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Berechnung variabler Faserverläufe zur Optimierung von Compositestrukturen Fasern in FVK- Strukturen sind optimal platziert, wenn diese parallel zur höchsten Beanspruchungsrichtung verlaufen. Ein Maß dafür sind die Hauptspannungsrichtungen, welche im Allgemeinen von Ort zu Ort variieren. Es ist deshalb wünschenswert, den Faserverlauf zu berechnen und zu visualisieren. Die softwaremäßige Realisierung eines diesbezüglichen BMBF-Projekts wird in diesem Beitrag an Hand diverser Beispiele vorgestellt.
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er Hühnerknochen, so fasst es Prof. Claus Mattheck zusammen, ist der Superlativ eines funktionell an die mechanischen Erfordernisse angepassten Leichtbaudesigns. Kein Ingenieur der Welt ist nach Meinung des Leiters der Abteilung Biomechanik am Institut für Materialforschung des Forschungszentrums Karlsruhe heute in der Lage, „dieses in seiner äußeren Gestalt und in seiner Innenarchitektur im Hinblick auf minimales Gewicht und höchste Festigkeit vortrefflich optimierte Bauteil zu kopieren.“ [1]. Das Fachwerk aus Hauptspannungslinien, Bild 1, wird nun als Vorbild für eine optimale Konstruktion allgemeiner Bauteile genommen. Dieses Konstruktionsprinzip kann in Faserverbundstrukturen verwirklicht werden, indem die Fasern längs der Hauptspannungsrichtungen orientiert werden, das heißt, der Faserverlauf ist identisch mit dem Abbild der Hauptspannungslinien. Die Faserplatzierung nach diesem Prinzip
ist im Schrifttum als CAIO- Verfahren (Computer Aided Internal Optimization) bekannt. Im Rahmen eines BMBF-Projektes [2] wurde dazu die Software CAIOShell erstellt, die für 2D-Platten und Scheiben und erstmals für 3D-Schalen den Faserverlauf berechnet. W irklich op t imal ? Die Frage ist, ob die bionisch motivierte Faserorientierung längs der Hauptspannungsrichtung wirklich die optimale Faserplatzierung darstellt oder ob es eventuell weitere Hinweise bezüglich des optimalen Faserverlaufs gibt. Es existiert bereits ein mechanisches Messprinzip, das geradezu auf die CAIO-Methode führt und somit einen Vergleich zwischen Messung und Rechnung erlaubt. Dieses Reißlackverfahren, auch Dehnungslinienverfahren genannt (Maybach, 1924 und Stresscoat, 1938), funktioniert wie folgt: Nach dem Trocknen des ‚lackierten’
»Die Berechnung und Visualisierung des optimalen Faserverlaufs mit einer bestimmten Anzahl von Rovings ist für FVK-Konstrukteure sehr hilfreich. Noch besser ist es, daraus jeden beliebig dichten Faserverlauf interaktiv sofort am Bildschirm darzustellen.« Dipl.-Ing. Herbert Moldenhauer ist Geschäftsführer der Dipl.-Ing. H. Moldenhauer GmbH in Rödermark. 1/2011 lightweightdesign
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Bauteils wird die Last aufgebracht. Der spröde Lack reißt quer zur Richtung mit der größten Zughauptspannung. Damit ist die (Faserquer-) Richtung der 2. Hauptspannung visualisiert. Die Fasern der 1. Hauptspannungsrichtung verlaufen dazu senkrecht. Damit dient der Reißlack als experimenteller Transformator auf das Spannungs-Hauptachsensystem und als Integrator längs einer Hauptspannungsrichtung. Die Risslinie selbst ist das Ergebnis der Integration und vergleichbar mit den aus CAIO rechnerisch ermittelten Faserverläufen. Bild 2 zeigt einen solchen Vergleich anhand eines T-Rohrs mit Eckblech-Versteifung nach W. Bergmann, [5].
