Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung NuR (2013) 35: 773–785 773
V. Resümee und Ausblick Der richtlinienrechtlich errichtete europäische Ordnungsrahmen für Maßnahmen im Bereich der Wasserpolitik schaltet in gut zwei Jahren zu einem ganz überwiegenden Teil in den Ausnahmemodus. Die hochgesteckten Ziele der europäischen Gewässerschutzpolitik werden nach Einschätzung auch der Kommission zum Jahr 2015 weitestgehend verfehlt, und auch das Jahr 2027 als letzte Reservefrist scheint längst nicht mehr so fest in den Stein gemeißelt, wie es die fast ein Menschenalter zuvor formulierte Richtlinie glauben macht. Vielmehr lassen erst jetzt praktische Entwicklungen und Konflikte die erheblichen legislativen Defizite der Wasserrahmenrichtlinie hinreichend deutlich zu Tage treten und haben konkrete, sachbezogene Auseinandersetzungen hervorgerufen, die sich angeschickt haben, die lange Zeit bloß theoretischkonzeptionell geführten Diskussionen zu ersetzen. Zu den zentralen Gravamina des europäischen Gewässerschutzrechts zählen in erster Linie der utopische Zeitplan, der dazu zwingt, die Mehrzahl der Fälle mit Hilfe des rechtlichen Sonderregimes für Ausnahmen zu bewältigen, das trotz ausgeprägter Mitteilsamkeit der Brüsseler Normtexte unübersehbare materielle Steuerungsdefizit, das auf europäischer und mitgliedstaatlicher Ebene zu Kontroversen über Entscheidungskompetenzen führt, und der anthropophobe Regelungsansatz, der den auf die Nutzung der Gewässer existentiell angewiesenen und insoweit grundrechtlich geschützten Menschen als Störfaktor begreift und ihm eine oftmals kaum zureichend zu bewältigende Rechtfertigungslast auferlegt. Auf die ebenfalls vielfach notleidende Finanzierung schließlich konnte in diesem Beitrag aus Raumgründen nicht näher eingegangen werden. 106
Im Gegensatz dazu bescheinigt die Kommission in ihrem im November 2012 vorgelegten „Blueprint für den Schutz der europäischen Wasserressourcen“ 107 der Wasserrahmenrichtlinie, daß sie „umfassend und flexibel und im wesentlichen geeignet ist, die Probleme, mit denen das Wassermilieu zu kämpfen hat, zu lösen“ 108. Sie verortet die praktisch nicht zu leugnenden Defizite bezeichnenderweise in der Umsetzung und ermächtigt sich damit selbst zur eigenverantwortlichen Gestaltung des künftigen ökologischen Gewässerschutzes in der Europäischen Union. Dabei sucht der „Blueprint“, der selbst einer hier nicht mehr leistbaren vertieften Analyse bedarf, vor allem den in Ansehung des Art. 288 Abs. 3 AEUV schon jetzt kritischen Prozeß der Common Implementation Strategy zum wesentlichen Instrument der Fortentwicklung der europäischen Gewässerschutzpolitik auszubauen 109. Der so deutlich zum Ausdruck gebrachten Nonchalance gegenüber der primärrechtlichen Kompetenzordnung könnte zuverlässig nur die gebotene rasche Revision der Richtlinie durch Rat und Parlament entgegenwirken. Doch erscheint diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl ebenso realistisch wie der Zeitplan der Richtlinie selbst.
106) Siehe statt anderer Durner, NuR 2010, 452, 460 f.; Reinhardt, Die Gewässerunterhaltung und ihre Finanzierung, LKV 2013, 50, 51 m. w. N. 107) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen vom 14. 11. 2012, KOM (2012) 673 endg. 108) KOM (2012) 673 endg., S. 4. 109) Siehe z. B. KOM (2012) 673 endg., S. 4, 7, 12 f., 14 f., 17 ff., 23 ff.
