzerleben tiefgreifende Spuren im Gehirn von CRPS Patienten: Aktivierungsmuster werden modifiziert, synaptische Verbindungen werden geknüpft oder gehen verloren. Das Stichwort dazu heißt „NeuDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts roplastizität“. Spannend daran ist, dass dies nicht nur ein einfacher neurophysiologischer Vorgang ist, sondern auf diese Art und Weise wird unsere Persönlichkeit verändert. Im aktuellen Vortrag werden diese neuroplastischen Veränderungen, die mit chronischem Schmerzerleben in Verbindung stehen, eingehend beleuchtet. Es wird gezeigt, dass bei CRPS das Gehirn durchgreifend modifiziert ist. Chronischer Schmerz beeinflusst nicht nur Sensibilität, er verändert auch vegetative Reaktionen und motorische Fähigkeiten. Um dies nachzuweisen haben wir uns der funktionellen Kernspintomographie und der Positronenemissionstomographie (PET) bedient. Die Ergebnisse dieser funktionellen Bildgebungsstudien haben geholfen, moderne Therapiestrategien zu entwickeln, die die kortikale Reorganisation gezielt antagonisieren. Auf diese Art und Weise wird die Physiotherapie eine Art Verhaltenstherapie. Die Ergebnisse sind beeindruckend, auch bei jahrelang vorher unbehandelbaren Schmerzen. Mit Unterstützung der DFG und des BMBF (DFNS) Quantitative sensorische Testung beim CRPS: Von der Pathophysiologie-basierten Diagnostik zur Therapie R. Rolke1, T. Eberle1, N. Üçeyler2, C. Sommer2, M. Bernateck3, M. Karst3, F. Birklein1 1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2 Klinik für Neurologie, Universitätsklinik Würzburg, 3 Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Hannover Die Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) erfolgt nach klinischen Kriterien. Als klinisches Korrelat bestehen bei Patienten mit CRPS häufig sensible Pluszeichen im Sinn einer mechanischen häufiger als thermischen Hyperalgesie sowie dynamisch mechanischen Allodynie, die mittels konventioneller elektrophysiologischer Verfahren nicht abgebildet werden können. Beim CRPS nach Nervenverletzung findet sich oft zusätzlich eine Hypästhesie oder Hypalgesie im Sinn sensibler Minuszeichen. Zur Erfassung des vollständigen somatosensorischen Phänotyps einschließlich aller sensiblen Plus- und Minuszeichen steht die quantitative sensorische Testung (QST) zur Verfügung. Im Rahmen der Untersuchung von Patienten mit CRPS führten wir QST entsprechend dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz (DFNS) durch. Dabei wurden 13 QST Parameter bestimmt – einschließlich der Erfassung von thermischen und mechanischen Detektions- und Schmerzschwellen. Die QST zeigt dabei, dass beim CRPS unterschiedliche neurobiologische Schmerzmechanismen detektiert werden können. Als häufigstes Phänomen findet sich eine gesteigerte Tiefenschmerzempfindlichkeit, die auf eine periphere nozizeptive Sensibilisierung von tiefer liegenden Geweben hinweisen kann. Zusätzlich zeigen viele Patienten eine Überempfindlichkeit gegenüber spitzen mechanischen Reizen (Pinprick-Hyperalgesie) und dynamisch mechanische Allodynie nach leichten Berührungsreizen. Diese Symptome weisen auf eine mögliche zentrale Sensibilisierung der Schmerzempfindlichkeit hin. Sensible Minuszeichen deuten auf eine Deafferenzierung als weiteren Mechanismus der Schmerzentstehung hin. Das Konzept einer Mechanismen basierten Behandlung beim CRPS soll die am Schmerzgeschehen beteiligten Mechanismen einschließlich psychischer Komorbiditäten berücksichtigen. Im Vordergrund steht dabei vor interventionellen Verfahren ein medikamentöses Management, das der Behandlung anderer neuropathischer Schmerzsyndrome gleicht.
Rheumatischer Schmerz Eicosannoide, Prostaglandine, Endocannabinoide M. Schäfer Klinik für Anästhesiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin Im Fokus rheumatischer Beschwerden stehen Schmerz und Entzündung, welche traditionell durch eine Inhibition der Cyclooxygenase recht wirksam gelindert werden können. Die Entwicklung selektiver COX-1 und COX-2 Inhibitoren hat die Diskussion typischer Neben-
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wirkungen dieser Substanzen, wie kardiovaskuläre Komplikationen, Magen-Darm- und Nierentoxizität erneut belebt. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch ein sehr viel komplexeres Bild von rheumatischem Schmerz und Entzündung. Das Enzym Prostaglandin E Synthase zum Beispiel, welches konstitutiv in den meisten Geweben exprimiert wird und für die letztendliche Produktion von PGE2 verantwortlich ist, ist als ein mögliches neues Ziel therapeutischer Interventionen identifiziert worden. Ebenso können neu entwickelte Antagonisten der korrespondierenden Rezeptoren für das PGE2, die EP1-4 Rezeptoren, eine mögliche therapeutische Option sein. Eicosanoide, wie die von der Lipoxygenase herrührenden Lipoxine, spielen nachweislich eine tragende Rolle bei der Begrenzung und Auflösung entzündlicher Prozesse. Sie verhindern ein weitere Einwanderung von Entzündungszellen und unterstützen deren Abtransport. Abkömmlinge der Omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind als mögliche Kandidaten identifiziert, diesen Heilungsprozess zu fördern. Endocannabinoide, die ebenso wie PGE2 und Lipoxine aus Phospholipiden der Zellmembran entstehen, verlieren ihre Wirksamkeit durch Aufnahme in die Zelle und nachfolgende Hydrolyse. Neuste Entwicklungen zielen auf die Inhibition dieser Aufnahme und Hydrolyse durch Blockade des Enzyms der Fett-Säuren-Amid-Hydrolase (FAAH). Potentielle Substanzen werden zur Zeit von der pharmazeutischen Industrie entwickelt. Erste Studien an Patienten zeigen, dass diese neuartigen Erkenntnisse von klinischer Relevanz sind.
Proof-of-PAINconcepts: Differenzierte humane Surrogatmodelle der Schmerzmodulation in der translationalen Medizin Humanes Surrogatmodell des postoperativen Schmerzes: Implikationen für Mechanismus, Verlauf und Therapie E. M. Pogatzki-Zahn Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Münster (UKM) Etwa 7 Mio. Menschen müssen sich in Deutschland jährlich einem chirurgischen Eingriff unterziehen. Mehr als 60% der postoperativen Patienten berichten dabei über starke (und damit unzureichend therapierte) Schmerzen. Die Therapie postoperativer Schmerzen stellt also, trotz einer Vielzahl zur Verfügung stehender Analgetika, immer noch ein Problem dar. Dies liegt unter anderem daran, dass die Therapie postoperativer Schmerzen nicht an den speziellen Mechanismen orientiert ist, die dieser speziellen Art von Schmerzen zugrunde liegen. Nachdem in den letzten Jahren tierexperimentelle Untersuchungen (anhand eines sogenannten Inzisionsmodells) verschiedene pathophysiologische Mechanismen postoperativer Schmerzen nachweisen konnten (siehe zur Übersicht Ref. 1 und 2), müssen diese Ergebnisse nun in die Klinik übertragen werden. Untersuchungen in einem Inzisionsmodell an freiwilligen Probanden sollen hier einen wichtigen Zwischenschritt darstellen. Dieses humane Schmerzmodell, bei dem eine 4 mm breite und 7 mm tiefe Schnittverletzung in den Unterarm von Freiwilligen durchgeführt wird, führt zu den bei postoperativen Schmerzen nachgewiesenen Phänomenen nichtevozierter Ruheschmerzen so wie evozierter Schmerzen auf verschiedene mechanische und thermale Reize. Mittels QST konnte kürzlich von uns in diesem Modell die Ausprägung und der Zeitverlauf verschiedener Schmerzphänomene charakterisiert werden. Mechanistische Untersuchungen in diesem Surrogatmodell für den postoperativen Schmerz zeigen – wie auch im Tiermodell – eine Vielzahl von Besonderheiten, die postoperativen Schmerzen unterliegen. Beispiele hierzu sollen in diesem Vortrag aufgezeigt und in den klinischen Zusammenhang gebracht werden. Hierzu gehören Verabeitungsprozesse im Gehirn, die mittels fMRI nach Inzision bei freiwilligen Probanden untersucht worden sind so wie Aspekte zu geschlechtsspezifischen Besonderheiten. Insgesamt wird durch diese Untersuchungen am Menschen nach experimenteller Inzision deutlich, dass postoperative Schmerzen einer speziellen Entität zugrunde liegen. Die Wirksamkeit und auch Unwirksamkeit bestimmter
Therapieverfahren und pharmakologischer Substanzen für Schmerzen nach einer Operation können in diesem humanen Surrogatmodell in der Zukunft weiter untersucht werden und damit die Therapie postoperativer Schmerzen in der Zukunft möglicherweise deutlich verbessern. 1. Pogatzki-Zahn EM, Zahn P, Brennan TJ: Postoperative pain—clinical implications of basic research. Best Practice & Research Clinical Anaesthesiology. 2007; 21: 3-13 2. Zahn PK, Pogatzki EM, Brennan TJ: Mechanisms for pain caused by incisions. Reg Anesth Pain Med. 2002; 27: 514-516. Humanes Surrogatmodell des Entzündungsschmerzes: Die Bedeutung entzündlicher Komponenten für die Schmerzmodulation C. Maihöfner Neurologische Klinik mit Poliklinik, Erlangen; Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Erlangen; Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Surrogatmodelle für neuropathische Schmerzen bieten die Möglichkeit bei gesunden Probanden Mechanismen von Schmerz und Hyperalgesie kontrolliert zu untersuchen. Sowohl durch den Einsatz von ausgefeilten psychophysischen Methoden, als auch von funktionellen bildgebenden Methoden haben sich dabei neue Einblicke in die Verarbeitungsprozesse von stimulus-evozierten Schmerzen ergeben. In dem Vortrag wird der Einsatz von Surrogatmodellen in bildgebenden Studien demonstriert. Eingegangen wird dabei auf die Capsaicin-induzierte Hyperalgesie, die Menthol-induzierte Kältehyperalgesie, das Modell der UV-B-induzierten Hyperalgesie und die elektrisch-induzierte mechanische Hyperalgesie. Die zentrale Verarbeitung der verschiedenen Hyperalgesiearten wird erläutert. Zunehmend werden Surrogatmodelle auch verwendet, um die pharmakologische Modulation von Schmerz und Hyperalgesie durch Schmerzmedikamente besser zu verstehen. Aktuelle bildgebende Studien werden vorgestellt, die sich mit der pharmakologischen Modulation des Capsaicinmodells, des UV-B-Modells und der elektrisch-induzierten Hyperalgesie beschäftigen. Auch Funktionen der endogenen Schmerzhemmung können mit Hilfe von Surrogatmodellen untersucht werden. Neue Befunde zeigen des Weiteren, dass bei verschiedenen Surrogatmodellen neuroplastischen Vorgänge induziert werden, die mit sensiblen Ausfallserscheinungen (Hypästhesie und Hypalgesie) einhergehen. Schließlich wird darauf eingegangen, wie sich die zerebralen Aktivierungsmuster bei Surrogatmodellen von Studien unterscheiden, in denen Patienten mit neuropathischen Schmerzen untersucht worden sind. Humanes Surrogatmodell der zentralen Sensibilisierung: Die Rolle synaptischer Langzeitpotenzierung bei der Modulation natürlicher somatosensorischer Empfindungen T. Klein Lehrstuhl für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Zentrale Sensibilisierung v.a. erregender spinaler nozizeptiver Neurone spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung einer zum Teil lang anhaltenden gesteigerten Schmerzempfindung bei einer ganzen Reihe unterschiedlicher, klinischer Entitäten. So findet man Zeichen zentraler Sensibilisierung beispielsweise postoperativ in einem weiten Bereich um das Operationsgebiet, beim Entzündungsschmerz und beim neuropathischen Schmerz. Zentrale Sensibilisierungsprozesse werden in erste Linie für Änderungen der somatosensorischen Wahrnehmung verantwortlich gemacht, die sich zum Teil weit über das eigentlich betroffene Gebiet hinaus erstrecken (sog. sekundäre Hyperalgesie). Als Ursache kommen dabei einerseits indirekt Mechanismen wie der Verlust inhibitorischer Interneurone im Rückenmark (z.B. beim neuropathischen Schmerz) in Betracht, andererseits spielen direkte Mechanismen wie eine durch synaptische Aktivität hervorgerufene lang anhaltende Steigerung der synaptischen Übertragungsstärke (Langzeitpotenzierung, LTP), die auch für Lernen und Gedächtnisprozessen u.a. im Hippocampus und
im Neocortex verantwortlich gemacht werden, eine wichtige Rolle. Anhand eines humanen Surrogatmodells nozizeptiver Langzeitpotenzierung (Schmerz-LTP) soll in dem Vortrag anhand des Profils der somatosensorischer Veränderungen gezeigt werden, dass sich die durch zentrale Sensibilisierung veränderte Empfindung auf bestimmte somatosensorische Modalitäten und Submodalitäten beschränkt. Außerdem soll gezeigt werden, dass zentrale Sensibilisierung auch für somatosensorische Veränderungen am Ort des eigentlichen Schmerzgeschehens (dem Gebiet der sog. primären Hyperalgesie) verantwortlich sein kann und auf diesem Weg somatosensorische Veränderungen, die auf einer Sensibilisierung nozizeptiver Afferenzen beruhen (periphere Sensibilisierung), möglicherweise ergänzt.
Natriumkanäle: Hyperexzitabilität bei chronischen Schmerzen – vom Mechanismus zur Klinik Natriumkanäle: Hyperexzitabilität bei chronischen Schmerzen – vom Mechanismus zur Klinik P. W. Reeh Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen Seitdem der Capsaicinrezeptorkanal TRPV1 kloniert ist, hat sich die Forschung für antinozizeptive Medikamente auf das primärafferente Neuron konzentriert, tendiert aber neuerdings weg von der rapide wachsenden Komplexität der sensorischen Transduktion mit ihrer Vielzahl von Ionenkanälen und Rezeptoren. Stattdessen gewinnt die Entstehung und Leitung von Aktionspotentialen an Interesse, weil sie nur eine Hand voll spannungsgesteuerter Natriumkanäle (NaV) in den nozizeptiven Nervenendigungen beschäftigt. Seltene familiäre Mutationen mit Funktionsverlust des menschlichen Gens für NaV1.7 erzeugen das erstaunliche Erscheinungsbild einer totalen kongenitalen Schmerzunempfindlichkeit ohne offensichtliche Defizite im zentralen und autonomen Nervensystem, obwohl NaV1.7 nicht nur in sensorischen Neuronen sondern auch im Gehirn und in sympathischen Ganglien exprimiert ist. Während NaV1.7 der lange postulierte Schwellenkanal für die Auslösung von Aktionspotentialen zu sein scheint, dient NaV1.8 praktisch nur in Nozizeptoren dazu, das eigentliche Aktionspotential zu formen und die Natriumkanalinaktivierung bei schnellen Aktionspotentialerfolgen hintan zu halten. Dies ist eine besondere Leistung, wenn die Nervenendigungen z.B. in entzündetem Gewebe einer Dauerdepolarisation ausgesetzt sind oder wenn die Hauttemperatur unter 20°C sinkt. Dann nämlich unterliegt NaV1.7 der Inaktivierung (Kälteblock), gleichzeitig steigt aber der Membranwiderstand, wodurch der höher schwellige aber kälteresistente NaV1.8-Kanal in die Lage versetzt wird, die Schwellenkanalfunktion für die Aktionspotentialentzündung zu übernehmen. Das erklärt, warum der Kälteblock nicht auch den Kälteschmerz oder andere Schmerzen bei Kälte verhindert. Vielleicht ist NaV1.8 daher auch an Kälteallodynie bei peripherer Neuropathie beteiligt. NaV1.9 schließlich ist ein spannungsgesteuerter Natriumkanal, der schon bei Membranruhepotential partiell offen ist und als Verstärker kleiner reizbedingter Depolarisationen (Generatorpotentiale) gilt. Knockout-Tiere zeigen reduzierte entzündliche Hyperalgesie und reagieren kaum auf Bradykinin, Serotonin und ATP. Selektive Blocker für die interessanten Natriumkanäle kommen gerade zögerlich an die Öffentlichkeit, wecken aber große therapeutische Hoffnungen. Durch die Hintertür kommt auch der Capsaicinrezeptor TRPV1 wieder ins Spiel, weil sein besonders weiter Ionenkanal das sonst nicht membrangängige Lidocainderivat QX-314 in nozizeptive Nervenfasern eindringen lässt. Die Substanz gewinnt so eine selektive lokalanästhetische Wirkung, wenn sie mit Capsaicin kombiniert wird, das den Kanal öffnet. TRPV1 wird auch durch Gewebsazidose, eine Vielzahl von endogenen „Vanilloiden“ aktiviert und durch Entzündung(smediatoren) sensibilisiert; vielleicht braucht QX-314 daher gar keinen exogenen Türöffner, um in Nozizeptoren Ruhe zu stiften. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Natriumkanäle bei der Nervenregeneration im Tiermodell W. Jänig Physiologisches Institut, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Geschädigte afferente Neurone können ektop Spontanaktivität, Mechanosensibilität und/oder Thermosensibilität (für Kalt- und Hitzereize) entwickeln. Diese ektopen Aktivitäten entstehen besonders am Läsionsort oder distal vom Läsionsort in regenerierenden afferenten Neuronen. Geschädigte kutane myelinisierte (A-) Fasern sind im Wesentlichen mechanosensibel und wenig spontan aktiv. Geschädigte unmyelinisierte (C-) Fasern können mechanosensibel, hitzesensibel oder kaltsensibel sein oder Kombinationen dieser funktionell spezifischen Sensibilitäten zeigen. Darüber hinaus können sie Spontanaktivität entwickeln. Diese ektop generierten spontanen und evozierten Aktivitäten in den geschädigten afferenten Neuronen können durch eine experimentelle Entzündung gefördert werden. Es wird vermutet, dass die spontan und durch physiologische Reize generierten Aktivitäten in den geschädigten afferenten Neuronen neuropathische Schmerzen nach mechanischen, metabolischen oder viralen Nervenläsionen auslösen können. Die Spontanaktivität erzeugt zentral (z.B. im spinalen Hinterhorn), auf dem Boden von komplexen morphologischen und molekularen Veränderungen, eine Übererregbarkeit, die die Grundlage ist für spontane und evozierte neuropathische Schmerzen (z.B. mechanische Allodynie, Kaltallodynie). Klinische und tierexperimentelle Beobachtungen legen nahe, dass spannungsabhängige Natriumkanäle in den Membranen der primär afferenten Neurone verantwortlich sind für Erzeugung der ektopen Spontanaktivität und damit auch der neuropathischen Schmerzen. Diese Natriumkanäle bestehen aus 9 Isoformen, von denen 5 für die Erregbarkeit und Fortleitung der primär afferenten Neurone wichtig sind. Sie werden in Tetrodotoxin-sensible Natriumkanäle (NaV1.1, NaV1.6, NaV1.7) und Tetrodotoxin-resistente Natriumkanäle (NaV1.8, NaV1.9) eingeteilt. NaV1.1 und NaV1.6 werden besonders in afferenten Neuronen mit myelinisierten Axonen exprimiert, NaV1.7 in allen afferenten Neuronen und NaV1.8 und NaV1.9 besonders in afferenten Neuronen mit unmyelinisierten Axonen (vor allen nozizeptiven afferenten Neuronen). Nach einer Nervenläsion verändert sich die Expression dieser spannungsabhängigen Natriumkanäle in komplexer Art. Diese Ergebnisse sagen nicht voraus, ob die veränderte Expression eines bestimmten Natriumkanals oder einer Kombination von Natriumkanälen das entscheidende Ereignis ist in der Erzeugung der ektopen Spontanaktivität. Weiterhin ist die Expression von NaV1.7 und NaV1.8 während einer experimentellen Entzündung besonders in afferenten Neuronen mit unmyelinisierten Axonen hochreguliert. Da die peripheren Mechanismen neuropathischer Schmerzen eine chronische inflammatorische Komponente haben, könnte diese Hochregulation der Expression von NaV1.7 und NaV1.8 für die Erregbarkeit geschädigter afferenter Neurone mit unmyelisierten Axonen wichtig sein. Unterstützend für die Idee, dass die Erregbarkeit und ektop erzeugte Spontanaktivität axotomierter afferenter Neurone in der Entstehung und Aufrechterhaltung neuropathischer Schmerzen eine Rolle spielt, ist die Beobachtung, dass systemische oder lokale Gaben niedriger Dosen eines Lokalanästhetikums (z.B. Lidocain, Bupivacain), die nicht die Fortleitung in den afferenten Neuronen blockieren, neuropathische Schmerzen bei Patienten signifikant reduzieren können und die Aktivität in axotomierten afferenten Neuronen partiell oder vollständig verringern können. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass die selektive Blockade spezifischer Natriumkanäle durch Pharmaka in der Behandlung neuropathischer Schmerzen in näherer Zukunft erfolgreich sein könnte. 1. Amir R, Argoff CE, Bennett GJ, Cummins TR, Durieux ME, Gerner P, Gold MS, Porreca F, Strichartz GR (2006) The role of sodium channels in chronic inflammatory and neuropathic pain. J Pain 7:S1-29 2. Julius D, McCleskey EW (2006) Cellular and molecular properties of primary afferent neurons. In: Wall and Melzack´s Textbook of Pain. 5th edition (McMahon SB, Koltzenburg M, eds), pp 35-48. Edinburgh: Elsevier Churchill Livingstone
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Assoziation genetischer Polymorphismen von Natrium-Kanälen mit charakteristischen sensorische Phänotypen bei neuropathischen Schmerzen A. Berthele Neurologische Klinik, Technische Universität München Auch wenn neuropathische Schmerzen nicht als klassische Erbkrankheit aufzufassen sind, gibt es erbliche Formen einer pathologisch verminderten oder vermehrten Schmerzempfindung. Hierbei haben Polymorphismen in Genen von Natrium-Kanälen eine große Bedeutung – sind sie doch ursächlich für seltene erbliche Syndrome wie PEPD („Paroxysmal extreme pain disorder“), „congenital inability to experience pain“ oder die erbliche Form der Erythromelalgie. In welcher Form die beschriebenen Polymorphismen die Funktion von Natrium-Kanälen beeinflussen und damit einen spezifischen sensorischen Phänotyp bedingen, ist bereits gut untersucht. Dies soll im Beitrag dargestellt werden – vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, welche Schlussfolgerungen für die Mechanismen von neuropathischen Positiv- oder Negativsymptome im Allgemeinen daraus gezogen werden können.
Versorgungsforschung Alltag in deutschen Schmerzzentren: Kenndaten von über 10.000 Patienten Schmerzklientel in deutschen Schmerzzentren – Demographische Daten, Diagnoseverteilung und psychometrische Kenndaten der QUAST-Analysestichprobe J. Frettlöh Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH Abteilung für Schmerztherapie, Bochum Der Vorstand der DGSS initiierte 1998 mit dem Dokumentationssystem QUAST „Qualitätssicherung in der Schmerztherapie“ die Einrichtung einer großen anonymisierten Datenbank. Diese wird aus zahlreichen deutschen Schmerzeinrichtungen (mittlerweile mehr als 125) gespeist. Bis Juni 2004 konnten über 10.000 Datensätze aus 19 kooperierenden schmerztherapeutischen Einrichtungen für eine differenzierte Analyse heran gezogen werden. Auch außerhalb Deutschlands stellt die hier vorgestellte und diskutierte Datenbank die bislang größte Datenbasis für schmerzbezogene wissenschaftliche Fragestellung dar. Trotz unzureichender Repräsentativität erbringt die durchgeführte Analyse beachtliche Erkenntnisse über die Klientel in speziellen schmerztherapeutischen Einrichtungen: Nahezu 75% der 10.054 Patienten der Analysestichprobe beklagen einen Dauerschmerz. Die Erkrankungsdauer liegt im Mittel bei sieben Jahren, aber entgegen bisheriger Überzeugungen suchen mehr als 20% bereits innerhalb der ersten 12 Monate eine spezialisierte schmerztherapeutische Einrichtung auf. 42% geben im Erstfragebogen (DSF) an, dass sie eine Rente beziehen. Besonders zu erwähnen ist auch die psychische Belastung, die in der hier untersuchten Stichprobe höher ausfällt als die bisherigen Vergleichswerte (Prozentränge im QUAST) für diese Klientel vorsahen. Neben der deskriptiven Auswertung der gesamten Analysestichprobe erfolgte auch eine Auswertung getrennt nach Schmerzdiagnosegruppen, wobei die Hauptdiagnose „Rückenschmerz“ am häufigsten und der „Neuropathischer Schmerz“ am zweithäufigsten vertreten ist, gefolgt von „Muskel, Gelenk- und Knochenschmerz“ und „Kopfschmerz“ als vierthäufigste Diagnosegruppe. Die diagnosespezifische Analyse weist die Patienten mit Kopfschmerzen bzgl. mehrerer Schmerzparameter und psychometrischer Kennwerte als abweichende und die Patienten mit Neuropathischem Schmerz als überaus durchschnittliche Patientengruppe aus. Neben den erwähnten Diagnose bezogenen Besonderheiten sind auch
alters, geschlechts- und sozialstatusbezogene Unterschiede zu erwarten. Für diese und andere vertiefende Fragestellungen (siehe nachfolgender Vortrag) stellt die hier vorgestellte Auswertung zentraler soziodemographischer und schmerzbezogener Daten sowie die Bestimmung psychometrische Kennwerte der QUAST-Analysestichprobe die Ausgangsbasis dar. Schmerztherapie in deutschen Schmerzzentren – Schmerzchronifizierung und Behandlungserfolg M. Hüppe Universität zu Lübeck, Klinik für Anästhesiologie Das von H.-U. Gerbershagen entwickelte Mainzer Stadienmodell der Schmerzchronifizierung (MPSS) ist das in Deutschland am häufigsten verwendete Modell zur Klassifikation der Chronizität von Schmerzen. Das Modell beschreibt eine 3-stufige Stadieneinteilung, die das Ergebnis der Beurteilung von 4 Achsen über insgesamt 10 Items zusammenfasst. Der Beitrag stellt Ergebnisse zur Konstruktvalidität und zur therapiebezogenen prognostischen Validität des MPSS vor. Die Befunde basieren auf Auswertungen der QUAST-Analysestichprobe (N=10.054). Berücksichtigt werden die Angaben des „Erstfragebogens der Patienten“ (Schmerzfragebogen der DGSS) und die des letzten verfügbaren „Verlaufsfragebogens“. Die Auswertungen zur Konstruktvalidität belegen, dass ein höheres Chronifizierungsstadium mit stärkerer schmerzbedingter Beeinträchtigung und verringerter gesundheitsbezogenen Lebensqualität verbunden ist. Das gilt unabhängig vom Schmerzsyndrom. Patienten aller Chronifizierungsstadien beschreiben signifikante Verbesserungen über die Zeit in Numerischen Ratingskalen zum Schmerz und in psychometrischen Verfahren (PDI: schmerzbedingte Beeinträchtigung; ADS: Depression; SF-36: gesundheitsbezogene Lebensqualität). Einige Verfahren (z.B. PDI) zeigen im Stadium I deutlichere Verbesserungen als im Stadium III, in anderen Verfahren (z.B. ADS) sind Veränderungen im Stadium III numerisch größer als im Stadium I. Das Ausmaß der Veränderungen fällt in den verschiedenen Schmerzdiagnosegruppen unterschiedlich aus, wobei Patienten mit der Hauptschmerzdiagnose „Kopfschmerz“ in allen Chronifizierungsstadien die deutlichsten Verbesserungen im PDI, im ADS und im SF-36 erzielen. Die Auswertungen der QUAST-Analysestichprobe widersprechen damit der häufig genannten Hypothese, dass Patienten mit höherem Chronifizierungsstadium ineffektiver behandelbar seien. Schmerzdokumentation in deutschen Schmerzzentren – Perspektiven mit dem Datenerfassungssystem QUAST C. Maier, H. H. Gockel Bergmannsheil Bochum, Abteilung für Schmerztherapie, Bochum; Krankenhaus Tutzing, Klinik für Anästhesie QUAST ist am 23.3.2008 10 Jahre alt geworden und weltweit eines der größten Datenbanksysteme in der Schmerztherapie mit über 100.000 dokumentierten Patienten. Es wird aktuell in mehr als 150 schmerztherapeutischen Einrichtungen in Deutschland als Standardinstrument zur Dokumentation schmerztherapeutischer Inhalte eingesetzt. QUAST hat sich für Nationale Netzwerkprojekte (DFNS) bewährt und wird in Kürze auch in europäischen Konsortien eingesetzt werden. QUAST ist auch zur Internen Qualitätssicherung geeignet, erfordert aber eine statistische Auswertung zusätzliche Programme. Das Präsidium der DGSS hat bekräftigt, dass QUAST das zentrale EDV-Instrument für die Schmerztherapie in Deutschland ist. Noch nicht gelungen ist bisher, die seinerzeit geplante Externe Qualitätssicherung (EQS) zu initialisieren. Dieses ist die Aufgabe des kommenden Jahrzehnts, QUAST wird hier einen zentralen Beitrag liefern. QUAST kann im Prinzip mit anderen Einleseinstrumenten und Fremdprogrammen kooperieren. Im vergangenen Jahr wurde QUAST aktualisiert (u.a. der neue deutsche Schmerzfragebogen) und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin wurden palliativmedizinische Inhalte
implementiert. Konkretes Ziel ist jetzt, mit der EQS zu beginnen. Die Festlegung eines Basisdatensatzes Schmerztherapie wird ein erster Schritt sein. Darüber hinaus soll Quast durch eine Kombination mit anderen anwenderfreundlichen Programmen noch besser auf die Bedürfnisse der niedergelassenen Schmerztherapeuten zugeschnitten werden. Für Ärzte anderer Fachdisziplinen, die u.a. auch eine qualifizierte Schmerztherapie betreiben wollen, wird gegenwärtig ein neues Konzept erarbeitet, in das die Erfahrung des QUAST-Projektes einfließen wird.
Leitlinien in der Palliativmedizin Empfehlungen der DGP T. Jehser Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin – Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Die Palliativmedizin in Deutschland begann mit einer Pionierphase, welche mit Gründung der ersten stationären Einrichtungen 1984 begann, sich in einem Versorgungsprojekt der Bundesregierung 1990 fortsetzte und 1994 in der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) mündete. Die leitlinien- und standardbezogenen Empfehlungen der DGP werden in einer Übersicht dargestellt.
Integrationsversorgung für Patienten mit Rückenschmerzen Das IGOST/FPZ-GEK – Konzept H.-R. Casser DRK Schmerz-Zentrum, Mainz Das IGOST-FPZ-Modell stellt ein mehrstufiges, sektorenübergreifendes Versorgungsmodell für den Rückenschmerz dar, in dem eine wissenschaftliche Gesellschaft mit einem Managementunternehmen und verschiedenen Krankenkassen eng kooperiert, um inhaltlich wie auch organisatorisch die neuesten Erkenntnisse aus der Rückenschmerzforschung in die Praxis umzusetzen. Das IGOST-FPZ-Konzept ist speziell daraufhin ausgelegt, eine Chronifizierung von Rückenschmerzen zu vermeiden. Aus diesem Grunde werden alle Patienten mit Rückenschmerzen ohne Altersbegrenzung, erstmals Betroffene wie auch langjährige Fälle erfasst. Es handelt sich um ein Dreistufenmodell, das heißt, Ärzte der Erstversorgung, Fachspezialisten und Schmerztherapeuten arbeiten in einem fest strukturierten Algorithmus mit definierten Schnittstellen und eng verzahnter Dokumentation eng zusammen. Mit derzeit 72 (Stand 15.08.08) etablierten Zentren, 1167 teilnehmenden Ärzten und 11.454 eingeschriebenen Patienten sowie 29 beteiligten Krankenkassen, stellt das IGOST-FPZ-Projekt derzeit das größte Rückenschmerz-IV-Projekt in Deutschland dar. Gemeinsam mit den Krankenkassen wurden die vorläufigen Ergebnisse evaluiert und werden hier vorgestellt. Das gaf-iv TKK-Konzept T. Nolte, G. Müller-Schwefe, M. A. Überall Interdisziplinäres DGS Schmerz- & Palliativzentrum, Wiesbaden, Interdisziplinäres DGS Schmerz- & Palliativzentrum, Göppingen, Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie, Nürnberg Hintergrund: Rückenschmerzen gehören volkswirtschaftlich zu den kostenträchtigsten Gesundheitsproblemen in den Industrienationen der westlichen Welt. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt sich ihre Prävalenz diametral entgegengesetzt zur Intensität körperlicher Belastungsfaktoren im Haushalt und vor allem im Beruf und dies trotz zunehmend intensiverer medizinischer Zuwendungen. Krankenkostenanalysen belegen, dass bei insgesamt steigenden Aufwendungen der Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Anteil indirekter rückenschmerzbedingter Gesundheitskosten überproportional steigt, woraus der Schluss gezogen werden muss, dass die aktuell in Deutschland etablierten und praktizierten Therapiestrategien – zumindest bei den Patienten mit hohem Chronifizierungspotenzial – primär krankheitserhaltend, unter Umständen sogar krankheitsfördernd wirken. Problemstellung: Übliche, sich an den etablierten Strukturen des deutschen Gesundheitssystems orientierende, Ansätze zur Prävention bzw. Behandlung chronifizierender Rückenschmerzpatienten erbrachten bislang keine nennenswerten Besserungen, weshalb nach alternativen Steuerungs- und Behandlungskriterien gesucht werden muss um Risikopatienten rechtzeitig einer geeigneten multimodalen Komplextherapie zuzuführen. Methodik: Die Gesellschaft für aerztliche Fortbildung und integrierte Versorgung mbH (GAF-IV) hat deshalb mit der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) und der Techniker-Krankenkasse (TK) ein integriertes Versorgungskonzept Rückenschmerz (IVR) entwickelt, welches nach einer 12-monatigen Pilotphase seit Anfang 2007 bundesweit an insgesamt 24 Standorten mit großem Erfolg umgesetzt wird und bei dem die Zusteuerung der Patienten über die Fallmanager der Krankenkasse erfolgt. Identifikationskriterien sind eine Diagnose aus dem ICD-10 Bereich M40-54, eine mindestens 4-wöchige Arbeitsunfähigkeit sowie eine zu erwartende Krankentagegeldbezugsdauer von mind. 2 Monaten. Die Behandlung erfolgt unter ärztlicher, psychound physiotherapeutischer Betreuung individuell, multimodal und integrativ in zwei Behandlungsphasen von jeweils 4 Wochen Dauer. Ergebnisse: Bislang liegen Daten zu 1313 Patienten vor, die das IVRKonzept durchlaufen haben. Insgesamt konnten während der ersten 4 Behandlungswochen bei 57,8%, während der zweiten 4 Behandlungswochen bei weiteren 33,0% die Arbeitsunfähigkeit wegen Rückenschmerzen beendet werden. Die unmittelbar behandlungsbezogene „back-to-work“ Rate lag somit bei 90,8% (ein echter Non-Response konnte nur bei 1,5% aller Patienten nachvollzogen werden, 7,7% der Betroffenen beendeten das IVR-Projekt vorzeitig, Untersuchungen zur Nachhaltigkeit des Behandlungserfolges über sechs Monate ergaben eine anhaltende Arbeitsfähigkeit von 80,7% der Patienten. U.a. auch auf Krankenkassendaten beruhende matched-pairs-basierende Vergleichsanalysen des „normalen“ Verlaufs chronischer Rückenschmerzpatienten im Rahmen der Regelversorgung zeigten darüber hinaus für im Anschluss und die Teilnahme am IVR-Projekt eine signifikante und nachhaltige Verkürzung der Arbeitsunfähigkeitsdauer sowohl in den Monaten 1-6 (um 54%), als auch in den Monaten 7-12 (um 72%) sowie eine begleitende Senkung der stationären Behandlungskosten (um 60%). Zusammenfassung: Insgesamt erweist sich damit das GAF-IV Projekt zur Versorgung chronischer Rückenschmerzpatienten nicht nur als innovatives und medizinisch überaus effektives Konzept, sondern insbesondere auch unter Kosten-Nutzen-Aspekten als wirtschaftliches und ökonomisch zukunftsweisendes Versorgungsprojekt für chronische Schmerzpatienten. Das BBR-DAK-Konzept: Integrationsversorgung für Patienten mit Rückenschmerzen U. Marnitz, L. Weh, G. Müller, W. Seidel, K. Bienek, A. Gussek, G. Lindena Rückenzentrum am Markgrafenpark, Berlin Die konventionelle Behandlung chronischer Rückenschmerzen ist unbefriedigend. Dekonditionierung, psychosoziale Beeinträchtigungen und überlange Arbeitsunfähigkeitszeiten sind die Folge. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) bietet Versicherten mit länger dauernder Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen Rückenschmerzen ein interdisziplinäres standardisiertes Assessment beim Berlin-Brandenburger Rückennetz (DAK-BBR) an. Nach ärztlicher, physiotherapeutischer und psychologischer Untersuchung wird ein therapeutisches Programm ausgewählt. Dieses kann aus gezielter Diagnostik, ambulanter monomodaler Therapie, tagesklinischem Programm mit 2 Intensitäten oder einer stationären Behandlung bestehen. Ausgewertet wurden die Daten von 394 Wirbelsäulenkranken mit der
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führenden Diagnosegruppe „Rückenschmerzen“ (M54, 65,7%) und einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitsdauer von 92,7 Tagen. Körperliche und psychosoziale Beeinträchtigungen der Gruppe waren erheblich, die Chronifizierung mittelgradig. Es werden Verlaufsdaten 6 Monate nach dem Assessment dargestellt. Die Ergebnisse der multimodalen Therapie zeigen eine wesentliche Reduzierung der empfundenen Schmerzen, von Angst und Depression sowie eine erhebliche Steigerung des Wohlbefindens. Die Wiederaufnahmequote von Alltagsaktivitäten einschließlich der Arbeit war hoch. Die Selektion von Patienten mit chronischem Rückenschmerz durch die Krankenkasse, ein interdisziplinäres Assessment und eine abgestufte interdisziplinäre Therapie sind sehr effizient bezüglich Schmerz-, Angst- und Depressionsreduktion. Sie führen zu einer hohen sozialen Reintegrationsrate.
Versorgungsrealität bei Kopfschmerzerkrankungen Aus Sicht des niedergelassenen Kopfschmerzspezialisten V. Malzacher Reutlingen Die aktuelle Versorgung von Kopfschmerzpatienten im niedergelassenen Bereich ist geprägt durch Pauschalen und Budgets. Die Sozialgesetzgebung hat im Bereich der ambulanten Medizin durch eine der höchsten Regelungsdichten zu einer deutlichen Begrenzung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten auch im Bereich der Kopfschmerzbehandlung geführt. Die praktischen Auswirkungen von Verordnungsausschlüssen einfacher Schmerzmedikamente oder Leistungsausschlüssen unterstützender Therapiemaßnahmen wie Akupunktur belegen, dass es deutlich teurer wird, an Kopfschmerzen zu leiden. Die Zweiklassenmedizin gesetzlich – privat hat auch im Bereich der Kopfschmerzerkrankungen Einzug gehalten. Aus Sicht der stationären Versorgung K. H. Grotemeyer Neurologische Klinik, Klinikum Saarbrücken gGmbH, Saarbrücken Realität für das Krankenhaus ist heute das, was in den DRG´s abgebildet ist. Für die Kopfschmerz-DRG-„B77Z“ gibt es Kalkulationsdaten, die die Kalkulationskrankenhäuser liefern und die das INEK zur Basis genommen haben. Aus diesen Daten (2006: = 26625 Datensätze) ergeben sich Diagnosen und bis zum gewissen Grade auch das technisch das angewendete Leistungsspektrum sowie die Liegezeiten in den Kalkulationskrankenhäusern. Diagnosen: Rund 1/3 der Kopfschmerzen werden auch im Krankenhaus nicht weiter differenziert, 17,5% Migräne mit Aura, 7,3% Migräne ohne Aura, 7,5% komplizierte Migräne, 5,2% nicht weiter differenzierte Migräne und 4,7% Status migränosus lassen die Migräne zur „zweithäufigsten“ KS-Form im Krankenhaus werden. Danach folgen Spannungskopfschmerz (16,7%), Clusterkopfschmerz (2,6%) Arzneimittekopfschmerz (1,7%), Vasomotorische KS (1,1%) und posttraumatischer KS (0,5%). Verfahren: Diagnostisch angewendet wird mit 46% am häufigsten das EEG, 40% CCT, 30% natives MRT, 25% LP, 21% MRT+KM, 7,5% VEP, 7% SEP, 6,6% Intensivmonitoring, 4,5% CCT+KM, 3% NLG, 3% Schlaf-EEG neben Gastroskopie, TEE und Messung des lumbalen Liquordruckes in 1% der Fälle. Die eingesetzten diagnostischen Maßnahmen wirken für dieses Diagnosenspektrum unpassend bzw. überzogen. Verständlich wird das erst, wenn man berücksichtigt, dass diese Diagnostik nicht durch die Diagnose bei Entlassung sondern durch die Zuweisungsdiagnose getriggert wird. An einer Überprüfung von eignen 273 konsekutiven KS Diagnosen die im eigenen Haus eingewiesen wurden zeigte sich, dass die Einweisungsdiagnosen (Spannungskopfschmerz 25%, Migräne 6,5%, Meningitis 23%, SAB 24%, TIA 10%) mit den Entlassungsdia-
gnosen wenig zu tun haben. Wenn aber die „Kopfschmerz“-DRG-B77Z von Notfalleinweisungsdiagnosen getriggert wird, ist zu erwarten, dass eine bessere Leistungsund Kosten-Relation entstehen würde, wenn man statt der Entlassungsdiagnose die Notfalleinweisungsdiagnose heranziehen würde, da die Kosten im Versorgungs-Krankenhaus für Kopfschmerz-Patienten durch die Diagnostik und nicht durch Behandlung entstehen. Liegezeit: Kopfschmerz-Abklärung geht in der Regel in großen Neurologieabteilungen sehr schnell, was problematisch werden kann. Analysiert man nämlich die „Durchschnittsdaten“ findet man, dass z.B. die Zahl der „Kurzlieger“ (für die es Abschläge gibt) maximal 31% betragen sollten. Geht es häufiger schneller wird die DRG B77Z für den KHTräger nicht mehr wirtschaftlich abbildbar. Das DRG-System nivelliert so Leistung(sstärke) und wird zur realen (wirtschaftlichen) Vorgabe der noch möglichen medizinischen Versorgung. Aus Sicht einer Integrierten Versorgung T.-M. Wallasch Klinik für Interdisziplinäre Schmerztherapie, Kopf-Schmerzzentrum Berlin, Am Sankt Gertrauden Krankenhaus, Berlin Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 140 ff SGB V des GKV Modernisierungsgesetzes die Voraussetzungen für neue Versorgungsformen bei der Behandlung von komplexen chronischen Krankheitsbildern geschaffen. Die Integrierte Versorgung (IV) Kopfschmerz vernetzt zum einen ambulante, teilstationäre und stationäre Strukturen des Gesundheitswesens zur Optimierung der Versorgungsqualität der Patienten. Zum anderen ermöglicht die IV Kopfschmerz auch eine inhaltliche Integration multimodaler Therapieansätze wie medikamentöse Akuttherapie und Prophylaxe, Edukation, Verhaltenstherapie und Sport- und Physiotherapie. Die IV Kopfschmerz ist modular aufgebaut. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Patientenzufriedenheit bei exzellenten medizinischen Verbesserungen und guter Wirtschaftlichkeit: 70,1 % der Patienten, die zuvor oft über Jahre erfolglos therapiert wurden, erreichen das Ziel einer Reduktion der Kopfschmerztage um mindestens 50%. Es kommt zudem zu einer Verringerung der Fehltage bei der Arbeit um durchschnittlich 59 %. Die Zahl der Patienten, die einen Arbeitszeitverlust von mehr als 3 Tagen pro Monat nannten, sank von 58 % auf 11 % nach 6 Monaten. Die Patienten erlernen einen bewussteren und korrekten Umgang mit Schmerz- und Migränemitteln. Der Verbrauch an Schmerz- und Migränemitteln sinkt in der IV Kopfschmerz durchschnittlich um 81 %. Zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit beauftragte eine teilnehmende Krankenkasse ein unabhängiges Institut mit einer Evaluation der jährlichen Behandlungskosten von Migränepatienten. Dabei zeigte sich, dass die Behandlung in der IV Kopfschmerz über ein Jahr gerechnet etwa 20% preiswerter ist als die Regelversorgung im Rahmen der üblichen kassenäztlichen Versorgung und zu einer höheren Patientenzufriedenheit führt. Die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH) war maßgeblich die erstrealisierende gesetzliche Krankenkasse, zwischenzeitlich sind weitere Krankenkassen beigetreten. Der Zugang zur IV Kopfschmerz ist für Patienten nicht teilnehmender Krankenkassen über eine Einzelfallentscheidung möglich, bleibt jedoch insgesamt elitär.
Vulnerable Gruppen Schmerzdiagnostik und Therapie bei Patienten mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit Schmerz bei Früh- und Neugeborenen L. Garten Klinik für Neonatologie, CVVK/CBF, Charité Berlin Im Vortrag werden für das Früh- und Reifgeborene vorgestellt: 1. Methoden zu Messung und Erfassen von akuten und chronischen Schmerzen im klinischen Alltag, 2. problematische Aspekte bei der Verwen-
dung von Schmerzskalen, 3. Übersicht zu nicht-pharmakologischen und pharmakologischen Therapiemöglichkeiten bei Schmerzen, sowie 4. konkrete Therapievorschläge zu den häufigsten schmerzhaften Proceduren auf der Neonatologie. Schmerz bei Behinderten F. Ebinger Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Bereich Neuropädiatrie, Heidelberg Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger und körperlicher Behinderung haben mit größerer Häufigkeit Schmerzen als Menschen ohne Behinderung. Diese Schmerzen haben einen starken Einfluss auf die Lebensqualität. Trotz ihrer Häufigkeit und ihrer praktischen Bedeutung waren sie lange Zeit weder Gegenstand der wissenschaftlichen Erforschung noch nahmen sie die ihnen gebührende Position in der praktischen Betreuung ein. Die letzten Jahre brachten hier erste Fortschritte. Bei der Betreuung der Schmerzen von Behinderten begegnen Arzt, Pflegekraft oder Angehöriger verschiedenen Schwierigkeiten: Schmerz ist ein subjektives Erlebnis und anderen nicht unmittelbar zugänglich. Er ist nur durch beabsichtigte oder unwillkürliche Mitteilungen erfassbar. Fehlt dem Patienten die Fähigkeit, zu verbalisieren, dass er überhaupt Schmerzen hat, wo diese lokalisiert sind und wie stark sie sind, oder fehlt ihm gar die Fähigkeit, seine Missempfindung als Schmerz einzuordnen, ist der Betreuer auf nonverbale Mitteilungen angewiesen: non-verbale Vokalisationen wie Schreien, Stöhnen oder Weinen, sonstige Verhaltensänderungen, veränderter Gesichtsausdruck, veränderte Haltung von Rumpf oder Extremitäten, veränderte körperliche Aktivität oder Veränderungen physiologischer Parameter wie der Atmung, der Hautdurchblutung, der Herzfrequenz oder Muskeltonus. Hier wurden verschiedene Skalen entwickelt und auf Validität überprüft, wobei die Praktikabilität im Alltag nicht immer gewährleistet ist. Alle diese Maße sind nicht eindeutig; so dass immer überprüft werden muss, ob das ausgedrückte Unwohlsein wirklich Schmerz ausdrückt oder andere Gründe hat. Die Ursachen von Schmerzen bei Behinderten sind vielfältig. Sie können im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Beispielhaft seien Schmerzen durch einschießende Spastik, Schmerzen durch eine massive Skoliose, durch eine Hüftluxation oder durch Fußdeformitäten, Schmerzen durch falsch angepasste Orthesen, Schmerzen durch Refluxösophagitis, Obstipation oder Meteorismus bei gastrointestinaler Motilitätsstörung sowie Schmerzen durch intrakranielle Druckerhöhung genannt. Auch Schmerzen im Bereich der Augen, im HNOBereich oder solche der Zähne haben oft mit der Grunderkrankung zu tun. Nicht zu vergessen ist, dass ein Behinderter natürlich auch Schmerzen haben kann, die – wie z. B. eine Appendizitis – nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, aber durch diese eventuell schwieriger erkannt werden. Die Therapie der Schmerzen hat individuell zu erfolgen. Schmerzen durch Fehlhaltungen werden durch Physiotherapie und Lagerungstherapie, korrekt individuell angepasste Orthesen und gegebenenfalls operative Korrektur behandelt. Eine ausgeprägte Spastik wird z. B. durch orales oder intrathekales Baclofen oder durch lokale Injektion von Botulinum-Toxin therapiert. Hirndruck, Reflux oder Obstipation sind entsprechend zu behandeln. Auch bei ungeklärter Schmerzursache muss gegebenenfalls mit einer analgetischen Therapie begonnen werden. Oft ist es von großer Bedeutung, mit den familiären Bezugspersonen die Gesamtperspektive des Patienten, die Bedeutung und Therapierbarkeit von Schmerzen sowie deren Beeinflussung durch veränderte Interaktion zu besprechen. Schließlich muss auch bei schmerzhaften diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen an eine adäquate Analgesie gedacht werden Insgesamt bleibt ein großer Bedarf sowohl hinsichtlich der wissenschaftlichen Erforschung von Schmerzen bei Behinderten als auch in der Beförderung einer verstärkten Aufmerksamkeit im medizinischen Alltag. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Schmerz bei Demenzkranken K. Schepelmann, M. Kunz, V. Mylius, S. Scharmann, U. Hemmeter, S. Lautenbacher Klinik für Neurologie, Philipps-Universität Marburg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Philipps-Universität Marburg, Physiologische Psychologie, Otto-Friedrich-Universität Bamberg Patienten mit Demenz klagen seltener über Schmerzen als andere Patienten, wobei dies umso ausgeprägter ist, je weiter der kognitive Abbau vorangeschritten ist. Somit bekommen Demenzpatienten auch seltener Analgetika. Daraus ergibt sich die Frage, ob Schmerzen bei diesen Patienten seltener sind oder ob die Demenz zu einer veränderten Schmerzwahrnehmung führt, sodass diese Patienten weniger an Schmerzen leiden. Die üblichen Schmerz messenden Verfahren können bei Patienten nicht eingesetzt werden, da besonders in fortgeschrittenen Stadien die Fähigkeit zum Selbstbericht stark abnimmt. Ziel unserer Untersuchungen war, nicht nur verbale sondern vor allem nonverbale Indikatoren zur Schmerzmessung einzusetzen und die Befunde von Patienten mit schweren Demenzen, mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und gesunden alten Menschen zu vergleichen. Dazu haben wir außer der subjektiven Schmerzeinschätzung den nozizeptiven Flexorreflex und die Aufzeichnung der mimischen Schmerzreaktion verwendet. Die erhobenen Daten weisen drauf hin, dass die Verarbeitung nozizeptiver Reize bei Demenzpatienten keineswegs vermindert ist.
Assoziierte Symposien Therapie neuropathischer Schmerzen: Quo vadis? - UCB/Schwarz Pharma Aus Sicht des Wissenschaftlers R.-D. Treede Lehrstuhl für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim (CBTM), Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim Vor zehn Jahren wurde das Ziel formuliert, die Schmerztherapie an den Mechanismen der Schmerzentstehung auszurichten (Woolf et al. 1998). Unklar bleibt jedoch, was man unter dem Begriff „Mechanismus“ zu verstehen hat. Ist damit ein pharmakologischer Wirkmechanismus wie z.B. Aktivierung des NK1-Rezeptors gemeint, oder ein neurophysiologischer Mechanismus wie die ektope Impulsgenerierung? Oder geht es um den Entstehungsmechanismus eines klinischen Symptoms wie der dynamischen mechanischen Allodynie? Die Entwicklung spezifischer My-Opiatrezeptoragonisten und COX2-Antagonisten sind Beispiele für Erfolge des pharmakologischen Ansatzes. Die fehlende klinische Wirksamkeit der NK1-Rezeptorantagonisten ist ein Beispiel für deren Misserfolge. Die Stärkung der endogenen Schmerzhemmung durch einige Antidepressiva könnte man als Beispiel dafür werten, dass der neurophysiologische Ansatz funktioniert. Da in der Regel weder die molekularpharmakologischen noch die neurophysiologischen Mechanismen der Schmerzentstehung beim einzelnen Patienten diagnostisch zugänglich sind, wäre eine Orientierung an den klinischen Manifestationen dieser Mechanismen wünschenswert (Gold et al. 2006). Vor diesem Hintergrund soll diskutiert werden, welche Zielmechanismen in der Therapie des neuropathischen Schmerzes besonders viel versprechend sind. Neben der zentralen Sensibilisierung ist besonders die ektope Impulsgenerierung von Interesse, da die Signale aus dem peripheren Nervensystem letztlich über Aktionspotenziale ins ZNS gelangen. Eine Therapie mit Modulatoren von Natrium-, Kalzium- oder Kaliumkanälen, die also daran beteiligte Ionenkanäle zum Ziel hat, kann evtl. auch unabhängig von der primären Ursache der peripheren Signalentstehung wirksam sein.
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1. Woolf CJ, Bennett GJ, Doherty M, Dubner R, Kidd B, Koltzenburg M, Lipton R, Loeser JD, Payne R, Torebjörk E (1998) Towards a mechanism-based classification of pain? Pain 77:227-229. 2. Gold MS, Chessell I, Devor M, Dray A, Gereau RW, Kane SA, Koltzenburg M, Louis JC, Ringkamp M, Treede RD (2006) Peripheral nervous system targets: rapporteur report. In: Emerging Strategies for the Treatment of Neuropathic Pain, pp 3-36. Seattle: IASP Press. Aus Sicht des Klinikers R. Freynhagen Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf Neuropathische Schmerzsyndrome sind bei einer Punktprävalenz von bis zu fünf Prozent in der Allgemeinbevölkerung bereits jetzt schon ein häufiges Problem. Bei der bekannten Heterogenität neuropathischer Schmerzsyndrome sollte das therapeutische Vorgehen in höchstem Maße individuell, orientiert an der zugrunde liegenden Schmerzentität und deren Symptomkonstellation, insbesondere aber auch an den vielfach begleitenden Komorbiditäten wie Depression, Schlaf- und Angststörungen, gestaltet werden. Bezüglich der Pharmakotherapie gibt es in Deutschland bis heute keine allgemeinen Leitlinien oder evidenzbasierte Empfehlungen. Umfassende „Guidelines“ oder „Therapiealgorithmen“ sind aber in den letzten Jahren zumeist durch große Fachgesellschaften in Europa und Übersee publiziert worden und stehen uns damit als Orientierungshilfe zur Verfügung (Finnerup et al. 2005; Attal et al. 2006; Dworkin et al. 2007; Moulin et al. 2007). Es gilt zu bedenken, dass diese Empfehlungen nicht spezifisch für die deutsche Medizinlandschaft verfasst wurden und es somit potentiell zum „off-label-use“ verschiedener Substanzen kommen kann. Aufgrund der sich zunehmend verschärfenden Reglementierungen der Therapiefreiheit in Deutschland ist es daher notwendig geworden, die Indikationsgebiete und Zulassungsbeschränkungen der einzelnen Substanzen genauestens zu beachten. Trotz aller Fortschritte in der Schmerzforschung lassen derzeit noch einzelne neuropathische Krankheitsbilder keinen direkten Rückschluss auf die Wirksamkeit spezieller Arzneistoffe zu. Dementsprechend muss das bestmögliche Medikament oder die beste Kombination sowie die richtige Dosierung für jeden einzelnen Patienten zunächst durch Erprobung gefunden werden. Auf der Grundlage der international verfügbaren Daten wird derzeit eine pharmakologische Basistherapie neuropathischer Schmerzsyndrome empfohlen, die im Prinzip für alle neuropathischen Syndrome unabhängig von der Ätiologie der Erkrankung gilt. Neben Trizyklischen Antidepressiva und den neueren dualen selektiven Serotonin-Noradrenalin Reuptake-Inhibitoren spielen in den unterschiedlichen Therapieempfehlungen vor allem Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle, Antikonvulsiva mit membranstabilisierender Wirkung sowie langwirksame Opioide die wesentliche Rolle. Die Chancen auf eine wirkungsvolle Therapie haben sich in den letzten Jahren schrittweise verbessert. Aktuell wurde ein Zulassungsantrag für Lacosamid zur Therapie des diabetisch neuropathischen Schmerzes von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) zur Prüfung angenommen. Lacosamid ist ein Antikonvulsivum mit einem neuartigen dualen Wirkmechanismus. In elektrophysiologischen Studien konnte gezeigt werden, dass es selektiv die langsame Inaktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle verstärkt, ohne dabei die schnelle Inaktivierung zu beeinflussen (Errington et al. 2008). Außerdem bindet Lacosamid an CRMP-2, ein Phosphorprotein, das vor allem im Nervensystem exprimiert wird und an der Differenzierung von Nervenzellen sowie der Steuerung axonalen Wachstums beteilig ist. Diese Interaktion könnte fakultativ den Verlauf der Krankheit beeinflussen und damit neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen. Aufgrund des neuen Wirkmechanismus sowie des günstigen Nebenwirkungsprofils könnte sich die Substanz auch sehr gut zur Kombination mit verschiedenen anderen Pharmaka anbieten. Möglicherweise ergibt sich künftig mit Lacosamid eine zusätzliche Behandlungsoption.
1. Attal N, Cruccu G, Haanpaa M, Hansson P, Jensen TS, Nurmikko T, Sampaio C, Sindrup S, Wiffen P. EFNS guidelines on pharmacological treatment of neuropathic pain. Eur J Neurol 2006;13(11):1153-1169. 2. Beyreuther BK, Freitag J, Heers C, Krebsfanger N, Scharfenecker U, Stohr T. Lacosamide: a review of preclinical properties. CNS Drug Rev 2007;13(1):21-42. 3. Dworkin RH, O‘Connor AB, Backonja M, Farrar JT, Finnerup NB, Jensen TS, Kalso EA, Loeser JD, Miaskowski C, Nurmikko TJ, Portenoy RK, Rice AS, Stacey BR, Treede RD, Turk DC, Wallace MS. Pharmacologic management of neuropathic pain: evidence-based recommendations. Pain 2007;132(3):237-251. 4. Errington AC, Stohr T, Heers C, Lees G. The investigational anticonvulsant lacosamide selectively enhances slow inactivation of voltagegated sodium channels. Mol Pharmacol 2008;73(1):157-169. 5. Finnerup NB, Otto M, McQuay HJ, Jensen TS, Sindrup SH. Algorithm for neuropathic pain treatment: An evidence based proposal. Pain 2005;118 (3):289-305. 6. Moulin DE, Clark AJ, Gilron I, Ware MA, Watson CP, Sessle BJ, Coderre T, Morley-Forster PK, Stinson J, Boulanger A, Peng P, Finley GA, Taenzer P, Squire P, Dion D, Cholkan A, Gilani A, Gordon A, Henry J, Jovey R, Lynch M, Mailis-Gagnon A, Panju A, Rollman GB, Velly A. Pharmacological management of chronic neuropathic pain – Consensus statement and guidelines from the Canadian Pain Society. Pain Res Manag 2007;12(1):13-21. Aus Sicht des niedergelassenen Schmerztherapeuten K.-U. Kern Arzt für Anästhesie und Allgemeinmedizin, Schmerztherapie-Chirotherapie-Sportmedizin, Schmerz- und Palliativzentrum Wiesbaden Die Schmerztherapie hat als klinische Spezialisierung in den letzten zehn Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die beiden großen deutschen Schmerzgesellschaften, die „Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie“ (DGS) und die „Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes“ (DGSS) verzeichnen immer mehr Mitglieder. Sie konnten daher zunehmend Einfluss auf die Verbesserung der Patientenversorgung, die Forschung an den Universitätskliniken und das Bewusstsein bei den Kostenträgern gewinnen. Dank intensiver Forschung ist das Wissen gerade um neuropathische Schmerzen längst zu groß, um es durch pragmatisches Handeln zu ersetzen, andererseits bleibt die Behandlung dieser Schmerzen nach wie vor manchmal sehr unbefriedigend. Im Gegensatz zu nozizeptiven Schmerzen, bei denen Gewebetraumen über intakte, periphere und zentrale neuronale Strukturen gemeldet werden, verändern sich bei neuropathischen Schmerzen die nozizeptiven und nicht-nozizeptiven Neurone biochemisch, morphologisch und physiologisch. Mit dem Nervenschaden ändern sich die sensorischen, affektiven und motorischen Schmerzanteile, vegetative Begleiterscheinungen treten häufig hinzu. Zur effektiven Behandlung dieser Zustände benötigt der niedergelassene Schmerztherapeut ein solides Grundwissen dieser Prozesse und der damit verbundenen Symptome. Es sollte stets präsent sein, dass auch bei scheinbar arthrogenen, ossären oder muskulären Schmerzproblemen oft zusätzlich eine neuropathische Pathophysiologie vorliegen kann, weshalb auch entsprechend gezielte Behandlungsversuche oft erfolgreich sind. In der Therapie z.T. schwerer, neuropathischer Schmerzzustände standen den Schmerztherapeuten früher im Wesentlichen Opiate und trizyklische Antidepressiva zur Verfügung. Da nach Nervenläsionen Opiatrezeptoren herab reguliert werden und Antidepressiva dem Patienten oft nicht leicht zu vermitteln sind, ist es besonders begrüßenswert, dass moderne Antikonvulsiva zunehmend unser Behandlungsarsenal bereichern. Es gilt, den Stellenwert, die Chancen und Grenzen der verfügbaren Medikamente unter praktischen Gesichtspunkten darzustellen.
Schmerztherapie bei Fibromyalgie: Evidenz- oder Eminenz- basiert? Lilly Deutschland und Boehringer Ingelheim Fibromyalgie – noch immer ein unterschätztes Krankheitsbild? W. Häuser Interdisziplinäres Zentrum für Schmerztherpie und Klinik für Innere Medizin I, Klinikum Saarbrücken Das Fibromyalgiesyndrom wird über,- unter,- und fehleingeschätzt. Fehleinschätzungen: Das FMS ist keine „Erfindung“ des 20. Jahrhunderts. Das klinische Bild eines FMS wurde bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. Aus Sicht einiger Vertreter der Psychosomatischen Medizin und Psychiatrie wird das Fibromyalgiesyndrom als eine Variante von somatoformen bzw. affektiven Störungen konzeptualisiert. In Abhängigkeit von der Versorgungsstufe, den verwendeten Diagnosekriterien und -instrumenten erfüllen 40-80% der FMS-Patienten auch die Kriterien einer somatoformen bzw. affektiven Störung. Aus Sicht mancher Vertreter der Rheumatologie, Neurologie und Schmerztherapie wird das FMS als eine distinkte Krankheit mit relevanten Krankheitsfaktoren im Muskel- und Bindegewebe bzw. als eine neurobiologische Störung konzeptualisiert. Die aktuell beschriebenen peripheren Krankheitsfaktoren bzw. Störungen der zentralen Reiz- und Stressverarbeitung sind jedoch nicht konsistent nachweisbar bzw. unspezifisch. Die Verwendung des Begriffes „Fibromyalgiesyndrom“ ist korrekter als der Begriff Fibromyalgie, da es sich um ein Beschwerdebild handelt, welches durch Symptome und klinische Befunde definiert wird und für das derzeit keine anerkannten ätiologischen Faktoren und keine konsistent nachweisbare anatomische Alterationen nachgewiesen sind. Unterschätzungen: Existenz eines FMS: Vertreter der Ansicht, dass es „die Fibromyalgie nicht gibt“, werden auf die Internationale Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation, Kapitel Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes, verwiesen. In dem Unterkapitel „Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes, anderenorts nicht klassifiziert“ wird die „Fibromyalgie“ mit dem Kode ICD 10 GM M79.70, aufgeführt. Prävalenz und sozialmedizinische Folgen: 8-10% der Bevölkerung erfüllen die Kriterien eines chronischen Schmerzes in mehreren Körperregionen und 1-2% die ACR-Kriterien eines FMS. Das FMS ist mit erheblichen direkten und indirekten Krankheitskosten verbunden. Vermehrte Krankschreibungen und Frühberentungen sind in Ländern mit unterschiedlichen Sozialversicherungssystemen sowie bevölkerungsbasierten Stichproben beschrieben. Einschränkungen Lebensqualität: Die subjektive Einschrätzung des eigenen Gesundheitszustandes ist bei FMS-Patienten schlechter als bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Bei FMS-Patienten lassen sich Einschränkungen der körperlichen (Muskelkraft, Herzkreislaufausdauer) und kognitiven Leistunsgfähigkeit nachweisen. Das FMS ist mehr als eine bloße Befindlichkeitsstörung. Bedeutung von Komorbiditäten für das klinische Ergebnis: Körperliche Komorbidiäten (z. B. blande entzündlich-rheumatische Erkrankungen) werden von Vertretern der psychiatrischen und psychosomatischen Sichtweise und die Bedeutung psychischer Komorbiditäten, psychosozialer Stressoren und Krankheitsverarbeitung von Vertretern der neurobiologischen Perspektive manchmal übersehen. Überschätzungen: Von Vertretern der neurobiologischen Perspektive wird eine Therapie mit Antidepressiva bzw. Nervenschmerzmitteln propagiert. Der Nachweis einer Wirksamkeit dieser Medikamente für eine Zeitdauer > 6 Monate steht jedoch aus. Die Vertreter der psychosomatischen Perspektive sind Nachweise, das FMS durch Psychotherapie heilen zu können, bislang schuldig geblieben. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Dysfunktionelle Schmerzsyndrome - Pfizer Vulvodynie aus interdisziplinärer Sicht R. Freynhagen, M. Hampl Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Anästhesiologie (RF) Klinik für Gynäkologie (MH) Die Vulvodynie ist ein häufiges Krankheitsbild, welches sich als ein Kontinuum zwischen rein organisch bedingtem Schmerz bis zu rein somatoformen Schmerzzuständen ohne Organbefund präsentiert und damit die behandelnden Fachdisziplinen gleichermaßen vor diagnostische und therapeutische Probleme stellt. Die „International Society for the Study of Vulvar Disease“ definiert Vulvodynie als „Schmerzen der Vulva die ohne nachweisbare grobe anatomische oder neurologische Befunde oder lokale Auslöser auftreten“ (Moyal-Barracco and Lynch 2004). Charakterisiert sind die chronischen Schmerzen meist durch Brennen, Stechen, Reizung, Rauhigkeit, eine erhöhte Sensibilität oder Wundsein im Genitalbereich. Genaue Zahlen zur Prävalenz fehlen, jedoch ist von einer Punktprävalenz von 4% in der Allgemeinbevölkerung und 16% im Patientenklientel gynäkologischer Praxen auszugehen (Harlow and Stewart 2003). Die Vulvodynie entspricht nicht automatisch einem alleinigen psychosomatischen Krankheitsbild und daher müssen verschiedene somatische, insbesondere gynäkologische und dermatologische Ursachen in die Differentialdiagnostik einbezogen werden. Als auslösende Faktoren werden u.a. Dermatosen, Infektionen (z.B. Candidiasis, HPVInfektionen bzw. HPV-assoziierte Veränderungen), immunologische Faktoren und in seltenen Fällen das Vulvakarzinom und seine Vorläuferstadien diskutiert. Bei den meisten Patientinnen findet man jedoch kein fassbares klinisch-pathologisches Korrelat (essentielle Vulvodynie). Man muss hier vielmehr von Sensitivierungsphänomenen ausgehen, die offenkundig große Ähnlichkeiten zu anderen „funktionellen“ Schmerzerkrankungen aufweisen. Gehäufte Assoziationen mit dem Fibromyalgiesyndrom, dem Chronic fatigue Syndrom, dem Reizdarmsyndrom sowie unterschiedlichen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Panik und Angstsyndromen ist durch eine Vielzahl von Studien belegt. Untersuchungen haben aber bei Patientinnen mit Vulvodynie im Vergleich zu solchen mit anderen dermatologischen Erkrankungen an der Vulva keine erhöhte Inzidenz von sexuellem Missbrauch ergeben (Bodden-Heidrich et al. 1999). Unter Berücksichtigung einer zwingend interdisziplinären Diagnostik und Therapie sollte die Indikation zu einer speziellen Schmerztherapie frühzeitig gestellt werden. Zahlreiche Therapiemaßnahmen der Vergangenheit waren wenig erfolgversprechend und gesicherte evidenz-basierte Daten zur Behandlung liegen nicht vor. Aktuelle Therapiestrategien beinhalten zumeist ein pharmakologisches Management mit Antidepressiva oder Antikonvulsiva. Trizyklischen Antidepressiva (Reed et al. 2006) sowie die α2-Delta Substanzen Gabapentin und Pregabalin (Ben-David and Friedman 1999; Harris et al. 2007; Jerome 2007) sind durch einige wenige positive Studien und Fallbeschreibungen als wirksam belegt worden und finden derzeit am häufigsten Verwendung. Die Wirksamkeit von Biofeedback bei einigen Patientinnen könnte auf eine psychosomatische Beeinflussbarkeit des Krankheitsbildes deuten (McKay et al. 2001) aber auch chirurgische Interventionen (Vestibulectomie, Laser Therapie, Perineoplastie, Exzision der schmerzhaften Areale) spielen noch immer eine Rolle, vor allem beim Management von Patientinnen, die häufig iatrogen bedingt auf eine rein organische Krankheitsursache fixiert sind. Bis heute besteht aufgrund der fehlenden prospektiven kontrollierten Studien kein Konsens darüber, welcher Ansatz als „first-line“ Therapie zu bevorzugen ist. 1. Ben-David B, Friedman M. Gabapentin therapy for vulvodynia. Anesth Analg 1999;89(6):1459-1460. 2. Bodden-Heidrich R, Kuppers V, Beckmann MW, Ozornek MH, Rechenberger I, Bender HG. Psychosomatic aspects of vulvodynia. Comparison with the chronic pelvic pain syndrome. J Reprod Med 1999;44(5):411-416.
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3. Harlow BL, Stewart EG. A population-based assessment of chronic unexplained vulvar pain: have we underestimated the prevalence of vulvodynia? J Am Med Womens Assoc 2003;58(2):82-88. 4. Harris G, Horowitz B, Borgida A. Evaluation of gabapentin in the treatment of generalized vulvodynia, unprovoked. J Reprod Med 2007;52(2):103-106. 5. Jerome L. Pregabalin-induced remission in a 62-year-old woman with a 20-year history of vulvodynia. Pain Res Manag 2007;12(3):212214. 6. McKay E, Kaufman RH, Doctor U, Berkova Z, Glazer H, Redko V. Treating vulvar vestibulitis with electromyographic biofeedback of pelvic floor musculature. J Reprod Med 2001;46(4):337-342. 7. Moyal-Barracco M, Lynch PJ. 2003 ISSVD terminology and classification of vulvodynia: a historical perspective. J Reprod Med 2004;49(10):772777. 8. Reed BD, Caron AM, Gorenflo DW, Haefner HK. Treatment of vulvodynia with tricyclic antidepressants: efficacy and associated factors. J Low Genit Tract Dis 2006;10(4):245-251.
Therapie von Durchbruchschmerz – heute und morgen – Nycomed Deutschland GmbH Bedeutung der Schmerztherapie in der Palliativmedizin F. Nauck Abteilung Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Patienten mit palliativmedizinisch zu behandelnden Erkrankungen, insbesondere Patienten mit Krebserkrankungen, entwickeln im Verlauf häufig Schmerzen. Dieses Symptom hat schwerwiegende Auswirkungen auf die psychische und physische Verfassung sowie die Lebensqualität der Patienten. Viele Patienten beklagen Dauerschmerzen. Diese können durch eine individuell angepasste analgetische Therapie nach dem Stufenschema der WHO behandelt werden, was bei 80-90% der Betroffenen zu einer angemessenen Schmerzlinderung führt. Werden die Grundprinzipien der Tumorschmerztherapie (richtige Substanz und möglichst nicht-invasive Applikation, Gabe der Analgetika nach festem Zeitschema in der richtigen Dosierung, Dosistitration und -anpassung bei Zu- oder Abnahme der Schmerzen sowie die Gabe von Co-Analgetika) eingehalten, so lässt sich ein hoher Therapieerfolg erzielen. Neben den Dauerschmerzen können bei 40 - 80 % der Patienten mit Tumorschmerzen Durchbruchschmerzen, d.h. kurzzeitige Exazerbationen der chronischen Schmerzen, auftreten. Die Therapie der verschiedenen Formen von Durchbruchschmerzen benötigt in der Schmerztherapie mehr Beachtung und stellt für die Behandelnden eine Herausforderung dar. Trotz Einhaltung der Leitlinien zur Tumorschmerztherapie und Anwendung moderner Analgetika und Applikationsformen können etwa zehn Prozent der Patienten nicht auf Dauer zufrieden stellend schmerztherapeutisch behandelt werden. Dieser Patientengruppe müssen sich alle in der Palliativmedizin Tätigen stellen. Es hat sich gezeigt, dass das ganzheitliche Konzept der Palliativmedizin, in der die Begleitung und Behandlung der Patienten im multidisziplinären Team ein Schwerpunkt ist, bei rein medikamentös nicht gut einstellbaren Schmerzen viele weitere Optionen bietet. Dazu gehört es, mit den Patienten gemeinsam und unter Einbeziehung des gesamten multidisziplinären Teams und der Angehörigen in offener Kommunikation zu ergründen, mit welchen Strategien eine Linderung erreicht werden kann. Da psychische und soziale Probleme körperliche Beschwerden verstärken können, ist die Einschätzung aller von großer Wichtigkeit. Menschliche Begleitung mit maximaler ärztlicher, pflegerischer Kompetenz und Fürsorge ist gefordert. Denn eine suffiziente Schmerztherapie ist in der Palliativmedizin ein wesentlicher Eckpfeiler in der Behandlung und Begleitung der Patienten.
Spannungsfeld Neuropathische Schmerzen – Pfizer Versorgungsrealität in Deutschland – Anspruch und Wirklichkeit R. Freynhagen Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf Exakte Angaben zur Prävalenz neuropathischer Schmerzen (NeP) in Deutschland fehlen. Für UK wird sie mit 8% (Torrance et al. 2006), für Österreich mit 3,3% angegeben, wobei die Krankheitshäufigkeit eindeutig altersabhängig ist und in höherem Alter (> 50 Jahre) mehr als 25% betragen kann (Gustorff et al. 2008). Für Deutschland ist von vergleichbaren Zahlen auszugehen und Schätzungen der Prävalenz spezifischer Krankheitsentitäten, wie Rückenschmerzen mit neuropathischer Komponente, schmerzhafte diabetische Polyneuropathien oder Tumorschmerzen, untermauern diese Daten (Freynhagen et al. 2006; Wenig et al. 2008). Durch die demographische Entwicklung ist in Zukunft von einer weiteren deutlichen Steigerung auszugehen. So ist Schätzungen der WHO zufolge bis zum Jahr 2025 mit weltweit 300 Millionen Diabetikern zu rechnen. Zwischen 16 und 26% dieser Patienten leiden je nach Untersuchung an chronischen NeP (Ziegler 2008) und schon heute ist Deutschland mit 6,3 Millionen Betroffenen unter den Top Ten bezüglich der absoluten Zahl an Diabetikern weltweit. Experten gehen davon aus, dass es bereits schon 2010 in unserem Land ca. 10 Millionen Diabetiker geben wird. Bei Patienten mit Tumorerkrankungen konnte die Arbeitsgruppe um Grond bereits Anfang der 90er Jahre in einer großen Kohortenstudie an über 1300 Patienten einen Anteil von 32% betroffener Patienten mit neuropathischen Schmerzkomponenten dokumentieren, von denen 68% an einem Mixed-Pain Syndrom litten (Grond et al. 1992). Einheitliche Organisationskonzepte hinsichtlich der Zuständigkeit der einzelnen Versorgungsstufen für neuropathische Schmerzpatienten gibt es in Deutschland bis lang nicht. Es konnte aber gezeigt werden, dass Patienten mit neuropathischen Schmerzkomponenten die medizinischen Angebote unseres Gesundheitssystems eindeutig stärker utilisieren. Eine Auswertung von über 28. Tausend Patienten belegte, dass 22% der Betroffenen mit neuropathischen Beschwerden zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 1-12 Monate und 53% der Patienten bereits länger als 5 Jahre an ihren Schmerzen litten. Hinzu kamen bei NeP-Patienten signifikant häufigere Komorbiditäten wie Panik- und Angstsyndrome, Depressionen oder Schlafstörungen (painDETECTProjekt 3, Publikation in Vorbereitung). NeP führen damit nicht nur zu drastisch höheren direkten Kosten (Häufigkeit der Arztnutzung, Anzahl Therapeuten, Pharmakotherapie, Komorbiditäten) sondern vor allem auch zu einer übermäßig starken Generierung indirekter Kosten (AU-Tage, Rentenzahlungen). Eine aktuelle Analyse der bundesdeutschen Gesamtkosten (direkt und indirekt) nur alleine für die Subpopulation „Patienten mit neuropathischen Rückenschmerzkomponenten“ beläuft sich auf eine Summe von 13 Milliarden Euro pro Jahr (Wenig et al. 2008). Im Rahmen einer deutschlandweiten prospektiven „non interventional study“ bei neuropathischen Schmerzpatienten (NePOS) in 82 niedergelassenen Arztpraxen konnten zwischen November 2006 und August 2007 annähernd 600 Patienten über einen Zeitraum von vier Wochen mit elektronischen Tagebüchern monitoriert werden. Die durchschnittliche Schmerzintensität wurde bei Studienbeginn mit 6,9, bei Studienende mit 4,8 auf der VAS angegeben. Die therapeutischen Abläufe (Pharmakotherapie, nicht pharmakologische Ansätze, etc.) waren zu keiner Zeit vorgegeben. Die umfangreichen Daten werden derzeit noch einer exakten Analyse unterzogen, sollten aber in Kürze zur Verfügung stehen. Sie liefern damit erstmalig einen umfassenden und repräsentativen Einblick in die routinemäßige Versorgung von Patienten mit NeP in Deutschland. Festzuhalten bleibt, dass eine Optimierung der Organisationskonzepte für Patienten mit NeP in hohem Maße zu einer Kostenreduktion im Gesundheitssystem und gleichzeitig auch zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgung der deutschen Bevölkerung beitragen kann.