Bild 1 Bionische Strukturen (Knochen, Holz etc.) haben Fasercharakter und sind lastgerecht optimiert; der Femurknochen besteht zum Beispiel im gelenknahen
S chri t t 1 : I n t egra t ion der H a u p t spann u ngsrich t u ngen Die gängigen FEM- Programme liefern für Schalen, Platten und Scheiben die Spannungskomponenten sowie zwei Hauptspannungsrichtungen, die senkrecht aufeinander stehen. Die Hauptspannungsrichtung ist durch Schubspannungsfreiheit gekennzeichnet. Werden nun Fasern in Richtung der 1. Hauptspannung verlegt, so sind diese schon optimal ausgerichtet, da die Faser in ihrer Längsrichtung maximale Festigkeitswerte aufweist. Die Festigkeitseigenschaften quer zur Faser sind jedoch gering, so dass diese Beanspruchung durch Fasern in der 2. Hauptspannungsrichtung aufgenommen werden müssen. Im Allgemeinen ist somit stets ein System von zwei aufeinander senkrecht stehenden Fasersystemen nötig. Aus den Hauptspannungsrichtungen ist durch Integration der Faserverlauf zu berechnen. Bild 3 zeigt das Integrationsschema anhand einer Scheibenidealisierung. Gezeigt ist eine der beiden Hauptspannungsrichtungen im Mittelpunkt eines jeden Elements. Durch sukzessive Anwendung der Punkt-Steigungsformel kann für jedes Element ein gerader Abschnitt des CAIO-Verlaufs ermittelt werden. Die zusammengesetzten Abschnitte ergeben dann den Faserverlauf als Polygonzug. Für ebene 2D-Strukturen liegen schon CAIO-Programme vor, nicht
Bereich aus einem Mikrofachwerk feinster Knochenbälkchen, das durch seine Hauptspannungslinien nachgebildet werden kann
jedoch für beliebig doppelt gekrümmte Schalen. Die vorliegende Arbeit schließt diese Lücke, zumal 3D-Anwendungen den Großteil der Aufgabenstellungen ausmachen. S chri t t 2 : P os t processing Der Fortschritt der CAIO-Programmierung liegt im Postprocessing-Bereich. Eine numerisch berechnete CAIO-Auslegung ist in der Praxis ständig konstruktiven Änderungen unterworfen. Bei einer Änderung des Flächengewichts oder einer lokalen Konzentration von Rovings in einem spannungskritischen Gebiet war bisher prinzipiell eine neue CAIOAnalyse notwendig. Das Programm CAIOShell als Add-on-Software zu kommerziellen FEM- und Grafik-Programmen (Abaqus und Tecplot) erlaubt im Postprocessing beliebige manuelle Anpassungen des CAIOMusters ohne Neuberechnung. Die Lösung ist, die integrierten Hauptrichtungen nicht diskret für eine spezielle Auslegung zu liefern, sondern diese ‚unendlich‘ dicht dem Postprocessor Tecplot zuzuführen. Aus die-
Bild 2 T-Rohr unter Vertikallast F, an den waagrechten Rohrenden gelagert (links: Risslinien im Reißlack, ein Teil davon wurde mit weißer Farbe nachgezeichnet, rechts: 3D-Schalenmodell mit CAIO- Faserverlauf ) www.lightweight-design.de
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Bild 3 Sukzessive Integration einer beliebig angenommenen Hauptspannungsrichtung, beginnend am Startpunkt a. Ergänzend zur numerischen Integration wurde zusätzlich ein graphisches Programm geschrieben, [6]. Die einzelnen Richtungen n, m,.. die Elementknoten A,B,C,..und der Startpunkt a sind interaktiv verschiebbar, so dass stets der rote Integrationspfad (Faserverlauf )
Bild 5 Relative Dickenverteilung durch Gradientbildung aus dem Faserfeld σ2 in Bild
angepasst wird; im Programm CAIOShell wurden damit problematische Konstellationen
4. Das Bild demonstriert gleichzeitig die Beschneidungstechnik der Fasern in Tecplot. Die
durch empirisch abgeleitete Integrationsregeln berücksichtigt
Lochverstärkung erfolgt in diesem Beispiel durch ein CAIO-Patch in Ellipsenform
sem dichten Feld werden die Rovings in Form diskreter Konturlinien extrahiert und dann manuell (mit der Maus) optional verschoben. Die beiden folgenden Beispiele verdeutlichen diese Technik.