DOI: 10.1007/s10357-013-2538-7
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung 1 Willy Spannowsky © Springer-Verlag 2013
Energiewende ja, aber auch naturschutzgerecht; dies ist die große Herausforderung für die Raumordnungs- und Bauleitplanung. Ob dies gelingen kann, wenn wie in einigen Bundesländern raumstrukturelle Umweltvorsorgestandards auf der Ebene der Landesplanung, wie der Schutz von Lebensraumkorridoren und der Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 5 ROG, ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem zu schaffen, außer Acht gelassen werden und diesbezüglich zudem die Befugnis zur raumordnungsplanerischen Konzentrationsplanung (§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB) sowie zur überörtlichen Koordinierung beschnitten werden, ist zweifelhaft. Unterschiedliche landesplanerische Konzepte zur Umsetzung der Energiewende mögen zwar den Wettbewerb der Bundesländer fördern, schaffen aber auch Planungsunsicherheiten, die für die Zielverwirklichung abträglich sind und den berechtigten Widerstand von Naturschutzverbänden auslösen. Prof. Dr. jur. Willy Spannowsky, Richter am OLG, TU Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland
1. Allgemeine Ansätze 1.1 EU-rechtliche Vorgaben und unterschiedliche Steuerungsansätze auf Bundes- und Landesebene EU-rechtliche Vorgaben mit strategischen Zielsetzungen, 27 nationale Aktionspläne auf europäischer Ebene (nach dem Beitritt Kroatiens bald 28) und unterschiedliche gesetzliche sowie informelle und raumordnungsplanerische Systemlösungen zwischen Bund und Ländern markieren den rechtlichen Rahmen eines Entwicklungsprozesses, der in den verschiedenen Planungsräumen auf europäischer, nationaler, föderaler, regionaler und kommunaler Ebene zu vollziehen ist. 1) Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser am 5. 9. 2013 im Rahmen der Fachtagung des Instituts für Umweltund Technikrecht in Trier gehalten hat und der auch in der Schriftenreihe dieses Instituts abgedruckt wird.
123
774 NuR (2013) 35: 773–785 Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung
1.2 Unterschiedliche raumplanerische Steuerungsansätze für die verschiedenen Quellen der erneuerbaren Energien Für die verschiedenen Quellen der erneuerbaren Energien bestehen auf nationaler Ebene wiederum unterschiedliche raumplanerische Steuerungsansätze. Aufgrund der differenzierten Regelungssysteme sind überdies sowohl in Bezug auf die Raumordnungs- als auch in Bezug auf die Bauleitplanung Unterschiede in deren Steuerungsfunktion hinsichtlich der verschiedenen Quellen der erneuerbaren Energien zu konstatieren. Prinzipiell nicht der raumplanerischen Steuerung durch die Raumordnung und Bauleitplanung unterworfen ist die Nutzung der Geothermie, da Erdwärme als bergfreier Bodenschatz gilt und die Nutzung von Erdwärme damit fachgesetzlich dem BBergG zugeordnet ist. Gemäß § 6 BBergG bedarf infolgedessen derjenige, der Erdwärme aufsuchen will, der Erlaubnis, derjenige, der Erdwärme gewinnen will, der Bewilligung oder des Bergwerkeigentums. Nach § 127 BBergG müssen alle Bohrungen, die mehr als 100 m in den Boden eindringen, der zuständigen Bergbehörde angezeigt werden. Für den Bau eines Geothermiekraftwerks sind neben den für tiefengeothermische Anlagen notwendigen bergbaurechtlichen Regelungen, vor allem wasserrechtliche und immissionsschutzrechtliche Vorschriften von Bedeutung. Abgesehen von der oben genannten, auf das Erlaubnisfeld beschränkten Erlaubnis und Bewilligung für die Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme ist eine bergrechtliche Betriebsplanzulassung nach Maßgabe des § 55 Abs. 1 BBergG nötig. Grundsätzlich kann das Bauplanungs- und Raumordnungsrecht nur für die Errichtung der oberirdischen Gebäude eines Geothermiekraftwerks Bedeutung erlangen. 2 Hierbei können auch Ziele der Raumordnung der Errichtung eines Geothermiekraftwerks an einem bestimmten Standort entgegenstehen. Auch die Sicherung geeigneter Standorte für die Nutzung dieser Quellen erneuerbarer Energien fällt prinzipiell in den Aufgabenbereich der Raumordnung. Wegen zunehmender Nutzungskonflikte im Bereich des unterirdischen Raums wird unter anderem auch in Bezug auf die Geothermie die Notwendigkeit einer Sicherung geeigneter unterirdischer Nutzungspotentiale diskutiert. Bislang fehlen jedoch vielfach ausreichende fachliche Informationen über die Eignung des Untergrunds. Die Steuerung der Nutzung der Wasserkraft durch Wasserkraftanlagen fällt in den Bereich des Gewässerrechts, die Zulassung der Anlagen unterliegt somit dem Fachplanungsrecht und ist der Bauleitplanung entzogen. Für die Benutzung eines Gewässers ist gemäß § 8 Abs. 1 WHG 2010 eine Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich, wobei das Aufstauen und Absenken eines Gewässers gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG eine Benutzung ist. Für die Errichtung von Wasserkraftwerken ist in der Regel ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, grundsätzlich, weil ein Gewässerausbau im Sinne von § 67 Abs. 2 WHG vorliegt. Bei gesamträumlichem Steuerungsbedarf und einer Raumbedeutsamkeit des Vorhabens kann die Raumordnung auf die Fachplanung in Bezug auf die Standortentscheidung mittels raumordnungsplanerischen Aussagen in Form von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung einwirken. Gegenstand der Raumordnung bezüglich der Wasserkraft wie auch der Geothermie ist bislang die Verträglichkeit der oberirdischen Kraftwerksanlagen. Bezüglich der Sicherung geeigneter Kraftwerksstandorte zur Nutzung der Geothermie und der Wasserkraft hat die Raumordnung allerdings bisher kaum Bedeutung erlangt, obwohl gerade dies ein wichtiges Ergebnis der Wahrnehmung der raumordnungsplanerischen Koordinierungsaufgabe wäre. Soweit es den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen anbelangt, sind die Bauleitplanung und Raumordnungsplanung vor allem für die Steuerung der Nutzung der Solar-, Biomasse- und Windenergie von Bedeutung.
