-/
D I E NAT U R W"I S ........ SE
NSCHAFT
•
±
WOCHENSCILRIFTF~R DIE FORTSC'HRITTEDER NATURWISSENSCHAFT,DER MEDIZIN UND DER TECH'~flg HERAUSGE ~]~BEN
DR. ARNOLD B E R L t N E R Neunter
Jahrgan~.
u~
12. August
Das System der mechanischen Beweise flir die Bewegung der Erde. Von R. (Trammel, Stuttgart, EinleitunY. Die seit dem ,grieehischen Al~tertum immer Wieder auftauchende, yon N~colaus Copperni~us endgtiltig gekl~irte tmc~ zum Siege gefii:hrte ,,heliozentrische" Auffassung, wonac'h die .Bewegungserscheinungen am Himmelsgewlilbe am einfaehsten dutch eine dreifache Eigenbewegung der Erde gegeniiber der S onne zu erk}ti.ren sind, n~imlieh d~reh .die Drehung-der Erde um sich selbst (Rotation), dutch ihren Umlauf urn die Sonne (Revolution} und- d'ureh elne kegetige Bewegung tier Rotationsachse (Pdiizession und Nutatio.n) --. ist fii,r j eden astronomisch elnigerm'al~en Gebildeten l~ingst zu einer unbezweifetbaren Tatsache gewerden. Zu ihrer Stiitze hat man, ausgehend von ~ I e m tqewtons~hen Gespenst des absoluten Ra.um¢s,. Beweis au£ Bewels z u hiiufen versucht, um schlieBlich zu erkennen, dab di~s C oppernieanische _ System sich iiberhaupt ,nieht beweisen, sondern nur durch seine ungeheuer ,greBe Zweckm~iBigkeit, and dutch sonst niehts, rechtfertigen l~iBt. Man kann jenen ,,Beweisen" ,heute .nur noch insoweit A u~merksamkeit widmen, a]s es sich datum hen• delg, sie i~ ein geschlo~s.enes System ~) Zu. bri/agen
:u~d" ihr Verh~Itnis .zum .Relativgtiitsprinzip ~larzustetlen.. Wie den Gol~tesbeweisen durch die ]~antisehe Erkenntniskritik, so ist dutch des Einsteinsche R~lati.vit~itsprinzip (in seiner all gemeinen .Fassung) allen Beweisen ftir .~ie Bewegung der Erde die absolute Beweiskr.aft ~ntzogen. DaB si,e t-rotzdem ihre Bedeutu~g ~icht verIoren haben, liegt d,aran, dab auch tier Begrif£ des Beweisens relativ ist: er hat nur dann einen Sinn, wenn angegel~en wird, blg zu we]eh.em Grad der GewiBheit der Beweis :~iihren sell. I n . unserem Falle ~ann ein-
~,andfrei nut die TatsacIve erwiese~ werden, dab ~in mit der Erde Zest verbundenes Bezug.ssystem .die E~genschaft_~n eines Inertialsystems nicht be-' ,sitzt, sondern in ganz bestimmter Art day.on abvceicht, d. h. d'a8,, be~rteilt yon jene m irdlschen System, die Bewegungserscheinungen der triigen Massen .anders vexla~fon, als sie .dies nach dem Iml)ulsgesetz (Triigheltsgesetz) unter dem ~influB " aller u,ns bekannten Kr~ifte tun sollten. "Die Ab~ Die voll'stttndigste zdsammznfassende Darstell,ung ~erdankt man J. G: ltagen, La rotation .fie l~ terre, ses. ,preuves m~caniques aneiennes et nouvell~s, Pu~ blic~z]oni ~lel.l~ ~Specola_~sttonomica Vatieana, 2. Re!he, BS. 1, Rc,m 1912. Nw. I~I.
V
O
N
k.
PROF. Dl~ AUGUST P B T T E R 1921.
