themenschwerpunkt Wien Med Wochenschr DOI 10.1007/s10354-015-0409-y
Adipositasepidemiologie in Österreich Thomas E. Dorner
Eingegangen: 23. September 2015 / Angenommen: 19. November 2015 © Springer-Verlag Wien 2015
Zusammenfassung Absicht dieses Artikels war es, alle existierenden Daten zur Prävalenz von Adipositas in Österreich in allen Altersgruppen zusammenzutraten und weitere Analysen durchzuführen. Die Adipositasprävalenz in der erwachsenen österreichischen Bevölkerung variiert zwischen 8,3 und 19,9 % bei Männern und zwischen 9,0 und 19,8 % bei Frauen mit steigenden Trends über die Zeit. Die Prävalenz von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen variiert in Österreich zwischen 3,1 und 9,0 % bei Burschen und zwischen 2,2 und 7,3 % bei Mädchen. Faktoren, die mit Adipositas assoziiert sind, inkludieren höheres Alter, niedrigen Bildungsstatus, Beruf, Migrationshintergrund, Wohnen in Ostösterreich, Mangel an sozialer Unterstützung und psycho-soziale Belastung. Sozio-ökonomische Parameter sind bei Frauen stärker mit Adipositas assoziiert als bei Männern. Bei beiden Geschlechtern leiden adipöse Personen gleichzeitig häufiger an Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Arthrosen, Rückenschmerzen und Beeinträchtigungen der Lebensqualität, und bei Männern zusätzlich an durchgemachtem Herzinfarkt und bei Frauen an Ängsten und Depressionen.
tria in all age groups, and to perform additional analyses. Prevalence of obesity in the adult Austrian population varies between 8.3 and 19.9 % in men, and 9.0 and 19.8 % in women with increasing trends over time. Prevalence of obesity in children and adolescents in Austria varies between 3.1 and 9.0 % in boys and between 2.2 and 7.3 % in girls. Factors associated with obesity include higher age, lower educational level, profession, migration background, living in eastern parts of Austria, lack of social support, and psycho-social pressure. In women, socioeconomic parameters are stronger associated with obesity compared to men. Obesity is associated with hypertension, diabetes mellitus, osteoarthritis, and low back pain, and deteriorated quality of live, in both sexes, and in men additionally with a history of heart attack, and in women additionally with anxiety/depression.
Schlüsselwörter Epidemiologie · Prävalenz · Determinanten · Komorbidität · Lebensqualität
Adipositas ist definiert als übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper. Sie wird als chronische Gesundheitsstörung verstanden bzw. ist in der „International Classification of Diseases“ als Krankheit definiert. Übergewicht ist eine über den Normwert hinausgehende Erhöhung des Körpergewichts. Zur Ermittlung und Klassifikation von Übergewicht und Adipositas bzw. der Körperzusammensetzung stehen anthropometrische Methoden wie die Ermittlung des Body-Mass-Index (BMI), des Bauchumfangs und der Waist-to-Hip-Ratio (WHR) sowie apparative Methoden zur Verfügung. In der klinischen Praxis kommen hauptsächlich anthropometrische Methoden zum Einsatz, da apparative Methoden zwar genauer, aber aufwändiger und teurer sind. Die international bei Erwachsenen unabhängig
Epidemiology of obesity in Austria Summary The purpose of this article was to compile all existing data regarding the prevalence of obesity in AusAssoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. med univ. T. E. Dorner, MD, MPH () Institute of Social Medicine, Center for Public Health, Medical University Vienna, Kinderspitalgasse 15/I, 1090 Wien, Österreich E-Mail:
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Keywords Epidemiology · Prevalence · Determinants · Co-morbidity · Quality of life
Definition
Adipositasepidemiologie in Österreich
1
themenschwerpunkt
von Geschlecht und Alter verwendete BMI-Klassifikation der WHO definiert Untergewicht als einen BMI unter 18,5 kg/m2, Normalgewicht von 18,5 bis 24,9 kg/m2, Übergewicht zwischen 25 und 29,9 kg/m2 und Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m2 [1]. Der BMI erlaubt trotz vorhandener Limitierungen eine Abschätzung des Körperfettgehalts und des Risikos für Begleit- und Folgeerkrankungen, Bauchumfang und WHR geben darüber hinaus Auskunft über die Fettverteilung. Sie ermöglichen eine Abschätzung der viszeralen Fettmasse, von der ein höheres Risiko für Komorbiditäten ausgeht als von der peripheren Fettmasse [2]. Selbstberichtete Daten zu Körpergröße und Körpergewicht, aus denen der BMI errechnet wird, sind mit gewissen Fehlern behaftet. So wird häufig die Körpergröße als zu hoch und das Körpergewicht als zu niedrig angegeben. Beides resultiert in einem zu niedrig errechneten BMI, und dadurch ist die Adipositasprävalenz fälschlicherweise als zu niedrig anzusehen. Auch bei Kindern und Jugendlichen wird der BMI zur Klassifikation von Übergewicht und Adipositas herangezogen. Dabei gibt es jedoch für verschiedene Altersgruppen und nach Geschlecht stratifizierte Grenzwerte, die üblicherweise anhand von Perzentilenkurven ermittelt werden, bei denen üblicherweise Übergewicht als BMI über der 90. Perzentile und Adipositas als BMI über der 97. Perzentile definiert ist. Problematisch dabei ist, dass es für verschiedene Länder verschiedene Perzentilenkurven gibt und die Daten somit nicht miteinander vergleichbar sind. Um das Problem zu lösen, wurde durch Berechnungen aus verschiedenen internationalen Perzentilenkurven Cut-Off Werte für Übergewicht und Adipositas errechnet, die für Mädchen und Buben in verschiedenen Alterskategorien in halbjährlichen Schritten erstellt wurden, und die stufenlos in die Klassifikation der Erwachsenen übergehen, indem ab 18 Jahren Übergewicht als BMI über 25 kg/m2 und Adipositas als BMI über 30 kg/m2 definiert ist [3].