Wegen der unterschiedlichen Raumrelevanz der Anlagen bestehen jedoch bezüglich der verschiedenen Quellen erneuerbarer Energie Unterschiede in Bezug auf die planungsrechtliche Steuerung. Anders als raumbedeutsame Windenergieanlagen, wozu Einzelanlagen mit einer Nabenhöhe von mehr als 50 m und Windfarmen gehören, zählen aufgrund bundesgesetzlicher Regelung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB gebäudeunabhängige Photovoltaikanlagen, gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6d BauGB Biomasseanlagen, deren Feuerungswärmeleistung 2,0 Megawatt überschreitet, und gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6d BauGB Biogasanlagen, deren Erzeugungskapazität 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr überschreitet, nicht zu den privilegierten Außenbereichsvorhaben. Im Vergleich mit den Solar- und Biomasseanlagen größerer Leistungskapazität, die nicht lediglich wegen ihrer dienenden Funktion von der Privilegierung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs oder eines Betriebs der gartenbaulichen Erzeugung mitgezogen werden und damit an der bauplanungsrechtlichen Privilegierung solcher Vorhaben im Außenbereich aufgrund von § 35 Abs. 1 Nr. 6d BauGB teilhaben, sind Windkraftanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich stets privilegiert. Privilegierte Vorhaben sind im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange diesen Vorhaben nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Sollen hingegen gebäudeunabhängige Photovoltaikanlagen, Biomasse- oder Biogas-Anlagen mit der genannten Leistungskapazität errichtet werden, besteht ein Planungserfordernis. Die planungsrechtliche Zulässigkeit ist in diesem Fall von der Aufstellung eines Bebauungsplans abhängig und kann mittelbar durch Ziele der Raumordnung beeinflusst werden. Allerdings kommt diesbezüglich nicht der bundesgesetzlich vorgesehene Mechanismus des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, also die Möglichkeit der Standortsteuerung durch raumordnungsplanerische oder bauleitplanerische Konzentrationsplanung, zur Anwendung. Dies liegt daran, dass die planungsrechtliche Zulässigkeit dieser Vorhaben nicht aufgrund des gesetzlichen Zulässigkeitstatbestands, sondern aufgrund der räumlichen Planung gesteuert wird. Die Gründe dafür, warum die Diskussion um die Steuerung der Nutzung der Windenergie am heftigsten geführt wird, sind vielfältig. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass der Windenergienutzung bei der Verwirklichung der „Energiewende“ politisch ein hoher Stellenwert beigemessen wird; ein anderer darin, dass die Fernwirkungen von Windkraftanlagen, die heute eine Höhe von 198 m und eine Nennleistungskapazität von Nennleistung von 7,5 Megawatt (MW) erreichen können (so die E-126 des deutschen Herstellers Enercon 3), im Vergleich mit gebäudeunabhängigen Solaranlagen und größeren Biomasseanlagen in aller Regel gravierender sein werden. Dazu kommt, dass infolge räumlichen Auswirkungen sowohl der Aufgabenbereich der Gemeinden als Träger der Bauleitplanung als auch der Aufgabenbereich der Regionalplanungsträger betroffen ist, weil mit den Fernwirkungen auch erhebliche raumstrukturelle und -funktionelle Veränderungen verbunden sein können. In jüngster Zeit weist dieses Konfliktfeld infolge politischer Akzentverschiebungen besondere Brisanz auf. Räumliche Wirkungen entfalten Windenergieanlagen sowohl in Bezug auf die Umwelt durch den sog. Vogelund Fledermausschlag, durch ihre weit reichende Sichtbarkeit auf das Landschaftsbild, durch die Inanspruchnahme von Flächen für die Anlage sowie für die benötigte Zuwegung und Netzinfrastruktur, durch den sog. Disko2) Siehe dazu VG Neustadt, Urt. v. 30. 6. 2011 – 4 K 61/11.NW. 3) http://www.focus.de/wissen/technik/erfindungen/tid-21254/ erneuerbare-energie-das-groesste-windrad-der-welt_aid_ 597 926.html, abgerufen am 3. 9. 2013.