H e f t 82. -
weich.ungen lessen ~ich durch die Coppernicanis.cbe Erdbewegtmg .erkliiren, aber ebensogut auch durch die Einwirkung unbekannter ferner retierender Massen, wie schon E. Mach ~) vermutet und H. Thirring 8) neuerdings rechneriseh gezeigt , hat. Zwischen beidea ]KSgligh,keiten ist eine absolute Entscheidu.ng a'usgesch}ossea; die Vernunft trifft abet natiirlich eine solche praI~t~sch sehr rasch. N a e h Lord Kelvin hat ma.n scharf zwischan Beobachtungen und Versuchen als Beweisgrundlagen zu unterscheiden. Die gewichtigsten Griinde fiir das Coppernicanlsche System sind die astron~mischen Beobachtungen (die schelnbare t~gliche Drehung .des !timmelsgewifl~bes zu~amman mit den FixsteraparalIaxe~,
~mmer nur die'Frage, ob das irdischeJt~ezug;s:system ein Inertiatsys$em iM oder nicht, ~zur Er5rterung stehen darE, benutzen wit, :s0 oft' es fin,s bequ.emis~, ~tie v.or.relatlvl,stische Ausdruckswelse. Wir lessen fiberd'ies a!le nichtmechanischen YersuehsmSglichkeiten auBer t~cht uad. ~haben es also ~eiterhin nur m[t mechanischen Y ersuchen Z~ tun, .~nd zwar zuniiehst a~sschlleBlich mit solchen fiir die Rotatio~ der Erde a m ihre Aehse. Zur systematischea .Ordnung tier fiber, aus groB,e~i Mannig£altigkelt solcher Yexsuehsmtlglichkelten w~ihlen wir, bildllch g~sprochen, :ein kine:
,
-
.
.
.
~) E. :Mach, Die Mech~nik in .ih~er Entwic~lu'n~
2. Kap:,'6, 5-(4. AufI:, ,S. 242 f.). a) H. Th;rr;ng, Phys. Zei,ts6hi'.-19 (1918), S . 33, :un4 22 (1921); ,S. 29, sowie A..Kopff, ebend~ 22 (192~)~ S. 24, und A. Kopf],.Naturwissenschaften .9..(1921), S. 9~ Phys. Ges. 1~ (1915), ,S. 156. 80
'
'
+
7/\
~>
• A
2:
, , / -.zT"'
<":<
i ~:
624
Grammel: Das System der m e c h a n i s c h e n - B ~ ¢
!
ti.sches Fachwerk mit kinematischer Unt,erteilung. Diese geht davon aus, daJ~ man al.s wesentli 'chste Ursache der Abweichung des irdischen Bezugssystems y o n einem Inerti,alsy~tem die Erddre]aung ansieht. Ihre W.Xnkelgeschwindl.gkeit 2~ m -- 86 164 sek-1 (der Neaner gibt die Anzahl, der Sekun&en eines Sterntages) stelltman, (F£g. 1) zweckmiil~igerweise dar a~s einen Vekter o yon. der Liinge ¢o, tier vom E,rdmittelpunkt aus in die Erdachse nordwiirts gelegt.gedacht ist. ~ a e h einer klnematischen Regel darf man die Drehung o
fiir die Bewegung ~der Erde
) < '
'
I:
[ Di~ liat~r- : twissensehaftert
der ,Schwerpunkt gera.dlinlg gleiehfSrmig ( e i n g e schlossen .Sen :Fall' der Ruhe) ; diese besondere Form des Schwerpunktssatzes ist tier Tri~gheitss a t z fiir .die F.ortschreitbewegung des KSrper.s. lJber die DrehUng ,des KSr.pers s:agt d,as Impulsgesetz f01.gen'des aus~ ~[an zerspa]te (Fi,g. 2) die als Yektor au£gefal]te Winkelgeschwind.ig.keit 1I 8es KSrpers in .drel Komponenten 11~, 11~, ~3 nach drei au£einander sen'krechten, im KSrper. festen, slch in einem P,unkte 0 der Drehae]~se Sehneidenden Achsen, n~iml'ich n a c h ' d e n seg. d*rei Haupttr~gh,eitsaehsea des KSrpers i'n bezug .auf 0. (Der P unkt 0 ist auf der Drehachse beliebig; wenn wghrend der Bew,egung ei~ P u n kt des KSrpers festgehalten wird, dutch den dann also alle Drehachsen hl.ndurch gehen miissen, so brlngt es