Bild 4 3. Quadrant: v.Mises [MPa], CAIO startet stets von einem isotropen Spannungszustand und wird erst bei optionalen Iterationen orthotrop. 2. Quadrant: Die σ1-Hauptrichtungen ergeben integriert das σ1-Feld, aus welchem in Tecplot durch Definition der Anzahl von σ1-Konturlinien beliebig viele σ1-Rovings extrahiert werden können. 4. Quadrant: Die σ2-Hauptrichtungen ergeben integriert das σ2-Feld, aus welchem in Tecplot durch Definition der Anzahl von σ2-Konturlinien beliebig viele σ2Rovings extrahiert werden können. 1. Quadrant. CAIO-Layup transparent. Bei symmetrischem Aufbau werden 4 Schichten benötigt: [ σ2/ σ1]S, wobei die Stapelreihenfolge bei einer Scheibe jedoch ohne Einfluss ist
A nwend u ngsbeispiele Als erstes Beispiel wird die Lochscheibe unter uniaxialem Zug gezeigt, Bild 4. Diese Berechnung basiert auf linearen Modellen. Festigkeitsgrenzen sind dabei nur indirekt berücksichtigt. Das Ergebnis lässt allgemeine Aussagen zu, ob das Laminat bezüglich der Faserlängs- oder Querbeanspruchung versagt beziehungsweise welcher Sicherheitsabstand zur Versagensgrenze besteht. Das Vergleichslaminat [0 / 90]S ist bezüglich des kritischen Querzugs rechnerisch zirka 45 % ungünstiger als CAIO. Mit der in Bild 4 gefundenen Faserverteilung aus einem ‚unendlich’ dichten Faserfeld lässt sich durch Gradientbildung die relative Dickenverteilung ermitteln, Bild 5. Bild 6 zeigt als weiteres Anwendungsbeispiel einen Fahrradsattel unter Eigengewicht des Fahrradfahrers. Die Anwendung von CAIOSist syntaxfrei. Nur die Handhabung der Standard-Programme hell Abaqus und Tecplot ist erforderlich. Im Postprocessor-Schritt mit Tecplot sind nun unter anderem folgende Manipulationen möglich: ●● Extraktion einer frei wählbaren Anzahl von Fasern (Rovings) durch Interpolation aus dem „dichten“ Faserfeld, ●● nachträgliches Hinzufügen oder Wegnehmen von beliebigen Fasern aus dem Faserfeld, ●● nachträgliches Verschieben von Einzelfasern, wobei die Faser stets auf der 3D-Schalenstruktur verbleibt und aus dem ‚dichten’ Faserfeld interpoliert wird, 1/2011 lightweightdesign
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Beschneiden von einzelnen Fasern/Faserregionen, Abwickeln von gekrümmten Faserstrukturen in eine Ebene, sofern diese abwickelbar sind, ●● Bestimmung der relativen Faserschichtdicke, die sich, CAIO- bedingt, durch variable Faserabstände ergibt, ●● Extraktion der Faserpositionen (x,y,z- Koordinaten) im ASCII-Format. Das nachträgliche Hinzufügen oder Wegnehmen und die Beschneidung von Fasern sind besonders wichtig zur Erlangung eines Layouts mit möglichst konstanter Dicke und konstantem Faservolumen. ●● ●●
F l u gze u gspan t : Theorie u nd P ra x is im V ergleich Der technologische Anwendernutzen bei Anwendung von CAIOShell liegt in der Fähigkeit, komplexe Faserstrukturen festigkeitsmäßig zu berechnen und gleichzeitig bezüglich des optimalen Tragverhaltens zu platzieren. Die dabei resultierenden Gewichtseinsparungen sind stets von großem Nutzen für Industrie und Umwelt. Als erste industrielle Bewährungsprobe wurde auf Basis der CAIO-Auslegung ein Prototyp eines Flugzeugspants (Omega- Spant) hergestellt, Bild 7. Bei der Fertigung und der experimentellen Evaluierung dieser Struktur waren EADS, IFB (Institut für Flugzeugbau, Stuttgart), IPF (Institut für Polymerforschung, Dresden) und Saertex beteiligt. Für den Lastfall „3-Punkt-Biegung“ wurden Standard-Fertigungen (Multiaxialgelege, Flechtbauweise) mit der Fertigung nach CAIO- Vorgabe verglichen, Bild 8. A nwend u ng von C A I O a u f nich t lineares M a t erialverhal t en Die bisherigen Berechnungsbeispiele basieren auf