123
Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung NuR (2013) 35: 773–785 775
effekt infolge der Hindernisbefeuerung, durch den von den Anlagen ausgehenden Lärm und schließlich durch den Schattenwurf. Davon können benachbarte Siedlungen, Artenvorkommen, der Flugverkehr und in der Nähe befindliche Radareinrichtungen (z. B. Polygone) sowie die Tourismusentwicklung im räumlichen Umfeld nachteilig betroffen sein. Raumbedeutsame städtebauliche Auswirkungen, die den Aufgabenbereich der Gemeinden berühren, können sich vor allem in Bezug auf benachbarte vorhandene und geplante Siedlungen ergeben. Für die Raumordnungsplanung sind vor allem raumstrukturelle Auswirkungen in Bezug auf andere Freiraumfunktionen, wie insbesondere den Rohstoffabbau und die Landwirtschaft, und in Bezug auf Freiraumstrukturen, wie die Erhaltung und Pflege von Kulturlandschaften und die Lebensraumkorridore, von Bedeutung. Diesbezüglich kommt den bundesgesetzlichen Grundsätzen der Raumordnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG, den Freiraum zu schützen, ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem zu schaffen und eine weitere Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen so weit wie möglich zu vermeiden, sowohl für die Raumordnungspläne für das Landesgebiet als auch für die Regionalpläne besondere Bedeutung zu. Auch in dem inzwischen vorliegenden MKRO-Leitbildentwurf 4 heißt es dazu unter Ziff. 3.2: „Um den hochwertigen Freiraum in seiner Bedeutung für die Ökologie, Siedlungsgliederung und Erholung zu erhalten, sollen durch eine landes- und regionalplanerische Sicherung – auch über Landesgrenzen hinweg – großräumige Freiraumverbünde geschaffen werden. In dicht besiedelten Gebieten sollen hochwertige Freiräume in den Freiraumverbund integriert und aufgewertet werden. Gegebenenfalls sollen hier auch Freiräume zurück gewonnen werden, um durchgängige Grünverbindungen zu entwickeln“. Dies soll durch naturschutzfachliche und raumordnerische Handlungsansätze, die der Entwicklung von Standards zur Schaffung von Freiraumverbünden dienen, realisiert werden. Vor diesem Hintergrund, aber auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wird im weiteren Verlauf dieser Abhandlung wie auch in der am 11. 5. 2013 in Kraft getretenen Teilfortschreibung des LEP IV Rheinland-Pfalz 5 das Hauptaugenmerk der Thematik auf die Steuerung der Windenergienutzung gelegt. 1.3 Besonderheiten bei der Steuerung der Windkraftnutzung auf Bundes- und Landesebene Die durch die mehrstufigen Planungsebenen und die verschiedenen Steuerungsmechanismen für die verschiedenen Quellen der erneuerbaren Energien bedingte Steuerungsvielfalt wird in Bezug auf die Steuerung der Windenergienutzung weiter dadurch angereichert, dass die Länder im Bereich der Steuerung der Windenergienutzung vom Raumordnungsgesetz des Bundes abweichende landesgesetzliche Regelungen treffen. Im Bereich der erneuerbaren Energien verfolgen sie verschiedene von der bundesrechtlichen Systemlösung abweichende Steuerungskonzeptionen, indem sie von den verfügbaren Instrumentarien der Raumordnungsplanung in unterschiedlicher Weise Gebrauch machen. Für die Raumordnungs- und die Bauleitplanung in der Bundesrepublik Deutschland und die Erreichung des angestrebten Ziels einer nachhaltigen „Energiewende“ ist dies schon Herausforderung genug. Besonders prekär wird die Spannungslage, die die Raumordnungs- und Bauleitplanung zu bewältigen hat, aber vor allem dadurch, dass durch die landesplanerischen Prämissen einzelner Bundesländer, zu denen auch Rheinland-Pfalz gehört, eine drastische Verschiebung im Beziehungsgefüge zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Umweltvorsorge zugunsten des Einsatzes der Nutzung von Windenergie ausgelöst worden ist. Dies hat die Landesplanungen
einiger Bundesländer in eine kritische Grenzzone gebracht, was befürchten lässt, dass dabei im Hinblick auf die Umweltvorsorge und die Nachhaltigkeit der Raumentwicklung bedeutsame Belange auf der Strecke geblieben sind. Denn bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien, bei dem die Raumordnungs- und die Bauleitplanung „zwischen den Fronten“ der konfligierenden Belange stehen, ist der ziel- und projektbezogene Erfolgszwang gegen die Nachhaltigkeit der Raumentwicklung und konkret der Ausbau der Windenergienutzung gegen den Naturschutz und die planerische Umweltvorsorge in Stellung gebracht worden. Ursachen sind: 1. Die unterschiedlichen Steuerungsansätze auf Bundes- und Landesebene zur Verwirklichung der Energiewende, die durch abweichende landesplanerische Systemlösungen in einigen Bundesländern entstanden sind, schafft eine Überdifferenzierung im föderalen Planungssystem mit Rechts- und Planungsunsicherheiten. 2. Die Nachhaltigkeit der Raumentwicklung wird durch eine an Einzelerfolgen ausgerichtete Projektsteuerung ohne gesamträumliche Planung gefährdet. 