%-. \,
Nafdpo/
A
"
•e
~
<
~z
I '
o
I •
zont um elne durch den Err d~nlttelpun.kt parallel zu,r ~ordli.n~e des Beobachtu~gsortes gezogene Achso mit der Win:kelgesehwindigkeit ¢ % - - o cos cp; . . . . . . . (2 sie"heiSe-d~e Vertikaldrehung, und sie verschwind e~ n u r ~ a n den beiden t).elen. .Bei dan meisten Versuchen handelt" es sich um d,ea ~achweis entwed~er der Azimuta:l- od:er der Vertikaldrehung ftir :sich allein. "Sodtmn mag daran erinnert sein, dab das Gz,tm&gesetz d-er Kinetik, der Impulssatz (al.s T~iiger des" vie].' engeren Tr~igheitsgesetzes), angewandt '~uf .die Bewegung ,ein~s starren oder uns t i f f e n KSrpers, in zwei S~tzen glpfelt, deren erster die:F(~r£~chreitbewegung des KSrpers beherrscht, w~i~arend der zwelte des.sen Dre]aung regelt. Bet e r i e , ais sog. 8 c h w e r p u n k t s s a t z , sag aus, daJ] in elnem"Inertial.system der ~ a s s e n mittelpunkt des KSrpers sich so bewegt, al.s ob die ,ga-nze ]l~asse punkt~Srmlg ~n ihm vereinigt wKre .mad .als eb auJ]er.dem alle Kriifte (u~.d z~ar soweit ,nSt~g., paral'lel ~n.it si¢_~ verschoben) in ibm ~ng.r~.fen, We sie ,c~ann eine mit 5,hr.er • Re~ultan~e riehtungsgleiehe ,Beschleunigung verursae~nen. I s t die Re~ultante"null, so b ewegt sieh
8-6
"~ ,..~ ~ I // ,',',~/---,.~
.4.¢, Fig. 1. Azimutal- und V ertikaldrelaung.
1
//
/
...~2
Fig. 2. Zus~mmenh~ng zwischen den Vek~oren it, und ~ - b e i tier Drehung eines Ktirpers am einen Pankt O. ,grol]e, V~reinfachtmgen, 0ben diesen sog. Sti~tz,S;.nd A, B, C die droi Triigheitsmomente des KSrpers ia bezug a.uf jene drel Aohsen, so verl~n~ere man die drei [Komponenten us d er Relhe nach im Verhiiltnis A : 1, B : 1 und C : 1 und setze die so erhaltenen Vektoren A11~, BU~, C113 hernaeh wieder zu einer Resultante ~ zusammen, .die wir den Yektor des Sckwunges heiilen; er hat im altgemeinen nlcht ganz die gleiche R i e h t u n g wie der Vektor It. Es versteht s.ich, da]] w i r , wie schon beim Yektor o., auch bei u und tiberhaupt b e[ .allan dlesen Vektoren yon axialem Cha~akter die Pt:eilrichtung des Vekto.rs dem dureh .i.hn ,dargestel'lten Drehsinn under dem Bild einer rechtsg~ingigen Schraube zuordn, en. Insbesendere verwenden wir diese Z uordnung auoh, w.enn wir sodann noch die ~[omente tier gegebenen Kr~fte in bezug auf den , Pu~k¢ 0 aufstellen. Legen wit (Fig. 3) dt~rch 0 und den Ve,ktor einer K r a f t eine Eben.e E, so 4euten wir n~mlieh alas ]~omeht def. Kraft durch einea Yektor; der auf 'dieser E befie i m O .solchermaBen
punkt als 0 za wiihlem)
H e f t ~2. ], ~2.', ~. l~?,l,J.
Grammel: Daa System der~ meeh~mischen Bewels'e'f'dr die Be~vegung der Erde.