1. Freynhagen R, Baron R, Gockel U, Tolle TR. painDETECT: a new screening questionnaire to identify neuropathic components in patients with back pain. Curr Med Res Opin 2006;22(10):1911-1920. 2. Grond S, Zech D, Meuser T, Radbruch L, Kasper M, Lehmann KA. Prevalence and characteristics of neuropathic pain in malignant disease. Schmerz 1992;6(2):99-104. 3. Gustorff B, Dorner T, Likar R, Grisold W, Lawrence K, Schwarz F, Rieder A. Prevalence of self-reported neuropathic pain and impact on quality of life: a prospective representative survey. Acta Anaesthesiol Scand 2008;52(1):132-136. 4. Torrance N, Smith BH, Bennett MI, Lee AJ. The epidemiology of chronic pain of predominantly neuropathic origin. Results from a general population survey. J Pain 2006;7(4):281-289. 5. Wenig CM, Schmidt CO, Kohlmann T, Schweikert B. Costs of back pain in Germany. Eur J Pain 2008. 6. Ziegler D. Treatment of diabetic neuropathy and neuropathic pain: how far have we come? Diabetes Care 2008;31 Suppl 2:S255-261. Tumorzellen und Nervenschmerz R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Chronische Schmerzsyndrome bei Tumorpatienten sind häufig durch ein Nebeneinander von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzkomponenten gekennzeichnet (mixed-pain). In einer epidemiologischen Studie traten Knochen- und Weichteilschmerzen in 35% der Patienten auf, viszerale Schmerzen bei 17% und neuropathische Schmerzen bei 9%, während bei den übrigen 39% mehrere Schmerzkomponenten kombiniert waren. Zu den Ursachen neuropathischer Schmerzen bei Tumorpatienten rechnet man eine Verletzung von Nervenstrukturen bei der Operation, eine Kompression oder Infiltration von Nervenstrukturen durch den Tumor oder durch Metastasen, eine Querschnittverletzung des Rückenmarks durch infiltrierte Wirbelkörper und Verletzungen der Nerven durch die Strahlentherapie. Neben diesen direkten Nervenverletzungen durch neoplastische Zellen oder Therapie kann das Nervengewebe paraneoplastisch geschädigt werden. Ca. ein viertel aller der paraneoplastischen Polyneuropathien sind schmerzhaft. Zusammengenommen führt dies bei ca. 2,5% der Patienten mit Karzinomen oder Lymphomen zu einer klinisch manifesten sensomotorischen Polyneuropathie. Weitaus häufiger tritt die Neuropathie als Nebenwirkung einer zytostatischen Therapie z.B. mit Taxoiden, Vinca-Alkaloiden oder platinhaltigen Substanzen (Cisplatin, Oxaliplatin) auf. Pathophysiologisch liegt der Neurotoxizität eine Behinderung des axonalen Transportes mit nachfolgender Gewebsschädigung zugrunde. In Abhängigkeit des verwendeten Pharmakons ergeben sich unterschiedlich starke Schädigungen der einzelnen Faserqualitäten. Das Ausmaß der Nervenschädigung wird durch die verabreichte Gesamtdosis des jeweiligen Zytostatikums beeinflusst. Bei schweren Verläufen können die neurotoxischen Nebenwirkungen einen Abbruch der Chemotherapie notwendig machen. Versuche, durch den Einsatz neuroprotektiver Substanzen eine Reduktion der Nebenwirkungen zu erreichen, waren bis jetzt nur eingeschränkt erfolgreich. Da nozizeptive und neuropathische Schmerzen durch unterschiedliche Entstehungsmechanismen gekennzeichnet sind, müssen beide Schmerzkomponenten auch unterschiedlich therapiert werden. Liegen Mischformen vor ist demnach eine duale Behandlungsstrategie erforderlich. Bei diesen Mischformen ist es zur Therapieplanung wichtig, den Anteil der neuropathischen Schmerzkomponente an den Gesamtschmerzen abzuschätzen. Mit painDETECT® ist im deutschsprachigen Raum ein Fragebogen erhältlich, der ein einfaches und zuverlässiges Screening-Tool zur Aussage der Wahrscheinlichkeit einer neuropathischen Schmerzkomponente bei chronischen Schmerzerkrankungen darstellt. Dieser Fragebogen wird vom Patienten ausgefüllt und erfasst Schmerzintensität, -muster und -qualität. Daher liefert der Fragebogen zwar einen wichtigen Hinweis auf das mögliche Vorliegen neuropathischer Schmerzen, aber keine sichere Diagnose. Die Sensitivität und Spezifität liegt bei über 80%. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Impfung gegen Herpes zoster und PHN – Ein neues Konzept der Prävention – Sanofi Pasteur MSD Herpes zoster und PHN: Ein Risiko für uns alle P. Wutzler Institut für Virologie und Antivirale Therapie, Universitätsklinikum Jena Fast jeder Erwachsene hat Varizellen durchgemacht und ist somit Träger des Varicella-Zoster-Virus (VZV), das nach der Primärinfektion latent in den sensiblen Spinal- bzw. Hirnnervenganglien verbleibt. Eine Reaktivierung dieser Viren kann sich klinisch als Herpes zoster (HZ) manifestieren. Obwohl die der Latenz und Reaktivierung zugrunde liegenden Mechanismen noch nicht vollständig bekannt sind, gibt es eine Vielzahl von Befunden, die zeigen, dass die zellvermittelte Immunität (CMI) von zentraler Bedeutung ist. So geht die altersbedingte Abnahme der CMI mit einem Anstieg der Inzidenz des HZ einher. Die in zahlreichen epidemiologischen Studien dokumentierten HZInzidenzraten für Erwachsene aller Altersgruppen liegen bei 1,2 bis 4,8 Fällen pro 1000 Personenjahre. Auf die gesamte Lebensspanne bezogen, beträgt das geschätzte Risiko an einem Zoster zu erkranken 25%-30%. Etwa die Hälfte der Menschen, die ≥85-Jahre alt werden, müssen eine HZ-Episode befürchten. In Deutschland wird die Zahl der jährlichen Zostererkrankungen auf ca 350.000 geschätzt. Bedingt durch den demographischen Wandel und die zunehmende Anzahl von immunsupprimierten Menschen ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Mit dem Lebensalter nehmen auch Häufigkeit und Dauer der schwerwiegendsten Zosterkomplikation der sog. Postherpetischen Neuralgie (PHN) zu. Sie ist bedingt durch eine irreversible Zellnekrose auf Grund der Virusreplikation in den betroffenen Ganglien. Die Inzidenz der PHN wurde bisher nicht systematisch untersucht, so dass die Angaben beträchtlich variieren. Man kann aber davon ausgehen, dass 10 bis 20% aller Zosterpatienten von einer PHN betroffen sind, wobei das Risiko stark altersabhängig ist. Während die PHN bei Kindern und unter 40-Jährigen eher selten auftritt, ist bei etwa der Hälfte der über 60-jährigen unbehandelten Zosterpatienten mit einer PZN zu rechnen. Außer dem Alter sind das weibliches Geschlecht, mehr als 50 Läsionen im Dermatom, hämorrhagische Läsionen, kraniale oder sakrale Lokalisation sowie dermatomaler Schmerz in der Prodromalphase weitere Risikofaktoren für das Auftreten einer PHN. Neben einer frühzeitig einsetzenden antiviralen Therapie kann vor allem die Prävention durch Impfung dazu beitragen, die erheblichen gesundheitlichen und ökonomischen Belastungen durch den Herpes zoster zu reduzieren. Zosterschmerz: Eine Frage der Lebensqualität R. Hardt Mainz Herpes zoster (Gürtelrose) ist immer eine Zweiterkrankung, die durch Reaktivierung persistierender Viren nach durchgemachter VaricellaZoster-Infektion entsteht. Die Viren verbleiben nach der Primärinfektion lebenslang in den sensorischen Spinal- und Hirnnervenganglien. Die Ausbreitung der Viren entlang der Nervenbahnen erklärt sowohl das klinische Bild (Gürtelrose), als auch die häufige und gefürchtete Komplikation der Postherpetischen Neuralgie (PHN) durch Schädigung sensibler Nervenzellen. Eine gestörte T-Zell-vermittelte Immunität scheint bei der Reaktivierung der latenten Virusinfektion die zentrale Rolle zu spielen, was auch die exponentiell ansteigende Inzidenz der Erkrankung und der Komplikationen mit zunehmendem Alter (nachlassende T-Zellaktivität) erklärt. Auch unter optimalen Bedingungen (frühzeitige und leitliniengerechte virustatische Therapie, frühzeitige symptomorientierte Schmerztherapie etc.) ist die PHN besonders mit zunehmendem Al-
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ter ein häufiges und schmerztherapeutisch nur schwer zugängliches Krankheitsbild. Subjektiv geht die PHN unter allen Schmerzsyndromen mit einem großen Verlust an Lebensqualität einher. Dies zeigt sich u. a. durch erhebliche Einschränkungen der Alltagsaktivitäten und Lebensfreude bis hin zu einer stark vermehrten Suizidalität unter den Betroffenen. Daher ist neben einer frühzeitig einsetzenden Therapie insbesondere die Prävention der Zostererkrankung und der PHN durch Impfung von besonderem Interesse. Herpes zoster und PHN: Grenzen der Therapie – Was kann die Impfung leisten? R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Der Herpes zoster und chronische Zosterschmerzen sind häufig in der klinischen Praxis anzutreffen, beinträchtigen die Lebensqualität der Patienten erheblich und stellen ein großes gesundheitsökonomisches Problem dar. Die beiden klassischen neuropathischen Schmerzsyndrome, die schmerzhafte diabetische Polyneuropathie und die postzosterische Neuralgie, machen in der Praxis von Schmerzspezialisten bereits 13% der Patienten aus. Die populations-basierte Inzidenz des akuten Herpes zoster beträgt 22,6 auf 10.000 Personen. In 54% der Fälle sind thorakale Dermatome, insbesondere Th5 (15%), und das Innervationsgebiet des N. trigeminus (20%), hier insbesondere der erste Ast (Zoster ophthalmicus, 13%), betroffen. In ca. 50% der Fälle sind zwei oder mehr Dermatome beteiligt, ohne dass es eine Seitenpräferenz gibt. Zum Zeitpunkt der Abheilung der Effloreszenzen bestehen noch bei 12-20% der Patienten Schmerzen, einen Monat später ca. 9-15%, ein Jahr später 2-5%. Die Inzidenz der PZN ist altersabhängig. Im Lebensalter von 60-70 Jahren beträgt diese 50-75%. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung wird es in der Zukunft zu einer dramatischen Zunahme neuropathische Schmerzsyndrome kommen. Aufgrund einer häufig vorhandenen Multimorbidität der Patienten mit entsprechender Polypharmakotherapie stellt die medikamentöse Schmerztherapie älterer Menschen eine besondere Herausforderung dar. So sind kognitive Beeinträchtigungen, häufige Stürze, Inkontinenz und Hypotension nicht selten durch Nebenwirkungen der zurzeit verfügbaren Therapien zu erklären. Somit sollten präventive Strategien zur Verhinderung des akuten Zosters und der PHN zunehmend einen größeren Stellenwert einnehmen. Die modernen Konzepte zur Schmerzchronifizierung gehen davon aus, dass jeder nozizeptive Reiz, der auf das zentrale Nervensystem trifft, in der Lage ist, den Schmerz langfristig zu unterhalten. Deshalb gilt prinzipiell für alle Schmerzsyndrome ein wichtiger Grundsatz: Eine effektive Schmerztherapie muss so früh und so intensiv wie möglich eingeleitet werden. Kürzlich wurde ein neues Konzept zur Prävention des akuten Zosters und der postzosterischen Schmerzen vorgeschlagen. Ausgehend von der Annahme, dass die akute Zosterinfektion aufgrund einer im Alter abgeschwächten Immunität gegen Varizellen ausbrechen kann, wurde die Hypothese überprüft, ob ein Immun-Boost durch eine VarizellenImpfung im Alter die Inzidenz der akuten Zosterinfektion und damit die Inzidenz der postzosterischen Neuralgie reduzieren kann. In einem doppel-blinden Ansatz wurden fast 40.000 ältere Menschen in die Studie eingeschlossen. Nach einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren konnte die kumulative Inzidenz der akuten Zosterfälle um ca. 50% und die der postzosterischen Neuralgie um ca. 70% gesenkt werden. Diese Daten zeigen, dass eine Zosterimpfung im Alter einen entscheidenden Beitrag zur Prävention neuropathischer Schmerzen darstellen kann.
Praktikerseminare PS1 Rückenschmerzen – ein Seminar zur Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen Überblick, Grundlagen, Leitlinien, Berufspolitik J. Hildebrandt Universitätsmedizin Göttingen Bei Rückenschmerzen gibt es mehr Therapieverfahren als in allen anderen medizinischen Bereichen, sodass der einzelne (Schmerz)Therapeut häufig nicht genau weiß was er wo und wann anwenden kann oder sollte. Konsensusleitlinien beherrschten lange das Bild. Seit kurzer Zeit gibt es mehrere hochqualifizierte evidenzbasierte nationale und internationale Leitlinien. Augenblicklich entstehen auf dieser Grundlage durch ÄZQ, KBV und BÄK in Deutschland Versorgungsleitlinien, die einen großen Einfluss auf die Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen haben werden. Die Teilnehmer/innen werden neben den Grundlagen von Rückenschmerzen über Hintergründe und konkrete Ergebnisse dieses Prozesses informiert. Körperliche Untersuchung J. Strube Klinische und experimentelle Schmerztherapie, Universitätsmedizin Göttingen) Anamnese und körperliche Untersuchung spielen bei fast allen Rückenschmerzen eine wesentlich wichtigere Rolle als technische Verfahren (z.B. radiologische Verfahren oder Laboruntersuchungen). Sie sind der Schlüssel zur weiteren diagnostischen und therapeutischen Planung. Den Seminarteilnehmer/innen wird ein standardisiertes AnamneseUntersuchungskonzept für Patienten mit chronischen Rücken/Bein Schmerzen unter Berücksichtigung der nationalen Versorgungsleitlinie „Kreuzschmerz“ vermittelt. Diagnostische Radiologie W. Pennekamp Radiologische Universitätsklinik, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Bochum Radiologische Untersuchungen müssen rationell und gezielt eingesetzt werden, um Kosten zu sparen, den Patienten durch unnötige Strahlenbelastung nicht zu schaden und ein möglichst großes Benefit zu haben. Die Teilnehmer/innen lernen auch unter Berücksichtigung der nationalen Versorgungsleitlinie „Kreuzschmerz“ anhand typischer radiologischer Verfahren (Röntgen, CT, MRT) die Bildgebung in der Diagnostik von Rückenschmerzen zu interpretieren und im diagnostischen Gesamtkonzept einzuordnen. Physio-, Trainings- und Ergotherapie D. Seeger Betriebseinheit Physiotherapie/Schmerzambulanz, Universitätsmedizin Göttingen Bewegungstherapie ist neben medikamentöser und psychologischer Therapie die wichtigste Methode zur Behandlung von Rückenbeschwerden. Unklar ist häufig, was wann verordnet werden soll. Um Physiotherapie sinnvoll einordnen und verordnen zu können, lernen die Teilnehmer, wie ein physiotherapeutischer Befund erhoben wird (Struktur/Funktion) und welche Therapie sich daraus sinnvoll ergibt. Zur Belastungsprobe bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen werden Test und Therapieaufbau (Aktivität und Partizipation) im interdisziplinären Kontext vorgestellt.
Psychologische Diagnostik und Therapie M. Pfingsten Schmerzambulanz Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin Universitätsmedizin, Göttingen Es werden die psychologischen Anteile in der Diagnostik und Therapie eines multimodalen Behandlungsvorgehens nach den Konzepten „Functional Restoration“ und „Fear Avoidance“ vorgestellt. Rückenschmerzen sind mitnichten eine genuine psychosomatische Erkrankung, jedoch zeigen epidemiologische Studien, dass psychosoziale Faktoren den Krankheitsverlauf und die Chronifizierung von Rückenschmerzen besser vorhersagen können als biographische und somatische Parameter. In zahlreichen experimentellen Studien konnte darüber hinaus belegt werden, dass sowohl das Verhalten als auch das Erleben von Patienten mit Rückenschmerzen durch kognitive Faktoren, wie z.B. Katastrophisieren, Schmerzerwartungen, Krankheits- und Bewegungs-bezogene Ängste in erheblicher Weise moduliert wird. Für Patienten mit Rückenschmerzen haben sich insbesondere so genannte Angst-Vermeidungseinstellungen als verhaltenswirksame Chronifizierungsbedingungen erwiesen. Aus den Ergebnissen dieser Studien ergeben sich wichtige Konsequenzen für die Prävention wie für die Behandlung von Rückenschmerzen und es lassen sich wichtige Parallelen zu bewährten Therapieansätzen aus der Behandlung von Angststörungen aufzeigen. Daraus abgeleitete Behandlungsprinzipien sind in alle Behandlungsteile eines multimodalen Vorgehens integriert. Auch die körperlich orientierten Therapiebausteine wie die Trainingstherapie oder das Arbeitstraining orientieren sich dabei an kognitiv-verhaltenstherapeutischen Prinzipien. In der Phase der Diagnostik und der Therapieplanung erfolgt die Erfassung individueller Bewegungs-bezogener Ängste und der daraus resultierende (Vermeidungs-)Verhaltensweisen der Patienten. Unter Berücksichtigung einer Funktions-orientierten Sichtweise werden konkrete Zielsetzungen u.a. in Bezug auf das Bewegungsverhalten mit den Patienten vereinbart. In der Informationsvermittlung werden Bewegungs-bezogene Ängste fokussiert und im Sinne der Reassurance kognitiv-emotionale Unsicherheiten. Das körperliche Training wird nach den Prinzipien einer graduellen Exposition und Konfrontation im Sinne eines kontraphobischen Ansatzes durchgeführt. Wie bei einem Extinktions-Training sollen die Betroffenen die körperlich erlebbare Erfahrung machen, das sie Bewegungen und Belastungen durchführen können, ohne dass es zu einer Verschlimmerung der Schmerzen kommt. Kognitive Techniken unterstützen diesen Prozess. Bei diesem Vorgehen kommt dem spezifischen Behandlungssetting und dem Verhalten des gesamten therapeutischen Teams eine besondere Bedeutung zu. Diagnostische und therapeutische Nervenblockaden J. Hildebrandt Universitätsmedizin, Göttingen Die Bedeutung unspezifischer und ungezielter Nerven-Blockaden und -Infiltrationen spielen bei Rückenschmerzen eine zunehmend geringere Rolle und sind in ihrer Wirksamkeit unbewiesen. Bei einer kleinen Patientengruppe mit chronischen Schmerzen scheinen sie aber wichtig und effektiv zu sein. Dies bezieht sich auf diagnostische Blockaden vor invasiven Eingriffen (Wurzelblockade, Facettenblockade, Diskografie) und therapeutischen Injektionen (peridural, Sakro-Iliacal-Gelenk). Voraussetzung ist die Durchführung unter Bildgebung (C-Bogen oder CT) unter strikter Einhaltung von Qualitätskriterien. Die Teilnehmer lernen, die Indikation zu den wichtigsten Blockaden zu stellen sowie eine rationelle Technik bei periduralen und periradikulären (Wurzel-) Blockaden, Facetten- und ISG-Blockaden.
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Abstracts Chronische Wirbelsäulenerkrankungen: Innovative Versorgung aus der Sicht der Krankenkassen D. Sunder-Plassmann Spektrum I K Chronische Rückenschmerzen stellen aus Kostenträgersicht ein relevantes Krankheitsbild mit hoher Krankheitslast dar. Der Gesundheitsfonds ab 2009 erhöht den Druck auf die gesetzlichen Krankenkassen, ein gleichermaßen effektives und effizientes systematisches Versorgungsmanagement durchzuführen. Wenn unter Versorgungsmanagement die Organisation der bedarfsgerechten Leistung (bzgl. Art, Umfang, Therapeut, Ort und Zeitpunkt) verstanden wird, dann stellt dieser Anspruch eine bundesweit agierende Krankenkasse vor enorme Herausforderungen. Außerdem bedingen chronische Rückenschmerzen aufgrund der Vielschichtigkeit des Krankheitsbildes, der verschiedenen Fachdisziplinen und der unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme viele Schnittstellen. Die Betriebskrankenkassen haben ein betriebswirtschaftlich darstellbares Konzept entwickelt, das die Lücke zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Versorgung schließt. Derzeit laufen die Vertragsverhandlungen für entsprechende Selektivverträge an.
PS2 Kinderschmerztherapie: Was ist für ErwachsenenSchmerztherapeuten wichtig? B. Zernikow Institut für Kinderschmerztherapie, Pädiatrische Palliativmedizin, Datteln
Zunehmend werden Schmerztherapeuten für Erwachsene mit Kindern und Jugendlichen konfrontiert, die an chronischen Schmerzen leiden. Typische Anfragen an die Schmerztherapeuten sind dann: • „Haben Sie noch eine Idee?“ • Könnte eine invasive Schmerztherapie hier helfen? • Sollen wir Opioide einsetzen? Die „typischen“ Schmerzbilder des Erwachsenenalters treten auch bei Kindern und Jugendlichen auf, bedürfen dort aber unter Umständen einer anderen Therapie. Dies betrifft die Behandlung der Migräne im Kindes- und Jugendalter ebenso wir die Therapie des CRPS. Andere Schmerzbilder erscheinen fast ausschließlich oder überwiegend bei Kindern und können den Schmerztherapeuten für Erwachsene an seine Grenzen führen (Beispiel: Syndrom der Funktionellen Bauchschmerzen). Im Workshop werden Kasuistiken aus der Kinderschmerzambulanz dargestellt und gemeinsam erläutert. Gerne würden wir auch Fälle aus Ihrer Praxis oder Ihrer Klinik besprechen.
PS4 Biofeedbacktherapie
U. Niederberger1, P. Kropp2 1 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Institut f. Med. Psychologie und Med. Soziologie, Kiel; 2 Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Nervenheilkunde, Rostock Das Praktiker-Seminar soll kurz die wissenschaftlichen Grundlagen und die praktische Anwendung der Biofeedbackbehandlung bei chronischen Schmerzen generell und bei chronischen Kopfschmerzen im speziellen behandeln. Dabei wird insbesondere auf die im Kopfschmerzbereich beschriebene leitliniengerechte Anwendung von Biofeedbacktechniken Wert gelegt. Beschrieben werden diejenigen Verfahren, die gerade in der ärztlichen und in der psychotherapeutischen Praxis ohne großen Laboraufwand eingesetzt werden können.
PS5 Fallbesprechung Kopfschmerz C. Schankin Universitätsklinikum München
Es gibt in der Kopfschmerztherapie immer wieder viele Fragen und Problemfälle, die sich eher aus der Erfahrung und nicht mit dem Lehrbuch
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beantworten lassen: Wie soll man vorgehen, wenn ein Kopfschmerz-Syndrom in keine „Schublade“ passen will? Kennen Sie auch „ungewöhnliche“ Syndrome? Wie behandle ich die? Was mache ich eigentlich ganz konkret beim Analgetika-Entzug. Was ist zu tun, wenn auch der Entzug nicht den Durchbruch gebracht hat? Wie geht es mit einem Patienten mit idiopathischer intrakranieller Hypertension weiter, wenn die Diagnose gestellt ist. Wie oft soll man punktieren, wann soll man operieren? Das Seminar geht anhand eigener Fälle auf die im Praxisalltag immer wieder auftretenden Probleme und schwierige Therapiekonstellationen ein.
PS6 Gibt es Probleme mit der Compliance bei Schmerzpatienten?
I. Gralow Schmerzambulanz und -Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum (UKM), Münster Probleme mit der Compliance reichen von unzuverlässiger Medikamenteneinnahme über Beibehalten von Gesundheitsrisiken bis hin zu fehlender Motivation zu aktiven Lebensstiländerungen. Die vielfältigen Ursachen, nicht nur auf Seiten der Patienten, sondern auch der Therapeuten, werden diskutiert und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Sollte Compliance nicht auch als therapeutisches Ziel oder nur als dessen Voraussetzung verstanden werden?
PS8 Persönlichkeitsstörungen und Schmerzen T. Müller, P. Nilges DRK-Schmerzzentrum Mainz
Trotz vielfältiger Annahmen und Theorien über das Vorhandensein einer spezifischen Schmerzpersönlichkeit (etwa die „Migränepersönlichkeit“, Wolf 1937, oder der „pain-prone-patient“ nach Engel, 1959) konnte eine solche empirisch nie nachgewiesen werden (Kappis & Egle, 2003; Kröner-Herwig, 2004). Demgegenüber kaum umfangreich untersucht worden ist das Zusammenspiel von chronischen Schmerzen und Persönlichkeitsstörungen; die Ergebnisse dieser Forschungen sind zudem heterogen. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen kann aber als gesichert angesehen werden, dass Persönlichkeitsstörungen häufiger vorkommen als in der Allgemeinbevölkerung, auch wenn keine spezifische Persönlichkeitsstörung an sich gehäuft auftritt (Weisberg, 2000; Gatchel, 2000). Relevant bei der Behandlung von chronischen Schmerzerkrankungen ist die Diagnostik der Komorbidität der Persönlichkeitsstörung deshalb, weil die Erkrankung die Kompensations- und Copingleistungen des Patienten überfordern und somit die Symptomatik der Persönlichkeitsstörung verstärkt hervortreten kann. Zwei Aspekte sind hier relevant. Zum einen werden neurobiologische Faktoren – wie etwa bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung – und eine hiermit verändert Schmerzverarbeitung, resp. eine Veränderung der Schmerzschwelle, diskutiert. Zum anderen kann bei genauerer Kenntnis von Persönlichkeitsakzentuierungen die Behandlung der Patienten an die speziellen Persönlichkeitseigenschaften angepasst werden, da Persönlichkeitsstörungen als Verhaltens- und Interaktionsstörungen naturgemäß eine besondere Herausforderung in der Schmerztherapie darstellen. Sowohl der Umgang des Patienten mit der Therapie und dem Therapeuten kann ungünstig beeinflusst werden und gestaltet sich meist schwierig. Dabei auftretende „Fallen“ und Konflikte folgen typische Muster und lassen sich bei Kenntnis der zugrunde liegenden Interaktionsregeln vermeiden. Betroffen sind dabei z.B. die Art der Schmerzschilderung, die Mitarbeit insbesondere bei eigenverantwortlichen zu gestaltenden Behandlungsverfahren ebenso wie Rückmeldungen der Behandlungsergebnisse. In dem Praktikerseminar soll eine kurze allgemeine Einführung in die Diagnostik, Theorie und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen gegeben werden mit dem Schwerpunkt der Darstellung von Persönlichkeitsstörungen als Interaktionsstörungen. Weiterhin soll in diesem Rahmen unter der Zugrundelegung des Modells der doppelten Hand-
lungsregulation nach Sachse (1997) spezifische Interaktionsmuster sowie dysfunktionale Konstruktionen, Vermeidungs-Strategien, spezifische dysfunktionale Arten des Umganges mit Problemen (resp. der chronischen Erkrankung) etc. herausgearbeitet werden, die mögliche Schwierigkeiten bei der Behandlung von Schmerzpatienten darstellen können. Diese sollen einerseits exemplarisch und praxisnah dargestellt werden, andererseits sollen Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden.
PS9 Wie erstelle ich ein Konzept für mein eigenes Krankenhaus – Organisation der Akutschmerztherapie A. Wiebalck Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Bochum Die Akutschmerztherapie ist ein fester Bestandteil der perioperativen Behandlung. Oft ist jedoch die Durchführung schwierig, weil die Anforderungen vielfältig sind. In diesem Seminar werden praktische Hinweise gegeben, wie man im interdisziplinären Zusammenspiel eine systematische Akutschmerztherapie etablieren kann.
PS10 „Fallstricke“ einer iatrogenen Chronifizierung I. Gralow, I. W. Husstedt Schmerzambulanz und -Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum (UKM), Münster Die Teilnehmer sind aufgefordert, eigene Problemfälle zur Diskussion vorzustellen. Die bisherigen Erfahrungen weisen oft nicht nur fehlende interdisziplinäre Differentialdiagnostik, sondern auch problematische Verstrickung in der Arzt-Patient-Beziehung auf. Diese können mit eigenen Fallbeispielen aus der klinischen sowie gutachterlichen Praxis ergänzt werden. Dabei sollen Fehlindikationen spezifischer schmerztherapeutischer Verfahren und nicht hinreichend berücksichtigte Risikofaktoren einer Chronifizierung analysiert werden, um die „Fallstricke“ erkennen und vermeiden zu können.
PS11 ICF bei chronischem Schmerz – Anwendung nach den Leitlinien zur Begutachtung chronischer Schmerzen B. Gruner, C. Derra Weimar, Bad Mergentheim Die neue interdisziplinäre Leitlinie zur Begutachtung chronischer Schmerzen schlägt die Anwendung der International Classification of Functioning (ICF) zur standardisierten Befunderhebung vor (Widder et al. 2007). Ausgehend von der ICD klassifizierten Gesundheitsstörung werden in verschiedenen Items Körperfunktion und –Struktur, Fähigkeit zu Aktivitäten und psychosozialer Partizipation, Umweltfaktoren und Fähigkeiten der Persönlichkeit abgebildet. Für den sog. chronic widespread pain gibt es dafür einen sog. short core set, das für die Begutachtungspraxis leichter anwendbar sind (Cieza et al. 2004). Besonders gut eignet das core set bei der Begutachtung von Fibromyalgie-Patienten, wobei eine Ergänzung durch Schmerztagebuch und andere Verfahren sinnvoll ist. Die beiden Referenten beschäftigen sich seit einigen Jahren mit der Anwendung dieses short core sets bei der Begutachtung chronischer Schmerzpatienten und möchten diese praktischen Erfahrungen im Seminar vorstellen und diskutieren. Dieses Thema erhält besondere Relevanz auf dem Hintergrund der Bemühung der BÄK eine Bezeichnung „Medizinische Begutachtung“ einzuführen. Das Seminar ist sowohl für erfahrene Gutachter wie auch Interessierte, die zukünftig Gutachten erstellen wollen geeignet.
1. Widder, B et al. Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen. Psychotherapeut 2007 52: 334-336 2. Cieza, A. et al. ICF Core Sets for chronic widespread pain. J Rehabil Med 2004 Suppl 44: 1-7
PS12 Verhaltenstherapeutische Verfahren bei Kopfschmerz
A. Diezemann Tagesklinik für Interdisziplinäre Schmerztherapie, DRK Schmerz-Zentrum, Mainz Ziel des Seminars ist das Kennenlernen der wichtigsten verhaltenstherapeutischen Interventionen in der Kopfschmerztherapie. Die Themen der Edukation, der Entspannungstherapie, der Einsatz von Biofeedback, kognitive Strategien, Stressbewältigung, die Balancierung von Ruhe und Aktivität und Harmonisierung der Kräfteökonomie werden anhand praktischer Beispiele vorgestellt. Die Besonderheiten bei Spannungskopfschmerz und Migräne werden dabei jeweils dargestellt. Das Seminar bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Fragen und Probleme aus der Praxis zu diskutieren.
PS13 (Schmerz)-Edukation: Startpunkt für Änderungen!?
H.-G. Nobis MEDIAN-Klinikum für Rehabilitation Bad Salzuflen, Abt. Orthopädische Psychosomatik/Interdisziplinäre Schmerztherapie, Bad Salzuflen Hintergrund der Thematik: Stellvertretend für so viele wissenschaftliche Bestätigungen zur Bedeutung von Edukation in der multimodalen Schmerztherapie sei auf eine Veröffentlichung der „American Geriatrics Society“ (AGS) im Jahr 2002 hingewiesen. So heist es u.a. in den evidence geprüften Leitlinien („General Principles“): „Patient education programs are integral components of the management of persistent pain syndromes“. „The importance of patient education cannot be overemphasized“ (JAGS,50,2002). Inzwischen sind eine Reihe von standardisierten „(Schmerz)-Edukations-Programme“ veröffentlicht (u.a. Pfingsten, Basler, Kröner-Herwig, Egle), die bei näherer Betrachtung und je nach therapeutischer Fachrichtung unterschiedliche Aspekte einer Edukation hervorheben und in wissenschaftlichen Studien positive Behandlungseffekte erzielten. Das „Begreifen“ des „Leib-Seele-Zusammenhangs“ („bio-psycho-soziales Schmerzverständnis“) kann auch an einer „pädagogisch“ unzureichenden Vermittlung scheitern. Die „Identifikation“ mit dem “bio-psycho-soziale Schmerz“ schafft erst die Basis für schmerzpsychologisches Handeln. Lernziele: Den Schmerz und besonders den chronische Schmerz als bio-psycho-soziales Phänomen für den Patienten „begreifbar“ machen. Zusammenhänge „auf Höhe des Patienten“ erklären zu können heißt, Schmerzedukation auch als eine „pädagogische“ Herausforderung anzuerkennen. Inhaltlicher Ablauf: Die Bedeutung der (Schmerz)-Edukation wird zunächst anhand von klinischen und wissenschaftlichen Erfahrungen/ Daten untermauert. Auszüge aus der sich in der Praxis bewährten Edukationsmodelle des „Bad Salzufler“ Modells“ zum Thema „Schmerz und Psyche“ und „Wie wird aus Schmerz – chronischer Schmerz?“ werden vorgestellt und diskutiert.
PS14 Entspannungsverfahren bei chronischem Schmerz
A. Diezemann Tagesklinik für Interdisziplinäre Schmerztherapie, DRK Schmerz-Zentrum, Mainz Entspannungsverfahren spielen eine wichtige Rolle in der Schmerztherapie. In dem Seminar sollen verschiedene Formen der Entspannung (Progressive Muskelentspannung, Imaginationen, Atementspannung) Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts vorgestellt und praktisch durchgeführt werden. Darüber hinaus wird thematisiert, wie man dem Patienten Sinn und Bedeutung der Entspannung im Rahmen der Schmerztherapie vermitteln kann und welche Strategien es im Umgang mit Motivationsproblemen gibt. Schwierigkeiten, wie Unruhe oder Schmerzverstärkung, die beim Training auftreten können und der Transfer in den Alltag sollen anhand von praktischen Beispielen besprochen werden. Das Seminar bietet die Möglichkeit, Fragen und Probleme aus der Praxis zu diskutieren.
lation seiner Metaboliten und muss insbesondere bei kleinen Kindern mit Hintergrundinfusion (1- 20µg/kg/h) streng überwacht werden. Als Alternativopiat hat sich das 5mal stärkere Hydromorphon bewährt. Bei stärksten und neuropathischen Schmerzen nimmt der NMDA-Rezeptorantagonist Ketamin einen festen Platz im Behandlungsregime ein. Anhand praktischer Tipps und fallbezogener Dosierungsanleitungen wird demonstriert, wie im klinischen Alltag Kinder mit akuten Schmerzen suffizient behandelt werden.
PS15 Patientengruppen in der Akutschmerztherapie
PS16 Neurologische Basisdiagnostik
A. Wiebalck Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Bochum
Die meisten Patienten können mit einer einfachen, systemischen Schmerztherapie zufriedenstellend versorgt werden. Bei einigen Patientengruppen gibt es jedoch aus verschiedenen Gründen Besonderheiten, die in dieser Sitzung diskutiert werden sollen. Kinder E. Hoffmann1, A. Wiebalck2, H. Hagmeister3, S. Kljucar1 1 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, DRK - Kliniken Berlin Westend, Berlin; 2 Universitätsklinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin BG - Kliniken Bergmannsheil, Bochum; 3 Kliniken für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum und Campus Charité Mitte, Berlin Kinder reagieren empfindlicher auf Schmerzreize als erwachsene Patienten aufgrund anatomischer, physiologischer und psychologischer Besonderheiten, die Schmerzverarbeitung und Sensibilisierungsprozesse betreffen. Scheinbar harmlose Schmerzreize können das nozizeptive System bis zu Jahren ungünstig beeinflussen (Grunan RE 2000) und im Verlauf zu einer generalisiert erniedrigten Schmerzschwelle führen (Taddio et al.1997). Die natürliche Schmerzabwehr durch segmentale und absteigende Schmerzhemmung ist bei Neugeborenen noch nicht entwickelt und die rezeptiven Felder sind hier größer, dies führt zu einer Beschleunigung von Sensibilisierungsprozessen mit konsekutiver Hyperalgesie oder Allodynie. Spätfolgen sind neurobehaviorale und psychologische Entwicklungsstörungen – sie können durch eine frühzeitige adäquate Schmerztherapie vermieden werden. Auch emotionale Belastung wie Angst oder Stress führt zu einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung (McGrath 1994), sodass bei Folgeeingriffen die Schmerztherapie immer schwieriger wird (Blount et al 2003). Kognitiv-behaviorale Techniken wie Distraktion, guided imagary und Entspannung können hier erfolgreich eingesetzt werden. Im perioperativen Setting profitiert fast jedes Kind von Regionalanästhesieverfahren, die als sicher und komplikationsarm gelten. Additive Gabe verschiedener Adjuvanzien kann die Effektivität oder die Wirkdauer verbessern. 60-80% der bei Kindern verwendeten Schmerzmedikamente besitzen jedoch keine Zulassung und müssen im „off-label-use“ eingesetzt werden. Signifikante, altersspezifische Unterschiede der Pharmakokinetik müssen bezüglich Resorption, Verteilungsvolumen, Proteinbindungskapazität und Organreife für die Metabolisierung von Analgetika bedacht werden. So haben Früh- und Neugeborene höhere KG-bezogene cerebrale Medikamentenkonzentrationen und sind deshalb als Risikogruppe hinsichtlich Atemdepression und toxischer Reaktionen einzustufen. Bei 2-6-jährigen sind höhere KG-bezogene Dosierungen und verkürzte Dosisintervalle für hepatisch metabolisierte Analgetika (z.B. Paracetamol) erforderlich. NSAID wie Ibuprofen dienen als potente Basisanalgetika. Bei starken Schmerzen sind als Alternative zu kontinuierlichen Regionalanästhesieverfahren Medikamente der WHO-Stufe III unentbehrlich. Perioperativ ist die PCA-Therapie mit µ-Agonisten ab dem „Gameboyalter“ eine gute Option. Morphin hat den Nachteil der Kumu-
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V. Lindner Klinikum der Christian-Albrechts-Universität, Neurologische Klinik, Kiel Als didaktisches Kursziel wird zunächst inhaltlich die Vermittlung des neurologischen Untersuchungsganges in seinen praktischen Aspekten spezifiziert. Ferner wird der Bedeutungsgehalt der erhobenen Befunde speziell für die Erstellung einer multiaxialen Schmerzdiagnose dargelegt.
PS17 Begutachtung von Kopfschmerzen V. Malzacher Reutlingen
Die gutachterlicher Beurteilung von Schmerzen stellt besondere Anforderungen an die gutachterliche Methodik und Plausibilitätsprüfung. Im Bereich der Kopfschmerzen liegt die erste Leitlinie zu Begutachtung von Kopfschmerzen vor. Neben der Vorstellung der neuen Leitlinie soll der aktuelle Stand zur Begutachtung des wichtigsten Teilgebietes der posttraumatischen Kopfschmerzen sowie die Bedeutung der Kopfschmerzen im wichtigsten Rechtsgebiet – des Sozialrechts – erfolgen. Begutachtung von posttraumatischen Kopfschmerzen M. Keidel Klinik für Neurologie, Bezirkskrankenhaus Bayreuth Kopfschmerzen, die nach einem Schädel-Trauma, Schädel-Hirn-Trauma (SHT), traumatischer intrakranieller Blutung, nach einer HWSDistorsion mit direktem Nackentrauma, nach einer HWS-Beschleunigungsverletzung (HWS-BV) oder nach einer Kraniotomie auftreten, werden als postraumatisch bezeichnet. Die Traumata müssen anamnestisch und klinisch gesichert sein (Bewusstlosigkeit, retro- bzw. antrograde Amnesie, Prellmarke). Der posttraumatische Kopfschmerz (PK) muss sich zeitnah innerhalb von 7 Tagen nach dem Trauma manifestiert haben. Ein akuter PK (Dauer < 3 Monate) wird von einem chronischen PK (Dauer > 3 Monate) abgegrenzt (6). Grundlagen der Begutachtung des posttraumatischen Kopfschmerzes (PK) als Gesundheitsstörung sind Anamnese und Befunderhebung, insbesondere da ein apparativ-zusatzdiagnostisch faßbarer Körperschaden häufig nicht vorliegt. Dem Gutachter sollte die Klassifikation der Kopfschmerzen der International Headache Society (IHS,2) bekannt sein, darüber hinaus die Empfehlungen der Deutschen Migräneund Kopfschmerzgesellschaft (DMKG,1). Bis zu 90% der leichtgradigen SHT oder HWS-BV sind von einem PK gefolgt. In Deutschland leiden ca. 270.000 Patienten pro Jahr neu an einem PK nach SHT (Inzidenz 313/100.000/Jahr). Bei leichtgradiger HWS-BV liegt die Rückbildungsdauer des akuten PK im Mittel bei 3 Wochen bis maximal 2 Monaten (5). Die MdE-Einschätzung richtet sich nach nachstehender Tabelle. Ca. 20% der Kopfschmerzen nach SHT oder leichtgradiger HWS-BV bestehen länger als 12 Wochen nach dem schädigenden Ereignis und werden nach den IHS-Kriterien als chronisch klassifiziert. Pathogenese und Kopfschmerzcharakteristik bedingen eine vielfältige klinische Phänomenologie des PK mit entsprechender Typologie und Häufigkeit (3): Migräne (ca.2,5%)-, Cluster- oder Spannungskopfschmerz (ca.85%), zervikogener Kopfschmerz (ca.8%), sekundärer
Kopfschmerz bei intrakranieller Blutung (epi-/subdurale, subarachnoidale, intracerebrale/-ventrikuläre Blutung) bzw. Druckerhöhung, bei knöcherner HWS- bzw. Schädelverletzung oder Skalpverletzung. Tritt nach einem akuten, entschädigungspflichtigen PK nach einem freien Intervall ein Kopfschmerz auf, der in Charakter und Lokalisation mit dem posttraumatischen Kopfschmerz nicht vergleichbar ist, so ist von dem zusätzlichen Vorliegen eines unfallunabhängigen und nicht entschädigungspflichtigen primären Kopfschmerzes vom Spannungstyp auszugehen. Häufig entwickelt sich aus einem akuten PK ein medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz bei regelmäßiger Analgetikaeinnahme. Bei dem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz ist eine unfallunabhängige Leidensursache (z.B. Analgetikagebrauch) statt dem Unfall im Sinne einer ‚Verschiebung der Wesensgrundlage’ (4,7) für das als nach außen hin unverändert erscheinende Leidensbild (Kopfschmerz) verantwortlich. Hierdurch kann ein Entschädigungsanspruch im Verlauf eines chronischen PK entfallen, selbst wenn dieser primär als Unfallfolge anerkannt wurde. Die Erstmanifestation einer Migräne als Unfallfolge ist selten. Wäre bei bekanntem Migräneleiden auch durch ein alltäglich vorkommenes Ereignis ‚zu annähernd derselben Zeit und in annähernd gleichem Ausmaß’ wie nach dem Unfall eine Migräneattacke aufgetreten, kann von dem SHT oder der HWS-BV lediglich als „Gelegenheitsursache“ (4,7), d.h. als nicht wesentliche Teilursache ausgegangen werden. Schädigungsunabhängige Kausalfaktoren müssen an Bedeutung für die Migräne eindeutig (‘wesentlich’) überwiegen. Mit der Argumentation einer ‚Gelegenheitsursache’ sollte zurückhaltend umgegangen werden. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder HWS-Trauma ohne strukturelle Läsion von intrakraniellen Strukturen oder oberer HWS (SHT I bzw. Commotio cerebri) kann über einen Zeitraum von maximal 6 Monaten von einer monokausalen Verursachung eines Trauma bedingten Kopfschmerzes ausgegangen werden (8). Eine längere Kopfschmerzdauer kann durch Zusatzfaktoren z.B. psychiatrische (z.B. Depression) oder psychosomatische z.B. somatoforme Schmerzstörung oder posttraumatische Belastungsstörung multifaktoriell verursacht werden (8,9). Bei einem SHT II bis IV bzw. Contusio cerebri oder offene Hirnverletzung mit Verletzungen des Schädels und/oder intrakranieller Strukturen ist in Einzelfällen die traumatische Verursachung eines chronischen posttraumatischen Kopfschmerzes möglich. Es muss geklärt werden, ob die klinisch bildgebend nachgewiesenen Läsionen pathogenetisch einen chronischen posttraumatischen Schmerz verursachen können. Empfehlungen zur Bemessung der AU und MdE des akuten posttraumatischen Syndroms nach HWS-Beschleunigungsverletzung im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung (nach 4,7) HWS-Beschleunigungsverletzung, Akutes posttraumatisches Syndrom, Bemessung der AU und MdE
1. Evers, S., Malzacher, V., May, A., Straube, A., Husstedt, I-W., Heuft, G., Tegenthoff, M. Leitlinie zur Begutachtung von idiopathischen und symptomatischen Kopfschmerzen – Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Neurologische Begutachtung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie): www.awmf-leitlinien.de; Registriernummer 062/003 2. Göbel, H. Klassifikation von Kopf- und Gesichtsschmerzen. In: Keidel, M. (Hrsg.) Kopfschmerz-Management in der Praxis. Thieme, Stuttgart, 2006: 12 – 24 3. Kastrup, O., Widder, B. Begutachtung von Kopfschmerzpatienten. In: Diener, H.C. (Hrsg) Referenzreihe Neurologie: RRN - Kopfschmerzen. 1. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, 2003: 239 – 244 4. Keidel, M. Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule. In: Rauschelbach, H.-H., Jochheim, K.-A., Widder, B. (Hrsg.) Das neurologische Gutachten (4. Aufl); Kapitel 34. Thieme, Stuttgart, New York, 2000: 408-421 5. Keidel, M. Neurologische Diagnostik und präventives ‘case management’ nach HWS-Distorsion. In: Hierholzer, G., Peters, D. (Hrsg.) Gutachtenkolloquium 14. Springer, Stuttgart, New York, 2001: 51 –64 6. Keidel, M. Posttraumatischer Kopfschmerz. In: Keidel, M. (Hrsg.) Kopfschmerz-Management in der Praxis. Thieme, Stuttgart, 2006: 137 – 145 7. Keidel, M. Begutachtung von Kopfschmerzen. Forum Medizinische Begutachtung 2006; 1: 18 - 22 8. Wallesch, C.-W., Marx, P., Tegenthoff, M., Unterberg, A., Schmidt, R., Fries, W. Leitlinie „Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirn-Trauma“. Akt Neurol 2005; 32: 279 – 287 9. Widder, B., Schiltenwolf, M., Egle, U.T., Foerster, K., Petruschka, W. Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen. AWMF – Leitlinien-Register, Nr. 030/102.www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/11/030102.htm
PS18 Psychiatrische Erkrankungen und Schmerz
V. Lindner Klinikum der Christian-Albrechts-Universität, Neurologische Klinik, Kiel Die Erfahrung einer Komorbidität zwischen seelischen Störungsmustern und Schmerzerkrankungen ist im medizinischen Betreuungsbereich allgemein weit verbreitet und erstreckt sich auf nahezu sämtliche Fachrichtungen. In dem zu o.g. Thema vorbereiteten Seminar soll daher dieser Themenkomplex sowohl aus schmerztherapeutischer als auch psychiatrischer Sicht beleuchtet werden.
PS19 Probleme und Lösungen: der palliativmedizinische Fall – Teil 1
E. Klaschik1, F. Elsner2 1 Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Zentrum für Palliativmedizin, Malteser-Krankenhaus Bonn-Hardtberg, Bonn; 2 Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Aachen
Klassifizierung
AU
MdE (nach Ende der AU)
Schweregrad I
bis 4 Wo.
20% für 1 (-3) Monate
Schweregrad II
bis 6 Wo.
20% für 3 (-6) Monate 10% im 2. Halbjahr
Schweregrad III
> 6 Wochen
Entscheidungsfindung, Teamwork und Grundlagen der Symptomkontrolle sollen praxis- und fallbezogen diskutiert werden. Das Symposium sollte interaktiv mit reger Diskussionsbeteiligung der Teilnehmer erfolgen.
30% 1. Halbjahr 20% 2. Halbjahr Dauer MdE möglich
PS20 Schmerzdiagnostik mit Skalen und Fragebögen
1. mit radikulärer Läsion
2. mit medullärer Läsion a. sensibel mit Blasenstörung b. sensibel und motorisch c. kompletter Querschnitt
30% auf Dauer 50% auf Dauer 70-80% auf Dauer 100% auf Dauer
P. Nilges DRK Schmerz-Zentrum Mainz
Die Erfassung von Schmerzmerkmalen wie Intensität, Dauer, Maximum, Minimum und Qualität ist inzwischen weitgehend diagnostischer Standard. Die verwendeten Skalenformen, -formate und Instruktionen variieren dagegen erheblich. Auf der Grundlage der bisherigen StudiDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts en werden in diesem Praktikerseminar klare Empfehlungen gegeben, typische Problemsituationen besprochen und Lösungen erarbeitet. Ebenfalls dargestellt werden Inhalte, Auswertung und Interpretation der wichtigsten Fragebögen, die derzeit beim diagnostischen Screening von Patienten mit Schmerzen eingesetzt werden. Besonderes Augenmerk liegt auf den Besonderheiten, die beim Einsatz von Fragebögen bei Patienten mit körperlichen Beschwerden zu beachten sind.
PS22 Chronische Schmerzen und posttraumatische Belastungsstörung
I. Gralow Schmerzambulanz und -Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum (UKM), Münster Die posttraumatische Belastungsstörung gehört zu den häufig nicht erkannten oder auch in der Therapie oftmals unzureichend berücksichtigten Komorbiditäten. Das Spektrum chronischer Schmerzen reicht dabei von kausal unfallbedingten bis hin zu funktionell bedeutsamen Zusammenhängen. Dies wird an Fallbeispielen aus der klinischen wie auch gutachterlichen Praxis verdeutlicht. Strategien für die multimodale Therapie werden diskutiert.
PS23 Postoperative Schmerztherapie – was die Pflege plant – Was wir schon (immer so) gemacht haben und was sich (daran) ändern wird D. Märkert1, M. Thomm2 1 Universitätsklinik Erlangen, Klinik für Anästhesie - Schmerzambulanz, Erlangen; 2 Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Uniklinik Köln, Schmerzambulanz, Köln
In der Schmerzbehandlung nach großen Operationen hat sich die Patientenkontrollierte Analgesie (PCA) etabliert. Voraussetzung für die Effektivität und Sicherheit sind ein hohes Wissensniveau der beteiligten Pflegekräfte sowie funktionierende Standards in der Versorgung von Patienten mit PCA-Systemen. Neben dem Umgang mit PCA-Systemen werden im Workshop Anforderungen an Pflegende aus dem nationalen Expertenstandard sowie den S-3 Leitlinien zur Behandlung akuter perioperativer/ posttraumatischer Schmerzen und Möglichkeiten der elektronischen Dokumentation im Akutschmerz thematisiert und vorgestellt.
PS24 Leitliniengestützte Zertifizierung: Wie geht das?
N. Nestler1, S. Schulz2 1 Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil Bochum; 2 Evangelisches Krankenhaus Lutherhaus gGmbH, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Essen Die Möglichkeiten der Zertifizierungen im Gesundheitswesen nahmen in den letzten Jahren immer weiter zu und reichen nunmehr von der übergreifenden Zertifizierung einer Einrichtung bis zur speziellen Überprüfung einzelner Abteilungen oder Abläufe. Gerade in der letzen Zeit wird vermehrt danach gefragt, ob generell und in welcher Form eine Zertifizierung sinnvoll ist. Im Praktikerseminar werden Bedeutung und Chancen von leitliniengestützten Zertifizierungsverfahren und mögliche Strategien, ein solches Zertifikat zu erlangen, für Einrichtungen des Gesundheitswesens dargestellt und diskutiert.
PS25 Lehre für Schmerztherapie
A. Kopf Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin Die neue Approbationsordnung bietet den Universitäten einen erweiterten Spielraum für die Gestaltung der studentischen Lehre. Die
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Betonung von patientenzentrierten und interdisziplinären Angeboten kommt der im Studium bisher unterrepräsentierten „Allgemeinen Schmerztherapie“ entgegen. Der Medizinische Fakultätenrat hat die Studiendekane aufgefordert, lokale Lösungen für die Integration schmerztherapeutischer Inhalte in die Querschnittfächer zu unterstützen. Allerdings fehlen an den meisten Fakultäten ausreichend Dozenten, der genaue Inhalt und Auftrag eines Querschnittfaches Schmerztherapie sind vielfach unklar. In dem Praktikerseminar soll daher versucht werden, den Lehreverantwortlichen und Dozenten für die Schmerztherapie Möglichkeiten zu vermitteln, die Lehre für das Fachgebiet Schmerztherapie zu etablieren bzw. zu verbessern.
PS26 Sympathikusblockaden
C. Maier Bergmannsheil Bochum, Abteilung für Schmerztherapie, Bochum Sympathikusblockaden sind nach wie vor eine der wichtigsten Verfahren der interventionellen Schmerztherapie. Sie gehören zur Behandlung des sympathisch unterhaltenden Schmerzes, einem variablen Symptom beim neuropathischen Schmerz unterschiedlicher Genese, z. B. beim CRPS oder beim Ischämieschmerzen. Ihre Wirksamkeit ist durch randomisierte kontrollierte Studien belegt, auch wenn ihr Platz im multimodalen Gesamtkonzept bislang zu wenig untersucht wurde. Die Rationale für diese Therapie ist heute besser erklärbar. Die Interaktion zwischen sympathischen Nervensystem und dorsalen Ganglien nach einer Nervenverletzung ist vielfach belegt worden. In der klinischen Praxis können Sympathikusblockaden insbesondere zu einer Reduktion von evozierten Schmerzen (Hyperalgesie, Allodynie) führen. Zum Nachweis eines SMP (sympathically maintained pain) werden diagnostische Blockaden durchgeführt, für therapeutische Interventionen können wiederholte Blockaden mit Lokalanästhetika, Opioidapplikationen (GLOA), Katheterverfahren sowie Neurolysen durchgeführt werden. Welches Verfahren zur Anwendung kommt hängt von der Indikation und der gewünschten Lokalisation statt. Zur Sicherung der korrekten Durchführung gibt es inzwischen bildgebende Verfahren wie Ultraschall im zervikalen Bereich oder die Computertomographie im thorakalen und lumbalen Bereich. Im thorakalen Bereich kann zur dauerhaften Ausschaltung auch sehr effektiv ein Katheter implantiert werden (T3-Katheter). Durch diese neuen Techniken sind die früher gefürchteten Fehlinjektionen noch unwahrscheinlicher geworden, accidentelle Intoxikation und insbesondere Blutungen bleiben nach wie vor ein Problem, das durch optimale Technik vermieden und durch anschließendes Monitoring frühzeitig aufgedeckt werden können. Im Workshop gezeigt werden die verschiedenen Techniken mit ihren modernen Modifikationen sowie ein Algorithmus zum Einsatz dieser Blockaden (Stellatum, thorakale und lumbale Sympathikusinterventionen).
PS27 „Tanzen statt kämpfen“ – Motivierende Gesprächsführung bei chronischen Schmerzpatienten B. Eberhardt, C. Derra Frankfurt am Main, Bad Mergentheim
Motivierende Gesprächsführung (MG) ist ein Beratungskonzept, das Patienten helfen kann, problematisches Verhalten zu verändern. Ursprünglich wurde das Konzept für Menschen mit Suchtproblemen entwickelt (Miller und Rollnick 2004). Der Schmerztherapeut ist bei seinen Patienten im Therapieverlauf oft mit hohem Leidensdruck bei gleichzeitig geringer Motivation und passiver Versorgungserwartung konfrontiert. Unsere Reaktion führt beim Patienten häufig zu Missverständnissen und Auseinandersetzungen mit der Folge von verstärktem Widerstand, denn Schmerzpatienten haben eine feine Wahrnehmung für Kränkungen. Motivierende Gesprächsführung greift daher insbesondere Misstrauen und Widerstand in akzeptierender Weise auf, versucht Ressourcen zu erfassen und die Autonomie des Patienten zu stärken. Ziele wer-
den vereinbart und ein Veränderungsplan festgelegt, Optionen werden erarbeitet, wie die Ziele erreicht werden können. MG eignet sich besonders gut für eine Betreuung von Patienten im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung. An Kasuistiken wird der Unterschied zwischen der konventionellen Ärztlichen Gesprächsführung und der MG diskutiert. Insbesondere sollen Ideen für das konkrete Vorgehen bei „schwierigen“ Schmerzpatienten erarbeitet werden. 1. Miller WR, Rollnick S. Motivierende Gesprächsführung. LambertusVerlag Freiburg 2004
PS28 Diagnostik bei neuropathischen Schmerzen Elektrophysiologische Diagnostik bei neuropathischen Schmerzen S. Rehm, J. Koroschetz Sektion für neurologische Schmerzforschung- und Therapie, Klinik für Neurologie, Campus Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Neuropathische Schmerzen entstehen nach einer Schädigung afferenter Systeme im peripheren oder zentralen Nervensystem welche an der Schmerzweiterleitung und –verarbeitung beteiligt sind. Patienten mit neuropathischen Schmerzen beschreiben Schmerzen in Ruhe (Spontanschmerzen, z.B. ständig vorhandene, häufig brennende Schmerzen oder einschießende Schmerzattacken) und evozierte Schmerzen (Hyperalgesie und/oder Allodynie). Neuropathische Schmerzen unterscheiden sich substanziell von chronischen Schmerzen, bei denen das Nervensystem intakt ist (sog. nozizeptive Schmerzen; z.B. chronische Entzündungsschmerzen wie Arthrose, Arthritis, viszerale Schmerzen). Auch die Therapie neuropathischer Schmerzen unterscheidet sich von der Therapie nozizeptiver Schmerzen, was eine Differenzierung zwischen diesen beiden Schmerzformen notwendig macht, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass viele chronischen Schmerzsyndrome durch ein Nebeneinander von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzkomponenten gekennzeichnet sind (Konzept des Mixed pain syndroms) und eine klare Zuordnung demnach nicht immer möglich ist. Bei diesen Mischformen ist es zur Therapieplanung wichtig, den Anteil der neuropathischen Schmerzkomponente an den Gesamtschmerzen abzuschätzen. Oftmals ergeben sich aus der klinischen Manifestation der Beschwerden schon wichtige Hinweise auf einen möglichen Ort der Schädigung. Neurophysiologische Untersuchungsverfahren ermöglichen eine Funktionsdiagnostik des peripheren und zentralen Nervensystems. Durch die Ableitung sensibel evozierter Potenziale (SEP) lassen sich Schädigungen der Afferenzen insbesondere im Bereich des Rückenmarkes lokalisieren. Die Untersuchung peripherer Nervenanteile geschieht durch die sensible oder motorische Neurographie. Schädigungen des schmerzverarbeitenden Systems können auch durch die quantitative Thermotestung detektiert und quantifiziert werden. Die Erstellung eines genauen sensorischen Profils für einen Patienten oder eine bestimmte Patientengruppe kann durch die Durchführung einer kompletten quantitativen sensorischen Testung erfolgen. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen ziehen. Das Praktikerseminar PS28 soll die dargestellten Verfahrensweisen und deren therapeutische Konsequenzen diskutieren.
PS29 Probleme und Lösungen: der palliativmedizinische Fall – Teil 2
K. E. Clemens Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Abteilung für Anästhesiologie, Intensiv-/Palliativmedizin und Schmerztherapie, Malteser Krankenhaus Bonn Hardtberg Entscheidungsfindung, Teamwork und Grundlagen der Symptomkontrolle sollen praxis- und fallbezogen diskutiert werden. Das Symposium sollte interaktiv mit reger Diskussionsbeteiligung der Teilnehmer erfolgen.
PS30 Osteopathischer Zugang zu Schmerzsyndromen im urogenitalen Bereich R. Wellstein Praxis für Osteopathische Medizin, Bobenheim-Roxheim
Kurze Darstellung der Osteopathie und ihres allgemeinen und spezifischen diagnostischen Zugangs zum Schmerz im urogenitalen Bereich. Das therapeutische Vorgehen wird aufgezeigt und begründet, ein kurzer wegweisender Untersuchungsgang demonstriert.
Studententag Akute perioperative oder posttraumatische Schmerzen A. Wiebalck Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Bochum Dieser Vortrag zeigt Wege auf, wie in einem Krankenhaus akute Schmerzen systematisch, effizient und sicher behandelt werden können. In einigen Unterkapiteln werden die wesentlichen Eckpfeiler einer guten Organisation dargestellt und erläutert. Dazu gehören: • Bedeutung der Schmerztherapie • Der Einfluss auf das Behandlungsergebnis mit ihren medizinischen und wirtschaftlichen Vorteilen sowie einer Verbesserung der Reputation des Krankenhauses Ziele der Schmerztherapie: Linderung des Leidens, Erfüllung rechtlicher Ansprüche durch Schmerzreduktion, Vermeidung unerwünschter Ereignisse, Verbesserung von Organ- und Gelenkfunktionen, Verkürzung des Krankenhausaufenthalts, Verhinderung von Spätschäden und verbesserte Zufriedenheit des Patienten Struktur der Schmerztherapie • Rahmenbedingungen allgemeiner Art sowie hausspezifische Besonderheiten, • Dokumentation, Weiterbildung, Qualitätssicherung, Schmerzmessung und Therapie- und Qualitätskontrolle • Therapieverfahren – Systemisch, Regionalanalgesie, Nichtmedikamentös: Indikationen, Kontraindikationen, Aufwand, Überwachung • Praktische Durchführung der Therapie • Interventionskriterien, Dokumentation (Schmerzintensität und Maßnahmen), Vorgaben der Berufsvereinigungen, Ergänzungen durch S3-Leitlinien • Rechtliche Grundlagen mit Verantwortlichkeiten und Aufklärung, • Qualitätskontrolle und Weiterbildung als System stabilisierende Faktoren Chronischer Schmerz – Eine bio-psycho-soziale Störung P. Nilges DRK Schmerz-Zentrum Mainz „Trotz großartiger Erfolge der Medizin bei der Heilung spezifischer Erkrankungen gibt es bei chronischem Schmerz eine merkwürdige Panne: Die beeindruckende medizinische Technologie scheint ungeeignet für die Diagnostik und Behandlung von chronischen Schmerzen“( Bilkey). Chronische Schmerzen sind nicht einfach länger anhaltende akute Schmerzen, sie sind mit den für diese entwickelten – durchaus erfolgreichen – Konzepten nicht mehr ausreichend erklärbar und therapierbar. Das führt zwangsläufig zu Irritationen und zu Erklärungsversuchen, die außerhalb somatischer Kausalmodelle liegen. Ein bio-psycho-soziales Schmerzkonzept als Grundlage von Diagnostik und Therapie berücksichtigt die dynamische und je nach zeitlicher Entwicklung unterschiedliche Relevanz der verschiedenen Komponenten. Von besonderem Interesse ist dabei die Bedeutung psychischer Faktoren, deren Diagnose und Integration in die Behandlung. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Vorgestellt werden Konzepte, mit denen Mechanismen von Schmerzchronifizierung beschrieben und das Ausmaß im Praxisalltag erfasst werden können (Mainzer Stadienmodell, Grading nach von Korff). Die Beziehungen zwischen dem Chronifizierungsgrad und den Folgen für Patienten auf verschiedenen Ebenen werden dargestellt. Typische Fehler bei der Interpretation diagnostischer Ergebnisse und bei therapeutischen Empfehlungen werden diskutiert und Lösungen vorgeschlagen, mit denen das Risiko einer Chronifizierung reduziert werden kann. Wichtige Unterschiede in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen werden vorgestellt. Dieser Beitrag soll dabei helfen, Schmerzchronifizierung besser zu verstehen, zu diagnostizieren, wenn möglich zu verhindern oder – falls bereits eingetreten – in der Behandlung angemessen zu berücksichtigen. Fallseminar zum Tumorschmerz R. Sabatowski, R. Scharnagel UniversitätsSchmerzCentrum, Univervistätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden Tumorerkrankungen stellen nach Erkrankungen des kardiovaskulären Systems die zweithäufigste Todesursache in Deutschland dar. Im Jahr 2006 dokumentierten die Krankenhäuser in Deutschland 1,48 Millionen stationäre Behandlungen aufgrund einer Tumorerkrankung mit insgesamt >13 Millionen Pflegetagen. Von diesen Patienten verstarben 4,6% während des stationären Aufenthaltes. Diese Zahlen in Kombination mit den Zahlen zur Häufigkeit von Schmerzen bei Vorliegen einer Tumorerkrankung demonstrieren die Notwendigkeit geeignete Behandlungsstrategien für Tumorschmerzpatienten zu erlernen und diese umzusetzen. Diese Strategien müssen aufgrund der Komplexität der Symptome – Tumorschmerz wurde von Cicely Saunders als „total pain“ klassifiziert, d.h. einer Kombination aus körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Aspekten – frühzeitig vermittelt werden, so dass die (zukünftigen) Ärzte und Ärztinnen in der Lage sind, diesen Patienten, die in zunehmender Zahl auf uns zukommen werden, in geeigneter Form zu begegnen. Als Basis der medikamentösen Tumorschmerztherapie wurde vor über 20 Jahren von einer Task Force der Weltgesundheitsorganisation das so genannte WHO-Stufenkonzept entwickelt. Viele Studien konnten nachweisen, dass mit Hilfe dieses Schemas bei bis zu 95% der Tumorschmerzpatienten eine adäquate Schmerzlinderung zu erzielen ist. Doch trotz dieses sehr simplen Behandlungsschemas und der prinzipiellen Verfügbarkeit entsprechender Medikamente erhalten immer noch viele Tumorschmerzpatienten in Deutschland keine ausreichende Schmerztherapie. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von (unbegründeten) Ängsten, Budgetfragen und mangelndem Interesse
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bis hin zu nicht ausreichenden Behandlungen auf Grund fehlender Kenntnis geeigneter Strategien. Im Rahmen des Fallseminars Tumorschmerz sollen Basiskenntnisse und Strategien im Umgang mit Tumorschmerzpatienten diskutiert und vermittelt werden. Interdisziplinäres Schmerzassessment beim chronischen Rückenschmerz K. Hafenbrack, U. Marnitz Rückenzentrum am Markgrafenpark, Berlin Im Rückenzentrum am Markgrafenpark wird der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand in Diagnostik und Therapie chronischer Rückenbeschwerden umgesetzt. Ein abgestuftes ganzheitliches Versorgungskonzept, bestehend aus spezieller Diagnostik und speziellen Behandlungsprogrammen, ist vornehmlich aktivierend und verhaltensmedizinisch ausgerichtet. Das interdisziplinäre Team des Rückenzentrums besteht aus Ärzten, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten und Sportlehrern. Hierbei wird sicher gestellt, dass nicht nur Wirbelsäulenbefunde, sondern auch die funktionellen, psychischen und sozialen Faktoren des Rückenschmerzes berücksichtigt werden. Anhand von Patientenbeispielen wird in diesem Vortrag das interdisziplinäre Schmerzassessment im Rückenzentrum veranschaulicht, welches anhand medizinisch-funktioneller und psychologisch-sozialer Diagnostik in eine Risikobewertung und differentielle Indikationsstellung mündet. Schwerpunkt Schmerztherapie im Reigen der Fächer M. Strumpf Schmerzklinik im Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August-Universität Göttingen Die Therapie chronischer Schmerzen erschließt sich nur im interdisziplinären Reigen der beteiligten Fachdisziplinen. Diese Auffassung hat auch in Deutschland, spätestens seit Beginn der 90er Jahre, Gültigkeit. Voraussetzung ist, dass der Reigen der Fächer lernt, miteinander zu tanzen. Dazu ist es notwendig, synchrone Schritte zu entwickeln, um die Therapie chronischer Schmerzen effizient zu gestalten. Dies bedeutet auch, dass es ohne eine gemeinsame Sprache und Philosophie nicht geht und dass „Eifersüchteleien“ bezüglich der Kompetenz einzelner Fachbereiche zum Stolpern führen. Anhand von Fallbeispielen aus der klinischen Praxis wird demonstriert, wie der Reigen der Fächer gemeinsam das Parkett der Therapie chronischer Schmerzen betritt.
Poster P01 Pflege P1.1 Ist eine Schmerzreduktion durch den Einsatz ätherischer Öle nach Schilddrüsenoperation möglich? E. Buddenberg, W. Brock, M. Schmitz Raphaelsklinik Münster In der Raphaelsklinik Münster ist der Expertenstandard Schmerzmanagement seit 4 Jahren fest implementiert. Im Rahmen der Schmerzarbeitsgemeinschaft wurde von den Pflegekräften nach Möglichkeiten gesucht, komplementäre Pflegemethoden zur Schmerzreduktion einzusetzen. Es wurde über die Wirkung Ätherischer Öle gesprochen und man entschied sich, der Pflegedirektion und den verantwortlichen ärztlichen Mitarbeitern, ein Projektkonzept zu unterbreiten, dass den Einsatz ätherischer Öle als komplementäre Schmerztherapie bei Patienten nach Schilddrüsenoperationen zum Ziele hatte. Die Fragestellung lautete: „Ist eine Schmerzreduktion durch den Einsatz ätherischer Öle nach Schilddrüsenoperationen möglich?“ Diese Patientengruppe wurde ausgewählt, weil in unserer Klinik jährlich ca. 500 Schilddrüsenoperationen durchgeführt werden und die Patienten häufig unter Schulter-Nackenschmerzen nach der Operation leiden. Innerhalb von 3 Monaten waren genügend Patienten zu gewinnen, um eine relevante Aussage treffen zu können. Vor der Operation wurden die Patienten informiert, sie hatten die Möglichkeit, ihre individuellen Düfte auszusuchen und sich mit der Raumbeduftung vertraut zu machen. Die Patienten wurden 2mal täglich mit entsprechenden Ölmischungen in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre von einer der 3 Projektleiterinnen eingerieben. Durch die lokale Anwendung sollte eine Entspannung erreicht, das Wohlbefinden gefördert und eine Schmerzreduktion erreicht werden. Ein Anliegen war außerdem, durch den Einsatz der Ätherischen Öle unserem „Ganzheitlichen Pflegeansatz“ zusätzlich Raum zu geben. Wir wollten nicht nur auf somatischem Wege eine Schmerzreduktion erreichen, sondern auch die emotionale Schmerzverarbeitung positiv beeinflussen. Dieses erhofften wir durch die persönliche Zuwendung und Zeit während der Einreibungen zu erreichen, sowie durch die auch auf die psychische und emotionale Wahrnehmung abgestimmten und eingesetzten Öle. Zusätzlich hatten die Patienten die Möglichkeit, das Zimmer nach individuellen Bedürfnissen mit Düften über einen Thermoduftstein zu aromatisieren. Eine Krankenschwester der Schmerz-AG ist ausgebildete Aromaexpertin und stellte die entsprechenden Öle zusammen. Das Projekt umfasste 3 Monate und wurde von der Pflegedirektion und den verantwortlichen Chirurgen aktiv unterstützt. Ergebnis: Ca. 50 Patienten wurden vor und nach der Einreibung zum Schmerzscore befragt, es zeigte sich, dass der Schmerzscore um ca. 23 Punkte auf der Numerischen Rating Skala (0 = kein Schmerz 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz) nach der Einreibung gesunken war, das Wohlbefinden gesteigert und die Angst reduziert wurde. Die Patienten waren von unserem Angebot sehr begeistert. Nur zwei von über 80 Patienten lehnten die Einreibung ab. Fazit: Unser Ziel, die Schmerzen bei Patienten nach Schilddrüsenoperationen durch den Einsatz einer komplementären Pflegemethode zu reduzieren und das Wohlbefinden zu steigern wurde erreicht. Der Erfolg des Projektes war so groß, dass die Aromapflege jetzt als fester Bestandteil der Schmerztherapie auch auf andere Patientengruppen ausgedehnt wird. P1.2 Auswirkung chronischer Schmerzen auf die Lebensqualität E. Schuster, N. Petri, V. Mumber, L. Krempin, A. Lüdeke Die Hausfürsorge, das mobile Wundzentrum der Hauskrankenpfleger Wie wirkt sich der chronische Schmerz auf die Lebensqualität aus und wie fühlen sich die betroffenen Betreuten. Die Befragung wurde auf öffentlichen Veranstaltungen durchgeführt. Zielgruppe ab 60
Jahre. Die Daten wurden mit Einbeziehung der visuellen Schmerzskala erhoben. 250 Befragungen wurden durchgeführt. Davon gaben 63 (25,2%) einen chronischen Schmerzzustand (>3) an. Verteilung Geschlecht: weiblich: 57,1%; männlich: 42,9% Von allen Befragten waren noch 33 berufstätig. 10 Menschen (15,9%) gaben Schmerzen an. 61 Personen (96,8%) haben einen Arzt konsultiert. Auf der Skala von 0 (sehr gut) bis 10 (sehr schlecht) gaben diese Personen der Therapie im Durchschnitt eine 3,7 und in der Beratung eine 3,9. Alle Betroffenen wandten zur medikamentösen Therapie mindestens eine zusätzliche nicht medikamentöse Therapie an. Am häufigsten wurde die „Ablenkung“ angegeben. Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielten insgesamt 24, davon gaben 16 (66%) Schmerzen an. Verteilung: Pflegestufe 1: acht (50%) – Pflegestufe 2: fünf (31,3%) – Pflegestufe 3: drei (18,8%). Die Lebensqualität lag im Durchschnitt aller Befragten bei 2,98. Mit Schmerzangabe bei 5,0. Jünger 67: 4,6; jünger 80: 5,5 und älter als 80: 4,9. P1.3 Perioperatives Schmerzkonzept – Patientenzufriedenheit als guter Erfolgsindikator M. Esteve-Ros, E. Naumann, U. Haupt, A. Fiehn DGK Diakonie Gesundheitszentrum Kassel Perioperative Schmerztherapie trägt nachgewiesener Maßen zur Senkung der perioperativen Morbidität bei, sie ist ein wichtiges Qualitäts- und Zufriedenheitskriterium und stellt einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar.(1) Wesentlich für eine erfolgreiche Implementation sind eine Analyse, standardisierte Behandlungsschemata, eine institutionelle Verantwortung und eine hohe Akzeptanz. Zur Überprüfung der Einführung eines perioperativen Schmerzkonzeptes und der Patientenzufriedenheit zu ihrem subjektiven Schmerzempfinden wurde eine Studie durchgeführt. Zwei Monate nach der Roll-out-Phase wurden in einem ersten Evaluationsschritt 103 operative Patienten mittels eines durch die Pain-Nurses entwickelten strukturierten dreigliedrigen Fragebogens untersucht. Dabei wurden mit insgesamt 15 Items Patienten zu ihrer Schmerzsituation direkt postoperativ im Aufwachraum (Schmerzen, Shivering, Übelkeit und Erbrechen (PONV) ) und ihrer Zufriedenheit mit der standardisierten Schmerztherapie während ihres Aufenthaltes befragt. Die Rücklaufquote der Fragebögen lag bei 93,6 % (103 von 110). Das Alter der befragten Patienten lag im Mittel bei 58,4 Jahren (17-83 Jahre) mit einem Übergewicht im weiblichen Anteil (71 Frauen, 32 Männer). In der untersuchten Gruppe gaben 89,3 % an keine Schmerzen, 90,2 % kein Shivering und 91,3% kein PONV gehabt zu haben. Mit der standardisierten Schmerztherapie auf der peripheren Station waren 95,1 % der befragten Patienten zufrieden. Für die Einführung, Umsetzung und Akzeptanz eines perioperativen Schmerzkonzeptes sind neben einer hohen Identifikation des Schmerzteams, Evaluationen aus interner Qualitätssicherung nötig. Obwohl andere Untersuchungsgruppen von einer schwachen Korrelation zwischen erfragter Patientenzufriedenheit und gemessenen Schmerzniveaus (Visuelle Analogskala) berichten, zeigen unsere Daten, dass die Zufriedenheit des Patienten mit der Schmerztherapie einen ausreichenden Ersatzindikator darstellt.(2) Gesundheitsdienstleistungen sind überwiegend Vertrauensgüter und somit ist eine hohe Zufriedenheit mit der perioperativen Schmerztherapie auch unter dem zunehmenden Wettbewerb wichtig.(3) 1. Kehlet H,Wilmore DW. (2002) Multimodal strategies to improve outcome. Am J Surg 183:630-41 2. Gottschalk A. et al. (2004) Korreliert die Patientenzufriedenheit mit dem Schmerzniveau bei der Anwendung von patientenkontrollierter Epiduralanalagesie. Evaluation der Daten eines perioperativen Schmerzdienstes. Schmerz 18:145-50 3. Johnson B. (1997) The economics of pain. Current Pain and Headache Reports. 1:324-32 Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts P1.4 QUIPS – ein innovatives Modell zur Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie aus Sicht der Pflege A. Göttermann, W. Meißner Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Jena Postoperative Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit und Sedierung beeinträchtigen das Befinden des Patienten nicht nur direkt nach dem Eingriff, sondern häufig auch langfristig. Eine suffiziente Symptomkontrolle kann zur Liegezeitverkürzung beitragen und die Patientenzufriedenheit erhöhen. So ist ein interdisziplinäres Projekt entstanden, das sich an alle Mitarbeiter aller Fachrichtungen, vor allem auch die Pflege richtet. Die Pflege wurde von Anfang an in die Entwicklung des Projektes integriert. Ziel von QUIPS ist die Verbesserung der postoperativen Symptomkontrolle durch eine regelmäßige Erhebung von Parametern der Ergebnisqualität, ihre Analyse und Rückmeldung an die beteiligten Kliniken. Dieses System ist unabhängig von unterschiedlichen Rahmenbedingungen eines Krankenhauses (z.B. EDV, Dokumentationssysteme) im klinischen Alltag anwendbar und gewährleistet durch internes und externes Benchmarking eine kontinuierliche Qualitätssicherung. Datenerhebung: Eine Reihe von klinisch-demographischen Daten (z.B. Alter, OP, Art der Narkose und Schmerztherapie) sowie Parameter der Prozess- und Ergebnisqualität werden mittels eines Handheld-Computers am ersten postoperativen Tag bettseitig erfasst. Die Parameter der Ergebnisqualität werden dabei in erster Linie aus der Patientenperspektive definiert. Im Vordergrund stehen dabei die funktionellen Auswirkungen von Schmerzen, Nebenwirkungen der Therapie und Patientenzufriedenheit. Zusätzlich können Daten zur Prozessqualität (z.B. regelmäßige Schmerzmessung) und weitere Einflussfaktoren (Art der Narkose) erfasst werden. Freifelder ermöglichen die Erhebung individuell interessierender Parameter. Die Daten werden anonymisiert an eine externe Datenbank übermittelt und dort analysiert. Feedback: In- und externes Benchmarking ist kontinuierlich von allen Partnern über eine geschützte Webseite abrufbar. Eine Besonderheit ist die Darstellung der zeitlichen Verläufe, die zusätzlich die Beurteilung der eigenen Performance erlaubt. In unserem Haus haben die Pflegekräfte der beteiligten Stationen Zugriff auf diese Ergebnisse und können im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe besprochen werden. Durch die Stratifizierung verschiedener Einflussfaktoren sind dabei fach- und verfahrensspezifische Analysen möglich. So können beispielsweise die schmerzhaftesten Operationen einer Klinik oder Populationen von Risikopatienten identifiziert und spezifische Interventionen eingeleitet werden. Dadurch ermöglicht das Projekt eine rationale, ressourcenschonende und gezielte Qualitätsverbesserung. Darüber hinaus können die Auswirkungen von Interventionen oder Medikamentenumstellungen verfolgt werden. Ergebnisse: In das Projekt sind derzeit 53 deutsche Krankenhäuser verschiedener Größe eingeschlossen. Der Benchmarkserver wurde aufgebaut und ermöglicht den Teilnehmern seit Oktober 2004 die Online-Auswertung, deren Umfang ständig weiter ausgebaut wird. Bis jetzt kann auf mehr als 32.925 Datensätze zurückgegriffen werden. Ausblick: Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) im Rahmen des Förderschwerpunktes „Benchmarking zur Verbesserung der Patientenversorgung“ unterstützt. Nach Auslaufen dieser Förderung ist eine nicht-kommerzielle interdisziplinäre Fortführung unter dem Dach der Fachgesellschaften der Anästhesiologen, Chirurgen und der Pflege erfolgt. Die Teilnahme weiterer Partner ist möglich. Auf der Basis der bereits existierenden Datenbank kann bereits jetzt ein aussagefähiges Benchmarking erfolgen. Weiter Module sind zukünftig buchbar: QUIPS – Intermediate Care (IMC) / Intensivstation und QUIPS in der Kinderchirurgie. Die Hardwarevoraussetzungen sind gering (PC mit Internetanschluss; ggf. Handheld-Computer. Anbindung an Netzwerke oder Krankenhausinformationssysteme ist nicht notwendig!).