Auswirkungen auf die Gesundheit Die Auswirkungen durch Adipositas auf den Gesundheitszustand reichen von Beeinträchtigungen des subjektiven Wohlbefindens und der Lebensqualität bis hin zu schweren lebensbedrohlichen Erkankungen. Es gibt kaum ein Organ oder Organsystem, das nicht durch Übergewicht und Adipostias negativ beeinträchtigt ist. So hat Adipositas Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem, das Risko für Krebserkrankungen, auf Haut, Knochen und Muskeln, auf das endokrine und metabolische System, auf das Risiko für neuropsychiatrische und psychosoziale Gesundheitsbeeinträchtigungen, auf den Magen-Darmtrakt, auf das Nerven- und Sinnessystem, den Urogenitaltrakt und die Atmungsorgane. Übergewicht ist auch der Hauptrisikofaktor für die Entstehung des Schwangerschaftsdiabetes. Zu den Krankheiten, bei denen das Risiko durch Adipositas um das 3 und mehrfache erhöht ist, gehö-
2 Adipositasepidemiologie in Österreich
ren Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie, Dyslipidämie, Kurzatmigkeit, Schlafapnoe und Gallenblasenerkrankungen. Zu den Erkrankungen, bei denen sich das Risiko durch Adipositas auf das 2- bis 3fache erhöht, gehören die koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz, Arthrosen (Osteoarthritis), Hyperurikämie und Gicht und Schwangerschaftskomplikationen. Erkrankungen, bei denen das Risiko durch Adipositas auf das 1- bis 2fache erhöht ist, sind Krebserkrankungen, Fertilitätsbeeinträchtigungen, Kreuzschmerzen und Narkosezwischenfälle [4].
Auswirkungen auf die Mortalität Adipositas erhöht aber auch die Sterblichkeit und verkürzt die Lebenserwartung, vor allem bei jüngeren Menschen. Ein extrem adipöser junger Mensch (20–30 Jahre, BMI > 45 kg/m2) verliert etwa 13 (Mann) bzw. 8 (Frau) Lebensjahre als Folge der Adipositas. Übergewichtige 40-Jährige verlieren 3 Lebensjahre, adipöse Gleichaltrige 6–7 Jahre. Adipositas verkürzt allerdings nicht nur die Lebenserwartung, sondern vor allem die gesunde Lebenserwartung. Weltweit gehen 30 Mio. gesunde Lebensjahre (disability adjusted life years, DALYs) durch einen BMI > 21 kg/m2 verloren, 2,5 Mio. Menschen sterben jährlich frühzeitig. 58 % dieser DALYs gehen aufgrund von Diabetes mellitus verloren, 8–42 % aufgrund verschiedener Krebserkrankungen und 38 % aufgrund von Hypertonie [5]. Im Europäischen Gesundheitsbericht der WHO wird geschätzt, dass in Österreich 9,6 % aller Todesfälle durch einen hohen BMI verursacht werden und 6,7 % aller DALYs durch einen erhöhten BMI verloren gehen [6]. Zwischen BMI und Mortalität besteht in allen Altersgruppen ein U-förmiger Zusammenhang. Das bedeutet, dass auf Bevölkerungsebene die Gesundheitsbeeinträchtigung im Durchschnitt bei einem mittleren Körpergewicht am geringsten ist und dass sowohl ein geringes als auch ein hohes Körpergewicht bzw. BMI mit steigenden Gesundheitsbeeinträchtigungen assoziiert sind. Dieser „optimale BMI“, also jenes Gewicht, bei dem die Gesundheitsbeeinträchtigungen am geringsten sind, findet sich in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung im klassischen normalgewichtigen Bereich zwischen 21 und 24 kg/m2 [7]. Je älter allerdings die untersuchte Bevölkerung umso eher wandert dieser Punkt in den klassischen „Übergewichtsbereich“ und findet sich bei älteren und Hochbetagten in etwa bei einem BMI zwischen 25 und 28 kg/m2 [8]. Jüngere Daten aus Europa [9] oder auch weltweit im Rahmen einer Metaanalyse [10] zeigen, dass auch in der Allgemeinbevölkerung der BMI mit dem geringsten Mortalitätsrisiko inzwischen im klassischen Übergewichtsbereich liegt. Wohl zum Teil auch bedingt durch das steigende mittlere Alter der Allgemeinbevölkerung. Adipositas hingegen ist in allen Untersuchungen und Metaanalysen mit hohem Mortalitätsrisiko assoziiert. Die Daten aus bevölkerungsbasieren Erhebungen lassen sich allerdings auf die Erhebung des Gesundheitsrisikos von Einzelpersonen nur bedingt übertragen.
13
themenschwerpunkt Epidemiologie von Adipositas bei Erwachsenen Adipositas bei Erwachsenen international Ein internationaler Vergleich der Prävalenz von Adipositas bei Erwachsenen ist durch eine OECD-Studie möglich. Hier wurden BMI-Berechnungen aus Studien mit sowohl selbstberichteten als auch gemessenen Körpergrößenund Körpergewichtsdaten inkludiert. Daten aus 2009 oder dem am nächsten gelegenen Jahr mit zur Verfügung stehenden Daten wurden herangezogen. In Ländern, in denen gemessene Daten vorliegen, war die Prävalenz von Adipositas deutlich höher als in Ländern, in denen lediglich selbstberichtete Daten vorlagen. Im Mittel lag die Prävalenz von Adipositas bei 16,6 % bei den Männern und bei 17,2 % bei den Frauen. Die Prävalenz war am niedrigsten in Korea mit 3,6 % bei den Männern und 4,1 % bei den Frauen. Von den Europäischen OECD-Ländern war die Prävalenz am niedrigsten in der Schweiz mit einer Adipositasprävalenz von 8,6 % bei den Männern und 7,7 % bei den Frauen. Am höchsten war die Adipositasprävalenz in den USA mit 32,2 % bei den Männern und 35,5 % bei den Frauen. Von den Europäischen OECD-Ländern war die Adipositasprävalenz am höchsten im vereinigten Königreich Großbritannien mit 22,1 % bei den Männern und 23,9 % bei den Frauen. Österreich war mit einer Adipositasprävalenz von 12,0 % bei den Männern und 12,7 % bei den Frauen bei den Ländern, mit einer deutlich geringeren Adipositasprävalenz als der OECD-Schnitt [11]. In diese Studie sind die Daten der Gesundheitsbefragung von Statistik Austria 2006/07 [12] eingeflossen.