senkrecht steht, dull sei~e Pfei~richtung m i t der Drehtend.enz d e r K r a f t eine Rechtsschraube bilde~; sein,e L~inge machen wir ~nattirlich gl.'eich. dem l~rodukt a~us K r a £ t und Hebelarm. Die R e s u l t a n t e ~ dieser ]~[omentvektoren regelt die D'rehu_ng u nun ~ehr einfach in d e r Weise, dall der V e k t o r ~ die Geschwindigkeit vorstel]t, mit der ,sich der :Endpunkt des Yektors ~ im R a u m e bewe,gt (Fi~g. 2). Diese Auss~ge (deren tterleitun,g ~aus dem Impul.sgesetze ~ier unterdTtickt w erd.en muff) mSge der S c h w ~ m g s a t z heille~ (aueh D r e h impulssatz ,genannt). E i n e n wiehtigen Son.der£all erh~ilt man, wenn d i e K r i i f t e das ~omen,t ~ : 0 besitzen; alsdann ist der ~Schwt~gvektor ~ nach RicJatung un.d G r i l l e un,ver~nderlieh. ]~an kSnnte diese engere Aussage den Tr~igheitss:atz fi~r die Drehbewegung des K~rgers nennen, man h e i l ] t S i e . ~ £ o l g e e i n e r anschauli~hen Deutung, die sie zul~il~t, den F l ~ c h e n s a t z . Der :Name mag a n dem ein~achsten F a l l erkl~irt werden, dab ein P u n k t yon der :~asse m - - ein P l a n e t - # sich u n t e r d e m Einflull elner naeh elnem ~esten P u n k t 0 - - d e r Sonne ~ gerichteten K r a f t bewegt. Der Schwungvektor ~ vom B e t r a g S, sowie
Y Fig. 3. der Drehvektor It yore 'Betr~g u, dureh die S o n n e gezagen, sind b i e r richtungsgleieh, und es g i l t ~ S=~ir~.u .......... (3 wo r den Son.nenabstan.d .des Planeten, m r ~ also sein, Triighei~smoment i n ~bezug .au~ d i e za r senkreehte Achse It d u r c h die Sonne bedeutet. Sehreibt man s t a t t (8),
~r U:2m, sO steht l i n k e r h a n d die in der (hinreichend klein gedaehten) Z eit.ein,heit yore F a ~ r s t r a h l r tiberstriehen,e Fl~ehe. W e l l ~ ~ 0 , 'also ~ u~v~riin.derlieh i st, so erfolgt die Bewe~ung in der a u f senkrecht~n Son.nenebene, und zwa,r m i t kons t a n t e r ,,Fl~tchengesehwin.digkeit" ~4 r~u (2. Keplersehes Gesetz). Vom Be son&eren zum Al,]'gemeinen aufsbeigend~, bekommen w i t aIso jetz.t ~o]gendes k i n e t i s e h e Fachwerk : Tr~igheitssatz
I Fliichensatz
Schwerpunktssatz
I
Schwungsatz
Schalten ~vir den Tr~igheitssatz (ira engeren Sinne) aus, well es p r a k t i s c h unmSglich isL einen K 5 r p e r ganz dem Einflull aller K r i i f t e zn,
62~
entziehen, so bleiben uns fiir d i e E i n o r d n u n g tier. Versuche .d~e d r e i ~an~teren S~itze. Und ~ u n han,delt es sieh d arum~ .die Unterschiede naehzuweisen, die entstehen, wenn man diese S~itze des eine • a l a u f ein yon d e r D~ehung freies I n e r t i a l s y s t e m anwen.det - - sie geben dann .die tats~ichlichen Bewe~gux~gen d e r K S r p e r an - - , ~las a~d:ere ~ a l a u f da,s irdische Bezu~ssystem - - sie sagen d a n a aus, welche Bewegungen man beobachten wiirde, wenn sich die E r d e n i c h t ,drehte. Z urn Nachweis .dieser Untersehiede sind gru~ds~itzlich nahezu alle mechanischen Vorg~inge ge: eignet; ihre Auswahl hiingt allein yon der zu erreichenden Beleuchtungsgenauigkeit ac. die wegen der K l e i n h e i t der iEffekte recht gro~ seln mull. I. Versuehe auf Grund des Schwerpunktssatzes.
A. Nachweis der Azimutaldrehung. 1. Der wagerechte Wurf. Der S c h w e r p u n k t s satz b e s t i m m t yon sich alleln aus die Bewegung eines KSrpers ~ u r .dann vollstiindig, wenn dieser keine merkl'iche A u s d e h n u n g h a t u n ~ demgemiill keine Drehun,g in, sich yon nachweisbarem Schwung besitzt. ~n W i r k l i c h k e i t gentigt es, mS glichst kleine Kt~rper von mSgl4chst grol]em spez!.fisehem Gewicht z u verwenden und jede D r e h u n g des KSrpers in sich auszuschliellen. W e n n ein solcher ,,Massenpunkt" vom Beobacht u n g spunkt A a u s so geworfen wird, dal3 er nahezu in der l:Iori'~ontalebene bleiben muB, ohne jedoch
O