3. Zu den Bausteinen eines an der Nachhaltigkeit orientierten Ausbaus der erneuerbaren Energien gehören im föderalen Planungsgefüge ausgewogene und koordinierte gesamträumliche Planungskonzepte der verschiedenen Planungsebenen. 4. Es ist nicht nachhaltig, bedeutsame nachhaltigkeitsrelevante Planungsentscheidungen den Gemeinden als Aufgabenträgern zu überlassen, bei denen voraussehbar ist, dass sie alleine die raumübergreifende Aufgabe der nachhaltigen Landes- und Regionalentwicklung nicht sicherstellen können. 2. Die unterschiedlichen Ansätze bei der Steuerung der Windenergienutzung auf Bundes- und Landesebene 2.1 Das Steuerungskonzept des Bundes zur Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben Die bundesrechtliche und raumordnungsplanerische Beurteilung ist auf der Bundesebene an dem EU-rechtlichen Rahmen ausgerichtet. Die EU hatte mit der Richtlinie 2001/77/EG vom 27. 9. 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt 6 einen Impuls zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energiequellen an der Stromerzeugung gesetzt, wonach den Mitgliedstaaten in der EU zunächst bis 2010 aufgegeben war, 19 % der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien zu stützen. In ihrer Mitteilung vom 10. 1. 2007 zum „Fahrplan für erneuerbare Energien im 21. Jahrhundert – Größere Nachhaltigkeit in der Zukunft“ 7 hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, es solle ein verbindliches Ziel von 20 Prozent für den Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch in der EU bis zum Jahr 2020 festgelegt und dafür ein neuer Rechtsrahmen geschaffen werden. Aufgrund der Richtlinie 2009/28/EG vom 23. 4. 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen 8 wurden in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten verbindliche nationale Ziele für den 4) Leitbildentwurf im Zusammenhang mit dem MKRO-Beschluss vom 3. 6. 2013 „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland 2013“. 5) Siehe Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land RheinlandPfalz Nr. 6 v. 10. 5. 2013, S. 66. 6) Richtlinie 2001/77/EG v. 27. 10. 2001, ABlEG Nr. L 283, S. 33. 7) Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Fahrplan für erneuerbare Energien Erneuerbare Energien im 21. Jahrhundert: Größere Nachhaltigkeit in der Zukunft“ vom 10. 1. 2007, KOM KOM(2006) 848 endgültig. 8) Richtlinie 2009/28/EG v. 23. 4. 2009, ABl. Nr. L 140, S. 16.
123
776 NuR (2013) 35: 773–785 Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung
Gesamtanteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoenergieverbrauch und für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor festgelegt; für Deutschland beträgt der Zielwert für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoenergieverbrauch im Jahr 2020 gemäß Anhang I dieser Richtlinie 18 %. Aufgrund Art. 4 dieser Richtlinie wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, jeweils einen nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie zu verabschieden. Dazu hat die Europäische Kommission im Interesse der Transparenz Muster für die Erstellung nationaler Aktionspläne übermittelt. 9 Bereits im Vorfeld der Richtlinie 2009/28/EG hat die Bundesregierung in einem Integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm vom 23. 8. 2007 zur Verwirklichung der damit verbundenen strategischen Zielsetzungen ein Maßnahmenpaket mit 29 Eckpunkten formuliert. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima und der ausgerufenen „Energiewende“ hat die Bundesregierung dann am 28. 9. 2010 zunächst das Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung beschlossen, in dem die Quellen der erneuerbaren Energien als die tragende Säule zukünftiger Energieversorgung hervorgehoben wurden. Daneben wurden aber auch Energieeffizienz, der Ausbau der Netzinfrastruktur und die Integration erneuerbarer Energien, die energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen, Energieforschung für Innovationen und neue Technologien sowie die Bedeutung der Energieversorgung im europäischen und internationalen Kontext thematisiert. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien wurde vor allem die Bedeutung des Ausbaus von On- und Offshore-Windenergie betont. Der Windenergie an Land wurde für den kurz- und mittelfristigen Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energien die größte Bedeutung beigemessen. Insofern hat die Bundesregierung unterstrichen, dass dieser Ausbau entsprechend den naturschutzrechtlichen Regelungen mit dem Landschaftsbild und Naturschutz verträglich gestaltet werden müsse. Dabei setzte die Bundesregierung vor allem auf die Leistungsausweitung an bestehenden Standorten durch Repowering, also dadurch, dass bestehende alte durch effizientere neue Anlagen ersetzt werden. Zur Erschließung dieser Potentiale sollten nach dem Energiekonzept der Bundesregierung die gesetzlichen und planungsrechtlichen Bestimmungen weiterentwickelt werden. In dem ersten nationalen Aktionsplan, der für die Bundesrepublik Deutschland am 4. 