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P1.5 Vorstellung und Evaluierung des Weiterbildungskurses zur „Algesiologischen Fachassistenz“ der DGSS D. Grünewald1, M. Thomm2, P. Paul3, E. Löseke4, D. Märkert5, N. Schlegel2 1 Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Charité Campus Mitte; 2 Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Uniklinik Köln; 3 Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin St. Marien-Hospital Lünen; 4 Schmerzzentrum der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn; 5 Schmerzambulanz Anaesthesiologische Klinik Universitätsklinikum Erlangen Schmerztherapie erfordert kompetente Pflege. Durch die Vielseitigkeit der Schmerzdiagnosen sowie der zahlreichen medizinischen, schmerzbezogenen und psychosozialen Risikofaktoren ist es auch für das Pflegepersonal unabdingbar, sich mit dem Thema Schmerz auseinanderzusetzen. Diese Forderung wird durch die wissenschaftliche Erarbeitung des Expertenstandards „Schmerzmanagement in der Pflege (2005)“ untermauert. Schon 1994 zog der „Arbeitskreis Krankenpflege und medizinische Assistenzberufe in der Schmerztherapie“ (AK) die Konsequenz, ein Schmerztherapeutisches Basiscurriculum (SB) für die Krankenpflegeausbildung zu erarbeiten. Vorher wurde in einer Fragebogenaktion an 480 Krankenpflegeschulen der gesamten BRD ermittelt, dass eindeutig zu wenig Unterrichtsstunden zum Thema Schmerz und Schmerzbehandlung angeboten wurden und kein standardisiertes Curriculum zur Verfügung stand. Nach Genehmigung des SB durch die Aus- , Weiter- und Fortbildungskommission der DGSS (1998) bietet die DGSS in Zusammenarbeit mit dem AK unter der Leitung von Frau M. Thomm seit 09/2001 die Weiterbildung zur „Algesiologischen Fachassistenz“ an. Die Vermittlung einzelner Lerneinheiten werden von fachkompetenten Pflegekräften des AK und von langjährig in Schmerztherapie erfahrene Dozenten getragen. Diese Weiterbildung bestand zunächst aus einem Grundkurs (3 Tage), der jedoch durch die Evaluation des SB (2002) um einen Aufbaukurs (2 Tage) erweitert wurde. Das Kursangebot ist mittlerweile aufgrund der regen Nachfrage bundsweit ausgedehnt worden. Die Zahl der bisher zertifizierten pflegenden Teilnehmer beträgt 1002. Unserem Ziel eine standardisierte schmerztherapeutische Ausbildung für Pflegende bundesweit anzubieten, kommen wir immer näher. Die Teilnehmer können mittels Evaluierungsbogen der DGSS aktiv an der Gestaltung des Weiterbildungskurses teilhaben Die Auswertungen bzw. die Qualitätskriterien werden im Poster dargestellt. P1.6 Modernes Bildungsmanagement als Instrument im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung in der stationären Krankenversorgung am Beispiel einer Evaluierung eines Fernlehrgangs N. Heym Diplomarbeit der Fern-Hochschule Hamburg Forschungshintergrund: Das Thema der Studie beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Begleitung des Fernlehrgangs „Pain Nurse – Schmerzmanagement in der Pflege“ aus dem Bildungsangebot des Centrums für Kommunikation, Information und Bildung. Der Fernlehrgang wurde anhand eines praktischen Projektes in der stationären Krankenversorgung wissenschaftlich evaluiert, um damit den Transfernachweis von Theorie und Praxis zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde eine empirische Studie an einem Krankenhaus der Maximalversorgung mit dezentralen Organisationsstrukturen in einer chirurgischen und einer internistischen Abteilung durchgeführt. Für die Beurteilung der Wirksamkeit des Fernlehrgangs wurden eine Prä- und eine Poststudie geplant. Dazu wurden jeweils vor und nach der Qualifizierungsmaßnahme IST-Analysen durchgeführt, um die Meinungen, Einstellungen der Führungskräfte, der Mitarbeiter und der Patienten zu protokollieren und die Entwicklungen bei der Implementierung vergleichen zu können. Von den projektbeteiligten Stationen wurden jeweils zwei Pflegekräfte und ein Arzt auserwählt, die im Anschluss an die Qualifizierungsmaßnahme eine Arbeitsgruppe gründeten, um auf
der Grundlage des Fernlehrgangs ein Schmerzmanagement zu entwickeln und auf Station zu implementieren. Der Projektverlauf wurde anhand von Fragebögen, nichtstandardisierten Leitfadeninterviews und Dokumentenanalysen begleitet. Methodischer Ansatz: Aufgrund des hohen Praxis- und Handlungsbezugs der empirischen Studie, erschien die Vorgehensweise nach handlungsorientierten Ansätzen prädestiniert. Somit hatte die Studie einen eher experimentellen und explorativen Charakter, da der Fernlehrgang in diesem Ausmaß nach nicht evaluiert wurde. Der Projektauftrag lautete, eine qualifizierte Aussage über die Notwendigkeit von Qualifizierungsmaßnahmen durch den Fernlehrgang „Pain Nurse“ bei der interdisziplinären Implementierung eines Schmerzmanagements in der stationären Krankenversorgung zu treffen. Ergebnisse: Während des Studienverlaufes fiel auf, dass die Qualität einer Bildungsmaßnahme nicht so sehr von der Didaktikmethode abhängt und daran gemessen werden kann, sondern dass die Ursachen der Transferproblematik auch bei den strukturellen und organisatorischen Bedingungen am Arbeitsplatz zu suchen sind. „Im Hinblick auf die Qualifizierung der Beschäftigten kann von einer tatsächlichen „Entwicklung“ des Personals nur dann gesprochen werden, wenn nicht nur die Angebote bedarfsgerecht ausgerichtet sind, sondern auch gewährleistet ist, dass [!] die neu erlernten und verbesserten Kenntnisse und Tätigkeiten im beruflichen Alltag angewandt werden können“ (Rieder, Zell, 1996, S. 36). Fazit: Das Erlangen von Zusatzqualifikationen ist eine nicht zu unterschätzende Kapitalanlage auf dem Arbeitsmarkt geworden. Bildung und Wissen gehören zunehmend zu den wichtigsten Rohstoffen unserer heutigen Arbeitswelt, da die Qualifikationen der Mitarbeiter maßgeblich den Unternehmenserfolg mitbestimmen. „Langfristig sind Weiterbildung sowie PE- und OE-Aktivitäten das zentrale Investitionsthema für ein Unternehmen, das seine Perspektiven sucht und sich für die Zukunft absichern will“ (Jeserich, 1989, S. 103). „Erforderlich ist hierfür eine praxisnahe Unterstützung der Beschäftigten am Arbeitsplatz. Eine derartige Förderung kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn die Personalentwicklung Hand in Hand mit der organisatorischen Gestaltung des Krankenhausbetriebes erfolgt. Mit anderen Worten: Alle noch so gut konzipierten Personalentwicklungsmaßnahmen laufen ins Leere, wenn nicht gleichzeitig auch die organisatorischen Rahmenbedingungen den sich veränderten Anforderungen angepasst [!] werden“ (Rieder, Zell, 1996, S. 36). Literatur: Aufgrund des größeren Umfanges ist die Literaturliste bei der Autorin erhältich und wird hier nicht näher aufgeführt. Anmerkung: Dem Poster sind zusätzlich Grafiken beigefügt die das Ergebnis der Studie widerspiegeln. P1.7 Sekundärdatenanalyse von Routinedaten einer Krankenkasse. Ein Zugangsweg zur Beschreibung schmerzbezogener Versorgungsleistungen von Pflegeheimbewohnern im PAiN Projekt K. Kopke, T. Fischer, W. Hofmann, M. Kölzsch, R. Kreutz, D. Dräger Institut für Medizinische Soziologie, Institut für Klinische Pharamkologie und Toxikologie Schmerzen stellen ein bedeutsames Gesundheitsproblem bei alten Menschen dar. Unter- bzw. Fehlversorgung in der Schmerztherapie sind zu beobachten, laut American Geriatric Society bei 45% bis 80% der Pflegeheimbewohner. Obwohl die Arzneimitteltherapie einen wesentlichen Grundpfeiler der interdisziplinären Behandlung von Schmerzen darstellt, wurde die Qualität und Angemessenheit der Arzneimittelverordnungen im Rahmen der Schmerztherapie von Pflegeheimbewohnern bislang nur unzureichend untersucht. Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung im PAiN Projekt des ama Forschungsverbunds, wie sich Schmerzen auf die Bewohner von Pflegeheimen, insbesondere im Hinblick auf ihre Autonomie auswirken, werden unterschiedliche Zugangswege und Datenquellen genutzt. Um Aussagen zu erbrachten schmerzbezogenen Versorgungsleistungen bei Pflegebedürftigen zu generieren, erfolgt eine Sekundärdatenanalyse von Routinedaten einer Krankenkasse. In die erste Datenziehung
wurden alle Pflegeleistungssätze älterer Versicherter (> 65 Jahre) einbezogen. Die Ergebnisse machen Aussagen zur betrachteten Stichprobe, zur Kongruenz der medikamentösen Verordnung in Bezug zur Diagnosestellung, das Vorkommen von exemplarisch ausgewählten schmerzhaften Erkrankungen, der in diesem Zusammenhang durchgeführten Schmerztherapie sowie die Verordnungshäufigkeit von Opioiden. Insgesamt geben die Daten Hinweise auf Lücken in der schmerzbezogenen Versorgung von Pflegeheimbewohnern. Die vorliegende Machbarkeitanalyse zur Nutzung von Sekundärdaten zu wissenschaftlichen Zwecken konnte die Verlässlichkeit der verwendeten Routinedaten nachweisen, so dass diese zur Beantwortung weiterer differenzierter projektbezogener Fragestellungen herangezogen werden können. P1.8 PAiN: Autonomie trotz Schmerz – Schmerzgeschehen und Schmerzmedikation bei Pflegeheimbewohnern M. Kölzsch1, K. Kopke2, T. Fischer2, W. Hofmann2, D. Dräger2, R. Kreutz1 1 Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin; 2 Institut für Medizinische Soziologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin Schmerz ist eine der häufigsten Beschwerden innerhalb der deutschen Bevölkerung. Epidemiologische Studien zur Schmerzprävalenz der Bevölkerung beziehen jedoch eine wichtige Gruppe unserer Gesellschaft nicht mit ein. Menschen in Pflegeheimen und dementiell Erkrankte werden oft systematisch ausgeschlossen oder sind unterrepräsentiert. Das Pain-Projekt, innerhalb des AMA-Verbundes angesiedelt, will gezielt die Schmerzproblematik bei dieser Bevölkerungsgruppe erforschen. Des Weiteren sollen die Qualität der Versorgungsleistung und die Angemessenheit im professionellen Umgang mit Schmerz untersucht werden. Geeignete Erhebungsinstrumente und Zugangswege zur Heimpopulation sind zu identifizieren. Dazu bedient sich das Projekt zweier unabhängiger Datenquellen. Routinedaten einer Krankenkasse werden hinsichtlich der Verschreibung von Schmerzmedikamenten, der Korrelation von schmerzassoziierter Diagnose mit verschriebenen Analgetika und der Verschreibung von Co-Analgetika und Co-Medikationen analysiert. Ebenso sollen die Angemessenheit der Verschreibungen für alte Menschen sowie das Interaktionspotenzial systematisch geprüft werden. Eine weitere Datenquelle des Projektes stellen Interviews mit Pflegeheimbewohnern dar. Hier sollen Angaben zu Schmerzen (Qualität, Intensität, Verlauf) und deren Therapie (angemessene Behandlung von Schmerzen, Medikamente in Dosis und Intervall,) sowie zur Autonomie der Bewohner (hindernde und fördernde Faktoren) und vorhandenen Co-Morbiditäten erhoben werden. Die Einbeziehung von dementiell erkrankten Heimbewohnern stellt eine Besonderheit dar und bedarf besonderer Erhebungsinstrumente. Am Ende des bis Anfang 2011 laufenden Projektes wird eine umfassende Beschreibung des Schmerzgeschehens und der Qualität der Schmerzbehandlung stehen. Ein Anliegen des PAiN-Projekts ist es, die Ergebnisse der einzelnen Projekte direkt in Handlungsempfehlungen für Ärzte und Heimträger zu pflegerischen, sozialen und strukturellen Maßnahmen umzusetzen. So soll die Qualität der Heimversorgung erhöht und die Autonomie der Bewohner so lange wie möglich erhalten bleiben bzw. gestärkt werden. P1.9 Evaluierung des schmerztherapeutischen Curriculums E. Löseke1, D. Grünewald2, P. Paul3, M. Thomm4 1 Schmerzzentrum der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn; 2 Schmerzambulanz der Charité Campus Mitte Berlin; 3 Klinik für Schmerz und Palliativmedizin St. MarienHospital Lünen; 4 Schmerzambulanz Klinikum der Universität zu Köln Fragestellung: Welchen Stellenwert hat das Curriculum des AK Krankenpflege und med. Assistenzberufe der DGSS für die Ausbildung an bundesdeutschen Krankenpflegeschulen? In einer erneuten Umfrage wurde der aktuelle Stand der schmerztherapeutischen Ausbildung an deutschen Krankenpflegeschulen durch den Arbeitskreis KranDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Fragen Kennen Sie das schmerztherapeutische Curriculum des AK Krankenpflege und med. Assistenzberufe der DGSS? Nutzen Sie das o.g. Curriculum für den Themenbereich Schmerz? In welchem Kurs wird das Thema Schmerz behandelt?
Ja: 75% Nein: 25% Ja: 51% Nein: 49% UK: ERW: 50 KD: 10 Alten: 3 Bei welchen Patientengruppen wird das Thema Schmerz im Kinder: 100 Unterricht vermittelt? Alte Menschen: 131 Welche Schwerpunkte werden im Themenbereich Schmerz- Phys. Grundl.: 97% therapie behandelt? Mess./Dok.: 99% Nichttumor Syndr.: 58% Wie viele UE werden für das Thema Schmerz vermittelt < 22 UE: 38% Wer unterrichtet in ihrer Einrichtung Schmerztherapie? Eigene Lehrer: 184
Bitte teilen Sie uns einige Angeben zu ihrer Person mit: Ich bin wie lange an dieser Schule tätig.
Schulleitung: 60 1 – 5 Jahre: 52
kenpflege und med. Assistenzberufe in der Pflege der DGSS erhoben. Material und Methode: Aus einer Datenbank der Bundesagentur für Arbeit wurden 498 Krankenpflegeschulen zu Beginn des Jahres 2008 angeschrieben. Den Krankenpflegeschulen wurde nach 1994 und 2002 zum dritten Mal ein zweiseitiger Fragebogen zugesandt. Ergebnisse: In der Erstbefragung 1994 ging es um die Bedarfsermittlung bzw. um den Stellenwert der schmerztherapeutischen Ausbildung in der Pflege. Im Schnitt wurden neun UE zum Thema Schmerz unterrichtet. Ein einheitliches Curriculum lag nicht vor, zum größten Teil wurden eigene Konzepte und Erfahrungen vermittelt. Als Konsequenz aus der Befragung mit einer Rücklaufquote von 21% hat der AK das erste schmerztherapeutische Basiscurriculum erarbeitet. Bei der Evaluierung des Basiscurriculums 2002 betrug der Rücklauf ebenfalls wieder 21%. Der Durchdringungsgrad des Curriculums zeigt sich als durchaus positiv, 46% der Befragten nutzten das Basiscurriculum. Das Thema Schmerz wurde im Mittelkurs der Erwachsenen Krankenpflegeausbildung bei 69% der Befragten unterrichtet. Die vermittelten Lehrinhalte bezogen sich auf Schmerzarten (94%) und medikamentöse Schmerztherapie (87%). Die geforderten 22 UE werden als ausreichend betrachtet. Die inhaltliche Verständlichkeit und die vorgeschriebenen Themen als positiv bewertet. Aufgrund der doch geringen Rücklaufrate stellt sich jedoch die Frage wie aussagekräftig die Befragung war. Aufgrund der seit 2001 durchgeführten Weiterbildungskurse zur „Algesiologischen Fachassistenz“ durch den AK, der o.g. Umfrage und der allgemein hohen Akzeptanz des Basiscurriculims wurde im Jahr 2006 die Überarbeitung und Erweiterung des Curriculums fertig gestellt. Das Curriculum wurde in Basis- und ein Aufbaucurriculum gegliedert, umfasst insgesamt 40,5 UE und dient zur Aus-, Weiter- und Fortbildung in der Pflege. 2008 fand dann die oben beschriebene Evaluierung des Curriculums statt. Der ausgewertete Rücklauf der Befragung lag bei 35%. Die weiteren Ergebnisse sind der beigefügten Tabelle zu entnehmen. Zusammenfassung: Die Auswertung zeigt, dass die schmerztherapeutische Ausbildung eine positive Entwicklung an deutschen Krankenpflegeschulen genommen hat. Eine Vorreiterfunktion hatte dabei das 1998 veröffentlichte schmerztherapeutischen Basiscurriculum, sowie auch das überarbeitete schmerztherapeutische Curriculum für die integrierte Aus, Weiter- und Fortbildung in der Pflege des AK Krankenpflege und med. Assistenzberufe der DGSS. Somit ist das Curriculum nicht nur für die Weiterbildung zur „Algesiologischen Fachassistenz“ von entscheidender Relevanz, sondern hat auch im Laufe der Jahre an deutschen Krankenpflegschulen enorm an Stellenwert gewonnen. Dieses zeigt sich auch darin, dass das Modul Schmerz im neuen Krankenpflegegesetz eingearbeitet wurde und das Curriculum mit als Vorlage diente.
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MK: ERW: 162 KD: 29 Alten: 6 Onk. Pat.: 170 Trauma. Pat.: 122
OK: ERW: 44 KD: 5 Alten: 3 Gyn. Pat.: 62 Andere: 69 Chr. nichtumor Pat.: 144 Schmerzarten: 99% Medikam.: 93% Nichtmed.: 83% Invasiv Th.: 61% Psych. Asp.: 99% Postop.: 77% Organisationsformen: 65%Tumorschmerz: 77% > 22UE: 17% Fremddozenten: Pfl.: 56 Ärzte: 105 Stellv. Leitung: 20 5 –10 Jahre: 33
< 40 UE: 45% Apotheker: 10 Psychologen: 4 Physiotherapeuten: 2 Lehrer: 120 10 – 15 Jahre: 42
Heilpraktiker:1
Fremddonzent: 3 > 15 Jahre: 63
P1.10 Im Labyrinth von Selbst- und Fremdeinschätzung bei alten Menschen E. Sirsch, I. Gnass Alpen, Willich Problemlage: Die Schmerzeinschätzung bei alten Menschen, die sich nicht verbal äußern können oder kognitiv beeinträchtigt sind, ist schwierig. In der Literatur werden inzwischen Lösungsansätze beschrieben, wie die Schmerzeinschätzung bei Menschen mit kognitiven bzw. kommunikativen Beeinträchtigungen erfolgen kann (Basler, et al. 2006; Fischer, 2007; Herr et al., 2006; Jeitziner & Schwendimann, 2006; Zwakhalen, 2006). Die Praktiker stehen allerdings in einem schwierigen Grenzbereich. Unterschiedliche Bewusstseinslagen von Betroffenen erschweren die Einschätzung der Kognition zusätzlich, und damit die Auswahl der zur Schmerzeinschätzung genutzten Instrumente (Gnass, Sirsch, 2007). Das Bewusstsein kann zudem bei neurologisch Erkrankten häufig als instabil betrachtet werden. Besonders in der Intensivpflege kann die Bewusstseinslage, in der der Schmerz erfasst wird, sich innerhalb kurzer Zeit verändern. Davon ist abhängig, wann welche Schmerzeinschätzung genutzt wird. Ist der Ausgangspunkt für die Auswahl der Schmerzeinschätzung die Fähigkeit verbal zu kommunizieren, oder ist es die eingeschränkte Kognition oder die veränderte Bewusstseinslage? Denn Menschen mit und ohne Fähigkeiten verbal zu kommunizieren, können Beeinträchtigungen der Kognition und des Bewusstseins haben, oder aber auch nicht. Es braucht Entscheidungshilfen, welche Schmerzeinschätzung, z. B. Selbst- oder Fremdeinschätzung, in welcher Situation eingesetzt werden kann. Die angestrebte Literaturstudie will Aussagen über Fähigkeiten bzw. Instrumente machen, die Pflegende in unterschiedlichen Einrichtungen, bei den unterschiedlich beeinträchtigten Menschen benötigen, um eine Entscheidung treffen zu können, ob Schmerzen mittels Selbst- oder Fremdeinschätzung erfolgen kann. Fragestellung: Welches Screening, welche Fähigkeit in der Pflege sind erforderlich, um bei unterschiedlichen und/oder wechselnden Zuständen der Kommunikationsfähigkeiten, des Bewusstseins oder der Kognition bei alten Menschen, die Einschätzung von Schmerz als Selbstund Fremdeinschätzung zu erfassen? Methodik: Literaturrecherche der relevanten pflegewissenschaftlichen Datenbanken. Literatursynthese: Methode des Integrativen Literaturreviews. Einschlusskriterien: Menschen über 70 Jahre Deutsche und englischsprachige Literatur Zeitraum von 1998-2008
Ausschlusskriterien: Menschen unter 70 Jahre Menschen mit geistiger Behinderung 1. Basler, H.D., Hüger, D.; Kunz, R.; Lukas, A.; Nikolaus, T.; Schuler, M.S. (2006) Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD); Untersuchung zur Validität eines Verfahrens zur Beobachtung des Schmerzverhaltes. Der Schmerz, http://www.springerlink.com/ Onlineveröffentlichung, Zugriff 19.07.2006. 2. Fischer, T. (2007) Hilfsmittel für die Beobachtung, aber kein Ersatz für Fachlichkeit. 3. Instrumente für die Schmerzeinschätzung bei Personen mit schwerer Demenz. Pflegezeitschrift 6/2007, 308 - 311. 4. Gnass, I., Sirsch, E. (2007) Schmerzeinschätzung bei kognitiv beeinträchtigten Menschen. Die Testung des Einschätzungsinstrumentes ZOP©. Bisher unveröffentlichte Arbeit zur Erlangung des Grades MScN an der Privaten Universität Witten/Herdecke, Institut für Pflegewissenschaft. 5. Herr, K.; Bjoro, K. & Decker, S. (2006) Tools for assessment of pain in nonverbal older adults with dementia: A state-of-the-science review. Journal of Pain and Symptom Management, 31, 170-192. 6. Jeitziner, M.-M. & Schwendimann,R. (2006) Schmerzerfassung bei sedierten und maschinell beatmeten Patienten und Patientinnen. Pflege, (19) Dezember S. 335-344 7. Zwakhalen, S. M.; Hamers, J. P.; Abu-Saad, H. H. & Berger, M. P. (2006) Pain in elderly people with severe dementia: a systematic review of behavioural pain assessment tools. BMC Geriatrics, 6, 3. P1.11 Die Transkutane elektrische Nervenstimulation(TENS) – Eine multiprospektive Studie zur Wirksamkeitsüberprüfung bei chronischen Schmerzen M. Thomm1, N. Schlegel1, D. Grünewald2, E. Löseke3, P. Paul4 1 Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Uniklinik Köln; 2 Schmerzambulanz der Charité Campus Mitte; 3 Schmerzzentrum der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Brüderkrankenhaus St. Josef, Paderborn; 4 Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin St. Marien Hospital, Lünen Anhand eines 2-seitigen Evaluierungsbogens sind in einem Zeitraum von 8 Monaten 185 Patienten (121 Frauen 65,4%, 64 Männer 34,6%) über die Anwendung und Wirksamkeit der TENS-Therapie befragt worden. Die Studie ist in 4 Schmerzzentren (2 Universitätskliniken, 2 akad.Lehrkrankenhäuser) durchgeführt und die Fragebögen mittels des Statistikprogramms SPSS ausgewertet worden. Lumbaler Rückenschmerz sowie HWS- und Nackenschmerzen waren die Hauptindikationsgebiete für eine TENS-Verschreibung. 174 (94,1%) Patienten gaben bei Ausfüllen des Fragebogens weiterhin Schmerzen an. Die Frage auf aktuelle Benutzung beantworteten 155 (83,8%) Patienten mit „ja“ und 30 (16,2%) mit „nein“. Im Durchschnitt wurde das Gerät 3x/Tag für 30 Min. angewandt und zeigte im Median eine Schmerzlinderung von 40%. 35 (13,5%) Patienten brachen die Therapie u. a. wegen mangelnden Effekts ab. In der Anfangsphase der TENS-Therapie gaben 150 (82,9%) der befragten Patienten auf einer deskriptiven Skala eine sehr gute bis mittlere und 29 (17,1%) eine schlechte bis sehr schlechte Schmerzlinderung an; im Verlauf der Therapie bzw. bei regelmäßiger Anwendung erfuhren 161 (90,4%) Patienten jedoch eine sehr gute bis mittlere und nur noch 17 (9,5%) eine schlechte bis sehr schlechte Schmerzkontrolle. In zwei weiteren Fragen wurden die Patienten aufgefordert, auf der numerischen Rangskala (NRS) ihre durchschnittliche Schmerzstärke mit und ohne TENS-Anwendung anzugeben. Die durchschnittliche Schmerzstärke ohne TENS lag bei NRS 7 und mit TENS nur noch bei NRS 4 (p<0,001). 153 (82,7%) der Befragten nahmen zusätzlich zur Linderung ihrer Schmerzen Analgetika ein und führten physiotherapeutische Maßnahmen durch. Die statistisch signifikanten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die TENS-Therapie eine gültige Therapieform als adjuvante Maßnahme bei der Behandlung chronischer Schmerzen, insbesondere bei muskuloskeletalen Beschwerden darstellt.
P02 Experimentelle Schmerzmodelle II (Tiermodelle) P2.1 Zytokin-induzierte Sensibilisierung und Ionenkanalmodulation von Spinalganglienneuronen nach Nervenläsionen T. Hagenacker, A. Wissmann, C. Czeschik, L. S. Sorkin, P. Vandenabeele, D. Büsselberg, C. Sommer, M. Schäfers Neurologische Klinik, Universität Duisburg-Essen; Institut für Physiologie, Universität Duisburg-Essen; Neurologische Klinik, Universität Würzburg; Anesthesiology Research Laboratory, University of California San Diego, La Jolla, CA, USA; Molecular Signaling and Cell Death Unit, VIB, Department of Molecular Biology, Ghent University, Ghent, Belgien; Department of Medical Education, Texas Tech University, El Paso, TX, USA Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass proinflammatorische Zytokine wie Tumor-Nekrose Faktor-α (TNF-α) primär afferente Neurone sensitivieren und an der Genese und Persistenz neuropathischer Schmerzen beteiligt sind. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind noch weitgehend unklar. Unsere aktuelle Arbeit folgte der Hypothese, dass Nervenläsionen über eine Aktivierung der TNF Signalskaskade Ionenkanäle modulieren und auf diese Weise zur Entwicklung von Spontanaktivität und damit zur Schmerzentstehung beitragen. Diese Studie zeigt mit Hilfe elektrophysiologischer und verhaltensbiologischer in vitro und in vivo Techniken die Wirkung von TNF auf Spinalganglienneurone (DRG) im Tiermodell der Spinalnervenligatur (SNL) bei Ratten. Die intrathekale Applikation von TNF Mutanten, die selektiv TNF Rezeptor (TNFR) 1, nicht jedoch TNFR2 stimulieren, induziert eine transiente mechanische Allodynie, die kombinierte Stimulation beider TNFR führt zu einer deutlichen Zunahme und Verlängerung des schmerzassoziierten Verhaltens. Dementsprechend zeigen in vitro Einzelfaserableitungen der Hinterwurzel, dass im intakten Nervensystem v.a. die Stimulation von TNFR1 ektope Entladungen hervorruft. Nach SNL hingegen induziert v.a. die Stimulation von TNFR2 eine deutliche Zunahme der Spontanaktivität. In Ganzzell-Patchclamp Ableitungen von Spinalganglienneuronen führt TNF zu einer Stromvergrößerung an v.a. TTX-resistenten Natriumkanälen, die die TNFinduzierte Generierung von Aktionspotentialen erklären könnte. Die Aktivierung der TNF Signalkaskade ist an der Sensibilisierung primär afferenter Neurone nach Nervenläsionen beteiligt und somit für die Entstehung neuropathischer Schmerzen mitverantwortlich. TNFR1 scheint v.a. im intakten Nervensystem eine Rolle zu spielen. Die additive exzitatorische und algetische Wirkung von TNFR2 spricht allerdings dafür, dass beide Rezeptoren an diesem Prozess beteiligt sind. Ein zugrunde liegender Mechanismus könnte die TNF-induzierte Modulation von Natriumströmen sein. P2.2 Imaging of pain in transgenic mice by functional MRI C. Heindl1, R. Axmann2, J. Penninger3, G. Kollias4, S. Kreitz1, J. Zwerina2, G. Schett2, K. Brune1, A. Hess1 1 Institute of Experimental and Clinical Pharmacology and Toxicology, University of Erlangen-Nuremberg, Erlangen, Germany; 2 Internal Medicine 3, Rheumatology and Toxikology, University of Erlangen-Nuremberg, Erlangen, Germany; 3 Institute of Molecular Biology of the Austrian Academy of Sciences, Vienna, Austria; 4 Alexander Fleming Biomedical Research Center, Vari, Greece Pain fulfils a protection and warning function for the living organism against noxious stimuli. In contrast pain arising from pathological dysfunctions offers no advantage and may be debilitating to patients afflicted. The treatment of different pain states is often ineffective and efficient drugs against chronic pain are still an unmet medical need. Two cutting-edge technologies offer new ways gaining deeper insight in nociceptive processing thereby leading to the development of new compounds. Firstly, non-invasive functional magnetic resonance imaging (fMRI) using the blood oxygenation level dependent (BOLD) signal is a standard method for studying (chronic) pain (in humans) and to discover pathways associated to Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts the modulation and processing of pain. BOLD fMRI offers many advantages compared to conventional animal experiments, especially the non-invasiveness, the high quality of data, and the lower number of animals needed. Secondly, genomic research has provided us with mouse strains showing highly specific genetic modifications along the nociceptive pathway. For the first time, we were able to combine these two technologies, namely investigating non-invasive BOLD fMRI in (transgenic) mice. With this qualitative breakthrough we were able to examine central nociceptive processing in different mouse strains (hypo- and hyperalgesic) caused by peripheral heat pain (45-60 ºC, surface of hindpaws). We observed robust changes (specific for different mouse strains) in a highly specific manner (~ 64 brain areas, e.g. thalamus, somatosensory cortex, cingulate cortex, insula, hypothalamus). The distribution of these areas along the pain pathway is compatible with the knowledge of nociceptive processing in human and rat. Hence, we were able to successfully distinguish pathways conducting painful information and their modulation in (transgenic-) mice by BOLD fMRI. We conclude that fMRI can be used as a reliable and valid method to monitor activity in the mouse brain. It is a useful tool in pain research especially in respect to genetically modified mouse strains for investigating new targets and compounds for a better pain relief. P2.3 Vergleichende neuroanatomische Untersuchung zur spinalen Verschaltung von Muskelnozizeptoren aus Extremitäten- und Rückenmuskulatur V. John, T. Taguchi, U. Hoheisel, S. Mense Institut für Anatomie und Zellbiologie, Universität Heidelberg Fragestellung: Im Vergleich zu Schmerzen in Extremitätenmuskeln ist die Prävalenz von sog. unspezifischen Rückenschmerzen, die oft muskulär bedingt sind, deutlich höher. Die vorliegende Studie untersuchte mit neuroanatomischer Methodik, ob Rückenschmerzen deswegen häufiger sind, weil die kaudalen Rückenmuskeln effektivere Verbindungen zu nozizeptiven Rückenmarksneuronen und supraspinalen Zentren haben als Extremitätenmuskeln. Methodik: Unter Rauschnarkose wurde Ratten als Schmerzreiz 5% Formalin in den linken M. multifidus (MF) auf Höhe der lumbalen Wirbelkörper L4 und L5 oder in den linken M. gastrocnemius-soleus (GS) injiziert (je 2x 10 µl). 2 h danach wurden die Tiere perfusionsfixiert und aktivierte Hinterhornneurone über cFos immunhistochemisch in den spinalen Segmenten T12 bis L6 dargestellt. cFos gilt als Marker für eine erhöhte neuronale Aktivität, besonders in nozizeptiven Neuronen. Um retrograd die auf supraspinale Zentren projizierenden Neurone zu markieren, wurde den Tieren 6 Tage zuvor unter tiefer Narkose stereotaktisch Fluorogold (2%, 0,1µl) kontralateral in das ventrolaterale Periaquäduktale Grau (PAG) injiziert. Ergebnisse: 1. cFos-immunreaktive (ir) Hinterhornneurone mit nozizeptivem Antrieb aus GS und MF verteilten sich über alle untersuchten Rückenmarkssegmente und waren in allen Laminae des Hinterhorns anzutreffen. Es wurden jedoch mehr Neurone vom MF aus aktiviert (signifikant in L1, L3, und L4). 2. Von den projizierenden Neuronen, dargestellt durch retrograd transportiertes Fluorogold, zeigten nur wenige eine cFos-Expression (GS: 8%, MF: 6%). Sie konzentrierten sich im oberflächlichen Hinterhorn. Projizierende cFos-ir Neurone mit GSAntrieb fanden sich ausschließlich im lumbalen Rückenmark überwiegend in den Segmenten L3 und L4. Projizierende cFos-ir Neurone mit MF-Antrieb dagegen verteilten sich gleichmäßig über alle untersuchten Segmente. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass Hinterhornneurone in vielen Rückenmarkssegmenten nozizeptive Informationen vom GS oder vom MF erhalten. Nur wenige dieser Neurone projizieren zum PAG. Die höhere Zahl der cFos-ir Neurone bei MF-Reizung deutet an, dass die spinale synaptische Effektivität von Nozizeptoren des MF größer ist als die von GS-Nozizeptoren.
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P2.4 New animal model for objective pain research: Heat responses measured by BOLD fMRI to study initial processes of chronic pain N. J. Motzkus2, M. Sergejeva1, L. Budinsky2, K. Brune2, A. Hess1 1 Institute of Pharmacology, FAU Erlangen-Nuremberg, 2 Doerenkamp Professorship, Innovations in Animal and Consumer Protection, FAU Erlangen-Nuremberg The experience of acute pain is an elementary sensation necessary for maintaining individual integrity and well-being in interaction with the environment. However, repetitive noxious input can induce chronic pain states without any biological advantage. Long-term changes in the excitability of neurons have been shown at the peripheral and spinal cord levels. Maladaptive supraspinal reorganization is thought to play an important role in central sensitization, reconfiguring the central pain-processing matrix through learning, extinction, and memory processes. But it is a major challenge to investigate cerebral mechanisms and structures that contribute to sensitization of pain. Traditional behavioural pain examinations in animals are highly stressful and subjective. Non invasive imaging approaches like fMRI in anesthetized animals would significantly reduce the stress for animals and simultaneously refine and improve objective measurements of chronic pain. Moreover, a model which would allow the investigation of chronic pain processes would open a new avenue in pain research. Having established a model for acute heat pain in a rat model we now seek to identify brain areas that may be involved in initial processes of chronic pain using an experimental model of repetitive pain exposure in healthy rats which results in reliable and quantifiable BOLD responses in pain related brain areas. fMRI data were acquired with mild noxious heat stimulation (max. 48 °C, 12 repetitions over 1h) every second day over 6 days. Highly specific activity of the pain pathway was found (e. g. thalamus, primary and secondary somatosensory cortex, cingulate cortex, insular cortex, frontal cortex and parietal cortex). The comparison of fMRI data of the first versus the last stimulation indicated increased activation in terms of increased stimulus coupling in cingulate cortex, entorhinal cortex and hippocampus. This finding nicely compares to a human study (Valet et al., 2006) suggesting that in these structures first processes of pain chronification take place. Interestingly, no significant increases for response amplitudes in these structures could be found. Structures reported to be involved in pronounced chronic pain like parietal cortex and structures of the medial prefrontal cortex (Baliki et al., 2006) also showed increased stimulus coupling between the first versus last session. These results could neither be found comparing the first versus earlier days nor during innocuous heat stimulation. In conclusion, our computer controlled topical repetitive painful heat stimulation of the rat hind paw is a robust stimulation paradigm leading to reliable BOLD activation of sensory and especially pain related pathways. It is well suited for repetitive stimulations hence for investigations of chronic pain. The results can be quantified with respect to brain area, size, and intensity in relation to the temperature applied. Therefore, this non invasive animal pain model is highly objective and well qualified for studying chronification of pain responses. P2.5 Antinociceptive effects of the selective COX-2-inhibitors celecoxib and lumiracoxib assessed by rat BOLD fMRI A.-M. Pamberg1, K. Brune2, A. Hess1 1 Institute of Pharmacology, FAU Erlangen-Nuremberg; 2 Doerenkamp Professorship for Innovations in Animal and Consumer Protection, FAU Erlangen-Nuremberg, Germany Nowadays different forms of cyclooxygenase-2 (COX-2) selective nonsteroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) are available. Celecoxib is a highly lipophilic, non-acidic compound with a sulphonamide structure and is distributed almost equally throughout the body. Lumiracoxib is a lipophylic phenylacetic acid derivative with a carboxylic group and is weakly acidic which leads to higher accumulation in inflamed tissues. In order to investigate the analgesic and antihyperalgesic effects of the two COX-2-inhibitors with their different biodistribution on the central pain
processing we established a hyperalgesic inflammation rat pain model with repetitive heat stimuli.To directly assess their modulatory effects on cerebral pain processing we have performed functional magnetic resonance imaging (fMRI) experiments in anesthetized rats. Hyperalgesia was induced in the left hindpaw of rats by means of subcutaneous injection of zymosan A. The COX-2-inhibitors in different concentrations (0,5 mg/kg, 1 mg/kg and 5 mg/kg) or the vehicle were applied intravenously during the fMRI measurement. The inflamed left and the non-inflamed right hindpaw were stimulated alternately with four different heat stimuli (46-63 ºC) via peltier elements placed on the dorsal surface of the paws. This noxious stimulation evoked robust changes in the blood oxygenation level dependent (BOLD) effect in several areas of the pain matrix. For the further analysis of the data we focused on the areas which were most consistently activated (53 structures at a 70% incidence threshold throughout thalamus, somatosensory cortex, cingulate cortex, insula, hypothalamus). Heating the hindpaws lead to significant increases in BOLD signal amplitudes and activated volumes in these brain areas. Stimulation of the inflamed paw led to overall higher BOLD signals. With respect to the activation strength celecoxib and lumiracoxib both showed dose dependent analgesic effects - stronger for lumiracoxib. Lumiracoxib produced a stronger BOLD-signal reduction during stimulation of the inflamed paw than celecoxib (mostly pronounced in the limbic system and motoric output regions). Moreover, the lowest dosis of lumiracoxib (0,5 mg/kg) had the strongest analgesic effect. Regarding the size of activated brain structures, only lumiracoxib led to a reduction of the cluster size (especially in limbic structures). Celecoxib led to an increase which was smaller for the non-inflamed, but even larger for the inflamed paw compared to the control. In summary, our study demonstrates that the acidic compound lumiracoxib provides better analgesic and especially antihyperalgesic properties than the other COX-2-selective compound celecoxib. P2.6 Pharmacologically-induced anxiety triggers pain hypersensitivity in rats K. Roeska1, R. D. Treede2, A. C. H. Doods3 1 Department of CNS Research, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG; 2 Center for Biomedicine and Medical Technology Mannheim (CBTM), Ruprecht-Karls-University Heidelberg, Mannheim, It is well established that there is a link between pain sensation and anxiety. We have previously shown, that neuropathic pain in rats induces anxiety-like behaviour [1]. In the present study we have further investigated, whether anxiety in rats, caused by the administration of the GABAA antagonist pentylentetrazol (PTZ), influences nociception in rats. In order to induce anxiety, naïve Wistar rats were administered three times daily with PTZ (40 mg/kg; p.o.) and mechanical hypersensitivity was assessed by measuring paw withdrawal thresholds after applying mechanical stimuli (Electro von Frey) during a time period of 1 week after PTZ treatment. We have additionally determined anxiety like behaviour using the elevated plus maze (EPM) test during the trial. Anxiety like behaviour was observed after acute (day 1) and sub-chronic (day 4) treatment of PTZ in the rats. Rats treated chronically with PTZ spent 50 % less time in the open arms and entered the open arms two times less frequently. Furthermore, we obtained a significant decrease of paw withdrawal threshold from day 4 till day 7 in PTZ treated animals in comparison to the vehicle treated rats. Gabapentin (30 mg/kg; i.p.; day 4) significantly reversed the paw withdrawal threshold from 16 ± 2 g to baseline level (26 ± 3 g), but exhibited no anxiolytic effect in the EPM paradigm in PTZ-treated rats. These data suggest that PTZ-induced anxiety triggers pain hypersensitivity in rats. Moreover, gabapentin is able to reverse this pain hypersensitivity without influencing the anxiety behaviour induced by PTZ. 1. Roeska K, Doods H, Arndt K, Treede RD, Ceci A. Anxiety-like behaviour in rats with mononeuropathy is reduced by the analgesic drugs morphine and gabapentin. Pain 2008. (Epub ahead of print)
P2.7 Comparison of epidural induced analgesia between combination of lidocaine and metoclopramide with lidocaine in the rabbit A. Tavakoli, S. Fooladian, A. Haghighi, A. Adlparvar Islamic Azad University, Garmsar Branch Background-Metoclopramide is used to increase the stomach emptying to intestine and also works as an antiemetic, besides it also has analgesic effects. Lidocaine has been used for induction of epidural analgesia in different species since a long time ago. As opioid drugs have limitation to prescribe for practitioners, usage of other drugs with analgesic effects seems valuable. Method-Ten adult rabbits weighting 3-3.5 Kg, both sexes were divided in to two groups, case and control, randomly. Under physical restraint the space between 2 wings of ilium, cranial to sacrum was punctured with needle and two injections of the combination of 1 ml lidocaine 2% with 0.5 ml metoclopramide in one group was performed in to epidural space in the case group and 1ml of lidocaine 2% in the control group in 48 hours interval. The onset and duration of analgesia and duration of flaccid paresis and motor block were measured. Result- The onset of analgesia was significantly higher in the case group (50 seconds) than the control group (77 seconds) (P¡Ü0.05). The both durations of flaccid paresis and analgesia were also significantly higher in the case group (33.2 min and 65 min) than the control group (20 min and 29 min) (P¡Ü0.05). As conclusion the combination of metoclopramide not only speeds up the onset of analgesia but also enhances the duration of it. P2.8 Funktionelle Untersuchungen zur Hemmung humaner nikotinischer Acetylcholin-Rezeptoren durch das Spasmolytikum Butylscopolamin-Bromid (Buscopan) T. Weiser1, S. Just2 1 Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG; Abteilung Medizinische Wissenschaft, Ingelheim; 2 Abteilung ZNS Forschung, Biberach Das Spasmolytikum Butylscopolamin-Bromid (BSB; Handelsname Buscopan) wird seit Jahrzehnten zur Behandlung von abdominellen Schmerzen vor allem gastrointestinalen Ursprungs eingesetzt. Dieses Scopolamin-Derivat hemmt die Kontraktilität der viszeralen Muskulatur durch die kompetitive Inhibition muskarinischer Acetylcholin (ACh)-Rezeptoren glatter Muskelzellen. Darüber hinaus gibt es aber auch tierexperimentelle Befunde aus den 1950er Jahren, die die Blockade nikotinischer ACh-Rezeptoren nahelegten (siehe dazu: Tytgat, 2007). Ziel der vorliegenden Studie war es, durch funktionelle in-vitro Untersuchungen die Wirkung von BSB auf nikotinische ACh-Rezeptoren zu untersuchen. Als zelluläres Modell diente die humane Zelllinie SH-SY5Y, die über ein vergleichbares Repertoire an nikotinischen Rezeptor-Untereinheiten verfügt wie Neuronen des enterischen Nervensystems. Mit der Patch-Clamp Technik (Ganzzell-Ableitungen, Spannungsklemme) wurde die Wirkung von BSB auf nikotinische ACh-Rezeptoren elektrophysiologisch bestimmt. Als Referenzsubstanz wurde der Ganglienblocker Hexamethonium verwendet. Die Experimente wurden bei einem Haltepotential von -80 mV durchgeführt. Die Applikation von ACh, bzw. Nikotin induzierte vergleichbare Membranströme in SH-SY5Y Zellen, wobei die EC50 Werte bei 25.9+-0.6 und 40.1+- 0.4 uM lagen (Mittelwerte +- SEM; Daten von 4-6 Zellen pro Experiment). Für die Untersuchung der Antagonisten wurden 100 uM ACh als Agonistenkonzentration eingesetzt. Der Ganglienblocker Hexamethonium hemmte ACh-induzierte Ströme reversibel und konzentrationsabhängig mit einem IC50-Wert von 1.3+-0.3 uM. Interessanterweise hemmte BSB nikotinische Rezeptoren mit weit höherer Potenz, und der IC50-Wert lag hier bei nur 0.19+-0.04 uM. Wurden 5 mM ACh als Agonist verwendet (d. h. ca. 200 fache EC50Konzentration), hatte das keinen Einfluss auf die Blockade durch 0.3 uM BSB, was vermuten lässt, dass die Inhibition nicht abhängig von der Agonisten-Konzentration ist. Buscopan wird schon sehr lange für die Behandlung von abdominellen Beschwerden und Schmerzen verwendet. Nach enteraler Gabe wird der Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Wirkstoff kaum resorbiert und verbleibt im Magen-Darm-Trakt, wo er über die Blockade muskarinischer Rezeptoren der glatten Muskulatur spasmolytisch wirkt (Tytgat, 2007). Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse erscheint die Hemmung nikotinischer Rezeptoren im enterischen Nervensystem als zusätzliche pharmakologische Wirkkomponente plausibel. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können dazu beitragen, die positive Wirkung von BSB bei abdominalen Spasmen, z. B. beim Reizdarmsyndrom, noch besser zu verstehen. 1. Tytgat, G. N. (2007). Hyoscine butylbromide: a review of its use in the treatment of abdominal cramping and pain. Drugs 67, 1343-1357
P03 Experimentelle Schmerzmodelle (Mensch I) P3.1 Kortikale Repräsentation von Allodynie, Hyperalgesie und Schmerz: eine ALE- Analyse S. Lanz1, R. DeCol2, C. Maihöfner3 1 Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen; 2 Institut für Physiologie und Pathophysiologie, FAU Erlangen-Nürnberg; 3 Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Erlangen Einleitung: Der Einsatz der funktionellen Bildgebung zur Erforschung verschiedener Schmerzphänomene lieferte im Verlauf der letzten Dekade ein tieferes Verständnis der in der Schmerzentstehung und -verarbeitung involvierten zerebralen Prozesse. Die in Folge von Schmerzreizen aktivierten neuroanatomischen Strukturen werden allgemein als „Schmerzmatrix“ zusammengefasst. Auch stimulus-evozierbare Schmerzen weisen distinkte kortikale Aktivierungsmuster auf. Die Ergebnisse bisheriger Studien wurden bislang zwar in Übersichtsarbeiten qualitativ beschrieben, jedoch nicht gemeinsam quantitativ erfasst. Zweck dieser Arbeit war somit, mittels eines quantitativen Ansatzes im Rahmen einer Metaanalyse die bisherigen Ergebnisse zusammenzufassen. Die Zielsetzung war dabei, Unterschiede in der kortikalen Repräsentation bei verschiedenen Formen evozierbarer Schmerzen darzustellen. Eingang fanden Studien über Patienten mit evozierbaren, neuropathischen Schmerzen und Studien über evozierbare Schmerzphänomene bei gesunden Probanden. Material und Methoden: Eine Medline-Suche wurde zum Einschluss von fMRI- und PET-Studien über thermisch-, mechanisch- oder elektrischinduzierte Schmerzen, sowie thermische und mechanische Hyperalgesie bzw. Allodynie durchgeführt. Berücksichtigung fanden alle Studien mit Angabe der Aktivierungsmuster in Form von Tailarach-Koordinaten. Es fanden sich insgesamt 33 geeignete Studien. Dabei handelte es sich um 20 Datensätze mit kortikalen Aktivierungen bei Schmerzreizen (davon 10 bei thermischen und 10 bei mechanisch bzw. elektrisch induzierten Schmerzen), 12 Studien bei Allodynie und 9 bei Hyperalgesie. Bei den 21 Studien über Allodynie/Hyperalgesie wurden bei 8 thermische und bei 13 mechanische Stimuli eingesetzt. Um die Einheitlichkeit der Ausgangsdaten zu gewährleisten, fand für die Studien mit linksseitiger Stimulation eine Invertierung der Tailarach-Koordinaten für die x-Achse statt. Aus diesen Daten wurde mittels einer modifizierten BrainMap Ginger ALE (activation likelihood estimation) Methode1 für jeden Focus die Wahrscheinlichkeitsverteilung der kortikalen Aktivität berechnet. Die Summe der hieraus ermittelten ALE-Werte wurde nachfolgend zur statistischen Berechnung der graphisch dargestellten Aktivitätsverteilungen verwendet. Bei einem gewählten p-Wert von 0,05 kamen nur die Voxel zur Darstellung, für die Aktivierungen von statistischer Signifikanz bestimmt wurden. Das Signifikanzniveau wurde im Rahmen einer Permutationsanalyse (5000 Permutationen) einer Reihe zufällig generierter Foci festgelegt. Als Fehlerkontrollkriterium wurde die FDR-(false discovery rate)-Methode angewandt.1 Ferner wurden – ausgehend von den in 86% der Studien angegebenen numerischen Schmerzstärken – für alle oben genannten Patienten- und Probandengruppen die durchschnittlichen Schmerzstärken bestimmt. Ergebnisse und Zusammenfassung: Zwischen den durchschnittlichen Schmerzstärken der verschiedenen Patienten- und Probandengruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Die durchschnittlichen
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Schmerzratings lagen bei NRS = 5.4 (experimentelle Schmerzreize) und NRS = 4.9 (Gruppe der Hyperalgesie/Allodynie). Für die Vergleichbarkeit der zerebralen Aktivitäten stellte dieses Ergebnis somit eine günstige Voraussetzung dar. Bei Schmerzreizen generell zeigte sich bilateral eine vermehrte Aktivität im Thalamus, dem primären (S1) und sekundären (S2) sensorischen Kortex, der anterioren und posterioren Insel, dem ventrolateralen (VLPFC) und dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) und dem anterioren Gyrus cinguli (ACC). Diese Strukturen decken sich somit mit den als “Schmerzmatrix” bekannten Regionen.3 Aktivierungen zeigten sich ferner in den Basalganglien (BG). In Analogie zur “Schmerzmatrix” kann ein “Sensitivierungs-Netzwerk” beschrieben werden.2 Allodynie und Hyperalgesie führten zu bilateraler Aktivierung im DLPFC, in S1 und S2, der Insel und im ACC, ferner auch in den BG und dem Cerebellum. Während Allodynie bilateral zu einer deutlicheren Aktivierung von VLPFC und S2 führte, war bei Hyperalgesie die Insel bilateral anterior und ipsilateral (zum Stimulationsort) posterior stärker aktiviert, zudem bilateral der ACC und S1 sowie ipsilateral der DLPFC und der mediale präfrontale Kortex. Verglichen mit Schmerzreizen lagen bilateral deutlichere kortikale Aktivierungen bei Allodynie/Hyperalgesie im Bereich von S2, dem DLPFC und auch dem Cerebellum vor. Umgekehrt zeigten sich bei Schmerzreizen bilateral deutlichere Aktivierungen im Thalamus, der Insel mit anteriorer Betonung, dem ACC und dem VLPFC. Bei schmerzhaften thermischen Reizen – sowohl bei Induktion von Hyperalgesie und Allodynie als auch bei Schmerz – zeigten sich bilateral stärkere Aktivierungen in Anteilen des ACC und der anterioren Insel. Thermische Schmerzen aktivierten zudem bilateral deutlicher den Thalamus, den kontralateralen VLPFC und S2. Umgekehrt lagen verglichen mit thermischer Stimulation bei mechanisch-evozierter Allodynie/Hyperalgesie bilateral deutlichere Aktivierungen im DLPFC, der posterioren Insel und ipsilateral in S1 und S2 vor. Aktivierungen bei Hyperalgesie/Allodynie waren bei Probanden insgesamt deutlicher als bei Patienten. Vergleichsweise vermehrte Aktivierung zeigte sich bei den Probanden bilateral im ACC, der Insel mit anteriorer Betonung, im DLPFC und mit ipsilateraler Betonung in S2. Unterschiede in den Aktivierungen der Allodynie und Hyperalgesie zwischen Patienten und Probanden könnten auch durch eine unterschiedliche Wahl der Stimuli bedingt sein, da in den Studien thermische Stimuli bei Probanden zu 46%, bei Patienten aber nur zu 25% eingesetzt wurden und somit zu der stärkeren Aktivierung der genannten, bei thermischen Reizen aktiveren Regionen führen könnten. Insgesamt lassen sich mit der vorliegenden Analyse nicht nur zahlreiche Befunde untermauern, die in Einzelstudien gemessen und in früheren qualitativen Metaanalysen beschrieben wurden, sondern auch – bedingt durch die Quantifizierbarkeit der Ergebnisse – direkte Vergleiche zwischen den durch verschiedene Formen von Schmerz und Hyperalgesie hervorgerufenen zerebralen Aktivierungsmustern ziehen. 1. Laird AR, Fox PM, et al. (2005) ALE meta-analysis: controlling the false discovery rate and performing statistical contrasts. Hum Brain Mapp 25: 155-164 2. Maihöfner C, Schmelz M, et al. (2004) Neural activation during experimental allodynia: a functional magnetic resonance imaging study. Eur J Neurosci 19: 3211-3218 3. Moisset X, Bouhassira D (2007) Brain imaging of neuropathic pain. Neuroimage 37 Suppl 1: S80-S88 P3.2 Infarkt im primär sensomotorischen Cortex interferiert mit dem Schmerzempfinden B. Fraunberger1,2, J. Heckmann1, A. Dörfler3, C. Maihöfner1,2 1 Neurologische Universitätsklinik, Erlangen; 2 Schmerzzentrum, Erlangen; 3 Neuroradiologische Universitätsklinik, Erlangen Hintergrund: Trotz läsioneller Studien und elektrophysiologischer Untersuchungen ist die Rolle des primär somatosensorischen Cortex (S1) für das Schmerzempfinden nicht sicher geklärt. Selbst jüngere Studien
mit funktioneller Bildgebung konnten keine konstante schmerzbezogene Aktivierung der S1-Region zeigen. Fallbericht: Bei einem 75-jährigem Patienten mit einer akut aufgetretenen diskreten Parese der linken Hand zeigte sich 3 Tage später im diffusionsgewichtetem MRT ein ausgestanzter Infarkt der Handregion im rechten sensomotorischen Cortex. Wir führten bei dem Patienten eine quantitative sensorische Testung durch (Wärme, Kälte, Hitze- und Kaltschmerz, Berührung, Pin-Prick-Schmerz). Die Testung erfolgte gemäß einem standardisiertem Protokoll des Deutschen Forschungsverbundes „Neuropathischen Schmerz“ (DFNS). Kontralateral zur Ischämie zeigte der Patient eine schlechtere Wahrnehmung für Wärme und Hitzeschmerz (∆ 20° C), Kälte und Kaltschmerz (∆ 32°C), Berührungsstimuli (> 512 mN) und Pin-PrickSchmerz (> 512 mN). Schlussfolgerung: Dieser Fall einer isolierten Ischämie in der S1-Region zeigt deutlich eine Verschlechterung des kontralateralen Schmerzempfindens und unterstreicht somit die Rolle der S1-Region für die Schmerzverarbeitung. Gefördert durch den Deutschen Forschungsverbund „Neuropathischer Schmerz“ (DFNS des BMBF) P3.3 Quantitativ-sensorische Testung und Messung der intraepidermalen Nervenfaserdichte zur Diagnostik sekundärer Fibromyalgieformen S. Klauenberg, S. Haussleiter, A. Hoffmann, E. Krumova, A. Scherens, C. Maier BG Kliniken Bergmannsheil, Abteilung für Schmerztherapie, Ruhr Universität Bochum Fragestellung: Veränderungen sensorischer Profile und der Schmerzschwellen können auch bei der primären Fibromyalgie (FMS) auftreten. Wir prüften mittels quantitativ-sensorischer Testung (QST) zusammen mit der Messung der intraepidermalen Nervenfaserdichte (IENF), ob sich FMS-Patienten von denen unterscheiden, die eine gleichartige FMS-Symptomatik im Rahmen einer Spondylarthritis entwickelt haben (FMS/SpA). Als Kontrolle dienten Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) und gesunde Probanden. Methodik: Durchführung einer QST (Hand und Fuß bds.) gemäß DFNS-Protokoll bei Patienten mit Fibromyalgie (n=35), rheumatoider Arthritis (n=25) sowie mit Fibromyalgie und Spondarthritis (n=11) und gesunden Probanden mit Bestimmung der thermischen und mechanischen Detektions- und Schmerzschwellen (CDT, WDT, TSL, PHS, CPT, HPT, MDT, MPT), des Vibrations- und Druckschmerzempfindens (VDT, PPT) sowie der Empfindlichkeit gegenüber Nadelund stumpfen Reizen (MPS, ALL) und bei Nadelreizwiederholungen (WUR). Statistik: ANOVA (Messwiederholung) mit z-transformierten Werten, ausgenommen für CPT, HPT und VDT (Rohdaten). Hautbiopsie: Erfassung der intraepidermalen Nervenfaserdichte gemäß der Leitlinien der European Federation of Neurological Societies. (EFNS) mit Anfärbung durch den panaxonalen PGP 9,5-Antikörper und Markierung mit Cyanin-3. Ergebnisse: In der FMS und RA-Gruppe finden sich nur vereinzelt absolut pathologische Werte bei den Detektions- und Schmerzschwellen, jedoch in bis zu 20% d.F. für MDT und VDT bei FMS/SpA-Patienten. Signifikant höheres Vorkommen von paradoxen Hitzeempfindungen am Fuß bei FMS/SpA (48% vs. 12% bei RA und 6% bei FMS). Im sensorischen Profil des Fußes wurden in der FMS/SpA-Gruppe im Vergleich zu den gesunden Probanden signifikant geringere z-Werte (MW) für alle Detektionsschwellen gefunden. WUR ist in der FMS und FMS/SpA-Gruppe an beiden Händen signifikant erhöht (FMS, Zwert = 0,85; FMS/SpA, z-Wert = 1,49, gesunde Probanden, z-Wert = -0,08). Die Nervenfaserdichte zeigte sich im Vergleich zu den anderen Patientengruppen bei FMS/SpA sowohl im Test- als auch im Kontrollareal verringert (MW±SD; FMS/SpA, Fuß: 2,95 ± 1,29; Rücken: 7,43 ± 3,09 vs. FMS, Fuß: 3,88 ± 2,06; Rücken: 14,56 ± 7,94; RA, Fuß: 3,66 ± 2,19; Rücken: 11,94 ± 3,99).
Diskussion: Die Patientengruppe mit sekundärer Fibromyalgie imponiert durch einen auch zur RA-Gruppe größeren Funktionsverlust sowohl dünner als auch dicker Nervenfasern ebenso mit Strukturveränderungen. QST könnte eine Bedeutung erlangen zur zusätzlichen Diagnostik sekundärer FMS-Formen, bei denen u.U. rheumatische Erkrankungen durch eine dominante fibromyalgiforme Symptomatik maskiert werden. Abkürzungen: CDT: Kältedetektion, WDT: Wärmedetektion, TSL: thermische Unterschiedsschwelle, PHS: Paradoxe Hitzeempfindung, CPT: Kälteschmerz, HPT: Hitzeschmerz, MDT: mechanische Detektion, MPT: mechanische Schmerzschwelle, MPS: Sensitivität gegenüber Nadelreizen, ALL: Allodynie, WUR: Wind-UpRatio, VDT: Vibrationsdetektion, PPT: Druckschmerz 1. Rolke et al., Quantitative Sensory Testing in the German Research Network on Neuropathic Pain (DFNS): Standardized Protocol and Reference Values. Pain 2006;123:23 2. Lauria et al., European Federation of Neurological Societies. EFNS guidelines on the use of skin biopsy in the diagnosis of peripheral neuropathy. Eur J Neurol. 2005;12:747 P3.4 Geringere Aufmerksamkeit bei Patienten mit chronischen Schmerzen? F. Kneschke DKD Wiesbaden Geringere Aufmerksamkeit bei Patienten mit chronischen Schmerzen? In Anlehnung an die 2005 an der Universität Zürich durchgeführte Studie zum Einfluss von Schmerz auf verschiedene Grade der Aufmerksamkeit wurde in dieser Studie an 25 chronischen Schmerzpatienten, die sich 2007 in ambulanter Behandlung an der DKD Wiesbaden befanden, und einer Kontrollgruppe untersucht, ob Schmerzpatienten Defizite in der subjektiv erlebten und objektiv gemessenen kognitiven Aufmerksamkeit zeigen. Diese wurden mit dem FEDA (Fragebogen Erlebter Defizite der Aufmerksamkeit) und dem FWIT (Farb-WortInterferenztest) erfasst und im korrelativen Design mit den Parametern durchschnittliche Schmerzstärke der letzten vier Wochen, Alter, Depressivität (ADS, Allgemeinen Depressionsskala), der Schmerzbeeinträchtigung (PDI, Pain Disability Index) und den psychischen Schmerzkognitionen (2. Teil des KSI, Kieler Schmerzinventars) erfasst und in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich, dass Schmerzpatienten sowohl im Aufmerksamkeitserleben als auch in der Aufmerksamkeitsleistung Defizite gegenüber der Kontrollgruppe aufwiesen. Bei der objektiven Messung der Aufmerksamkeitsleistung traten geringere Werte jedoch ausschließlich bei den weniger komplexen Aufgabenteilen, Farbwortlesen und Farbbenennen auf. Im komplexeren Aufgabenteil, der Interferenzbedingung, konnten hingegen zwischen chronischen Schmerzpatienten und der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Es wird angenommen, dass komplexe Aufmerksamkeits- und Verarbeitungsleistungen der Schmerzverarbeitung Ressourcen entziehen und damit einen „ablenkenden“ Einfluss ausüben. Dieses Ergebnis könnte von besonderer Bedeutung für die Therapie von chronischer Schmerztherapie sein. P3.5 Responder ist nicht gleich Responder: Milnacipran-Responder lassen sich von Plazebo-Respondern mittels Messung der Druckschmerzempfindlichkeit unterscheiden. E. Kosek4, S. Carville2, E. Choy2, R. H. Gracely3, M. Ingvar4, B. Jensen4, H. Marcus1, F. Petzke1, 1 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, University Hospital, Cologne, Germany; 2 King’s College Hospital, London, UK; 3 University of Ann Arbor, Michigan, USA; 4 Karolinska Institute, Stockholm, Sweden Einführung: Chronisch weit verbreitete Schmerzen und Allodynie/ Hyperalgesie auf Druckreize sind einige der Kennzeichen des Fibromyalgie Syndroms (FMS). Milnacipran (ein Noradrenalin-SerotoninWiederaufnahmehemmer) reduziert Schmerzen in Patienten mit FMS. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts In dieser Subgruppenanalyse wurde untersucht ob der klinische Effekt von Milnacipran mit einer Reduktion der Druckschmerzempfindlichkeit assoziiert war. Methoden: 92 weibliche Patienten mit FMS, definiert durch die ACR Kriterien von 1990, nahmen an einer 13-wöchigen, multizentrischen, doppelblind und Plazebo-kontollierten Studie teil, die den Effekt von Milnacipran 200 mg/Tag untersuchte. Klinische Responder wurden definiert als 1) Patientinnen mit einer Verrbesserung der „patient global impression of change“ (PGIC) und/oder 2) Patientinnen mit einer Reduktion der durchschnittlichen wöchentlichen Schmerzintensität auf einer visuellen Analogskala (VAS) von > 30%. Ein automatischer, Luftdruck- und Computer-gesteuerter Stimulator wurde zur Bestimmung der Stimulus-Antwort-Kurven eingesetzt. Fünf verschiedene, subjektiv kalibrierte noxische Druckreize wurden am linken Daumennagel in einer randomisierten Serie verabreicht (jeder Reiz 3x). Die Patientinnen bewerteten die Schmerzintensität jeden Reizes auf einer VAS von 100 mm. Die Reizstärke, die einer individuellen Schmerzbewertung von 50 mm entsprach wurde als P50 berechnet. Diese Bestimmungen wurden vor und am Ende der Behandlungsperiode durchgeführt. Ergebnisse: Verglichen mit vor der Behandlung nahm der durchschnittliche P50 in mit Milnacipran behandelten PGIC-Resondern um 174 kPa zu (n = 19, p < 0.01) und um 45 kPa in Plazebo PGIC-Respondern (n = 15, NS). In Respondern mit einer Schmerzreduktion von > 30% nahm der durchschnittliche P50 um 222 kPa in der MilnacipranGruppe (n= 12, p < 0.001) und um 67 kPa in der Plazebo-Gruppe zu (n = 12, NS). Die Zunahme des P50 am Ende der Behandlung war bei Milnacipran-Respondern größer als bei Plazebo-Respondern (PGIC; p < 0.05)(> 30% Schmerzreduktion; p < 0.02). Kein statistisch signifikanter Unterschied für P50 konnte für PGIC non-Responder gezeigt werden, weder für Milnacipran (20 kPa, n = 17) noch für Plazebo (54 kPa, n = 23). Die Zunahme von P50 war für Milnacipran PGIC-Responder größer als für Milnacipran PGIC non-Responder (p < 0.008). Schlussfolgerungen: Die Abnahme der Druckschmerzempfindlichkeit war ein spezifischer Effekt von Milnacipran assoziiert mit einem positiven klinischen Behandlungseffekt und nicht Folge der spontanen Verbesserung der FM Symptome an sich. Anmerkungen: Diese Studie wurde von Pierre Fabre Médicament gesponsert und in Kolloberation durchgeführt. P3.6 Der Effekt von Milnacipran auf schmerzmodulatorische Systeme bei Fibromyalgie: Eine fMRI Analyse R. H Gracely1, K. Jensen2, E. Kosek2, M. Ingvar2, P. Fransson2, H. Markus3, E. Choy4, S. C. R. Williams4, M. Groc5, A. Montagne5, Y. Mainguy5, F. Petzke3 1 University of Michigan, Ann Arbour, United States; 2 Karolinska Institute, Stockholm, Sweden; 3 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Uniklinik Köln, Germany; 4 Kings College, London, United Kingdom; 5 Pierre Fabre Médicament, Labège, France Hintergrund: Die ACR Kriterien von 1990 für das Fibromyalgiesyndrom (FMS) beinhalten sowohl spontanen Schmerz in mehreren Körperregionen sowie eine erhöhte Druckschmerzempfindlichkeit (11 von 18 positive Tender Points). Die Ursache für die erhöhte Schmerzempfindlichkeit ist nicht bekannt. Eine zentzrale Augmentation als Folge einer Dysfunktion des endogenen schmerzmodulierenden Systems wird diskutiert. Es konnte gezeigt werden, dass Milnacipran, ein Noradrenalin-Serotoninwiederaufnahmehemmer, bei Patienten mit FMS schmerzlindernd wirkt, die genaue Wirkweise ist jedoch unbekannt. Fragestellung: In der vorliegenden Studie wurden psychophysische Methoden und die funktionelle MRT (fMRT) angewendet um den Effekt von Milnacipran auf die Schmerzempfindlichkeit bei Patientinnen mit FMS zu untersuchen. Methodik: 92 Patientinnen mit FMS nahmen an einer 13-wöchigen, randomisierten, Plazebokontrollierten und doppelblinden Multizenterstudie teil, um den Effekt von Milnacipran 100mg 2x/Tag oder Plazebo auf die mittels fMRT gemessene Hirnaktivität vor und nach Behandlung zu untersuchen. Vor Aufnahme in die Studie mussten die Patientinnen
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alle mit der Schmerzbewertung interagierenden Substanzen absetzten. Die Hirnaktivität der Patientinnen wurde während der Applikation von subjektiv als gleichstark (Angabe von 50 mm auf einer visuellen Analogskala) empfundenen Druckschmerzreizen gemessen, die mit jeweils 2,5 Sekunden Dauer in randomisierter Weise am Daumen verabreicht wurden. Die gewählten Aufnahmen erlaubten die Darstellung der in vorhergehenden Studien identifizierten schmerzverarbeitenden Hirnregionen wie z.B., S1, S2, Inselrinde, Cingulum, Kleinhirn, Thalamus und Amygdala. Die Behandlungseffekte von Milnacipran oder Plazebo wurden mit Hilfe der Messung der Druckschmerzempfindlichkeit und der fMRT Analyse ermittelt und verglichen. Ergebnisse: Die Behandlung mit Milnacipran reduzierte die Druckschmerzempfindlichkeit (alle VAS Angaben in multivariater Analyse) im Vergleich zu Plazebo. Dieser Effekt näherte sich der statistischen Signifikanz für alle Patienten (p=0,11). Die fMRI Analyse ergab eine signifikant höhere Hirnaktivität im Verum-Arm in mehreren Hirnregionen wie dem Nucleus Caudatus, der vorderen Inselrinde, dem vorderen Cingulum und der Amygdala. Im Plazebo-Arm war die Aktivität im Kontrast dazu in einer parietalen Region sowie in der mittleren Inselrinde erhöht. Im statistischen Vergleich zwischen dem Effekt von Milnacipran und Plazebo zeigte sich eine erhöhte Aktivität in einer großen Region des hinteren Cingulums/Präcuneus (p<0,05). Schlussfolgerungen: Der schmerzlindernde Effekt von Milnacipran bei FMS konnt bereits in einer Reihe von Studien gezeigt werden. Die Daten unserer Untersuchung zeigen, dass Milnacipran die Druckschmerzempfindlichkeit senkt und die Hirnaktivität in schmerzverarbeitenden Arealen verändert. Die spezifischen Effekte von Milnacipran können wichtige Informationen und Denkanstöße für die weitere Entwicklung von Medikamenten zur Therapie des FMS bedeuten. Diese Studie wurde von Pierre Fabre Médicament gesponsert und in Kolloberation durchgeführt. P3.7 Evaluierung eines Algorithmus zur kontinuierlichen Bestimmung der Schwellenstromstärke des nozizeptiven RIII-Reflexes B. Rehberg, J. Baars, F. v. Dincklage, M. Hackbarth, M. Schneider Kliniken für Anästhesiologie CCM/CVK, Charité - Universitätsmedizin Berlin Einleitung: Die Schwellenstromstärke (threshold) des nozizeptiven RIII-Reflexes wird in grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Studien als objektives Maß für die Schmerzschwelle verwendet. Für pharmakologische Studien mit rasch wirkenden Medikamenten, aber auch physiologische Untersuchungen wäre eine kontinuierliche Bestimmung der Schwellenstromstärke nützlich. Auf der Basis der von Rhudy et al. beschriebenen objektiven Kriterien entwickelten wir daher einen Algorithmus, mit dem die Schwellenstromstärke kontinuierlich automatisiert bestimmt werden kann. Für die Planung von Studien ist die intra- und interviduelle Variabilität einer Messgröße wichtig. Daher analysierten wir diese Variabilität der automatisiert bestimmten Schwellenstromstärke in einer Studie an freiwilligen Probanden und verglichen sie mit der Variabilität der mit der herkömmlichen manuellen Methode bestimmten Schwellenstromstärke sowie der Variabilität der Stromstärke der subjektiven Schmerzschwelle. Methodik: Die Stimulation des RIII-Reflexes erfolgte retromalleolär über dem N. suralis, die Ableitung über dem M. biceps femoris mit Oberflächenelektroden. Die Bestimmung der Schwellenstromstärke erfolgte manuell und automatisch mit einer up-down-staircase-Methode, wobei manuell die Stromstärken der zwei oberen und unteren Umkehrpunkte gemittelt wurden. Automatisiert erfolgte die Bestimmung durch eine logistische Regression der jeweils 12 letzten Werte. Manuell erfolgte die Entscheidung über das Auftreten einer Reflexantwort durch einen erfahrenen Untersucher, automatisiert über den Vergleich der Amplitude im Intervall 90-150 ms mit der Rausch-Amplitude unmittelbar vor Stimulation (z-Score >10.32). Bei 10 gesunden Probanden (5 männlich, 5 weiblich) wurde die Schwellenstromstärke über 100 Minuten bei konstantem Aufmerksamkeits- und Anspannungszustand kontinuierlich gemessen, um die spontane Variabilität dieses Parameters über die Zeit
zu bestimmen. Zur Bestimmung der inter-individuellen Variabilität erfolgte eine automatisierte Bestimmung bei 52 Probanden (25 männlich, 27 weiblich). Bei 35 Probanden erfolgte zur Bestimmung der intra-individuellen Test-Retest-Variabilität eine zweite Messung nach 12 Wochen zur gleichen Tageszeit (9-12 Uhr). Zeitgleich erfolgten jeweils manuelle Bestimmungen der Schwellenstromstärke. Ergebnisse: Während der 100-minütigen kontinuierlichen Messungen betrug die Standardabweichung der im Mittel 7.5% der Schwellenstromstärke. In einer Bland-Altman-Analyse betrug die mittlere Abweichung zwischen automatischer und kontinuierlicher Messung deutlich niedriger als die mittlere Differenz von Test- und Retest-Werte beider Messmethoden. Die Schwellenstromstärken der weiblichen Probanden lagen 15% (1,2 mA) niedriger als die der männlichen. Die intra-individuelle Variabilität der Schwelle bei Test und Retest betrug 37,6% bzw. 41,0% der mittleren Schwellenstromstärke (9,3±3,5 bzw. 7,8±3.2 mA) für automatische bzw. kontinuierliche Messung. Die inter-individuelle Variabilität betrug 61,1 bzw. 63,9% der mittleren Schwellenstromstärke (9,5±5,8 bzw. 8,3±5,3 mA) für automatische bzw. kontinuierliche Messung. Die Stimulationsstromstärke der subjektiven Schmerzschwelle hatte eine intra-individuelle Test-Restest-Variabilität von 39,8% und eine inter-individuelle Variabilität von 44,7%. Die individuellen Schwellenstromstärken für den RIII-Reflex und der subjektiven Schmerzschwelle korrelierten gut miteinander (r2=0,57). Diskussion: Die mit dem implementierten Algorithmus der kontinuierlichen Messung erfasste spontane Variabilität der Schwellenstromstärke des RIII-Reflexes ist deutlich geringer als sowohl die intra-individuelle Variabilität bei Messungen im Abstand von mehreren Wochen, als auch die inter-individuelle Variabilität. Sie liegt auch niedriger als der mittlere Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Probanden, so dass von einer ausreichenden Genauigkeit der Methode für pharmakologische und physiologische Studien ausgegangen werden kann. Die erhobenen Daten können die Basis von Fallzahlberechnungen für solche Studien bilden. 1. Rhudy JL, France CR: Defining the nociceptive flexion reflex (NFR) threshold in human participants: a comparison of different scoring criteria. Pain 2007; 128: 244-53 P3.8 Hirnaktivierung bei selektiver Stimulation von C- und Aδ-Fasern – eine fMRI-Studie T. Weiss, T. Straube, H. Hecht, J. Boettcher, D. Spohn, E. Hans, W. H. R. Miltner Friedrich-Schiller-Univ. Jena, Biologische und Klinische Psychologie, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Die zentralnervöse Verarbeitung der Informationen von C- vs. AδFasern ist bislang schlecht untersucht, u.a. deshalb, weil eine selektive Stimulation dieser Fasern bislang schlecht realisierbar war (Weiss & Miltner 2006). In der vorliegenden Studie wurde die selektive Stimulation von C- und Aδ-Fasern durch die Methode der Reizung kleinster Hautareale bei gesunden Versuchspersonen realisiert und mittels funktioneller Kernspintomographie (fMRI) die zentralnervöse Aktivierung untersucht. Die Stimulation jedes Fasertyps (verglichen mit Ruhe) erzeugte Aktivierungen in weiten Bereichen des ZNS, die nahezu alle Anteile der so genannten zentralen „Schmerzmatrix“ umfassten. Die selektive Reizung von Aδ-Fasern erbrachte keine höheren Aktivierungen als die selektive Stimulation von C-Fasern. Im Gegensatz dazu fanden sich höhere Aktivierungen bei selektiver C-Faser-Stimulation verglichen mit selektiver Stimulation von Aδ-Fasern. Diese höhere Aktivierung fand sich vornehmlich in einem großen Cluster, das die rechte vordere Insel und Teile des rechten frontalen Operculums umfasste. Basierend auf postulierten Funktionen der genannten Strukturen (z.B. Craig 2003) wird vermutet, dass C-Fasern eine höhere funktionelle Bedeutung für interozeptive Vorgänge zukommt. 1. Craig ADB (2003)Trends Neurosci. 26: 303-307. 2. Weiss T & Miltner WHR (2006) Schmerz 20: 238-244.