Adipositas bei Erwachsenen in Österreich Ein Überblick über Studien, in denen die Prävalenz von Adipositas in Österreich erhoben wurde, findet sich in Tab. 1. Dabei wurden Studien in der gesunden Allge-
meinbevölkerung berücksichtigt, in denen Körpergröße und Körpergewicht erhoben wurden. Das heißt, es handelt sich vorwiegend um repräsentative bevölkerungsbasierte Querschnittsstudien oder Querschnittsreihen. In der österreichischen Gesundheitsbefragung 2014 von Statistik Austria, wurden bei einer für Österreich repräsentativen Stichprobe von 15.771 Personen unter anderem Daten zu Körpergröße und Körpergewicht erfragt. Damit wurde der BMI errechnet und entsprechend den WHO-Kategorien eingeteilt. Demnach waren von den Männern 1,2% untergewichtig, 43,8 % normalgewichtig, 39,4 % übergewichtig und 15,6 % adipös. Von den Frauen waren 4,3 % untergewichtig, 56,6 % normalgewichtig, 25,9 % übergewichtig und 13,2 % adipös. Mit steigendem Alter stieg bei den Männern und Frauen der Anteil der adipösen Personen und sank bei der höchsten Altersklasse wieder ab [13]. Österreichische Bauern und Bäuerinnen haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine höhere Prävalenz von Übergewicht und Adipositas. Gemäß einer Befragung durch die Sozialversicherung der Bauern, an der 32.927 Bäuerinnen und Bauern teilnahmen, waren im Jahr 2010 0,6 % der Bauern untergewichtig, 31,6 % normalgewichtig, 48,3 % waren übergewichtig und 19,8 % waren adipös. Von den Bäuerinnen waren 1,2 % untergewichtig, 43,6 % normalgewichtig, 35,4 % übergewichtig und ebenfalls, wie bei den Männern, 19,8 % adipös [14]. Gemäß Ernährungsbericht 2012, bei dem Körpermaße von 313 Männern und Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren gemessen wurden, war bei den Männern niemand untergewichtig, 47,7 % waren normalgewichtig, 37,4 % übergewichtig und 14,9 % adipös. Von den Frauen waren 4,2 % untergewichtig, 68,2 % normalgewichtig, 17,9 % übergewichtig und 9,7 % adipös. Von den 195 Personen im Alter zwischen 65 und 80 Jahren waren von den Männern 21,5 % untergewichtig, 51,0 % normalgewichtig und 27,5 % übergewichtig oder adipös. Von den Frauen dieser Altersgruppe waren 12,6 % untergewichtig, 50,2 %
Tab. 1 Anteil an erwachsenen Männern und Frauen mit Adipositas in den einzelnen Österreichischen Studien Studie
Inkludierte Bevölkerung
Jahr
Art der Erhebung
Prävalenz Adipositas Männer
Prävalenz Adipositas Frauen
Mikrozensus 1991
46.126 Männer und Frauen ab 20 Jahren
1991
Befragung
8,3
9,0
Mikrozensus 1999
48.562 Männer und Frauen ab 20 Jahren
1999
Befragung
9,1
9,1
Gesundheitsbefragung 2007
15.474 Männer und Frauen ab 15 Jahren
2006/2007
Befragung
12,0
12,7
Gesundheitsbefragung 2014
15.771 Männer und Frauen ab 15 Jahren
2013–2015
Befragung
15,6
13,2
SVB Gesundheitsbefragung 2010
32.927 Bauern und Bäuerinnen ab 15 Jahren
2010
Befragung
19,8
19,8
SVB Gesundheitsbefragung 2000
11.144 Bauern und Bäuerinnen ab 15 Jahren
1999/2000
Befragung
15,2
15,2
Vorsorgeuntersuchung Graz
473 Männer und Frauen ab 18 Jahren
2010
Befragung
17,1
7,2
Vorsorgeuntersuchung Graz
473 Männer und Frauen ab 18 Jahren
2010
Messung
19,9
10,5
Vorsorgeuntersuchungen ÖGAM
1009 Männer und Frauen ab 19 Jahren
2004/2005
Befragung
11,4
12,9
Vorarlberg Health Monitoring and Promotion Programme
42.099 Männer und Frauen ab 19 Jahren
1985
Messung
7,8
9,5
Österreichischer Ernährungsbericht 2012
313 Männer und Frauen zwischen 18 und 64 Jahren
2010–2012
Messung
14,9
9,7
Österreichischer Ernährungsbericht 2008
2310 Männer und Frauen zwischen 18 und 65 Jahren
–
Befragung
13
9
13
Adipositasepidemiologie in Österreich
3
themenschwerpunkt
Tab. 2 Wahrscheinlichkeit für Männer in verschiedenen BMI-Kategorien eine bestimmte Erkrankung zu haben. Ergebnisse einer multivariaten logistischen Regressionsanalyse, präsentiert als Odds Ratio adjustiert nach Alter, Bildung, Beruf und Einkommen. Eigene Auswertungen nach: [11] Untergewicht
Normalgewicht
OR
95 % CI
Diabetes mellitus
0,57
0,14–2,40
Hypertonie
0,80
0,36–1,79
Herzinfarkt
3,67
Schlaganfall Krebs
Übergewicht
Adipositas
OR
95 % CI