linearen Modellen. Festigkeitsgrenzen sind dabei nur indirekt berücksichtigt. Das Ergebnis lässt nur allgemeine Aussagen zu, ob das Laminat bezüglich der Faserlängs- oder Querbeanspruchung versagt beziehungsweise welcher Sicherheitsabstand zur Versagensgrenze besteht. Im Allgemeinen wird die Grenze der Querfestigkeit schnell erreicht, lokale Matrixbrüche sind die Folge. Das Laminat kann jedoch eine solche Schädigung durch Kraftumleitungen zunächst gut vertragen, das tatsächliche Versagen tritt später ein. Prinzipiell können interlaminare und intralaminare Brüche berechnet werden. Wegen der hier vorliegenden ebenen Problemstellung ist ein interlaminarer Bruch nicht zu erwarten. Die Analysen erfordern eine Lastinkrementierung in kleinen Schritten und Iterationen in jedem Lastinkrement. Bild 9 zeigt am Beispiel einer CFK-Lochplatte Bruchlasten für Standard- Laminate und für das CAIO- Laminat. Letzteres geht aus der Kombination von einer Basisschicht [(+45/-45)2]s mit zwei dazu symmetrisch aufgestickten CAIO-Schichten hervor. Aus der Fachliteratur ([7], dort auch weitere Angaben zur Problemstellung) wurden fünf Varianten gewählt und direkt mit der FEM- Berechnung verglichen. Zusätzlich sind drei weitere Standard-Laminate gezeigt, darunter das Flugzeuglaminat [(0/+45/-45/90)3]s und eine Variante aus Aluminium. Es wurde darauf geachtet, dass alle Varianten praktisch gleiches Gewicht haben. www.lightweight-design.de
Bild 6 Membranspannung σ1 in einem Fahrradsattel. Nach der Berechnung der Faserverläufe und deren Umrechnung in ein skalares Hauptspannungs-Faserfeld σ1 im FEM- Programm wird der Ergebnisfile in Tecplot eingelesen und präsentiert sich dem Betrachter entsprechend der rechten Sattelhälfte. Aus diesem kontinuierlichen Faserfeld können nun beliebig positionierte σ1-Fasern extrahiert werden, deren Dichte sich allein aus der freien Wahl der Anzahl der Konturlinien ergibt
Bild 6A
Ausschnitt aus Bild 6 - dem skalaren Faserfeld σ1 sind die extrahierten
Einzelfasern (weiß) und die erste Hauptspannungsrichtung (schwarz) überlagert. Die Fasern folgen dem Richtungsfeld. Man erkennt drei Bereiche mit einem Vorzeichenwechsel (VZW) der Hauptspannungsrichtung. CAIOShell integriert korrekt über diese Bereiche hinweg
Bild 10 zeigt, dass die rechnerisch vorhergesagten Bruchlasten recht gut mit den in [7] angegebenen experimentellen Werten übereinstimmen. Das CAIO-optimierte Laminat verspricht eine beachtliche Bruchlaststeigerung, die jedoch noch im Labor überprüft werden muss.
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ten, Vliesen, Hex-Wabenkernen und Schaumkernen als Grundmaterial), die teilweise Schichten in der Schale mit ihren orthotropen oder isotropen Eigenschaften vorbelegen. Nur in den restlichen Schichten werden die (aufgestickten) Faserverläufe optimiert. Die erforderlichen Eigenschaften der Halbzeuge (Faservolumenanteil, Bild 7 Omega-Spant (links: Vereinfachte Problemdarstellung, rechts: Standard- Multiaxialgelege aus C-Fasern im Steg) Dicke, Orientierung) können mit Laminat-Auslegeprogrammen optimiert werden und somit zum Beispiel unkritische Betriebslastfälle abdeW ir t schaf t liches P o t enzial cken. Für besonders kritische Einzellastfälle ist das genaue CAIO-Verfahren Der wirtschaftliche Nutzen stellt sich immer dann ein, wenn ein einzusetzen. Daraus resultiert eine optimale Faserpositionierung, die per Faserverbundbauteil auf Festigkeit und Gewicht optimiert wird, Aufstickung auf das Grundmaterial zu realisieren ist. unabhängig von der jeweiligen Branche. Die Optimierung besteht in der lastgerechten Platzierung der Fasern, denn nur so ist ein