8. 2010 auf der Basis der Richtlinie 2009/28/EG vorgelegt wurde, hat die Bundesregierung die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass das europäische Ausbauziel für das Jahr 2020 durch die vorgesehenen Maßnahmen erreicht und sogar leicht um 1,6 % übertroffen werden kann. Die Bundesregierung hat in dem vorgelegten nationalen Aktionsplan mit einem Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch in 2020 von 19,6 % und einem Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor von 38,6 % gerechnet. 10 Für den weiteren Verlauf der Entwicklung hat die Bundesregierung im Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung vom 28. 9. 2010 11 folgende strategischen Ziele gesetzt: für die Entwicklung des Anteils erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch 30 % bis 2030, 45 % bis 2040, 60 % bis 2050. Den daraus resultierenden Anforderungen wurden nicht nur die energierechtlichen, sondern auch die planungsrechtlichen Vorschriften im Bereich des Städtebaurechts aufgrund des Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22. 7. 2011 (BGBl. I S. 1509) den daraus resultierenden Anforderungen angepasst. Dabei kommt nach dem bundesgesetzlichen Steuerungsmodell vor allem den Änderungen des § 35 BauGB und den Sonderregelungen zur Wind-
energie in der Bauleitplanung aufgrund des eingefügten § 249 BauGB besondere Bedeutung zu. 2.2 Unterschiedliche Steuerungskonzepte auf der Ebene der Bundesländer Viele Bundesländer haben ihre landesweiten Raumordnungspläne fortgeschrieben und den veränderten Rahmenbedingungen angepasst. 12 Die meisten sind von dem bundesrechtlichen System der Steuerung der Windkraftnutzung im Sinne von § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auf der Basis von Konzentrationsplanungen, die nach dieser Vorschrift sowohl auf der Ebene der Regionalplanung als auch auf der Ebene der Flächennutzungsplanung erfolgen können, ausgegangen. Unterschiede weisen die Raumordnungspläne in Bezug auf die Ausweisung von Konzentrationszonen insofern auf, als die einen die Ausweisung von Vorranggebieten mit einer Ausschlusswirkung versehen und einige die Ausweisung von Eignungsgebieten präferieren. 13 In einigen Bundesländern werden jedoch aus unterschiedlichen Gründen auch davon abweichende konzeptionelle Steuerungsansätze verfolgt; teilweise wurde im Vergleich mit anderen Bundesländern und den auf Bundesebene erstrebten strategischen Zielsetzungen ein Aufholbedarf gesehen, teilweise wurden auf der Landesebene ehrgeizigere Ziele definiert und damit eine vom bundesgesetzlichen Steuerungsmodell abweichende Landesplanung gerechtfertigt. 2.2.1 Das saarländische Konzept zum Ausbau der Windenergienutzung Im „Saarländischen Masterplan“ 14, der zugleich die Funktion eines Energiekonzepts erfüllt und mehrere Aktionsprogramme zum Gegenstand hat, ist die Änderung des saarländischen Landesentwicklungsplans „Umwelt“ durch den „Teilplan Wind“ 15 vor allem mit dem Argument des Auf holbedarfs gerechtfertigt worden. Im Saarland sei der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung im Verhältnis zum Bruttostromverbrauch im Vergleich zu Gesamtdeutschland noch relativ gering. Ausgehend von den zum Änderungszeitpunkt vorliegenden Informationen, also ohne die Daten für die Jahre 2009 und 2010, lag danach der Anteil im Saarland im Jahr 2005 bei 3,2 %, im 9) http://ec.europa.eu/energy/renewables/transparency_platform_ fr.htm, abgerufen am 23. 7. 2013 und Entscheidung der Kommission vom 30. 6. 2009 zur Festlegung eines Musters für nationale Aktionspläne für erneuerbare Energie gemäß der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (KOM [2009] 5174). 10) http://www.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/nationaler_aktionsplan_ee.pdf, abgerufen am 24. 7. 2013. 11) http://w w w.bundesregierung.de/Content/DE/_ Anlagen/ 2012/02/energiekonzept-final.pdf ?__blob=publicationFile und http://www.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/energiekonzept_bundesregierung.pdf, abgerufen am 24. 7. 2013. 12) Vgl. dazu die Information zur Bund-Länder-Initiative Windenergie unter http://www.erneuerbare-energien.de/die-themen/windenergie/bund-laender-initiative-windenergie/neuigkeiten/, abgerufen am 24. 7. 2013 13) Siehe dazu Krappel/Freiherr von Süßkind-Schwendi, Die planerische Steuerung von Windenergieanlagen – neue Entwicklungen im Planungsrecht der Bundesländer, Zf BR Sonderausgabe 2012, 65 ff. 14) Masterplan Energie vom 12. 7. 2011, siehe http://www.saarland.de/SID-3E724395-79FE316E/81947.htm, abgerufen am 23. 7. 2013, S. 32. 15) Verordnung über die 1. Änderung des Landesentwicklungsplans, Teilabschnitt „Umwelt (Vorsorge für Flächennutzung, Umweltschutz und Infrastruktur)“ betreffend die Auf hebung der landesplanerischen Ausschlusswirkung der Vorranggebiete für Windenergie vom 27. 9. 2011, ABl. Saarland 2011, S. 342.