OR
95 % CI
1
1,45
1,12–1,89
3,44
2,55–4,64
1
2,52
2,20–2,95
5,66
4,66–6,88
1,36–9,89
1
1,71
1,21–2,44
2,44
1,58–3,76
2,73
0,91–1,85
1
1,29
0,89–1,85
1,02
0,60–1,74
0,20
0,02–2,34
1
0,84
0,63–1,12
0,66
0,42–1,04
Rückenschmerzen
1,16
0,72–1,86
1
1,25
1,12–1,39
1,53
1,31–1,79
Arthrosen
1,35
0,69–2,63
1
1,03
0,87–1,21
1,54
1,24–1,90
Angst/Depression
3,52
1,99–6,22
1
1,11
0,90–1,38
1,27
0,95–1,70
Tab. 3 Wahrscheinlichkeit für Frauen in verschiedenen BMI-Kategorien eine bestimmte Erkrankung zu haben. Ergebnisse einer multivariaten logistischen Regressionsanalyse, präsentiert als Odds Ratio adjustiert nach Alter, Bildung, Beruf und Einkommen. Eigene Auswertungen nach: [11] Untergewicht OR
Normalgewicht 95 % CI
Übergewicht OR
Adipositas 95 % CI
OR
95 % CI
Diabetes mellitus
0,92
0,38–2,23
1
1,83
1,45–2,31
3,63
2,82–4,67
Hypertonie
0,36
0,18–0,72
1
2,48
2,15–2,86
5,40
4,55–6,42
Herzinfarkt
0,19
0,01–4,73
1
1,32
0,87–1,99
1,09
0,64–1,87
Schlaganfall
0,81
0,23–2,81
1
0,87
0,61–1,24
1,28
0,85–1,94
Krebs
0,35
0,09–1,32
1
1,25
0,97–1,62
1,34
0,97–1,85
Rückenschmerzen
0,85
0,64–1,13
1
1,39
1,24–1,55
1,38
1,19–1,60
Arthrosen
1,10
0,68–1,78
1
1,47
1,28–1,70
1,88
1,58–2,25
Angst/Depression
0,99
0,62–1,57
1
1,36
1,16–1,61
1,57
1,28–1,93
normalgewichtig und 37,2 % übergewichtig oder adipös. Eine Unterteilung zwischen Übergewicht und Adipositas wurde hier nicht vorgenommen. Außerdem wurde bei den älteren Personen nicht die BMI-Klassifikation der WHO herangezogen, sondern Normalgewicht wurde als BMI zwischen 24,00 und 29,99 definiert, Untergewicht darunter und Übergewicht/Adipositas darüber [15]. Bei einer Untersuchung im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen in Graz wurden selbstberichtete Daten gemessenen Daten für Körpergröße und Körpergewicht einander gegenübergestellt. Diese Studie ergab eine Adipositasprävalenz von 17,1 % bei den Männern und von 7,2 % bei den Frauen (selbstberichtete Daten), während die Adipositasprävalenz basierend auf gemessenen Daten bei den Männern 19,9 % und bei den Frauen 10,5 % betrug [16]. Eine etwas ältere Studie aus Vorarlberg, bei der ebenfalls bei Vorsorgeuntersuchungen Körpergröße und Körpergewicht gemessen wurden, ergab eine Adipositasprävalenz von 7,8 % bei Männern und 9,5 % bei Frauen [17]. In einer anderen Auswertung von selbstberichteten Daten von Köpergröße und Körpergewicht, die im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen in ganz Österreich in den Jahren 2004/2005 bei etwa 1000 Personen gemacht wurde, waren von den Männern 0,4 % untergewichtig, 39,7 % normalgewichtig, 38,8 % übergewichtig und 11,4 % adipös, von 9,6 % der Männer konnte kein BMI berechnet werden. Von den Frauen waren 2,0 % untergewichtig,
4 Adipositasepidemiologie in Österreich
47,2 % normalgewichtig, 27,5 % übergewichtig und 12,9 % adipös. Von 10,4 % der Frauen konnte kein BMI errechnet werden [18]. Dass die Prävalenz von Adipositas höher liegt, wenn die BMI-Werte auf Daten die bei Vorsorgeuntersuchungen erhoben wurden basieren, könnte daran liegen, dass übergewichtige und adipöse Personen in Österreich häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen gehen als normalgewichtige. Männer und Frauen, die regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen, haben einen höheren BMI, als Männer und Frauen, die daran nicht teilnehmen. Insbesondere bei den Männern gibt es einen starken Zusammenhang zwischen Übergewicht bzw. Adipositas und der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen [19]. Gründe dafür könnten Komorbiditäten (siehe dazu auch Tab. 2 und 3), die zu Beschwerden führen, die die Patientinnen und Patienten im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen abklären wollen, oder dass übergewichtigen und adipösen Personen aufgrund des auffälligen Phänotypus häufiger von Ärztinnen und Ärzten eine Vorsorgeuntersuchung nahegelegt wird.
Trends in der Adipositasprävalenz in Österreich Vergleicht man die Prävalenz von Adipositas zwischen 1991, 1999, 2006/07 und 2014 so ist bei beiden Geschlechtern ein Anstieg der Prävalenz zu verzeichnen.