P04 Experimentelle Schmerzmodelle (Mensch II) P4.1 Implizites operantes Lernen wirkt unterschiedlich auf die Schmerzwahrnehmung von Fibromyalgiepatienten und gesunden Probanden S. Becker, D. Kleinböhl, M. F. J. Brunner, J.-F. Ahlheim, R. Hölzl Otto-Selz-Institut für Angewandte Psychologie – Mannheimer Zentrum für Arbeit und Gesundheit, Labor für Klinische Psychophysiologie Ziel der Untersuchung: Operante Lernmechanismen spielen bei der Akquisition und Aufrechterhaltung und ebenfalls in der Therapie chronischer Schmerzen eine wichtige Rolle. Insbesondere konnte im Experiment gezeigt werden, dass implizites operantes Lernen, d.h. unbewusstes Lernen durch Verhaltenskonsequenzen, die Schmerzwahrnehmung gesunder Probanden sowohl in Richtung vermehrter Sensibilisierung als auch Habituation verändern kann. Auf dieser Grundlage untersuchte diese aktuelle Studie, ob die Schmerzwahrnehmung von Fibromyalgiepatienten mit und ohne komorbide viszerale Hypersensitivität durch implizites operantes Lernen moduliert werden kann und ob sich die Effekte zwischen diesen Patienten und gesunden Probanden unterscheiden. Methoden: Es nahmen 13 Fibromyalgiepatienten mit und 16 Fibromyalgiepatienten ohne komorbide viszerale Hypersensitivität sowie 28 gesunde Probanden an zwei verschiedenen Lernbedingungen einer Konditionierungsprozedur in getrennten Sitzungen teil. In einer Bedingung wurde vermehrte Sensibilisierung konditioniert und der anderen Habituation. Die Prozedur basiert auf einem experimentellen Modell impliziten operanten Lernens und einem indirekten Verhaltensmaß zur Messung von kurzfristiger Sensibilisierung und Habituation unabhängig von subjektiven Schmerzurteilen. Diese im Verhalten erfasste Sensibilisierung und Habituation war das Zielverhalten der Konditionierung. Verstärkung und Bestrafung waren intrinsische (d.h. innerhalb des Schmerzsystems) durch kontingente Verminderungen und Erhöhungen der experimentell Schmerzintensität implementiert. Am Ende jedes Durchgangs wurde zusätzlich die subjektive Schmerzintensität auf einer visuellen Analogskala abgefragt, um eine eventuelle Abweichung zwischen konditionierter, im Verhalten erfasster Sensibilisierung und Habituation und nicht konditionierter, subjektiver Schmerzintensität zu erfassen. Ergebnisse: Die implizite operante Konditionierung beeinflusste die Schmerzwahrnehmung von gesunden Probanden und Fibromyalgiepatienten. Bei den gesunden Probanden zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit von der Lernbedingung. Im Gegensatz dazu zeigten die Fibromyalgiepatienten ohne viszerale Hypersensitivität paradoxes Verhalten: in der Sensibilisierungsbedingung war keine Veränderung der Temperatur zu beobachten, während in der Habituationsbedingung eine deutliche Sensibilisierung auftritt. Die Fibromyalgiepatienten mit viszeraler Hypersensitivität zeigten in beiden Lernbedingungen keine Veränderungen. Sowohl bei den gesunden Probanden als auch bei den Fibromyalgiepatienten ohne viszerale Hypersensitivität war ein allmähliches auseinander driften von konditionierter, im Verhalten erfasster Sensibilisierung und Habituation und nicht konditionierter, subjektiver Schmerzintensität zu beobachten. Schlussfolgerungen: Durch implizites operantes Lernen kann die Schmerzwahrnehmung gesunder Probanden sowohl in Richtung vermehrte Sensibilisierung als auch Habituation moduliert werden. Zumindest auf Fibromyalgiepatienten ohne viszerale Hypersensitivität hat die Konditionierung ebenfalls einen Effekt, wenn dieser auch gegenläufig zu dem der gesunden Probanden ist. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass sich Fibromyalgiepatienten mit und ohne viszerale Hypersensitivität in ihrer Vulnerabilität für implizites operantes Lernen unterscheiden. Die Abweichung des Lernens zwischen den Patientengruppen und den gesunden Probanden deutet daraufhin, dass die Schmerzwahrnehmung der Fibromyalgiepatienten bereits verändert ist und auch die Verarbeitung operanter (intrinsischer) Verstärkung und Bestrafung nicht mehr mit der von Gesunden zu vergleichen ist. Die sich allmählich entwickelnde Abweichung zwischen dem konditioDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts niertem Verhaltensmaß der Schmerzwahrnehmung und der nicht konditionierten, subjektiven Schmerzintensität bei den gesunden Probanden und den Fibromyalgiepatienten ohne viszerale Hypersensitivität zeigt, dass durch implizites operantes Lernen eine Art „übersteigerte“ subjektive Schmerzempfindung erzeugt werden kann. Auf Basis dieser Ergebnisse kann eventuell ein Training für chronische Schmerzpatienten entwickelt werden, um Veränderungen in deren Schmerzwahrnehmung rückgängig zu. P4.2 Normwerte für die Quantitative Sensorische Testung bei Kindern und Jugendlichen M. Blankenburg, H. Bökens, C. Maier, A. Scherens, T. Hechler, B. Zernikow Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke Hintergrund: Mit der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) besteht seit kurzem die Möglichkeit, neurobiologische Mechanismen neuropathischer Schmerz über die Symptome einer veränderten Schmerzempfindlichkeit und somatosensorischen Perzeption zu untersuchen. Untersuchungen an Kindern fehlen bis dato weitestgehend, obwohl neuropathische Schmerzen bei Kindern- und Jugendlichen mit Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems vermutet werden. Für die klinische Praxis sind Normwerte der QST unabdingbar. Allerdings gibt es bislang keine Normwerte für Kinder- und Jugendliche, so dass QST-Befunde lediglich anhand der Referenzwerte für Erwachsene, interpretiert werden konnten, die altersabhängig sind. Zielsetzung der Studie ist es daher, Normwerte für die QST bei gesunden Kindern und Jugendlichen im Alter von 6,0 bis 16,11 systematisch zu erfassen. Methoden: In Anlehnung an das Protokoll des „Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz“ wurden 85 gesunde Mädchen und 85 gesunde Jungen im Alter von 6,0 bis 16,11 Jahren untersucht und entsprechend der Empfehlungen Normwerte erstellt. Dabei wurden alle Submodalitäten der somatosensiblen Wahrnehmung und die Schmerzempfindlichkeit mit 13 Untersuchungen quantitativ erhoben. Ergebnisse: Es zeigt sich eine kleinere Schmerzschwelle für mechanische, thermische und Druck-Reize bei Kindern (Alter:6-8) als bei Jugendlichen. Zudem zeigten sich signifikante Geschlechtsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen mit niedrigeren Schwellen für die Mädchen in beiden Altersgruppen. Die mechanische Schmerzsensitivität, die epikritische Sensibilitätsschwelle und die Unterschiedsschwelle zwischen kalten und warmen Reizen sind bei 6 - 7 jährigen größer als bei 8-16 jährigen Probanden. Geschlechtsspezifische Unterschiede finden sich nur bei der Unterschiedsschwelle zwischen kalten und warmen Reizen, die bei Jungen größer als bei Mädchen ist. Schlussfolgerung: Nach unseren Ergebnissen ist die QST bei Kindernund Jugendlichen nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz durchführbar. Die Normwerte der unterschiedlichen Testparameter unterscheiden sich innerhalb der untersuchten Alters- und Geschlechtsgruppen wie bei Erwachsenen. P4.3 Schmerzabhängige Depotenzierung von nozizeptiver Langzeitpotenzierung (Schmerz-LTP) durch niederfrequente elektrische Stimulation (LFS) beim Menschen L. Bürck1, T. Klein2, W. Magerl2, R.-D. Treede2 1 Institut für Physiologie & Pathophysiologie Universität Mainz; 2 Lehrstuhl für Neurophysiologie, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg Die Induktion nozizeptiver Langzeitpotenzierung (LTP) führt beim Menschen zu einer lang anhaltenden Erhöhung der Schmerzempfindung bei elektrischen Testreizen am Ort der Konditionierung (Schmerz-LTP; Klein et al. 2004). Ziel der Studie war es, den Effekt niederfrequenter elektrischer Reize (LFS) auf etablierte Schmerz-LTP zu untersuchen. Schmerz-LTP wurde bei 35 Versuchspersonen (VP) durch hochfrequente elektrische Stimulation (HFS; 5 x 1s bei 100 Hz)
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oberflächlicher nozizeptiver Afferenzen via 48 kreisförmig angeordneter, punktförmiger Elektroden (Durchmesser: 45mm) in der Haut des Unterarms induziert. Die Ausprägung nozizeptiver LTP wurde durch die Applikation einzelner elektrischer Testreize (Testreizstärke = 10 x Detektionsschwelle T) durch die konditionierende Elektrode quantifiziert. Die Schmerzhaftigkeit der Testreize wurde anhand einer numerischen Ratingskala (NRS 0-100) geschätzt. Bei 20/35 VP wurden 1h nach LTP-Induktion niederfrequente elektrische Reize (LFS; 1000 Pulse bei 1Hz) bei 1 x T (n=7) bzw. bei 10 x T (n=13) am Ort der Konditionierung appliziert und die Veränderung der Schmerzhaftigkeit über 30 min nach LFS quantifiziert. Bei 15/35VP wurde der Effekt von HFS über den gesamten Beobachtungszeitraum 1,5 h beobachtet, ohne dass durch LFS interveniert wurde (Kontrollbedingung). HFS induzierte bei allen VP einen lang andauernden Anstieg der Schmerzhaftigkeit elektrischer Testreize (+72%) am Ort der Konditionierung (Schmerz-LTP; n=35, 0-60 min nach HFS). LFS bei 10xT (mittlerer LFS-Schmerz: 16.3/100) reduzierte die Schmerz-LTP um 79% (p<0.01; Depotenzierung). Dabei war die Depotenzierung umso ausgeprägter, je weniger schmerzhaft LFS bewertet wurde (r=0.86; p<0.001). Bei der VP mit dem höchsten LFS-Schmerz (62/100) führte LFS sogar zu einer weiteren Potenzierung (+20%; p<0.05). Dagegen konnte LFS mit niedrigerer Reizintensität (bei Detektionsschwelle) und geringer mittlerer Schmerzintensität (0.7/100) Schmerz-LTP nicht signifikant reduzieren (-23%; p=0.46). Voraussetzung für die Depotenzierung etablierter nozizeptiver LTP beim Menschen ist daher eine substanzielle Aktivierung nozizeptiver Afferenzen (wahrscheinlich A?-Fasern). Die Reduzierung des depotenzierenden Effektes bzw. der Übergang von Depotenzierung zu Potenzierung in Abhängigkeit der Schmerzhaftigkeit von LFS beruht wahrscheinlich auf einer zunehmenden Rekrutierung nozizeptiver CFasern und einer damit einhergehenden zusätzlichen Bahnung, die der durch A?-Fasern hervorgerufenen Depotenzierung entgegen steht. P4.4 Der CB1-Rezeptorantagonist Rimonabant reduziert zentrale Sensibilisierung in einem humanen Schmerzmodell J. Filitz, A.-L. Nieberle, H. U. Zeilhofer, W. Koppert 1 Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen; 2 Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Zürich und Institut f. Pharmazeut. Wissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Fragestellung: Für die Entstehung und Aufrechterhaltung nozizeptiv induzierter, spinaler Sensibilisierungsvorgänge wird insbesondere eine reduzierte glycinerge bzw. GABAerge spinale Inhibition diskutiert (1). Hierbei kommt Endocannabinoiden eine zentrale Rolle zu. Diese werden bei der Aktivierung nozizeptiver Nervenendigungen vermehrt spinal freigesetzt und reduzieren die synaptische Freisetzung von Glycin und GABA über präsynaptische CB1-Rezeptoren (2). Dadurch werden Hinterhornneurone aus dem Regelkreis zentraler inhibitorischer Kontrollfunktionen ausgeschaltet und spinale Sensibilisierungsvorgänge verstärkt. Ziel dieser Studie war es, die Effekte einer CB1-Rezeptorblockade an Probanden in einem humanen Schmerzmodell qualitativ und quantitativ zu erfassen. Methodik: Nach Zustimmung durch die Ethikkommission der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wurden 16 gesunde Probanden in die Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie eingeschlossen und nachfolgend in zwei Gruppen zu je 8 Probanden (Alter: 25,3 ± 1,3 Jahre bzw. 25,7 ± 1,8 Jahre) randomisiert. Eine transkutane elektrische Stimulation mit hoher Stromdichte (77,5 ± 7,0 mA bzw. 65,9 ± 12 mA) induzierte einen Spontanschmerz, der auf einen Wert von 6 auf einer Skala von 0 bis 10 (Numerische Rating-Skala – NRS, 0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz) eingeregelt wurde (3). Gleichzeitig wurden durch die Stimulation stabile Hyperalgesie- und Allodynieareale erzeugt, welche auf zentralen Sensibilisierungsvorgängen beruhen (3). In zwei Sitzungen von jeweils 100 Minuten Dauer wurden die Schmerzwerte und Hyperalgesie- und Allodynieareale vor und nach einer kontinuierlichen oralen Einnahme über 10 Tage von täglich 20mg Rimonabant, einem spezifischen CB1-Rezeptorantago-
nisten, bzw. täglich einer Placebotablette, wiederholt in regelmäßigen Abständen bestimmt. In der zweiten Sitzung wurden unabhängig vom NRS-Rating die gleichen Stimulationsstromstärken wie in der ersten Sitzung verwendet, um identische Untersuchungsbedingungen zu gewährleisten und veränderte Schmerzintensitäten erfassen zu können. Analgetische und antihyperalgetische Effekte, ermittelt als „area under the curve“ (AUC) der NRS-Ratings bzw. der Hyperalgesie- und Allodynieflächen über der Zeit, wurden mittels gepaarten T-Tests verglichen, ein Signifikanzniveau von P < 0,05 wurde als signifikant festgelegt. Ergebnisse: Rimonabant hatte keinen Einfluss auf die Schmerzratings unter elektrischer Stimulation (AUC: 445 ± 27 min versus 436 ± 37 min, MW ± SEM; -2,0 ± 5,7%, P = 0,75). Im Gegensatz dazu wurden die Hyperalgesie- und Allodynieflächen in der Rimonabantgruppe signifikant verringert (AUCHyperalgesie: 4389 ± 601 cm2*min vs. 2361 ± 402 cm2*min; 46,3 ± 5,2%, P < 0,05; AUCAllodynie: 3919 ± 735 cm2*min vs. 2126 ± 329 cm2*min; 42,6 ± 5,0%, P < 0,05). Schlussfolgerungen: Wir konnten in der vorliegenden Studie erstmals eine Reduktion zentral vermittelter Sensibilisierung durch einen CB1Rezeptorantagonisten in einem experimentellen Schmerzmodell am Menschen nachweisen. Die Ergebnisse ordnen Endocannabinoiden eine neue pronozizeptive Funktion auf der Ebene spinaler Hinterhornneurone zu, die die analgetische Effizienz systemisch verabreichter Cannabinoid-Rezeptoragonisten limitieren könnte. 1. Zeilhofer HU. The glycinergic control of spinal pain processing. Cellular And Molecular Life Sciences 2005; 62(18):2027-35 2. Chevaleyre V, Takahashi KA, Castillo PE. Endocannabinoid-mediated synaptic plasticity in the CNS. Annual Review of Neuroscience 2006;29:37-76 3. Koppert W, Dern SK, Sittl R, Albrecht S, Schüttler J, Schmelz M. A New Model of Electrically Evoked Pain and Hyperalgesia in Human Skin. Anesthesiology 2001;95: 395-402 P4.5 Optimierung der Berechnung der Wind-up Ratio bei der quantitativ sensorischen Testung E. K. Krumova, S. Klauenberg, C. Maier Abteilung für Schmerztherapie, BG-Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik, Ruhr-Universität Bochum1 Einleitung: In Folge der zeitlichen Summation von überschwelligen Pinprick-Reizen (C-Faser-Erregung) treten als Symptom der spinalen Erregung sog. Wind-up Phänomene auf, hier gemessen als Quotient (WUR) der Schmerzintensität beim ersten Reiz und der nach 10 repetetiven Reizen (1, 2). Wir prüften erstmals, in wie weit extrem hohe oder extrem niedrige Schmerzratings beim Erstreiz systematisch zu falsch hohen oder niedrigen WUR-Werten führen. Methodik: Über jeweils fünf Reizserien bewerteten 817 Patienten der Bochumer Schmerzklinik in insgesamt 1159 Untersuchungen den gerade eben schmerzhaften Pinprick-Reiz (256 mN an Hand und Fuß, 128 mN im Gesicht) auf einer NRS-Skala von 0-100 zu Anfang der Untersuchung (Erstreiz) und nach 10-facher Reizapplikation (1 Hz im Hautareal von 1 cm2) am Ende der Untersuchung (Letztreiz) (3). Statistik: Bildung eines Quotienten aus gemittelten Letzt- zu Erstreizen (n=5); Berechnung einer WUR-Nullwertkorrektur mit Ersatz nicht überschwelliger Erst- und Letztratings (NRS=0) durch Mittelwerte der jeweiligen überschwelligen Ratings (NRS>0), Chi2-Test und Varianzanalyse. Ergebnisse: 64 Datensätze (6%) wurden ausgeschlossen, weil keiner der fünf Erstreize überschwellig (NRS=0) war, in den restlichen Datensätzen war WUR im Mittel 3 (SD: 3). In 15% der Datensätze gab es in den Reizserien mindestens ein nicht überschwelliges Erstrating (n=1: 4,6%; n=2: 2,8%; n=3: 3,7%; n=4: 3,3%). Die Einbeziehung der Nullwerte in den Mittelwert (falsch niedriges Erstrating) führte signifikant häufiger zu WUR≥10 (27% aller Werte≥10). Nach Nullwertkorrektur verringerte sich deren Anzahl um 22%. Bei den verbleibenden Probanden mit Erstrating von NRS≥14 (n=264; 25%) war WUR dagegen signifikant erniedrigt, da der Quotient nicht linear ansteigt.
Diskussion: Zur Vermeidung falsch hoher WUR-Werte sollten Reizserien mit einem Erstrating von NRS=0 ausgeschlossen werden. Wenn Probanden beim Erstrating NRS≥14 angeben, sollte wenn möglich, die Reizstärke vermindert oder eine Korrekturformel verwendet werden. 1. Herrero JF et al. Prog Neurobiol 2000;61:169-203. 2. Magerl W et al. Pain 1998;74:257-268. 3. Rolke R et al. Pain 2006;123(3):231-43 P4.6 Small-fibre-Affektion bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS): Eine QST-Analyse M. Ponfick, R. Gastl, H. J. Gdynia, G. B. Landwehrmeyer, A. C. Ludolph, A.-D. Sperfeld, R. Klug Universität Ulm, Abteilung Neurologie, Ulm Obwohl bei Motoneuronerkrankungen die motorischen Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen, wurde in systematischen klinischen Untersuchungen der letzten 20 Jahre auch eine sensible Beeinträchtigung beobachtet. Wir untersuchten 21 Patienten mit fortgeschrittener Amyotropher Lateralsklerose (ALS), darunter eine Patientin mit PLS, zwei Frauen und einen Mann mit PMA. Das mittlere Alter des Kollektivs betrug 62,4 Jahre (+/- 10,67 Jahre; 40-83 Jahre), die mittlere Erkrankungsdauer belief sich auf 41,9 Monate (+/- 34,55 Monate, 12-180 Monate). Um eine Affektion der small-fibre nachzuweisen, wurde die quantitative sensorische Testung (QST), nach dem DFNS (Deutsches Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz) Protokoll angewandt. Die QST ist eine validierte und etablierte Methode der subjektiven Algesimetrie mit 13 Einzelparametern und findet weite Verbreitung in der Schmerztherapie. Die Rohdaten wurden logarithmiert und z-transformiert, um eine Normalverteilung zu erhalten und um Confounder wie getestete Region, Alter und Geschlecht zu eliminieren. Es wurden zwei neue Variablen (Schadenspunkte (SP) und relative Schadenspunkte (%SP) generiert, um eine übersichtlichere Kollektivauswertung durchführen zu können. Die Untersuchung erfolgte jeweils bilateral an Wangen, Hand- und Fußrücken. 19 von 21 ALS-Patienten wiesen sensorische Schädigungen auf (64-99%; 99%KI). Durch die z-Transformation wurden die beiden Confounder Geschlecht und Region eliminiert, nur das Alter behielt Einfluss auf die Daten (R2 = 36%). Wir konnten zeigen, dass vornehmlich C- und A-δ-Fasern (small-fibres) geschädigt sind und dass bei einem Drittel (n=7) der Patienten eine zentrale Verarbeitungsstörung besteht. Unsere Daten zeigen, dass eine sensible Affektion ein bislang unterschätztes Symptom bei der ALS ist. Außerdem konnten wir zeigen, dass die QST ein probates Mittel ist diese sensiblen Schädigungen, vornehmlich dünn myelinisierter Fasern, zu erfassen. P4.7 Langzeithemmung von schmerzbezogener Gehirnaktivität bei gesunden Probanden: Eine fMRT-Studie S. Rottmann1, K. Jung2, J. Ellrich2 1 Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen; 2 Medical Physiology Group, Center for Sensory-Motor Interaction, Department of Health Science and Technology, Medical Faculty, Aalborg University, Aalborg, Denmark Fragestellung: Noxische, elektrische Niederfrequenzstimulation (LFS) kutaner Afferenzen induziert eine Langzeithemmung (LTD) von Nozizeption und Schmerz beim Menschen. Ziel dieser Studie war die Erfassung des LFS-Effektes auf zerebrale Aktivierungen mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (fMRT). Angewandte Methodik: Bei 17 gesunden männlichen Versuchspersonen (19 - 28 Jahre) wurden mittels einer konzentrischen Elektrode kutane Aδ-Fasern des rechten Handrückens elektrisch stimuliert. Die Intensität der Testreizserien (3 alternierende Ruhe- (15 Sekunden) und Stimulationsperioden (5 Reize, 0.33 Hz)) und der konditionierenden Stimulation (LFS: 20 Min, 1 Hz, 1200 Pulse) betrug mit 3.2±0.2 mA das 4fache der Schmerzschwelle. Die Testreizserien wurden im Abstand von acht Minuten wiederholt, zwei Prä-Serien vor der LFS und zwei Post-Serien nach der LFS. In einem Kontrollexperiment wurde Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts keine LFS appliziert, sondern eine 20minütige Pause eingelegt. Die Versuchspersonen nahmen an beiden Experimenten in einer pseudorandomisierten Reihenfolge teil. Die Probanden beurteilten nach jeder Testreizserie die Stärke der Schmerzempfindung (numerisches Rating: 0-100). Nach der ersten Prä- und der ersten Post-Serie wurde ein SESFragebogen (Schmerzempfindungs-Skala, Geissner, 1996) ausgefüllt, der aus 19 sensorischen und 14 affektiven Items besteht (4: „trifft genau zu“ – 1: „trifft nicht zu“). Das Signifikanzlevel der fMRT-Daten wurde auf p<0.001 (unkorrigiert) gesetzt. Ergebnisse: Vor der LFS zeigte der Kontrast zwischen Stimulationsund Ruheperiode signifikante Aktivierungen folgender Hirnareale: linker primärer (S1) und sekundärer (S2) somatosensorischer Kortex, linke anteriore und posteriore Insula, bilateraler zingulärer Kortex (CC), inklusive dem anterioren Teil (ACC), rechter inferiorer Parietallappen (IPL), bilaterales supplementäres Motorareal (SMA) und bilateraler prefrontaler Kortex. Nach der LFS zeigte sich lediglich eine Aktivierung im rechten IPL. Der Kontrast zwischen den Stimulationsperioden vor und nach der LFS zeigte eine Reduktion der Aktivitäten bilateral in S1 und S2, im CC und ACC und im rechten IPL. Im Kontrollexperiment gab es keinen Unterschied in der Aktivierung vor und nach der Pause. Bei den Prä-Serien in Kontroll- und LFS-Experiment waren keine Unterschiede zu sehen. In den Post-Serien zeigte sich eine Reduktion der Aktivität im ACC nach der LFS verglichen mit der Kontrolle. Die numerische Beurteilung der Schmerzstärke und die Beurteilung der sensorischen und affektiven Items im SES-Fragebogen sank nach der LFS ab im Vergleich zu Prä-LFS und zur Kontrolle (p<0.05). Die sensorischen Items „stechend“, „scharf “ und die affektiven Items „quälend“ und „heftig“ wurden nach der LFS geringer bewertet (p<0.05). Bei der Kontrollsitzung zeigte sich keine Veränderung bei den Mittelwerten. Nach der Pause wurden die sensorischen Items „schneidend“ und „brennend“ stärker beurteilt (p<0.05). Schlussfolgerungen: Diese fMRT-Studie zeigt unter Teststimulation eine Aktivierung der Hirnareale, die an der sensorischen (S1, S2, posteriore Insula) und affektiven (ACC, anteriore Insula) Schmerzverarbeitung beteiligt sind. Aktiviert sind des weiteren Areale für Aufmerksamkeit (IPL), Motorplanung (SMA) und Kognition (prefrontal). Die verbliebene Aktivierung nach der LFS im IPL, kann dadurch erklärt werden, dass die Probanden aufmerksam die Reize beurteilen mussten. Ein Vergleich vor und nach LFS zeigt eine deutliche Reduktion der aufmerksamkeitsrelevanten (IPL) und schmerzverarbeitenden (sensorisch: S1 und S2, affektiv: ACC) Hirnareale. Der Rückgang der sensorischen und affektiven Schmerzbeurteilung unterstützt dieses Ergebnis. Elektrische LFS induziert eine LTD der sensorischen und affektiven zerebralen Schmerzverarbeitung beim Menschen. Mit Hilfe dieser Experimente soll der Nutzen der LFS für einen möglichen Einsatz in der Therapie chronischer Schmerzpatienten beurteilt werden. P4.8 Menstrual variation of experimental pain – correlation with gonadal hormones M. Teepker1, M. Peters2,3, H. Vedder3,5, K. Schepelmann1,4, S. Lautenbacher2 1 Department of Neurology, Philipps-University of Marburg, Marburg; 2 Department of Physiological Psychology, University of Bamberg; 3 Department of Psychiatry and Psychotherapy, Philipps-University of Marburg, Marburg; 4 Schlei-Klinikum Schleswig MLK, Schleswig; 5 Psychiatrisches Zentrum Nordbaden, Wiesloch Background: The results of studies examining the response to experimental pain during menstrual cycle are conflicting because of differences in the definitions of menstrual period, out-come measures and types of experimental pain stimulation. So far, there have been only a few studies correlating experimental pain with the levels of gonadal hormones over the menstrual cycle. Therefore, we assessed the responses to multiple experimental pain stimuli during menstrual cycle and computed correlations with the salivary concentrations of the gonadal hormones estrogen and testosterone. Methods: 24 healthy and regularly menstruating women between 20 and 41 years took part in the study. Detection thresholds (warmth,
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cold, electrical current) and pain thresholds (cold, heat, pressure, electrical current) were assessed on day 1, 4, 14 and 22 of menstrual cycle. In each session, salivary samples were collected for determination of the physiological estrogen 17-ß-estradiol, progesterone and testosterone. Progesterone was used exclusively to verify regular men-strual cycling. Results: Significant variations of pain thresholds for cold, pressure and electrical stimuli were observed over the menstrual cycle with highest thresholds on day 22 with the exception of the cold pain thresholds, which peaked on day 14. There were no such changes regarding heat pain and all detection thresholds. The correlations computed individually for each subject between levels of salivary estrogen as well as testosterone on the one hand and pain thresholds on the other hand failed to show significant deviations from zero but disclosed great variance of individual correlation coefficients ranging from negative to positive values. Conclusions: The pain thresholds for all physical stressors increased after menstruation. The acrophases were located in the follicular (cold pain threshold) or in the luteal phase (pressure and electrical pain thresholds). Individual correlations between thresholds and gonadal hormones varied substantially, suggesting large differences between women. Accordingly, the regulating role of estrogen and testosterone in pain processing might be dependent on individual factors.
P05 Rückenschmerz und Bewegungsapparat I P5.1 Vorstellung des Spine-Centers am Universitätsklinikum Greifswald – gelebte interdisziplinäre Zusammenarbeit S. Adler, S. Westphal, J.-U. Müller Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universität Greifswald, Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Universität Greifswald, Klinik für Neurochirurgie der Universität Greifswald Fragestellung: Die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen stellt ein vielschichtiges interdisziplinäres Problem dar. Um eine effektive und qualitativ hochwertige Patientenbetreuung zu gewährleisten, wurde 2006, basierend auf multimodalen Konzepten, die einen ganzheitlichen Ansatz der Therapie verfolgen, das Spine-Center am Universitätsklinikum Greifswald gegründet. Im Folgenden soll dargestellt werden, ob und wie diese interdisziplinäre Zusammenarbeit funktionieren kann. Methodik: Im Spine-Center werden die Patienten gemeinsam durch Neurochirurgen, FÄ für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Schmerztherapeuten, Psychologen, Radiologen, Unfallchirurgen, Orthopäden, Neurologen und Physiotherapeuten betreut. In gemeinsamen Facharztkonferenzen, die 14tägig stattfinden, werden Problempatienten diskutiert und eine gemeinsame Behandlungsstrategie entwickelt. Das Therapiespektrum umfasst degenerative Erkrankungen, Unfälle und -folgen, Fehlbildungen der Wirbelsäule, entzündliche Erkrankungen sowie Tumorerkrankungen des Rückenmarks und der Wirbelsäule mit allen konservativen und operativen Behandlungsoptionen. Im Bereich der konservativen Therapie stehen den Patienten neben der schmerztherapeutischen Betreuung eine qualifizierte stationäre physiotherapeutische Abteilung und ein Ambulantes Rehazentrum mit allen physiotherapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung. Zusätzlich werden auch alternative Behandlungsmethoden im Rahmen der ganzheitlichen Therapie wie Akupunktur, Neuraltherapie, Ernährungsberatung und Ordnungstherapie angeboten. Regelmäßige Patienteninformationsveranstaltungen sollen die Eigeninitiative und Aktivität in der Bevölkerung fördern. Ergebnisse: Ziel des Zentrums war und ist es, schnellstmöglich eine interdisziplinäre Diagnostik durchzuführen, eine adäquate Therapie einzuleiten und somit eine lange Odyssee der Patienten von einem Facharzt zum nächsten zu vermeiden. Alle konservativen Therapiemöglichkeiten werden vor oder anstatt einer Operation ausge-
schöpft. Operative Eingriffe werden bei den im Spine-Center vorgestellten Patienten nach strenger Indikationsstellung durchgeführt. Die 2-3mal jährlich stattfindenden Patienteninformationsveranstaltungen wurden sehr gut angenommen. Schlussfolgerungen: Durch eine gut organisierte und funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit können Therapieabläufe optimiert, lange Wartezeiten für die Patienten vermieden und damit die Patientenzufriedenheit gesteigert werden. Wichtiges Ergebnis in der Schmerztherapie wäre die Vermeidung der Schmerzchronifizierung durch standardisierte Behandlungsprogramme und kurze Behandlungswege. P5.2 Direkter und indirekter Einfluss von Rückenschmerzintensität auf Depressivität nach einem Jahr R. A. Fahland, C. O. Schmidt, T. Kohlmann Institut für Community Medicine, Universität Greifswald Hintergrund/Ziel: Depression tritt gehäuft bei Personen mit schweren Rückenschmerzen auf. Der kausale Zusammenhang zwischen beiden ist nach wie vor unklar. Dieser Beitrag untersucht daher den direkten und indirekten Einfluss der Intensität von andauernden Rückenschmerzen auf Depressivität nach einem Jahr. Dabei wird ein besonderes Gewicht auf die Bedeutung von Mediatoren, wie das Katastrophisieren, Angst-VermeidungsÜberzeugungen, Hilf-/Hoffnungslosigkeit und das Vermeiden sozialer Aktivitäten, gelegt. Methoden: Verwendet wurden Daten des 2003 bis 2006 durchgeführten prospektiven Rückensurveys des Deutschen Forschungsverbunds für Rückenschmerz. In diese Auswertung gingen Daten der Baseline-Erhebung, der wenige Wochen später durchgeführten Risikofaktor-Erhebung und des 1-Jahres-Follow-Ups ein. Für die statistische Auswertung wurden 556 Personen ausgewählt, die zur Baseline unter andauernden Rückenschmerzen litten. Mittels Pfadanalysen wurden der direkte sowie indirekte Einfluss der Rückenschmerzintenstiät auf Depressivität nach einem Jahr unter Berücksichtigung der oben genannten Mediatoren untersucht. Ergebnisse: Der korrelative Zusammenhang zwischen Rückenschmerzintensität und Depressivität nach einem Jahr war signifikant, aber nur moderat ausgeprägt (r=.211). Es zeigte sich kein signifikanter direkter Einfluss der Rückenschmerzstärke auf Depressivität nach einem Jahr. Der Effekt der Rückenschmerzstärke wurde fast ausschließlich über Mediatoren, insbesondere Hilf-/Hoffnungslosigkeit, vermittelt. Der gering indirekte Effekt der Rückenschmerzintensität auf die Depressivität war statistisch signifikant. Diskussion/Schlussfolgerung: Die Befunde weisen darauf hin, dass weniger der Schmerz an sich, sondern eher die kognitive Verarbeitung einen Einfluss auf das spätere Auftreten von Depressivität hat. Dies legt nahe, dass die Berücksichtigung schmerzverarbeitender Kognitionen im Rahmen therapeutischer Maßnahmen auch zur Prävention von Depressivität beitragen kann. P5.3 Stand der Behandlung myofaszialer Schmerzen in Deutschland: eine Ärztebefragung J. Fleckenstein1, D. Zaps1, A. Crispin2, L. Lehmeyer1, L. J. Rüger1, F. Freiberg1, P. M. Lang1, D. Irnich1 1 Interdisziplinäre Schmerzambulanz, Klinik für Anaesthesiologie, Klinikum der Universität München, München; 2 Institut für medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Klinikum der Universität München, München Ziel der Studie: Myofasziale Schmerzen treten mit einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 75% auf. Dennoch liegen bisher keine allgemein anerkannten, wissenschaftlich fundierten Empfehlungen zur Therapie dieser Schmerzen vor. Das Ziel der vorliegenden Studie war die Erhebung des Status quo der Therapie myofaszialer Schmerzen unter deutschen Ärzten.
Methodik: 332 deutsche Ärzte (93 Schmerztherapeuten, 100 Rheumatologen, 139 Orthopäden) wurden mittels eines standardisierten Fragebogens bezüglich ihrer Behandlungsstrategien bei Patienten mit myofaszialen Schmerzen befragt. Die Ärzte sollten die von ihnen verwendeten Therapieoptionen benennen und anhand von Schulnoten (1 bedeutete hochwirksam, 6 bedeutete völlig unbefriedigend) beurteilen. Ergebnisse: Die am häufigsten genutzte Therapie waren Medikamente (n = 1525, Mehrfachnennungen möglich), am zweithäufigsten wurden physikalisch-medizinische Maßnahmen genannt (n = 1118). Injektionstechniken kamen seltener zum Einsatz (n = 288). Medikamente wurden durchschnittlich mit der Note 2,9 ± 0,7, physikalisch-medizinische Therapieverfahren mit 2,5 ± 0,8 und Injektionstechniken mit 2,4 ± 1.0 bewertet. Der zusätzliche Subgruppenvergleich nach medizinischer Disziplin war für einige Therapieoptionen signifikant unterschiedlich. So wurden die am häufigsten verschriebenen nicht-steroidalen antiinflammatorischen Analgetika (n = 304) von Orthopäden mit 2,5 ± 1,0, von Schmerztherapeuten mit 2,8 ± 1,0 und von Rheumatologen mit 3,0 ± 1,1 bewertet (Kruskal-Wallis-Test p = 0,002). Co-Analgetika wurden von den Schmerztherapeuten mit der Note 2.0 ± 0.8 besser bewertet als von Orthopäden 2.8 ± 1.1 und Rheumatologen 3,3 ± 1,3 (n = 56, p = 0,006). Über die Hälfte aller befragten Ärzte stuften die vorhandenen Therapieoptionen als unzureichend ein. Schlussfolgerung: Es zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen Verschreibung und Bewertung der vorhandenen Therapieoptionen, Diskrepanzen zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen, und eine insgesamt als unzureichend bewertete Wirksamkeit vorhandener Therapieoptionen bei myofaszialen Schmerzen. Insbesondere ist es erstaunlich, dass die am häufigsten angewendete Therapieoption (Medikamente) am schlechtesten bewertet wurde. Gut bis sehr gut bewertete Therapieansätze, wie Co-Analgetika oder Injektionstechniken werden dagegen deutlich seltener angewendet. Diese Ergebnisse weisen auf die dringende Notwendigkeit der Entwicklung evidenz-basierter Therapiekonzepte und deren Vermittlung in der Ärzteschaft hin. P5.4 Häufigkeit einer Krankenhausbehandlung wegen Ulcus oder Magenblutungen bei über 6500 Rückenschmerzpatienten W. Bolten, W. Fischbach, U. Gockel, U. Schmidt, C. Maier Klaus Miehlke-Klinik Wiesbaden, Klinikum Aschaffeburg, Pfizer Pharma GmbH, StatConsult GmbH, Universitätskliniken Bergmannsheil Bochum Rheumatologie Ziel: Zu Beginn vieler medikamentöser Schmerztherapien werden vor allem auch bei dem „Volksleiden“ Rückenschmerz, orientiert am WHO-Stufenschema, traditionelle nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) eingesetzt, deren Risikoprofil eine gastrointestinale (GI) Anamnese vor der Verordnung erforderlich macht. In dieser Erhebung prüften wir als Vorbereitung für die Entwicklung eines Scores für eine gastrointestinale Risikoabschätzung die GI-assozierte Hospitalisationsrate von deutschen Rückenschmerzpatienten. Ziel des Projektes ist, das in Stanford 1998 von G. Singh et. al. (1) entwickelte Modell zur Ulcus-Risiko-Kalkulation zu prüfen, speziell den Einfluss der gewichteten Risikofaktoren (Alter, Allgemeinbefinden, gastrointestinale Anamnese, Corticosteroidtherapie). Methoden: In die Erhebung wurden Patienten eingeschlossen, die wegen Rückenschmerzen eine Arztpraxis aufsuchten und nach Einweisung durch das Praxispersonal vor der Arztkonsultation bereit waren, einen elektronischen Fragebogen auf einem Palm™ Handheld zu beantworten. (2). Sie wurden u. a. nach früheren Krankenhausbehandlungen wegen Ulcus oder Magenblutungen befragt. Zusätzlich wurden weitere Fragen zur gastrointestinalen Anamnese, Schmerzanamnese, Funktionalität, Schlafqualität, Depressivität/Angst eingesetzt . Ergebnisse: Eingeschlossen wurden in einem Zeitraum von 12 Monaten 6515 Patienten (35,1% Männer, 64,9% Frauen), die wegen Rückenschmerz einen Arzt (Schmerztherapeuten 50,4%, Orthopäden 20,5%, Hausarzt 8,1%, sonstige Ärzte 21%) aufsuchten. Das Alter der Patienten betrug im Mittel 55,6 Jahre (Männer 54,6, Frauen 56,1 JahDer Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts re), der BMI 27,2 (Männer 27,7, Frauen 26,9). Der durchschnittliche Schmerz der letzten 4 Wochen wurde mit 5,7 (Männer 5,5, Frauen 5,9) auf der VAS angegeben. 7,1% der Befragten berichteten, wegen einer früheren Magenblutung oder eines Ulcus im Krankenhaus behandelt worden zu sein (Ereignisrate der Männer 9,7% - p< 0,001, Odds ratio = 1,787; 10,4% bei Patienten über 70 Jahren - p< 0,001 Odds ratio 1,679 und 11,4% bei Patienten mit Medikamenten gegen Herzschwäche – p < 0,001, Odds ratio = 1,998). Zusammenfassung: Ein höherer Anteil von Rückenschmerzpatienten als vermutet ist zum Zeitpunkt des Aufsuchens eines Arztes zur Schmerzbehandlung bereits heute aufgrund eines Ulcus oder einer Magenblutung im Krankenhaus behandelt worden. In früheren Erhebungen waren es nur 3%. Diese Zahlen belegen erneut die Notwendigkeit einer gezielten GI-Anamnese und zeigen zudem, dass für die Entwicklung eines hierfür nützlichen Risikoscores aktualisierte Daten erforderlich sind. P5.5 Multizenterstudie zur Reliabilität von komplexen Funktionsstörungen des Bewegungssystems K. Niemier6, S. Schmidt6, K. Engel6, K. Herms6, V. Liefering1, M. Maulhard1, S. Törkott2, G. Rotter4, K. Bienek4, A. Klein3, U. Marnitz3, S. Jahr5, T. Wetterling7, S. Kosub7, B. Gorezki7, G. Jäger2, H. R. Casser7, W. Seidel6 1 Sana Kliniken Sommerfeld, Klinik für Rehabilition; 2 Rommel Klinik Bad Wildbad; 3 Rückenzentrum am Markgraphenpark; 4 Tagesklinik Pankow; 5 Charite Berlin; 6 Sana Kliniken Sommerfeld, Klinik für Manuelle Medizin; 7 Schmerzklinik Mainz Funktionsstörungen des Bewegungssystem werden im Alltag bei chronischen Schmerzpatienten physiotherapeutisch und manualmedizinisch behandelt. Diese funktionellen Therapieverfahren sind bisher nur unzureichend wissenschaftlich evaluiert. Problematisch ist insbesondere die nicht standardisierte Befunderhebung die ein Vergleich von Befundlage und Therapieergebnis unmöglich macht. Studien zur Reliabilität von Untersuchungstechniken zur Erhebung von funktionellen Störungen zeigen meist eine unzureichende Reliabilität. In eine Multizenterstudie zur Reliabilität von Untersuchungstechniken zur konstitutionellen Hypermobilität, zur Tiefenstabilität, koordinativen Fähigkeiten und kortikalen Funktion konnten mäßige bis sehr gute Inter- und Intrarater Reliabilitäten gezeigt werden. Untersuchungstechniken, Studienablauf und Ergebnisse werden auf dem Poster vorgestellt und diskutiert. P5.6 Die Intensität von Gliederschmerzen und Erschöpfung unterscheidet Patienten mit Fibromyalgiesyndrom von Patienten mit depressiven Störungen und chronischen Rückenschmerzen S. Ziehl1, W. Häuser1, N. Grulke2, D. Michalski3, A. Hoffmann4, C. Maier5, A. Hinz6 1 Zentrum für Schmerztherapie/Klinik Innere Medizin I, Klinikum Saarbrücken, Saarbrücken; 2 Zentrum für Verhaltensmedizin Luisenklinik, Bad Dürrheim; 3 Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig; 4 Rheumatologische Praxis, Köln; 5 Abteilung für Schmerztherapie, Bergmannsheil Bochum, Bochum; 6 Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig Hintergrund: Eine symptombasierte Diagnose des Fibromyalgiesyndroms (FMS) ohne Tender Point-Überprüfung ist für die ärztliche Primärversorgung sinnvoll. Wir überprüften, ob eine symptombasierte Diagnose eines FMS auf die Intensität der Symptome „Gliederschmerzen“ sowie „Erschöpfung“ gegründet werden kann. Methodik: FMS-Patienten aus vier verschiedenen klinischen Settings (N= 464 Selbsthilfeorganisation, N=162 Gutachten-Patienten, N= 33 rheumatologische Praxis, N=36 Schmerzambulanz), Patienten mit Rückenschmerzen eines ambulanten Therapiezentrums (N=691), Patienten mit depressiven Störungen aus zwei klinischen Settings (N= 24 psychiatrisch-psychotherapeutische Klinik, N= 311 psychosomatischpsychotherapeutische Ambulanz) und Personen einer allgemeinen Be-
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völkerungsstichprobe (N=1977) wurden hinsichtlich der Skalenmittelwerte des Gießener Beschwerdebogens GBB-24 verglichen. Ergebnisse: In den Skalen „Gliederschmerzen“ und „Erschöpfung“ fanden sich die größten Mittelwertdifferenzen zwischen FMS-Patienten und den übrigen Stichproben. Auch in den Skalen „Herzbeschwerden“ und „Magenbeschwerden“ hatten die FMS-Patienten erhöhte Werte, diese beiden Skalen erbrachten jedoch keinen zusätzlichen Beitrag (zusätzlich zu Gliederschmerzen und Erschöpfung) zur Gruppentrennung. Die Reklassifikationsraten anhand des GBB-24-Kriteriums nach logistischer Regression lagen zwischen 80 % und 93 %. Schlussfolgerung: Eine symptombasierte Diagnose des FMS ist nach dem Ausschluss entzündlich-rheumatischer, endokrinologischer und neurologischer Erkrankungen durch eine hohe Intensität von chronischen Gliederschmerzen in mehreren Körperregionen und chronische Erschöpfung/Müdigkeit möglich.
P06 Rückenschmerz und Bewegungsapparat II P6.1 Effektivität einer multimodalen Therapie bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen K. Große, U. Kaiser, M. Schiller, P. Gerhardt, R. Scharnagel, K. Brannasch, U. Ettrich, G. Goßrau, R. Sabatowski UniversitätsSchmerzCentrum, Medizinische Fakultät „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden, Dresden Einleitung: Zunehmend werden für die Behandlung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen multimodale Therapieprogramme empfohlen und durchgeführt. Diese Programme unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der eingeschlossenen Patienten und eingesetzten Verfahren zum Teil erheblich. In der vorliegenden Untersuchung soll die Effektivität einer multimodalen tagesklinischen Therapie, die am UniversitätsSchmerzCentrum der Universitätsklinik Dresden seit 2004 standardisiert durchgeführt wird, für die Gruppe der Patienten mit chronischen Rückenschmerzen untersucht werden. Methodik: Gegenstand der Untersuchung bildet eine Stichprobe von Patienten mit der Hauptschmerzdiagnose chronischer Rückenschmerz, die an unserer Tagesklinik in einer 4-wöchigen multimodalen Komplexbehandlung einschließlich einer Boosterung nach 10 Wochen teilnahmen. Die Messung erfolgte zu 4 Zeitpunkten: Beginn und Ende der Therapie, Boosterwoche, ½-Jahres-Katamnese nach der Boosterwoche. Zur Veränderungsmessung der Lebensqualität, Schmerzbeeinträchtigung, Angst und Depression wurden die Fragebogen PDI, HADS, Schmerzstärke (NRS), CSQ und SF-36 eingesetzt. Die statistische Datenauswertung erfolgte über SPSS auf der Grundlage von T-Tests. Das Signifikanzniveau wurde auf 5% festgesetzt. Darüber hinaus wurden die Effektstärken (ES) berechnet. Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 61 Patienten (Durchschnittsalter 49 Jahre), für die zum Zeitpunkt der Datenerhebung zu allen Erhebungszeitpunkten die Fragebögen vorlagen. 56% waren im Chronifizierungsstadium 3 (MPSS) und 41% im Stadium 2. Bei 22,5% lag zusätzlich eine depressive Störung, bei 43% eine somatoforme Schmerzstörung und bei 1,5% eine Angststörung vor. Es konnte gezeigt werden, dass sich die mittlere Schmerzintensität (NRS) von 5,8 auf 4,7 bis T4 statistisch signifikant reduzierte; die Effektstärke lag hierbei im mittleren Bereich (0,68). Die stärkste, geringste und momentan erlebte Schmerzstärke wurde im Vergleich T1 zu T3 und T4 ebenfalls geringer. Die schmerzbedingte Beeinträchtigung (PDI) konnte im Zeitraum T1-T3 vermindert werden. Die Ängstlichkeit (HADS) verringerte sich statistisch signifikant von 6,6 auf 4,7 bis T4 (ES 0,47). Die Depressivität (HADS) blieb unverändert. Die Strategien im Umgang mit Schmerzen (CSQ) veränderten sich hinsichtlich verschiedener Messzeitpunkte. Katastrophisieren verminderte sich (2,5 vs. 1,9; ES 0,52) und Ignorieren verstärkte sich von T1 bis T4, die Aktivität erhöhte sich hinsichtlich T1-T3. Bezüglich der eingeschätzten Lebensqualität (SF 36) verbesserte sich das psychische Wohlbefinden (65,7 vs. 72,8; ES 0,45), die körperliche Rollenfunktion (32,4 vs. 40,6; ES 0,57), die soziale Funktion (64,4 vs. 76,4; ES 0,47) und die Vitalität (39,1 vs. 46,6; ES 0,46) von T1 zu T4.
Zusammenfassung: Anhand der vorliegenden Daten kann gezeigt werden, dass Patienten mit chronischen Rückenschmerzen von einer standardisierten multimodalen tagesklinischen Therapie trotz zum Teil eines hohen Chronifizierungsgrades und eines hohen Anteils psychischer Begleiterkrankungen profitieren. Die Effektstärke liegt hierbei für viele Variablen im mittleren Bereich. Zu überprüfen ist, inwieweit Prädiktoren für eine hohe Effektivität identifiziert werden können und ob sich die Therapieeffekte auch nach längeren Zeiträumen noch nachweisen lassen. P6.2 Oxycodon/Naloxon zur Schmerztherapie degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen S. Grunert, Eichstädt Fragestellung: Starke Opioiden führen in der Schmerztherapie häufig zu einer Opioid-induzierten Obstipation. Diese konnte bisher nur symptomatisch, mit Laxanzien, behandelt werden. Eine Fixkombination aus dem Agonisten Oxycodon und dem Antagonisten Naloxon ist ein starkes Opioid welches gleichzeitig kausal die Entstehung einer Opioid-induzierten Obstipation verhindern bzw. eine bestehende Obstipation therapieren kann. Ziel einer multizentrischen, Nicht-Interventionellen Studie war es, die Wirksamkeit und die Verträglichkeit des Kombipräparates unter praktischen Bedingungen zu untersuchen. Ergebnisse einer Subgruppeanalyse der Patienten mit degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen werden hier dargestellt. Methoden: Während einer 4- wöchigen Beobachtungsphase wurden zum Eingangstermin, nach 1, nach 2 (optional) und nach 4 Wochen Daten erhoben. Die analgetische Wirksamkeit der Oxycodon/Naloxon Kombination wurde anhand der Schmerzintensität (NRS-11) gemessen. Die Darmfunktion wurde mittels Bowel Function Index (BFI 0100) und die Lebensqualität mittels BPI-SF bewertet. In einer Beurteilung am Ende der Beobachtungsphase bewerteten die behandelnden Ärzte und die Patienten die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der Therapie. Die Ärzte beurteilten zusätzlich die Verträglichkeit im Vergleich zur Vortherapie mittels eine 5-Punkte Skala. Ergebnisse: Insgesamt wurden 7.836 Patienten in die Studie eingeschlossen, 5.069 Patienten litten unter Schmerzen bedingt durch degenerative Wirbelsäulenerkrankungen und wurden einer erneuten Analyse unterzogen. Der überwiegende Teil dieser Patienten (67%) wurden Anfangs auf 2x 10/5 mg, 20% der Patienten auf 2x 20/10mg Oxycodon/Naloxon eingestellt. Die restlichen Patienten erhielten andere Dosierungen. Am 3. Kontrolltermin am Ende der Beobachtungszeit waren 53% auf 2x 10/5 mg und 32% der Patienten auf 2x 20/10mg Oxycodon/Naloxon eingestellt. Im Verlauf von 4 Wochen nahm die durchschnittliche Schmerzintensität von 5,6 auf 3,3 um 41% ab. Der BFI verbesserte sich um 61%, von 38,6 auf 14,8. Die Beeinträchtigung aller 7 QoL Parameter verringerte sich deutlich. Der Summenscore der Beeinträchtigung nahm um 41% von 40,6 auf 23,8 ab. In der Abschlussbeurteilung bewerteten jeweils über 80% der Ärzte und der Patienten die Wirksamkeit und die Verträglichkeit mit „sehr gut“ und „gut“. Die Verträglichkeit gegenüber der Vortherapie beurteilten 38% als „viel besser“ und 43% als „besser“. Schlussfolgerung: Die Kombination aus Oxycodon und Naloxon hat in der Therapie von Schmerzen, bedingt durch degenerative Wirbelsäulenerkrankungen, zu klinisch relevanten Verbesserungen der Schmerzintensität, der Darmfunktion und der Lebensqualität geführt. P6.3 Evaluation eines Programms zur Sekundärprävention von Wirbelsäulenbeschwerden im betrieblichen Setting mittels eines interdisziplinären Messinstruments K. Koch1, R. Dietrich2, K. Aschebrock1, E. Beckers1, G. Tidow2 1 Ruhr-Universität Bochum, Institut für Sportpädagogik; 2 Institut für Sportwissenschaft der Humboldt Universität Berlin Einleitung: Im Rahmen der Evaluation des Gesundheitsförderungsprogramms „Haltung in Bewegung“ des Instituts für Gesundheitsbildung der RAG-Bildung wurde mit Unterstützung der Bundesknapp-
schaft und der Bergbau-Berufsgenossenschaft ein interdisziplinäres, ressourcenorientiertes Messinstrument entwickelt. Die Maßnahme sowie das Messinstrument orientieren sich an dem Salutogenesekonzept von Antonovsky und dem Gesundheitsbegriff der WHO. Ziel der Untersuchung ist die Bewertung der Maßnahme aus psychosozialer, sportwissenschaftlicher und gesundheitsökonomischer Sicht. Methode: Das Messinstrument wurde über einen Zeitraum von vier Jahren entwickelt. Die körperliche Leistungsfähigkeit wurde mittels motorischer Tests aus den Bereichen Kondition, Koordination, Bewegungsverhalten und Wahrnehmung erfasst. Für die Erhebung psychosozialer Parameter wurde ein Fragebogen entwickelt. Dieser umfasst Items zu folgenden Bereichen: aktive Lebensgestaltung, aktiver Umgang mit Gesundheit, positives Körpergefühl, soziale Unterstützung sowie Bewegungsverhalten und -motivation. Die Erfassung der Schmerzbelastung orientiert sich an der Empfehlung der DGSS. Weiterhin wurden qualitative Tests (Interviews, Erfassung von Bewegungsverhalten) eingesetzt. Als wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Maßnahme konnten die Arbeitsunfähigkeitstage mit in die Auswertung einbezogen werden, da diese von der Bundesknappschaft anonymisiert zur Verfügung gestellt wurden. Insgesamt wurden 428 Teilnehmer (Anteil Frauen 16 %, Alter Männer: 46,2 J. (6,5), Alter Frauen: 43,8 J. (7,6)) untersucht. Diese litten überwiegend an Rückenschmerzen (65 %). Die Auswertung der AU-Tage erfolgte für berufstätige Knappschaftsversicherte, sodass 206 Teilnehmer in die Auswertung eingingen. Messzeitpunkte waren vor der Maßnahme (t1), unmittelbar nach der Maßnahme (t2) und ein bzw. zwei Jahre nach der Maßnahme (t3/t4). Für die AU-Tage wurde ein Zeitraum von einem Jahr vor und einem bzw. zwei Jahren nach der Maßnahme gewählt. Eine gematchte Kontrollgruppe aus den übrigen Versicherten soll Rückschlüsse auf die Effekte durch die Intervention sicherstellen. Ergebnisse: Bei fast allen erhobenen Variablen zeigen sich hochsignifikante Veränderungen. Die Effektstärken liegen z. T. im mittleren bis hohen Bereich (z. B. Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, Kraftdifferenzierung: .7), z. T. im unteren Bereich (z. B. „Selbstkompetenz Gesundheit“ und Griffkraft: .1). Keine Veränderungen zeigt sich u. a. bei der Variable Aktive Lebensgestaltung. Die AU-Tage (t-Test sowie Wilcoxon-Test) nehmen von t1 (31 Tage) zu t2 (16 Tage) und t3 (20 Tage) signifikant ab. Die Werte der AU-Tage sind gekennzeichnet durch eine große Streuung und eine extrem schiefe Verteilung. Für die Gesamtgruppe ist die Effektstärke eher mäßig (0,3 von t1 nach t2), auch wenn fast eine Reduzierung um ca. 50 % erreicht wurde. Unterteilt man die AU-Tage in drei Gruppen (bis 4, 5-30, >30), dann zeigt sich jedoch für die Gruppe der Teilnehmer mit einer hohen Anzahl an AU-Tagen eine deutliche Senkung der AU-Tage (Reduzierung von 105 auf 31 Tage, Effektstärke über .9). Diskussion: Die Veränderungen, die durch das Programm erreicht werden können, sind überwiegend hochsignifikant. Erste Ergebnisse der Matching-Analyse zeigen, dass die beschriebene Senkung der AUTage auf die Maßnahme zurückgeführt werden kann. Insbesondere aufgrund der Heterogenität der Stichprobe werden jedoch nur für einen Teil der Variablen zufrieden stellende Effektstärken erreicht. Auswertungen einzelner Subgruppen (z.B. Rückenschwache, subjektiv durch Schmerzen stark eingeschränkte Teilnehmer, Teilnehmer mit einer hohen Anzahl an AU-Tagen) zeigen, dass die Maßnahme bei diesen Teilnehmern eine deutliche Wirkung zeigt. Besonders hervorzuheben ist, dass Teilnehmer mit einem hohen Chronifizierungsrisiko ebenfalls profitieren. P6.4 Patientenrelevante Endpunkte einer Therapie mit OROS® Hydromorphon (Jurnista®) von Patienten mit starken chronischen Osteoporose bedingten Schmerzen unter Routinedingungen J. D. Ringe1, T. M. Mundel2, M. Stumpf2, T. Giesecke2 1 Medizinische Klinik 4, Klinikum Leverkusen; 2 Janssen-Cilag GmbH, Neuss Fragestellung: Durch Osteoporose verursachte chronische Schmerzen sind häufig Rückenschmerzen, die oft auf Verschiebungen der Wirbelsäule zurückzuführen sind. Dies kann zu Kyphose, Muskelkrämpfen und arthritischen Veränderungen der Wirbelgelenke Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts führen. Schwere chronische Schmerzen beeinträchtigen die Beweglichkeit und Ausführung einfacher Aktivitäten des täglichen Lebens, was in einer reduzierten Lebensqualität resultiert. Chronische bewegungsassoziierte Schmerzen führen meist auch zu Bewegungsmangel, und die Physiotherapie wird erschwert. Bewegungsmangel selbst kann das Fortschreiten der Osteoporose beschleunigen, weshalb eine adäquate Schmerzbehandlung entscheidend für eine erfolgreiche Osteoporosetherapie ist. In der vorliegenden Studie sollte der Einsatz von OROS® Hydromorphon in der Therapie starker chronischer durch Osteoporose bedingter Schmerzen über drei Monate unter Routinebedingungen in einer wenig kontrollierten Population dokumentiert werden. Methode: Finale Analyse einer multizentrischen, prospektiven, nicht interventionellen, offenen Studie (OROS-ANA-4001) bei Patienten mit starken, chronischen durch Osteoporose bedingten Schmerzen, die bisher nicht mit Jurnista® behandelt wurden. Die Therapieentscheidung lag im Ermessen des behandelnden Arztes. Insbesondere patientenrelevante Endpunkte wurden dokumentiert: Schmerzeinfluß auf Tätigkeiten des täglichen Lebens, Lebensqualität, Physiotherapiefähigkeit, Schmerzintensität, Lebens- und Schlafqualität, Behandlungskomfort sowie Schutz vor wiederkehrenden Schmerzen. Dokumentation vor Behandlungsbeginn an Tag 0 (V1), 6, 15, am Ende des ersten, zweiten und dritten Monats (V6). Dokumentiert wurde zudem die Stärke des Schmerzeinflusses auf Aktivitäten des täglichen Lebens (mittels des BPI-Fragebogens), die Zufriedenheit mit der Schmerzkontrolle und der Therapie (Patient und Arzt), die Physiotherapiefähigkeit, die Schlafqualität der letzten vier Wochen), die subjektive Beeinträchtigung der Lebensqualität durch den Schmerz, sowie die Vor- und Begleitmedikation. Nebenwirkungen wurden fortlaufend erfasst. Prä-Post-Veränderungen zwischen V1 bis V6 wurden mit dem Wilcoxon-Rangsummen-Test für abhängige Stichproben untersucht. Fehlende Messwerte wurden mittels LOCF ersetzt. Ergebnisse: Die ITT-Population bildeten 204 Patienten, davon waren 78 % Frauen, Ø 70,3 Jahre, chronische Schmerzen bestanden im Mittel seit 5,7 Jahren. Mittlere Dosis OROS®-Hydromorphon 14,4 mg/d (Median: 8,1). Die BPI Merkmale stärkste, geringste, durchschnittliche und aktuelle Schmerzen, Einfluss von Schmerz auf allgemeine Aktivitäten, Stimmung, Gehvermögen, normale Arbeit, Beziehung zu Anderen, Schlaf, Lebensfreude und der resultierende Gesamtwert verbesserten sich signifikant (D6, alle p < 0,0001). Die Therapiezufriedenheit verbesserte sich bei 70,2 %, die Physiotherapiefähigkeit bei 76,3% der Patienten (D6, alle p < 0,0001). Der Gesamtschlafscore und die Lebensqualität hinsichtlich alltäglicher und sozialer durch Schmerz eingeschränkter Aktivitäten verbesserten sich signifikant (alle p < 0,0001). 51,7 % der Patienten empfanden die Einnahme von OROS® Hydromorphon einfacher in der Handhabung als die jeweilige Vormedikation und 52,1% waren der Ansicht, dass sie die tägliche Routine unabhängiger von der Einnahme planen konnten (beide p<0,0001). Im Vergleich zum Beginn der Therapie empfanden 64,4% der Patienten einen besseren Schutz vor wiederkehrenden Schmerzen (p<0,0001) und mehr als die Hälfe sprachen der Medikation ein größeres Vertrauen als bisherigen Therapien aus (p=0,0001). Die unerwünschten Ereignisse (UE) entsprachen in Art und Häufigkeit dem typischen Profil stark wirksamer Opioide, wobei Obstipation (24.3 %), Übelkeit (19.2 %) und Müdigkeit (15 %) am häufigsten angegeben wurden. Bei 150 Patienten wurden 436 UEs dokumentiert (Safety-Set 214 Patienten). Bei 11 Patienten wurden schwerwiegende UEs dokumentiert, alle mit unwahrscheinlichem bzw. ohne Zusammenhang zur Studienmedikation. Schlussfolgerung: Die Studie konnte zeigen, dass die einmal tägliche Einnahme von OROS® Hydromorphon bei Patienten mit starken, chronischen Osteoporose bedingten Schmerzen eine signifikante Verbesserung patientenrelevanter Endpunkte bewirkt mit einer geringeren Einschränkung der alltäglichen Aktivitäten, der Physiotherapie sowie der Schlaf- und individuellen Lebensqualität.
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P6.5 Schmerzkontrolle und Therapiezufriedenheit einer Behandlung mit OROS® Hydromorphon (Jurnista®) unter Routinebedingungen bei Patienten mit starken chronischen Osteoporose bedingten Schmerzen J. D. Ringe1, T. M. Mundel2, M. Stumpf2, T. Giesecke2 1 Medizinische Klinik 4, Klinikum Leverkusen; 2 Janssen-Cilag GmbH, Neuss Fragestellung: Beim Management chronischer nicht tumorbedingter Schmerzen (Rückenschmerz, Arthrose bedingte Schmerzen) wurde die Wirksamkeit starker Opioide durch Studien belegt und wurden auch in Leitlinien aufgenommen. Über die Verwendung starker Opioide in der Behandlung Osteoporose bedingter Schmerzen liegen jedoch nur wenige publizierte Daten vor. Ziel dieser Studie war daher die Dokumentation der Schmerzkontrolle und Therapiezufriedenheit während einer 3-monatigen Therapie mit OROS® Hydromorphon in einer wenig kontrollierten Patientenpopulation mit Osteoporose bedingten Schmerzen unter Routinebedingungen. Methode: Abschlussanalyse einer multizentrischen, prospektiven, nicht interventionellen, offenen Studie (OROS-ANA-4001) bei Patienten mit starken, chronischen durch Ostoporose bedingten Schmerzen, die bisher nicht mit Jurnista® behandelt wurden. Es sollten keine Patienten dokumentiert werden, die eine zeitgleiche Behandlung mit Opioiden der WHO-Stufen II/III, außer kurzwirksamen Opioiden zur Schmerzspitzenmedikation, erhielten. Dokumentation an Tag 0 (D1), 6, 15, Ende erster, zweiter, dritter Monat (D6). Die Behandlung einschließlich Dosierung oblag dem behandelnden Arzt unter Berücksichtigung der Fachinformation. Ziel der Dokumentation war u.a. die Schmerzkontrolle, des weiteren u.a. die Schmerzintensität, Therapieziel, körperliche Funktion. Schmerzkontrolle wurde dokumentiert als sehr gut, gut, ausreichend, schlecht. Die Schmerzbewertung hinsichtlich der „Durchschnittlichen Schmerzen in Ruhe/Bewegung tagsüber und nachts in den letzten 24h“ erfolgte mittels Numeric Rating Scale (NRS 0-10). Unerwünschte Ereignisse wurden fortlaufend dokumentiert. Prae-Post-Veränderungen zwischen D1 und D6 wurden mittels Wilcoxon-Rangsummen Test für abhängige Stichproben untersucht. Fehlende Werte wurden mittels der LOCF-Methode ersetzt. Ergebnisse: Von der ITT-Population (n=204) waren 78 % Patienten weiblich, das Durchschnittsalter betrug 70,3 Jahre, chronische Schmerzen bestanden im Mittel seit 5,7 Jahren, die mittlere Dosis OROS®-Hydromorphon war 14,4 mg/d (Median: 8,1). Die mittlere Schmerzintensität betrug an D1 6,2 (Tag/Ruhe) und 7,8 (Tag/Bewegung), 5,1 (Nacht/Ruhe) und 6,9 (Nacht/Bewegung). An D6 zeigten sich entsprechende Verbesserung auf 3,4 und 4,7 (Tag) und 2,6 und 3,8 (Nacht) (p < 0,0001 für alle). Auch die Schmerzbewertungen mittels BPI verbesserten sich signifikant (p<0,0001). An D6 bewerteten 75,3 % der Patienten und 82,1 % der Ärzte die Schmerzkontrolle im Vergleich zur Vortherapie besser (beide p < 0,0001). Die unerwünschten Ereignisse (UE) entsprachen in Art und Häufigkeit dem typischen Profil stark wirksamer Opioide (Obstipation (24.3 %), Übelkeit (19.2 %), Müdigkeit (15 %)). Bei 150 Patienten wurden 436 UEs dokumentiert (Safety-Set 214 Patienten), bei 11 Patienten schwerwiegende UEs, alle mit unwahrscheinlichem bzw. ohne Zusammenhang zur Studienmedikation. Schlussfolgerung: Unter Routinebedingungen konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit chronischen starken durch Osteoporose bedingten Schmerzen OROS®-Hydromorphon bei einmal täglicher Gabe zu einer guten Schmerzkontrolle bei gleichzeitig hoher Therapiezufriedenheit führt. OROS®-Hydromorphon ist eine hilfreiche Therapieoption für Patienten mit chronischen starken Schmerzen aufgrund von Osteoporose. P6.6 OROS®-Hydromorphon (JURNISTA®) gewährleistet eine sehr gute Schmerzkontrolle in der Routinebehandlung von starken chronischen Arthrose bedingten Schmerzen T. M. Mundel, M. Stumpf, T. Giesecke Janssen-Cilag GmbH, Neuss Fragestellung: Die Wirksamkeit starker Opioide in der Therapie von Nicht-Tumorschmerzen konnte in einer Reihe von Studien gezeigt werden und wurde auch in Therapierichtlinien aufgenommen. Ziel dieser
nicht-interventionellen Studie war die Dokumentation des Einsatzes von OROS®-Hydromorphon bei Patienten mit starken chronischen durch Arthrose bedingten Schmerzen unter Routinebedingungen. Methode: Abschlussanalyse nach Studienende einer multizentrischen, nicht-interventionellen, offenen Studie (OROS-ANA-4002), in der Patienten mit starken chronischen Arthrose bedingten Schmerzen unter OROS®-Hydromorphon-Therapie über 3 Monate dokumentiert wurden. Es sollten keine Patienten dokumentiert werden, die eine zeitgleiche Behandlung mit Opioiden der WHO-Stufen II/III, außer kurzwirksamen Opioiden zur Schmerzspitzenmedikation, erhielten. Dokumentationen an Tag 0 (D1), 6, 15, Ende erster, zweiter, dritter Monat (D6). Die Behandlung einschließlich Dosierung oblag dem behandelnden Arzt unter Berücksichtigung der Fachinformation. Ziel der Dokumentation war u.a. die Schmerzkontrolle, die Schmerzintensität, sowie körperliche Funktion. Die Schmerzkontrolle wurde dokumentiert als sehr gut, gut, ausreichend, schlecht. Die Schmerzbewertung hinsichtlich der „Durchschnittlichen Schmerzen in Ruhe/Bewegung tagsüber und nachts in den letzten 24h“ erfolgte mittels Numeric Rating Scale (NRS 0-10). Weitere Bewertungen erfolgten durch Brief Pain Inventory (BPI) und WOMAC Sektion A. Unerwünschte Ereignisse wurden fortlaufend dokumentiert. Prae-Post-Veränderungen zwischen D1 und D6 wurden mittels Wilcoxon-Rank-Sum Test für abhängige Stichproben getestet. Fehlende Werte wurden mittels der LOCF-Methode ersetzt. Ergebnisse: Die ITT-Population bildeten 203 Patienten, von diesen waren 68,9 % Frauen, das Durchschnittsalter betrug 65,6 Jahre, im Mittel bestanden die chronischen Schmerzen seit 6,2 Jahren, die mittlere Dosis OROS®-Hydromorphon lag bei 13,4 mg/d (Median: 8,6). Die mittlere Schmerzintensität betrug an D1 6,1 (Tag/Ruhe) und 7,8 (Tag/Bewegung), 5,3 (Nacht/Ruhe) und 6,8 (Nacht/Bewegung). An D6 zeigten sich signifikante Verbesserungen auf 3,6 und 4,8 (Tag), bzw. 2,7 und 3,7 (Nacht) (p < 0,0001 für alle). Auch die Schmerzbewertungen mittels BPI verbesserten sich ebenso wie alle WOMAC Items bis D6 signifikant (p<0,0001 für alle). Zu D6 bewerteten 79,3 % der Patienten und 83,3 % der Ärzte die Schmerzkontrolle im Vergleich zur Vortherapie als besser (beide p < 0,0001). Die unerwünschten Ereignisse (UE) entsprachen in Art und Häufigkeit dem typischen Profil stark wirksamer Opioide. Bei 119 Patienten wurden 363 UEs dokumentiert (Safety-Set 206 Patienten), bei 10 Patienten schwerwiegende UEs: 1x mit möglichem (Andauernder Schmerz), 1x mit sehr wahrscheinlichem (Dyspnoe und periphere Ödeme), 1x mit unwahrscheinlichem (Progression Wirbelkörperfraktur), 6x ohne Zusammenhang zur Studienmedikation. Schlussfolgerung: Unter Routinebedingungen führte OROS®-Hydromorphon zu einer sehr guten Schmerzkontrolle und ist eine wertvolle Behandlungsoption bei Patienten mit starken chronischen durch Arthrose bedingte Schmerzen.
einschließlich Dosierung oblag dem behandelnden Arzt unter Berücksichtigung der Fachinformation. Ziel der Dokumentation waren u.a. Therapiezufriedenheit, Physiotherapiefähigkeit, des weiteren u.a.: Schlaf, Alltagsaktivitäten, Annehmlichkeit. Die Bewertungen erfolgten im BPI mittels numerischer Ratingskala (NRS 0-10); Therapiezufriedenheit (sehr zufrieden, zufrieden, ausreichend, nicht zufrieden); Physiotherapiefähigkeit (sehr gut, gut, ausreichend, schlecht); Beeinträchtigung der Schlafqualität (letzte 4 Wochen, 6 Unterpunkte je: immer, meistens, oft, selten, nie); Lebensqualität (gar nicht, leicht, stark, sehr stark). Unerwünschte Ereignisse wurden fortlaufend dokumentiert. Prae-Post-Veränderungen zwischen D1 und D6 wurden mittels Wilcoxon-Rank-Sum Test für abhängige Stichproben getestet. Fehlende Werte wurden mittels der LOCF-Methode ersetzt. Ergebnisse: Von den Patienten der ITT-Population (n=203) waren 68,9 % weiblich, das mittlere Alter lag bei 65,6 Jahren, chronische Schmerzen bestanden im Mittel seit 6,2 Jahren. Mittlere Dosis OROS®Hydromorphon 13,4 mg/d (Median: 8,6). Die Therapiezufriedenheit verbesserte sich bei 73,4%, die Physiotherapiefähigkeit bei 77,9% der Patienten (D6, alle p < 0,0001). Die BPI Merkmale der Schmerzqualität (stärkste, geringste, durchschnittliche, aktuelle Schmerzen), den Einfluss von Schmerz auf allgemeine Aktivitäten, Stimmung, Gehvermögen, normale Arbeit, Beziehung zu Anderen, Schlaf, Lebensfreude und der resultierende Gesamtwert verbesserten sich signifikant (D6, alle p < 0,0001). Der Gesamtschlafscore und die Lebensqualität hinsichtlich alltäglicher und sozialer durch Schmerz eingeschränkter Aktivitäten verbesserten sich signifikant (alle p < 0,0001). Die unerwünschten Ereignisse (UE) entsprachen in Art und Häufigkeit dem typischen Profil stark wirksamer Opioide. Bei 119 Patienten wurden 363 UEs dokumentiert (Safety-Set 206 Patienten), bei 10 Patienten schwerwiegende UEs: 1x mit möglichem (Andauernder Schmerz), 1x mit sehr wahrscheinlichem (Dyspnoe und periphere Ödeme), 1x mit unwahrscheinlichem (Progression Wirbelkörperfraktur), 6x ohne Zusammenhang zur Studienmedikation. Schlussfolgerung: OROS®-Hydromorphon ermöglicht in der Therapie starker chronischer durch Arthrose bedingte Schmerzen eine signifikante Verbesserung von patientenrelevanten Parametern. Die Therapiezufriedenheit war hoch, und der Einfluss des Schmerzes auf Aktivitäten des täglichen Lebens, die Physiotherapiefähigkeit, der Schlaf und die Lebensqualität wurden signifikant verbessert.
P6.7 Verbesserung patientenrelevanter Endpunkte im Rahmen einer Routinebehandlung von starken chronischen Arthrose bedingten Schmerzen mit OROS®-Hydromorphon (JURNISTA®) T. M. Mundel, M. Stumpf, T. Giesecke Janssen-Cilag GmbH, Neuss
Hintergrund und Ziel der Studie: Rückenschmerz in der Schwangerschaft ist ein häufiges und bedeutendes Problem, das mit 54-76% eine große Zahl von Schwangeren betrifft. [1,2] Überraschenderweise fehlen bis jetzt Therapiekonzepte für eine effektive Behandlung dieses Rückenschmerzes während der Schwangerschaft. [3] Wir konnten in einer vorherigen Studie zeigen, dass es zwei unterschiedliche Arten von Rückenschmerz in der Schwangerschaft gibt [2]. Frauen, die auf 3 spezifische Provokationstests mit verstärktem Schmerz im Beckenring reagierten (provozierbarer muskuloskeletaler Schmerz, P-LBP), hatten signifikant niedrigere Hitzeschmerzschwellen (HPT) im Vergleich zu Patientinnen, die auf diese Tests negativ reagierten (NP-LBP). Deshalb stellten wir die Hypothese auf, dass eine oberflächliche Kryotherapie diesen Rückenschmerz bei Frauen mit provozierbarem Schmerz reduziert, im Gegensatz zu Schwangeren, bei denen diese Provokationstests negativ ausfallen. Material und Methoden: Nach Genehmigung der Studie durch die Ethikkomission wurden 43 gesunde schwangere Frauen im letzten Trimenon mit Rückenschmerzen VAS ≥ 3 (0-10 cm visuelle Analogskala,VAS) in diese prospektive, bezüglich der Gruppenzuordnung doppelt verblindete Studie eingeschlossen. Ein unabhängiger Untersucher teilte die Patien-
Fragestellung: Eine kausale Therapie der Arthrose ist bis heute nicht bekannt und Patienten mit schwerer Arthrose benötigen zumeist eine pharmakologische Schmerztherapie. Ziel dieser nicht-interventionellen Studie war die Dokumentation des Einsatzes von OROS®Hydromorphon bei Patienten mit starken chronischen Arthrose bedingten Schmerzen. Methode: Abschlussanalyse nach Studienende einer offenen, multizentrischen, nicht-interventionellen Studie (OROS-ANA-4002) bei Patienten mit starken chronischen Arthrose bedingten Schmerzen unter der Therapie mit OROS®-Hydromorphon über 3 Monate. Es sollten keine Patienten dokumentiert werden, die eine zeitgleiche Behandlung mit Opioiden der WHO-Stufen II/III, außer kurzwirksamen Opioiden zur Schmerzspitzenmedikation, erhielten. Dokumentationen an Tag 0 (D1), 6, 15, Ende erster, zweiter, dritter Monat (D6). Die Behandlung
P6.8 Kryotherapie reduziert Rückenschmerz in der Schwangerschaft bei Frauen mit muskuloskeletalem Schmerz S. Möritz, M. Schmudermaier, B. Gustorff Vienna Human Pain Research Group Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, Medizinische Universität Wien
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Abstracts tinnen mittels der Provokationstests den 2 Studiengruppen (P-LBP und NP-LBP) zu. Im ersten Teil der Studie wurde ein Coolpack (35 cm´17 cm, beinio therm Deutschland, 4°C, umhüllt von einer Baumwolltasche) auf die Region der Lendenwirbelsäule (LWS) für 15 Minuten in einer liegenden Standardposition, aufgelegt. Die aktuelle Schmerzstärke wurde vor und nach der Behandlung auf einer VAS angegeben. Im zweiten Teil der Studie wurde die Coolpack-Anwendung in gleicher Weise 3 mal an 5 Tagen für jeweils 15 Min. zu Hause angewendet. Die Schmerzstärke wurde vor und nach der Therapie auf einer VAS in einem Schmerztagebuch dokumentiert und danach ausgewertet. Der durchschnittliche Schmerz vor und nach der Behandlung, für die Laboruntersuchung und für alle 15 Angaben während der 5 Tage (±Standardabweichungen,SD), wurde berechnet, miteinander verglichen und zur Überprüfung der Signifikanz der Student-t-Test angewendet. Ergebnisse: 28 Patientinnen von 43 wurden in die P-LBP-Gruppe eingeteilt. Ihr durchschnittlicher Rückenschmerz war mit VAS 5.7±1.6 stärker als in der NP-LBP-Gruppe (VAS 4.8±1.6, n=15). Unter den StandardLaborbedingungen bewirkte die Kryotherapie in beiden Studiengruppen eine signifikante Schmerzreduktion (P-LBP: 5.7±1.7→3.2±1.5//NP-LBP: 4.8±1.6→3.2±2.4) Im Gegensatz dazu führte die Behandlung zu Hause nur in der PLBP-Gruppe zu einer signifikanten Linderung des mittleren Schmerzes. Die Ergebnisse wurden jeweils als Differenz von vor und nach der Therapie angegeben (PLBP: 2.7 p<0.002). In der NPLBP-Gruppe hingegen war der analgetische Effekt nach allen 15 Anwendungen nicht signifikant (NPLBP: 0.6 p>0,3). Diskussion: Die oberflächliche Kryotherapie führte zu einem regelmäßigen und sehr deutlichen analgetischen Effekt in der Patientinnengruppe mit dem muskuloskeletalen, Schmerz. Nur unter den Laborbedingungen wurde kurzfristig in beiden Gruppen eine Linderung des Rückenschmerzes beobachtet. Verschiedene Faktoren des Studienaufbaus mögen dazu beigetragen haben. Unsere Daten verdeutlichen, dass verschiedene Mechanismen der Schmerzentstehung für den Rückenschmerz während der Schwangerschaft verantwortlich sind. Ein mechanismenorientierter Therapieansatz führte zu dieser neuen Therapieform und konnte zeigen, dass die oberflächliche Kryotherapie eine effektive Möglichkeit ist, einen genau definierten Rückenschmerz wirksam zu behandeln. Konklusion: Wir konnten zum ersten Mal zeigen, dass man provozierbaren, muskuloskeletalen Rückenschmerz während der Schwangerschaft mit Hilfe von Kryotherapie erfolgreich behandeln kann. 1. To WW et al. Acta Obstet Gynecol Scand. 2003 Dec;82(12):1086-91 2. Mayr, doctoral thesis. Medical University of Vienna 2007. Low back pain in pregnancy-A study on the differentiation of two pain syndromes using quantitative sensory testing 3. Wang SM et al. Obstet Gynecol. 2004;104(1):65-70.