123
Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung NuR (2013) 35: 773–785 777
Bund wurden im gleichen Jahr bereits 10,3 % erreicht und im Jahr 2008 lag der Anteil im Saarland bei 5,4 % und im Bund bei 15 %. Daraus hat die Landesplanung im Saarland geschlossen, dass im Saarland noch erheblicher Nachholbedarf bestehe. Das Saarland hat mit der Änderung des saarländischen Landesentwicklungsplans „Umwelt“ durch den „Teilplan Wind“ die bisherige Konzentrationsplanung, die mit der Ausschlusswirkung bezüglich der Windkraftnutzung außerhalb der Vorranggebiete verbunden war, aufgehoben. Begründet wurde dies damit, dass den Kommunen damit die Selbstbestimmung von Windstandorten überlassen werden solle. Außerdem würden Waldstandorte zukünftig grundsätzlich auch zur Nutzung der Windenergie freigegeben. Den Städten und Gemeinden würden so größere Spielräume hinsichtlich der Standortsuche und -sicherung eingeräumt. Bei Durchführung der Umweltprüfung bezüglich der ersten Änderung des Landesentwicklungsplans, Teilabschnitt „Umwelt“, wurden die durch die Umplanung hervorgerufenen Umweltauswirkungen als nicht erheblich beurteilt. Da die erste Änderung des Landesentwicklungsplans, Teilabschnitt „Umwelt“, keine neuen konkreten gebiets- oder flächenbezogenen Planungen und Maßnahmen enthalte, würden durch diese Änderung des Landesentwicklungsplans gegenüber der derzeit gegebenen Situation primär keine erheblichen Umweltauswirkungen verursacht. Landesplanerisch gesicherte Schutzansprüche anderer Funktionen, wie z. B. Vorranggebiete für Naturschutz und Freiraumschutz, seien weiterhin für eine Nutzung für Windkraftanlagen ausgeschlossen. Sekundäre Beeinträchtigungen von Umweltbelangen würden durch die einschlägigen Umweltprüfverfahren im Genehmigungsverfahren und/oder auf den nachfolgenden Planungsebenen aufgefangen bzw. würden Bestandteil der Abwägung und würden dementsprechend Berücksichtigung erfahren. Nach dem Umweltbericht wurden die raumstruktuellen Folgen, die durch die Zurückdrängung der raumordnungsplanerischen Umweltvorsorge für den Freiraumverbund ausgelöst werden, nicht untersucht. Auch im Rahmen der Abwägung wurden offenbar die Grundsätze der Raumordnung, die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 5 und S. 6 ROG niedergelegt sind, nicht berücksichtigt. Danach soll der Freiraum durch übergreifende Freiraum-, Siedlungs- und weitere Fachplanungen geschützt werden und ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem geschaffen werden. Außerdem soll die weitere Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen „so weit wie möglich“ vermieden werden. Durch die Aufgabe der Konzentrationsplanung auf der Ebene der Landesplanung wird die Verwirklichung dieser Anliegen vereitelt. Damit gerät die Landesplanung auch in einen gewissen Konflikt mit Zielsetzungen der EU, die weitere Bodenversiegelung und „landscape fragmentation“ zu vermeiden. 2.2.2 Das baden-württembergische Konzept zum Ausbau der Windenergienutzung Baden-Württemberg hat es sich aufgrund des Energiekonzepts 2020 vom 28. 7. 2009 16, das sich auf sämtliche Quellen erneuerbarer Energien bezieht, zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf mindestens 20 %, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmebereitstellung auf mindestens 16 % und den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch auf mindestens 13 % zu steigern. In Bezug auf verschiedene Handlungsfelder wurden im Rahmen des Energiekonzepts zugleich Maßnahmen festgelegt und die Überprüfung des rechtlichen Rahmens angekündigt. Darauf basierend wurde in Baden-Württemberg zur Erhöhung des Anteils an Windenergie das Landesplanungsgesetz durch Gesetz vom 22. 5. 2012 17 in der Weise