13
themenschwerpunkt
Tab. 4 Einflussfaktoren auf das Adipositasrisiko; Ergebnisse eines multivariaten logistischen Regressionsmodelles. (Modifiziert nach: [22]) Männer
Frauen
OR
95 % CI
P
OR
95 % CI
P
Region Österreich West-Mittea
1,13
0,88–1,46
0,350
1,00
0,79–1,26
0,991
Region Österreich Ost-Mitte
1,29
1,01–1,65
0,044
1,50
1,23–1,82
< 0,001
Region Österreich Osta
1,50
1,15–1,95
0,002
1,42
1,14–1,76
0,001
Alter (5-Jahresabschnitte)
1,10
1,07–1,12
< 0,001
1,11
1,09–1,13
< 0,001
Rauchen
0,84
0,71–1,00
0,053
0,99
0,79–1,26
0,991
Ernährung mit viel Fleisch
1,61
1,39–1,87
< 0,001
1,90
1,60–2,26
< 0,001
Mangel an Bewegung
1,18
1,00–1,40
0,046
1,10
0,92–1,30
0,301
Psychosoziale Beschwerden
1,17
0,94–1,46
0,150
1,49
1,24–1,78
< 0,001
Mangel an sozialer Unterstützung
1,30
0,88–1,91
0,185
0,99
0,70–1,41
0,972
Niedriger Bildungsstatus
1,81
1,49–2,19
< 0,001
1,94
1,59–2,37
< 0,001
Nicht in Österreich geboren
1,13
0,93–1,38
0,220
1,36
1,14–1,63
0,001
Nicht verheiratet
0,73
0,62–0,86
0,132
0,87
0,76–1,00
0,046
a
Österreich West wurde als Referenzregion definiert
a
Im Mikrozensus 1991 betrug die Prävalenz von Adipositas bei Personen ab 20 Jahren 8,3 % bei den Männern und 9,0 % bei den Frauen. Bis zum Mikrozensus 1999 stieg die Prävalenz von Adipositas bei den Männern und Frauen auf je 9,1 % [5]. Der Anstieg der Adipositasprävalenz war allerdings höher zwischen 1999 und 2006/07 und ist bei den Männern ab 20 Jahren von 9,1 auf 12,8 % gestiegen und bei den Frauen ab 20 Jahren von 9,1 auf 13,4 % [12]. Noch höher war der Anstieg zwischen 2006/07 und 2014. So stieg die Prävalenz von Adipositas bei den Männern ab 15 Jahren von 12,0 auf 15,6 % und bei den Frauen ab 15 Jahren von 12,7 auf 13,2 % an [13]. Auch bei den österreichischen Bäuerinnen und Bauern kam es innerhalb von 10 Jahren zu einer Zunahme der Prävalenz von Adipositas. Vergleicht man die Daten der sehr ähnlich durchgeführten Studien bei Bäuerinnen und Bauern durch die SVB aus dem Jahr 1999/2000 [20] mit der aus dem Jahr 2010, so kam es in der Adipositasprävalenz bei beiden Geschlechtern zu einem Anstieg von 15,2 auf 19,8 %. Ein gewisser Trend in der Adipositasprävalenz ist auch bei einem Vergleich der Ernährungsberichte aus dem Jahr 2008 mit dem des Jahres 2012 ableitbar. In der Vorgängerversion des Ernährungsberichtes von 2008 wurde bei 2310 Männern und Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren der BMI erhoben, hier wurden allerdings im Vergleich zu 2012 Körpergröße und Körpergewicht nicht gemessen, sondern erfragt. Gemäß dieser Erhebung waren von den Männern 1 % untergewichtig, 47 % normalgewichtig, 39 % übergewichtig und 13 % adipös. Von den Frauen waren 4 % untergewichtig, 65 % normalgewichtig, 22 % übergewichtig und 9 % adipös [21]. Somit stieg die Prävalenz von Adipositas bei Männern von 13 auf 14,9 % und bei den Frauen von 9 auf 9,7 %. Die Prävalenzraten von Adipositas in den einzelnen Österreichischen Studien ist in Tab. 1 dargestellt.
13
Einflussfaktoren auf Adipositas In einem multivariaten logistischen Regressionsmodell mit Daten aus der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2006/07, in dem Adipositas als abhängige Variable und sozio-demographische und lebensstilassoziierte Faktoren als unabhängige Variablen definiert wurden, zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit für Adipositas mit steigendem Alter alle 5 Jahre bei beiden Geschlechtern um etwa 10 % zunahm. Frauen und Männer in Ostösterreich hatten etwa um 50 % eine höhere Wahrscheinlichkeit für Adipositas als in Westösterreich. Ein niedriger Bildungsstatus war bei beiden Geschlechtern etwa mit einer doppelten Wahrscheinlichkeit für Adipositas assoziiert. Bei Frauen erhöhte ein Migrationshintergrund (Geburtsland nicht Österreich) die Wahrscheinlichkeit für Adipositas um ein Drittel und psychosoziale Beschwerden um die Hälfte, während diese Faktoren bei den Männern nicht signifikant mit dem Adipositasrisiko verbunden waren. Ein Mangel an sozialer Unterstützung und der Familienstatus waren bei beiden Geschlechtern nicht mit dem Adipositasrisiko assoziiert. Bezüglich Lebensstilfaktoren zeigte sich, dass bei beiden Geschlechtern eine fleischreiche Kost die Wahrscheinlichkeit für Adipositas erhöhte (um 60 % bei den Männern und um 90 % bei den Frauen). Ein Mangel an körperlicher Aktivität war bei den Männern signifikant mit einer höheren Adipositaswahrscheinlichkeit assoziiert, bei Frauen nicht. Der Rauchstatus hatte keinen Einfluss auf die Adipositaswahrscheinlichkeit (s. Tab. 4; [22]). Die Prävalenz von Adipositas in Österreich folgt demselben geographischen Muster wie die Mortalität von kardiovaskulären Erkrankungen im Sinne eines OstWest-Gefälles. Die Prävalenz von Adipositas ist in den östlichen Bundesländern mit hoher kardiovaskulärer Mortalität hoch und niedrig in den westlichen Bundes-
Adipositasepidemiologie in Österreich
5
themenschwerpunkt