P07 Kopfschmerz I P7.1 Laser acupuncture in children with headache: A double-blind, randomized, bicenter, placebo-controlled trial S. Gottschling, S. Meyer, I. Gribova, L. Distler, J. Berrang, L. Gortner, N. Graf, M. G. Shamdeen Universitätsklinikum des Saarlandes, Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin, Homburg/Saar; Caritasklinik St. Theresia, Saarbrücken, Schmerzklinik To investigate whether laser acupuncture is efficacious in children with headache and if active laser treatment is superior to placebo laser treatment in a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled trial of low level laser acupuncture in 43 children (mean age (SD) 12.3 (+/2.6) years) with headache (either migraine (22 patients) or tension type headache (21 patients)). Patients were randomized to receive a course of 4 treatments over 4 weeks with either active or placebo laser. The treatment was highly individualised based on criteria of Traditional Chinese medicine (TCM). The primary outcome measure was a difference in numbers
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of headache days between baseline and the 4 months after randomization. Secondary outcome measures included a change in headache severity using a 10 cm Visual Analogue Scale (VAS) for pain and a change in monthly hours with headache. Measurements were taken during 4 weeks before randomization (baseline), at weeks 1-4, 5-8, 9-12 and 13-16 from baseline. The mean number of headaches per month decreased significantly by 6.4 days in the treated group (p< 0.001) and by 1.0 days in the placebo group (p= 0.22). Secondary outcome measures headache severity and monthly hours with headache decreased as well significantly at all time points compared to baseline (p < 0.001) and were as well significantly lower than those of the placebo group at all time points (p < 0.001). We conclude that laser acupuncture can provide a significant benefit for children with headache with active laser treatment being clearly more effective than placebo laser treatment. 1. Pain. 2007 Nov 15 [Epub ahead of print] P7.2 Topiramat inhibiert die Inflammatory soup induzierte Aktivierung des trigeminalen Nervensystems J. Hoffmann, L. Neeb, H. Israel, U. Dirnagl, U. Reuter Charité - Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neurologie, Experimentelle Neurologie, Berlin Die Sensibilisierung peripherer und zentraler sensibler Neurone ist in jüngster Zeit als Problem in der Behandlung von Schmerzen identifiziert worden. In der Migräneattacke kann im trigeminalen Nervensystem neben einer neuronalen Aktivierung auch eine Sensibilisierung nachgewiesen werden, welche sich klinisch in Form einer kutanen Allodynie äußert. Welche Mechanismen zur Ausbildung einer trigeminalen Sensibilisierung führen ist weitgehend unbekannt. Calcitonin gene-related peptide (CGRP) ist über die letzten Jahre als ein zentrales Element der Pathophysiologie der Migräne identifiziert worden. Neue CGRP-Rezeptorantagonisten sind effektive Substanzen in der Migränetherapie. In experimentellen Modellen führt die lokale Applikation einer sog. Inflammatory soup (IS) auf die Dura mater zur Sensibilisierung trigeminaler Neurone. Die Rolle von CGRP in der Entstehung dieses Phänomens ist bislang unklar. Wir postulierten, dass eine ISinduzierte Aktivierung trigeminaler Neurone in der Ausschüttung von CGRP resultiert und diese Aktivierung durch das Prophylaktikum Topiramat inhibiert werden kann. Diese Hypothese wurde anhand eines in vivo Tiermodells mit einem etablierten Stimulus zur Induktion einer duralen Sensibilisierung überprüft. Zur Stimulation wurde anästhesierten (Thiopental 60 mg/kg i.p.) männlichen Sprague-Dawley Ratten 70µl Inflammatory soup (IS: 0,1mM Prostaglandin E2, 1mM Histamin, 1mM Serotonin, 1mM Bradykinin, pH 5,5) (Levy D, PNAS 2004; 101 (12): 4274-4279) über einen intrazisternalen Zugang über die Dauer von 5 Min. appliziert. Sowohl 2 Minuten als auch 15 Minuten nach Beginn der IS-Applikation wurden Plasmaproben aus der Vena jugularis entnommen und anhand eines kommerziellen ELISA auf ihre CGRPPlasmakonzentration analysiert. IS führte bereits nach 2 Minuten zur signifikanten Ausschüttung von CGRP ins Jugularvenenblut. Nach 15 Minuten war die CGRP-Konzentration weiterhin signifikant erhöht, jedoch deutlich geringer als zum 2 Minuten Zeitpunkt. Topiramat reduzierte dosis- und zeitabhängig die IS-induzierte CGRP Ausschüttung. Unsere Resultate zeigen, dass IS zu einer Aktivierung des trigeminalen Nervensystems führt und dies in einer Ausschüttung von CGRP resultiert. Zudem zeigt die Reduktion der IS-induzierten CGRP-Ausschüttung unter Topiramat Vorbehandlung einen möglichen neuen Wirkmechanismus dieses Migräneprophylaktikums auf. P7.3 Chronischer Schmerz verändert die Struktur des Gehirns A. May Institut für systemische Neurowissenschaften, Uniklinik Hamburg Eppendorf Die Pionierarbeiten zu funktionellen Plastizität des Gehirns im Schmerz beschrieben Veränderungen der Hirnkartierung für sensorische und motorische Reize bei Patienten mit Phantomschmerzen
(1). 2006 konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass Patienten mit Phantomschmerzen auch strukturell andere Gehirne haben als Menschen ohne Phantomschmerzen (2). Dieselben Veränderungen fanden sich auch bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen (Migräne und Spannungskopfschmerz), chronischen Rückenschmerzen (3), Irritable Bowl Syndrome, Fibromyalgie und Phantomschmerzen bei Paraplegie. Das Verblüffende daran ist die Übereinstimmung der verschiedenen Arbeiten hinsichtlich der betroffenen Gebiete: bei fast allen Schmerzarten fand sich eine Abnahme der grauen Substanz im anterioren cingulären Cortex, im orbitofrontalen Cortex und in der anterioren Inselrinde (4). Darüber hinaus fanden sich Veränderungen auf thalamischer Ebene, hinterer Inselrinde, Hirnstamm und Parahippocampus. Neben der Frage, was diese Abnahme von grauer Substanz im Gehirn von Schmerzpatienten auf histologischer Ebene bedeutet, stellt sich die zentrale Frage der Kausalität (5). Sind manche Menschen durch weniger graue Substanz in diesen Gebieten charakterisiert und entwickeln deshalb chronische Schmerzen, oder verändert stetiger Schmerz das Gehirn? Die Befunde bei Phantomschmerzen und Paraplegikern deuten darauf hin, dass diese Veränderungen die Konsequenz der Schmerzerkrankung darstellt. Das aber würde eine prinzipielle Reversibilität dieser Befunde bedeuten. Das ist insofern von Bedeutung, als neuere Befunde repetitiver Schmerzreize bei Gesunden über mehrere Tage zwar eine Zunahme von grauer Substanz in S1/2 zeigt, nicht jedoch eine Abnahme analog zu den chronischen Schmerzpatienten. Die Zunahme von grauer Substanz passt gut zu Lernbefunden bei Erwachsenen (Erlernen von z.B. Sprachen, visio-motor tasks oder Musikinstrumente spielen). Dass dieselbe Zunahme von grauer Substanz in S1/S2 bei Schmerzpatienten nicht gefunden wird, obwohl sie täglich Schmerz erleiden, spricht dafür, dass chronischer Schmerz keinen peripheren nozizeptiven Input mehr beinhaltet. 1. Flor H, Elbert T, Knecht S, Wienbruch C, Pantev C, Birbaumer N, Larbig W, Taub E: Phantom-limb pain as a perceptual correlate of cortical reorganization following arm amputation. Nature 1995; 375(6531):482-4 2. Draganski B, Moser T, Lummel N, Ganssbauer S, Bogdahn U, Haas F, May A: Decrease of thalamic gray matter following limb amputation. Neuroimage 2006; 31(3):951-7 3. Apkarian AV, Sosa Y, Sonty S, Levy RM, Harden RN, Parrish TB, Gitelman DR: Chronic back pain is associated with decreased prefrontal and thalamic gray matter density. J Neurosci 2004; 24(46):10410-5 4. May A: Chronic pain may change the structure of the brain. Pain 2008; 137(1):7-15 5. Draganski B, May A: Training-induced structural changes in the adult human brain. Behav Brain Res 2008 P7.4 Populationsbasiertes Faktenwissen in der pädiatrischen Kopf- und Bauchschmerzforschung – Verzahnung einer epidemiologischen und experimentellen Forschungsstrategie von der Vorschule bis zur Pubertät G. G. Ostkirchen Klinik und Poliklinik für Neurologie Die längsschnittlich angelegte Essener Kinderschmerzstudie untersucht in 6 Totalerhebungen in einer deutschen Kleinstadt epidemiologisch von der Vorschule bis zur Pubertät die kindliche Belastetheit durch wiederkehrende primäre Kopf- und funktionelle Bauchschmerzen. Gleichzeitig vergleicht sie im Entwicklungsverlauf experimentell die Störbarkeit unterschiedlicher Aufmerksamkeits- und Behaltensleistungen zwischen Kindern mit rezidivierend auftretenden Kopf- und Bauchschmerzen, mit wiederkehrenden rheumatisch bedingten Schmerzen (rheumatoide Arthritis) und schmerzunbelasteten Kindern. Erhebungsinstrumente: FSEKB, TAP, VLMT. Der Stand der Datenerhebung wird in einem ersten Überblick dargestellt. Bisher berichtete Analysen werden zusammenfassend vorgestellt. Die ersten vier epidemiologischen Erhebungswellen mit Angabe der „Teilnahmequote“ / den „offiziell gemeldeten Kindern“: 2004/Vorschule 555/885;
2005/Erstklässler 358/821; 2006/Zweitklässler 314/832; 2007/Drittklässler 253/827. Dieses Projekt hat mit erheblichen Teilnahmeeinbußen zu kämpfen, Kinder mit Schmerzerfahrungen nehmen mit größerer Wahrscheinlichkeit teil. In der experimentellen Studie wurden bisher mehr als 600 Experimente in den festgelegten Altersgruppen durchgeführt. Ein Beispiel für die Störbarkeit von Aufmerksamkeitsleistungen: Im TAP-Untertest „Inkompatibilität“ werden keine unterschiedlichen Reaktionszeiten zwischen gesunden und schmerzerfahrenen Zweitklässlern gefunden (Anova, F=1,016, df=1, p=.316), jedoch signifikant mehr Fehler (Mann-Whitney-U-Test z=2.083, p=.03) und für Kopfschmerzkinder eine höhere Disposition zur Interferenz zwischen visuellem Feld und Reaktionshand (Mann-Whitney-U-Test, z=2.306, p=.021). Die Störbarkeit von Behaltensleistungen (VLMT) ist erwartbar stark entwicklungsabhängig, (MANOVA, F(3,181)=28,205; p<.001), unter retroaktiver Bedingung geschlechtsabhängig (MANOVA F1,181)=4,874, p=.029), scheint jedoch unabhängig von wiederkehrenden Schmerzerfahrungen zu sein. Die Beziehung zwischen Schmerz und kognitiver Leistungsfähigkeit ist keineswegs eindimensional und muss differenzierter analysiert werden. P7.5 Epidemiologie von Kopfschmerzen auf Neurologischer Normalstation V. M. Reinisch, J. Felbinger, A. Straube Klinkum der Universität München-Großhadern, Neurologische Klinik und Poliklinik Die Erhebung der Daten wurde im Zeitraum von 01.06.07 bis zum 01.02.08 am Klinikum der Universität München, Standort Großhadern, durchgeführt. Jeder Patient erhielt einen Kopfschmerzfragebogen, der für die Epidemiologie der Migräne ohne Aura, der Migräne mit Aura, der chronischen Migräne sowie des episodischen und chronischen Spannungskopfschmerzes validiert ist (1). Es wurde eine Rücklaufquote von 59% erreicht, 116 Patienten konnten eingeschlossen werden. 40% gaben an, während des Klinik-Aufenthaltes nicht an Kopfschmerzen zu leiden, 60% litten sowohl während des Klinik-Aufenthaltes als auch schon früher (-1 Jahr) häufiger unter Kopfschmerzen (20% Migräne ohne Aura, 22% Migräne mit Aura, 9% chronische Migräne, 39% episodischer Spannungskopfschmerz, 10% chronischer Spannungskopfschmerz). Jene 116 Patienten, die den Fragebogen vollständig ausfüllten, wurden gemäß ihrer Grunderkrankung in 8 große Gruppen unterteilt: Schmerz (3,4%), Hirnnerven und Hirnstamm (6,9%), kognitive und Verhaltensstörungen (12%), Zerebrovaskuläre Erkrankungen (25%), Infektionsund Entzündungskrankheiten (13%), Neoplasien und Missbildungen (10,3%), Bewegungsstörungen (10,3%), Muskulatur und peripheres Nervensystem (19%). Die Auswertung der Fragebögen gemäß den Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (2) ergab folgende Ergebnisse: Schmerz: 75% chronische Migräne, 25% Migräne ohne Aura Hirnnerven und Hirnstamm: 37,5% kein Kopfschmerz, 40% Migräne ohne Aura, 40% chronischer Spannungskopfschmerz, 20% chronische Migräne Kognitive und Verhaltensstörungen: 43% kein Kopfschmerz, 25% Migräne mit Aura, 25% Migräne ohne Aura, 37,5% episodischer Spannungskopfschmerz, 12,5% chronischer Spannungskopfschmerz Zerebrovaskuläre Erkrankungen: 44,8% kein Kopfschmerz, 18,8% Migräne mit Aura, 25% Migräne ohne Aura, 50% episodischer Spannungskopfschmerz, 6,2% chronischer Spannungskopfschmerz Infektions- und Entzündungskrankheiten: 53,3% kein Kopfschmerz, 28,6% Migräne mit Aura, 42,8% Migräne ohne Aura, 28,6% episodischer Spannungskopfschmerz Patienten mit Neoplasien und Missbildungen: 8,3% kein Kopfschmerz, 18,2% Migräne mit Aura, 27,3% Migräne ohne Aura, 18,2% episodischer Spannungskopfschmerz, 36,4% chronischer Spannungskopfschmerz Bewegungsstörungen: 66,6% kein Kopfschmerz, 25% Migräne mit Aura, 25% Migräne ohne Aura, 50% episodischer Spannungskopfschmerz Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Erkrankungen der Muskulatur und des peripheren Nervensystems: 36,4% kein Kopfschmerz, 14,3% Migräne mit Aura, 7,2% Migräne ohne Aura, 57% episodischer Spannungskopfschmerz, 7,2% chronischer Spannungskopfschmerz, 14,3% chronische Migräne Diese epidemiologische Studie zeigt die hohe Kopfschmerz-Prävalenz bei stationären Neurologischen Patienten von 34% bis 92%, je nach Diagnosekategorie, wobei Patienten mit Bewegungsstörungen am wenigsten häufig und Patienten mit Neoplasien und Missbildungen abgesehen von den Patienten, die sich ohnehin wegen einer komplexen Schmerzerkrankung stationär befanden, am häufigsten betroffen waren. 1. Fritsche, G., Hueppe, M., Kukava, M. Dzagnidze, A., Schuerks, M., Yoon, M.-S., Diener, H-C. Katsarava, Z. Validation of a German Language Questionnaire for Screening for Migraine, Tension-Type Headache, and Trigeminal Autonomic Cephalgias. Headache (2007), 47: 1-6 2. Headache Classification Committee of the International Headache Society. The International Classification of Headache Disorders, second Edition. Cephalagia (2004), 24(suppl 1): 1-160 P7.6 Headache syndromes after acoustic neuroma surgery and its implications for quality of life C. J. Schankin1, C. Gall2, A. Straube1 1 Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München – Großhadern; 2 MDK Bayern (Medical Service of Statutory Health Insurance Companies Bavaria), München The patients of this prospective study were analysed for the sequela headache after surgery for acoustic neuroma (AN). 32% (=30/95) of patients complained about a persisting headache syndrome with a severity of at least 6/10 on the nominal analogue scale six month after surgery. The occurrence of headache was significantly correlated with the prospectively evaluated parameters pre-operative headache and the number of peri-operative complications. Post-operative failure to return to the pre-operative level of activity was also associated with the occurrence of headache, but also with the risk of retirement after successful surgery of the AN. Headache is therefore an important factor for the overall outcome of the patients after AN surgery as also postoperative ataxia, dysgeusia and probably facial paresis. Hypacusis was not such important. Symptoms and course of each individual patient were analysed. The attempt to file its headache according to the second edition of the International Classification of Headache Disorders revealed five headache syndromes with the most prevalent being tension-type-like headache (46.7%) and less frequently neuralgia of the occipital nerve (16.6%), trigeminal neuropathy (16.6%), neuropathy of the intermedian nerve (10.0%) and cervicogenic headache (10.0%). The respective pathophysiologic mechanisms are discussed and treatment options based on the clinical picture are presented. P7.7 A novel explanation for some pain syndromes? The midline congestion syndrome T. Scholbach Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Chemnitz gGmbH Introduction: The novel concept of midline or midline congestion syndrome (MCS) was recently proposed [1] to explain a puzzle of seemingly unrelated and distant symptoms which can be refered to organs lying at the central axis of the body or midline (midline organs are: head, neck, spine, urinary bladder, uterus, vagina, rectum, prostate, pancreas). As the connecting principle of these symptoms a venous congestion of midline organs due to collateralization of venous blood from the left kidney was proposed. The need for such a deviation of larger amounts of blood emerges in patients with a so called nutcracker phenomenon (NCP) of the left renal vein. The nutcracker phenomenon of the left renal vein (LRV) is a frequent anatomical situation, in which the left renal vein shows a marked calibre reduction at the crossing with the aorta. The proposal [1] for
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a unifying appreciation of symptoms in NCP refers to unphysiologically elevated venous pressure in the abundant retroperitoneal venous network. This would lead to distension of the venous walls, their sterile inflammation evoking pain and to space occupying enlargement of primarily thin veins of midline organs and their tributaries. Major pathways to drain the left renal blood were identified sonographically in pelvic veins, priorily left ovarian veins, uteral, vaginal and left iliac veins, the venous plexus of the urethra, of the left ureter and urinary bladder, the rectum and the spine. Intraspinal venous plexuses become distended and require more intraspinal space. A shift of cerebrospinal fluid is caused this way. This may evoke back pain and headaches as well as abdominal and pelvic pain. Therapy with low dose acetylosalicylic acid (ASA) was able to reduce the symptoms of midline organs and was simultaneously accompanied by a significant amelioration of cortical perfusion of the left kidney [1] prompting to a causal relationship of midline congestion, headache, migraine, backpain aas well as abdomainal and pelvic pain. Material: 51 patients with severe and long lasting pain syndromes of the head, back and abdomen and the sonographic constellation of midline congestion syndrome. Method: Dynamic tissue perfusion measurement (DTPM) (PixelFlux, http://www.chameleon-software.de/ [2]) is a novel technique to measure tissue and venous network perfusion in a heart beat triggered fashion from color Doppler sonographic videos. It was applied to both kidneys, spinal venous network, urinary bladder wall and uterus in defined regions of interest. Measurements were performed before and during the treatment with ASA (1-2 mg/kg/d for at least 4 weeks). Results: We could prove by DTPM the significant shift of venous blood from the congested midline organs into sonographically defined collateral pathways and a simultaneous complete disappearance of pain in the midline organs. Conclusion: This may regarded as evidence of a hemodynamical cause of head, back, abdominal and pelvic pain syndromes which can be treated effectively with low ASA-doses. The concept of midline congestion syndrome as a novel cause of severe and apparently unrelated pain syndromes is supported by this investigation. 1. Scholbach, T., From the nutcracker-phenomenon of the left renal vein to the midline congestion syndrome as a cause of migraine, headache, back and abdominal pain and functional disorders of pelvic organs. Med Hypotheses 2007, 68(6): p. 1318-27. 2. http://www.chameleon-software.de/ P7.8 Trigemino-nozizeptive Stimulation bei Migränikern A. Stankewitz, A. May Institut für systemische Neurowissenschaften, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Theoretischer Hintergrund: Die Pathophysiologie der Migräne ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Funktionelle Bildgebungsstudien der akuten Attacke beschränken sich auf das Aktivierungs (H2O)-PET, während f-MRI–Untersuchungen methodenbedingt bislang kaum veröffentlicht wurden. Offensichtlich fungiert jedoch das trigeminovaskuläre System als zentrale Struktur, die im Schmerzprozess der Migräne involviert ist. Methodik: Eingeschlossen wurden 20 Migränepatienten (mit und ohne Aura) sowie 20 gesunde Kontrollpersonen, die während einer funktionellen Magnetresonanztomographie-Messung (fMRI) in einem event-related design einer randomisierten Abfolge von olfaktorischen Duftreizen sowie trigeminal nozizeptiven Reizen ausgesetzt wurden. Die Intensität des Schmerzes bzw. des Geruches wurde auf einer numerischen Skala (NRS) erfasst. Ergebnisse: Die Analyse der fMRI-Daten zeigte, dass beide Gruppen im Mittel Aktivierungen ähnlicher Areale (mittleres Cingulum, Thalamus, Hypothalamus, S1/S2) zeigten, die aus der fMRI-Literatur zu Schmerz bekannt sind. Die Daten der Migränepatienten weisen jedoch auf eine ausgeprägte „between-subject“-Varianz hin. Diese korreliert
wiederum mit dem behavioralen Rating auf einer NRS. Die durchschnittliche Schmerzstärke in beiden Gruppen unterscheidet sich statistisch nicht signifikant; die Patientengruppe zeigt jedoch auch hier eine hohe Standardabweichung in ihren Daten. Eine statistische Berechnung der Regressionsgeraden über die Zeit lässt erkennen, dass die Migränepatienten im Mittel über die Zeit hinweg sensitisieren (Anstieg der Geraden), während die Kontrollen habituieren (Sinken der ermittelten Geraden). Diskussion: Die Analyse weist darauf hin, dass Migränepatienten auf einen repetitiven nozizeptiven Reiz im Mittel sensitisieren. Die funktionellen Bildgebungsdaten zeigen weiterhin eine ausgeprägte Variabilität in der Patientengruppe auf. Das Ergebnis dieser Studie deutet darauf hin, dass individuelle endogene und intrinsische Faktoren die kortikale Schmerzverarbeitung maßgeblich beeinflussen.
P08 Kopfschmerz II P8.1 Ein multimodales Programm zur Behandlung von Kopfschmerzen: Die Tagklinik am Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum – Erfahrungen und Ergebnisse J. Felbinger, V. M. Reinisch, A. Straube Neurologische Klinik und Poliklinik am Klinikum Großhadern, LudwigMaximilians-Universität München Einleitung: Im Rahmen der Integrierten Versorgung chronischer Kopfschmerzen existiert seit April 2007 am Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum am Klinikum Großhadern in München ein interdisziplinäres tagklinisches Programm zur Behandlung von Kopfschmerzen. Das Programm basiert im Wesentlichen auf einem Konzept das im Westdeutschen Kopfschmerzzentrum an der Universität Duisburg-Essen entwickelt wurde. Die Teilnehmer finden den Weg in das einwöchige Tagklinikprogramm über eine Erstvorstellung im Rahmen der Integrierten Versorgung in der Kopfschmerzambulanz des Klinikums Großhadern. Patienten mit mehr als zehn Kopfschmerztagen im Monat oder gravierenden psychischen Komorbiditäten wie Depressionen oder Angsterkrankungen werden zur Teilnahme an der Tagklinik eingeladen. Methodik: An fünf aufeinanderfolgenden Tagen erhalten die Patienten, die in dieser Woche eine feste Gruppe von max. zehn Personen bilden, medizinische Aufklärung, Psychoedukation, physiotherapeutische Betreuung und erlernen ein Entspannungsverfahren. Ergänzend finden Einzelberatungen bei Ärzten und Psychologen statt. Direkt am Ende der Woche sowie sechs Monate nach der Tagklinik werden die Teilnehmer gebeten, einen Fragebogen zur Bewertung des Programms auszufüllen. In der direkten Evaluation wird zum einen die Zufriedenheit mit dem Seminar erfragt, zum anderen sollen die Patienten beantworten, wie hilfreich sie die einzelnen Bausteine empfanden. Desweiteren wird erhoben, ob die Teilnehmer bereits eine Veränderung der Einstellung zu den Kopfschmerzen, der Entspannungsfähigkeit, des eigenen Einflusses auf den Schmerz sowie der physischen und psychischen Entspannungsfähigkeit bemerken konnten. Im 6-Monats-Follow-Up wird erneut die Zufriedenheit mit dem Seminar, nun nach einem halben Jahr, erfasst. Außerdem werden die Patienten gebeten, anzugeben, welche Akutmedikation sowie welche Prophylaxe sie im Moment verwenden und ob sie die in der Tagklinik empfohlene Medikation umgesetzt haben. Weiter wird nach der Durchführung der Progressiven Relaxation und von Ausdauersport gefragt. Auch geben die ehemaligen Teilnehmer an, ob sie nach der Tagklinik ihre Lebensführung verändert haben (z.B. Schlaf-Wach-Rhythmus etc.). Letztendlich erfolgt die Erhebung der Veränderung der Kopfschmerzen: Trat eine Reduktion der Kopfschmerztage, der Intensität und der Dauer der Kopfschmerzen ein? Wenn ja, in welchem Umfang? Ergebnisse: Bei der Erhebung direkt im Anschluss an die Tagklinik waren von 48 Patienten 56,5% (n = 26) sehr zufrieden mit der Tagklinik, 41,3% (n = 19) zufrieden und 2,2% (n = 1) weniger zufrieden. Die Therapiebausteine wurden von den meisten Teilnehmern als „sehr
hilfreich“ oder „hilfreich“ eingeschätzt, z.B. schätzen 72,9% (n = 35) die medizinischen Vorträge als sehr hilfreich und 27,1% (n = 13) als hilfreich ein. Nach 6 Monaten (bis jetzt liegen die Daten von 25 Patienten vor) waren 47,8% (n = 11) der ehemaligen Teilnehmer immer noch sehr zufrieden mit der Tagklinik, 43,5% (n = 10) zufrieden und 8,7% (n = 2) weniger zufrieden. Die Zufriedenheit korrelierte positiv mit der Umsetzung der empfohlenen Medikation (r = 0.422, p = 0.045, N = 23). Die Kopfschmerztage hatten sich von 14,28 (+7,34) Tagen vor der Tagklinik auf 8,75 (+6,422) nachher verringert, dieser Unterschied war signifikant (p < 0.001). Auch die Intensität der Kopfschmerzen reduzierte sich signifikant von 8,24 (+1,23) auf 6,92 (+1,73) (p = 0.004). Diskussion und Zusammenfassung: Es zeigt sich, dass durch ein interdisziplinäres Programm zur Behandlung von Kopfschmerzen eine deutliche Besserung der Kopfschmerzen erreicht werden kann. Die Anzahl der Kopfschmerztage und auch der Intensität konnte deutlich reduziert werden. Es bedarf allerdings weiterer Analysen, um die Wirkmechanismen genauer zu identifizieren. Auch ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe, z.B. einer Warteliste, kann helfen, reine Zeitund Zufallseffekte zu identifizieren und somit eine validere Aussage über die Wirkung des Programms treffen zu können. P8.2 Ist multimodale Kopfschmerztherapie auch langfristig effektiv? Ergebnisse einer 3-Jahres-Katamnese B. Gunreben-Stempfle, R. Sittl, C. Maihöfner, C. Wille, U. Mann, P. Mattenklodt, C. Hafner, K. Ulrich Schmerzzentrum Uniklinik Erlangen Einleitung: Multimodale Kopfschmerztherapieprogramme werden bislang noch nicht flächendeckend angeboten und stehen daher nur einer kleinen Patientenklientel zur Verfügung. Gerade hochchronifizierte Patienten erfahren jedoch durch monotherapeutische Ansätze oft keine ausreichende Besserung der Beschwerden. Fragestellung: Es soll überprüft werden, inwieweit chronische Kopfschmerzpatienten von einer multimodalen Kopfschmerztherapie langfristig profitieren. Gemessen wird dies an den Kopfschmerzparametern und der Selbsteinschätzung des Behandlungserfolges. Methodik: Insgesamt wurden zwischen Juni 2004 und September 2005 37 Patientinnen mit chronischen primären Kopfschmerzen in einer multimodalen Kopfschmerztherapie teilstationär behandelt. Von 30 dieser Patientinnen liegen Daten der 3-Jahres-Katamnese vor. Innerhalb dieser Stichprobe (n=30) litten 20% an Migräne, 17% an Kopfschmerz vom Spannungstyp und 57% an beiden Kopfschmerzformen. Zwei Patienten waren an einer Mischform erkrankt. 90% waren weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 42,7 ± 12,1 Jahren. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer betrug für die Migräne 24,1 ±13,6 Jahre, für den Kopfschmerz vom Spannungstyp 16,6 ±13,6 Jahre. Zum Therapiebeginn gaben die Patientinnen an, dass die Schmerzsymptomatik in dieser Ausprägung seit durchschnittlich 7,3 ± 8,6 Jahren für die Migräne und seit 10 ±12,6 Jahren für den Kopfschmerz vom Spannungstyp bestehen würde. Zu Therapiebeginn gaben die Patientinnen 19,7 ± 9,3 monatliche Kopfschmerztage an und nahmen an 9,8 ± 7,2 Tagen pro Monat Akutschmerzmedikamente (Triptane, NSAR) ein. Die Patientenzuweisung erfolgte überwiegend über niedergelassene Hausärzte und Neurologen. Die Patientinnen wurden zunächst neurologisch und psychologisch untersucht. Bei ausreichender Chronifizierung, Leidensdruck und Therapiemotivation wurden sie in das Therapieprogramm eingeschlossen. Zur Baselineerhebung erhielten die Patientinnen Kopfschmerztagebücher, in denen sie Kopfschmerzaktivität (Kopfschmerztage und Schmerzintensität NRS 0 - 10) sowie Medikamentenkonsum dokumentierten. Die Erhebung der Kopfschmerzparameter zum Katamnesezeitpunkt nach ca. 3 Jahren erfolgte mittels eines strukturierten Telefoninterviews, die psychometrischen Daten (FESV, ADS, PDI) sowie die qualitativen Aussagen der Patientinnen wurden mittels Fragebögen erhoben. Die Therapie selbst fand berufsbegleitend an insgesamt 16 Behandlungstagen zweimal pro Woche statt und basierte auf einem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gesamtkonzept. Behandlungsbausteine waren Stress- und Schmerzbewältigung, psychologische und ärztliche Einzelgespräche, Biofeedback, medikamentöse Therapie, Edukation Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts sowie medizinische Trainingstherapie mit Schwerpunkt Ausdauersport. Die Daten wurden jeweils zu Therapiebeginn, zu Therapieende sowie 3 und 36 ± 3 Monate nach Therapieende erhoben. Die Veränderungen der erhobenen Parameter im Verlauf wurden mittels einfaktorieller Varianzanalyse mit Messwiederholungen statistisch überprüft. Ergebnisse: Es zeigte sich eine signifikante Reduktion der Anzahl der Kopfschmerztage (p<.05). Die Anzahl der Medikamenteneinnahmetage verminderte sich ebenfalls signifikant (p<.01). Die ausführliche Darstellung der Kopfschmerzparameter, der psychometrischen Daten sowie der qualitativen Aussagen der Patientinnen der multimodalen Kopfschmerzgruppe erfolgt im Posterbeitrag. Schlussfolgerungen: Unsere Untersuchung zeigt, dass hochchronifizierte Kopfschmerzpatientinnen von einer multimodalen Kopfschmerztherapie mit einem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Grundkonzept profitieren. In unserer Studie konnte gezeigt werden, dass die im Rahmen der multimodalen Kopfschmerzgruppe erzielten Effekte über einen Zeitraum von 3 Jahren stabil bleiben. Damit eröffnet sich für Kopfschmerzpatienten, die sich gegenüber rein medikamentösen Ansätzen bislang als therapieresistent erwiesen haben, eine zwar aufwendige, aber Erfolg versprechende Behandlungsoption.
salzpatch anlegten. Wenige Berichte älteren Datums existieren über die Anlage einzelner Kochsalzinstallationen [2,3]. Meist werden kontinuierliche epidurale Kochsalzinfusionen verwendet [4]. Der vorliegende Fall zeigt, dass auch die einmalige Instillation eines epiduralen Kochsalzpatches gute Erfolgsaussichten hat, insbesondere wenn Kontraindikationen zur Anlage eines autologen Blutpatches bestehen. 1. Goldszmidt E, Kern R, Chaput A, Macarthur A: The incidence and etiology of postpartum headaches: a prospective cohort study. Can J Anesth 2005; 52: 971-977 2. Bart AJ, Wheeler AS: Comparison of epidural saline placement and epidural blood placement in the treatment of post-lumbar-puncture headache. Anaesthesiology 1978; 48: 221-223 3. Moir DD: Recent advances in pain relief in childbirth. II: regional anaesthesia. Br J Anaesth 1971; 43: 849-857 4. Stevens RA, Jorgensen N: Successful treatment of dural puncture headache with epidural saline infusion after failure of epidural blood patch. Case report. Acta Anaesthesiol Scand 1988; 32: 429-431
P8.3 Kochsalzpatch zur Behandlung des Liquorunterdrucksyndroms – Ein Fallbericht B. Kusnik, M. Wallmann, C. Uibel Juliusspital, Neurologische Abteilung Abteilung für Anästhesiologie, Würzburg
P8.4 Effectiveness and tolerability outcomes in women with menstruation-associated migraine treated with topiramate under conditions of daily routine P. Sandow, M. Lang, E. Bek, B. Schäuble, J.-C. Neuss, D. Fritzsche, K. Bornhövd Berlin, Ulm, Langenbrettbach, Medidata, Konstanz, Janssen-Cilag EMEA, Neuss
Fallbericht: Eine 26jährige aus Tunesien stammende Patientin wurde über die Notaufnahme zugewiesen. Sie hatte 12 Tage zuvor per Sectio entbunden. Als Narkoseverfahren war primär eine Periduralanästhesie (PDA) versucht worden, bei mangelnder Schmerzfreiheit wurde jedoch schließlich eine Vollnarkose durchgeführt. Nach dem Aufwachen aus der Narkose hatte die Patientin starke, holocephale, temporal betonte Kopfschmerzen von ziehendem und pochendem Charakter. Ein Therapieversuch mit Paracetamol durch die behandelnden Gynäkologen war erfolglos. Die Patientin wurde vier Tage später entlassen. Der Hausarzt setzte Naratriptan und Sumatriptan ein, worunter es jeweils zu einer temporären Schmerzfreiheit von fünf Stunden kam. Die jeweils zweite Gabe der Triptane zeigte keinen Erfolg mehr. Auch Ibuprofen blieb wirkungslos. Bei der klinisch-neurologischen Untersuchung zeigte sich ein unauffälliger Befund. Die Kopfschmerzen waren weiterhin vorhanden. Übelkeit oder Erbrechen waren niemals aufgetreten, jedoch eine Lichtempfindlichkeit. Eine deutliche Schmerzzunahme in aufrechter Körperposition wurde beschrieben. Bei leicht erhöhten Entzündungsparametern in den Laboruntersuchungen führten wir eine Computertomographie des Schädels mit Kontrastmittel durch, in der ein cerebraler Prozess und eine Hirnvenen- oder Sinusthrombose ausgeschlossen werden konnten. Die Liquordiagnostik war ebenso unauffällig mit einer Zellzahl von 5 Drittelzellen pro Mikroliter. Der Liquoreröffnungsdruck war mit 2 cm H2O deutlich erniedrigt, so dass zusammenfassend die Diagnose eines Liquorunterdrucksyndroms gestellt werden konnte. Da die Patientin in den nächsten Tagen unbedingt nach Tunesien fliegen wollte, entschieden wir uns gegen die Anlage eines Blutpatches und legten einen Kochsalzpatch mit 20 ml NaCl 0,9% epidural an. Die Patientin war nach 15 Minuten beschwerdefrei für zunächst drei Tage. Danach traten für drei Tage wieder Kopfschmerzen auf, jedoch von geringerer Intensität und gut kupierbar mit Paracetamol. Im Anschluss war die Patientin anhaltend beschwerdefrei. Diskussion: Kopfschmerzen nach Entbindung sind häufig. In einer prospektiven Studie von Goldszmidt et al. [1] wurde eine Prävalenz von 39% gefunden. Auch nach scheinbar komplikationsloser PDA werden Liquorunterdrucksyndrome durch Duraverletzungen beobachtet. In der genannten Studie war dies bei 4,7 % der Patienten mit Kopfschmerzen der Fall. Die Standardtherapie ist die Anlage eines autologen Blutpatches epidural zur „Abdichtung“ des Liquorlecks. In der vorliegenden Situation mit dem der geplanten Flugreise erschien uns diese Option allerdings als zu gefährlich, so dass wir einen Koch-
Objective: To explore effectiveness and tolerability outcomes in women seen in medical practice who were treated with topiramate for the prevention of menstruation associated migraine headaches (MAM). Methods: Patients with episodic migraine (according to the criteria of the International Headache Society) and an indication for preventive migraine treatment entered a 6-month, open-label, observational study with an optional 6-month follow-up. Topiramate was initiated at 25 mg/ day and titrated flexibly based on clinical needs. Frequency of migraine headaches and their association with menstruation assessed by the investigator based on the McGregor criteria explained in the protocol intake of acute migraine medication, pain intensity quality of life, and adverse events were documented during a 6-month observational period including 5 visits. Results were compared to a 28-day retrospective baseline. Results: The safety population consisted of 336 patients, the ITT population consisted of 302 patients (88.1% female, mean age 41.5±11.4 y). At baseline, 94 women (36.3% of all female patients) reported MAM. Overall, 78% of patients completed the 6-month core phase. The median total daily dose of topiramate was 50 mg at month 6 . The median number of migraine attacks per month decreased in MAM patients from 4 days at baseline to 0.6 days after 12 months (p<0.001). At month 6, 81% of women with MAM experienced a reduction in migraine attacks of at least 50%, and 12% were migraine-free. With regard to migraine days per month, 85% of MAM patients reported a reduction of at least 50% and 11% reported no migraine days at month 6. Comparable treatment effects were observed in women with migraine not associated with menstruation: 78% of women without MAM had a reduction in migraine days of at least 50%, and 16% reported no migraine days at month 6. Intake in acute medication and absenteeism from work decreased and quality of life improved at visit 5 compared to baseline (p<0.003). Fourteen percent of patients overall reported at least one treatment emergent adverse event (TEAE). Treatment related AE (3.2%) were paraesthesias (2.7%) and nausea (2.4%). Two serious adverse events occurred with doubtful (craniopharyngeoma) or possible (cerebrovascular accident) relationship to therapy. Conclusion: Based on this documentation in this non-interventional study treatment with topiramate in women with menstruation-associated migraine headaches may lead to a significant reduction in frequency even at lower than recommended doses. esponses to treatment appeared to be similar to women with non-MAM. Treatment was generally safe and well tolerated.
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P8.5 Effectiveness and tolerability outcomes in migraine patients treated with topiramate for auras associated with migraine headaches under conditions of daily use B. Schäuble1, T. Humbert2, V. Becker2, L. Schmitt3, D. Fritzsche4, K. Bornhövd5 1 Janssen-Cilag, Neuss; 2 Hamburg; 3 Hamburg; 4 Medidata, Konstanz; 5 Janssen-Cilag EMEA, Neuss Objective: To explore effectiveness and tolerability outcomes of patients treated in private practice who are treated with topiramate (TPM) for the prevention of auras associated with episodic migraine headaches in a naturalistic setting. Methods: Patients with a diagnosis of episodic migraine according to IHS criteria requiring migraine preventative treatment entered a 12 month open-label observational study during which TPM was initiated at 25mg/day and titrated flexibly based on clinical needs. Frequency of migraine attacks, intake of acute medication, pain intensity, adverse events, quality of life and vital signs were documented at 5 visits during the 6 month core phase and an additional two visits at the optional follow up phase. Results are compared to a 28-day retrospective baseline and observed cases are reported. Results: The safety population included 336 patients, the ITT population consisted of 302 patients (88.1% female, mean age 41.5±11.4 yrs) with episodic migraine. Twenty seven percent reported migraine with aura. TPM median total daily dose was 50mg at 6 months and 12 months follow up, respectively. The full observation period was completed by 58.8%. 46% had been exposed to migraine preventative therapy. During the observation, the percentage of patients with auras decreased to 6.3% at 6 months and 6.6% at 12 months. Mean total monthly duration of auras decreased from 151.1±802.2 minutes at baseline to 56.5±92.8 minutes after 6 months and 28.99±47.19 after 12 months (p<0.005). Mean number of migraine attacks / 4 weeks decreased from 4.7±2.6 days at baseline to 1.9±4.0 days after 6 months and 1.2±2.4 at 12 months (p<0.005). Triptan and other acute medication use could be reduced from baseline to 6 and 12 months visit, respectively (p<0.005). After 2 weeks, 28% experienced at least a 50% reduction in migraine attacks / 4 weeks, 76% after 6 months and 79% after 12 months. Impairment of activities in daily life and absenteeism from work comparing baseline to last scheduled visit improved (p<0.001 for each). Burden of disease (HIT-6) decreased from 65.2±4.6 to 48.8±8.8 (p<0.001, LOCF). Fourteen percent of patients reported at least one treatment emergent adverse event (TEAE). TEAE (>=2%) were paraesthesias (3%) and nausea (2.4%). Conclusion: Treatment with topiramate in patients with auras was well tolerated and reduction of migraine aura frequency and aura duration was noted. In addition, improved quality of life even at lower than recommended doses was documented. Results are supported by data from a previously published, randomized controlled study [1]. 1. Diener HC, Agosti R, Allais G, Bergmans P, Bussone G, Davies B, Ertas M, Lanteri-Minet M, Reuter U, Del Rio MS, Schoenen J, Schwalen S, Van OJ: Cessation versus continuation of 6-month migraine preventive therapy with topiramate (PROMPT): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2007; 6(12):1054-1062. P8.6 Effectiveness and tolerability outcomes in migraine patients treated with topiramate under conditions of daily routine – results from a one year open label study B. Schauble1, I. Hanold2, S. Liadski3, H. D. Diery4, D. Fritzsche5, K. Bornhoevd6 1 Janssen-Cilag Neuss; 2 Stolberg; 3 Essen; 4 Butzbach; 5 Medidata, Konstanz; 6 Janssen-Cilag EMEA, Neuss Objective: To explore effectiveness and tolerability outcomes of migraine patients seen in private practice who are treated with topiramate (TPM) for the prevention of episodic migraine headaches for one year.
Methods: Patients with a diagnosis of episodic migraine according to IHS criteria requiring migraine preventive treatment entered a 12month open-label observational study (6 month core phase + optional 6 month follow up phase) during which TPM was initiated at 25mg/day and titrated flexibly based on clinical needs. Frequency of migraine attacks, intake of acute medication, pain intensity, adverse events, quality of life and vital signs were documented at 5 visits during the 6 months core phase and an additional two visits at the optional follow up phase. Results are compared to a 28 day retrospective baseline and observed cases are reported. Results: The ITT population consisted of 302 patients, the safety population of 336 patients (88.1% female, mean age 41.5±11.4 yrs) with episodic migraine. Twenty-seven percent of patients reported migraine with aura. TPM median total daily dose was 50mg at 6 months and 12 months follow up which was completed by 78% and 59%, respectively. Fourty six percent had been exposed to migraine preventive therapy. Mean number of migraine attacks decreased from 4.7±2.6 days at baseline to 1.9±4.0 days after 6 months and to 1.2±2.4 after 12 months. Mean number of days during which triptans or other acute medications were used decreased from baseline to 6 months and 12 months visit (p<0.001). After 2 weeks, 28% experienced at least a 50% reduction in migraine attacks / 4 weeks, 76% after 6 months and 79% after 12 months. Impairment of activities in daily life, absenteeism improved from baseline to last visit (p<0.001). Burden of disease (HIT-6) decreased from 65.2±4.6 to 48.8±8.8 (p<0.001 at all time points and at LOCF). Ninety-seven percent of physicians assessed the treatment as at least „well“ tolerated and 94% rated effectiveness of treatment as at least „good“ after 12 months. Fourteen percent of patients reported at least one treatment emergent adverse event (TEAE). Treatment related AE (>=2%) were paraesthesias (3%), nausea (2.4%). Conclusion: Reduction in migraine frequency was seen in patients treated with topiramate. Additionally, improvement in several aspects of quality of life and decreased absenteeism were noted. Treatment effects were associated with a good tolerability profile and results were sustained over a one year treatment period. P8.7 Effectiveness and tolerability outcomes in migraine patients treated with topiramate under conditions of daily use – results from a 6-month core phase B. Schauble1, H.-W. Kaune2, M. Kühn3, J. Haas4, D. Fritzsche5, K. Bornhoevd 6 1 Janssen-Cilag GmbH, Neuss; 2 Lohfelden; 3 München; 4 Nürnberg; 5 Medidata, Konstanz; 6 Janssen-Cilag EMEA, Neuss Objective: To explore effectiveness and tolerability outcomes in patients in medical practice who were treated for 6 months with topiramate for the prevention of episodic migraine headaches. Methods: Patients with episodic migraine (according to the criteria of the International Headache Society) and with an indication for preventive migraine treatment were included in a 12-month, open-label, observational study. Topiramate was initiated at 25 mg/day and titrated flexibly based on clinical needs. Frequency of migraine attacks, use of acute migraine medication, impairment of activities of daily life, impact on quality of life (HIT-6TM questionnaire), days of absence from school or work (absenteeism), and adverse events were documented at 5 visits during the 6-month core phase and at 2 visits during the optional follow-up phase (results of follow-up not reported here). Results were compared to a 28-day retrospective baseline. Observed cases are reported. Results: The ITT population consisted of 302 patients (88.1% female, mean age 41.5 ±11.4 y; safety population N = 336) of which 29.5%. had migraine with aura. Overall, 46% of patients had received other migraine prophylaxis in the past. At the end of the 6-month core phase, which was completed by 78% of patients, the median total daily dose of topiramate was 50 mg. The mean number of migraine attacks per month decreased from 4.7±2.6 days at baseline to 1.9±4.0 at month 6 (p<0.001). The median number of migraine days per month decreased from 6 days at baseline to 1.2 days at month 6 (p<0.001). A reduction in Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts the frequency of migraine attacks by at least 50% was observed in 28% of patients after 2 weeks and in 76% of patients after 6 months. Use of triptan and other acute migraine medication was significantly reduced during the 6 months (p<0.001). Impairment of activities of daily life and absenteeism improved from baseline to month 6 (p<0.001). Burden of disease (HIT-6TM score) decreased from 65.2±4.6 to 48.8±8.8 (p<0.001, LOCF). 92% of physicians assessed topiramate tolerability as “good” or “very good” and 88% rated the prophylactic effectiveness as at least „good“. Fourteen percent of dosed patients reported at least one treatment emergent adverse event. Treatment related adverse events reported in more than 2% of patients were paraesthesia (2.7%) and nausea (2.4%). One out of 2 serious adverse events had a possible relationship to treatment. Conclusion: Treatment with topiramate in migraine patients documented in this non-interventional study shows to be associated with a significant reduction in frequency, improved quality of life and decreased absenteeism even at lower than recommended doses. Topiramate treatment was well tolerated. P8.8 Pack den Kopfschmerz in die Tasche – ein interdisziplinäres tagesklinisches Angebot für Kinder und Jugendliche mit chronischen Kopfschmerzen – Konzept und erste Ergebnisse M. Stadler, U. Hotopp-Stadler, S. Roos, U. Then, R. Pfeiffer, M. Steinberger Interdisziplinäre Tagesklinik für Schmerztherapie, Klinikum Schwabing, Städt. Klinikum München GmbH; Akadem. Lehrkrankenhaus der LMU München Einführung: Primäre Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend häufiges Problem. In mehreren stationären und tagesklinischen schmerztherapeutischen Einrichtungen werden daher seit einiger Zeit Gruppen für Kinder und Jugendliche mit chronischen Kopfschmerzen angeboten. An der Schmerztagesklinik im Klinikum München Schwabing wird seit Herbst 2006 ein niedrigintenses Gruppenprogramm, d.h. zwei Stunden pro Woche über zehn Wochen, durchgeführt. Im Folgenden soll das Konzept dieses Programms dargestellt und die Auswertung der ersten Daten zum outcome präsentiert werden. Konzept und Methoden: Das Gruppenprogramm besteht aus folgenden Phasen: Ein telefonisches Vorgespräch, ein eintägiges interdisziplinäres Assessment mit ärztlicher, psychologischer und physiotherapeutischer Evaluation, der Gruppenphase mit 10 Behandlungstagen und einem Elternnachmittag, dem Abschlussassessment und einem eintägigen Refresher-Tag nach ca. 6 Monaten. In jeder Gruppenveranstaltung wird den Kindern von einer psychologischen Psychotherapeutin und einer Physiotherapeutin gemeinsam im Wechsel ein bewegungs-, körperwahrnehmungs- und konfliktzentriertes Angebot gemacht. Diese Maßnahme wird nach Bedarf medizinisch begleitet. Die gemeinsame Gruppenführung ergab sich aus der Überlegung, das Angebot in einem neben der schulischen Belastung vertretbaren zeitlichen Rahmen möglichst kindgerecht zu gestalten und den individuellen Schwerpunkten durch die erweiterte methodische Vielfalt besser gerecht werden zu können. Zur Evaluation der Ergebnisse wurde u.a. der „KINDL® Fragebogen zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen“ verwendet. Dieser Fragebogen ist das einzige Messinstrument für die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen, das in deutscher Sprache konzipiert und nicht erst übersetzt wurde. Der Test zeigt eine Hohe Reliabilität (Cronbach`s Alpha ≥ .70) und wurde in mehreren Studien an über 3000 Kindern und Jugendlichen validiert. In dem Fragebogen werden 6 Skalenscores („Körperliches Wohlbefinden“, „Psychisches Wohlbefinden“, „Selbstwert“, „Schule“, „Familie“ und „Freunde“) ermittelt. Die Fragebogensets werden jeweils zu folgenden Zeitpunkten an die Kinder und Eltern verteilt: Aufnahmetag (t1), Abschlusstag (t2) und nach 6 Monaten (t3). Ergebnisse: Die Stichprobe bestand zu Beginn aus 18 Kindern im Alter zwischen 11 und 18 Jahren, die sich zu gleichen Teilen aus Jungen und Mädchen zusammensetzte. Während der Behandlungen gab es keine Abbrüche, so dass die Anzahl der Kinder sich zur Verlaufskontrolle hin nicht verändert hatte. Für die 6-monats-Katamnese liegen bis jetzt
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8 vollständig ausgefüllte Fragebogensets vor, wobei das Geschlechter-Verhältnis unbeeinflusst blieb. In der statistischen Auswertung wurde das Augenmerk zunächst auf das eigentliche Behandlungsziel, die Verbesserung des Körperlichen Wohlbefindens, gerichtet. Insgesamt zeigten sich die Werte in allen Kategorien des Kindl von t1 zu t3 verbessert. Die Varianzanalyse der Einschätzungen der Kinder ergab für die Messzeitpunke t1 und t2 mit p ≤ 0.05 eine signifikante Verbesserung des Körperlichen Wohlbefindens. Die 6-monats-Katamnese zeigte bisher keine signifikanten Unterschiede zu den anderen Messzeitpunkten. Für die Eltern wurde mit p = 0.058 zwischen t1 und t2 ein deutlicher Trend in den Einschätzungen sichtbar. Auch hier waren die Unterschiede zum Zeitpunkt t3 zu den anderen Messzeitpunkten nicht statistisch signifikant. Bei den Einschätzungen des psychischen Wohlbefindens lässt sich eine positive Tendenz von Zeitpunkt t1 zu Zeitpunkt t3 feststellen (p ≤ .25). Von Eingangs- zu Verlaufskontrolle ist noch kein Unterschied zu erkennen. Dies gilt sowohl für Kinder wie für Erwachsene. Der Wert „Selbstwert“ weist bei den Kindern einen noch schwachen positiven Trend (p ≤ .25) von t1 zu t2 auf. Interessanterweise ist dieser Unterschied bei den Eltern noch zu vernachlässigen, während bei ihnen der Unterschied zwischen t1 und t3 einen deutlichen positiven Trend aufweist (p ≤ .10). Schlussfolgerung und Ausblick: Das beschriebene Programm ermöglicht einen integrierten psychologischen und physiotherapeutischen Ansatz zur kindgerechten Verbesserung wesentlicher an Kopfschmerzsyndromen bei Kindern beteiligter Faktoren. Durch die relativ kurze Behandlungszeit soll eine zusätzliche Terminbelastung der Kinder vermieden werden. Die ersten Auswertungen der Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität zeigen trotz der noch kleinen Patientenzahlen anhaltende positive Entwicklungen bei den kleinen Patienten. Das Programm wird fortgesetzt, um diese Ergebnisse mit weiteren Daten abzusichern. 1. Ravens-Sieberer U., & Bullinger M. (1997). The German KINDL - Psychometric Results in Healthy and chronically ill Children. 4. Jahrestagung der International Society for Quality of Life Research (ISOQOL). Quality of Life Research, 6, 437.
P09 Tumorschmerz und Palliativmedizin I P9.1 Wirksame und sichere Behandlung von Knochenschmerzen mit Ibandronat-„Loading Dose“ und anschließender Erhaltungsdosierung bei Patienten mit fortgeschrittenen urologischen Tumoren A. Heidenreich, S. Wille, D. Pfister, D. Thüer, C. H. Ohlmann Universität zu Köln, Klinik und Poliklinik für Urologie, Urologische Onkologie, Köln Einleitung: Knochenschmerzen, pathologische Frakturen und Rückenmarkskompressionen sind häufige und belastende Folgen tumorbedingter Knochenzerstörung. In der vorliegenden Studie sollte die Wirksamkeit und Sicherheit einer „high-loading dose“ Ibandronatgabe mit anschließender Standarddosierung bei Patienten mit fortgeschrittenen urologischen Tumoren und metastasenbedingten Knochenschmerzen geprüft werden. Methoden: 65 Patienten mit fortgeschrittenen urologischen Tumoren und moderaten bis starken Knochenschmerzen aufgrund von Knochenmetastasen erhielten in einer offenen, prospektiven, nicht-randomisierten Studie Ibandronat 6 mg i.v. an 3 aufeinanderfolgenden Tagen und anschließend 4-wöchentlich für 20 Wochen. Als primärer Endpunkt wurde eine Reduktion der Knochenschmerzen um 3 Punkte auf der 10-stufigen visuellen Analogskala (VAS) definiert. Sekundäre Endpunkte waren die Verbesserung des Allgemeinzustandes (Karnofsky-Index) und der Lebensqualität, Senkung des Analgetikabedarfs und die Therapiesicherheit. Ergebnisse: 78% (51/65) der Patienten erfuhren am 2. Tag eine Schmerzlinderung um mindestens 3 VAS-Punkte, der durchschnittliche VAS-Score erreichte am 3. Tag eine signifikante Verbesserung
gegenüber dem Ausgangswert (2,5 vs. 6,8; P < 0,001) und verblieb im Verlauf der Studie unter dem Ausgangswert. Mehr als 80% (38/47) der Patienten mit initial moderaten Knochenschmerzen und 72% (13/18) der Patienten mit starken Knochenschmerzen erreichten bis zum 7. Tag den Studienendpunkt (VAS ≥3 Punkte). Der Analgetikabedarf sank bei 60% (39/65) der Patienten um mehr als 50%. Die Schmerzlinderung ging mit einem Anstieg des Karnofsky-Index von ≈ 30 einher. Die Ibandronat-„Loading Dose“ wurde gut vertragen, renale Nebenwirkungen, Anämie oder signifikanten Änderungen der Laborwerte waren nicht zu beobachten. Schlussfolgerung: Das geprüfte Ibandronat-Therapiekonzept ermöglicht eine schnelle und effektive Reduktion metastasenbedingter Knochenschmerzen bei Patienten mit fortgeschrittenen urologischen Tumoren und bewirkt bei initial bettlägerigen Patienten eine Verbesserung ihrer Mobilität und Unabhängigkeit. Die Schmerzlinderung konnte mit einer Standarddosierung zur Behandlung skelettbezogener Komplikationen erhalten werden. P9.2 Toleranz und Hyperalgesie – Relevante Probleme bei opioidgewöhnten und palliativen Patienten? U. Junker Sana Klinikum Remscheid, Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum Background: Immediate release opioids are important as well in the therapy of acute perioperative and breakthrough-cancer-pain. As well in opioid-dependent patients as in those with chronic cancer- and noncancer-pain under opioid treatment a need of higher opioid dosage should be expected. Regional techniques of anaesthesia and analgesia should be preferred whenever possible. If there are contraindications against those techniques, a balanced concept including potent nonopioid-analgesics and the NMDA-antagonist S-Ketamin can reduce the dosage of opioids and improve the quality of pain therapy. Method: Referring to two case reports – a 51 years old man with acute pancreatitis and a 13 years old boy with pancreatic cancer in palliative situation – the phenomenons of tolerance and opioid-induced hyperalgesia will be demonstrated. They both make efficient pain control difficult. Chronic use of opioids – especially in high doses – might launch pronociceptive pathways such as activating the NMDA (n-methyl-diaspartat)- receptor, increase of spinal dynorphin-concentration with release of stimulating neurotransmitters and exciting descending paths. As we know so far, only the senzitation of the NMDA-receptor can be attenuated by ketamin. Conclusions: If pain therapy in an original opioid-sensitive pain looses its effect slightly, tolerance and hyperalgesia often could be the reason. In these cases a differentiated treatment including both regional techniques and the NMDA-antagonist S-Ketamin is necessary. The latter should be preferred to the racemate because of fewer central nervous side effects. P9.3 Therapie der Opiattoleranz mit niedrig dosiertem Naloxon: Ein Fallbericht B. Kraft, H. G. Kress Medizinische Universität Wien/AKH Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie Einleitung: Opiattoleranz ist definiert als eine Abnahme der analgetischen Wirksamkeit bei wiederholter Anwendung, die eine Dosissteigerung erforderlich macht um den gleichen pharmakologischen Effekt hervorzurufen. Tierexperimentelle Arbeiten konnten zeigen, dass „ultra-niedrige“ Dosen von Opioidrezeptor-Antagonisten die analgetische Wirkung verstärken und die Entwicklung von Morphin-induzierter Toleranz und Hyperalgesie verhindern. Fallbericht: Ein 49-jähriger Patient mit progredientem Angiosarkom wurde unserer Schmerzambulanz zugewiesen. Aufgrund einer Tumorinfiltration des Wirbelkörpers L2 und des rechten m. iliopsoas litt der Patient an stärksten Schmerzen lumbal und im Gesäßbereich (VAS 6-9). Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung war der Patient mit 300µg/h Fen-
tanyl TTS und einer zusätzlichen intravenösen PCA-Pumpe mit einer kontinuierlichen Rate von 18mg/h Morphin und einer Bolusoption von 25mg 4xh eingestellt, dazu Gabapentin 1800mg/d; Amitriptylin 75mg/d, Metamizol 3g/d und Diclofenac 150mg/d per os. Bei der Anamnese gab der Patient eine stetige und rasche Opiat-Dosiseskalation ohne entsprechende analgetische Wirkung innerhalb der letzten 4 Wochen an, worauf eine Morphintoleranz vermutet wurde. Mangels Alternativen und aufgrund des hohen Leidensdrucks des Patienten entschlossen wir uns zu einem Therapieversuch mit niedrig dosiertem Naloxon unter klinischem Monitoring (EKG, Pusoxymetrie, RR). Bei der ersten Sitzung wurde die Naloxoninfusion (~5µg/min) nach 1.5h gestoppt, als der Patient nach einer Dosis von 0,48mg eine komplette Schmerzreduktion bis auf VAS 0 angab. Die intravenöse Morphindosis wurde auf 12mg/h reduziert. In Folge gab der Patient Schmerzfreiheit für 12h nach der Infusion an, danach traten die Schmerzen, jedoch mit einer deutlich geringeren Intensität (VAS 0-6), wieder auf. Die Therapie mit Naloxoninfusionen wurde 1x wöchentlich wiederholt, dabei waren Dosen von 0,4 bzw. 0,24mg erforderlich, um wiederum eine komplette Schmerzfreiheit zu erreichen. Die intravenöse Morphingabe konnte während dieses Zeitraums bei einem durchschnittlichen Schmerzniveau von VAS 2 bis auf 4mg/h reduziert werden. Während der vierten Naloxoninfusion traten nach einer Dosis von 0,2mg Naloxon erstmals akute Entzugssymptome auf (Dysphorie, Zittern, Übelkeit), begleitet von einer erheblichen Schmerzzunahme (VAS 8), alle Symptome waren jedoch nach Gabe von 20mg Morphin i.v. komplett reversibel. Daraufhin wurde die Infusionsserie mit Naloxon beendet. Während der folgenden Wochen war es möglich, die i.v. Morphingabe bei einem Schmerzniveau von VAS 0-4 komplett abzusetzen und Therapie mit 300µg transdermalen Fentanyl, oraler Bedarfsmedikation und den bisherigen Koanalgetika weiterzuführen. Schlussfolgerung: In Übereinstimmungen mit den tierexperimentellen Daten führte die Gabe von niedrig dosiertem Naloxon zu einer deutlichen Verbesserung der Analgesie und Reduktion der Opiatdosis bei einem Patienten mit stärksten Tumor-assoziierten Schmerzen. Die Gabe von niedrig dosierten Antagonisten könnte daher bei Patienten mit Toleranzentwicklung eine vielversprechende Therapieoption darstellen. P9.4 Knochenschmerzen bei neu diagnostizierten ossären Metastasen – Reduktion durch hochdosierte Ibandronat-Therapie A. A. Kurth, M. Pilz, U. Stumpf, A. Müller, C. Eberhardt Orthopädische Universitätsklinik, Abteilung für Orthopädie, Frankfurt/ Main Einleitung: Ossäre Metastasen werden oft von heftigen Knochenschmerzen begleitet und sind häufig die ersten Symptome einer bereits andauernden Tumorerkrankung. Um die Lebensqualität der Patienten zu erhalten, ist es besonders in den ersten Wochen nach der Diagnose von Knochenmetastasen angebracht, die Schmerzen möglichst rasch zu reduzieren. Die Standardschmerztherapie ist in vielen Fällen nicht ausreichend und mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Durch klinische Studien konnte bereits eine gute Schmerzreduktion über einen längeren Beobachtungszeitraum mit Standarddosierungen von Bisphosphonaten belegt werden. Diese Pilotstudie untersucht die analgetischen Effekte der Ibandronat-„Loading Dose“ bei Patienten mit neu diagnostizierten ossären Metastasen und Knochenschmerzen. Patienten und Methoden: 16 Patienten mit neu diagnostizierten Tumorosteolysen (Mammakarzinom n = 12, Bronchialkarzinom n = 2, Nierenzellkarzinom n = 2) wurden einer dosisintensiven IbandronatBehandlung (6 mg i.v. in 60 Min. an drei aufeinander folgenden Tagen) zugeführt. Alle Patienten waren zu diesem Zeitpunkt Bisphosphonatnaiv und erhielten eine symptomatische Schmerztherapie (NSAR, Analgetika, Opioide). Die Bewertung der Stärke des Knochenschmerzes erfolgte täglich durch die Patienten mittels einer VAS-Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (maximaler Schmerz). Im Verlauf von 3 Wochen wurden die Patienten einer weiteren Therapie (Bestrahlung, Operation, Chemotherapie) unterzogen. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Ergebnisse: Innerhalb der ersten 5 bis 7 Tage konnte eine signifikante Reduktion der Knochenschmerzen durch die kurzzeitige, hoch dosierte Bisphosphonattherapie erzielt werden (VAS Tag 0: 6-7, Tag 7: 3-4). Die Behandlung mit der Ibandronat-“Loading Dose“ wurde gut vertragen und eine Zunahme der Schmerzmedikation nicht beobachtet. Schlussfolgerung: Diese klinische Pilot-Studie zeigte eine deutliche Reduktion der Knochenschmerzen innerhalb eines kurzen Zeitraums durch eine hochdosierte Ibandronattherapie in den ersten Tagen nach der Diagnose einer ossären Metastasierung. Dieses Dosierungsverfahren untermauert die bereits nachgewiesenen analgetischen Effekte von Bisphosphonaten, die wohl auf die Hemmung pathologischer Prozesse der osteoklastenassoziierten Knochendestruktion zurückzuführen sind. Das „Loading Dose“-Dosierungskonzept bei metastasenbedingten Knochenschmerzen sollte in weiteren kontrollierten klinischen Studien verifiziert werden. P9.5 ORL1 Rezeptor Expression auf peripheren Blutzellen: Ein Vergleich von Gesunden, kritisch Kranken und Tumorpatienten C. Comos, L. Zhang, F. Stüber, M. Book, L. E. Lehmann, J.-C. Schewe, S. Weber, U. M. Stamer Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Einleitung: Der humane ORL1-Rezeptor (opioid receptor like receptor, Nociceptinrezeptor) findet sich sowohl im Gehirn als auch auf zirkulierenden Blutzellen. Eine Bedeutung dieses sog. „vierten Opioidrezeptors“ im Rahmen der Immunfunktion und für die Analgesie wird diskutiert [1-4]. Die meisten Studien fokussieren bis jetzt auf tierexperimentelle Untersuchungen. In dieser Studie wird die mRNA Expression von ORL1 im peripheren Blut von kritisch kranken Patienten und Tumorpatienten unter Opioidtherapie untersucht. Methodik: Nach Genehmigung durch die Ethikkommission und schriftlichem Einverständnis wurde venöses Blut von einer gesunden Kontrollgruppe (G, n=11), kritisch kranken Intensivpatienten (Patienten ohne systemische Inflammation I-K=10, septische Patienten I-S=16) und Tumorpatienten unter Opioidmedikation (Gruppe O, n=95) gewonnen. Zusätzlich wurde Blut der Gruppen G und I mit LPS (Lipopolysaccharid) 500 pg/ml für 4 Stunden inkubiert. Nach c-DNASynthese erfolgte die quantitative rtPCR mit internem Standard HPRT (Hypoxanthin-phosphoribosyltransferase). Klinische Daten, Entzündungsparameter (PCT, IL6, CRP, Leukozyten, Lymphozyten), Überlebenszeit und die Opioidtagesdosis wurden erhoben. Statistik: ANOVA, Signifikanznineau p<0,05, korrigiert für multiples Testen. Ergebnisse: Die ORL1-Expression war in Gruppe G (6.1± 0.8), I-K (7.8±1.6) und I-S (8.1±1.2) vergleichbar. Wird hingegen nach Überlebenszeit differenziert, so fand sich eine höhere ORL1 Expression bei Überlebenszeit von < 10 Tagen (10,4±1,1) im Vergleich zu Patienten, die länger als 10 Tage lebten (5,5±1,2, p=0.01). Die höchste ORL1 Expression wurde in Gruppe O beobachtet (13.5± 11.2, p<0.001) ohne Unterschied zwischen Patienten unter kurativer oder palliativer Therapie. Opioiddosis und Überlebenszeit hatten keinen Einfluss auf die ORL1 Expression in Gruppe O. Nach Inkubation mit LPS ex vivo nahm die ORL1 Expression in Gruppe H und I-K ab (p<0,05). In Gruppe I-S zeigte sich nur bei Patienten mit einer Überlebenszeit >10 d eine verminderte Expression, hingegen bei Patienten die innerhalb von 10 Tagen verstarben keine Änderung. Schlussfolgerung: Eine erhöhte ORL1 Expression im Rahmen von inflammatorischen und neuropathischen Schmerzen scheint nicht nur in Neuronen der Hinterwurzel nachweisbar zu sein [5], sondern bei systemischer Inflammation und fortgeschrittenem Malignom auch auf peripheren Blutzellen. Dieses unterstreicht die Bedeutung des Nociceptinsystems bei kritisch kranken Patienten mit kompromittierter Immunfunktion. 1. Xie GX et al. Life Sciences 1999, 64:2029-37. 2. Peluso et al. J Neuroimmunol 1998, 81:184-192. 3. Wick et al. Mol Brain Res 1995, 32: 343-7. 4. Krüger C et al. Schmerz. 2006; 20:509-18. 5. Chen Y, Sommer C. J Peripher Nerv Syst. 2006; 11:232-40.
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P9.6 Wie sehr beeinflussen Schmerzen die Lebensqualität von Patientinnen mit Brustkrebs während ambulanter Chemotherapie H. C. Wartenberg1, S. Wirz3, J. Nadstawek1, V. Schwarzer2, C. Rudlowski2 1 Klinik für Anästhesiologie; 2 Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Universitätsklinikum Bonn und 3 Abteilung für Anästhesiologie, CURA St. Johannes Krankenhaus Bad Honnef (Arbeitskreis Tumorschmerz der DGSS) Fragestellung: Die Lebensqualität von Patientinnen mit Mamma-Ca. ist während ambulanter Chemotherapien stark eingeschränkt (1). Neben psychischen Symptomen wie Fatigue, Angst und Depression sind insbesondere körperliche Symptome wie Übelkeit und Schmerzen dafür verantwortlich. Ziel unserer Untersuchung war die Evaluation der Lebensqualität (QoL) in Relation zu Art und Ausmaß von Schmerzen dieser Patienten. Material und Methoden: Nach Beratung und positivem Votum der zuständigen Ethikkommission wurden Patientinnen in eine deskriptiv epidemiologische Studie aufgenommen. Alle Patientinnen mit der Diagnose Mamma-Ca. wurden in der gynäkologisch-onkologischen Ambulanz unseres Klinikums chemotherapeutisch behandelt. Die histologische Art des Karzinoms und die Art der Chemotherapie spielten für den Studieneinschluss ebenso wenig eine Rolle wie begleitende Therapien (z.B. Analgetika oder Antiemetika). Die Lebensqualität wurde mittels eines standardisierten Fragebogens, Schmerzen durch eine Schmerzanamnese und die visuelle Schmerzskala (VAS) erhoben. Neben beschreibender Statistik wurden Spearmans ρ-Koeffizient zur Prüfung linearer Korrelationen zwischen den Variablen und Pearsons χ2 zur Analyse dichotomer Variable verwendet. Die Signifikanz der Korrelationen wurde mit t-Test untersucht. Ergebnisse: Von den 20 bisher untersuchten Patientinnen gaben nur 4 an, keine oder geringe Schmerzen (VAS<4) während der Chemotherapie zu haben, 7 hatten sogar starke bis stärkste Schmerzen (VAS>6), bei 5 Patientinnen waren die Schmerzen mit Schmerzmitteln der WHOStufe I behandelt worden, bei 4 mit Schmerzmitteln der WHO-Stufe II und bei 3 mit Schmerzmitteln der WHO-Stufe III. Obgleich Spearmans ρ-Koeffizient mit 0,17 positiv war, konnte keine signifikante Korrelation zwischen Schmerzstärke und Lebensqualität nachgewiesen werden. Andere Symptome kamen zu vereinzelt vor, um sie einer Korrelationsprüfung zu unterziehen. Schlussfolgerungen: Wenngleich Schmerz mit Recht als das Symptom ersten Ranges bei Tumorerkrankungen angesehen wird (2), konnten wir in unserer Studie keinen Einfluss von Schmerzen auf die Lebensqualität von Mamma-Ca.-Patientinnen nachweisen. Da die bisher untersuchte Anzahl noch weit unter der geplanten Fallzahl liegt, könnte sich das im Verlauf der Studie noch ändern. Auffallend sind aber schon jetzt die relativ hohen Schmerzscores und die dafür sehr zurückhaltende Schmerzmitteleinnahme unsere Patientinnen. Die Studie dient uns darüber hinaus als Pilotprojekt für eine größere Multicenter-Studie, die wir dem Arbeitskreis Tumorschmerz der DGSS vorgeschlagen haben. 1. Byar KL, Berger AM, Bakken SL, Cetak MA (2006). Impact of Adjuvant Breast Cancer Chemotherapy on Fatigue, Other Symptoms, and Quality of Life. Oncology Nursing Forum, 33, E18–E26. 2. Arbeitskreis Tumorschmerz der DGSS. Curriculum Tumorschmerz (unter: http://www.dgss.org/uploads/media/Curriculum_Tumorschmerz_Datensatz_20080514.pdf) P9.7 Notärztliche Behandlung von Schmerzexazerbationen bei ambulanten Palliativpatienten im weit fortgeschrittenen Erkrankungsstadium C. H. R. Wiese, J. Strube, B. M. Graf, G. G. Hanekop Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin Notärzte können auch aufgrund von Schmerzexazerbationen mit der Versorgung von Patienten im finalen Stadium ihrer Erkrankung konfrontiert werden [1]. In der notfallmedizinischen Ausbildung fehlen
bisher Ausbildungsinhalte zur Betreuung und symptomkontrollierten Therapie von Patienten am Lebensende. Methoden: Innerhalb von 24 Monaten untersuchten wir retrospektiv alle Notarzteinsätze zweier Rettungsdienstbereiche bezüglich akuter Schmerzzustände bei Palliativpatienten im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Ergebnisse: Von insgesamt 12996 notfallmedizinischen Patientenkontakten konnten 361 palliativmedizinisch motivierte Akutsituationen (2,8%) in die Untersuchung integriert werden. Bei Patienten mit Tumorerkrankungen im weit fortgeschrittenen Erkrankungsstadium erfolgte die Einsatzdiagnose „Akute Schmerzexazerbation“ bei 17 Notrufmeldungen (4.7% aller Palliativpatienten im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium). Retrospektiv betrachtet wurden insgesamt 15 dieser Patienten (88,2%) zur weiteren Versorgung in eine Klinik eingewiesen. Ein ambulantes Palliativteam wurde in zwei Situationen (11,8%) durch den Notarzt informiert, so dass nach erfolgter Schmerztherapie eine weitere Versorgung in häuslicher Umgebung stattfinden konnte. Ursachen für die Klinikeinweisung waren u.a. fehlende Kenntnis des Notarztes in der Tumorschmerztherapie (beispielsweise äquipotente Umrechnung der Tagesopioid-Dosis in eine entsprechende Bedarfsmedikation) bzw. der Möglichkeit einer professionellen Unterstützung durch ein ambulantes Palliativteam. Schlussfolgerung: Palliativmedizinisch motivierte Einsätze betragen 2,8% der notärztlichen betreuten Einsätze [1]. Eine akute Schmerzexazerbation bei Patienten mit Tumorerkrankungen im primären Einsatz ist hierbei eher die Ausnahme. Gerade deshalb kann sich eine derartige Situation für die betroffenen Patienten und deren Angehörige dramatisch entwickeln, da eine schnelle und der Vormedikation angepasste adäquate Hilfe erfolgen muss, um die Patienten im häuslichen Umfeld belassen zu können. Hierzu ist es sinnvoll, möglichst zahlreiche Patienten durch professionelle ambulante Palliativteams zu betreuen bzw. die notfallmedizinische Ausbildung auch um die Behandlung spezieller akuter Schmerzereignisse zu erweitern. So kann eine ambulante Therapie erfolgen, die für die betroffenen Patienten einen oftmals nicht gewünschten Klinikaufenthalt verhindert. In weiteren Untersuchungen konnte der essentielle Nutzen ambulanter Palliativteams gerade in der ambulanten Tumorschmerztherapie am Lebensende bestätigt werden [2]. 1. Wiese CHR et al. Anaesthesist 2007 2. Maier R et al. Schmerz 2008 P9.8 Opioidinduzierte Obstipation und Effektivität von Laxanzien: Eine prospektive Untersuchung bei Tumorschmerzpatienten S. Wirz, H. C. Wartenberg, C. Elsen, J. Nadstawek CURA-Krankenhaus, Bad Honnef, Universitätskliniken Bonn, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Schmerzambulanz Ziel dieser Untersuchung war die Evaluation der opioidinduzierten Obstipation bei Tumorschmerzpatienten nach Neueinstellung mit Opioiden. Patienten und Methoden: Nach Ersteinstellung auf Opioide wurden 174 Patienten in einer prospektiven und “open-labelled” Studie untersucht. Die Patienten wurden primär drei Gruppen zugeordnet: Na-Picosulfat (NAPIC), Polyethylenglykol (PEG) und Lactulose (LAC). Vier Wochen nach Beendigung der Einstellungsphase wurden demographische, algesiologische und gastrointestinale Merkmale erfasst. Die Ergebnisse wurden deskriptiv und konfirmatorisch analysiert. Ergebnisse: Demographische und medizinische Merkmale waren in allen Gruppen gleich verteilt. Opioidtagesdosen betrugen 47,7 – 60,14 mg. Nach vier Wochen hatten 73 (42%) Patienten das Laxanz abgesetzt, ohne dass erhöhte Obstipationswerte vorlagen. Patienten unter einer Medikation mit PEG setzten am seltensten die Laxanzienprophylaxe ab. Die Mittelwerte der subjektiven NRS-Werte für Obstipation waren in der Gruppe mit Lactulose signifikant höher als Polyethylenglykol und NaPicosulfat. Die Rate des stuhlgangsfreien Intervalls > 3d war am höchsten unter NPIC (6/21%) gegenüber PEG 4 (16%), LAC 7 (14%) und
ohne Laxanz 6 (8%). An Nebenwirkungen trat am häufigsten Übelkeit auf (MW NRS: LAC 1,6, ohne Laxanz 1,7, NAPIC 1,1, PEG 1). Schlussfolgerungen: Ein Großteil opioidnaiver, ambulanter Tumorschmerz- Patienten benötigt nach einer Einstellungsphase von vier Wochen keine Laxanzien mehr. PEG zeigt eine höhere Effektivität als NAPIC und LAC. LAC führt häufiger zu Nebenwirkungen als andere Laxanzien. P9.9 Aktivitäten des Arbeitskreises Tumorschmerz: Ein Überblick S. Wirz, M. Schenk, T. Wagner, B. Sittig, K. Gastmeier, C. Hesse, G. Itting, T. Lentz, S. Schulz, R. Siems, H. C. Wartenberg, M. Zimmermann CURA-Krankenhaus, Bad Honnef, Klinik Havelhöhe, Berlin, Universitätskliniken Bonn, Unikliniken Frankfurt, Unikliniken Rostok, MVZ Geesthacht, Schmerzzentrum MZ, Aachen, Thüringen Klinik, Saalfeld, Stadtklinik, Spittal, Anästhesiepraxis Gastmeier, Schmerzpraxis Lentz Ziel dieses abstract ist die Darstellung des Arbeitskreises Tumorschmerz der DGSS und seiner Aktivitäten in den vergangenen vier Jahren. Methoden: Befragung, „Auflistung“. Ergebnisse: Der Arbeitskreis Tumorschmerz ist mit 54 Mitgliedern einer der stärksten Arbeitskreise in der DGSS. Ihm gehören größtenteils, so wie es auch dem Durchschnit der DGSS-Mitgliederstruktur entspricht, Anästhesisten an, die in Schmerzeinrichtungen (Kliniken, Ambulanzen, Praxen) tätig sind. Es handelt sich fast durchweg um Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung „Schmerztherapie“, wobei bei den Kliniksangehörigen der Großteil Oberärzte sind, bzw. ca. 18 % in leitender Funktion. Ein Drittel der Mitglieder ist gleichzeitig in der Deutschen Palliativgesellschaft aktiv. Zu den Zielen des Arbeitskreises Tumorschmerz gehört die Vertretung des Themas Tumorschmerz innerhalb und außerhalb der DGSS. Zur Verbesserung des allgemeinen Kenntnisstandes zum Tumorschmerz hat der Arbeitskreis in Form einer Kurzanleitung Tumorschmerz und eines ca. 250 Diafolien umfassenden Curriculums Fortbildungsmaterialien zusammengestellt und über seine homepage zugänglich gemacht. Der Sprecher Dr. Wirz beteiligte sich am Fachgespräch zum Thema der „Flächendeckenden spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“. Im vergangenen Jahr gestaltete der Arbeitskreis eine eigene Sitzung während des DGSSSchmerzkongresses. „Tumorschmerz“, ein unter der Herausgeberschaft von Dr. M. Schenk konzipiertes Buch wird 2008 veröffentlicht. Mehrere Mitglieder sind neben Vortragstätigkeiten oder der Organisation eigener Fortbildungen wissenschaftlich-publikatorisch (> 20 Publikationen/Liste unter email unten erhältlich) aktiv. In Planung ist die Beteiligung an den S3-Leitlinien „Tumorschmerz“, die von der DIVS angemeldet wurden. Schlussfolgerung: Der Arbeitskreis Tumorschmerz vertritt sein Thema engagiert sowohl innerhalb der Öffentlichkeit und der DGSS, als auch bei den Kollegen und in der Wissenschaft.
[email protected] P9.10 Therapieresistente Tumorschmerzen – Ein Fallbericht A. Zimmer, E. Gaser, S. Mescha, W. Meißner Klinik für Anaesthesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Jena Hintergrund: Tumorschmerzen sind in ca. 75-90 % mit dem WHO Stufenschema gut behandelbar. Diese Kasuistik beschreibt einen komplizierten Verlauf eines Tumorschmerzes, der am Ende nur mit einer palliativen Sedierung beherrscht werden konnte. Kasuistik: Eine 43 jährige Patientin mit metastasierendem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom im Bereich des linken Oberlappens und V.a. Perikardinfiltration und Lymphangiosis carcinomatosa wurde uns mit drückenden retrosternalen und thorakalen Schmerzen zur Schmerztherapie vorgestellt. Zunächst konnte die Patientin mit WHO III Stufenschema gut schmerzgelindert eingestellt werden. Im weiteren Verlauf erfolgten nun aufgrund der komplexen und kaum beherrschbaren Schmerzsymptomatik mehrfache Schmerzkonsile. Nun klagte die Patientin über attackenartige, kolikartige Beschwerden Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts im Unterbauch und zusätzliche Dauerschmerzen im Abdomen mit rezidivierender Subileus-Symptomatik. Die bildgebende Diagnostik erbrachte zwei monströse Raumforderungen im kleinen Becken mit Kompression des Colon sigmoideum. Intraoperativ zeigten sich ausgedehnte Metastasen beider Ovarien und pelvine Lymphknotenmetastasen. Es konnte lediglich das linke Ovar entfernt werden. Die Schmerzsymptomatik besserte sich nur für kurze Zeit. Trotz aller Bemühungen war es nicht möglich, die Schmerzsymptomatik mit einer alleinigen oralen Therapie mit WHO Stufe III (Morphin, Hydromorphon, Levomethadon bzw. Fentanylpflastertherapie in Opioidrotation und orale Gabe von Ketamin) auf ein für die Patientin erträgliches Niveau einzustellen. Erst nach der zusätzlichen Anlage eines Periduralkatheters und der kontinuierlichen Gabe von Medikamenten peridural (Mischbeutel mit Clonidin 750µg, Fentanyl 3µg/ml und Ropivacain 0,2% ad 500 ml)war es möglich die Dauerschmerzen und die Attackenhäufigkeit und Stärke der Beschwerden zu mildern, sodass der Patientin noch einmal nach Hause gehen konnte. Gemeinsam mit der Hausärztin, den Angehörigen, dem Pflegedienst der Diakonie und dem Ambulanten Palliativteam wurde die Patientin für einige Tage zu Hause betreut. Bei der Wiederaufnahme berichtete die Patientin über Taubheitsgefühl in den Beinen und im Abdominalbereich. Der Periduralkatheter war nach Lagekontrolle spinal disloziert, was ein Blutglucosetest zusätzlich bestätigte. Es wurde ein neuer Periduralkatheter gelegt. Auch dieser dislozierte wieder nach spinal. Innerhalb von weinigen Stunden entwickelte die Patientin erneut selbst unter laufendem spinal liegendem Katheter und kompletter sensibler und inkompletter motorischer Blockade nicht beherrschbare, abdominelle Schmerzen. Die Patientin erhielt zusätzlich eine Sedierung mit Propofol und einen Ketaminperfusor. Diskussion: Am wahrscheinlichsten erscheinen Tumorzerfall und Harnstauungsniere verantwortlich für die kaum beherrschbare Schmerzsymptomatik zu sein. Eine Palliative Sedierung erschien uns als die einzige Möglichkeit, der Patientin Linderung zu verschaffen. Dies sollte möglichst im Team und nach Einverständnis der Patienten und Angehörigen entschieden werden.
P10 Tumorschmerz und Palliativmedizin II P10.1 Bisphosphonate beim Knochenmarködem-Syndrom – eine neue erfolgreiche Therapieoption R. Bartl1, C. Bartl2, A. Imhoff3 1 Bayerisches Osteoporosezentrum der Universität München; 2 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Chirurgie, Universität Ulm; 3 Abteilung Sportorthopädie der Technischen Universität München Fragestellung zur Untersuchung: Das Knochenmark-Ödem (KMÖ) ist ein zunehmend häufiger Befund bei der Abklärung schmerzhafter Gelenkprozesse mittels MRT, in der Regel bei unauffälligem Röntgenbefund. Die Patienten klagen über heftige, therapieresistente Schmerzen und Bewegungseinschränkung in den betroffenen Gelenken. Das typische Signalverhalten des KMÖ ist unspezifisch und tritt bei vielen Krankheitsbildern auf. Früher wurde synonym häufig der Begriff „transitorische Osteoporose“ gebraucht. Nach Hofmann et al. (2006) werden heute die KMÖ ätiologisch in 3 Gruppen aufgeteilt: ischämische (Osteonekrose, Osteochondrosis dissecans und CRPS), mechanische (Kontusionen, Mikro- und Stressfrakturen) und reaktive (Gonarthrose, postoperativ und Tumore) Formen. Neben einer konsequenten mechanischen Entlastung bzw. einer Entlastungsbohrung wurden konventionelle Analgetika und neuerdings auch das Prostazyklinanalogon Iloprost eingesetzt. Dabei sind allerdings spezifische Nebenwirkungen zu beachten. Als wirksame und extrem nebenwirkungsarme neue Option erwies sich in unserer Studie die Therapie mit intravenös applizierten Bisphosphonaten (Ibandronat oder Zoledronat). Angewandte Methodik: Zusätzlich zur Entlastung des betroffenen Gelenkes wurde bei allen Formen des KMÖ folgendes Protokoll eingesetzt: Ibandro-
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nat 6 mg (Bondronat®) als monatliche Infusion in 100-250 ml NaCl Lösung über 30 min, insgesamt 3-4 Infusionen. Vor und nach dieser Behandlung wurde der klinische (Schmerzprofil, Beweglichkeit) und der MRT-Befund erhoben. Patientenzahl: Insgesamt wurden in einem Zeitraum von 4 Jahren 210 Patienten mit KMÖ nach diesem Protokoll behandelt. Nach der Ätiologie aufgeschlüsselt: 1) Ischämische KMÖ (n=45), 2) mechanische KMÖ (n=40), 3) reaktive KMÖ (n=15). Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Eine rasche Schmerzlinderung trat bei 71 Patienten bereits nach der 1. oder 2. Infusion auf, eine komplette Remission mit völligem Schwund des KMÖ in der MRT und Beschwerdefreiheit war in 80% aller Patienten nach Abschluss des Protokolls zu verzeichnen. Die Ätiologie des KMÖ hatte keinen wesentlichen Einfluss auf das Ansprechen. Bei 18% trat ein Rezidiv auf – entweder am gleichen oder an einem anderen Gelenk – das aber auf eine erneute intravenöse Bisphosphonatgabe wieder ansprach und mit einer MRT-Kontrolle belegt werden konnte. Als typische Bisphosphonat-Nebenwirkung war nach der ersten Infusion bei 8% der Patienten eine unterschiedlich starke Akute-Phase-Reaktion zu beobachten, die aber in keinem Falle einer speziellen Therapie bedurfte. Über die Möglichkeit dieser Nebenwirkung wurde der Patient vor Therapiebeginn aufgeklärt. P10.2 Bisphosphonate bei Knochenschmerz – eine neue erfolgreiche Therapieoption R. Bartl Bayerisches Osteoporosezentrum der Universität München Knochenschmerz ist das häufigste Symptom bei Patienten mit Knochenmetastasen und beim multiplen Myelom. Mehr als die Hälfte der betroffenen Patienten klagen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits über Knochenschmerz, der im weiteren Verlauf ein konstantes und an Intensität zunehmendes Symptom bleibt. Die Pathogenese des Knochenschmerzes ist komplex und noch wenig erforscht. Neben mechanischen Faktoren wie erhöhter Druck in den Markräumen („Knochenmarködem“), Dehnung des Periosts/Endosts und Zerstörung von Knochengewebe spielen humorale, entzündliche und nervale Faktoren eine Rolle. Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem dem RANK/RANKL/OPG System eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Knochenschmerzens zukommt. In zahlreichen Studien ist der schmerzlindernde Effekt der BP belegt und kann bei allen Karzinomen mit allen Formen schmerzhafter Knochenmetastasen eingesetzt werden. Ihre Wirkung setzt häufig bereits nach einem Tag ein und kann je nach Dosierung mehrere Wochen bis Monate anhalten. Ibandronat und Zoledronat sind die BP der ersten Wahl. Bisher wurden BP vor allem bei Knochenschmerzen im Rahmen osteolytischer Knochenläsionen (Mammakarzinom, multiples Myelom) eingesetzt. Schmerzen bei osteoblastischen Metastasen (z.B. Prostatakarzinom), Osteomyelosklerose und systemischer Mastozytose sprechen ebenfalls rasch und nachhaltig auf BP an. Dies zeigt, dass die schmerzlindernde Wirkung der BP wahrscheinlich nicht allein über Osteoklastenhemmung zu erklären ist, sondern dass BP auch auf andere Zellsysteme wie Osteoblasten, Stromazellen und T-Lymphozyten wirken und damit das RANK/RANKL/OPG System beeinflussen. Folgendes Therapieprotokol zur Behandlung von tumorinduzierten Knochenschmerzen wird in unserer osteologisch-onkologischen Ambulanz erfolgreich eingesetzt: Ibandronat (Bondronat®) 50 mg oral, täglich Ibandronat (Bondronat®) 6 mg i.v., alle 4 Wochen, in 250 ml NaCl-Lösung über 30 min. Das Intervall der BP-Gabe kann je nach Ansprechen variiert bzw. verlängert werden. Vor allem bei Patientinnen mit Mammakarzinom und Knochenmetastasen konnten die Knochenschmerzen über 2 Jahre signifikant gesenkt werden. Vergleichbare Erfahren konnten wir auch bei Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom, multiplem Myelom und Osteomyelofibrose beobachten. Alle Tumorpatienten wurden vor Beginn der BP-Therapie zur Minimierung des Auftretens von Kieferosteonekrosen (ONJ) zahnärztlich untersucht und behandelt. In den von uns therapierten Patienten wurden unter Ibandronat keine Kiefernekrosen beobachtet.