Die Entwicklung von CAIOShell wurde als Add-on-Software zu besteminimales Bauteilgewicht zu erlangen. Signifikante Gewichtseinhenden FEM- und Grafik- Programmen realisiert. Als Basis Software sparungen bis zu 50 % sind bei membranartig belasteten Struktuwurden die Programme Abaqus (FEM) und Tecplot (Grafik) gewählt. ren möglich, können aber bei biegebelasteten Strukturen durch Sandwichkerne mit CFK-Deckschichten ebenso erreicht werden. Z u sammenfass u ng Mit CAIOShell ist nun ein Berechnungsinstrument verfügbar, das 2DHerkömmliche Composite Technolgien basieren auf Laminaten mit konstanter Faserorientierung in den einzelnen Schichten. Fasern beund 3D-Schalenstrukturen lastgerecht optimiert. Das prinzipielle rechnerische Potenzial von CAIO-Faserverläufen wird von vielen Anwendern gesehen und anerkannt. Experimentelle Überprüfungen liegen vor allem für 2D-Strukturen vor. In ebenen Strukturen wird die TFP- Sticktechnik (tailored fiber placement) schon lange eingesetzt [3], die dafür notwendigen Koodinatenspezifikationen können mit CAIOShell automatisiert und komfortabel bereitgestellt werden. Als Sonderfall sind 3D-Strukturen dann anzusehen, wenn diese abwickelbar sind, Bild 10. Diese Technik ist wichtig, da 2D-Stickautomaten schon am Markt sind und somit CAIO-Muster einfacher gestickt werden können. Anders liegt der Fall bei nicht abwickelbaren 3D-Schalenanwendungen. Die quantitative Erfassung in Form von 3D-Koordinaten längs der Faser ist durch den Einsatz von CAIOShell gewährleistet. Ein Nutzen wird jedoch erst dann eintreten, wenn eine Platzierung von Fasern durch 3D-Stickautomaten realisiert wird. Die Motivation zur Herstellung entsprechender Roboter war bislang jedoch nicht gegeben, da solche 3D-Faserverläufe in beliebig gekrümmten Schalen bis heute nicht berechnet wurden. Insofern könnte das Programm CAIOShell als Markttreiber fungieren und die Bild 8 Der Ω-Spant, CAIO-optimiert für den Testlastfall 3-Punkt-Biegung. Von Entwicklung von 3D-Stickautomaten auslösen. In der ÜbergangsLokaleffekten abgesehen ist der Spannungszustand im Wesentlichen membranförmig phase kann für diesen Teilbereich das 3D-CAIO-Muster in jedem und durch die zwei Membranhauptspannungen σ1 und σ2 gegeben. Farbig dargestellt Fall Verbesserungen für bereits existierende Fertigungstechniken ist das dichte Faserfeld σ2. Der blaue Farbbereich ist das Gebiet mit dem geringsten, liefern. So können zum Beispiel durch Verlegung von Faserpatder rote Bereich das mit dem höchsten Faseranteil. Die Schwarz-Weiß-Region zeigt die ches mit der FPP-Methode (Fiber Patch Preforming) CAIO-Muster Extraktion von Einzelfasern als Konturlinien aus dem σ1-Feld. Nur zusammen mit den approximiert werden, siehe [4]. σ1-Fasern, die senkrecht auf den σ2-Fasern stehen, ist eine CAIO- Membranauslegung vollständig. Links oben: 3-Punkt-Biegeversuch am IFB, Prüfaufbau. Die Messungen am
A nwend u ngsm ö glichkei t en in der P ra x is CAIO-Faserverläufe sind kombinierbar mit textilen Halbzeugen ( multiaxialen Kettengewirken, Geweben, Geflechten, SMC- Formmassen, Fasermat-
IFB ergaben, dass der mit CAIO optimierte Spant aus C-Fasern im Vergleich zum Spant in Flechtbauweise zirka 30 % steifer und 33 % leichter ist. Rechts oben: Verformungsund Dehnungsmessung mit ARAMIS am IFB 1/2011 lightweightdesign
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Bild 9 Bruchlasten für Standard-laminate sowie einer Variante aus Aluminium und der CAiO- optimierten lochplatte. der Faserwinkel bezieht sich auf die axiale Belastungsrichtung (Kompression), CFK-lochplatte T300 / 976 (Carbon + Epoxy mit 66 % C-Faseranteil), Abmessungen in inches, alle Materialdefinitionen und experimentellen Ergebnisse in [7]