Tab. 5 Lebensqualität bei untergewichtigen, normalgewichtigen, übergewichtigen und adipösen Männern. Mittelwerte des WHOQoL-Bref, adjustiert nach Alter. Niedrigere Werte bedeuten eine schlechtere Lebensqualität in der jeweiligen Dimension. Eigene Berechnungen nach: [11] Physische Gesundheit
Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
15,2 (14,7–15,7)
17,1 (17,0–17,2)
17,1 (17,0–17,2)
16,4 (16,2–16,5)
Psychische Gesundheit
15,4 (15,0–15,9)
16,7 (16,6–16,8)
16,6 (16,5–16,7)
16,2 (16,0–16,3)
Soziale Beziehungen
16,0 (15,5–16,5)
16,4 (16,3–16,5)
16,6 (16,5–16,7)
16,1 (16,0–16,3)
Umwelt
16,0 (15,6–16,4)
16,4 (16,3–16,5)
16,2 (16,1–16,3)
15,8 (15,7–16,0)
Tab. 6 Lebensqualität bei untergewichtigen, normalgewichtigen, übergewichtigen und adipösen Frauen. Mittelwerte des WHOQoL-Bref, adjustiert nach Alter. niedrigere Werte bedeuten eine schlechtere Lebensqualität in der jeweiligen Dimension. Eigene Berechnungen nach: [11] Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
Physische Gesundheit
16,1 (15,8–16,4)
16,8 (16,7–16,9)
16,3 (16,2–16,5)
15,6 (15,4–15,7)
Psychische Gesundheit
16,1 (15,9–16,4)
16,3 (16,2–16,3)
15,8 (15,7–15,9)
15,3 (15,2–15,5)
Soziale Beziehungen
16,2 (16,0–16,5)
16,5 (16,4–16,6)
16,2 (16,1–16,3)
16,0 (15,9–16,2)
Umwelt
16,2 (16,0–16,5)
16,2 (16,2–16,3)
15,9 (15,8–15,9)
15,5 (15,4–15,7)
ländern mit niedriger kardiovaskulärer Mortalität. Die Prävalenz von Adipositas bei den Männern sinkt von Osten nach Westen von 13,4 % (Burgenland und Wien), über 12,7 % (Niederösterreich und Steiermark), 11,2 % (Oberösterreich, Salzburg und Kärnten) bis 10,0 % (Tirol und Vorarlberg). Bei den Frauen sinkt die Prävalenz von Adipositas von 14,0 % (Burgenland und Wien) über 14,6 % (Niederösterreich und Oberösterreich), 10,3 % (Steiermark und Salzburg) bis 10,4 % (Kärnten, Tirol und Vorarlberg). Damit folgt die Prävalenz von Adipositas in Österreich demselben geographischen Muster wie die Prävalenz von Diabetes mellitus, Hypertonie, einem Mangel an körperlicher Aktivität und psycho-sozialen Faktoren wie Mangel an sozialer Unterstützung oder psycho-sozialem Unwohlsein, während der Bildungsstatus einem entgegengesetzten Trend folgt. Wäre der Bildungsstatus in allen Bundesländern gleich, wäre das Ost-Westgefälle von Adipositas noch stärker ausgeprägt [22].
Adipositas und Lebensqualität Einer Auswertung der Gesundheitsbefragungsdaten 2006/07 zufolge, die für diesen Artikel gemacht wurde, haben Männer und Frauen mit Untergewicht und Adipositas eine deutlich geringere Lebensqualität als Normalgewichtige (Tab. 5 und 6). Hier liegt eine Auswertung des WHOQol-Bref zugrunde, mit dessen Hilfe die Lebensqualität in den Dimensionen physische Gesundheit, psychische Gesundheit, soziale Beziehungen und Umwelt errechnet werden kann. Jede der Dimensionen kann dabei einen Wert von 4 bis 20 einnehmen, wobei niedrigere Werte eine schlechtere Lebensqualität in der jeweiligen Dimension bedeuten. Dabei wurde nach Alter adjustiert, da bei älteren Menschen die Lebensqualität starker beeinträchtigt ist. Die Lebensqualität war bei normalgewichtigen, übergewichtigen oder adipösen Frauen
6 Adipositasepidemiologie in Österreich
in allen Dimensionen stärker eingeschränkt als bei Männern. Untergewichtige Männer hatten hingegen eine niedrigere Lebensqualität als untergewichtige Frauen. Bei adipösen Männern sind die Dimensionen Umwelt und soziale Beziehungen starker beeinträchtigt als die Dimensionen psychische und physische Gesundheit. Bei adipösen Frauen hingegen ist die Dimension psychische Gesundheit am stärksten beeinträchtigt, gefolgt von den Umweltbedingungen und am wenigsten stark die sozialen Beziehungen. Übergewicht war in dieser Auswertung bei den Männern im Vergleich zu Normalgewicht mit keiner Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden. Bei den Frauen hingegen waren alle Dimensionen der Lebensqualität bei übergewichtigen im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen signifikant stärker beeinträchtigt.
Komorbidität In einer weiteren Auswertung wurde die Wahrscheinlichkeit für verschiedene Krankheiten nach BMI Kategorie ausgewertet. In einem multivariaten logistischen Regressionsmodell wurde die jeweilige Krankheit als abhängige Variable definiert und die Odds Ratio for Männer und Frauen in den Gewichtskategorien, adjustiert nach Alter und den sozio-ökonomischen Determinanten Bildung, Beruf und Einkommen dargestellt. Auch bei einem signifikanten Zusammenhang kann aufgrund der Datenerhebung auf keinen kausalen Zusammenhang geschlossen werden. So kann es einerseits sein, dass das Körpergewicht das Risiko für eine bestimmte Erkrankung modifiziert hat, allerdings auch andererseits, dass eine bestimmte Krankheit Auswirkungen auf das Körpergewicht hat (z. B. Krebserkrankungen) oder dass Personen mit bestimmten Erkrankungen ihr Körpergewicht aktiv verändert haben (z. B. Gewichtsabnahme nach Herzinfarkt oder Schlaganfall).