P10.3 „Relative“ Opiatüberdosierung nach tumorbedingter HüftTEP- Implantation R. Eisenbach, T. Wagner Klinik für Schmerztherapie und Palliativmedizin, MZ Kreis Aachen Fallvorstellung: Frau K., C, geb. 17.1.1921 Aufnahme am 6.5.2008 in der Klinik für Schmerztherapie. Einweisung durch den Schmerztherapeuten wegen therapieresistenter Lumboischialgie bei bekannter Coxarthrose bds. bei Z.n. Hüft-TEP links, Spondylarthrose mit Radikulopathie und ausgeprägte Osteochondrose der gesamten WS bei generalisierter Osteoporose. Unter der ambulanten Vortherapie mit Buprenorphin (Transtec) 35µg/h und Metamizol 4 x 500mg Dauerschmerzen von VAS 10 in der rechten Glutealregion mit Schmerzausstrahlung in den dorsalen Oberschenkel. Eine Schmerzverstärkung tritt bei Mobilisation und in Rechtsseitenlage auf, so dass die Gehstrecke auf wenige Schritte reduziert ist, vor 2 Monaten war die Patientin noch außerhalb der Wohung am Rollator mobil. Vorerkrankungen: Mamma-Ca links ED 1982, Z.n. Mamma-Ablatio, Endometrium-Ca ED 1971 und Z.n. Radiatio, chron. Niereninsuffizienz bei Hydronephrose rechts und Schrumpfniere links (Krea 2,63 mg/dl. Ergänzende Anamnese durch den Hausarzt: 2004 Exstirpation einer LK-Metastase der rechten Axilla, 2003 operative Entfernung eines gemischtzelligen malignen Tumors des re. OA. Diagnostik: Skelett-Szintigraphie: Osteoplastisch expansive Umbauprozesse vom Os ileum dextrum über die Articulatio coxae auf das Femur bis hin zum mittleren Diaphysendrittel. Tiefe Beckenübersicht: Destruktion des Femurkopfes LWS in 2 Ebenen: V.a. Osteolysen. Verlauf: analgetische Neueinstellung auf ret. Hydromorphon 3 x 4mg und Schmerzspitzenmedikation (SSP) mit 1,3mg unret. Hydromorphon und Implentierung von Mirtazapin 15mg zur Nacht. Im Verlauf Dosissteigerung auf Hydromorphon 2 x 8mg, SSP 2,6 mg und Mirtazapin 30mg z.N. Wegen der Frakturgefahr erfolgte eine eingeschränkte Mobilisation. Hierunter war die Pat. in Ruhe schmerzfrei. Vor Verlegung in die Strahlenklinik wurde anhand eines stark erhöhten SSP-Bedarfs eine pathologische Schenkelhalsfraktur diagnostiziert. Es erfolgte eine Hüft-TEP Implantation mit gleichzeitiger Tumorreduktion. Zur postoperativen Analgesie wurde die präoperative Schmerztherapie fortgeführt, worunter die Pat. gut mobilisiert werden konnte. Am 10. postoperativen Tag kam es trotz Reduktion der Opiattherapie zu einer zunehmenden Verwirrtheit und Eintrübung, die zu einer Bettlägerigkeit führte. Nach Absetzen des Hydromorphons war die Patientin nach 24h wach, allseits orientiert und wieder am Rollator auf dem Flur mobil. Zum Entlasszeitpunkt bestand nur eine Metamizol-Bedarfsmedikation. Fazit: 1. auch unter einer hoch dosierten Opiattherapie sind Komplikationen anhand einer erhöhten Bedarfsmedikation zu erkennen. 2. nach Beseitigung der Schmerzursache bzw. bei Nachlassen des postoperativen Wundschmerzes besteht die Gefahr einer Überdosierung. P10.4 Akzidentielle intrathekale Morphinüberdosis in der ambulanten Schmerztherapie – Eine Kasuistik T. Finteis, J. Blunk, A. Wagner, J. Benrath Schmerzzentrum, Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Mannheim Hintergrund: Die kontinuierliche, intrathekale Morphingabe mittels PCA-Pumpe ist ein etabliertes Verfahren in der Schmerztherapie bei Palliativpatienten. Wir berichten über einen Beinahezwischenfall (Intoxikation mit 50facher intrathekaler Morphinüberdosierung) bei einem 60jährigen ambulanten Patienten mit Pankreaskopf-Karzinom. Kasuistik: In einem Haus der Maximalversorgung wird ein 60jähriger Patient (172 cm, 70 kg) mit Pankreaskopf-Karzinom mit Beginn der onkologischen Behandlung parallel durch das Schmerzzentrum versorgt. Nach initialer Schmerztherapie (Nicht-Opiate, Opiate, Co-Analgetika) ist nach CT-gesteuerter Plexus Coeliacus-Blockade zusätzlich eine Morphin-PCA (MSI 7 mg Boli s.c., CADD-Legacy®, Smith medical, U.K.) zur Behandlung von Durchbruchschmerzen notwendig. Vom 6.-35. Tag wird der Patient ambulant im Schmerzzentrum und durch einen Pflegedienst betreut. Schmerzsteigerung im Verlauf, daher vom 36.-50. Tag sta-
tionäre operative Anlage eines intrathekalen (i.t.) Schmerzkatheters mit Portsystem und Dosisfindung/Therapieoptimierung der i.t.-Applikation von Morphin (CADD-Legacy®-Pumpe, MSI 0,4 mg/h basal, i.t./ 0,05 mg Bolus i.t.). Ab 51. Tag erneute ambulante Versorgung durch Schmerzzentrum. Geplanter Austausch der MSI-Kassette in Schmerzambulanz am 56. Tag, am 55. Tag Bestellung der MSI-Kassette durch die Schmerzambulanz in der Apotheke per Telefon. Produktionsbeginn in Apotheke gemäß Arzneibuch (MSI 20 mg/ml) noch vor Eintreffen des BTM-Rezepts (MSI 0,4 mg/ml) und sofortige Auslieferung ohne Kontrolle (Fehler #1). Ambulanter Kassettenwechsel am 56. Tag, 09:00 h mit Nicht-Erkennen der falschen Kassetten-Konzentration in Schmerzambulanz (Fehler #2). Pumpen-Display zeigt Basalrate 0,1 mg/h i.t., tatsächliche Dosis ist 5,0 mg/h i.t. Am 57. Tag, 14:00 h, klagt der Patient über Übelkeit, ist verwirrt. Der Patient sucht seine Hausarztpraxis auf: Lediglich Symptomkontrolle durch Vomex A supp, keine weitere Ursachensuche durch Hausarzt (Fehler #3). 57. Tag, 20:15 h, progrediente Zeichen einer Opiatintoxikation (Verwirrtheit, Schwitzen, Übelkeit), daher Notruf an Pflegedienst durch Ehefrau. 20:45 h Pflegedienst vor Ort, Check PCA-Pumpe (Pumpendisplay o.k.), kein Check der Kassettenkonzentration (Fehler #4). 21:00 h Notruf an Schmerztherapeut (Hotline) durch Pflegedienst, gemeinsamer Check der Pumpe, Fehlerhafte Konzentration wird gemeinsam im Team erkannt. Stopp PCA-Pumpe am 57. Behandllungstag um 21:05 h. Zusammenfassung: Es handelt sich um eine 50fache Überdosierung von Morphin i.t. über einen Zeitraum von 36 Stunden mit Zeichen der Opiatintoxikation (Vigilanzstörung, jedoch ausreichende Spontanatmung). Die therapeutische Breite von MSI i.t. scheint groß zu sein. Es wurden durch fünf unabhängige Personen (Apotheke - PTA, Schmerzambulanz – Schwester und Arzt, Hausarztpraxis - Arzt, Pflegedienst - Schwester) in Folge Regelverstöße begangen. Der initiale Fehler wurde daher 36 h lang nicht erkannt. Erst die gemeinsame Kontrolle im Team (PflegedienstSchwester plus Schmerztherapeut) führte zur Fehlererkennung und Einleitung von Maßnahmen. Schlußfolgerung: In der Schmerztherapie, insbesondere bei technisch komplizierten und potenziell tödlichen Verfahren, sind klare Regeln (SOP - Standard Operating Procedures) notwendig, deren genaue Einhaltung das Fehlerrisiko reduzieren helfen kann. Neben der Befolgung von Regeln ist eine situationsbezogene Wachsamkeit bei der Tätigkeit mit komplexen, technischen Systemen notwendig und erfolgt nun in unserem Schmerzzentrum nach dem Prinzip der Überprüfung der getätigten Einstellungen an Pumpen zur i.t.-Schmerztherapie durch eine zweite Person. Neben technischer Einweisung in Geräte nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) ist die regelmäßige Fortbildung für Mitarbeiter im Bereich der Patientenversorgung zu fordern. P10.5 Kontakt zum Gesundheitssystem, Gesundheits- und Erwerbstätigkeitscharakteristika bei Langzeit-Brustkrebsüberlebenden: Nationale Studie in Dänemark V. Peuckmann1,2, P. Sjøgren2, O. Ekholm3, N. K. Rasmussen3, P. Christiansen4,5, S. Moeller5, M. Groenvold6 1 Klinik für Anästhesiologie und Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum RWTH Aachen; 2 Multidisciplinary Pain Centre, University Hospital Rigshospitalet, Copenhagen, Denmark; 3 National Institute of Public Health, University of Southern Denmark, Copenhagen, Denmark; 4 Department of Surgery L, Aarhus University Hospital, Aarhus, Denmark; 5 Danish Breast Cancer Cooperative Group, DBCG Secretariat, Copenhagen, Denmark; 6 Department of Palliative Medicine, University Hospital Bispebjerg, Copenhagen, Denmark; Institute of Public Health, Department of Health Services Research, University of Copenhagen, Copenhagen, Denmark Studienziel: Die repräsentative epidemiologische Untersuchung einer national repräsentativen Population von Langzeit-Brustkrebsüberlebenden in Dänemark bezüglich Kontakt zum Gesundheitssystem, Gesundheit und Erwerbstätigkeit. Methoden: Altersstratifiziertes Sample von 2000 Frauen 5 – 15 Jahre nach kurativ intendierter Brustkrebs-Chirurgie ohne Rezidiv aus der Datenbank der „Danish Breast Cancer Cooperative Group“ (DBCG), Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts die als repräsentativ gilt im Hinblick auf Brustkrebs und Brustkrebsbehandlung in Dänemark. Die Daten wurden mithilfe einer FragebogenUntersuchung ermittelt und mit einem Populations-Sample von 3104 Frauen der nationalen „Danish Health and Morbidity Survey“ aus dem Jahre 2000 verglichen. Beide Studien enthielten den „Health-related quality of life“ Fragebogen „Short-Form 36“, Fragen zur täglichen Aktivität, Erwerbstätigkeit, Kontakt zum Gesundheitswesen und Soziodemographie. Assoziationen mit der vorherigen Brustkrebs-Behandlung wurden untersucht. Ergebnisse: Die Responserate betrug 79%. Im Vergleich mit der weiblichen allgemeinen Bevölkerung hatten signifikant mehr Brustkrebsüberlebende Kontakt zum Gesundheitssystem, speziell zu Fachärzten, ambulanter Behandlung, Physiotherapeuten und Chiropraktikern innerhalb der letzten drei Monate. Signifikant weniger Brustkrebsüberlebende erhielten eine Erwerbsunfähigkeits-Rente. Die Brustkrebsüberlebenden berichteten Einschränkungen täglicher Aktivitäten und Beendigung/Wechsel der Erwerbstätigkeit als Folge von Brustkrebs-Sequelae. In der multiplen logistischen Regressionsanalyse waren Radiotherapie und Endokrine Therapie signifikant assoziiert mit Beendigung/Wechsel der Erwerbstätigkeit. Kürzere Zeit nach Brustkrebs-Chirurgie war signifikant assoziiert mit Einschränkungen täglicher Aktivitäten, was wiederum signifikant assoziiert war mit einer signifikant schlechteren Lebensqualität. Konklusion: Die Brustkrebsüberlebenden hatten signifikant häufiger Kontakt zum Gesundheitswesen. Radiotherapie, kürzere Zeit seit Brustkrebschirurgie und Endokrine Therapie waren Prädiktoren für eine Einschränkung von täglicher Aktivität und Erwerbstätigkeit. P10.6 Ibandronat in der klinischen Praxis: Renale Verträglichkeit und anhaltende Wirkung auf Knochenschmerzen bei Brustkrebspatientinnen mit ossärer Metastasierung – Zwischenergebnisse einer deutschen nicht intervenierenden Studie M. Schmidt1, J. Seraphin2, B. Luhn3, U. Soeling4 1 Universitätsklinikum Mainz; 2 Northeim; 3 Hamburg; 4 Kassel Hintergrund: Bisphosphonate (BP) werden bei Knochenmetastasen (KM) zur Prävention von skelettalen Komplikationen (SRE) eingesetzt und können die oft mit KM einhergehenden und zunehmend belastenden Knochenschmerzen lindern. Über nephrotoxische Effekte von BP wurde berichtet, die Bewertung der Nierensicherheit ist daher von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des NutzenRisiko-Profils eines BP. Eine fortlaufende Post-Marketing-Studie untersucht zurzeit die renale Sicherheit und das Potenzial von Ibandronat (IBA) i.v. und oral, metastasenbedingte Knochenschmerzen bei Patienten mit Brustkrebs unabhängig von vorhergehender BP-Behandlung zu reduzieren. Patienten und Methoden: Für diese Zwischenanalyse konnten Beobachtungsdaten von 1897 Patienten mit Brustkrebs und ossären Metastasen im Durchschnittsalter von 63,3 + 11,9 Jahre ausgewertet werden. 1219 (64%) Patienten waren BP-naiv, 213 (11,2%) mit IBA, 465 (24,5%) mit anderen BP, meist Zoledronsäure (15,5%) und Pamidronat (8,3%) vorbehandelt. Die durchschnittlichen Vorbehandlungszeiten waren bei Pamidronat-Patienten mit 22,7 (+ 22,7) Monaten und Zoledronsäure-Patienten mit 20 (+ 17,9) Monaten länger als bei IBA-Patienten (12,8 + 11,9 Monate). Nach dem Einschluss erhielten die Patienten entweder 6 mg IBA i. v. 4-wöchentlich oder 50 mg per os täglich über 24 Wochen. Alle 4 Wochen wurden der Knochenschmerz-Status (mittels 10 Punkt VAS), Schmerzmitteleinnahme und Nierenfunktionsparameter (Serumkreatinin und Kreatinin- Clearance) sowie Standard-Laborparameter und die SRE- Inzidenz dokumentiert. Ergebnisse: Der durchschnittliche Schmerz-Ausgangswert war bei BPnaiven Patienten am höchsten (3,5 + 2,4; Vorbehandlung mit anderen BP: 3,2 + 2,5; Vorbehandlung mit IBA: 2,8 + 2,2) und nahm mit jeder Visite ab. Der niedrigste Wert wurde am Studienende erreicht. Abhängig von der BP-Vorbehandlung konnte von 66% der Gesamt-Stu-
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dienpopulation ein Rückgang des Schmerzscores von 10-40% erreicht werden, der mit einer 9,2%igen Abnahme des Schmerzmittelbedarfs einherging. Ernsthafte Beeinträchtigungen der Nierenfunktion wurden nicht beobachtet, insgesamt waren Veränderungen der Nierenfunktion mit max. + 8 – 15 ml/Min. Kreatinin-Clearance in allen Subgruppen vergleichbar, jedoch zeigten 26% der mit Zoledronsäure vorbehandelte Patienten bei Studieneinschluss Zeichen einer verminderten Nierenfunktion (Serumkreatinin > 1,2 mg/dl). Dieser Anteil war signifikant höher als in den anderen Subgruppen (IBA 11%; BP-naive 8%; Pamidronat 16%). Schlussfolgerungen: In der vorliegenden Zwischenanalyse einer großen Post-Marketing-Studie lindert IBA Knochenschmerzen bei Brustkrebspatienten mit ossären Metastasen deutlich und dauerhaft ohne relevante Beeinträchtigung der Nierenfunktion. Diese Daten bestätigen unter Praxisbedingungen die Ergebnisse früherer randomisierter klinischer Studien. P10.7 Therapie starker Tumorschmerzen mit retardiertem Hydromorphon H.-B. Sittig Palliativmedizin, Schmerztherapie, Geesthacht Zielsetzung: Im Fokus der Untersuchung standen Wirksamkeit, Verträglichkeit und Steuerbarkeit von retardiertem Hydromorphon bei Patienten mit starken Tumorschmerzen und progredienten Tumoren. Methoden: Patienten mit starken Schmerzen erhielten in prospektiven, nicht-interventionellen Multicenterstudien nach einer Eingangsuntersuchung – in der Regel 2-mal täglich – retardiertes Hydromorphon in schmerz-angepasster Dosierung. Kontrollen fanden am 3. und 7. Tag und eine Abschlussuntersuchung nach ungefähr 21 Tagen statt. Anhand eines standardisierten Fragebogens wurden Schmerzintensität und Lebensqualität erfasst. Die Schmerzintensität wurde mit einer numerischen Rating-Skala (NRS, 0 – 10 = keine – stärkste vorstellbare Schmerzen) gemessen, die Lebensqualität anhand eines Summenscores aus Aktivität, Stimmung, Gehvermögen, normale Arbeit, Beziehung zu anderen Menschen, Schlaf und Lebensfreude (jeweils 0 – 10 = keine – stärkste Beeinträchtigung, insgesamt 0 – 70 = keine – stärkste Beeinträchtigung). Dokumentiert wurden weiterhin: Vortherapie, Dosierung von retardiertem Hydromorphon, Art der Tumorerkrankung, Schmerzsituation und Auftreten Opioid-typischer Symptome. Im Fokus der Auswertung standen 2041 Patienten mit progressiven, Schmerz verursachenden Tumorerkrankungen. Ergebnisse: Demografie: Alter: durchschnittlich 66,1±13,1 Jahre (48,4% w, 51,4% m). Tumorerkrankungen: Tumor-Verteilung (häufigste): Brust (17,9%), Atemwege (15,2%), Prostata (13,7%) und Dickdarm (9,4%), weiblich genitale Tumoren (5,6%) Schmerzanamnese: durchschnittliche Schmerzdauer: 325,5 Tage, bei 76,1% der Patienten betrug die Schmerzdauer höchstens ein Jahr. Analgetische Vortherapie: keine Vorbehandlung oder mit Nicht-Opioid-Analgetika, schwachen Opioiden oder starken Opioiden und mit Koanalgetika. Hydromorphon-Dosis: zu Beginn durchschnittlich 13,8 mg/Tag, nach drei Wochen 20,0 mg/Tag. Schmerzintensität: Reduktion um 56,5%: zu Beginn betrug die durchschnittliche Schmerzintensität NRS 6,2, nach drei Wochen durchschnittlich NRS 2,7. Opioid-typische Symptome: Abnahme des Patientenanteils mit Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen von zu Beginn durchschnittlich 58,0%, 29,3%, 21,4% auf 3,5%, 2,9%, 1,4% nach 3 Wochen unter adäquater Begleitmedikation. Lebensqualität: Verbesserung um 53,5%: Die Beeinträchtigung der Lebensqualität betrug zu Beginn durchschnittlich 45,6, nach drei Wochen durchschnittlich 21,2. Abschlussbeurteilung – Arzt: Wirksamkeit, Verträglichkeit und Compliance „sehr gut“ und „gut“ bei jeweils mehr als 92 % der Patienten. Schlussfolgerung: Retardiertes, 2xtäglich verabreichtes Hydromorphon zeigt sich in der Praxis bei Patienten mit starken, progredienten Schmerzen bei progressiven Tumoren stark wirksam, gut steuerbar und verträglich.
P10.8 Unzureichende Vorhaltung von Betäubungsmitteln für sterbende Menschen in häuslicher Betreuung M. Thöns1, H. J. Flender2, F. Mertzlufft2, M. Zenz3 1 Praxis für Palliativmedizin, Bochum; 2 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall-,Transfusionsmedizin und Schmerztherapie, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld; 3 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativund Schmerzmedizin, BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum Zur häuslichen Versorgung von Menschen am Lebensende ist neben einem umfassenden Netzwerk aus Medizin, Pflege und Hospizarbeit insbesondere eine Versorgung mit starkwirksamen Schmerzmitteln (Opioiden) nahezu immer notwendig. Mit einer Befragung ambulant tätiger Palliativmediziner sollte die Versorgungssituation durch öffentliche Apotheken in Deutschland beurteilt werden. Methoden: 489 Palliativmediziner wurden in Verzeichnissen der kassenärztlichen Vereinigungen identifiziert, sie wurden angeschrieben und um Auskunft zur ambulanten Versorgung mit Betäubungsmitteln gebeten. Die Antworten wurden anonymisiert in eine Excel Datenbank überführt und deskriptiv statistisch ausgewertet. Ergebnisse: Von den 489 angeschriebenen Palliativmedizinern antworteten bis heute 208 (43%), bis auf 2 fanden es alle Ärzte (99%) wichtig, dass ambulant tätige Palliativmediziner jederzeit auf einen gewissen Pool an Betäubungsmitteln zugreifen können, 86,3% hielten die Versorgung durch öffentliche Apotheken für unzureichend. Diskussion/ Schlussfolgerung: Die Notwendigkeit der Vorhaltung von starkwirksamen Schmerzmitteln in öffentlichen Apotheken zur häuslichen Versorgung ist unstrittig. Trotz einer gesetzlichen Regelung in der Apothekenbetriebsordnung ist sie jedoch offensichtlich unzureichend organisiert und praktiziert. Bereits vor 2 Jahren zeigte eine Telefonbefragung von Apotheken, dass nur etwa jede 5. Apotheke Morphinampullen und -Tropfen vorrätig hatte [Thöns/ Zenz 2006]. Offensichtlich gibt es noch keine Verbesserungen. Neben der unzureichenden Versorgung zu Unzeiten berichten sogar einige Ärzte von Beschimpfungen bei der Verordnung von Betäubungsmitteln : …soll der Arzt doch selber besorgen“. Wir halten eine klare Regelung für notwendig:, Apotheken müssen jederzeit Medikamente zur Versorgung von Schmerzpatienten in häuslicher Palliativbetreuung vorhalten. Es ist aus palliativmedizinischer Sicht nicht akzeptabel, dass ein Tumorpatient mit starken Schmerzen von Samstagnachmittag bis Montagmittag auf die notwendige Schmerzmittelversorgung warten muss. Für die derzeit in Aufbau befindlichen Strukturen der Spezialisierten Ambulanten PalliativVersorgung (SAPV) ist darüber hinaus dringend eine Regelung zu finden. Ohne starkwirksame Schmerzmittel kann auch ein optimal organisierter ambulanter Palliativdienst nicht wirksam helfen. Eine gesetzliche Regelung ähnlich dem Stationsbedarf in Krankenhäusern sollte zeitnah für die SAPV erfolgen. P10.9 Umgang mit nicht mehr benötigten Betäubungsmitteln in der ambulanten Palliativversorgung M. Thöns1, H. J. Flender2, F. Mertzlufft2, M. Zenz3 1 Praxis für Palliativmedizin, Bochum; 2 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall-,Transfusionsmedizin und Schmerztherapie, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld; 3 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativund Schmerzmedizin, BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum Die meisten Palliativpatienten möchten ihren Lebensabend in der häuslichen Umgebung verbringen. Dabei spielen Opioide in der Behandlung von Beschwerden am Lebensende eine zentrale Rolle. Eine Befragung von Palliativmedizinern sollte ermitteln, welche Probleme ambulant tätige Palliativmediziner mit der BtMVV sehen und wie sie derzeit mit den gültigen gesetzlichen Bestimmungen in der Praxis umgehen. Methode: Es wurden alle in Internetverzeichnissen der Kassenärztlichen Vereinigungen registrierten Palliativmediziner angeschrieben und um Antwort auf zehn Fragen zum Umgang mit nicht mehr benötigten Betäubungsmitteln gebeten. Die Daten wurden anonymisiert in eine Excel-Datenbank eingegeben und mittels deskriptiver Statistik ausgewertet.
Ergebnisse: 208 (43%) der befragten Kollegen antworteten. 91% geben nicht mehr benötigte Betäubungsmittel an andere Patienten weiter, 34% dokumentieren, 21% quittieren dies. Die aktuellen Regelungen finden 11% praktikabel, 66% halten eine andere Regelung für notwendig. Nur 13% schätzen die Vorhaltung durch Apotheken in Notfällen und als ausreichend ein. Eine Pool-Vorhaltung wurde von 206 Ärzten als notwendig eingestuft. Zumeist vermuteten die Ärzte, dass nicht mehr benötigte BTM dem Arzt zurückgegeben (92%) oder gelagert (23,2%) würden, schlossen aber eine Entsorgung im Hausmüll (58%) auch nicht aus. 7% berichteten von einer Weitergabe der BTM an Verwandte oder Freunde. Für Hospize und Alten- und Pflegeheime wünschten sich etwa 90% analoge Regelungen wie für den Stationsbedarf in Krankenhäusern. Diskussion: Die derzeitigen Regelungen der BtMVV werden von fast allen befragten Palliativmedizinern als nicht praxistauglich angesehen. Obgleich die Weitergabe als Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz gilt wird dies sogar von etwa jedem 3. Palliativmediziner explizit dokumentiert, von etwa jedem 5. sogar dem Patienten quittiert. Die meisten Palliativmediziner sehen die BTM-Versorgung durch öffentliche Apotheken außerhalb normaler Öffnungszeiten als nicht ausreichend an. Nahezu alle sehen es als entscheidend an, dass ambulant tätige Palliativmediziner auf einen Betäubungsmittelpool zugreifen können. Fazit: Die aktuellen Regelungen im Umgang mit BtM sind offensichtlich weder praktikabel noch rechtlich einwandfrei. Im Sinne der Patienten und einer größeren Rechtssicherheit ist eine Überarbeitung der BtMVV unbedingt erforderlich. Dabei sollten Palliativmediziner in der Diskussion beteiligt werden. P10.10 Medikation am Lebensende – Einsparungen durch Kompetenz M. Thöns1, M. Zenz2 1 Praxis für Palliativmedizin, Bochum; 2 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, BG-Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum Durch ein umfassendes Betreuungsangebot können die meisten Palliativpatienten bis zuletzt im häuslichen Bereich verbleiben. Eindrucksvoll konnten einige Modellprojekte durch Strukturen spezialisierter Palliativversorgung Kostenreduktionen durch das Prinzip ambulant vor stationär nachweisen. Bis heute konnte jedoch eine flächendeckende regelfinanzierte ambulante Palliativversorgung nicht aufgebaut werden, wohl weil die Kostenträger Zusatzausgaben fürchteten. In einer Untersuchung sollte erfasst werden, ob auch im Bereich der medikamentösen Behandlung Kostenreduktionen durch den palliativärztlichen Dienst (PÄD) zu erzielen sind. Methode: Nach positivem Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ruhr Universität Bochum wurden Patientendaten aus dem PÄD Bochum mittels deskriptiver Statistik ausgewertet. Ergebnisse: Im 3. und 4. Quartal 2007 wurden 104 Patienten vom PÄD (mit-) betreut. Die Patienten waren im Schnitt 69,8 Jahre alt (38,8 – 95,1 Jahre), bei 95 Patienten (91,3%) lag eine Karzinomerkrankung vor. Beim Erstkontakt nahmen die Patienten im Schnitt 7 verschiedene Medikamente (Median, 1-16), davon konnten im Schnitt nur 3 (Median, 0-8) als symptomkontrollierende Medikation eingruppiert werden. In Rücksprache mit Patient und Hausarzt wurde die Medikation entsprechend reduziert. Diskussion: In Westfalen Lippe nimmt ein Seniorenheimbewohner im Schnitt über 7 Medikamente ein, in der Spitze bis zu 32 [AOK-WL 2008, pers. Mitteilung]. Dabei ist unlängst bekannt, dass ältere Menschen – auch ohne terminale Erkrankung – eher von einer guten symptomkontrollierenden Medikation profitieren als von einer Polymedikation zur (Sekundär-)Prophylaxe verschiedener Volkskrankheiten [Scheuerlen 2007]. Auch steigt das Risiko, ein Delir zu erleiden bei >= 5 verschiedenen Medikamenten um den Faktor 14. Besonders stellt sich dieses Problem in der Palliativmedizin dar, wo sicherlich die Medikation u.a. mit harnsäuresenkenden, fettstoffwechelkorrigierenden aber auch blutdrucksenkenden Medikamenten einer kritischen Diskussion bedarf. Auch unsere Patienten nahmen im Schnitt 7 verschiedene Medikamente ein, über die Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Hälfte der Medikamente diente nicht der Symptomkontrolle. So wurden als zweithäufigste Primärempfehlung die Reduktion einer Dauermedikation angeraten (32%), aber auch in 4 Fällen nach eingehendem Gespräch eine parenterale Ernährung zugunsten einer normalen Kost eingestellt. Fazit: Durch qualifizierte palliativmedizinische Maßnahmen lassen sich auch im Bereich einer medikamentösen Behandlung sinnvolle Kosteneinsparungen realisieren. Ein PÄD kann also sowohl durch ambulante Behandlung vor stationärer als auch durch gezielte Medikation und Orientierung an der Symptomkontrolle und den Bedürfnissen des Patienten zu Einsparungen führen. P10.11 Musiktherapie in der Palliativmedizin – Entwicklung eines spezifischen Evaluationsinstrumentariums A. F. Wormit, R. Hübert, H. V. Bolay, H. J. Bardenheuer SRH Hochschule Heidelberg; Deutsches Zentrum für Musiktherapieforschung (Viktor Dulger Institut) DZM e.V., Heidelberg; Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Anaesthesiologie, Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin Herleitung: Im Rahmen der palliativmedizinischen Komplexbehandlung ist Musiktherapie als nonverbales künstlerisches Psychotherapieverfahren im stationären Kontext bereits anerkannt. Studien zur Dokumentation und Evaluation von Musiktherapie in der Palliativmedizin zeigen jedoch bisher eine höchst heterogene Erkenntnislage. Ziel der Untersuchung war daher, geeignete musiktherapeutische Dokumentationsmethoden sowie Interventionen zur Steigerung des Wohlbefindens palliativer Patienten zu entwickeln. Methodik: Für die standardisierte Musiktherapie-Anamnese wurde ein Patienten-Interview-Leitfaden zum individuellen Umgang mit Musik (PILUM) entwickelt. Von 20 befragten Tumor- bzw. ALS-Patienten auf einer Palliativstation wurden 13 Patienten musiktherapeutisch behandelt. Anhand der Visuellen Analog-Skala (VAS) erfolgte direkt vor und nach der musiktherapeutischen Intervention die Messung des Wohlbefindens. Relevante medizinische, soziale sowie musikspezifische Daten wurden dokumentiert und evaluiert. Ergebnisse: Der PILUM bewährte sich als standardisierte MusiktherapieAnamnese und als Basis für die musiktherapeutischen Interventionen in der Palliativmedizin. Für 65% der Patienten hatte Musik seit der Diagnosestellung eine größere Bedeutung gewonnen. Innerhalb der musiktherapeutischen Sitzungen konnte bei den behandelten Patienten eine durchschnittliche Verbesserung des Wohlbefindens von 20% erreicht werden. Diskussion: Das entwickelte Evaluationsinstrumentarium sowie die eingesetzten musiktherapeutischen Interventionen sind für den Einsatz von Musiktherapie in der Palliativmedizin geeignet. Durch die Musiktherapie kann das Wohlbefinden der Patienten deutlich verbessert werden. Weiterführende Studien zur Musiktherapie in der Palliativmedizin sollten neben der Wirksamkeit auch im besonderen Maße die Spezifität der Musik berücksichtigen.
P11 Neuropathischer Schmerz I P11.1 Neuer dualer Wirkmechanismus des Antikonvulsivums Lacosamid B. Beyreuther, J. Freitag, T. Stoehr SCHWARZ BIOSCIENCES GmbH, ein Unternehmen der UCB-Gruppe, Abt. Pharmakologie, Monheim Fragestellung: Lacosamid (LCM) wird klinisch für die Behandlung von Patienten mit Epilepsie und schmerzhafter diabetischer Neuropathie entwickelt. Ziel dieser Studie war es, den Wirkmechanismus von LCM zu identifizieren. Methoden: In patch-clamp-Versuchen wurde der Einfluss von LCM auf spannungsabhängige Natriumkanäle (VGSC) untersucht. Um mögliche neuartige Bindungspartner von LCM zu identifizieren, wurden an Rattenhirn-Homogenaten Fishhook-Experimente sowie Bindungsassays mit Radioliganden an rekombinanten Proteinen durchgeführt.
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Ergebnisse: Elektrophysiologische Untersuchungen zeigten eine Verstärkung der spannungsabhängigen Inaktivierung der VGSCs, wodurch die Langzeitverfügbarkeit der Natriumkanäle und dadurch die neuronale Erregungsschwelle moduliert wird. Im Gegensatz zu anderen Analgetika und Antikonvulsiva, die auf Natriumkanäle wirken (z.B. Carbamazepin), hat LCM keine Wirkung auf die schnelle Inaktivierung der VGSCs und könnte somit die pathophysiologische und weniger die physiologische neuronale Aktivität reduzieren. Im Fishhook-Experiment wurde das Collapsin Response Mediator Protein 2 (CRMP-2) als möglicher Bindungspartner identifiziert. Liganden-Bindungsassays und funktionelle Studien haben diese Interaktion bestätigt. CRMP-2 ist ein Neuroplastizitätsprotein und spielt eine Rolle bei der Generierung neuer Neurone, dem Auswachsen von Axonen sowie deren Neuverschaltung. Da solche Prozesse sowohl bei Neuropathien als auch in der Epilepsie beobachtet wurden, könnte Lacosamid über CRMP-2 eine Wirkung auf den Krankheitsverlauf haben. Schlussfolgerungen: Diese Ergebnisse deuten auf einen neuen, dualen Wirkmechanismus von LCM hin. Da die langsame Inaktivierung der Natriumkanäle ein endogener Mechanismus ist, mit dem Neurone die pathophysiologische Hyperaktivität reduzieren, könnte dies ein wichtiger molekularer Mechanismus für die antikonvulsive und analgetische Wirkung von LCM sein. Die Interaktion von LCM mit CRMP-2 könnte möglicherweise krankheitsmodifizierende Wirkungen vermitteln. Dies ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. P11.2 Additive und synergistische analgetische Effekte des neuartigen Antikonvulsivums Lacosamid mit anderen Analgetika J. Freitag, B. Beyreuther, T. Stöhr SCHWARZ BIOSCIENCES GmbH, ein Unternehmen der UCB-Gruppe, Abt. Pharmakologie, Monheim Fragestellung: Lacosamid (LCM) ist ein Antikonvulsivum mit neuartigem Wirkmechanismus. Die Wirksamkeit bei Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie wurde in klinischen Studien der Phasen II und III untersucht. Da eine Kombinationstherapie verschiedener Analgetika in dieser Indikation häufig praktiziert wird, jedoch zu dieser Fragestellung nur sehr wenige klinische Studien vorliegen, wurde in einem präklinischen Modell die Kombination von Lacosamid mit anderen Analgetika unterschiedlicher Wirkmechanismen untersucht. Methoden: Hierzu wurde ein Vorderpfotenschmerz in Ratten durch die intraplantare Injektion von Formalin (5 %) induziert. 10 Minuten vor Formalininjektion wurden verschiedene Dosen von LCM, dem Antidepressivum Duloxetin, dem Opioid Morphin, dem Antikonvulsivum Gabapentin, dem NSAID Naproxen und dem NMDA- Antagonisten Memantin sowie Kombinationen dieser Substanzen i.p. injiziert. 30 Minuten nach i. p. Gabe wurde die Schmerzreaktion („Lecken der Pfote“) für 15 Minuten, verblindet, gemessen. Ergebnisse: Die Kombinationen von LCM (10 – 20 mg/kg i.p.) und Duloxetin, Morphin, Gabapentin, Naproxen und Memantin zeigten additive bis synergistische analgetische Effekte. Schlussfolgerungen: Diese tierexperimentellen Daten zeigten, dass Lacosamid in diesem Modell, möglicherweise aufgrund eines neuartigen Wirkmechanismus, positive pharmakodynamische Interaktionen mit anderen Analgetika aufweist. P11.3 Verwendung von elektronischen Schmerztagebüchern in der klinischen Routine R. Freynhagen, R. Baron, T. Kohlmann, J. Grimm, U. Gockel, T. R. Tölle Universitätsklinikum Düsseldorf Klinik für Anästhesiologie, StatConsult GmbH Magdeburg, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel; Institut for Community Medicine Universität Greifswald, Pfizer Pharma GmbH Projektmanagement Schmerz, Technische Universität München Klinik für Neurologie Einleitung: Schmerzen werden von jedem Menschen individuell wahrgenommen und sind im Unterschied zu Diabetes oder Bluthochdruck nicht einfach direkt durch Dritte zu messen. Zur individuellen
Messung der Schmerzintensitäten haben sich Skalen wie NRS oder VAS, die vom Patienten direkt bedient werden, etabliert. Im Zuge der technischen Entwicklung werden in jüngster Zeit auch elektronisch umgesetzte Skalen verwendet. Validierungsstudien zeigen keinen Unterschied zwischen dem Gebrauch klassischer Papierskalen und moderner elektronischer Methoden (z.B. Palm Handheld). Während in anderen Indikationen elektronische Langzeitmessgeräte (z.B. EKG oder Blutdruckmessgeräte) schon zur klinischen Routine gehören, gibt es für Schmerzpatienten kaum einsatzfähige Langzeitmessgeräte zur Schmerzmessung in der klinischen Routine. Fragestellung: Im Rahmen einer prospektiven „non interventional study“ bei neuropathischen Schmerzpatienten soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen elektronische Schmerztagebücher im klinischen Alltag verwendet werden können. Methoden: Eingeschlossen wurden Patienten mit der Diagnose neuropathischer Schmerz, deren durchschnittliche Schmerzintensität vom Patienten mit größer/gleich 4 auf der VAS angegeben wurde. Der Patient musste in der Lage sein, nach kurzer Einweisung selbstständig einen Palm Handheld zu bedienen. Für den Einsatz als elektronische Schmerztagebücher wurden speziell programmierte Palm Handhelds (Zire 31) verwendet. Bis auf die Schmerztagebuchfunktion wurden alle Anwendungen auf dem Gerät gesperrt. Durch einen Alarmton forderte der Palm Handheld zweimal täglich den Patienten zur Eingabe auf. Der Palm klingelte eine Stunde lang alle 15 min, bis eine Eingabe erfolgte. Falls trotzdem keine Eingabe geschah, wurde der Messpunkt übersprungen. Zusätzlich zur Frage der Schmerzintensität wurden, während der ersten Woche morgens auch Schlafqualität und Stimmung abgefragt. Der Messzeitraum betrug zuerst eine Woche und anschließend drei weitere Wochen. Während des Studienzeitraums stand eine technische Hotline zur Beratung zur Verfügung. Die Therapie sowie Anamnese und Komorbitäten wurden vom Studienzentrum auf konventionellen CRF-Papierbögen dokumentiert. Ergebnis: Im Zeitraum von November 2006 bis August 2007 wurden in 82 niedergelassenen Arztepraxen 584 Patienten (33% Männer, 67% Frauen) in die Studie eingeschlossen. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug bei Männern 54,2 Jahre und Frauen 54,7 Jahre. Die mittlere Schmerzintensität der Patienten wurde bei Studienbeginn mit 6,9 auf der VAS angegeben. Die Schmerzintensität wurde nach 4 Wochen (Studienende) mit im Mittel 4,8 auf der VAS angegeben. Insgesamt waren 320 Tagebücher im Einsatz. 13 % aller Messzeitpunkte wurden nicht eingegeben, davon 8% trotz Signalalarms. 5 % der Fehlwerte entfielen auf nicht aufgeladene Palm Handhelds. 10 Tagebücher wurden wegen technischer Defekte ausgetauscht. Die technische Hotline wurde insgesamt nur 10mal vom Patienten in Anspruch genommen Fazit: PalmHandhelds haben sich im klinischen Alltag bei chronischen Schmerzpatienten für Langzeitmessungen bewährt. Es müssen jedoch einige Rahmenbedingung beachtet werden (Patientenhotline, BackupFunktion, individuelle Messzeitpunkte). Der Vorteil der elektronischen Methode, sind direkt verarbeitbare Schmerzprofile, wodurch eine Optimierung der Schmerztherapie schneller als bisher möglich ist. P11.4 Lacosamid: Klinische Untersuchung zur Wirksamkeit bei Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie – Ergebnisse einer placebo-kontrollierten Doppelblindstudie J.Wymer1 und die SP742 Studiengruppe, C. Garrison2, J. Simpson2, B. Koch3 1 Upstate Clinical Research Albany, NY, USA; 2 SCHWARZ BIOSCIENCES GmbH, ein Unternehmen der UCB-Gruppe, Raleigh, NC, USA; 3 SCHWARZ BIOSCIENCES GmbH, ein Unternehmen der UCB-Gruppe, Monheim, Deutschland Fragestellung: Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lacosamid (LCM), einem neuartigen Antikonvulsivum mit analgetischer Wirkung, bei Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie zu untersuchen. Methoden: In einer randomisierten, placebo-kontrollierten, multizentrischen Doppelblindstudie wurden 370 Patienten mit schmerzhafter
diabetischer Neuropathie (Likert Score >/= 4) über 20 Wochen mit 200mg/d, 400mg/d, 600mg/d LCM oder Placebo behandelt. Primärer Endpunkt der Studie war die Schmerzreduktion bei Patienten unter LCM im Vergleich zu Placebo-Patienten. Ergebnisse: Die primäre Zielvariable war der intraindividuelle Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Tagesschmerz-Score vor Therapiebeginn und dem Durchschnittsscore der letzten 4 Therapiewochen auf der 11-Punkte (0-10) Likert-Skala. Die Reduktion des Schmerzscores war in allen Behandlungsarmen (2,1 bei 200mg/d, 2,5 bei 400mg/d und 2,2 bei 600mg/d) größer als unter Placebo (1,8). 69%, 81% und 83% der Patienten unter 200mg/d, 400mg/d und 600mg/d berichteten am Ende der Therapie über eine Verbesserung ihrer Schmerzsymptomatik (Placebo 68%). Die Rate unerwünschter Ereignisse war im 200mg/d und 400mg/d LCM-Arm nahe dem PlaceboNiveau. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter LCM 400mg/d waren Schwindelgefühl (13,2% vs. Placebo: 5,4%), Übelkeit (7,7% vs. 8,6%) und Kopfschmerzen (7,7% vs. 6,5%). Schlussfolgerungen: LCM reduzierte in einer Dosierung von 400mg/ d statistisch signifikant den Schmerzscore und zeigte ein Verträglichkeitsprofil, das auf Placebo-Niveau lag. Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass Lacosamid eine neue Therapieoption für Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie sein könnte. P11.5 Lacosamid bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie: Analyse von vier Doppelblindstudien A. Shaibani1, S. Bongardt2, K. Sommerville3 , J. Simpson3 1 The Nerve and Muscle Center of Texas, Houston, TX, USA; 2 SCHWARZ BIOSCIENCES GmbH, ein Unternehmen der UCB-Gruppe, Monheim, Deutschland; 3 SCHWARZ BIOSCIENCES, ein Unternehmen der UCB-Gruppe, Raleigh, NC, USA Fragestellung: Lacosamid (LCM) ist ein neuartiges Antikonvulsivum mit potenziell analgetischer Wirkung für Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie. Die klinische Wirksamkeit wurde in mehreren randomisierten Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien untersucht. Eine Analyse von vier Doppelblindstudien soll eine valide Aussage über die Wirksamkeit und Verträglichkeit von 400mg/d LCM geben. Methoden: Daten aus vier Doppelblindstudien der Phasen II und III wurden analysiert. Bei drei Studien mit einem fixen Dosierungsschema (SP742, SP743, SP768) betrug die Erhaltungsphase mit LCM 12 Wochen und bei einer Phase II Studie mit flexibler Dosierung (SP614) 4 Wochen. Die Primärvariable war in den Studien mit fixem Dosierungsschema die intraindividuelle Schmerzreduktion (11-Punkte Likert Schmerzscore) der letzten 4 Wochen in der Erhaltungstherapie im Vergleich zum Ausgangswert, in der Studie mit flexibler Dosierung die Schmerzreduktion über die gesamte Erhaltungsphase im Vergleich zum Ausgangswert. Ergebnisse: Patienten, die 400mg/d LCM erhielten (n=426), zeigten in allen Studien eine höhere Reduktion des Schmerzscores als Patienten unter Placebo (n=291). Die Ergebnisse waren in der Primäranalyse in zwei Studien statistisch signifikant (SP 614: p=0,04; SP742: p=0,01), in SP768 wurde Signifikanzniveau (p=0,0507) erreicht. Aufgrund eines sehr ausgeprägten Placeboeffekts bei der Abschlussvisite wurde in SP743 keine Signifikanz erreicht. Bei der Sekundärvariablen, Veränderung des Schmerzscores vom Ausgangswert zur gesamten Erhaltungstherapie, reduzierte LCM 400mg/d signifikant die Schmerzen gegenüber Placebo in allen Studien mit fixem Dosierungsschema (p=0,02, p=0,01 und p=0,007 bei SP742, SP743 und SP768). Bei der Behandlung mit 400mg/d LCM traten folgende unerwünschte Ereignisse mit einer Inzidenz >/=5% und häufiger als bei Placebo auf: Schwindelgefühl (13,8%), Müdigkeit (7,7%), Übelkeit (6,8%) und Tremor (5,9%). Schlussfolgerungen: Die Analyse der Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien der Phase II und III zeigte, dass Lacosamid in einer Dosierung von 400mg/d wirksam und gut verträglich ist und eine neue Therapieoption für Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie sein könnte. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts P11.6 Neuropathischer Brachioradialer Pruritus J. Koroschetz, A. Binder, S. Rehm, R. Baron Sektion für neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, UKSH Campus Kiel Hintergrund: Pruritus ist als häufiges Symptom dermatologischer Erkrankungen bekannt, kann aber auch Manifestation einer neurologischen Grunderkrankung sein, welche mit einer Affektion des Nervensystems ohne eine Hauterkrankung oder -irritation einhergeht. Diese neuropathische Form des Pruritus tritt entweder in Kombination mit neuropathischen Schmerzen oder unabhängig davon auf. Vorgestellt wird eine 64-jährige Patientin, welche seit 2 Jahren an Juckreiz leidet sowie Brennschmerzen und intermittierenden Parästhesien innerhalb des Innervationsgebietes des rechten 6. Zervikalnervs. Es sind keine dermatologischen Grunderkrankungen, keine lang anhaltende Sonnenexposition, kein Trauma der betroffenen Extremität oder des Myelons oder ein familiärer Pruritus bekannt. Methoden: Quantitativ sensorische Testung (QST) entsprechend des Protokolls des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz, Laser-Doppler-Scanner-Bild der Haut, MRT des zervikalen Myelons. Ergebnisse: Aufgrund des Kratzens zeigt sich ein chronisches Ekzem und eine erhöhte Hautdurchblutung (Laser-Doppler-Scanner) in dem vom Pruritus betroffenen Areal; die klinischen Untersuchung ergab kein fokal-neurologisches Defizit; in der QST zeigte sich eine gestörte Funktion A-Faser-Afferenzen sowie eine mechanische und thermische Hyperalgesie. In der MRT zeigt sich eine Kompression der rechten Zervikalwurzel C6 durch einen Bandscheibenvorfall. Schlussfolgerung: Es liegt ein brachioradialer Pruritus (BRP) vor, hervorgerufen durch einen Bandscheibenvorfall. Die Patientin unterzog sich einer ventralen spinalen Fusion mit Cage-Implantation, welche zu einem vollständigen Rückgang der Beschwerden und einer Normalisierung der QST-Parameter führte sowie einem Aussetzen der symptomatischen Therapie mit Gabapentin. Für die Pathophysiologie des BRP werden zwei unterschiedliche Mechanismen diskutiert, zum einen die Exposition gegenüber UV-Licht und zum anderen eine Neuropathie als zugrunde liegende Ursache. Daher sollte für eine optimale Behandlung sowohl ein gründliche dermatologische als auch neurologische Aufarbeitung erfolgen, einschließlich der Suche nach einer korrespondierenden Läsion im Bereich des peripheren oder zentralen Nervensystems. Unterstützt durch: J. Koroschetz, A. Binder, S. Rehm und R. Baron wurden unterstützt durch das BMBF, DFNS (01 EM 0504) und einem unrestricted educational grant von Pfizer Deutschland. P11.7 Erfolgreiche Therapie bei chronischer Trigeminusneuropathie mit Zikonotid E. A. Lux Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin, Berichtet wird erstmals über die erfolgreiche Behandlung einer 50jährigen Patienten mit intrathekalem Zikonotid bei Trigeminusneuropathie. Die Patienten hatte nach einer rechtsseitigen Kieferhöhlenausräumung nach Caldvell-Luc bei chronischer Sinusitis maxillaris im Jahre 1981 mit Revisionseingriffen 1984 und 1986 einen neuropathischen Schmerz des 2.Trigeminusastes entwickelte. Nach vergeblichen medikamentösen Therapieversuchen (Opioide, Antikonvulsiva, Antidepressiva) und zwischenzeitlich entwickeltem Opioidmissbrauch erfolgte 1999 die Implantation einer Stimulationssonde am Ganglion Gasseri. Unter der Elektrostimulation wurde eine Schmerzreduktion erreicht, technische Probleme führten allerdings zu 10 Revisionseingriffen in zwei universitären neurochirurgischen Zentren. Seit 2005 wird die Nervenstimulation als unwirksam beschrieben. Zwischenzeitlich absolvierte die Patienten zweimalig psychosomatische Rehabilitationsmaßnahmen bei psychovegetativer Erschöpfung. Überregionale stationäre Zuweisung aufgrund stärkster, unter laufender Medikation nicht gelinderter Schmerzen und drastisch eingeschränkter Lebensqualität. Schmerzanalyse:
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Schmerzlokalisation: sensibles Versorgungsgebiet des 2. Astes des N.trigeminus rechts Durchschnittliche Schmerzstärke: NRS 9 Schmerzqualität: stechend, brennend, teilweise einschießend Schmerzverstärkung: Berührung, Kälte, Luftzug, Stress Schmerzlinderung: bei stationärer Aufnahme nicht beschreibbar Untersuchung: Allodynie, Hyperaesthesie, Hyperalgesie in Versorgungsgebiet N.V/2 Medikation bei Einweisung: Oxycodon 3x80mg, Gabapentin 4x600mg, Amitriptyllin ret. 3x25mg, Atosil 4x20 Tropfen, Sevredol 4x10mg, Bromazepam 6mg zur Nacht. Therapie und Verlauf: Nach interdisziplinärer Vorstellung und Ausschluss einer die Schmerzsymptomatik begründenden Komorbidität erfolgte ein schrittweises Ausschleichen der Opioidmedikation (nach Rotation zu Hydromorphon) und nach Anlage eines Spinalkatheters die intrathekale Titration von Zikonotid (Prialt® - Eisai) in Schritten von 0,3µg alle 2-3 Tage über 3 Wochen bis zu einer Dosis von 3,9 µg/Tag, bei welcher eine Schmerzreduktion von NRS 9 auf NRS 4 eintrat. Fortsetzung der Therapie nach Implatation einer Synchromed®-Pumpe (Medtronic) mit wöchentlichen telefonischen Kontakten. Über einen Beobachtungszeitraum von 4 Monaten blieb das positive Behandlungsergebnis stabil. Aktuelle Medikation: Intrathekales Zikonotid 3,9µg/Tag Amitriptyllin ret. 3x25 mg Zopiklon 7,5 mg zur Nacht
P11.8 Differentialdiagnose von Missempfindungen der Beine in der primärärztlichen Praxis: Prävalenz des Restless Legs Syndroms K. Stiasny-Kolster1, T. C. Wetter2, J. Köster3, C. Möller3 1 Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Neurologische Klinik und Poliklinik, Marburg; 2 Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München; 3 Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim Fragestellung: Sensible Symptome des Restless Legs Syndrom (RLS) wie unangenehme, teils schmerzhafte Missempfindungen der Beine werden häufig als arteriell, venös oder orthopädisch bedingte Beinbeschwerden fehldiagnostiziert. Ziel der Studie war es, bei Patienten mit Beinbeschwerden in der primärärztlichen Versorgung die Prävalenz des RLS sowie die häufigsten Differentialdiagnosen zu erheben und die Auswirkungen der RLS-Symptomatik auf den Alltag der Patienten zu untersuchen. Methodik: In Praxen der primärärztlichen Versorgung erfolgte an einem Stichtag eine einmalige Befragung von Patienten und Ärzten. Der im Rahmen der epidemiologischen Querschnittsuntersuchung verwendete Patientenfragebogen enthielt einen validierten Fragenkatalog zur Erfassung des RLS und weitere Fragen zur Bestimmung des Schweregrads sowie des Einflusses der Beschwerden auf die Lebensqualität. Für Patienten, die unter Missempfindungen insbesondere Schmerzen der Beine litten, wurde zusätzlich vom untersuchenden Arzt ein Arztfragebogen ausgefüllt, auf dem die Diagnose der Bein-
beschwerden sowie Komorbidität und Medikation der Patienten angegeben wurde. Die essentiellen klinischen Diagnosekriterien für RLS wurden gezielt erfasst. Bei Vorliegen eines RLS wurde der Schweregrad mittels der Clinical Global Impression of Severity Skala (CGI-S) bestimmt. Ergebnisse: Von 16 543 Patientenfragebögen aus 312 Praxen konnten 16 531 ausgewertet werden. Etwa die Hälfte der Patienten (n=7704; 46,6%) berichteten über Beinbeschwerden. Für 7331 Patienten mit Beinbeschwerden lagen Arztfragebögen vor. Die Prävalenz des RLS in dieser Subgruppe lag bei 23,7% und war gegenüber der Gesamtpopulation (10,6%) deutlich erhöht. Die häufigsten Differentialdiagnosen waren Bandscheibenläsion (28,6%), Arthrose (25,5%) und Muskelkrämpfe (25,4%). Bei 79,1% der diagnostizierten RLS-Patienten traten die RLSSymptome zweimal pro Woche oder häufiger auf. Auf der CGI-S Skala wurden 54,2% der RLS-Patienten von den Ärzten als „mäßig krank“ (CGI-Schweregrad 4) bis „extrem schwer krank“ (Schweregrad 7) eingeschätzt. Im Vergleich mit Patienten, die unter Beinbeschwerden anderer Ursache litten, waren Patienten mit der Diagnose RLS (n=1737) im Median etwas älter (61,3 vs. 57,0 Jahre), häufiger weiblich (64,7% vs. 58,7%), berichteten öfter über eine mittelmäßige oder schwerere Beeinträchtigung ihres Alltags (56,0% vs. 42,5%), zeigten eine höher Anzahl komorbider Erkrankungen und nahmen häufiger rezeptfreie Medikamente wie z.B. Schmerzmittel oder Sedativa ein. Von den RLSPatienten hatten 53,4% ihren Arzt bereits vor der Befragung wegen ihrer Beinbeschwerden konsultiert; die korrekte Diagnose war in 20,1% aller RLS Fälle bereits gestellt worden. Die meisten RLS-Patienten (72,0%) wurden am Erhebungstag neu diagnostiziert. Schlussfolgerung: Trotz der hohen Prävalenz von RLS bei Patienten mit Beinbeschwerden ist die Erkrankung in der primärärztlichen Versorgung deutlich unterdiagnostiziert. Das RLS sollte in der Differentialdiagnostik von Beinbeschwerden besonders berücksichtigt werden, um möglichst frühzeitig die ungünstigen Konsequenzen dieser Erkrankung auch im Hinblick auf die Lebensqualität der Patienten zu erkennen und behandeln zu können. P11.9 Periphere Nervenstimulation bei Neuropathie des N. genitofemoralis nach Hernioplastik J. Walter, R. Reichart, S. A. Kuhn, R. Kalff Klinik für Neurochirurgie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena Einleitung: Die periphere Nervenstimulation (PNS) mit permanent implantierten Elektroden und Stimulatoren hat sich in der speziellen neurochirurgischen Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome etabliert. Hierbei kommen neben epifascialen Feldstimulationen bspw. im Bereich der Nn. occipitales auch direkte Stimulationsverfahren wie z.B. an den Nn. radialis, medianus und ulnaris sowie am N. tibialis posterior zum Einsatz. Davon abgeleitet werden im Folgenden die Indikationsstellung zur Implantation eines peripheren Nervenstimulationssystemes, das operative Vorgehen sowie die Ergebnisse der ersten Nachuntersuchungen in einem Fall ausgeprägter ipsilateraler Neuropathie des N. genitofemoralis aufgrund einer iatrogenen Nervenläsion im Rahmen einer endoskopisch durchgeführten und laparaskopisch revidierten Hernioplastik beschrieben. Fallbericht: Der 42-jährige Patient stellte sich wegen unerträglicher und bislang therapieresistenter Schmerzen im Bereich des linken Hodensacks und der linken Oberschenkelinnenseite in unserer Klinik vor. Aufgrund einer vorangegangenen Hernioplastik einer ipsilateralen Inguinalhernie, die als Totale Extraperitoneale Patchplastik (TEPP) erfolgte und sich anschließender laparaskopischer Korrektur einer Malposition des implantierten Netzes, entwickelte der Patient eine ausgeprägte Neuropathie des N. genitofemoralis. Konservative Therapieversuche mit NSAR, lokalanästhetische Blockaden des N. genitofemoralis sowie die antineuropathische Therapie mit Pregabalin führten zu keiner deutlichen Beschwerdelinderung. Aufgrund des klar neuropathischen Schmerzcharakters bei symptomatischer N. genitofemoralis-Neuralgie entschieden wir uns zunächst zu einer Austestung der Nervenstimulation mit einer 8-poligen Stabelektrode, die perkutan
im Verlauf des N. genitofemoralis links platziert wurde, für 5 Tage. Insbesondere wurden die Areale, in denen vorher ein kaum mehr erträglicher Schmerz bestand sehr gut abgedeckt, so dass wir bei belassener Elektrode, einen internen Stimulationsgenerator im linken Unterbauch implantierten. Die zuvor gewählten Parameter des externen Generators wurden unmittelbar nach dem Eingriff auf den neuen Stimulator übertragen. Das Stimulationsergebnis war für den Patienten unverändert optimal. Während des nun über einjährigen Follow-up`s berichtete der Patient über konstant sehr gute Erfahrungen. Die Schmerzwahrnehmung reduzierte sich auf der VAS von 8-9 auf nun 3-4, was einer Reduktion um fast 70% entspricht. Diskussion: Die periphere Nervenstimulation ist ein vergleichsweise wenig invasives, nicht-destruktives und operativ einfaches Verfahren in der Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome, das eine sehr geringe Komplikationsrate (Implantatinfektion, Elektrodendislokation und -bruch, Stimulatordysfunktion) aufweist. Die perioperative Verletzungsrate der Nn. genitofemoralis und ilioinguinalis im Rahmen von Hernioplastiken und sich oft hieraus entwickelnden therapieresistenten Neuralgien wird mit 2-3% angegeben. Die diesem Fall stellt die PNS eine gute Therapiealternative dar, die bislang noch zu wenig Beachtung findet. Obwohl jederzeit telemetrisch möglich, war in diesem Fall eine Anpassung der Stimulationsparameter bislang nicht erforderlich gewesen. Auch nach über einem Jahr konnten eine unverändert korrekte periphere Elektrodenlage und optimale Stimulationsergebnisse mit einer Schmerzreduktion um ca. 70% nachgewiesen werden. Negative Begleiteffekte durch die Elektrodenlage in der linken Leistenregion oder durch den implantierten Generator wurden nicht beschrieben. P11.10 Zervikale Rückenmarksstimulation (cSCS) – 3 Fallbeispiele seltener und erweiterter Indikationsstellungen J. Walter, R. Reichart, S. A. Kuhn, R. Kalff Klinik für Neurochirurgie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena Einleitung: Die epidurale Rückenmarksstimulation (SCS) dient der Behandlung chronischer, neuropathischer Schmerzen durch gezielte elektrische Stimulation der Hinterstränge. Somit ist eine direkte Beeinflussung der afferenten nozizeptiven als auch der efferenten sympathischen Transmission peripherer und zentraler Bahnsysteme möglich. Das Stimulationsergebnis besteht in der Maskierung des schmerzhaften Areals durch angenehme Kribbelparästhesien. Durch neuromodulatorische Prozesse kann im Langzeitverlauf auch eine stimulationsunabhängige Schmerzreduktion beobachtet werde. Die zervikale Rückenmarksstimulation (cSCS) dient der Behandlung neuropathischer Zervikobrachialgien. Im Folgenden werden 3 Beispiele seltenerer cSCS-Indikationen vorgestellt. Ergebnisse & Fallberichte: Entsprechend eines festgelegten Therapieregimes durchlaufen Patienten, bei denen die Indikation zur Anlage einer Rückenmarksstimulation gestellt wurde, zunächst eine Testbehandlung mit externer Stimulation für 5-7 Tage. Hierbei wird im Rahmen eines Wacheingriffes zunächst eine 8-polige Stabelektrode indikationsabhängig bis zu HWK2-3 vorgeschoben und durch entsprechende Lageanpassung das beste Stimulationsergebnis gesucht. Ist aufgrund komplexer Stimulationsanforderungen oder bei zu ausgeprägter Lageabhängigkeit die Implantation einer Plattenelektrode notwendig, so wird diese in Vollnarkose durchgeführt. Erst bei einer Schmerzreduktion >50% erfolgt die Implantation des permanenten Stimulators. I.) cSCS bei Läsion des Plexus brachialis: Für die cSCS bei peripheren Plexusläsionen liegen nur wenige Erfahrungsberichte vor. In diesem Fall erlitt der Patient bereits vor 10 Jahren im Rahmen eines Motorradunfalles eine Zerreißung peripherer Anteile des rechten Plexus brachialis. Der Arm war plegisch mit einer Schmerzverteilung über mehrere Dermatome und einer ausgeprägten vegetativen Begleitkomponente. Nach cSCS kam es zu einer anhaltenden Schmerzreduktion um ca. 70% auf der VAS und einer signifikanten Rückbildung der vegetativen Störungen. II.) cSCS bei axillärer Postzosterneuralgie: Entscheidend für den Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Stimulationserfolg bei Postzosterneuralgie ist eine erhaltende Restsensibilität im betroffenen Dermatom. In diesem Fall litt die Patientin unter neuropathischen Schmerzen nach Zosterinfektion im rechten Axilla-Bereich. Durch cSCS wurde im 1-Jahres-Follow-up eine anhaltende Schmerzlinderung von 74% erreicht. III.) cSCS bei Ulnaris-Neuropathie: Bei neuropathischen Schmerzsyndromen peripherer Nerven hat sich die periphere Nervenstimulation bewährt. In diesem Fall einer Ulnaris-Neuropathie gingen jedoch aufgrund eines SUS bereits 4 lokale Eingriffe mit mehrfacher Transposition des Nerven voraus, so dass wir uns gegen eine lokale periphere Stimulationssonde und für eine cSCS mit C7-8-Stimulation entschieden. Die Schmerzreduktion wurde nach über einem Jahr nun mit mehr als 65% angegeben. Diskussion: Wie hier gezeigt werden konnte, stellt die cSCS ein sehr Erfolg versprechendes Verfahren in der Behandlung neuropathischer zervikaler Radikulopathien sowie peripherer Neuropathien dar. Es wurde durchweg eine Schmerzreduktion um mehr als 50% erreicht. Implantationsbedingte Komplikationen traten in keinem Fall auf. Trotzdem sollte aufgrund des erhöhten perioperativen Risikos die Implantation epiduraler Stimulationselektroden in Höhe des Zervikalmarks nur spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.
P12 Neuropathischer Schmerz II P12.1 Dyssynchirie im Capsaicin-Modell – eine quantitativ sensorische Analyse A. Binder, M. Stengel, J. Wilkens, G. Wasner, J. Schattschneider, R. Baron 1 Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, 2 Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Einleitung: Dyssynchirie ist ein häufiges Symptom des CRPS. Hierbei werden Schmerzen in der betroffenen Extremität durch entsprechende Reize an korrespondierenden Arealen der gesunden Extremität bei gleichzeitigem Betrachten der gespiegelten gesunden Hand (= virtuell erkrankten Hand) hervorgerufen. Eine Dyssynchirie konnte bei anderen neuropathischen Schmerzsyndromen nicht nachgewiesen werden. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, in wieweit sich im Capsaicin-Modell, einem Surrogatmodell neuropathischer Schmerzen, eine Dyssynchirie nachweisen lässt. Methode: In 10 gesunden Probanden wurde an beiden Unterarmen ventral eine quantitative sensorische Testung nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbundes neuropathischer Schmerz (DFNS) durchgeführt. Diese wurde nach intrakutaner Injektion von 100μg Capsaicin am rechten bzw. linken Unterarm (balanziert 5:5) wiederholt. Nachfolgend wurde die mechanische Schmerzschwelle (MPT) und die mechanische Schmerzsensitivität (MPS) erneut bestimmt, wobei sich die Probanden auf ein Spiegelbild des linken bzw. rechten Unterarmes (virtueller Injektions-Unterarm = Testung nicht am Injektionsarm) konzentrieren sollten. Der rechte bzw. linke Unterarm (Injektions-Unterarm) war dabei, durch einen Spiegel verdeckt, für den Probanden nicht sichtbar. Ergebnisse: Alle Probanden zeigten nach Capsaicin-Injektion an dem rechten Unterarm eine mechanische Hyperalgesie, jedoch keine dynamisch mechanische Allodynie. In der Spiegelbedingung ließ sich bei der Prüfung am rechten bzw. linken Unterarm (virtueller InjektionsArm) bei allen Probanden keine mechanische Hyperalgesie und keine dynamisch mechanische Allodynie nachweisen. Schlussfolgerungen: Eine Dyssynchirie lässt sich im CapsaicinInjektions-Modell an gesunden Probanden nicht nachweisen. Die Desintegration von sensorischen Informationen im Rahmen einer cerebralen Repräsentations- und Wahrnehmungsstörung bei CRPS, die zur Dyssynchirie führt, ist möglicherweise von einem längeren Krankheitsverlauf bzw. von pathologischen Mechanismen abhängig, für deren Entwicklung das akute Schmerzmodell nicht ausreichend ist.