Bild 10 der Kegelkonus als Beispiel für eine abwickelbare Fläche. die gezeigte Struktur unter Windbelastung führt im Wesentlichen zu Membranspannungen. Nach der CAiO- Optimierung kann das σ1-σ2-Muster abgewickelt werden. Alle TecplotOptionen (Änderung der Faserdichte, Manipulation von Einzelfasern etc.) sind sofort auf der abgewickelten Fläche wirksam
DOI: 10.1365/s35725-011-0009-8
ziehungsweise Rovings werden in einer Matrix eingebettet. Ein unidirektionaler Verbund hat seine höchste Festigkeit längs der Faser. Der höchste Ausnützungsgrad einer Faser ist dann gegeben, wenn diese parallel zur höchsten Beanspruchungsrichtung orientiert wird. Ein Maß dafür sind die Hauptspannungsrichtungen. Da diese Richtungen im Allgemeinen von Ort zu Ort variieren, wäre es wünschenswert, den Verlauf der Fasern entsprechend dieser Richtungen anzupassen. unter dem Begriff CAIO (Computer Aided Internal Optimization) ist das Konzept auch umgesetzt und auf ebene Strukturen angewandt worden, [1]. Für beliebig doppelt gekrümmte Schalen ist bis heute jedoch keine Veröffentlichung bekannt. In einem BMBF-Projekt [2] ist ein entsprechendes Programm entwickelt worden, das sich auf bestehende (kommerzielle) Finite Element- und Grafik-Software stützt. Dieser Aufsatz zeigt die Grundlagen und Beispiele. Voraussetzung für die Anwendung variabler Faserverläufe ist deren technologische Realisierung. Für ebene Strukturen gibt es schon längere Zeit die „maßgeschneiderte“ Faserplatzierung [3] (tailored fiber placement) in Form von NC-Maschinen. Für 3D-Anwendungen sind Ansätze vorhanden, zum Beispiel das automatische Verlegen von Prepreg-tapes, oder aber auch das Fiber-Patch-Preforming, [4]. Es ist zu hoffen, dass die rechnerische Bereitstellung von 3D-Faserverläufen die Entwicklung von 3D-NC-Maschinen weiter vorantreibt. L I t E R At u R
um für Bildung und Forschung gefördert. BMBF Förderkennzeichen: 03x1000L, 1.1.2005 – 31.3.2009, s. auch www.tailored-fiber-design.com [3] P. Mattheij, K. Gliesche, D. Feltin: tailored Fiber Placement-Mechanical Properties and Application, Journal of Reinforced Plastics and Composites, 17(9), 1998 [4] O. Meyer: Kurzfaser-Preform-technologie zur kraftflussgerechten Herstellung von Faserverbundbauteilen, Dissertation am IFB, 2008. [5] W. Bergmann: Festigkeitsprobleme für den Konstrukteur, Konstruktion, 9 (3), 1957 [6] GeoGebra ( www.geogebra.at ) GeoGebra ist eine dynamische Mathematiksoftware für den Einsatz im unterricht an Schulen, die Geometrie, Algebra und Analysis verbindet [7] Chang, F-K., and L. B. Lessard: Damage tolerance of Laminated Composites Containing an Open Hole and Subjected to Compressive Loadings: Part I - Analysis, Journal of Composite Materials, Vol. 25, pp. 2 - 43, 1991 Part II -Experiment, Journal of Composite Materials, Vol. 25, pp. 44 - 64, 1991
DANKSAGuNG Der Autor dankt dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie dem Projektträger Jülich (PtJ) für die Förderung im Rahmen dieses Verbundforschungsvorhabens. ●
[1] C. Mattheck: Design in der Natur, Freiburg, 2006.
Der Autor:
[2] H. Moldenhauer: Entwicklung der Software CAIO Shell zur Auslegung optimierter Faserverläufe in Schalenstrukturen. BMBF-Projekt: BIOtEx – Bionische Gestaltung und textile Herstellungsverfahren zur kostengünstigen Herstellung optimierter Faserverbundstrukturen’. Die Entwicklung des Programms CAIO Shell wurde durch das Bundesministeri-
DIPL.-ING. HERBERt MOLDENHAuER ist Geschäftsführer der Dipl.-Ing. H. Moldenhauer GmbH in Rödermark.
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