13
themenschwerpunkt
Der Auswertung zufolge hatten adipöse Männer und Frauen im Vergleich zu Normalgewichtigen eine um mehr als dreifach höhere Wahrscheinlichkeit an Diabetes mellitus erkrankt zu sein. Für Bluthochdruck war die Wahrscheinlichkeit bei beiden Geschlechtern um mehr als das Fünffache erhöht. Bei übergewichtigen Männern und Frauen war die Wahrscheinlichkeit für Diabetes mellitus und Hypertonie ebenfalls signifikant höher als bei Normalgewichtigen, jedoch nicht in dem Ausmaß wie bei Adipösen. Adipöse Männer hatten eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit schon einmal einen Herzinfarkt erlitten zu haben als normalgewichtige Männer und bei übergewichtigen Männer war diese Wahrscheinlichkeit um etwa 70 % höher. Übergewichtige oder adipöse Frauen hatten keine erhöhte Wahrscheinlichkeit, schon einmal in ihrem Leben einen Herzinfarkt gehabt zu haben. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass übergewichtige Frauen nach einem Herzinfarkt bereits Gewicht reduzieren konnten, während dies bei Männern nicht der Fall war. In Bezug auf Schlaganfall hatten übergewichtige oder adipöse Männer und Frauen keine erhöhte Wahrscheinlichkeit, schon einmal einen erlitten zu haben. Auch zeigte sich in dieser Querschnittsanalyse kein signifikanter Zusammenhang zwischen Übergewicht oder Adipositas mit Krebserkrankungen. Da, wie aus internationalen Longitudinalstudien bekannt, Adipositas allerdings das Risiko für manche Krebserkrankungen erhöht, könnte als Ursache für die hier gezeigten Ergebnisse sein, dass Krebs a`ls konsumierende Erkrankung das Körpergewicht reduzieren kann und somit in der Querschnittsstudie der Zusammenhang zwischen Krebs und BMI nicht ersichtlich ist. Rückenschmerzen waren bei übergewichtigen und adipösen Männern und Frauen signifikant häufiger vorhanden als bei Normalgewichtigen. Auch Arthrosen waren häufiger bei adipösen Männern und übergewichtigen oder adipösen Frauen als bei Normalgewichtigen. Bezüglich Angst/Depressionen zeigt sich wieder ein deutlicher Geschlechtsunterschied. Während übergewichtige oder adipöse Männer keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit hatten gleichzeitig unter Angst/Depressionen zu leiden, wiesen übergewichtige Frauen eine um 36 % höhere und adipöse Frauen eine um 57 % höhere Wahrscheinlichkeit für Angst/Depressionen auf, s. Tab. 2 und 3.
Epidemiologie von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen Adipositas bei Kindern und Jugendlichen international Ein Internationaler Vergleich der Prävalenz von Adipositas bei Schülerinnen und Schülern ist durch den Survey „Health Behaviour in School Aged Children“ (WHOHBSC Studie) möglich. Diese Studie wird pro Land an einem repräsentativen Sample an Schülerinnen und Schülern im Alter von 11, 13 und 15 Jahren durchgeführt, zuletzt 2014. Dabei wird nach Körpergröße und Körper-
13
gewicht gefragt und danach der BMI berechnet. Dieser wurde gemäß einer Klassifikation, die auf internationalen Perzentilenkurven-basierten Grenzwerten beruht [3], klassifiziert. Die Prävalenz von Übergewicht ODER Adipositas in den insgesamt 39 vorwiegend Europäischen Teilnahmeländern betrug im Mittel 17 % bei 11-jährigen Buben und 13 % bei den Mädchen dieses Alters mit einer Spannbreite von 7 bzw. 5 % bei den Schweizer Schülern und Schülerinnen bis zu 31 bzw. 30 % bei den Schülern und Schülerinnen der USA. Österreich lag hier mit einer Prävalenz von 15 bzw. 11 % im mittleren Drittel der teilnehmenden Länder. Bei den 13-jährigen Schülerinnen und Schülern waren im Mittel 17 % der Burschen und 11 % der Mädchen von Übergewicht oder Adipositas betroffen. Dieser Mittelwert entsprach auch bei beiden Geschlechtern genau der Prävalenz von Übergewicht oder Adipositas in Österreich. Am geringsten war der Anteil in den Niederlanden mit 9 % bei den Burschen und 8 % bei den Mädchen und am höchsten in den USA mit 32 % bei den Burschen und 22 % bei den Mädchen. Bei den 15-Jährigen betrug die mittlere Prävalenz von Übergewicht oder Adipositas 18 % bei den Burschen und 10 % bei den Mädchen. Die niedrigste Prävalenz war in den Niederlanden mit 11 bzw. 5 % zu verzeichnen, und die höchste wieder in den USA mit 34 % bei den Burschen und 27 % bei den Mädchen. Österreich lag hier mit einer Prävalenz von 19 % bei den Burschen und 11 % bei den Mädchen im oberen Drittel der teilnehmenden Länder [23].
Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Österreich Im Österreichischen Teil des HBSC-Surveys 2014 wurden mehr als 5000 Schülerinnen und Schülern in den Altersklassen 11, 13, 15 und 17 Jahren inkludiert. Hier waren von den Burschen 81,8 % normal- bzw. untergewichtig, 15,2 % übergewichtig und 3,1 % adipös. Von den Mädchen waren 88,0 % normal- bzw. untergewichtig, 9,9 % übergewichtig und 2,2 % adipös. Der Anteil an übergewichtigen und adipösen Schülerinnen und Schülern war in den Altersgruppen relativ gleich. Die eigene Körperwahrnehmung zeigte allerdings ein anderes Bild. Gemäß Selbsteinschätzung gaben 51,4 % der Burschen und 42,2 % der Mädchen an, „ungefähr das richtige Gewicht“ zu haben, während sich 18,6 % der Burschen und 11,9 % der Mädchen als „zu dünn“ und 30,0 % der Burschen und 46,0 % der Mädchen als „zu dick“ einschätzten [24]. Betrachtet man die Trends der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Schülerinnen und Schülern in den vergangenen Jahren, ist bei beiden Geschlechtern von 1998 bis 2010 ein leichter Aufwärtstrend erkennbar, und blieb seither auf einem Plateau bzw. nahm sogar leicht ab. So betrug die Prävalenz von Übergewicht ODER Adipositas in WHO-HBSC Surveys von 1998, 2010 und 2014 bei den Burschen 13,9 %, 18,5 %, 17,3 % und bei den Mädchen 10,0 %, 11,9 % und 11,7 % [24].