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P12.2 Häufigkeit von nicht diagnostisch bewertbaren Sympathikusblockaden E. K. Krumova1, C. Gussone2, S. Klauenberg1, A. Scherens1, M. Zenz2, V. Nicolas3, C. Maier1 1 Abteilung für Schmerztherapie, 2 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, 3 Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Ruhr-Universität Bochum Einleitung: Es gibt keine Symptomatik, die beweisend dafür ist, ob ein Schmerz vom sympathischen Nervensystem beeinflusst ist oder nicht (1). Deshalb ist bei Patienten mit vermuteten sympathisch unterhaltenen Schmerzen (SMP) eine diagnostische Sympathikusblockade indiziert. Allerdings hängt der diagnostische Wert der Blockade davon ab, ob die sympathische Aktivität erfolgreich ausgeschaltet wurde und zugleich keine Hypästhesie durch unbeabsichtigte Blockierung sensibler Nervenfasern nachweisbar ist (2). Zahlen über die Häufigkeit einer in diesem Sinne adäquaten Blockade liegen im Schrifttum nicht vor. Methodik: Bei 19 konsekutiven Patienten mit neuropathischen Schmerzen an der oberen (n=9) oder unteren (n=10) Extremität wurden insgesamt 26 Sympathikusblockaden durchgeführt (Stellatumblockaden (SB) mit 10-15ml Bupivacain 0,5%: n=9; CT-gesteuerte thorakale Grenzstrangblockaden (tGSB) mit 5ml Bupivacain 0,5%: n=2; CT-gesteuerte lumbale Grenzstrangblockaden (lGSB) mit 5ml Bupivacain 0,5%: n=12; CT-gesteuerte lumbale Grenzstrangblockaden (lGSN) mit 2ml Äthanol 95%: n=3). Peri-interventionelles Monitoring: Ruheschmerzerfassung (NRS 0-10) vor der Blockade, sowie 10 Min., 30 Min., 1 St., 3 St. und 6 St. nach der Blockade; Hauttemperaturmessung auf der erkrankten Seite sowie kontralateral mind. 30 Min. vor der Blockade bis mind. 120 Min. nach der Blockade; Bestimmung der Kälte- (CDT), Wärmewahrnehmungsschwellen (WDT) und der taktilen Detektionsschwellen (MDT) auf der erkrankten Seite sowie kontralateral vor und nach der Blockade mit Berechnung von Z-Werten nach log-Transformation (3). Statistik (SPSS): Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test. Für die Bewertung der Messwiederholung nach der Blockade wurden Daten (für CDT, WDT, MDT) aus einer Reliabilitätsstudie an Schmerzpatienten (4) zu Grunde gelegt. Ergebnisse: In vier der SB und drei der lGSB kam zu keinem Temperaturanstieg nach der Intervention (< 2°C). In fünf Fällen (4 lGSB, 1 tGSB von insgesamt 3 Pat.) verschlechterte sich die Funktion der Adelta- (CDT: n=2) oder A-beta-Faser (MDT: n=3) signifikant. In drei Fällen (1 lGSB, 1 lGSN, 1 tGSB in insgesamt 2 Pat.) kam es allerdings in mindestens einer der drei Wahrnehmungsschwellen zu einer Verbesserung der Detektion im schmerzhaften Areal. Diskussion: Nach Stellatumblockaden und selbst nach CT-gesteuerten Grenzstrangblockaden kann es offensichtlich bei mehr als 25% der Fälle zu einer Verschlechterung der sensorischen Funktion mit Hypo- oder Anästhesie kommen. In diesen Fällen kann eine gleichzeitig eingetretene Schmerzlinderung nicht zur SMP-Diagnostik genutzt werden. Zum Ausschluss einer sensiblen Affektion bei diagnostischen Sympathikusblockaden ist daher vor allem für wissenschaftliche Untersuchungen neben dem Nachweis einer efferenten Blockade sympathischer Fasern (Hauttemperaturmessung) auch eine standardisierte Prüfung der thermischen und taktilen Wahrnehmung mittels quantitativ sensorischer Testung zu fordern. 1. Treede RD, Schmerz 1998, 12:250–260 2. Maier C und Gleim M, Schmerz 1998, 12:282–303 3. Rolke R et al., Pain 2006, 123(3):231-43 4. Geber C et al., in Vorbereitung
P12.3 Differences of somatosensory profiles in complex regional pain syndromes types I and II and peripheral nerve injury – results of a multicenter study with 416 patients J. Ludwig, C. Maier, E. Krumova, H. Richter, R. Baron and the DFNS study group Sektion für Neurologische Schmerzforschung und Therapie, Klinik für Neurologie, Universität Kiel Abteilung Schmerztherapie, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Ruhr-Universität Bochum, Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) Complex regional pain syndromes (CRPS) can develop after trauma or minor tissue injury. In contrast to CRPS I a nerve lesion is necessary for the diagnosis of CRPS II. Besides autonomic, trophic or motor abnormalities, characteristics are somatosensory alterations that-in contrast to peripheral nerve injury (PNI)-are not restricted to the innervation territory of a certain nerve. The study aimed to (1) describe somatosensory characteristics in CRPS and PNI including possible changes of somatosensory alterations over time, (2) to identify possible different patterns that can be attributed to different underlying pathomechanisms. 416 patients (CRPS I: 298, CRPS II: 46 , PNI: 72) were examined clinically and with quantitative sensory testing (QST). Patients with PNI had a different somatosensory profile than CRPS patients. Patients with CRPS I and II showed similar somatosensory profiles, although patients with CRPS II had or showed a trend towards increased mechanical, vibration and cold detection thresholds. Reduced thresholds for pain pressure and heat pain were the most prominent characteristics of CRPS. CRPS patients with a longer disease duration showed a stronger loss of detection and decreased cold pain thresholds. In CRPS patients, sensory loss did not differ between those with and without dynamic mechanical allodynia (DMA), whereas patients with DMA had decreased thermal and mechanical pain thresholds. In contrast, PNI patients without DMA showed a pronounced loss of vibration detection. Data suggest that (1) CRPS and PNI differ regarding pathomechanisms that are most prominent, (2) CRPS I and II represent one disease differing only in sensory signs attributable to the nerve lesion, (3) peripheral sensitization is important in CRPS suggesting an involvement of the peripheral nervous system in chronification of pain, (4) the somatosensory profile of CRPS seems to change in the course of disease with a functional loss of detection and development of cold hyperalgesia. P12.4 Differenzierung verschiedener Schmerzmechanismen in der Postzosterneuralgie T. Schlereth, A. Schreiber, F. Birklein Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik für Neurologie Fragestellung: Für die Entstehung der Postzosterneuralgie (PZN) werden derzeit zwei Mechanismen verantwortlich gemacht. 1. Die PZN vom „irritablen Nozizeptor“ Typ mit Spontanschmerz und Hyperalgesie bei erhaltener sensorischer Funktion auf Grund abnormer Sensibilisierung unmyelinisierter Nozizeptoren. 2. Die PZN vom Deafferenzierungstyp mit Spontanschmerz bei sensorischem Defizit in Folge von Degeneration peripherer C-Fasern. Die Deafferenzierung lässt sich noch unterteilen in die Deafferenzierung mit bzw. ohne Allodynie. Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, wie mittels quantitativer sensorischer Testung und Histamin-Iontophorese zwischen diesen Schmerztypen unterschieden werden kann. Methoden: In dieser Studie wurden 20 Patienten mit PZN (mittleres Alter 73 +/- 1 Jahre) mittels Quantitativer sensorischer Testung (QST) untersucht. Zusätzlich wurde durch Histamin-Iontophorese ein Axonreflexflare ausgelöst. Die Flaregröße wurde mittels Laser-DopplerImaging bestimmt. Die Statistik wurde mittels gepaartem T-Test berechnet. Ergebnisse: Die Patienten wurden in 2 Gruppen aufgeteilt: Alle Patienten mit einer Flaregröße < 75 % verglichen zur Kontrollseite (n=9)
wurden in die Deafferenzierungsgruppe eingeteilt. Alle restlichen Patienten (n=11) in die gemischte Gruppe. Die Schmerzstärke war in beiden Gruppen gleich. Die Flaregröße ist abhängig von der Innervationsdichte histamin-sensitiver C-Fasern. Daher geht eine reduzierte Flaregröße mit einem Faserverlust einher im Sinne einer Deafferenzierung. In den Patienten der Deafferenzierungsgruppe fanden sich in der quantitativen sensorischen Testung Zeichen für einen Verlust sensorischer Funktionen über alle Nervenfasertypen hinweg. Warm- und Kaltwahrnehmungsschwelle, die abhängig von C- bzw. A-delta-Fasern sind, waren erhöht (p<0.05). Mechanische Wahrnehmungs- und Schmerzschwelle, die abhängig von der Funktion myelinisierter A-beta und A-delta-Fasern sind, waren ebenfalls erhöht (p < 0.05). Sechs dieser neun Patienten wiesen eine Allodynie auf. In der gemischten Gruppe waren die sensorischen Funktionen weitestgehend erhalten (nur Warmwahrnehmungsschwelle erhöht, p < 0.05). In dieser Gruppe war die mechanische Schmerzschwelle im Vergleich zur Deafferenzierungsgruppe signifikant reduziert als Hinweis auf eine Sensibilisierung wie sie beim „irritablen Nozizeptors“ zu erwarten ist. Schlussfolgerung: Die Histamin-Iontophorese ist ein objektives Verfahren, um die Deafferenzierung vom „irritablen Nozizeptor“ abzugrenzen. Dies ist auch mit der subjektiveren quantitativen sensorischen Testung möglich. Ziel ist die unterschiedliche Behandlung abhängig vom vorherrschenden Schmerztyp. P12.5 Häufigkeit von Plus- und Minussymptomatik bei neuropathischem Schmerz nach peripherer Nervenläsion M.Schmudermaier, K.Höchtl, B.Gustorff Vienna Human Pain Research Group Univ.Klinik für Anästhesie, Allg. Intensivmedizin u. Schmerztherapie Medizinische Universität Wien Ziel der Studie: Ziel der vorliegenden Untersuchung war, die Schmerzschwellen von Patienten mit peripherem neuropathischen Schmerz genau zu bestimmen und eine Zuordnung der vorherrschenden Plus- oder Minussymptomatik vorzunehmen. Weiters sollte die vorherrschende Reizqualität bei der Hyperalgesie bestimmt werden. Methoden: In einer von der Ethikkommission genehmigten prospektiven Studie wurden von 96 mit QST untersuchten Patienten ein Drittel (n=35) mit peripherem neuropathischem Schmerz bei Nervenengpass, postoperativ oder posttraumatisch für die vorliegende Untersuchung ausgewählt. Im Rahmen einer standardisierten QST wurden die mechanische Schmerzschwelle, die Druckschmerzschwelle und die thermische Schmerzschwelle für Hitze- und Kältereize bestimmt. Ergebnisse: Mindestens eine Form der Hyperalgesie (Druck–, thermische, und/oder mechanische Plussymptomatik) wurde 44 Mal beobachtet, wobei Kältehyperalgesie (n=13) und Druckhyperalgesie (n=12) dominierten. Minussymptomatik wurde 24 Mal beobachtet. Vorherrschend waren Hitze- (n=11) und Kältehypalgesie (n=10). Besonders hervorzuheben ist, dass bei keinem Patienten eine Druckhypalgesie zu beobachten war. Die häufigste Kombination an Minussymptomatiken betrug mit 20% an der Gesamtzahl der Patienten (n=35) die Kombination von Kälte- und Hitzehypalgesie. Bei den Patienten mit Plussymptomatik gab es recht ähnliche Kombinationen aller Hyperalgesien ohne ein vorherrschendes Muster. Interessanterweise war die Kombination zwischen Kältehypalgesie und Druckhyperalgesie bei 11,4% der Patienten ebenfalls eine häufige Kombination. Diskussion und Schlussfolgerung: Beim peripher geschädigten Nerven dominieren exzitatorische Phänomene mit einer beinah zweifachen Häufigkeit der Hyperalgesie im Vergleich zur Hypalgesie. Dieser neuropathische Schmerz weist ein überraschend heterogenes Muster der Schmerzempfindung auf. Dies weist deutlich auf die Beteiligung mehrerer Fasertypen und Schmerzmechanismen hin. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts P12.6 Funktionelle Bildgebung sensorischer Abschwächung und Verstärkung induziert durch repetitive noxische Stimulation F. Seifert, T. Stammler, R. De Col, C. Maihöfner Neurologische Universitätsklinik, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen; Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Erlangen Es zeichnet sich zunehmend ab, dass Schmerz-induzierte Neuroplastizität zu sekundären sensorischen Veränderungen wie zentral vermittelter Hyperalgesie oder Hypoalgesie führt. Wir untersuchten perzeptive Veränderungen, welche durch die Reizung von kutanen C-Nozizeptoren mit verschiedenen elektrischen Konditionierungsstimuli induziert wurden und entweder sensorische Verstärkung (mechanische Hyperalgesie; Stim 1) oder sensorische Abschwächung (Hypoästhesie und Hypoalgesie; Stim 2) bewirkten. Die zugrunde liegende zerebrale Verarbeitung wurde mit funktioneller Magnetresonanztomografie untersucht. Vor den Konditionierungsstimuli führten taktile Reize und Pin-Prick Stimulation zu differentieller Aktivierung des primären und sekundären somatosensorischen Kortex (S1, S2), der Insel und des prefrontalen Kortex (PFC). Nach Induktion mechanischer Hyperalgesie (Stim 1) wurden verstärkte Aktivierungen in somatosensorischen beziehungsweise Schmerz-verarbeitenden Arealen (S1, S2, Insel, Cingulärer Kortex) und attentionalen und kognitiven Netzwerken (parieto-frontal, parieto-cingulär und frontal) detektiert. Nach Induktion von Hypoästhesie und Hypoalgesie (Stim 2) korrelierte der Grad der sensorischen Abschwächung für taktile Reize und Pin-Prick-Reize direkt mit Deaktivierungen in S1, wohingegen attentionale und kognitive Netzwerke ebenfalls eine verstärkte Aktivierung zeigten. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass die zerebrale Verarbeitung Schmerz-induzierter sensorischer Verstärkung sich von der bei Schmerz- induzierter sensorischer Abschwächung deutlich unterscheidet. Ein möglicher neurobiologischer Mechanismus für sekundäre ZNS-vermittelte Hypoästhesie und Hypoalgesie könnte eine Beteiligung lokaler inhibitorischer Netzwerke innerhalb des somatosensorischen Kortex sein. P12.7 Die Untersuchung der Juckreizverarbeitung in Patienten mit atopischer Dermatitis – eine kombinierte psychophysische und funktionelle Bildgebungsstudie M. Valet, F. Pfab, T. Sprenger, C. Zimmer, H. Behrendt, J. Ring, U. Darsow, T.R. Tölle Neurologie, Klinikum r.d. Isar, TU München, Dermatologie und Allergie, Klinikum r.d. Isar, TU München, Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM), Klinikum r.d. Isar, TU München, Abt. Neuroradiologie, Radiologie, Klinikum r.d. Isar, TU München Ziel dieser Studie war es, die psychophysische und zerebrale Juckreizverarbeitung von Patienten mit Neurodermitis in läsionaler Haut (LS) und nicht-lesionaler Haut (NLS) näher zu charakterisieren. Für den psychophysischen Teil wurden 10 männl. Patienten und 9 gesunde männl. Probanden untersucht, die 1% Histaminlösung abwechselnd in LS bzw. NLS (Patienten) bzw. in gesunder Haut (HS; Kontrollen) des rechten Unterarms mittels Pricktechnik erhielten. Mit einer lokal angebrachten Thermode wurde Juckreiz durch die alternierende Gabe von 25°C bzw. 32°C (jeweils 20 Sekunden Dauer) abwechselnd verstärkt bzw. abgeschwächt. Die quantitative Juckreizbewertung wurde in 4 Sekunden Abständen auf einer VAS abgefragt. Anschließend wurde die qualitative Juckreizempfindung mit dem Eppendorfer Juckreiz Fragebogen (EIQ) evaluiert. Für den fMRT-Bildgebungsteil wurden mit derselben Stimulationsprozedur 13 männl. Pat. und 12 Kontrollen untersucht. Die durchschnittlich VAS Juckreizempfindung war signifikant höher während der 25°C (55% in LS; 49% in NLS) im Vgl. zu der 32°C Stimulation (36% in LS; 34% in NLS). Im Vgl. zu HS war der Juckreizanstieg für LS und NLS verzögert. Juckreizintensität und emotionale Bewertungen im EIQ waren am höchsten für LS, gefolgt von NLS und HS. Für NLS zeigte das fMRT zu Beginn der 25°C Stimul. ein zerebrales Deaktivierungsmuster in juckreizverarbeitenden Hirnstrukturen wie Thalamus, präfrontaler, cingulärer, insulärer, somatosensorischer und motorischer Kortex. Im weiteren Verlauf zeigt sich eine Reduktion des Deaktivierungsmusters
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mit zunehmender Aktivierung in den Basalganglien. Im Gegensatz dazu zeigt die 25°C Stimul. von LS von Anfang an ein überwiegendes Aktivierungsmuster in o.g. Hirnstrukturen. Bei den Kontrollen zeigt sich ein gemischtes Aktivierungsmuster mit Aktivierungen und Deaktivierungen in o.g. Hirnstrukturen. Die kurzzeitigen moderaten Temperaturveränderungen führen zu einer reproduzierbaren und signifikanten Verstärkung bzw. Abschwächung von Histamin induziertem Juckreiz, mit stärksten Effekten bei Stimulation von LS. Der allgemein verzögerte Anstieg der Juckreizempfindung bei Patienten, wie auch das zerebrale Deaktivierungsmuster bei Stimulation von NLS, werten wir am ehesten als zentral gesteuerten Versuch Juckreiz zu unterdrücken, wobei dieses nicht gelingt. Vielmehr zeigt sich eine im Vgl. zu den Kontrollen verlängerte Juckreizempfindung, welches analog mit einer anhaltenden zerebralen Juckreizreizaktivierung einhergeht. P12.8 Modellierung der Prävalenz und Kosten neuropathischer Rückenschmerzen C. M. Wenig1,2, B. Schweikert1,2, C. O. Schmidt3, U. Schmidt4, U. Gockel5, T. Tölle6, R. Baron7, R. Freynhagen8, T. Kohlmann3 1 Ludwig Maximilians Universität München – Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen und Münchner Zentrum für Gesundheitswissenschaften; 2 Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Neuherberg; 3 Institut für Community Medicine, Universität Greifswald; 4 StatConsult GmbH, Magdeburg; 5 Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe; 6 Universitätsklinikum Rechts der Isar München, Neurologische Klinik und Poliklinik und Zentrum für Interdisziplinäre Schmerztherapie; 7 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Neurologie, Campus Kiel, Sektion für Neurologische Schmerzforschung und -therapie 8 Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Anästhesiologie, Ambulanz für Schmerztherapie und Palliativmedizin Hintergrund: Obwohl das Wissen über die Prävalenz und die Bedeutung neuropathischer Schmerzen zunimmt, gibt es bislang kaum Studien, die die Kosten dieses Schmerztypus für das zentrale Krankheitsbild Rückenschmerzen untersuchen. Ziel: Ziel der Untersuchung ist die Schätzung der Prävalenz neuropathischer Komponenten bei Rückenschmerzen und der damit verbundenen Kosten. Methoden: Drei Studien dienten zur Modellierung neuropathischer Schmerzen in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung: painDETECT 1, painDETECT 2 und die Studie des Deutschen Forschungsverbunds Rückenschmerz (DFRS), die insgesamt 21.047 Testpersonen umfassen. Zur Erfassung neuropathischer Schmerzkomponenten wurde in den ersteren beiden Studien der painDETECT Screening Fragebogen verwendet (1). Mit Hilfe eines probabilistischen Imputationsalgorithmus wurde die Verteilung der drei painDETECT-Kategorien für die DFRSStichprobe geschätzt. Kostendaten wurden von 1.718 Teilnehmern der DFRS-Studie mit anhaltenden Rückenschmerzen von mehr als 30 Tagen während der 3 Monate vor der Befragung erhoben. Berücksichtigt wurden direkte Kosten durch die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sowie indirekte Kosten aufgrund von Produktionsausfällen durch Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit (2). Ergebnisse: Dem Modell zufolge leiden circa 4% der Erwachsenen an Rückenschmerzen mit neuropathischer Komponente. Zudem traten neuropathische Komponenten bei Personen mit schweren Rückenschmerzen gehäuft auf, weshalb deren Kosten überproportional hoch geschätzt wurden: Bei Personen mit anhaltenden Rückenschmerzen waren laut Modell die Kosten, die bei Patienten mit überwiegend neuropathischer Schmerzkomponente auftraten 37% höher als jene des durchschnittlichen Rückenschmerzpatienten und 67% höher als jene der Patienten mit überwiegend nozizeptiver Rückenschmerzkomponente. Ungefähr 16% der gesamten Kosten in Zusammenhang mit Rückenschmerzen waren solchen Patienten zurechenbar, die laut Modell an einer neuropathischen Komponente litten. Diskussion: Eine wichtige Einschränkung der Studie ist die Tatsache,
dass die Variablen zum neuropathischen Schmerz nicht direkt in der bevölkerungsbasierten DFRS-Studie erhoben, sondern modelliert wurden. Dennoch gibt das Modell erste wichtige Hinweise darauf, dass Rückenschmerzen mit neuropathischer Komponente einen im Vergleich zu ihrer Häufigkeit überproportional hohen Anteil der insgesamt mit Rückenschmerzen verbundenen Kosten ausmachen. Weitere bevölkerungsbasierte Untersuchungen sind nötig um eine direktere Einschätzung des neuropathischen Schmerzes und der daraus resultierenden Kosten zu ermöglichen. 1. Freynhagen R, Baron R, Gockel U, Tolle TR. painDETECT: a new screening questionnaire to identify neuropathic components in patients with back pain. Curr Med Res Opin 2006;22(10):1911-1920. 2. Wenig CM, Schmidt CO, Kohlmann T, Schweikert B. Costs of back pain in Germany. Eur J Pain 2008. In Press, doi:10.1016/ j.ejpain.2008.04.005. P12.9 Genexpression von Zytokinen und neurotrophen Faktoren im N. suralis bei Patienten mit schmerzhafter und schmerzloser Polyneuropathie N. Üçeyler, N. Riediger, W. Kafke, H. Lan, K. V. Toyka, C. Sommer Neurologische Klinik der Universität Würzburg, Würzburg Fragestellung: Polyneuropathien (PNP) unterschiedlicher Ätiologie können schmerzhaft oder schmerzlos verlaufen; die Ursache hierfür ist ungeklärt. Es gibt nur wenige Studien, in denen entweder die lokale oder die systemische Expression von Schmerz-assoziierten Mediatoren, meist Zytokinen, untersucht wurde. In unserer Studie analysieren wir die Expression von pro- und anti-inflammatorischen Zytokinen und neurotrophen Faktoren (NF) in Nervenbiopsien von Patienten mit schmerzhafter und schmerzloser PNP. Methoden: Bislang wurden 29 Patienten mit PNP unterschiedlicher Genese in die Studie aufgenommen. Untersucht wurde die Genexpression der Zytokine Tumor Nekrose Factor-α (TNF), Interleukin-1β (IL1β), IL-6 und IL-10, des Chemokins CCL2, sowie der NF NGF, NT3 und des NGF-Rezeptors TrkA in N. suralis Biopsaten mittels quantitativer real-time PCR. Alle Patienten wurden mittels quantitativ sensorischer Testung (QST) untersucht; zudem wurde die intraepidermale Nervenfaserdichte (IENFD) in einer proximalen und einer distalen Hautprobe bestimmt. Ergebnisse: Nach histologischen Kriterien finden sich zwei PNPUntergruppen mit jeweils schmerzhaftem (Sx) oder schmerzlosem (Sxlos) Verlauf: inflammatorische PNP (Sx n=8, Sxlos n=11) und nicht-inflammatorische PNP (Sx n=5, Sxlos n=5). Bei Patienten mit schmerzhafter nicht-inflammatorischer PNP zeichnet sich eine erhöhte Genexpression für Zytokine und NF im Vergleich zu Patienten ohne Schmerzen ab (TNF und IL-1β: p = 0,04; NGF: p= 0,03). Dieser Unterschied lässt sich bislang in der Gruppe der inflammatorischen PNP nicht finden. In der QST finden sich angehobene Schwellen für mechanische Detektion und ein reduziertes Vibrationsempfinden, während die small fiber Funktion im wesentlichen unbeeinträchtigt ist. Im Gegensatz dazu ist die IENFD deutlich längenabhängig reduziert. Schlussfolgerungen: Bei primär nicht entzündlicher PNP ist Schmerzhaftigkeit mit vermehrter Genexpression von TNF, IL-1ß und NGF im N. suralis assoziiert.
P13 Psychologie und Psychotherapie des Schmerzes P13.1 Evaluation einer Interventionsmaßnahme zur Schmerzbewältigung unter Anwendung des Impliziten Assoziations Tests (IAT) und expliziter Maße K. Erbe, G. von Collani Universität Leipzig Institut für Psychologie I In Anlehnung an bisherige Untersuchungen zu kognitiven Verarbeitungsbesonderheiten bei chronischen Schmerzpatienten, unternahm die vorliegende Arbeit den Versuch zu prüfen, ob chronische
Schmerzen sich als „globale Schmerzassoziation“ im Gedächtnis von Schmerzpatienten mit Hilfe des Impliziten Assoziations Tests (IAT; Greenwald, McGhee & Schwartz, 1998) nachweisen lassen. Der IAT bildet über Reaktionszeiten Assoziationen zwischen Konzepten ab. Hierbei sollen die bekannten Verfälschungstendenzen von Fragebögen umgangen werden. Neben dem entwickelten Schmerz-IAT kamen ein Selbstwert-IAT sowie explizite Fragebogenmaße zur Erfassung von Schmerzparametern (FESV, SES, Geissner, 2001) und des Selbstwertgefühls zum Einsatz. Die Schmerzpatienten (N = 28) absolvierten eine multimodale Schmerztherapie. Ihre Untersuchung fand sowohl vor als auch nach der vierwöchigen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapie statt. Zur Bewertung der Veränderung der erhobenen Maße erfolgte zudem die Datenerhebung an einer gesunden „schmerzfreien“ Kontrollgruppe (N = 28), die ebenfalls zweimal mit den IATs untersucht wurde. Im Ergebnis zeigten sich zum ersten Messzeitpunkt im Schmerz-IAT signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, die zum zweiten Messzeitpunkt nicht mehr nachweisbar waren. Die expliziten Schmerzmaße konnten durch die Therapie eine signifikante Verbesserung erfahren. Während im Selbstwert-IAT zu keinem der beiden Messzeitpunkte Unterschiede zwischen den Gruppen feststellbar waren, unterschieden sie sich zu beiden Zeitpunkten bezüglich ihres expliziten Selbstwertes. Anhand der ermittelten Effektstärken, ließ sich im Ergebnis die Nützlichkeit des erprobten Schmerz-IAT zur Evaluation einer Schmerzbewältigungsmaßnahme bestätigen. P13.2 Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen bei der Behandlung des Fibromyalgie-Syndroms – eine Meta-Analyse N. Füber, K. Bernardy, W. Häuser, F. M. Spinath Universität des Saarlandes, Differentielle Psychologie und psychologische Diagnostik Einleitung: Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist durch ausgedehnte chronische Schmerzen seit über drei Monaten und eine Druckschmerzhaftigkeit in 11 von 18 definierten Tender points gekennzeichnet (6). Die Patienten klagen zudem über eine Reihe weiterer Beschwerden, wie z.B. chronische Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und Morgensteifigkeit. Neben einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität (5) ist das FMS mit einer hohen sozialökonomischen Belastung verbunden (1). Bislang gibt es keine Therapie, die zu einer anhaltenden Remission der Beschwerden führt. Zwar empfehlen diverse Leitlinien die Anwendung kognitiv-verhaltenstherapeutischer Maßnahmen (2, 4), bisher hat aber noch keine quantitative Befundintegration stattgefunden, in welcher auch nicht kontrollierte Studien eingeschlossen wurden. Aufgrund der Behandlungsverpflichtung von Kliniken sind Studiendesigns, in denen behandlungsbedürftige Patienten einer Kontrollgruppe ohne Treatment zugeordnet sind, erschwert. Werden, wie in den Empfehlungen der aktuellen deutschen S3-Leitlinie zur Psychotherapie des FMS (4) nur kontrollierte Studien einbezogen, ist von einer artifiziell eingeschränkten Grundgesamtheit der der Metaanalyse zugrundeliegenden Primärstudien auszugehen. Ziel der vorliegenden Studie ist die Beurteilung der Effektivität psychotherapeutischer Interventionen beim FMS durch eine meta-analytische Befundintegration unter Einbezug kontrollierter und unkontrollierter Therapiestudien. Methode: Um relevante Literatur zu identifizieren wurde für den Zeitraum 1990 bis 2007 mittels der Datenbanken MEDLINE, PsycINFO, SCOPUS und Cochrane Library eine systematische Recherche durchgeführt. Zudem wurden einschlägige Übersichtsarbeiten manuell durchsucht. Für die Befundintegration wurde die meta-analytische Herangehensweise nach Hunter und Schmidt (3) herangezogen, die neben einer quantitativen Zusammenfassung die Korrektur statistischer Artefakte ermöglicht. Ergebnisse: Untersucht wurde die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer, entspannungstechnischer sowie hypnotherapeutischer (bzw. imaginativer) Interventionen hinsichtlich der Outcomes Schmerz, Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Depression und Lebensqualität von FMS Patienten. Unter Berücksichtigung etwaiger Verzerrungen, verursacht durch die Unreliabilität verwandter Erhebungsinstrumente, wurde die Therapiedosis als mögliche Moderatorvariable analysiert. Die mittleren Effektstärken sollen beim Kongress präsentiert werden. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse bestätigen die Überlegenheit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen in der Behandlung des FMS. Eine Evaluation psychodynamischer Maßnahmen muss zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund mangelnder Studien ausbleiben. 1. Boonen, A., van den Heuvel, R., van Tubergen, A., Goossens, M., Severens, JL., van der Heijde, D. & van der Linden, S. (2005). Large differences in cost of illness and wellbeing between patients with fibromyalgia, chronic low back pain, or ankylosing spondylitis. Annals of the Rheumatic Diseases, 64, 396-402. 2. Burckhardt, C. S., Goldenberg, D., Crofford, L., Gerwin, R., Gowans, S., Jackson, K., Kugel, P., McCarberg, W., Rudin, N., Schanberg, L., Taylor, A. G., Taylor, J. & Turk, D. (2005). Guidelines for the Management of Fibromyalgia Syndrome Pain in Adults and Children, APS Clinical Practice Guidelines Series, No. 4. Glenview, IL: American Pain Society 3. Hunter, J. E. & Schmidt, F. L. (2004). Methods of Meta-Analysis. (2 ed.). Thousand Oakes: Sage. 4. Thieme, K., Häuser, W., Batra, A., Bernardy, K., Felde, E., Gesmann, M., Illhardt, A., Settan, M., Wörz, R. & Köllner, V. (2008). Psychotherapie bei Patienten mit Fibromyalgiesyndrom. Der Schmerz, 22, 295-302. 5. Weir, P. T., Harlan, G. A., Nkoy, F. L., Jones, S. S., Hegmann, K. T., Gren, L. H. & Lyon, J. L. (2006). The incidence of fibromyalgia and its associated comorbidities: a population-based retrospective co-hort study based on International Classification of Diseases, 9th Revision codes. Journal of Clinical Rheumatology, 12, 124-128. 6. Wolfe, F., Smythe, H.A., Yunus, M.B., Bennett, R.M., Bombardier, C., Goldenberg, D.L. et al. (1990). The American College of Rheumatology 1990. Criteria for the classification of Fibromyalgie: Report of the Multicenter Criteria Comitee. Arthritis and rheumatism, 33, 160-172. P13.3 „Stopp den Schmerz“ – Ein kognitiv-behaviorales Schmerzbewältigungsprogramm für Kinder mit Bauchschmerzen – Erste Ergebnisse einer Pilotstudie M. Groß, P. Warschburger Universität Potsdam Hintergründe: Chronische Bauchschmerzen sind weit verbreitet und belasten die Kinder und deren Familie: die Lebensqualität ist eingeschränkt, das Selbstwertgefühl vermindert, Schulfehltage sind häufig. Es besteht ein erhöhtes Risiko, im Erwachsenenalter eine affektive Störung oder weitere Schmerzsyndrome auszubilden. Fragestellung: Das entwickelte Programm soll die Schmerzsymptomatik und psychosozialen Beeinträchtigungen reduzieren sowie die Lebensqualität steigern. Methode und Stichprobe: Das Training beinhaltet: Vermittlung von Wissen und Bewältigungsstrategien, Veränderung negativer Gedanken, Förderung positiven Erlebens. Das Programm wurde an elf Kindern im Alter zwischen sechs und elf Jahren erprobt. Die Wirksamkeitsüberprüfung erfolgte anhand eines prä-post Designs mit einer vierwöchigen Baseline-Phase vor Beginn des Trainings sowie als tägliche Verlaufsmessung. Ergebnisse: Die Teilnahme am Training ging mit einer reduzierten Schmerzhäufigkeit, -intensität, sowie vermindertem Stress und Reduktion negativer Kognitionen gegenüber der Baseline-Phase einher. Darüber hinaus steigerte sich die Lebensqualität der Teilnehmer. Die Akzeptanz des Trainings war sehr hoch. Diskussion: Die ersten Befunde sind sehr vielversprechend. Weitere kontrollierte Studien mit Follow-up Erhebungen sind notwendig.
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P13.4 Ausprägungen der Vertrauens-Trias bei Patienten mit chronischem Schmerz, Alkoholabhängigkeit und Depression im Vergleich M. Hewig, J. Heu, P. Hank, G. Krampen Universität Trier, Kliniken Wied Obwohl Vertrauen als Schutz- und Resilienzfaktor der seelischen und körperlichen Gesundheit gilt, existieren bislang wenige systematische Studien zur Ausprägung verschiedener Vertrauensaspekte bei unterschiedlichen somatischen, somatoformen oder psychischen Krankheitsbildern. So kann beispielsweise bei Schmerzpatienten aufgrund der Chronizität der Schmerzen und zumeist zahlreichen subjektiv erfolglos empfundenen Behandlungsversuchen angenommen werden, dass das Vertrauen in die Therapie und auf einen Therapieerfolg beeinträchtigt ist. Bei Patienten mit Depressionen sollten nach Beck (1970) sowohl das generelle Vertrauen in Andere, in sich selbst und in die Zukunft beeinträchtigt sein. Bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit liegen Studien zur Ausprägung des Selbstvertrauens mit uneinheitlichen Befunden vor. Ausgehend von dem integrativen Persönlichkeits- und Entwicklungsmodell der Vertrauens-Trias (VTT) von Krampen (Krampen & Hank, 2004) untersucht die vorliegende Studie das generalisierte soziale Vertrauen, Selbstvertrauen und Zukunftsvertrauen sowie spezielle, auf die Therapie bezogene Vertrauensaspekte bei insgesamt 127 Patienten mit chronischen Schmerzen, Alkoholabhängigkeit und Depressionen in (teil-)stationärer psychotherapeutischer Behandlung. Die varianzanalytischen Ergebnisse zeigen, dass sich Patienten aus den drei Störungsgruppen im generalisierten Selbstvertrauen und in den spezifischen Vertrauensaspekten signifikant voneinander unterscheiden. So weisen beispielsweise Patienten mit chronischen Schmerzen im Vergleich zu den beiden anderen Störungsbildern das stärkste Selbstvertrauen auf, während das Vertrauen in den Therapeuten bei diesen Patienten am geringsten ausgeprägt ist. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund ihrer Implikationen für die Psychotherapie diskutiert. 1. Beck, A. T. (1970). The core problem in depression: The cognitive triad. In J.H. Masserman (Hrsg.), Depression: Theories and therapies (S. 4755). New York: Grune and Stratton. 2. Krampen, G. & Hank, P. (2004). Biographische Rekonstruktion seelischer Gesundheit und psychischer Störungen anhand der VertrauensTrias. Trierer Psychologische Berichte, 31(1). P13.5 Süchtige Ärzte – ein tödliches Tabu C. Maier Abt. Schmerztherapie BG Klinikum Bergmannsheil Bochum Das erhöhte Risiko einer Suchterkrankung bei Ärzten, speziell bei Anästhesisten ist bekannt. US-Zahlen sprechen für eine Zunahme der Inzidenz z.B. bei Propofol (1), deutsche Zahlen sind nicht bekannt. Zur Vorbereitung einer systematischen Erhebung erfolgten 2 Teilnehmerbefragungen, um einen ersten Anhalt für die Größe des Problems zu erhalten. Methodik: anonymisierter Fragebogen mit Fragen nach erlebten oder von Kollegen berichteten Suchtfällen bei Mitarbeitern/Kollegen, Art des Suchtmittels, Ausgang (Tod, Entlassung, Rehabilitation, Postleitzahl). Ergebnisse: Auf zwei Veranstaltungen (A: Symposium zu Suchtfragen DAC 2008 Nürnberg, 80 Teilnehmer; B. Allg. Symposium (AINS Kiel 2008) ca. 300 Teilnehmer) hatten 63 von 182 (35%) mindestens einen Fall überwiegend selbst erlebt (Gesamtzahl: 195, davon 65% Anästhesisten, 17% Pflegende, 10% Chirurgen/Gynäkologen; 7% Internisten) zu haben. Die Angaben zum Suchtmittel waren prozentual auf beiden Veranstaltungen ähnlich: Fentanyl (n=66;34%); an 2. Stelle der Einzelsubstanzen schon Propofol (n=23;12%), Piritramid (n=22;11%) und Ketamin (n=14;7%), seltener Benzodiazepin/Hypnotika, aber auch 4 Fälle von Lachgas/Halothan-Missbrauch. 38 Todesfälle (Sterblichkeit: 19%) waren bekannt, bei hohem Anteil unbekanntem Ausgang, bei Propofol betrug die Zahl mit tödlichem Ausgang sogar 71%. Ca. 30% konnten nach Wissen der Befragten wieder im Krankenhaus arbeiten.
Fazit: Diese Erhebungen bestätigen trotz erheblicher methodischer Limitierung wie in den USA die Häufigkeit einer Suchterkrankung bei Ärzten, auch heute mit erschreckender Sterblichkeit, besonders bei Einnahme von Propofol (2), aber auch Ketamin scheint eine zunehmende Bedeutung zu erlangen (3). Systematische Erhebungen, aber vor allem die Einführung suchtpräventiver Maßnahmen sind dringend erforderlich. 1. Ward CF. Substance abuse. Now, and for some time to come. Anesthesiology. 1992;77:619-22 2. Wischmeyer et al. A survey of propofol abuse in academic anesthesia programs. Anesth Analg. 2007;105:1066-71 3. Nutt D, King LA, Saulsbury W, Blakemore C. Development of a rational scale to assess the harm of drugs of potential misuse. Lancet. 2007 24;369(9566):1047-53 P13.6 STAR-QUA – Ein neues validiertes Bewertungsinstrument für das Schmerzmanagement in Kliniken H. Richter1, C. Maier1, J. Osterbrink2, N. Nestler1, M. Zenz1 1 Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinik Bergmannsheil GmbH, Abteilung für Schmerztherapie, Bochum; 2 Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU), Salzburg Einleitung: Ein praxistauglicher Bewertungsansatz für die Qualität klinischer Schmerztherapie muss sich auf möglichst wenige Dimensionen beschränken, ohne dabei das Themenfeld unzulässig zu vereinfachen. Für benchmarking-Zwecke und interne Veränderungsmessungen sind außerdem quantitative Maße erforderlich, die nachvollziehbar und in Handlungsvorschläge zu übersetzen sind. Methodik: Deutschlandweit wurden in 25 Kliniken ca. 8000 Patienten sowie 4000 Ärzte und Pflegende nach Schmerzerleben, Versorgungsprozessen und Therapieeffekten vor und nach klinikzentrierten Beratungen und Schulungen befragt. Für die Aspekte Schmerzkontrolle, Therapieeffekte, Therapieprozesse, Informationsqualität und Patientenaktivität wurden Bewertungsscores entwickelt. Eine Bewertung der Dimensionalität und Reliabilitäten der Antwortstrukturen erfolgte mittels Korrelations- und Faktorenanalysen. Validitäten, Trenneigenschaften und Änderungssensibilitäten wurden durch Korrelationen und Mittelwertvergleiche bestimmt. Ergebnisse: Die Scores lassen sich als 5 essentiell unabhängige Dimensionen nachweisen. Strukturgleiche Ergebnisse für beide Befragungszeitpunkte wiesen auf eine hohe Reliabilität hin. Die Ausprägung der Scores hängen nachweisbar mit der Bewertung der Schmerztherapie zusammen. Interventionsbedingt stiegen die Scores mit der erwarteten Abhängigkeit vom Ausgangswert an. Klinikspezifische Charakteristika lassen sich durch sternförmige Profilbilder für die Dimensionsausprägungen (STAR-QUAs) deutlich nachweisen. Diskussion: Der STAR-QUA ist ein valides und anschauliches Instrument zur Beschreibung des Qualitätsprofils in der Schmerzversorgung. Die empirisch ermittelten Profile weisen sowohl generelle Unterschiede als auch klinikspezifische Stärken und Schwächen deutlich auf. Der STAR-QUA unterstützt die Gestaltung klinikzentrierter Interventionsansätze und ist ein sensibles Instrument zur Ergebnisevaluation. Die vorliegenden empirischen Ergebnisse liefern Kliniken darüber hinaus Maßstäbe für benchmarking-Ansätze. P13.7 Merkmale der deutschen Fassung des Chronic Pain Acceptance Questionaire (CPAQ-D) in einer Stichprobe von Patienten mit Somatoformer Schmerzstörung J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg Fragestellung: Nach McCracken ist die Akzeptanz chronischer Schmerzen dadurch definiert, dass die Betroffenen mit ihren Schmerzen leben ohne spezifische Reaktionen zu zeigen oder Versuche zu unternehmen, die Schmerzen zu reduzieren oder zu vermeiden. Diese Akzeptanz beinhaltet, dass die Betroffenen nicht mit ihren Schmerzen hadern und sich trotz Schmerzen positiven alltäglichen Aktivitäten widmen. Nilges
et al. haben eine deutsche Fassung des CPAQ (CPAQ-D) entwickelt und an einer Stichprobe von N=150 Patienten getestet. Die Autoren betonen, dass ‚weitere Daten aus unterschiedlichen Stichproben notwendig sind, um die Stabilität der psychometrischen Eigenschaften dieses Fragebogens zu bestätigen’. Die vorliegende Untersuchung ist dieser Aufforderung gefolgt. Methode: Einer Stichprobe von N=480 Patienten mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung (F45.4) wurde zu Beginn und zu Ende ihres stationären Reha-Aufenthaltes ein Fragebogenset mit folgenden Skalen vorgelegt: CPAQ-D, Fragebogen zur Erfassung der Schmerzverarbeitung (FESV), Pain Disability Inventory (PDI), Aachener Selbstwirksamkeitsfragebogen (ASF), die Skalen Situationskontrollversuche, positive Selbstinstruktion, soziale Abkapselung, gedankliche Weiterbeschäftigung, Resignation und Selbstbeschuldigung aus dem Stressverarbeitungsfragebogen (SVF), sowie eine Skala zur Lebenszufriedenheit. Die Daten wurden mittels exploratorischer Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Rotation Direct Oblim) und ProduktMoment-Korrelationen untersucht. Ergebnisse: Die Faktorenanalysen bestätigen zu beiden Messzeitpunkten weitgehend die zweifaktorielle Struktur des CPAQ-D sowie dessen Itemzuordnung. Die Reliabilitäten liegen je nach Messzeitpunkt und Skala zwischen a=0,81 und a=0,89. Die Korrelationsmatrix aller erhobener Skalen zeigt substantielle Zusammenhänge beider Schmerzakzeptanzskalen mit der schmerzbedingten Beeinträchtigung sowie etwas geringere Korrelationen zur sozialen Abkapselung und Resignation. Die Skala ‚Aktivitätsbereitschaft’ korreliert zudem substantiell mit den Selbstwirksamkeitserwartungen und der allgemeinen Lebenszufriedenheit. Beide Akzeptanzskalen zeigen nur geringe Korrelationen zu den Schmerzbewältigungsstrategien. Schlussfolgerungen: Die vorliegende Untersuchung bestätigt die Einsatzmöglichkeit des CPAQ-D im stationären Setting. Außer den Gütekriterien zeigen die Skalenkorrelationen, dass der CPAQ-D zusätzliche Aspekte neben Beeinträchtigung und Bewältigung erhebt. Die ‚Aktivitätsbereitschaft’ zeigt in dieser Studie große Nähe zur Selbstwirksamkeit. 1. Nilges, P., Köster, B. & Schmidt, C.O. (2007). Schmerzakzeptanz – Konzept und Überprüfung einer deutschen Fassung des Chronic Pain Acceptance Questionaire. Schmerz, 21:57-67. P13.8 Selbstwirksamkeit stärken – aus der Praxis für die Praxis J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg Fragestellung: Selbstwirksamkeitserwartungen begünstigen den Aufbau gesundheitsförderlicher und krankheitsvermeidender Verhaltensweisen, sind wichtige Determinanten von Schmerzverhalten und Beeinträchtigung, wirken als Mediator zwischen Schmerzintensität und Beeinträchtigung und sind gute Erfolgsprädiktoren für multidisziplinäre Behandlungen. Nach Bandura sind persönliche Erfolgserlebnisse, Beobachtungen der erfolgreichen Leistungen anderer, verbale Überredung oder Überzeugung sowie der physiologische Zustand und die wahrgenommenen Emotionen wichtige Quellen zur Verbesserung der Selbstwirksamkeitserwartungen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche konkreten Strategien in der klinischen Praxis eines multidisziplinären stationären Behandlungssettings zur Steigerung der Selbstwirksamkeit hilfreich sein können. Ergebnisse: Persönliche Erfolgserlebnisse schaffen: • Vermittlung hilfreicher Bewältigungsstrategien • Durchführung konkreter Verhaltensübungen (z.B. Rollenspiele, Biofeedback,...) • Vereinbarung erreichbarer Ziele • Förderung der Wahrnehmung eigener Fortschritte • Unterstützung bei der Attribution von Erfolgen auf die eigenen Kompetenzen • Vermeidung ineffektiver und passiver Maßnahmen Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Lernen am Modell fördern: • Gruppentherapien mit ähnlichen Störungsbildern • Förderung des Austausches zwischen den Gruppenmitgliedern (z.B. durch gemeinsame Übungen und den Austausch über Strategien und Erfahrungen) Glaubwürdigkeit, Expertise und Überzeugungskraft nutzen: • entsprechendes Behandlungskonzept und Setting • Stimmigkeit und Transparenz • Qualifikation der Therapeuten • insgesamt respektvoller Umgang mit den Patienten negative Effekte des physiologischen Zustands und der wahrgenommenen Emotionen verhindern: • Ängstlichkeit und Aufregung entpathologisieren • differenzierte Emotionswahrnehmung fördern • vertrauensvolle Atmosphäre aufbauen • Gruppenkohärenz fördern Schlussfolgerungen: Das Konzept der Selbstwirksamkeit bietet eine Reihe von Möglichkeiten, mittels verschiedenster psychotherapeutischer Strategien einen wesentlichen Teil zum Behandlungserfolg unserer Patienten beizutragen. Die Kenntnis des Konzeptes kann helfen, ineffektive Strategien zu vermeiden. P13.9 Einfluss der Selbstwirksamkeit auf Schmerzbewältigung und Beeinträchtigung J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg Fragestellung: Selbstwirksamkeit wird in der Literatur als zentrale Variable für Schmerzbewältigung und schmerzbedingte Beeinträchtigung diskutiert. Verschiedene Autoren formulieren hierbei unterschiedliche Zusammenhangsannahmen: Schermelleh-Engel (1992) sowie Seemann und Zimmermann (1999) postulieren, dass die emotionale Beeinträchtigung direkten Einfluss auf die Schmerzbewältigung hat, Geissner (2001) hingegen postuliert, dass die Bewältigungshandlungen auf die emotionale Beeinträchtigung wirken. In der vorliegenden Studie wurden diese unterschiedlichen Annahmen überprüft und miteinander verglichen. Methode: In einer Feldstudie wurden N=316 Patienten mit Somatoformer Schmerzstörung bei Aufnahme und Abschluss einer stationären psychosomatischen Rehabilitation hinsichtlich Selbstwirksamkeitserwartungen, Schmerzbewältigungsstrategien, schmerzbedingter und allgemeinpsychischer Beeinträchtigung untersucht und bei Entlassung zusätzlich mit direkten Therapieerfolgsratings befragt. Die Daten wurden mit Strukturgleichungsmodellen im Rahmen konfirmatorischer Pfadanalysen analysiert und kreuzvalidiert. Ergebnisse: Nach den vorliegenden Ergebnissen üben die Selbstwirksamkeitserwartungen einen günstigen Einfluss auf den Einsatz kognitiver und behavioraler Schmerzbewältigungsstrategien aus. Sie wirken zudem der emotionalen und behavioralen Beeinträchtigung entgegen. Eine höhere emotionale Beeinträchtigung fördert den Einsatz behavioraler Schmerzbewältigungsstrategien und wirkt ungünstig auf die behaviorale Beeinträchtigung. Schlussfolgerungen: Besitzt eine Person ein hohes Maß an Selbstwirksamkeitserwartungen, so setzt sie bei Bedarf mit größerer Wahrscheinlichkeit kognitive und behaviorale Schmerzbewältigungsstrategien ein. Darüber hinaus fühlt sie sich emotional und behavioral weniger beeinträchtigt, was wiederum den Bedarf an Bewältigungshandlungen reduziert. Besitzt eine Person hingegen nur eine geringes Maß an Selbstwirksamkeitserwartungen, so fördert dies das Erleben emotionaler und behavioraler Beeinträchtigung, was wiederum den Bedarf zum Einsatz adaptiver Schmerzbewältigungsstrategien steigert. Aufgrund der geringen Selbstwirksamkeitserwartungen ist dies jedoch wenig wahrscheinlich. 1. Schermelleh-Engel K. Die Bedeutung der Kompetenzeinschätzung für die Schmerzbewältigung. In: Geissner E, Jungnitsch G (Hrsg). Psychologie des Schmerzes: Diagnose und Therapie. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 1992: 133-145
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2. Seemann H, Zimmermann M. Regulationsmodell des Schmerzes aus systemtheoretischer Sicht - Eine Standortbestimmung. In: Basler H-D, Franz C, Kröner-Herwig B, Rehfisch H-P, Seemann H (Hrsg). Psychologische Schmerztherapie: Grundlagen, Diagnostik, Krankheitsbilder, Behandlung. Berlin Heidelberg New York: Springer, 1999: 23-58 3. Geissner E. FESV - Fragebogen zur Erfassung der Schmerzverarbeitung: Manual zum Fragebogen. Göttingen: Hogrefe, 2001 P13.10 Zusammenhang von subjektiver Sozialmedizin mit Schmerzakzeptanz und Selbstwirksamkeit J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg Fragestellung: Patienten mit somatoformer Schmerzstörung gelten als sozialmedizinisch schwieriges Klientel (Irle, 2002; Gündel, Stadtland & Huber, 2003). Für die Rehabilitation dieser Patientengruppe ist daher die Beachtung der psychologischen Variablen interessant, die mit sozialmedizinischen Variablen in Verbindung stehen. Für die Behandlung chronischer Schmerzen werden die Schmerzakzeptanz und die Selbstwirksamkeitserwartungen als relevante Variablen diskutiert. Die vorliegende Studie untersucht daher die Zusammenhänge von Daten zur subjektiven Sozialmedizin mit Schmerzakzeptanz und Selbstwirksamkeit. Methode: Einer Stichprobe von N=500 Patienten mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung (F45.4) wurden zu Beginn und Ende ihres stationären Reha-Aufenthaltes entsprechende Skalen und Ratings vorgelegt (Rentenbedürftigkeit, subjektive Prognose der Arbeitsfähigkeit, subjektive Prognose des Rentenstatus, Aachener Selbstwirksamkeitsfragebogen, dt. Fassung des Chronic Pain Acceptance Questionaire). Die Daten wurden mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse untersucht. Hypothesen: 1. Sozialmedizin, Schmerzakzeptanz und Selbstwirksamkeit korrelieren signifikant miteinander, wobei eine hohe Schmerzakzeptanz und Selbstwirksamkeit mit einem günstigen sozialmedizinischen Status einhergehen. 2. Veränderungen in Schmerzakzeptanz und Selbstwirksamkeit gehen mit Veränderungen in der Sozialmedizin einher. Ergebnisse: Hypothese 1: Die konfirmatorischen Faktorenanalysen bestätigen zu beiden Zeitpunkten signifikante Zusammenhänge der Selbstwirksamkeit mit Sozialmedizin und Schmerzakzeptanz in erwarteter Richtung. Die Schmerzakzeptanz zeigt jedoch keinen direkten Zusammenhang mit der Sozialmedizin. Hypothese 2: Die Analysen der Veränderungsmessungen bestätigen ebenfalls signifikante Zusammenhänge der Selbstwirksamkeit mit Sozialmedizin und Schmerzakzeptanz in erwarteter Richtung. Auch hier findet sich jedoch kein direkter Zusammenhang von Schmerzakzeptanz und Sozialmedizin. Schlussfolgerungen: Selbstwirksamkeit und Schmerzakzeptanz zeigen im untersuchten Klientel einen substantiellen Zusammenhang, ebenso ihre Veränderungen. Dies erscheint inhaltlich plausibel, da besonders die ‚Aktivitätsbereitschaft’ (Bsp.-Item: ‚Ich komme mit meinen alltäglichen Aufgaben klar, egal wie stark meine Schmerzen sind’ ) dem Konzept der Selbstwirksamkeit (Überzeugung, ein ‚wirksames’ Verhalten erfolgreich ausführen zu können) ähnlich ist. Die Selbstwirksamkeit zeigt zudem zur Sozialmedizin relevante Zusammenhänge: je höher die Selbstwirksamkeit, desto günstiger die subjektive Sozialmedizin. Verbesserungen der Selbstwirksamkeit gehen mit Verbesserungen der Sozialmedizin einher. Auch dies erscheint inhaltlich plausibel, versteht man die erhobenen Ratings zur Sozialmedizin analog zum Modell von Plassmann und Färber (1995) als Ausdruck einer mehr oder weniger fortgeschrittenen sozialen Regression mit mehr oder weniger ausgeprägter Hilflosigkeit und Passivität. Der fehlende Zusammenhang von Schmerzakzeptanz und Sozialmedizin kann durch die Art der gewählten Analyse erklärt werden: Die Schmerzakzeptanz korreliert durchaus in erwarteter Richtung und
Höhe mit der Sozialmedizin. Durch die gleichzeitige Berücksichtigung der Selbstwirksamkeit, die zur Sozialmedizin einen stärkeren Zusammenhang zeigt, liefert die Schmerzakzeptanz allerdings keinen weiteren bzw. eigenen Anteil der Varianzaufklärung. 1. Irle H. Unklare körperliche Syndrome - sozialmedizinisch betrachtet. DAngVers 2002; 7: 258-262 2. Gündel H, Stadtland C, Huber D. Sozialmedizinische Begutachtung und psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlungsempfehlung bei Patienten mit somatoformen Beschwerden und Rentenwunsch. Psychother Psych Med 2003; 53: 250-257 3. Plassmann R, Färber K. Rentenentwicklung bei psychosomatisch Kranken. Rehabilitation 1995; 34: 23-27 P13.11 Schritte zu einer symptombasierten Diagnose des Fibromyalgiesyndroms – Beschwerdeprofile von Patienten unterschiedlicher klinischer Kontexte S. Ziehl1, I. Akritidou1, S. Klauenberg2, C. Maier2, A. Hoffmann3, A. Hinz4, W. Häuser1 1 Klinik Innere Medizin I, Klinikum Saarbrücken, Saarbrücken; 2 Abteilung für Schmerztherapie, Bergmannsheil Bochum, Bochum; 3 Rheumatologische Praxis, Köln; 4 Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitäts-Klinikum Leipzig, Leipzig Hintergrund: Eine symptombasierte Diagnose des Fibromyalgiesyndroms FMS) ohne Tender Point-Überprüfung ist für die ärztliche Primärversorgung sinnvoll. Wir überprüften, ob die symptombasierte Diagnose eines FMS auf die Symptome Gliederschmerzen sowie Müdigkeit gegründet werden kann. Methodik: Anhand des Gießener Beschwerdebogens GBB-24 wurden bei Patienten mit der Diagnose FMS aus vier verschiedenen klinischen Settings (N= 464 Selbsthilfeorganisation, N=162 Gutachten-Patienten, N= 33 rheumatologische Praxis, N=36 Schmerzambulanz) die häufigsten Symptome erfasst und mit einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe bezüglich Symptomintensität und Skalenmittelwerten verglichen. Mittels einer Clusteranalyse wurde überprüft, ob sich Subgruppen von Patienten mit und ohne weitere vegetative Symptome differenzieren lassen. Ergebnisse: In allen vier Stichproben waren die häufigsten und ausgeprägtesten Beschwerden Rücken- und Gliederschmerzen sowie Erschöpfung und Müdigkeit. In den Items der Skalen „Gliederschmerzen“ und „Erschöpfung“ fanden sich die größten Mittelwertdifferenzen zwischen FMS-Patienten und der allgemeinen Bevölkerung. Die Clusteranalyse zeigte drei Gruppen von FMS-Patienten, welche alle durch stark ausgeprägte Gliederschmerzen und Müdigkeit sowie unterschiedlich ausgeprägte vegetative Symptome gekennzeichnet war. Schlussfolgerung: Eine symptombasierte klinische Diagnose des FMS ist durch die Leitsymptome chronische multilokuläre Muskel- und Gliederschmerzen und chronische Müdigkeit nach dem Ausschluss entzündlich-rheumatischer, endokrinologischer und neurologischer Erkrankungen mit den genannten Symptomen möglich.
P14 Multimodale und andere Therapieverfahren P14.1 Schmerzreduktion durch Schmerzprovokation – eine neue Behandlungskomponente in der multimodalen Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen. M. Dobe1, T. Hechler1, J. Kosfelder2, U. Damschen1, B. Zernikow1 1 Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und pädiatrische Palliativmedizin der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke; 2 Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften Studien auf der Basis des Modells der fear avoidance haben gezeigt, dass neben kognitiven Verfahren gerade auch lerntheoretische Ansätze, wie z.B. Expositionsverfahren, in der Therapie von chronischen Schmerzen zu berücksichtigen sind. In Studien zur multimodalen Therapie chro-
nischer Schmerzen im Kindes- und Jugendalter werden Expositionsverfahren bislang nicht berücksichtigt. Deswegen entwickelten wir im Rahmen unserer stationären multimodalen Schmerztherapie eine neue Behandlungskomponente, die „Schmerzprovokation“. Dieser neue Ansatz beinhaltet Elemente der graduellen Reizexposition (stufenweise Steigerung der Schmerzintensität), schmerzbezogene Copingstrategien sowie bilaterale Stimulation, um die limbische Aktivierung von Schmerz als eine Hauptkomponente zu reduzieren. Anhand eines Fallbeispiels soll die Methode exemplarisch demonstriert werden. Zudem werden erste Ergebnisse einer Pilotstudie mit quasiexperimentellem Design präsentiert. Hierzu wurde eine Schmerzprovokationsgruppe (N=34) und einer Gruppe, die die multimodale Schmerztherapie als Standardtherapie erhielt (N=66) bezüglich der Schmerzintensität, schmerzbezogenen Beeinträchtigung und den Schulfehltagen drei Monate nach stationäre Behandlung verglichen. Es zeigte sich eine signifikant stärkere Schmerzreduktion in der Schmerzprovokationsgruppe nach drei Monaten. Die übrigen Outcome-Variablen unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Mögliche therapeutische Implikationen und zukünftige Studien werden kritisch diskutiert. P14.2 Zwei Jahre multimodale tagesklinische Schmerztherapie am Klinikum St. Georg, Leipzig – Überblick über bisherige Ergebnisse P. Hungerland, J. Reinshagen, K. Friedrich, C. Funke Klinikum St. Georg gGmbH, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Leipzig Chronische Schmerzen als komplexes biopsychosoziales Geschehen stellen vom diagnostischen und therapeutischen Standpunkt aus betrachtet eine große Herausforderung dar. Eine effektive Therapie erfordert ein multimodales Behandlungskonzept und eine abgestimmte interdisziplinäre Zusammenarbeit. Im Mai 2006 wurde die interdisziplinäre Schmerztagesklinik am Klinikum St. Georg in Leipzig gegründet. Das teilstationäre Angebot ergänzt die bereits etablierte ambulante und stationäre Versorgung chronischer Schmerzpatienten in der Region. Die Behandlung in der Schmerztagesklinik zielt auf die Aktivierung körperlicher, psychischer und sozialer Ressourcen. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt dabei auf der Motivationsförderung zur langfristigen Veränderung von Einstellungen und Verhalten im Sinnes des Selbstmanagements. Zur Qualitätssicherung und Therapieerfolgskontrolle werden standardmäßig Skalen und Fragebögen eingesetzt, um relevante Parameter des Schmerzerlebens und der Schmerzverarbeitung über Veränderungsmessung zu erfassen. Rückblickend auf eine mittlerweile gut zweijährige Behandlungsphase sollen bisherige Ergebnisse der tagesklinischen multimodalen Schmerztherapie am St. Georg dargestellt und diskutiert werden. Insbesondere Veränderungen des Schmerzerlebens (NRS, SES), der schmerzbezogenen Beeinträchtigung (PDI), der Depressivität (ADS), der Angst-Vermeidungs-Einstellungen bei Rückenschmerzpatienten (FABQ) sowie der Motivationslage (FF-STABS) sollen eingehende Betrachtung finden. Auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Effizienz im Rahmen des Vertrages zur Integrierten Versorgung sollen Eingang finden. P14.3 Ist die multimodale Therapie bei chronischen Schmerzen auch längerfristig effektiv? O. Kuhnt, I. Haase, S. Babel, K. Klimczyk Interdisziplinäres Schmerzzentrum der m&i-Fachklinik Enzensberg, Hopfen am See Fragestellung: Im Interdisziplinären Schmerzzentrum der Fachklinik Enzensberg in Füssen werden seit 1999 chronische Schmerzpatienten behandelt. Konzeptionelle Grundlage ist eine multimodale interdisziplinäre Behandlung durch Ärzte, Psychologen und Therapeuten verschiedenster Fachrichtungen bzw. Qualifikationen. Behandlungsziele sind – neben der Schmerzreduktion – die aktive Bewältigung verbleibender Schmerzen und die Erhöhung der Lebensqualität. Schwerpunktmäßig werden chronisch schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates, vorwiegend Rückenschmerzen, behandelt. Im Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Rahmen einer Nachbeobachtung wurde untersucht, ob sich der während der stationären Behandlung erzielte Erfolg über einen längeren Zeitraum als stabil erweist. Methodik: Es wurden alle zwischen Januar und Juni 2007 mindestens 20 Tage im Schmerzzentrum stationär behandelten Patienten (Chronifizierungsgrad II oder III nach Gerbershagen) mit dem Schmerzfragebogen der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) vor Aufnahme, bei Entlassung und sechs Monate nach Entlassung schriftlich befragt. Wesentliche Zielgrößen sind Schmerzintensität (numerische Ratingskalen), Beeinträchtigung durch Schmerzen (PDI), Depression (ADS) und verschiedene Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-36). Ergebnisse: Von 252 im Rahmen der Nachbefragung angeschriebenen Patienten antworteten 178, was einer Rücklaufquote von 71% entspricht. Die befragten Patienten sind durchschnittlich 53 Jahre (22 – 82) alt und überwiegend weiblichen Geschlechts (67%). Die chronischen Schmerzen bestanden in Durchschnitt seit 8 Jahren (0,5 – 42). Die Schmerzintensität verringert sich bei diesen Patienten auf einer numerischen Rating-Skala mit den Endpunkten 0 und 10 von durchschnittlich 5,8 (Mittelwert aus den Patientenangaben für die durchschnittliche und die geringste Schmerzstärke während der letzten vier Wochen) auf 4,7. Dieses Ergebnis bleibt im Nachbeobachtungszeitraum stabil. Ebenfalls rückläufig sind die Beeinträchtigung durch die Schmerzen und die Depressivität. Im Bereich der psychischen Gesundheit ist zu beobachten, dass der positive Behandlungseffekt nicht vollständig erhalten blieb. Allerdings ist der Follow-up-Status der Patientengruppe auch nach zwei Jahren in jeder der psychischen Outcome-Dimensionen (Depression, Skalen der psychischen Gesundheit des SF-36) deutlich besser als vor der stationären Schmerzbehandlung. Schlussfolgerung: Unser aktuelles Ergebnis unterstützt eigene frühere und von anderen Forschergruppen publizierte Erfahrungen, dass die multimodale Behandlung in einem interdisziplinär ausgerichteten Schmerzzentrum effektiv ist. Die Reduktion des individuellen Leidens begünstigt die Wiederaufnahme der Arbeit, verringert die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems und ist somit auch ökonomisch von Bedeutung. Es ist wahrscheinlich, dass die langfristigen Effekte durch ein adäquates poststationäres Weiterbehandlungskonzept noch zu verbessern sind. P14.4 Multimodale stationäre Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen: Welche Rolle spielen schmerzbezogene Coping-Strategien? T. Mönninger, T. Hechler, A. Gerlach, M. Dobe, J. Kosfelder, B. Zernikow Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke, Datteln; Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Fachrichtung Psychologie Institut für Klinische Psychologie/ Psychotherapie und psychologische Diagnostik, Münster Chronischer Schmerz bei Kindern und Jugendlichen ist weit verbreitet und kann sich bei Betroffenen negativ in ihrem Alltag auswirken. Studien zur Wirksamkeit multimodaler Therapieprogramme sind rar, erbrachten aber erste Hinweise auf deren Wirksamkeit. Ihr Wirkmechanismus ist jedoch noch wenig erforscht. Zusammenhänge zwischen schmerzbezogener Beeinträchtigung und schmerzbezogenen Copingstrategien wurden bei Erwachsenen und Kindern nachgewiesen und geben Hinweise auf die Bedeutung des schmerzbezogenen Copings als potentiellen Wirkmechanismus. Primäres Ziel dieser Studie war es daher, zu untersuchen, ob schmerzbezogenes Coping einen Prozessmechanismus in der multimodalen stationären Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit chronischem Schmerz darstellt. 200 unter chronischen Schmerzen leidende Kinder und Jugendliche (122 Mädchen und 78 Jungen) im Alter von 7.5 bis 18.3 Jahren füllten vor Beginn und drei Monate nach Beendigung der Therapie Fragebögen zu Schmerzcharakteristika, schmerzbezogener Beeinträchtigung, emotionaler Belastung und Copingstrategien aus. Es zeigten sich signifikante Verbesserungen in allen erfassten Parametern. Eine moderate Vorher-
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sage der Verbesserung gelang im Falle der schmerzbezogenen Beeinträchtigung. So konnten Reduktionen in passiver Schmerzbewältigung sowie Suche nach sozialer Unterstützung die Verbesserung im Pediatric Pain Disability Index zu 15 % vorhersagen. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Veränderungen in schmerzbezogenen Copingstrategien eine wichtige Rolle für die Verbesserung der schmerzbezogenen Beeinträchtigung spielen und unterstreichen die Bedeutung von Copingstrategien und deren Veränderungen im therapeutischen Kontext. Sicher ist jedoch auch, dass es weitere Wirkmechanismen geben muss, z. B. das allgemeine Coping. P14.5 Einstellungen und Erwartungen von Therapeuten an eine Schmerzkonferenz A. Pinkowski, C. Schulz-Gibbins, A. Kopf Benjamin Franklin Schmerzzentrum, Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Campus Benjamin Franklin, Charité - Universitätsmedizin Berlin Hintergrund und Zielsetzung: Schmerzkonferenzen werden inzwischen fast ubiquitär in Deutschland veranstaltet. Typischerweise treffen sich Kliniker verschiedener Disziplinen unter Leitung eines Schmerztherapeuten zur Vorstellung und Diskussion der Differentialdiagnostik und -therapie von Patienten mit komplexen Schmerzerkrankungen. Ebenso werden Schmerzkonferenzen als Teil der Weiterund Fortbildung angesehen und deren Besuch ist eine Voraussetzung für das Erlangen der fakultativen Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“. Trotz einer großen Anzahl von meist monatlich durchgeführten Schmeruzkonferenzen mit hohem personellem Aufwand, sind in der wissenschaftlichen Literatur bislang keine Daten über die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität publiziert worden. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war daher, in einem ersten Schritt der Effektivitätsevaluation die Einstellungen und Erwartungen von therapeutischen Teilnehmern einer Schmerzkonferenz zu untersuchen. Hypothesen: Schmerzkonferenzen beeinflussen nach Einschätzung der Teilnehmer den klinischen Verlauf der vorgestellten Patienten und haben eine Fortbildungsfunktion. Material und Methoden: Befragt wurden regelmäßige Teilnehmer der Benjamin Franklin Schmerzkonferenz der Charité (offen, interdisziplinär, wöchentlich, kumulativ > 500 Schmerzkonferenzen mit je 2-4 Patientenvorstellungen). Die ausgewählten Teilnehmer (Ärzte und Psychologen) wurden mit Hilfe eines aus 20 Fragen bestehenden nicht validierten Fragebogens befragt, der anonymisiert an das Benjamin Franklin Schmerzzentrum zurückgesandt werden musste. Eingeschlossen wurden Teilnehmer der Benjamin Franklin Schmerzkonferenz, die im Zeitraum zwischen Januar 2006 und Dezember 2007 mindestens zehnmal durch die Protokolle dokumentiert teilgenommen hatten. In der Fallzahlplanung wurde eine minimal notwendige Anzahl von 15 vollständig ausgefüllten Fragebögen ermittelt. Ergebnisse: Es konnten 23 Fragebögen vollständig ausgewertet werden, was einer Rücklaufquote von 89% entspricht. Die Befragten waren überwiegend Anästhesisten (55%) und ca. die Hälfte hatte eine schmerztherapeutischen Zusatzbezeichnung (45%). Hinsichtlich der ersten Haupthypothese zeigte sich, dass fast zwei Drittel (62%) der Befragten angaben, dass die Schmerzkonferenzen zu einer Änderung der weiterführenden Therapie von Patienten führen würde. Hinsichtlich der zweiten Haupthypothese ergab die Befragung, dass die Teilnehmer überwiegend (56%) die Fortbildungsfunktion und nicht die klinischtherapeutische Funktion als bedeutsam ansehen. Ein weiteres Ergebnis war, dass die therapeutisch Orientierung als angemessen „psychosomatisch“ eingestuft wurde (MW NAS + Stdabw.) und dass ein hohes Einverständnis mit den beschlossenen Therapieempfehlungen (MW NAS + Stdabw.) der Schmerzkonferenzteilnehmer bestand. Die Diagnostik- und Therapieempfehlungen sind überwiegend somato-psychisch orientiert. Diskussion und Schlussfolgerungen: Die Teilnehmer einer Schmerzkonferenz erwarten erstens einen den therapeutischen Verlauf der Patienten positiv beeinflussenden Effekt von Schmerzkonferenzen
und zweitens einen Fortbildungseffekt. D.h., die Erwartungen an eine Schmerzkonferenz sind hoch. Aus Sicht der Schmerzkonferenzteilnehmer wäre demnach der hohe zeitliche und personelle Aufwand für die Durchführung von Schmerzkonferenzen gerechtfertigt. Ausgehend von diesem Befragungsergebnis sollte der Versuch unternommen werden, erstens zu überprüfen, ob Schmerzkonferenzen tatsächlich das diagnostische und therapeutische Procedere beeinflussen und zweitens – was methodisch ungleich komplizierter wäre – , ob Schmerzkonferenz tatsächlich das Patientenoutcome beeinflussen können, mithin ein theapeutischer Effekt entsteht. P14.6 Effekte multimodaler Therapie bei chronischen Schmerzpatienten mit und ohne Diagnose „Anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ C. Schubert Otto-Friedrich-Universität Bamberg Fragestellung: Die Schmerztagesklinik Nürnberg bietet chronischen Schmerzpatienten die Möglichkeit an einem vierwöchigen, multimodalen Therapieprogramm teilzunehmen. Als besondere therapeutische Herausforderung gelten Patienten mit der Diagnose Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.5). Profitieren diese Patienten in der selben Weise wie andere chronische Schmerzpatienten von einer solchen Behandlung? In einer Nachbeobachtung wurde untersucht, welche mittel- bis langfristigen Effekte die Behandlung bei chronischen Schmerzpatienten mit und ohne Diagnose „Anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ (F45.5) erzielt. Methodik: Stichprobe: 210 Patienten der Schmerztagesklinik Nürnberg. Erhebungszeitraum: Oktober 2004 bis Februar 2008, 68 (32,4%) dieser Patienten erhielten die Diagnose Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.5). Folgende Parameter wurden erhoben: gesundheitliche Lebensqualität (SF-36: bestehend aus körperlicher und psychischer Summenskala), Beeinträchtigung (PDI), Depressivität (ADS) und Schmerzstärke (NRS). Dies geschah vor Beginn des Programms (Zeitpunkt A) und ein Jahr danach (Zeitpunkt B). Ergebnisse: Die beiden untersuchten Gruppen unterscheiden sich in ihren Ausgangswerten nicht signifikant voneinander. Patienten mit der Diagnose Somatoforme Schmerzstörung verbessern sich signifikant weniger im Rahmen eines Jahres als andere chronische Schmerzpatienten hinsichtlich ihrer Depressivität (ADS) und ihrer psychischen Lebensqualität (SF-36). Betrachtet man die erzielten Effektstärken übertreffen die somatoformen Schmerzstörungspatienten andere chronische Schmerzpatienten in der Verbesserung ihrer körperlichen Lebensqualität (SF-36) und ihrer durchschnittlich empfundenen Schmerzstärke (NRS). Durchweg sehr geringe Effektstärken erzielen sie dagegen in den restlichen Parametern Beeinträchtigung, Depressivität und psychische Lebensqualität. Fazit: Zwar zeigen somatoforme Schmerzpatienten deutliche Fortschritte hinsichtlich der Schmerzstärke und körperlicher Aspekte der gesundheitsbezogenen Lebensqualität – die Behandlung ist aber bezogen auf die erlebte Beeinträchtigung, Depressivität und psychische Lebensqualität für diese Patientengruppe noch verbesserbar. P14.7 Evaluation eines multimodalen tagesklinschen Behandlungsprogramms für Patienten mit chronischen Schmerzen A. Schütze, K. Lämmerhirt, G. Goßrau, U. Ettrich, M. Schiller, K. Brannasch, P. Gerhardt, K. Pöhlmann, U. Kaiser, K. Große, R. Sabatowski UniversitätSchmerzCentrum, Medizinsche Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden Einleitung: Die multimodale Schmerztherapie am UniversitätsSchmerzCentrum Dresden ist ein vierwöchiges, teilstationäres, interdisziplinäres und multimodales Behandlungsprogramm für Patienten mit chronischen Schmerzen mit einer sich nach 10 Wochen anschließenden Wiederholungswoche (Boosterung). Die grundlegende Idee des tagesklinischen Behandlungskonzeptes ist eine befund- und ressourcenorientierte Therapie. Primäres Therapieziel ist die Wiederher-
stellung der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeit („functional restoration“) sowie eine Sensibilisierung des Patienten für eine bio-psycho-soziale Sichtweise seiner Krankheit. Methodik: Für die Evaluation der Dresdner Schmerztherapie wurden folgende Kriterien untersucht: Katastrophisieren (CSQ) als kognitive Bewältigungsstrategie, Angst und Depressivität (HADS-D), die durchschnittliche Schmerzstärke (NRS), die schmerzbedingte Beeinträchtigung (PDI) sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Vitalität (SF-36). Die Messung erfolgte am Anfang und am Ende der Therapie, nach der Wiederholungswoche sowie ein halbes und ein Jahr nach der Boosterbehandlung. Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der kurzfristigen, langfristigen und gruppenspezifischen Therapiewirksamkeit. Dafür wurde die Stichprobe in drei Gruppen eingeteilt: Patienten mit Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und sonstigen Schmerzen. Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS, Version 14.0. Das Signifikanzniveau wurde auf 5% festgesetzt. Zusätzlich wurden Effektstärken (ES) berechnet. Ergebnisse: In die Untersuchung eingeschlossen wurden: zum Therapieende 188 Patienten, zur Boosterwoche 156 Patienten, zur Halbjahreskatamnese 99 Patienten und zur Jahreskatamnese 37 Patienten. Die Patienten waren durchschnittlich 49 Jahre alt, der Anteil an weiblichen Personen betrug 77%, über die Hälfte war hoch chronifiziert (Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen), 91% litten unter mindestens einer komorbiden psychischen Störung. Bei allen untersuchten Parametern zeigten sich über den Zeitverlauf hinweg statistisch signifikante Veränderungen mit niedrigen bis mittleren Effektstärken (ES 0.20 bis 0.78). Bis zu einem Jahr nach Beendigung der Boosterwoche blieben diese Ergebnisse stabil. Hinsichtlich der Variablen Katastrophisieren als kognitive Bewältigungsstrategie und Schmerzstärke konnten ein Jahr nach der Therapie starke Effekte erzielt werden (ES 0.88 bzw. 0.95). Die Schmerzlokalisation beeinflusste den Therapieerfolg nicht, die Rückenschmerzpatienten profitierten genauso von der Therapie wie die Kopfschmerzpatienten oder die Patienten mit sonstigen Schmerzen. Schlussfolgerung: Die multimodale Schmerztherapie in Dresden erweist sich sowohl kurzfristig wie auch langfristig als wirksam. Auch bei hoch chronifizierten Schmerzpatienten konnten stabile Behandlungsergebnisse erreicht werden, unabhängig davon, unter welcher Schmerzart die Patienten litten. P14.8 Wirkung der Akupunktur auf Patienten mit somatoformen Störungen. Prospektive klinische Anwendungsbeobachtung (PräPost-Vergleich) C. Uhlemann1, W. Meischner1, B.Strauss2, D. Loth1, W. Meißner3 1 Kompetenzzentrum Naturheilverfahren, Klinik Innere Medizin II, FSU Jena; 2 Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie, FSU Jena; 3 Klinik für Anästhesiologie u. Intensivmedizin, FSU Jena Fragestellung: Wie wirksam ist eine standardisierte klassische Nadelakupunktur (AP) auf das Schmerzverhalten sowie körperliche und psychische Symptome bei Patienten mit somatoformen Störungen (vornehmlich Fibromyalgiesyndrom = FMS)? Design: n = 24 Pat. (w) Alter (M): 59 J., Krankheitsdauer (M): 15 J. Bewertungskriterien: SF 36 – Globale Gesundheit, FIQ – Spezifische Beeinträchtigung, HADS – Ängstlichkeit u. Depressivität, MFI 20 - Multidimensional Fatigue Inventory, F-SozU K-14 - Soziale Unterstützung, CTQ-Childhood Trauma Questionnaire, VAS - Schmerzintensität, PPT - Druckschmerzschwelle, DGSS - Schmerzfragebogen, spezifische Symptome, Pain detect – Algogenese, SOMS - Somatisierungsindex Ablauf: Meridiantherapie (schmerzorientierte und energetische/konstitutionelle Pkt. u. TCM) Baseline: 4 Wo. (-1), AP 5 Wo., 2 x wö., (0, 5) follow-up, 4 Wo. (I), einmalige Stimulation DEQI, max. 15 Nadeln, 30 min Liegezeit, 30 min Nachruhe Ergebnisse: Pat. mit FMS: im SOMS erhöhte Werte (M = 12 Pkt., unauffällige Frauen M = 3,8) im pain detect (M = 20 Pkt) neuropathischer Schmerz, CTQ Werte vornehmlich minimal bis moderat. SF 36: mentale (MCS: 40 / 40 / 47 / 45) u. physische Verfassung (PCS: Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts 28 / 28 / 33 / 32) durch AP positiv beeinflusst, Reduzierung der spezifischen Beeinträchtigung (FIQ = 61 / 55 / 46 / 48), Müdigkeit (MFI) im Verlauf der Serie signifikant reduziert, Schmerzintensität (VAS) wird signifkant reduziert (6,6 / 3,3 / 4,7 d.h. 0 / 5 / I) Anzahl positiver tender points wird nur im Trend reduziert (17 / 17 / 16 / 15 d.h. – 1 / 0 / 5 / I) Ängstlichkeit u. Depressivität im Zeitraum der Baseline signifkant reduziert Angst: BL (-1) 10% der Pat.: klinisch unauffällig, Beginn der Serie (0): 48% der Pat. Depression: BL (-1) 15%, Zeitpunkt (0) 25% der Pat. unauffällig Schlussfolgerung: AP reduziert signifikant die generalisierte Schmerzintensität Physische und psychische Dimensionen der globalen Gesundheit (SF36) werden signifikant positiv beeinflusst Spezifische Beeinträchtigung (FIQ) verringert sich signifikant. Anzahl positiver tender points reduziert sich nur im Trend Spezifische Symptome (Schlafstörung, Reizdarmsyndrom, CMD, Affektionen des Bewegungssystems) reduzieren sich signifikant, Ängstlichkeit und Depressivität werden im Zeitraum der Baselineerhebung weniger angegeben (Erwartungshaltung?) P14.9 Wirksamkeit des ambulanten Heilfastens auf Schmerz, Befindlichkeit und Funktion bei Patienten mit Arthrose C. Uhlemann1, S. Schmidt1, D. Loth1, R. Stange2 1 Kompetenzzentrum Naturheilverfahren, Klinik für Innere Medizin II, Friedrich- Schiller- Universität Jena; 2 Immanuel-Krankenhaus, Berlin Objekt: Ist ambulantes Heilfasten eine wirksame Option zur Beeinflussung von Schmerzen bzw. Befindlichkeitsstörungen und Funktionsdefiziten bei Patienten mit Arthrose? Design: n = 30 Pat. w = 22, m = 8, Alter (M): 60 J., Krankheitsdauer (M): 6 J., n = 5 Prob.w = 4, m = 1, Diag: n = 10 Polyarthrose, n = 12 Gonarthrose (Kellgren I – II), n = 8 Coxarthrose (Kellgren I – III) Fastenart: Saftfasten nach O. Buchinger, 15 T: 3 Entlastungstage (800500 kcal), 8 Fastentage: 300 – 200 kcal, 4 Aufbautage (1200 – 1600 kcal) Nachuntersuchung: I und III Mon. Bewertungskriterien: Schmerzintensität (VAS) global, Schmerzintensität (VAS) spezifisch Anlauf-, Belastungs-, Ruheschmerz, Druckschmerzschwelle (PPT), Analgetika-Verbrauch, Pain detect Befindlichkeit: SF-36 unspezifisch - globale Gesundheit, WOMAC spezifisch - Funktion, Schmerz, Steifigkeit Funktion: Neutral-Null-Durchgangsmethode (Winkelgrade) Metabolik: BMI, Bauchumfang, Serum: Elektrolyte, Glukose, Nieren-, Leber, Fettstoffwechsel-, Entzündungs-Parameter, AGE / RAGE Urin: Ketonkörper, Protein Ernährungsgewohnheiten: - dietary history Autonome Parameter : - RR, Puls Arzt- und Patientenurteil: - Fragebogen ordinalskaliert (verschlechtert <= nicht beurteilbar => gebessert) Kontrollzeitpunkte: - 1 Baseline, 0 / 12 Fastenserie, follow-up I, III Mon. Ergebnisse: Pat. mit Poly-, Cox- u. Gonarthrose sind mittels pain detect durch nozizeptiven Schmerz charakterisiert. n = 30 Pat., Schmerzintensität signifkante Reduktion (- 1 / 0 / 5 / 12 / I / III) 4,0 / 4,0 / 2,0 / 1,0 / 2,0 / 1,5 Polyarthrose n = 10: 5,0 / 5,5 / 2,0 / 1,5 / 2,5 / 1,0 Coxarthrose n = 8 : 1,5 / 3,5 / 0,5 / 1,0 / 1,0 / 1,5 Gonarthrose n = 12: 4,0 / 4,0 / 2,0 / 2,0 / 3,0 / 3,0 Sowohl Anlauf- als auch Belastungs- u. Ruheschmerz konnten signifikant gesenkt werden, wobei Pat. mit Polyarthrose den größten Benefit erzielten. WOMAC: Arthroseindex: Schmerz Steifigkeit u. Funktion wies eine signif. Reduktion sowohl für Poly- als auch Cox- u. Gonarthrose in Fastenserie u. follow-up auf.
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SF 36: positive Beeinflussung der körperlichen Dimensionen für alle Arthrosepatienten, Analgetikakonsum vor allem bei Pat. mit Gonarthrose reduziert (anfänglich 41,7%, Abschluss der Fastenserie 0%, I. f.u. 33%, III. f.u. 8,3%). Druckschmerzschwelle (M. trap.p.d., M. delt., glut. max., M. qua. fe.) konnte bei allen Pat. angehoben werden, jedoch in der Mitte des Fastens (Fastenkrise!) bei allen Pat. Senkung der Schmerzschwelle. Schmerzschwelle bei weibl. Pat. zu allen Zeitpunkten niedriger als bei män. Signifikanter Funktionszuwachs haben Pat. mit Polyarthrose (Flexion 10° Zunahme), Pat. mit Coxarthrose (IR 8° Zunahme) und Pat. mit Gonarthrose (Flexion 15° Zunahme) im Beobachtungszeitraum. Autonome Parameter (RR, Puls) weisen niedrigere Werte auf. Pat.- u. Arzturteil: Zustandsverbesserung, ebenso Einschätzung der therapeutischen Wirksamkeit durch Pat. bzw. Arzt. Nebenbefund: Gewichtsabnahme (0/III): m > w (93,9 kg/84,8 bzw. 81,9 kg/76,7kg). BMI: m = 30,1 / 27,4 kg/m²,w: 29 / 27 kg/m², Reduktion des Bauchumfanges: w: 98 / 92,8 m: 105 / 98 cm (0 / III) Schlussfolgerung: Amb. Fasten (15 Tage) bewirkt signfikante Reduktion der Schmerzen für Pat. mit Arthrose, wobei Pat. mit Polyarthrose den größten Benefit erhalten (metabolische, humerale Faktoren?) Wirkungsphysiologische Hypothesen bzgl. analgetischer Wirksamkeit inkludieren metabolische, humerale, neuroendokrinologische, psychologische und statische Faktoren. Den größten Funktionszuwachs haben Pat. mit Coxarthrose, wobei statische Faktoren spekuliert werden können. Stoffwechselparameter u. vegetative Parameter werden im Sinne der Entlastung beeinflusst. P14.10 Laserbehandlung (Low-Level-Energy-Laser = LLEL) an Akupunkturpunkten bei Patienten mit Fibromyalgiesyndrom (FMS) K. Große1, D. Schikora2, W. Meißner3, D. Loth1, C. Uhlemann1 1 Kompetenzzentrum Naturheilverfahren Klinik Innere Medizin II, FSU Jena; 2 Fakultät für Naturwissenschaften, Universität Paderborn; 3 Klinik für Anästhesiologie u. Intensivtherapie, FSU Jena Objekt: Einfluss einer Laserbehandlung (Lampta = 680 nm, Ps = 50 mW) an definierten AP- Punkten der TCM auf Befindlichkeit und Schmerzen bei Patienten mit einem FMS Gerät: LASER needle Systems GmbH, 8 Laserdioden, Paderborn (LLEL) Randomisierte, prospektive, placebokontrollierte, klinische Einfachblindstudie Design: n = 58 Pat. (w), Alter (M): 55 J., Krankheitsdauer (M): 16 J.Verum-Laser n = 20, Placebo-Laser n = 18 Pat. mit FMS entsprechend den ACR - Kriterien Meridiantherapie: sog. Schmerzpunkte und energetische Punkte (n. TCM) Serie: 5 Wo., 2 x wö. (10 Beh., á 30 min), Follow up: I u. III Mon. Bewertungskriterien: Befindlichkeit: SF 36 – globale Gesundheit, FIQ = spezifische Beeinträchtigung Schmerzintensität VAS (Visuelle Analogskala), Druckschmerzschwelle der tender points, PPT (Pressure Pain Threshold), Charakteristischer Symptomenscore Laser-Dosis: Leistungsdichte pro Pkt: physikalisch 15,3 W/cm² bei 30mW, physiologisch 3,5 W/cm² Applizierte Strahlungsdosis für 8 Laserdioden ( 30 mW pro Diode) (0,030 Watt x 1800 s = 54 J) 8 x 54 J = 432 J pro Behandlung ( = 1,75 kcal) Ergebnisse: SF 36 – mentale Parameter (MCS) weisen generell bei Pat. mit FMS höhere Werte, als körperliche Parameter (PCS) auf. Lasertherapie verbessert mentale Parameter (33,1 / 37,3 d.h. 0/5). Spezifische Beeinträchtigung (FIQ) wird durch Laser reduziert (71,3 / 50,9 / 45,9, d.h. 0 / 5 / I). Schmerzintensität (VAS) wird durch LLEL signifikant
sowohl in der Serie als auch f.u. gesenkt (72 / 56 / 50 / 52, d.h. 0 / 5 / I / III). Anzahl positiver tender points wird unwesentlich reduziert. Laser beeinflusst die charakteristischen FMS-Symptome (Reizdarm, Schlafstörung, psychische Affektionen) im Verlauf der 5-wö. Serie als auch follow up (I u. III Mon.). Schlussfolgerung: Durch Lasertherapie an Akupunkturpunkten gibt es messbare Verbesserungen der allgemeinen Befindlichkeit vornehmlich im Bereich der mentalen Parameter und der eingeschätzten Beeinträchtigung. Die allgemeine Schmerzintensität wird durch die Lasertherapie signifikant gesenkt. FMS-typische Symptome werden im Sinne der Therapiezielstellung positiv beeinflusst. Anzahl positiver tender points wird nur im Trend reduziert. P14.11 Psychodynamisch-interaktionelle Gruppentherapie bei somatoformen Schmerzpatienten im multimodalen tagesklinischen Setting (Erfahrungen und Ergebnisse der letzten vier Jahre) B. Vill1,2, C. Haffner1, C. Wille1, C. Maihöfner1, M.de Zwaan2, R.Sittl1 1 Interdiszipl. Schmerzzentrum und 2 Abt. für Psychosom. Med. und Psychotherapie der FAU Erlangen Nach jahrelanger Schmerzkrankheit und häufigen Arztkontakten finden sich viele Patienten mit der Diagnose „Somatoforme Schmerzstörung“ oder „Fibromyalgie“ in einem spezialisierten Schmerzzentrum ein, meist auf der weiteren Suche nach somatischer Abklärung und Therapie. Das Ziel des interdisziplinären Teams ist es, die Patienten nach ausführlicher Anamnese und sorgfältiger Untersuchung sowie genauer Aufklärung über die Erkrankung zu motivieren, sich einer störungsspezifischen Therapie zu unterziehen um so einen Gewinn an Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit zu erzielen Methode: Über mindestens 6 Monate wurden in den letzten 4 Jahren insgesamt 25 Teilnehmer in 4 Gruppen (zu 5 bis 8 Patienten) an je 40 teilstationären Behandlungstagen multimodal behandelt. Den Kern bildete eine „Psychodynamisch-Interaktionelle Gruppentherapie“, angelehnt an das von U.T. Egle und R. Nickel erarbeitete ambulante Therapieprogramm, in dem sowohl bewältigungsorientierte als auch psychodynamische Bereiche (Trennung von Schmerz und Affekt, früher Stress, Selbstwert- und Beziehungsstörungen) der Erkrankung berücksichtigt wurden. Entspannungstraining und Hypnose wurden ergänzend eingesetzt (häufig konnten Themen der Gruppensitzungen dort weiter ver- und bearbeitet werden), sowie Medizinische Trainingstherapie, Edukation und Arztsprechstunden. Ergebnisse: Die bisher behandelten Gruppenpatienten erreichten sowohl klinisch als auch psychometrisch eine deutliche Erhöhung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF36). Bei relativ unveränderter Schmerzstärke kam es zu einer signifikanten Reduktion der Schmerzbeeinträchtigung (FESV- BE) und einer deutlichen Erhöhung der Schmerzbewältigung (BW) mit positiver Auswirkung auf den privaten, sozialen und beruflichen Bereich (Rückkehr ins Berufsleben). Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist die deutliche Reduktion (oder sogar ein Absetzen) der Schmerzmedikamente. Schlussfolgerung: Auch hoch chronifizierte (und teilweise schwer traumatisierte) somatoforme Schmerzpatienten können von einer störungsspezifischen Therapie profitieren mit gravierenden Auswirkungen auf das Sozialsystem.
P15 Pharmakologische Therapie des Schmerzes P15.1 Behandlung von chronischen Schmerzen mit Duloxetin A. Chappell1, J. Hall1, V. Skljarevski1, E. Schneider2 1 Lilly Corporate Center, Eli Lilly and Company, Indianapolis, USA; 2 Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg, Deutschland Einführung: Die Neurotransmitter Serotonin (5-HT) und Noradranalin (NA) haben eine Schlüsselfunktion in den absteigenden hemmenden Schmerzbahnen. Eine Dysfunktion dieser Inhibition spielt bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen
eine wichtige Rolle. Duloxetin, ein selektiver 5-HT und NA-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), ist für die Behandlung von Depression, Generalisierter Angststörung, Behandlung von Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie (DPNP) zugelassen und wurde bei Patienten mit Fibromyalgie (FM) untersucht. In diesem Review der Daten aus allen randomisierten, placebo-kontrollierten klinischen Duloxetinstudien in der Behandlung von Schmerzen bei DPNP und FM wurde das analgetische Potential von Duloxetin analysiert. Methode: Drei-Monatsdaten von placebo-kontrollierten DPNP (n=3) und FM (n=4)-Studien wurden zusammengefasst. Gemeinsamer Zielparameter der 7 Studien waren die ‚durchschnittlichen Tagesschmerzen (24-Stunden)’ im ‚Brief Pain Inventory (BPI)’. Pfadanalysen wurden durchgeführt, um zu untersuchen, in welchem Maß die Veränderung des BPI-Scores auf einem direkten analgetischen Effekt, unabhängig von der Duloxetinwirkung auf die psychischen Symptome, beruhte. Ergebnisse: ImVergleich zu Placebo war Duloxetin hinsichtlich der ‚durchschnittlichen Tagesschmerzen’ des BPI in allen 3 DPNP- und in 3/4 FM-Studien überlegen. Die Verbesserungen des ‚durchschnittlichen Tagesschmerzes’ lagen zwischen -2,1 und -3,1 in den DPNP- und zwischen -1,4 und -2,4 in den FM-Studien. Die Pfadanalysen zeigten, dass 62%-88% der Schmerzreduktion auf eine direkte analgetische Wirkung von Duloxetin zurückzuführen waren. Zusammenfassung: Entsprechend seinem Wirkmechanismus als SSNRI, Verstärkung der absteigenden hemmenden Schmerzbahnen im zentralen Nervensystem, zeigte Duloxetin Wirksamkeit in der Behandlung von Schmerzen bei DPNP und FM. P15.2 Sicherheit, Verträglichkeit und therapeutische Effektivität von Acetylsalicylsäure unter Alltagsbedingungen – eine Metaanalyse von 5 apothekenbasierten nicht-interventionellen Studien U. Gessner, M. Petersen-Braun Bayer Vital GmbH, Köln Einleitung: Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Acetylsalicylsäure in der Schmerztherapie wurde in zahlreichen randomisierten, placebokontrollierten, klinischen Studien (RCTs) dokumentiert und ist gut belegt[1]. Anwendungsbeobachtungen sind als nicht-interventionelle Studien (NIS = Non-Interventional Study/Studies) insbesondere für rezeptfreie Medikamente ein geeignetes und valides Instrument, um die Anwendung unter den Bedingungen des täglichen Lebens zu dokumentieren und können auf diese Weise die Ergebnisse von RCTs sinnvoll ergänzen[2]. Im Folgenden werden die Resultate einer Metaanalyse von 5 apothekenbasierten NIS dargestellt, die auf Basis der individuellen Patientendaten erstellt wurde. Methodik: Die Datenerhebung erfolgte bei allen 5 NIS auf die gleiche Weise: Kunden, die Aspirin® oder Aspirin® Plus C in der Apotheke käuflich erworben hatten, wurden gebeten, die Behandlung ihrer Beschwerden in einem Fragebogen zu dokumentieren. Die ausgefüllten Fragebogen wurden anonym zur Auswertung eingeschickt. Von den 5 NIS wurden drei in Deutschland, eine in Spanien und eine in der Schweiz im Zeitraum zwischen 2003 und 2006 durchgeführt. Insgesamt gingen 9.444 Fragebögen in die Auswertung ein, von denen 9.179 (97,2%) für die Verträglichkeitsanalyse und nur 9.025 (95,6%) für die Wirksamkeitsanalyse verwertet werden konnten (Tabelle 1). Ergebnisse: In ca. 63% aller Fälle wurde die Verwendung von Aspirin® Tabletten, in 36% die von Aspirin® Plus C Brausetabletten dokumentiert. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 42,3 ± 15,5 Jahren, ⅔ der Verwender waren weiblich. Der Body Maß Index (BMI) betrug durchschnittlich 24,3 ± 4,4 kg/m2. Insgesamt wurde Aspirinâ bei einer Vielzahl unterschiedlicher Indikationen eingesetzt. Am häufigsten (74,3%) waren Kopfschmerzen der Grund für die Einnahme des Medikamentes. Erkältungsbeschwerden und Muskel- und Gelenkschmerzen wurden in 24,8% bzw. 14,4% der Fälle am zweit- bzw. dritthäufigsten genannt. Die Dosierung betrug in 62,4% der Fälle 1 Tablette bei der ersten Einnahme, 2 Tabletten verwendeten 36,3% der Patienten. Die maximal Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Tab. 1: in die Metaanalyse eingeschlossene nicht-interventionelle Studien (NIS) [N] NIS 1GER2003 NIS 2CH2003 NIS 3GER2004 Anzahl der Teilnehmer 2409 512 4187 Verträglichkeitsanalyse 2409 512 3989 Wirksamkeitsanalyse 2409 512 3873 Tab. 2: Schmerzintensität 2 h nach Behandlungsbeginn mit 1 bzw. 2 Tabletten [% Patienten] keine leichte 1 Tablette 58,4 35,8 2 Tabletten 42,2 48,9 Gesamt 52,2 40,7 zulässige Tagesdosis von 3 g Acetylsalicylsäure wurde deutlich unterschritten; pro Tag wurden durchschnittlich lediglich 2,2 ± 4,4 Tabletten eingenommen, im gesamten Behandlungsverlauf 4,6 ± 5,7 Tabletten. Die Behandlungsdauer lag bei durchschnittlich 2,2 ± 1,8 Tagen. Vor und 2 h nach Behandlungsbeginn dokumentierten die Patienten den Schweregrad ihrer Schmerzen mittels einer 4-stufigen Skala (keine - leichte - mäßig starke - starke Schmerzen). Der überwiegende Anteil der Patienten (87-94%) klagte über mäßig starke bis starke Schmerzen vor Behandlungsbeginn. Erwartungsgemäß war der Anteil von Patienten mit starken Schmerzen geringer (27,5%), wenn die Anfangsdosis 1 Tablette betrug, im Vergleich zu 51,2% der Patienten, die 2 Tabletten als Startdosis verwendeten. 2 h nach Behandlungsbeginn gaben 91-94% der Verwender nur noch leichte oder gar keine Schmerzen mehr an. Bei den Verwendern von 2 Tabletten als Startdosis berichteten deutlich mehr über leichte oder mäßig starke Schmerzen nach 2 Stunden, was auf das höhere Schmerzniveau bei Behandlungsbeginn zurückzuführen sein dürfte (Tabelle 2). Die Behandlung führte zu einer schnellen Linderung der Beschwerden: Bereits 30 Minuten nach Einnahme des Präparates gaben über 60% der Befragten an, nur noch leichte oder gar keine Schmerzen mehr zu haben. Der Anteil der Patienten, die 2 h nach Behandlungsbeginn völlig schmerzfrei waren, betrug im Gesamtkollektiv 52,2% und war erwartungsgemäß abhängig von der Stärke der Ausgangsschmerzen. Bei leichten Schmerzen lag er bei 87,3%, bei mäßigen bei 58,8% und bei starken Schmerzen bei 32,5%. Die subjektive Beurteilung der Wirksamkeit durch die Anwender fiel in über 90% der Fälle sehr gut oder gut aus, lediglich 1% beurteilte die Wirksamkeit als schlecht. Die Darreichungsform und die Dosierung bei der ersten Einnahme hatten nur einen geringen Einfluss auf diese Bewertung. Insgesamt gaben 10,1% der Patienten überwiegend leichte Nebenwirkungen an; die meisten betrafen den Gastrointestinaltrakt. Schwerwiegende Nebenwirkungen wie Blutungen oder Ulzera wurden nicht berichtet. Subgruppenanalysen zeigten keinen Einfluss des Geschlechts oder des Alters auf die Nebenwirkungsraten. Andererseits war die Nebenwirkungsrate abhängig von der Dosierung und auch von der Stärke der Ausgangsschmerzen: Bei starken Schmerzen lag die Nebenwirkungsrate bei 12,7%, bei leichten Schmerzen bei 7,4%. Die gepufferte Brausetablette Aspirin® Plus C zeigte eine geringe Inzidenz von Nebenwirkungen als die ungepufferte Aspirin® Tablette (7,8 vs. 11,5%). Die Art der Schmerzen hatte einen erheblichen Einfluss: So berichteten 9% der Patienten mit Kopfschmerzen über Nebenwirkungen, während es bei Migräne 14,2% waren. Die subjektive Beurteilung der Verträglichkeit durch die Anwender fiel in über 92% der Fälle sehr gut oder gut aus. Lediglich 0,7% beurteilte die Verträglichkeit als schlecht. Diskussion: In RCTs mit 1000 mg ASS (single-dose) bei Migräne lag der Anteil an Patienten, die 2 Stunden nach Behandlungsbeginn leichte oder keine Schmerzen angaben, bei ca. 52%; schmerzfrei waren 19,6 bis 27,2% der Studienteilnehmer[3]. In einer Studie bei Spannungskopfschmerzen lag die Responderrate (= komplette oder deutliche Schmerzlinderung) 2 Stunden nach der Behandlung mit 1000 mg ASS bei 78,8%[4]. In den NIS zeigte sich also ein besseres Ansprechen auf die Therapie, was durch die fehlende Placebo-Gruppe und die Teilnah-
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NIS 4ESP2004 1081 1014 1003
mäßig starke 5,1 7,7 6,2
NIS 5GER2006 1255 1255 1228
Total 9444 9179 9025
starke 0,7 1,3 0,9
me von Verwendern mit positiven Vorerfahrungen erklärbar ist. Bei der Beurteilung der Verträglichkeit eines Medikamentes in NIS ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu RCTs einerseits eine Placebokontrolle nicht möglich ist, und zum anderen auch die Beurteilung des Arztes über einen möglichen kausalen Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme fehlt. Ein Vergleich der Daten aus der vorliegenden Analyse mit den Daten aus RCTs mag dies verdeutlichen: Eine Metaanalyse von 72 RCTs1 mit 600-1200 mg Acetylsalicylsäure in der Behandlung von akuten Schmerzen ergab bei über 5.000 Patienten eine Nebenwirkungsrate von 12% für ASS und von 10% für Placebo. In einer gepoolten Analyse von 9 RCTs mit 1.000 mg ASS betrug die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse unter ASS 14,9% und unter Placebo 11,1%. Ein Kausalzusammenhang mit der Medikation wurde aber nur bei 6,5% unter ASS und 4,0% unter Placebo angegeben[5]. Es ist also davon auszugehen, dass bei einem Teil der Nebenwirkungen, die in der gepoolten Analyse der NIS berichtet wurde (10,1%), kein Kausalzusammenhang mit der Einnahme des Präparates bestand, da die Größenordnung an sich mit der aus den klinischen Studien übereinstimmt. Fazit: Die hier vorgestellten Ergebnisse einer Metaanalyse von 5 apotheken-basierten nicht-interventioneller Studien basierend auf den gepoolten individuellen Daten von mehr als 9.000 Patienten verifizieren und ergänzen die Resultate placebo-kontrollierter klinischer Studien unter den Alltagsbedingungen der Selbstmedikation und unterstreichen so die Wichtigkeit dieses speziellen Instrumentes der Arzneimittelforschung. Als Studienzentrum für nicht-interventionelle Studien, insbesondere mit OTC Präparaten, wird die Apotheke in Zukunft an Bedeutung gewinnen und auf dieses Weise einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelforschung leisten können. P15.3 Knoblauchhaltige Phytopharmaka beeinträchtigen nicht die Thrombozytenfunktion G. Scharbert1, M. Prohaska1, U. Thaler2, S. Kozek-Langenecker1 Klinik für Anästhesie, Medizinische Universität Wien, 1 Abt. B, 2 Abt. A Hintergrund: Die Einnahme von knoblauchhaltigen Phytopharmaka im Rahmen alternativer Behandlungsmöglichkeiten hat in den letzten Jahre zugenommen. Dabei fand die hemmende Wirkung auf die Thrombozytenaggregation zunehmend Beachtung (1,2). Dementsprechend wird zur Verminderung des Blutungsrisikos das Absetzen von Knoblauchpräparaten 7 Tage vor invasiven Eingriffen empfohlen. Ziel der Studie war es, die Thrombozytenfunktion vor und nach chronischer Einnahme eines Knoblauchpräparates über 3 Wochen zu untersuchen und zu ermitteln, ob ein additiver Effekt bei zusätzlicher Einnahme eines nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR) besteht. Methoden: Nach Genehmigung des Protokolls durch die Ethik-Kommission und schriftlicher Einwilligung wurden Vollblutproben von 32 gesunden Probanden vor und nach chronischer Einnahme von 900 mg Knoblauch pro Tag (Kwai®, Klosterfrau Berlin GmbH, Deutschland; n=16) oder Placebo (n=16) über 21 Tage in einer randomisierten doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie untersucht. Um einen
möglichen additiven Effekt von Knoblauch auf die thrombozytenhemmende Wirkung von NSAR zu untersuchen, wurden Vollblutproben sowohl unter chronischer Knoblauch-Einnahme als auch nach einer Auswasch-Phase von 7 Tagen 5 Stunden nach Gabe von 100 mg Diclofenac analysiert. Die Thrombozytenfunktion wurde mit folgenden Geräten bestimmt: Platelet Function Analyzer (PFA-100®, Dade, Deutschland), Impedanz-Aggregometrie (Multiplate®, Dynabyte, Deutschland) und Platelet Mapping Assay (TEG®,Haemoscope, USA). Ergebnisse: Die Ausgangswerte der Thrombozytenfunktion lagen bei allen Probanden im Normbereich und blieben normal in der Placebo-Gruppe. Die Thrombozytenfunktion war nach chronischer Knoblauch-Einnahme nicht beeinträchtigt. Diclofenac hemmte signifikant die Plättchenfunktion, wobei die chronische Knoblauch-Einnahme keinen Einfluss auf die Stärke der Hemmung hatte. Zusammenfassung: Knoblauchhaltige Phytopharmaka (0,6% AllicinÄquivalent) beeinträchtigen weder die Plättchenfunktion noch verstärken sie die thrombozytenhemmende Wirkung von NSAR. Es ist also unwahrscheinlich, dass die Einnahme eines Knoblauchpräparates das perioperative Blutungsrisiko erhöht. 1. Ang-Lee MK, Moss J, Yuan C. Herbal medicines and perioperative care. JAMA 2001; 286:208-16 2. Abebe W. Herbal medication: potential for adverse interactions with analgesic drugs. J Clin Pharmacol Ther 2002; 27; 391-401 P15.4 Untersuchung der Therapie starker Schmerzen mit der Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon bei Patienten mit Oxycodon-Vortherapie U. Schutter1, C. Meyer2 1 Schmerztherapeutische Schwerpunktpraxis U. Schutter; 2 Mundipharma, Limburg Fragestellung: In dieser Untersuchung wurde die Therapie starker Schmerzen mittels einer Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon bezüglich der Wirksamkeit und der Verträglichkeit mit der Therapie mittels retardiertem Oxycodon verglichen. Methoden: Während der 4-wöchigen Beobachtungsphase einer multizentrischen, nicht-interventionellen Studie wurden die Untersuchungstermine wie folgt vorgegeben: Eingangstermin, nach 1, nach 2 (optional) und nach 4 Wochen. Zur Eingangsuntersuchung wurde die gesamte Medikation der Patienten erfasst und Ärzte beurteilten die bisherige Schmerztherapie in Bezug auf die Wirksamkeit und die Verträglichkeit (5-Punkte-Skala). Zu allen Untersuchungsterminen wurden unter anderem die Schmerzintensität (NRS 0-10), die Darmfunktion (BFI 0-100) und die Lebensqualität (BPI-SF) dokumentiert. Die Beeinträchtigung der 7 Lebensqualitätsparameter wurde in einem Summescore zusammengefasst (0-70 keine bis stärkste Beeinträchtigung). Nach der Eingangsuntersuchung wurden die Patienten der Schmerzintensität entsprechend auf Dosierungen der Fixkombination Oxycodon/Naloxon eingestellt. Abschließend beurteilten die behandelnden Ärzte die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der Therapie sowie die Verträglichkeit gegenüber der Vortherapie (5-Punkte-Skala). Ergebnisse: Insgesamt wurden 7.836 Patienten mit starken, Opioid-bedürftigen Schmerzen unterschiedlicher Genese in die Studie eingeschlossen. 1.609 Patienten hatten zuvor retardiertes Oxycodon zur Therapie ihrer starken Schmerzen erhalten. Die durchschnittliche Schmerzintensität der Patienten dieser Subgruppe nahm nach Umstellung auf retardiertes Oxycodon/Naloxon und der 4-wöchigen Beobachtungsphase von 5,0 auf 3,8 um 24% ab. Der Bowel Function Index (BFI) nahm innerhalb der 4 Wochen von 50,8 auf 16,5 ab, die durchschnittliche Darmfunktion verbesserte sich damit um 68%. Der Summenscore der Beeinträchtigung der Lebensqualität nahm von 36,5 auf 27,5 um 25 % ab. Die Ärzte beurteilten abschließend zu 81% die Wirksamkeit und zu 82% die Verträglichkeit als „sehr gut“ und „gut“ (entsprechende Beurteilung der Vortherapie 51% und 38%). In der Abschlussbeurteilung bewerteten 29,3 % der Ärzte die Verträglichkeit der Therapie mit dem Kombinationspräparat als „viel besser“
gegenüber der Vortherapie mit Oxycodon und 45,8 % als „besser“. Schlussfolgerung: Der Vergleich der Therapie mit retardiertem Oxycodon / Naloxon gegenüber der Vortherapie mit retardiertem Oxycodon zeigt eine klinisch relevante Reduktion der Schmerzintensität sowie eine erhebliche Steigerung der Lebensqualität. Die deutliche Verbesserung der Darmfunktion und die Beurteilungen beider Therapien lässt den Schluss zu, dass die Kombination Oxycodon/Naloxon bezüglich der Wirksamkeit und der Verträglichkeit überlegen ist. P15.5 Untersuchung der Therapie starker Schmerzen mit der Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon bei opioid-naïven Patienten (Subgruppe) U. Schutter1, C. Meyer2 1 Schmerztherapeutische Schwerpunktpraxis U. Schutter; 2 Mundipharma, Limburg Fragestellung: Untersuchung der Therapie starker Schmerzen mit der Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon bei opioid-naiven Patienten. Methoden: Während der 4-wöchigen Beobachtungsphase einer multizentrischen, nicht-interventionellen Studie waren die Untersuchungstermine wie folgt festgelegt: Eingangstermin, nach 1, nach 2 (optional) und nach 4 Wochen. Zur Eingangsuntersuchung wurde die gesamte Medikation der Patienten erfasst. Zu allen Untersuchungsterminen wurden unter anderem die Schmerzintensität (NRS 0-10: keine bis stärkste vorstellbare Schmerzen), die Darmfunktion (BFI 0-100), die gastrointestinalen Symptome (Fragebogen mit 15 Symptomen vorgegeben, Beurteilung mittels 5 Punkt-Skala) und die Lebensqualität (BPI-SF) dokumentiert. Die Beeinträchtigung der 7 Lebensqualitätsparameter wurde in einem Summescore zusammengefasst (0-70: keine bis stärkste Beeinträchtigung). Nach der Eingangsuntersuchung wurden die Patienten jeweils schmerzangepasst auf Oxycodon/Naloxon eingestellt. Abschließend beurteilten die behandelnden Ärzte die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der Therapie, zusätzlich urteilten sie über die Verträglichkeit der Therapie gegenüber der Vortherapie. Ergebnisse: Insgesamt wurden 7.836 Patienten mit starken, opioidbedürftigen Schmerzen unterschiedlicher Genese in die Studie eingeschlossen. 5.849 (75%) waren in der Vortherapie mit einem Opioid der WHO Stufe II oder III vorbehandelt. 1.963 Patienten waren vor der Einstellung auf die Studienmedikation opioid-naiv. Die Ergebnisse der Analyse der Subgruppe der opioid-naiven Patienten werden vorgestellt. Die durchschnittliche Schmerzintensität dieser Patienten nahm nach Umstellung auf retardiertes Oxycodon/Naloxon und der 4-wöchigen Beobachtungsphase von durchschnittlich 5,9±1,7 auf 3,0±1,8 um 49% ab. Die normale Darmfunktion blieb während des Untersuchungszeitraumes erhalten. Der als Maß für die Darmfunktion geltende Bowel Function Index (BFI) nahm von 23,3±27,2 auf 12,0±16,8 ab. Die gastrointestinalen Symptome blieben durch die Einstellung auf das starke Opioid unbeeinträchtigt oder verbesserten sich sogar. Der %-Anteil der Patienten ohne Symptome wie z.B. Übelkeit (69%), Erbrechen (90%) und Schwindel (69%) stieg innerhalb von 4 Wochen auf 84%, 96% und 83%. Der Summenscore der Beeinträchtigung der Lebensqualität nahm von 42,3± 13,0 auf 21,2±13,2 ab. Daraus folgt eine Steigerung der Lebensqualität um 50%. Die Ärzte beurteilten abschließend zu 90,1% die Wirksamkeit und zu 90,0% die Verträglichkeit als „sehr gut“ oder „gut“. Im Gegensatz dazu bewerteten die Ärzte die Vortherapie hinsichtlich der Wirksamkeit zu 5,8% und hinsichtlich der Verträglichkeit zu 36,0% mit „sehr gut“ oder „gut“. In der Abschlussbeurteilung bewerteten 85,4 % der Ärzte die Verträglichkeit der Therapie mit dem Kombinationspräparat als „viel besser“ oder „besser“ gegenüber der Vortherapie. Schlussfolgerung: Patienten, die zur Therapie ihrer Schmerzen erstmals ein starkes Opioid erhalten profitieren durch die Einstellung auf das retardierte Kombinationspräparat Oxycodon/Naloxon in zweifacher Hinsicht: durch die starke Wirksamkeit gegen den Schmerz und die überlegene Verträglichkeit. Hieraus resultiert eine deutliche Steigerung der Lebensqualität der Patienten. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts P15.6 Vergleich zwischen Tapentadol Immediate Release und Oxycodon Immediate Release zur Behandlung von mäßigen bis starken Schmerzen bei Patienten mit Gelenkerkrankung im Endstadium M. Afilalo1, C. Oh2, A. Okamoto2, I. Van Hove3, J. Stegmann4, B. Langer4, D. Upmalis2 1 SMBD-Jewish General Hospital, Montreal, Quebec, Kanada; 2 Johnson & Johnson Pharmaceutical Research & Development, Titusville, New Jersey, USA; 3 Johnson & Johnson Pharmaceutical Research & Development, Beerse, Belgien; 4 Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen, Deutschland Tapentadol ist ein neuartiges, zentral wirksames Analgetikum mit zwei Wirkmechanismen. Sowohl µ-Opioidrezeptor-Agonismus als auch Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung sind in einem einzigen Molekül kombiniert. Die Wirksamkeit von Tapentadol Immediate Release (IR) wurde in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Multizenterstudie untersucht. Studienteilnehmer waren Patienten mit mäßigen bis starken Schmerzen aufgrund einer im Endstadium befindlichen Gelenkerkrankung, bei denen ein partieller oder totaler Gelenkersatz indiziert war. Insgesamt wurden 666 Patienten (Sicherheitspopulation) 1:1:1:1 randomisiert und erhielten entweder Tapentadol IR 50mg, Tapentadol IR 75mg, Oxycodon HCl IR 10mg oder Placebo in oraler Form (alle 4 bis 6 Stunden während der Wachzeit, maximal 6 Dosen/Tag). 659 Patienten wurden in die Wirksamkeitsanalysen eingeschlossen. In den Tapentadol IR- und Oxycodon IR-Behandlungsgruppen wurde im Vergleich zur Placebogruppe eine statistisch signifikante Verbesserung der Schmerzintensität nachgewiesen (p < 0,001). Diese wurde anhand des primären Endpunkts (über 5 Tage aufsummierte Schmerzintensitätsdifferenz; 5-day SPID) bestimmt. Präspezifizierte Wirksamkeitsvergleiche zeigten, dass beide Tapentadol IR-Dosierungen (50 und 75mg) vergleichbar mit Oxycodon HCl IR 10mg waren. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Schwindel und Erbrechen. Im Vergleich zu Oxycodon HCl IR 10mg kam es bei beiden Tapentadol IR-Dosierungen zu einem geringeren Auftreten von Übelkeit (Tapentadol IR 50mg 18%; Tapentadol IR 75mg 21%; Oxycodon IR 41%), Erbrechen (Tapentadol IR 50mg 7%; Tapentadol IR 75mg 14%; Oxycodon IR 34%) und Obstipation (Tapentadol IR 50mg 4%; Tapentadol IR 75mg 7%; Oxycodon IR 26%). Die nachfolgende Auswertung der Odds Ratios und der 95%-Konfidenzintervalle (KI) zeigt, dass Tapentadol IR 50 und 75mg verglichen mit Oxycodon HCl IR 10mg signifikant niedrigere Odds bezüglich des Auftretens von Übelkeit/Erbrechen, als zusammengesetzter Vergleichswert, und Obstipation aufweisen (Odds Ratios [95% KI], Übelkeit/Erbrechen: Tapentadol IR 50mg: 0,21 [0,128-0,339]; Tapentadol IR 75mg: 0,32 [0,204-0,501]; Obstipation: Tapentadol IR 50mg: 0,13 [0,057-0,302]; Tapentadol IR 75mg: 0,20 [0,098-0,398]). Diese Ergebnisse legen nahe, dass Tapentadol IR 50 und 75mg analgetisch ähnlich wirksam sind wie Oxycodon HCl IR 10mg bei gleichzeitig verbessertem gastrointestinalem Verträglichkeitsprofil. P15.7 Sicherheit und Verträglichkeit von Tapentadol Immediate Release bei Patienten mit Schmerzen nach Bunionektomie D. Upmalis1, A. Okamoto1, C. Oh1, Y. Ma1, J. Delfgaauw2, J. Stegmann2, I. Gottlieb3 1 Johnson & Johnson Pharmaceutical Research & Development, L.L.C., Raritan, New Jersey, USA; 2 Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen, Deutschland; 3 Chesapeake Research Group, Pasadena, Maryland, USA. Ziel: Tapentadol ist ein neuartiges, zentral wirksames Analgetikum mit zwei Wirkmechanismen. Sowohl µ-Opioidrezeptor-Agonismus als auch Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung sind in einem einzigen Molekül kombiniert. Diese randomisierte, doppelblinde, aktiv- und placebokontrollierte Multizenterstudie der Phase III vergleicht die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tapentadol Immediate Release (IR) und Oxycodon IR mit Placebo bei Patienten mit mäßigen bis starken Schmerzen nach Bunionektomie.
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Methode: Die Patienten (N = 603) wurden randomisiert und erhielten (alle 4 bis 6 Stunden) entweder Placebo, Tapentadol IR 50, 75 bzw. 100mg oder Oxycodon HCl IR 15mg. Ergebnisse: Alle aktiven Therapien waren signifikant wirksamer als Placebo (P < 0,001). Tapentadol IR 100mg war Oxycodon HCl IR 15mg hinsichtlich der Wirksamkeit nicht unterlegen (Post-hoc-Analyse). Es zeichnete sich eine zunehmende Gesamtinzidenz an Nebenwirkungen ab bei steigender Dosierung von Tapentadol IR 50, 75 bzw. 100mg (70%, 75% bzw. 85%) vs Oxycodon HCl IR 15mg (87%) und Placebo (41%). Verglichen mit Oxycodon HCl IR 15mg kam es bei allen Tapentadol IR-Dosierungen zu einem geringeren Auftreten von Übelkeit, Erbrechen und Obstipation bei ähnlicher bzw. höherer Inzidenz von Somnolenz. Dieser Unterschied bezüglich der Somnolenz wurde in anderen Phase III Studien außerhalb des postoperativen Settings nicht beobachtet und rechtfertigt eine weitere Evaluierung. In der Post-hocAnalyse betrug die Inzidenz von Übelkeit und/oder Erbrechen bei Tapentadol IR 100mg 53% und bei Oxycodon HCl IR 15mg 70% (nominal P = 0,007). Diskussion: Diese Ergebnisse zeigen, dass Tapentadol IR im Vergleich zu Oxycodon IR eine verbesserte gastrointestinale Verträglichkeit besitzt, wie auch in anderen Phase III Studien bestätigt wurde. P15.8 Vergleich von Verträglichkeit und Opioidentzugssymptomatik nach Absetzen der Behandlung mit Oxycodon IR und Tapentadol IR D. Upmalis1, A. Okamoto1, C. Oh1, M. Buzoianu1, J. Stegmann2, M. Hale3 1 Johnson & Johnson Pharmaceutical Research & Development, Titusville, New Jersey, USA; 2 Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen, Deutschland; 3 Gold Coast Research, Plantation, Florida, USA Tapentadol ist ein neuartiges, zentral wirksames Analgetikum mit zweifachem Wirkmechanismus. Sowohl µ-Opioidrezeptor-Agonismus als auch Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung sind in einem einzigen Molekül kombiniert. In einer randomisierten, doppelblinden Multizenterstudie wurde die Inzidenz von Opioidentzugssymptomen im Anschluss an eine 90-tägige Behandlung mit Tapentadol Immediate Release (IR) im Vergleich zu Oxycodon HCl IR bei Patienten mit Rückenschmerzen oder Schmerzen aufgrund von Osteoarthritis verglichen. Die Patienten (878 wurden randomisiert, 849 erhielten das Studienmedikament) erhielten nach dem Zufallsprinzip in einem 4:1 Verhältnis entweder eine flexible Dosis Tapentadol IR (50 oder 100mg/ Dosis; maximal 600mg/Tag) oder Oxycodon HCl IR (10 oder 15mg/ Dosis; maximal 90mg/Tag) alle 4 bis 6 Stunden. Die Entzugssymptome nach abruptem Absetzen des Studienmedikaments wurden post hoc mithilfe des Clinical Opioid Withdrawal Scale (COWS)- und des Subjective Opioid Withdrawal Scale (SOWS)-Fragebogens bestimmt. In den meisten Fällen wurden diese Fragebögen innerhalb von 2 bis 4 Tagen nach Absetzen des Studienmedikaments ohne Einnahme von Ersatzopioiden vervollständigt. Die Behandlung mit täglichen Dosen (Mittelwert ± Standardabweichung) von Tapentadol IR (284 ± 156mg) und Oxycodon IR (42 ± 25mg) zeigten während des gesamten Studienzeitraums ähnliche Schmerzwerte. Basierend auf der COWS-Bewertung (n = 306 Tapentadol IR, n = 66 Oxycodon IR) wurden in der Tapentadol IR-Gruppe bei signifikant mehr Patienten „keine“ (82,7%) und bei signifikant weniger Patienten „leichte“ bzw. „mittelgradige“ Entzugssymptome (17,0% bzw. 0,3%) beobachtet als in der jeweiligen Oxycodon IR-Gruppe („keine“: 71,2%, „leichte“: 25,8% bzw. „mittelgradige“: 3,0%; nominal P < 0,05). Der mittlere SOWS-Wert war in der Tapentadol IR-Gruppe (n = 308; 6,9) niedriger als in der Oxycodon IR-Gruppe (n = 67; 8,7; kein signifikanter Unterschied). Der mittlere SOWS-Wert war bei Patienten ³ 5 Tage nach Absetzen des Studienmedikaments (n = 187 Tapentadol IR, n = 43 Oxycodon IR) 6,3 für die Tapentadol IR- bzw. 7,0 für die Oxycodon IR-Gruppe (kein signifikanter Unterschied). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass in dieser Patientenpopulation Entzugssymptome nach abruptem Absetzen einer bis zu 90-tägigen Behandlung selten auftraten und von begrenzter Intensität waren.
P16 Akutschmerz P16.1 Entwicklung einer PC-gestützten Dokumentation der komplexen Akutschmerztherapie unter dem Gesichtspunkt von Anwenderzufriedenheit, Datenqualität und Systemstabilität M. Czaplik1, R. Joppich2, F. Wappler2, R. Rossaint1 1 Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Aachen, Rheinisch Westfälische Technische Hochschule; 2 Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Lehrstuhl für Anästhesiologie II der Universität Witten-Herdecke Die Dokumentation der ärztlichen Leistung ist heute unverzichtbar im Hinblick auf Transparenz, Qualitätssicherung, Forensik und Ökonomie in der Medizin. Bei fachübergreifenden Tätigkeiten wie der komplexen Akutschmerztherapie ist dies von besonderer Bedeutung, da Patienten verschiedener Fachabteilungen auf unterschiedlichen Stationen betreut werden. Der Datenschutz verbietet eine im Patientenzimmer verbleibende Dokumentation, häufig ist daher eine doppelte Dokumentation in Patientenakte und beim Akutschmerzdienst. Eine Lösung des Problems bietet die Vernetzung einer EDV-gestützten Dokumentation mit dem Krankenhausinformationssystem (KIS). Wesentlich für die Akzeptanz eines solchen Systems durch den Anwender, und damit für die Dokumentationsqualität, ist die einfache Programmführung. Aufgrund der Größe und der Fluktuation des Mitarbeiterpools eines Akutschmerzdienstes im 24h-Dienst muss das Dokumentationsprogramm nahezu selbsterklärend in der Handhabung sein und sollte mit wenigen Eingaben ein Maximum an Information generieren, die sowohl der statistischen Auswertung, als auch den Lesegewohnheiten entsprechend in Freitextform zugänglich sein sollte. Nicht zuletzt entscheidet aber auch die Systemstabilität einer Software in der 24h-Anwendung über die Akzeptanz, da häufige Softwareprobleme zu Dokumentationslücken führen, die letztlich auch forensisch relevant sind. Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage von Erfahrungen mit computerlesbaren Dokumentationsbögen einerseits und Handheld-gestützten Dokumentationsprogrammen andererseits wurde am Universitätsklinikum Aachen ein PC-Dokumentationsprogramm entwickelt. Bei der Programmentwicklung wurde die zu dokumentierende Information hinsichtlich ihrer tatsächlichen Relevanz und damit Notwendigkeit der Dokumentation überprüft und der Eingabeaufwand auf ein Minimum reduziert. Stamm- und Basisdaten können aus dem KIS importiert werden. Die Dokumentation erfolgt fast ausschließlich über Auswahlfelder, um eine möglichst umfassende statistische Auswertung der erfassten Information zu ermöglichen. Zusätzlich werden automatisch Textbausteine in einem Freitextfeld erzeugt und damit die Information den Lesegewohnheiten entsprechend dargestellt. Normalbefunde können durch Verknüpfung verschiedener Auswahlfelder vereinfacht mit einem Mausklick dokumentiert werden. Das Programm ist seit dem 1.12.2007 kontinuierlich im Einsatz. In dieser Zeit kam es zu keinem Programmfehler. Bis zum 28.06.2008 wurden 841 Behandlungsfälle bei 739 Patienten dokumentiert. Es ist geplant nach Ablauf von 6 Monaten die Anwenderzufriedenheit mittels Fragebogen zu ermitteln. P16.2 Die analgetische Lücke als Qualitätsparameter der postoperativen Akutschmerztherapie M. Djelani, T. Giesecke Janssen-Cilag GmbH, Neuss Hintergrund: Das Ziel der postoperativen Akutschmerztherapie ist eine effektive und lückenlose Analgesie. Doch die Qualität des Akutschmerzmanagementes ist nach wie vor verbesserbar. Unklar ist, ob sich Parameter identifizieren lassen, welche die Qualität der postoperativen Akutschmerztherapie beeinflussen. Weiterhin müssen diese Einflussgrößen messbar sein, um den Erfolg von Modifikationen beurteilen zu können.
Ziel und Methode: Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed und MEDLINE nach Studien zur Qualitätsbeurteilung der postoperativen Akutschmerztherapie. Ergebnis: Bisher gibt es keine einheitlichen Parameter, um die Qualität der postoperativen Akutschmerztherapie zu messen. Die Hauptursachen für eine unzureichende Qualität sind eine unzureichende Schmerzmessung und -dokumentation, unzureichende interdisziplinäre Kooperation, unzureichendes Vorhandensein eines Akutschmerzdienstes, organisatorische, personelle und finanzielle Mängel, Unsicherheit im Umgang mit Analgetika, eine unzureichende Nutzung vorhandener Applikationsmethoden und unzureichende Patienteninformation und -aufklärung. Diese Parameter lassen sich jedoch nur schwer oder gar nicht systematisch messen. Alle diese Ursachen führen aber letztlich immer dazu, dass der Patient für eine gewisse Zeit keinen oder einen nur ungenügenden Zugang zu der benötigten Menge an Analgetika hat. Damit sind die Folgen für den Patienten analgetische Lücken. Über die Messung analgetischer Lücken lässt sich zusätzlich zur Schmerzintensität die Zeitdauer der Schmerzen erfassen. Durch eine kombinierte Messung von Schmerzintensität und Schmerzdauer ist die Beurteilung einer effektiven und lückenlosen Analgesie möglich. Die Messung analgetischer Lücken lässt demnach Rückschlüsse auf die Qualität der postoperativen Akutschmerztherapie zu. Gleichzeitig kann erwartet werden, dass eine Verbesserung der Qualität zur Reduktion analgetischer Lücken führt. Schlussfolgerung: Die Qualität der postoperativen Akutschmerztherapie lässt sich anhand des Zieles einer effektiven und lückenlosen Analgesie beurteilen. Zusätzlich zur bisher bereits gemessenen Schmerzintensität sollten die Schmerzdauer und Anzahl analgetischer Lücken erfasst werden. P16.3 Verbesserung der Datenqualität im Akutschmerzdienst durch die Einführung einer mobilen Datenerfassung C. Geiss, S. Lindner, D. Märkert, G. Littschwager, N. Griessinger, R. Sittl, J. Filitz Universitätsklinikum Erlangen, Anästhesiologische Klinik, Akutschmerzdienst Einleitung: Um die Qualität der postoperativen Schmerztherapie zu evaluieren ist eine standardisierte Erhebung der wichtigsten schmerzrelevanten Parameter notwendig. Im Akutschmerzdienst in Erlangen erfolgt seit 1995 eine primär papiergestützte Datenerfassung, die nachträglich in eine elektronische Form umgewandelt wurde. Seit 01.12.2007 ist eine Datenerfassung mit Tablet PC möglich. Fragestellung: In unserer Untersuchung sollte überprüft werden inwieweit die Vollständigkeit der Datenerfassung mit Hilfe des Tablet PC’s im Vergleich zur papiergestützten Erfassung verbessert werden kann. Methode: Die Qualitätsindikatoren (Schmerzwert, Nebenwirkung, Medikamentenverbrauch usw.) von postoperativen Patienten, die mit einer PCA (Patientenkontrollierte Analgesie) ausgestattet waren, wurden papiergestützt dokumentiert und mit den Daten einer mobilen Datenerfassung mit Tablet PC verglichen. Die unterschiedliche Dokumentation erfolgte jeweils über einen Zeitraum von 6 Monaten. Ergebnisse: Der Prozentsatz nicht erhobener/nicht erhebbarer Schmerzwerte war mit 10% mit dem Tablet PC signifikant niedriger gegenüber 50% mit der papiergestützten Erfassung. Auch die verschiedenen Nebenwirkungsparameter (Sedierung, Übelkeit und Juckreiz) wurden signifikant besser dokumentiert (fehlende Werte mit Tablet PC 12% vs. 54% bei papiergestützter Datenerfassung). Schlussfolgerungen: Durch die Datenerfassung schmerzrelevanter Parameter im Akutschmerzdienst mit Hilfe eines Tablet PC kann die Qualität der erhobenen Daten signifikant gegenüber einer papierbasierten Dokumentation verbessert werden. Durch Analyse und Rückmeldung dieser Daten an die beteiligen Kliniken kann die postoperative Schmerztherapie zeitnah und zielgerecht evaluiert und entsprechend verbessert werden. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts P16.4 Einführung eines Akutschmerzdienstes (ASD) am Universitätsklinikum Leipzig AöR – Konzept und Erfahrungen M. Laufer, A. Keil, M. Wiegel, S. Arnold, U. X. Kaisers Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie Im Januar 2008 nahm am Operativen Zentrum des Universitätsklinikum Leipzig AöR ein anästhesiologischer ASD die Arbeit auf. Zu versorgen sind 6 operative Kliniken (Abdominalchirurgie, Traumatologie, Orthopädie, Neurochirurgie, Gynäkologie und Urologie) mit 13 Normalstationen, 1 IMC, 1 Einheit für multidisziplinäre Intensivtherapie und 14 Operationssälen mit AWR und PACU. Die personelle Besetzung besteht aus 2 Pain Nurses und 2 überwachenden Anästhesisten. Im Vorfeld erfolgte die Beschaffung von 25 Schmerzpumpen (CADD Legacy PCS2). Es werden 3 standardisierte Verfahren vorgehalten: 1. iv.-PCA mit Piritramid; 2. PCEA mit Ropivacain/Sufentanil und 3. periphere Katheterverfahren mit Ropivacain. Erfahrungen: 1. Die Einweisung des gesamten, in Schichten arbeitenden Personals war logistisch aufwändig und muss kontinuierlich fortgeführt werden. 2. Die Akzeptanz der Pumpen beim Stationspersonal war nicht immer sofort gut, da Komplikationen und erhöhter Überwachungsaufwand befürchtet wurden. 3. Die Patienten beurteilten den ASD fast ausschließlich mit guten und sehr guten Wertungen und waren meist sehr zufrieden. 4. Schwere Störungen und Komplikationen wurden nicht gesehen. 5. Der Einsatz der Schmerzpumpen konzentriert sich nach 6 Monaten vorrangig auf die PCEA und iv.-PCA mit Piritramid. Die peripheren Katheter werden auf Wunsch der Operateure weiterhin vorrangig mit Bolusgaben versorgt. 6. Durchschnittlich werden die Pumpen 3 bis 4 Tage am Patienten belassen. Schlussfolgerungen: Die Etablierung eines ASD an einem großen Universitätsklinikum ist organisatorisch anspruchsvoll. Bereits in der Planungsphase sollte eine straffe Organisationsstruktur geschaffen werden. Die Akzeptanz beim Personal der Normalstationen entwickelt sich erst mit der Zeit. Anfangs bestehen teilweise Berührungsängste mit den Pumpen und die Befürchtung von Komplikationen und Mehrarbeit infolge höheren Überwachungsaufwandes. Die Patienten profitieren deutlich von einer besseren Analgesie und bewerten den ASD mit guten bis sehr guten Noten. P16.5 Perioperative Gabe von Oxycodon: Anwendungshäufigkeit und Outcome S. Mescha, J. Rothaug, W. Meißner Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie und Schmerztherapie Universitätsklinikum Jena Einleitung: Die peri- bzw. postoperative Gabe retardierter Opioide (z.B. Oxycodon) erfreut sich anekdotischen Berichten zufolge großer Beliebtheit. Bisher liegen keine Angaben über Häufigkeit und Ergebnisse dieses bisher nicht in Leitlinien empfohlenen Verfahrens vor. Methode: Auf der Grundlage des QUIPS- Registers (stichprobenartige Erhebung von Prozess- und Ergebnisparametern am 1. postoperativen Tag) wurde die Häufigkeit der Gabe verschiedener Opioide zur systemischen Schmerztherapie auf operativen Allgemeinstationen analysiert. Für die Subgruppe der laparoskopischen Cholecystektomien wurden die gemessenen Outcomeparameter Schmerzstärke, schmerzbedingte Beeinträchtigung, Nebenwirkungen und Patientenzufriedenheit untersucht. Ergebnisse: Das QUIPS-Register umfasste zum Analysezeitpunkt 32166 Datensätze aus 43 Kliniken im Zeitraum 06/2005 bis 06/2008. Die Gabe von Oxycodon auf der Station wurde insgesamt 1723 mal codiert, dies entspricht einem Anteil von 5,36% aller Fälle bzw. 8,27% aller mit einem Opioid behandelten Patienten (fehlende Angaben: 7532 Fälle). Der größte Anteil fällt in das Fachgebiet der Allgemeinchirurgie mit 7,48% (Gyn/ Uro: 1,5%; Trauma/ Orthop: 6,26%). Patienten nach laparoskopischen Cholecystektomien (n=1775) erhielten am häufigsten Piritramid (17,4%), Oxycodon (7,1%) und Tramadol (4,3%) (kein Opioid: 48,6%, keine Angabe: 4,2%). In vielen Outcomeparametern war die Oxycodongruppe den übrigen Opioidgruppen überlegen (Max. Schmerzintensität (NRS) für Piritramid/
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Oxycodon/ Tramadol: 5,75/ 4,74/ 5,93, Anteil der mobilitätsbeeinträchtigten Patienten: 64/ 45/ 72%, Wunsch nach mehr Schmerzmitteln: 17/ 10/ 17%, Zufriedenheit (15teilige NRS): 12,21/ 12,70/ 12,14. Unter der Oxycodongabe wurde keine erhöhte Inzidenz von Müdigkeit; Übelkeit und Erbrechen im Vergleich zur Piritramidgabe beobachtet. Die verwendeten Dosierungen der Opioide waren überwiegend äquipotent. Diskussion: Unsere Daten deuten an, dass die postoperative Gabe retardierter Opioide in der klinischen Praxis weit verbreitet ist. Im Vergleich zu konventionellen Opioiden scheint dieses Konzept zu vergleichbaren oder besseren Therapieergebnissen zu führen. Weitere Untersuchungen sollten vor allem darauf zielen, seltene, aber potentiell bedrohliche Komplikationen wie beispielsweise Sedierung/Atemdepressionen zu quantifizieren. P16.6 Postoperative Schmerztherapie im Aufwachraum – Oxygesic inject versus Piritramid K. Post Abteilung für Anästhesiologie, Klinikum Coburg gGmbH Einleitung: Die postoperative Schmerztherapie ist ein wichtiger Bestandteil im Bereich der perioperativen Medizin und der sogenannten Fast-Track-Rehabilitation nach operativen Eingriffen. Dabei ist nicht nur eine adäquate Schmerzlinderung nach Operationen das Ziel, sondern auch eine frühzeitige Rehabilitation des Patienten mit Reduktion der perioperativen Morbidität und Mortalität. Neben Aufklärung der Patienten, Verbesserung der Versorgungsstruktur durch Schmerzmanagement und Akutschmerzdienste sowie dem Einsatz regionaler Anästhesieverfahren, kommen immer wieder neue Substanzen bzw. neue Applikationsformen zum Einsatz. Neben dem in Deutschland etablierten Piritramid zur parenteralen postoperativen Schmerztherapie ist neuerdings das in der Retardform bekannte Oxycodon als i.v. Verabreichungsform verfügbar. Vergleichende postoperative Studien zwischen den genannten Substanzen fehlen derzeit noch[1]. Zur Sammlung von Erfahrungen mit dieser neuen Substanz führten wir eine vergleichende Untersuchung durch. Material und Methodik: Innerhalb eines Vier-Monats-Zeitraumes setzten wir beide Substanzen (Piritramid vs. Oxygesic inject®) in unserem zentralen Aufwachraum zur postoperativen parenteralen Schmerztherapie ein. Dabei wurde Oxygesic inject® über eine Zeitraum von 2,5 Monaten und Piritramid über 1,5 Monate eingesetzt. Eine Verblindung wurde nicht durchgeführt. Die Pflegekräfte der Anästhesie wurden initial über das Vorhaben und die neue Substanz aufgeklärt. Bei Kindern unter 12 Jahren kam Oxygesic inject® nicht zum Einsatz. Das Vorgehen wurde vorab mit dem Ethikbeirat der Klinik besprochen und genehmigt. Erhoben wurden neben Alter, Geschlecht, Eingriff und applizierte Dosis auch die mittlere Verweildauer im Aufwachraum. Entsprechend den Kriterien zur postoperativen Schmerztherapie kamen nach den klinikeigenen Leitlinien auch Nichtopioidanalgetika (Metamizol, Paracetamol, Dexketoprofen) bzw. das schwächere Opioidanalgetikum Tramadol, entsprechend den durchgeführten Prozeduren, zum Einsatz. Ergebnisse: Innerhalb des Vier-Monats-Zeitraums wurden 347 Patienten mit Oxygesic inject®, 245 Patienten mit Piritramid im zentralen Aufwachraum behandelt. Das Durchschnittsalter in der OxygesicGruppe betrug 56,7 Jahre, in der Piritramid-Gruppe 55,6 Jahre. Die Geschlechtsverteilung ergab übereinstimmend in beiden Gruppen 60% Frauen und 40% Männer. Die Eingriffe verteilten sich wie folgt: 35,5% Allgemeinchirurgie, 27,5% Gynäkologie, 22% Unfallchirurgie, 8,1% Urologie, 4% Gefäßchirurgie, 2.9% waren nicht zuzuordnen. Der mittlere Verbrauch für Oxygesic inject® betrug 6,04mg pro Patient, für Piritramid 10,22mg pro Patient. Die differenziertere Betrachtung hinsichtlich Eingriffsgröße soll noch erfolgen. Bezogen auf die mittlere Verweildauer zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Mehr als 120 Minuten verweilten 46,4% der Oxygesic-Gruppe vs. 42.9% der mit Piritramid behandelten, bis zur 120 Minuten 18,3% bei Oxygesic vs. 16.9% mit Piritramid, bis 90 Minuten 25,8% mit Oxygesic vs. 23,7% mit Piritramid und bis 60 Minuten 9,5% bei Oxygesic vs. 12,4% bei Piritramid.
Zusammenfassung: In dieser Anwenderuntersuchung zeigten sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der mittleren Verweildauer im Aufwachraum nach Behandlung mit Oxygesic inject® und Piritramid zur parenteralen Schmerztherapie. Während des gesamten Anwendungszeitraums von Oxygesic inject® kam es zu keinen Zwischenfällen. Die Durchführung der Schmerztherapie mit dieser neuen Substanz konnte von den Pflegekräften gut umgesetzt werden. Tendentiell zeigte sich in einer Befragung der Anwender geringere Anzeichen für Atemdepression und eine bessere Vigilanz der behandelten Patienten. Eine differenziertere Betrachtung der Daten wird noch erfolgen hinsichtlich des mittleren Dosisverbrauch bezogen auf die operative Prozedur. Eindeutige Vorteile dieser neuen Substanz konnten mit dieser Untersuch allerdings nicht aufgezeigt werden. P16.7 Postoperative Messung von Empfindung- und Schmerzschwellen im Bereich von Spalthauttransplantaten S. Said Yekta1,2, R. Smeets2,3, F. Lampert1, J. Ellrich4 1 Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde; 2 IZKF „Biomat.“; 3 Klinik für Zahn-, Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, RWTH Aachen; 4 Medical Physiology Group, Center for Sensory-Motor Interaction SMI, Department of Health Science and Technology, Medical Faculty, Aalborg University, Denmark Einleitung: Es soll der Frage einer möglichen Reinnervation von Spalthauttransplantaten an der Lappenentnahmestelle (Radialislappen) bei Patienten nach einer Tumorresektion im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich nachgegangen werden. In der Literatur wird grundsätzlich von einer zumindest partiellen Reinnervation eines solchen Transplantates ausgegangen. Deshalb wurde die Funktion sensorischer Nervenfasern an der Entnahmestelle mittels „Quantitative Sensorische Testung (QST)“ untersucht. Methodik: Sechs Patienten (2 Frauen, 4 Männer) im Alter zwischen 39 und 74 Jahren, wurden im Rahmen dieser Studie postoperativ (2 Patienten ½ Jahr post OP, jeweils 1 Patient ¾ Jahr, 1 Jahr, 2 Jahre und 8 Jahre post OP) untersucht. Alle Patienten wurden mittels QST in der Lappenentnahmeregion (Testareal), die mit einem 0.5 mm dicken Spalthauttransplantat gedeckt wurde, und kontralateral (Kontrollareal) getestet. Erhoben wurden Schwellen für Kälte, Wärme, Kälte- und Hitzeschmerz, mechanische Berührung und Schmerz. Weiterhin erfolgte die Bestimmung der Druckschmerzschwelle und der Wind-up-Ratio. Die Patienten wurden zusätzlich auf das Symptom Allodynie untersucht. Die Vibrationsschwelle wurde auf dem knöchernen Vorsprung, dem Processus styloideus, gemessen. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigten, dass alle Patienten über dem betroffenen Segment eine Wärme-, Kälte und mechanische Anästhesie und Analgesie aufwiesen. Lediglich die Vibrationsempfindung und der Druckschmerz zeigten den Kontrollen annähernd vergleichbare Befunde. Die Kontrollareale wiesen keine pathologischen Befunde auf. Schlussfolgerungen: Die Vibrationsempfindung zeigte keinen pathologischen Befund, da diese durch Knochenleitung vermittelt und die Messung daher nicht innerhalb des Spalthautareals durchgeführt wurde. Die Druckschmerzschwelle lieferte ebenfalls keine pathologischen Ergebnisse, da bei dieser Untersuchung der Tiefenschmerz bestimmt wird. Es fanden sich bei den untersuchten Transplantaten keine Hinweise auf Resensibilisierung für alle anderen Parameter. Diese Ergebnisse deuten auf fehlende Einsprossung von Rezeptoren der Faserklassen Aα, Aβ und C und somit auf eine fehlende Reinnervation hin. P16.8 Überprüfung der Schmerzintensitätsmessung im Rahmen der Implementierung eines perioperativen Schmerzkonzeptes in die klinische Routine P. Saur, B. Bachmann, K. Lipka Regionales Zentrum für Anaesthesie, Schmerztherapie, Rettungs- und Intensivmedizin der Sana-Kliniken Lübeck und Ostholstein GmbH Ziel der Untersuchung: Eine konsequente standardisierte perioperative Schmerztherapie hat sich in zahlreichen Studien als vorteilhaft erwiesen. Dennoch wird die perioperative Schmerztherapie
noch immer in der klinischen Routine vernachlässigt oder unsystematisch durchgeführt. Im Rahmen der Implementierung eines perioperativen Schmerzkonzeptes wurde anhand von Schmerzvisiten überprüft, ob routinemäßige Schmerzintensitätsmessungen bei Patienten auf der Normalstation eines Krankenhauses durchgeführt werden. Methode: Zunächst wurde ein perioperatives Schmerztherapiekonzept erstellt. Um die Durchführung des Konzeptes zu überprüfen, wurden Schmerzvisiten auf 6 chirurgisch und interdisziplinär belegten Normalstationen eines Krankenhauses eingeführt. Dabei wurde überprüft, bei wie vielen Patienten die Schmerzintensität routinemäßig erfragt und dokumentiert wird. Weiterhin wurde der Anteil der Patienten mit einer Schmerzintensität größer und kleiner als 3 der numerischen Analogskala (1-10) erhoben. Ergebnisse: Die Daten von 324 Patienten wurden ausgewertet. Bei 292 (90%) der Patienten wurde die Schmerzintensität erhoben, bei 32 (10%) Patienten wurde trotz Vorgabe keine Schmerzintensität erfragt. 15 (4,6%) Patienten hatten nach einer Operation eine Schmerzintensität größer als 3 der numerischen Analogskala, 10 (3%) Patienten hatten eine Schmerzintensität größer als 3 der numerischen Analogskala, ohne dass sie operiert wurden. Bei 8 (2,5%) Patienten zeigte sich die Schmerzintensitätserhebung als besonders problematisch. Schlussfolgerungen: Vor Beginn der Umsetzung des perioperativen Schmerzkonzeptes wurden nur vereinzelt routinemäßige Schmerzintensitätsmessungen bei Patienten im Krankenhaus durchgeführt. Nach der Einführung des perioperativen Schmerzkonzeptes wurde bei 90% der Patienten eine routinemäßige Schmerzintensitätsmessung durchgeführt. Von diesen 90% gaben nur 7,6% der Patienten eine Schmerzintensität größer als 3 der numerischen Analogskala an. P16.9 Effektivität eines standardisierten Befestigungssystems für interskalenäre Plexuskatheter M. D. Wirtz, M. Poels, S. Trojan, R. Joppich, F. Wappler Universität Witten/Herdecke, Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Krankenhaus Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH Fragestellung: Bei komplexen Schultereingriffen mit einem hohen postoperativen Schmerzniveau gilt die kontinuierliche, patientenkontrollierte interskalenäre Plexusblockade (ISP) als Verfahren der Wahl (1). Im Rahmen unseres Qualitätsmanagements beobachteten wir dabei eine, im Vergleich zur Literatur (2), unerwartet hohe, akzidentelle Dislokationsrate. Diese trat typischerweise während der postoperativen Mobilisation, des Kleidungswechsels oder beim schlafenden Patienten auf. Die vorliegende Untersuchung sollte die Frage beantworten, ob durch ein verbessertes Befestigungssystem die Dislokationsrate der ISP-Katheter reduziert und der Behandlungserfolg somit verbessert werden kann. Material und Methoden: Ein optimiertes Befestigungskonzept wurde fachübergreifend in Zusammenarbeit mit der Pflegeschmerzexpertin unserer Klinik entwickelt und als Standardverfahren eingeführt. Die bisher übliche Fixierung erfolgte mittels Nahtfixation, sterilen Klebestreifen und Klarsicht-Pflaster. Bei der optimierten Befestigung erfolgte eine zusätzliche Fixierung des Bakterienfilters und des PCALeitungssystems auf einer hautschonenden Kolloid-Klebeplatte, sowie übergreifender Pflasterfixierung, unter Vermeidung der Bildung von abstehenden Schlaufen oder Zug auf das Kathetersystem. In die Untersuchung einbezogen wurden Patienten, die eine orthopädische Schulteroperation erhielten und bei denen eine perioperative Analgesie mittels kontinuierlicher Blockade des Plexus brachialis über einen ISP-Katheter durchgeführt wurde. Alle Patienten wurden planmäßig mobilisiert und physiotherapeutisch behandelt. Die Dislokationsrate der ISP Katheter vor und nach Einführung des optimierten Befestigungskonzeptes wurden vergleichend analysiert. Ergebnisse: 106 Patienten konnten in die retrospektive Analyse eingeschlossen werden. Vor Einführung der optimierten Befestigung kam es bei 21% der Patienten postoperativ zur Dislokation der Katheter, nach Einführung bei nur noch 3,6%. Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Abstracts Schlussfolgerung: Eine akzidentelle Dislokation gefährdet in hohem Maß den Behandlungserfolg beim Einsatz des ISP-Katheters zur postoperativen Schmerztherapie. Das vorgestellte, optimierte Befestigungssystem stellt eine praktikable und effektive Möglichkeit dar mit der die Häufigkeit dieser Komplikation signifikant gesenkt werden kann. Literatur: (1) S3 Leitlinie „Behandlung akuter und posttraumatischer Schmerzen“ AWMF-Leitlinien-Register Nr. 041/001 (2) Der Anästhesist. 2006 Jan;55(1):33-40 P16.10 Intravenöses Oxycodon zur intraoperativen Analgesie bei Kniegelenkseingriffen S. Wirz, H. C. Wartenberg, C. Lohmeier, J. Nadstawek CURA-Krankenhaus, Bad Honnef, Unikliniken Bonn Fragestellung: Ziel der Untersuchung war die Evaluation von Oxycodon zur intraoperativen Analgesie während Allgemeinanästhesien bei Kniegelenkseingriffen. Patienten und Material, Methoden: In einer prospektiven Observationsstudie wurden 78 Patienten der Klasse ASA I-III mit kniegelenksnahen Eingriffen eingeschlossen. Zielparameter waren neben demographischen und medizinischen Daten unerwünschte Nebenwirkungen, insbesondere Kreislaufstabilität, Anzahl und Dosis von Repetitionsgaben, Art und Dosis weiterer Analgetika bzw. Substanzen zur Anästhesiedurchführung oder Antiemetika. Postoperativ wurden im Aufwachraum die NRS von Schmerz und Übelkeit sowie das Auftreten von Erbrechen inklusive aller analgetischen, antiemetischen oder sonstigen Medikationen erfasst. Ergebnisse: Der MW der Erstdosierung betrug 0,065 mg/kg KG i.v. (5,5 mg), der der Repetitionsdosen 0,029 mg/kg KG (2,5 mg). Insgesamt erhielten die Patienten 0,134 mg/kg KG (11,4) mg. Die Anzahl der Repetitionen betrug 2,3 (MW), der Zeitabstand zur letzten Gabe vor Narkoseausleitung 50,4 Minuten (MW). Blutdruck und Herzfrequenz variierten kaum. Weitere Analgetika waren intravenöses Metamizol (n
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= 39, MW 2,1 g), Parecoxib (n = 16, MW 40 mg) oder Paracetamol (n=9, MW 1g). Im Aufwachraum betrug der NRS für Schmerz 2,7, 6 h später auf Station 2,7 (MW). 26 Patienten benötigten im Aufwachraum zusätzlich Oxycodon oder andere Analgetika. Zu Übelkeit kam es bei 3 Patienten (MW NRS 6), zu Erbrechen bei keinem Patienten. Antiemetika waren Dimenhydramin (n = 1, 70 mg) und Ondansetron (n = 2, je 4 mg). Die Entlassungszeit aus dem Aufwachraum betrug 32,5 Minuten (Median). Schlussfolgerung(en): Die Anwendung von Oxycodon zur intraoperativen Anästhesie ist eine Alternative zur Verwendung anderer Opioide. Die effektive Analgesie macht eine zusätzliche postoperative Gabe oft unnötig. Die Rate von Übelkeit und Erbrechen ist gering. s.wirz@web. d 1. J. Jage, R. Laufenberg-Feldmann, F. Heid: Medikamente zur postoperativen Schmerztherapie: Bewährtes und Neues. Anaesthesist, 2008. 57: S.491 - 498 2. Edwards JE, Oldman A, Smith L, Collins SL, Carroll D, Wiffen PJ, McQuay HJ, Moore RA. Single dose oral aspirin for acute pain. The Cochrane Database of Systematic Reviews 1999, Issue 4. Art. No.: CD002067. DOI: 10.1002/14651858.CD002067 3. Weingärtner U. Die Anwendungsbeobachtung in der Apotheke als Instrument der Arzneimittelforschung für ein Arzneimittel nach der Zulassung: Methodik und Evaluierung an ausgewählten Praxisbeispielen. Eschborn: Govi Publ Co, 2005 4. Diener HC, Lampl C, Reimitz P, Voelker M. Aspirin in the treatment of acute Migraine attacks. Expert Rev Neurotherapeutics 2006, 6(4): 563-573 5. Steiner TJ, Lange R, Voelker M. Aspirin in episodic tension-type headache: placebo-controlled dose-ranging comparison with paracetamol. Cephalalgia 2003, 23: 59-66 6. Völker M. Safety and tolerability of Aspirin in randomised controlled clinical trials. Drug Safety 2004; 27: 968
Autorenverzeichnis A Adler, S. 138 Adlparvar, A. 131 Afilalo, M. 176 Agarwal, N. 79 Ahlheim, J.-F. 135 Akritidou, I. 169 Arnold, B. 77, 93 Arnold, S. 178 Aschebrock, K. 141 Axmann, R. 129 Azad, S. C. 96
B Baars, J. 134 Baatz, K. 80 Babel, S. 169 Bachmann, B. 179 Bardenheuer, H. J. 158 Barke, A. 100 Baron, R. 74, 94, 96, 115, 158, 160, 162, 163, 164 Bartl, C. 154 Bartl, R. 154 Basler, H.-D. 91 Baudewig, J. 100 Becker, S. 135 Becker, V. 149 Beckers, E. 141 Behrendt, H. 164 Bek, E. 148 Benrath, J. 155 Bernardy, K. 88, 165 Bernateck, M. 106 Berrang, J. 144 Berthele, A. 74, 108 Beyreuther, B. 158 Bienek, K. 110, 140 Binder, A. 94, 96, 160, 162 Bingel, U. 80 Birbaumer, N. 96 Birklein, F. 95, 105, 106, 163 Blankenburg, M. 136 Blunk, J. 155 Boettcher, J. 135 Bohlmann, L. 99 Bökens, H. 136 Bolay, H. V. 158 Bolten, W. 139 Bongardt, S. 159 Book, M. 152 Bornhoevd, K. 149 Bornhövd, K. 148, 149 Bös, K. 78 Bowles, D. 77 Brabant, T. 94 Brannasch, K. 140, 171 Brock, W. 125 Brune, K. 129, 130 Brunner, M. F. J. 135
Buddenberg, E. 125 Budinsky, L. 130 Bürck, L. 136 Busch, V. 84 Büsselberg, D. 129 Buzoianu, M. 176
C Carville, S. 133 Casser, H.-R. 90, 99, 109, 140 Chappell, A. 173 Choy, E. 133, 134 Christiansen, P. 155 Clemens, K. E. 123 Col, R. De 164 Collani, G. von 165 Comos, C. 152 Crispin, A. 139 Czaplik, M. 177 Czeschik, C. 129
D Damm, O. 77 Damschen, U. 169 Darsow, U. 164 Daubländer, M. 73 Dechent, P. 100 DeCol, R. 132 Delfgaauw, J. 176 Derra, C. 119, 122 Diener, H.C. 85 Diery, H. D. 149 Dietrich, R. 141 Diezemann, A. 119 Dincklage, F. v. 134 Dirnagl, U. 144 Distler, L. 144 Djelani, M. 177 Dobe, M. 169, 170 Doods, A. C. H. 131 Dörfler, A. 132 Dräger, D. 127
E Eberhardt, B. 122 Eberhardt, C. 151 Eberle, T. 106 Ebinger, F. 89, 111 Egle, U. T. 92, 101 Eisenbach, R. 155 Ekholm, O. 155 Ellrich, J. 81, 137, 179 Elsen, C. 153 Elsner, F. 121 Engel, K. 140 Erbe, K. 165 Esteve-Ros, M. 125 Ettrich, U. 140, 171 Evers, S. 80, 85, 89, 93, 94
F Fahland, R. A. 76, 102, 139 Feierabend, S. 73 Felbinger, J. 145, 147 Felde, E. 88, 92 Fiehn, A. 125 Filitz, J. 136, 177 Finteis, T. 155 Fischbach, W. 139 Fischer, T. 127 Flatau, B. 91 Fleckenstein, J. 139 Flender, H. J. 157 Flor, H. 96 Fooladian, S. 131 Förderreuther, S. 82, 83, 85 Fransson, P. 134 Fraunberger, B. 132 Freiberg, F. 139 Freitag, J. 158 Frettlöh, J. 108 Freynhagen, R. 112, 114, 115, 158, 164 Friedrich, K. 169 Fritsche, G. 73, 76 Fritzsche, D. 148, 149 Füber, N. 165 Funke, C. 169
G Gall, C. 146 Garrison, C. 159 Garten, L. 111 Gaser, E. 153 Gaßmann, J. 76 Gastl, R. 137 Gastmeier, K. 153 Gaul, C. 84 Gdynia, H. J. 137 Geber, C. 95 Geiss, C. 177 Geisslinger, G. 80 Gerhardt, P. 140, 171 Gerlach, A. 170 Giesecke, T. 141, 142, 143, 177 Gnass, I. 128 Gockel, H. 109 Gockel, U. 139, 158, 164 Gorezki, B. 140 Gorsler, A. 86 Gortner, L. 144 Gossrau, G. 140, 171 Göttermann, A. 126 Gottlieb, I. 176 Gottschling, S. 124 Gracely, R. H. 133, 134 Graf, B. M. 152 Graf, N. 144 Gralow, I. 118, 119, 122 Greffrath, W. 78 Greiner, W. 77 Gribova, I. 144 Grießinger, N. 177 Grimm, J. 158 Groc, M. 134
Groenvold, M. 155 Groß, M. 166 Große, K. 140, 171, 172 Grotemeyer, K. H. 110 Grulke, N. 140 Gruner, B. 92, 119 Grunert, S. 141 Grünewald, D. 97, 126, 127, 129 Gunreben-Stempfle, B. 147 Gussek, A. 110 Gussone, C. 162 Gustorff, B. 143, 163
H Haag, G. 87 Haas, J. 149 Haase, I. 169 Hackbarth, M. 134 Hafenbrack, K. 124 Haffner, C. 173 Hafner, C. 98, 147 Häfner, R. 92 Hagenacker, T. 129 Haghighi, A. 131 Hagmeister, H. 120 Hahn, K. 94 Hale, M. 176 Hall, J. 173 Hampl, M. 114 Hanekop, G. G. 152 Hank, P. 166 Hanold, I. 149 Hans, E. 135 Hardt, R. 116 Haupt, U. 125 Häuser, W. 88, 92, 101, 113, 140, 165, 169 Haussleiter, S. 133 Hechler, T. 136, 169, 170 Hecht, H. 135 Heckmann, J. 132 Heidenreich, A. 150 Heindl, C. 129 Hemmeter, U. 112 Henkel, W. 96 Henningsen, P. 101 Hermann, C. 105 Herms, K. 140 Hess, A. 129, 130 Hesse, C. 153 Heu, J. 166 Hewig, M. 166 Heym, N. 126 Hildebrandt, J. 117 Hinz, A. 140, 169 Höchtl, K. 163 Hoffmann, A. 133, 140, 169 Hoffmann, E. 120 Hoffmann, J. 144 Hofmann, W. 127 Hoheisel, U. 130 Hölzl, R. 135 Hotopp-Stadler, U. 150 Hove, I. Van 176 Hübert, R. 158 Hugger, A. 73 Humbert, T. 149 Der Schmerz [Suppl 2] · 2008
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Autorenverzeichnis Hungerland, P. 169 Hüppe, M. 100, 109 Husstedt, I. W. 87, 93, 119
I Imhoff, A. 154 Ingenhorst, A. 91 Ingvar, M. 133, 134 Irnich, D. 72, 88, 139 Israel, H. 144 Itting, G. 153
J Jacobs, C. 78 Jäger, G. 140 Jahr, S. 140 Jänig, W. 108 Jehser, T. 109 Jensen, K. 134 John, V. 130 Joppich, R. 177, 179 Jung, K. 137 Junker, U. 151 Just, S. 131
K Kafke, W. 165 Kaiser, U. 140, 171 Kaisers, U. X. 178 Kalff, R. 161 Karst, M. 106 Kaube, H. 86 Kaune, H.-W. 149 Keidel, M. 120 Keil, A. 178 Kern, K.-U. 113 Klaschik, E. 121 Klauenberg, S. 133, 137, 162, 169 Klein, A. 140 Klein, T. 95, 107, 136 Kleinböhl, D. 135 Klimczyk, K. 169 Klinger, R. 69, 70 Kljucar, S. 120 Klug, R. 137 Kneschke, F. 133 Koch, A. 104 Koch, B. 159 Koch, K. 141 Kohlmann, T. 76, 78, 102, 139, 158, 164 Kollias, G. 129 Kölzsch, M. 127 Kopf, A. 70, 122, 170 Kopke, K. 127 Koppert, W. 136 Koroschetz, J. 123, 160 Kosek, E. 133, 134 Kosfelder, J. 169, 170 Köster, J. 160 Kosub, S. 140 Kothe, R. 69 Kozek-Langenecker, S. 174 Kraft, B. 151
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Krampen, G. 166 Kreitz, S. 129 Krempin, L. 125 Kress, H. G. 151 Kreutz, R. 127 Kröner-Herwig, B. 76, 100, 104 Kropp, P. 83, 84, 118 Krumova, E. 133, 163 Krumova, E. K. 137, 162 Kühn, M. 149 Kuhn, S. A. 161 Kuhnt, O. 169 Kuner, R. 79 Kunz, M. 112 Kurth, A. A. 151
L Lämmerhirt, K. 171 Lampert, F. 179 Lan, H. 165 Landwehrmeyer, G. B. 96, 137 Lang, M. 148 Lang, P. M. 139 Langer, B. 176 Langhorst, J. 88 Lanz, S. 132 Laufer, M. 178 Lautenbacher, S. 112, 138 Lehmann, L. E. 152 Lehmeyer, L. 139 Lentz, T. 153 Leonhardt, C. 91 Liadski, S. 149 Liefering, V. 140 Lindena, G. 110 Lindner, S. 177 Lindner, V. 102, 120, 121 Lipka, K. 179 Littschwager, G. 177 Lohmeier, C. 180 Löschmann, C. 92 Löseke, E. 97, 126, 127, 129 Loth, D. 171, 172 Lucius, H. 88 Lüdeke, A. 125 Ludolph, A. C. 137 Ludwig, J. 74, 163 Luhn, B. 156 Lukas, A. 91 Lüking, M. 103 Lux, E. A. 160
M Ma, Y. 176 Magerl, W. 136 Maier, C. 74, 95, 96, 99, 122, 133, 136, 137, 139, 140, 162, 163, 166, 167, 169 Maihöfner, C. 79, 96, 107, 132, 147, 164, 173 Mainguy, Y. 134 Mainitz, C. 102 Malzacher, V. 110, 120 Mann, U. 147 Marcus, H. 133
Märkert, D. 122, 126, 177 Markus, H. 134 Marnitz, U. 110, 124, 140 Marziniak, M. 84 Mattenklodt, P. 91, 147 Maulhard, M. 140 May, A. 144, 146 Meischner, W. 171 Meißner, W. 126, 153, 171, 172, 178 Mense, S. 130 Mescha, S. 153, 178 Messlinger, K. B. 81 Meyer, C. 175 Meyer, S. 144 Michalsen, A. 88 Michalski, D. 140 Miltner, W. H. R. 135 Mitte, K. 104 Moeller, S. 155 Möller, C. 160 Mönninger, T. 170 Montagne, A. 134 Möritz, S. 143 Möser, C. 80 Motzkus, N. J. 130 Müller, A. 151 Müller, G. 78, 90, 110 Müller, J.-U. 138 Müller, T. 118 Müller-Schwefe, G. 109 Mumber, V. 125 Mundel, T. M. 141, 142, 143 Musial, F. 88 Mylius, V. 112
N Nachtigall, C. 104 Nadstawek, J. 152, 153, 180 Nagel, B. 72, 77 Nauck, F. 114 Naumann, E. 125 Neeb, L. 144 Nestler, N. 122, 167 Neuss, J.-C. 148 Nickel, R. 101 Nicolas, V. 162 Nieberle, A.-L. 136 Niederberger, E. 80 Niederberger, U. 118 Niemier, K. 104, 140 Nilges, P. 70, 102, 118, 121, 123 Nobis, H.-G. 119 Nolte, T. 109 Nosper, M. 92
O Offenbächer, M. 92 Oh, C. 176 Ohlmann, C. H. 150 Okamoto, A. 176 Ollenschläger, G. 90 Osterbrink, J. 97, 167 Ostkirchen, G. G. 145
P Pamberg, A.-M. 130 Paul, P. 97, 126, 127, 129 Paulus, W. 80 Pennekamp, W. 117 Penninger, J. 129 Peters, M. 139 Petri, N. 125 Petzke, F. 133, 134 Peuckmann, V. 155 Pfab, F. 164 Pfeiffer, R. 150 Pfingsten, M. 99 Pfister, D. 150 Pietrek, M. 69 Pilz, M. 151 Pinkowski, A. 170 Poels, M. 179 Pogatzki-Zahn, E. M. 69, 79, 106 Pöhlmann, K. 171 Pöllmann, W. 81 Ponfick, M. 137 Post, K. 178 Pothmann, R. 89 Prohaska, M. 174
R Rasmussen, N. K. 155 Raspe, H. 76 Reeh, P. W. 107 Rehberg, B. 134 Rehm, S. 123, 160 Reichart, R. 161 Reinisch, V. M. 145, 147 Reinshagen, J. 169 Reuter, U. 81, 144 Richter, H. 74, 163, 167 Riediger, N. 165 Ring, J. 164 Ringe, J. D. 141, 142 Roeska, K. 131 Rolke, R. 95, 106 Roos, S. 150 Rossaint, R. 177 Rothaug, J. 178 Rotter, G. 140 Rottmann, S. 137 Rudlowski, C. 152 Rüger, L. J. 139
S Sabatowski, R. 124, 140, 171 Sandow, P. 148 Saur, P. 179 Schäfer, M. 106 Schäfers, M. 129 Schairer, U. 92 Schankin, C. 118 Schankin, C. J. 146 Schaperdoth, E. 98 Scharbert, G. 174 Scharmann, S. 112 Scharnagel, R. 124, 140 Schattschneider, J. 94, 162
Schaub, C. 96 Schauble, B. 149 Schäuble, B. 148, 149 Schenk, M. 153 Schepelmann, K. 112, 138 Scherens, A. 95, 133, 136, 162 Schett, G. 129 Schewe, J.-C. 152 Schikora, D. 172 Schiller, M. 140, 171 Schiltenwolf, M. 92 Schlegel, N. 97, 126, 129 Schlereth, T. 163 Schmidt, C. O. 76, 102, 139, 164 Schmidt, M. 156 Schmidt, S. 140, 172 Schmidt, U. 139, 164 Schmitt, L. 149 Schmitz, M. 125 Schmudermaier, M. 143, 163 Schneider, E. 173 Schneider, J. 167, 168 Schneider, M. 134 Scholbach, T. 146 Schreiber, A. 163 Schubert, C. 171 Schulz, S. 122, 153 Schulz-Gibbins, C. 170 Schuster, E. 125 Schutter, U. 175 Schütze, A. 171 Schwarzer, V. 152 Schweikert, B. 164 Seeger, D. 105, 117 Seidel, W. 105, 110, 140 Seifert, F. 164 Seraphin, J. 156 Sergejeva, M. 130 Settan, M. 92 Shaibani, A. 159 Shamdeen, M. G. 144 Siems, R. 153 Simpson, J. 159 Sirsch, E. 97, 128 Sittig, B. 153 Sittig, H.-B. 156 Sittl, R. 145, 173, 177 Sjøgren, P. 155 Skljarevski, V. 173 Smeets, R. 179 Soeling, U. 156 Sommer, C. 88, 96, 105, 106, 129, 165 Sommerville, K. 159 Sorkin, L. S. 129 Speeck, N. 88 Sperfeld, A.-D. 137 Spinath, F. M. 165 Spohn, D. 135 Sprenger, T. 164 Stadler, M. 150 Stamer, U. 80 Stamer, U. M. 152 Stammler, T. 164 Stange, R. 172 Stankewitz, A. 146 Stegmann, J. 176
Steinberger, M. 150 Stengel, M. 162 Stiasny-Kolster, K. 160 Stoehr, T. 158 Stöhr, T. 158 Straube, A. 80, 85, 87, 145, 146, 147 Straube, T. 135 Strauß, B. 104, 171 Ströhle, G. 104 Strube, J. 117, 152 Strumpf, M. 124 Stüber, F. 152 Stumpf, M. 141, 142, 143 Stumpf, U. 151 Sunder-Plassmann, D. 118
T Taguchi, T. 130 Tavakoli, A. 121 Teepker, M. 138 Tegenthoff, M. 96 Thaler, U. 174 Then, U. 150 Thieme, K. 88 Thomm, M. 97, 122, 126, 129 Thöns, M. 157 Thüer, D. 150 Tidow, G. 141 Tölle, T. R. 96, 98, 164 Törkott, S. 140 Toyka, K. V. 165 Traue, H. C. 100 Treede, R.-D. 95, 96, 112, 131, 135 Trojan, S. 179 Tronnier, V. 72, 96
U Überall, M. A. 109 Üçeyler, N. 105, 106, 165 Uhlemann, C. 171, 172 Uibel, B. Kusnik M. Wallmann C. 148 Ulrich, K. 147 Upmalis, D. 176
V Valet, M. 96, 164 Vandenabeele, P. 129 Vath, N. 76 Vedder, H. 138 Vill, B. 173 Villarroel, D. 90
W Wagner, A. 155 Wagner, T. 153, 155 Walach, H. 103 Wallasch, T.-M. 111 Walter, J. 161 Wappler, F. 177, 179 Warschburger, P. 166 Wartenberg, H. C. 152, 153, 180
Wasner, G. 96, 162 Watzke, A.-B. 102 Weber, S. 152 Weh, L. 110 Weinbrenner, S. 90 Weiser, T. 131 Weiss, T. 135 Wellstein, R. 123 Wenig, C. M. 164 Westphal, S. 138 Wetter, T. C. 160 Wetterling, T. 140 Wiebalck, A. 119, 120, 123 Wiegel, M. 176 Wiese, C. H. R. 152 Wilkens, J. 162 Wille, C. 147, 173 Wille, S. 150 Williams, S. C. R. 134 Winkelmann, A. 88 Wirtz, M. D. 179 Wirz, S. 152, 153, 180 Wissmann, A. 129 Wolf, U. 100 Wolff, B. 98 Wolowski, A. 82 Wormit, A. F. 158 Wutzler, P. 116 Wymer, J. 159
Y Yekta, S. Said 179
Z Zander, J. F. 69 Zaps, D. 139 Zeilhofer, H. U. 79, 136 Zentgraf, B. 92 Zenz, M. 157, 162, 167 Zernikow, B. 118, 136, 169, 170 Zhang, L. 152 Ziehl, S. 140, 169 Zimmer, A. 153 Zimmer, C. 164 Zimmermann, M. 153 Zwaan, M. de 173 Zwerina, J. 129
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