Adipositasepidemiologie in Österreich
7
themenschwerpunkt
Tab. 7 Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Adipositas in den einzelnen Österreichischen Studien Studie
Inkludierte Bevölkerung
Jahr
Art der Erhebung
Prävalenz Adipositas Burschen
Prävalenz Adipositas Mädchen
HBSC Survey 2014
5617 Schülerinnen und Schüler im Alter von 11, 13, 15 und 17 Jahren
2014
Befragung
3,1
2,2
Survey Mayer et al. 2015
15.301 Buben und Mädchen im Alter von 4 bis 19 Jahren
2009–2011
Messung
6,0
4,3
Oberösterreichische Schularztuntersuchungen
14.843 oberösterreichische Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 Jahren
2011/2012
Messung
8,5
6,9
Studienbericht: Österreichisches Grünes Kreuz
114.148 Schülerinnen und Schüler zwischen 6 und 14 Jahren
2005/2006
Messung
8,8
7,3
Österreichischer Ernährungsbericht 2012
386 Buben und Mädchen zwischen 7 und 14 Jahren
2010–2012
Messung
9,0
5,5
Österreichischer Ernährungsbericht 2008
984 Burschen und Mädchen zwischen 6 und 15 Jahren
–
Messung
9
7
In einer anderen österreichischen Studie wurden Daten von insgesamt mehr als 15.000 Kindern und Jugendlichen verschiedener Bundesländer erhoben und ausgewertet. Der Altersrange betrug 4 bis 19 Jahre. Werden internationale Kriterien für Adipositas herangezogen, wobei für Burschen und Mädchen getrennt, nach Altersgruppen in halbjährlichen Schritten eine Klassifikation in Normalgewicht/Untergewicht, Übergewicht und Adipositas erfolgt [3], also die Klassifikation der der HBSC-Studie entspricht, beträgt die Prävalenz von Adipositas bei Burschen 6,0 % und bei Mädchen 4,3 % [25]. Aus dem Schuljahr 2011/2012 konnten die schulärztlichen Untersuchungen von knapp 15.000 Kindern und Jungendlichen im Alter zwischen 6 und 16 Jahren in Oberösterreich ausgewertet werden. Dabei konnte der BMI aus gemessenen Daten für Körpergewicht und Körpergröße herangezogen werden. Die BMI Kategorien wurden ebenfalls entsprechend internationalen Perzentilenkurven-basierten Normen errechnet [3], und sind somit mit den Werten der oben genannten Studien vergleichbar. Gemäß dieser Erhebung waren von den Burschen 73,1 % normal- oder untergewichtig, 18,3 % übergewichtig und 8,5 % adipös. Von den Mädchen waren 73,0 % normal- oder untergewichtig, 20,1 % übergewichtig und 6,9 % adipös. Die Prävalenz von Adipositas war bei den jüngsten am geringsten und betrug bei den 6-jährigen Buben 6,2 % und bei den Mädchen 4,6 %. Mit steigender Altersgruppe stieg der Anteil der adipösen Kinder und Jungendlichen bis zu einem Maximum von 13,9 bzw. 9,8 % bei den 15-jährigen Burschen bzw. Mädchen. In allen Altersgruppen war bei den Burschen der Anteil an Adipösen höher als bei den Mädchen. Nur in der höchsten Altersgruppe, bei den 16-Jährigen, war der Anteil an adipösen Jugendlichen bei den Mädchen höher (Quelle: Eigene Berechnungen nach: Schulärztlichen Untersuchungen des Landes Oberösterreich 2012). In einer Erhebung des Österreichischen Grünen Kreuzes konnten für eine Auswertung von schulärztlichen Untersuchungen des Schuljahres 2005/06 auch gemessene Daten zu Körpergröße und Körpergewicht von mehr als 100.000 Schülerinnen und Schülern aus ganz Österreich im Alter von 6 bis 14 Jahren herangezo-
8 Adipositasepidemiologie in Österreich
gen werden [26]. Die Einteilung des BMI in Gewichtskategorien wurde ebenfalls Perzentilenkurven-basiert vorgenommen, jedoch wurden andere Cut-Off Werte als in den vorher zitierten Studien herangezogen, nämlich nicht basierend auf internationalen Perzentilenkurven, sondern auf Kurven aus Deutschland [27]. Gemäß dieser Untersuchung waren von den männlichen Schülern 2,5 % stark untergewichtig, 4,7 % waren untergewichtig, 11,4 % übergewichtig und 8,8 % adipös. Von den Schülerinnen waren 2,9 % stark untergewichtig, 5,8 % waren untergewichtig, 10,4 % übergewichtig und 7,3 % adipös. Bezüglich der Prävalenz von Adipositas gab es in dieser Auswertung bei den Schülern kaum Unterschiede in den einzelnen Altersgruppen, bei den Schülerinnen kam es tendenziell mit dem Alter zu einer Zunahme der Adipositasprävalenz mit der geringsten Prävalenz bei den 7-jährigen (6,0 %) und der höchsten bei den 13-jährigen (8,2 %) [26]. Im Österreichischen Ernährungsbericht 2012 wurde bei 386 Buben und Mädchen im Alter von 7 bis 14 Jahren Körpergröße und Körpergewicht gemessen. Basierend auf den damit berechneten BMI Daten wurden von den Buben 0,8 % als ausgeprägt untergewichtig, 1,6 % als untergewichtig, 71,5 % als normalgewichtig, 17,1 % als übergewichtig und 9,0 % als adipös klassifiziert. Von den Mädchen waren 2,8 % ausgeprägt untergewichtig, 2,5 % untergewichtig, 73,0 % normalgewichtig, 16,2 % übergewichtig und 5,5 % adipös [15]. Welche BMI-Klassifikation bzw. welche Perzentilenkurven für Kinder dabei herangezogen wurde, geht aus dem Ernährungsbericht nicht hervor. Auch im Österreichischen Ernährungsbericht 2008 wurden Körpergröße und Körpergewicht bei 984 Mädchen und Burschen im Alter von 6 bis 15 Jahren gemessen. Die Einteilung des BMI erfolgte gemäß Angaben im Ernährungsbericht nach Perzentilenkurven in Untergewicht (< 3. Perzentile), Normalgewicht (10. Bis 90. Perzentile), Übergewicht (> 90. Perzentile) und Adipositas (> 97. Perzentile) [21]. Demnach waren von den Burschen 5 % untergewichtig, 75 % normalgewichtig, 12 % übergewichtig und 9 % adipös. Von den Mädchen waren
13
themenschwerpunkt
6 % untergewichtig, 76 % normalgewichtig, 10 % übergewichtig und 7 % adipös [21]. In Tab. 7 sind die Prävalenzraten von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Österreich dargestellt. Interessenkonflikt Thomas E. Dorner erklärt, dass kein Interessenkonflikt in Zusammenhang mit dem Artikel besteht.
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