geändert, dass der Regionalplanung die Befugnis zur diesbezüglichen Konzentrationsplanung genommen wurde. 18 Vor dieser Änderung waren die Regionalverbände verpflichtet, Konzentrationszonen flächendeckend durch Ausweisung von Vorrang- und Ausschlussgebieten für Standorte regionalbedeutsamer Windkraftanlagen auszuweisen. Das Änderungsgesetz ist mit Wirkung vom 1. 1. 2013 in Kraft getreten. Es gilt allerdings nicht für die landesgrenzüberschreitende Regionalplanung in der Donau-Iller-Region und in der Metropolregion Rhein-Neckar. 19 Infolge der Gesetzesänderungen sind die Regionalverbände nur noch befugt, Vorranggebiete festzulegen, wodurch in solchen Gebieten der Windkraftnutzung der Vorrang vor anderen Nutzungen eingeräumt wird. Dies ist mit der Konsequenz verbunden, dass nunmehr auch die Städte, Gemeinden und sonstigen Träger der Bauleitplanung außerhalb der regionalplanerischen Vorranggebiete Gebiete für Windkraftanlagen ausweisen dürfen und dass dann, wenn die Gemeinden von ihrem Planungsvorbehalt nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB keinen Gebrauch gemacht haben, der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zum Tragen kommt. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich die Windenergienutzung als privilegierte Nutzungsform im Außenbereich durchsetzen kann, soweit dem einzelnen bauplanungsrechtlich zu beurteilenden Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Eine bloße Beeinträchtigung öffentlicher Belange macht danach die Windenergienutzung im Außenbereich nicht unzulässig. Die Änderung des Landesplanungsgesetzes BW wurde wegen der gesetzlichen Auf hebung der Konzentrationsplanung einer Umweltprüfung unterzogen. Das Änderungsgesetz enthält in Anlage 1 den Umweltbericht der Landesregierung zur Auf hebung der in den Regionalplänen bestehenden Vorrang- und Ausschlussgebiete für Standorte regionalbedeutsamer Windkraftanlagen und in der Anlage 2 den darauf bezogenen Abschlussbericht zur Strategischen Umweltprüfung. Bei der Durchführung der Umweltprüfung ist der Landesgesetzgeber zutreffend davon ausgegangen, dass durch die geplante Änderung des LPlG landesweit bisherige Vorrang- und Ausschlussgebiete für Windkraftanlagen in bestehenden Regionalplänen aufgehoben werden und dass infolgedessen zu erwarten ist, dass auf beplanten wie auch bislang unbeplanten Flächen deutlich mehr bzw. größere Windkraftanlagen gebaut werden als bisher. Er hat jedoch die Auffassung vertreten, dass durch die Auf hebung der bestehenden regionalplanerischen Festlegungen „zunächst nur die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von Windkraftanlagen beeinflusst“ werde. Nachteilige Auswirkungen im Hinblick auf die Schutzgüter des Bundesimmissionsschutzgesetzes könnten erst durch die Errichtung von Windkraftanlagen im konkreten Einzelfall entstehen. Ob und inwieweit durch die Windkraftausbaupläne im Wald und auf unversiegelten Flächen im Außenbereich Lebensraumnetzwerke oder Lebensraumkorridore zerstört und durchschnitten werden und dadurch räumliche Negativeffekte für die Biodiversität zu erwar16) http://www.ea-bb.de/de/pdf/10-07-08_1_sautter_wm_komp.pdf, abgerufen am 16. 9. 2013 17) GBl. 2012, 285. 18) Siehe § 11 Abs. 7 S. 1 LPlG BW: „Der Regionalplan kann die Festlegungen nach Absatz 3 Satz 2 Nr. 3, 5, 6, 10 und 11 in der Form von Vorranggebieten, Vorbehaltsgebieten sowie Ausschlussgebieten treffen; abweichend hiervon können Standorte für regional bedeutsame Windkraftanlagen nach Absatz 3 Satz 2 Nummer 11 nur als Vorranggebiete festgelegt werden“. 19) Dies folgt aus der Beschränkung der Regelungswirkung gem. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Landesplanungsgesetzes Baden-Württemberg vom 22. 5. 2012, GBl. 2012, 285 durch Bezugnahme auf § 31 Abs. 1 LPlG.
123
778 NuR (2013) 35: 773–785 Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung
ten sind, wurde trotz ansonsten ausführlicher Umweltprüfung offenbar nicht untersucht. 2.2.3 Das rheinland-pfälzische Konzept zum Ausbau der Windenergienutzung In Rheinland-Pfalz gibt es auf der Landesebene weder ein Energiekonzept noch ein Aktionsprogramm. Auch der ersten Änderung des Landesentwicklungsprogramms 20 ist kein Klimaschutz- bzw. Energiekonzept zugrunde gelegt worden. Stattdessen ist den Planungsträgern, Verbandsgemeinden, verbandsfreien Gemeinden, großen kreisangehörigen und kreisfreien Städten aufgrund des Grundsatzes G 162a aufgegeben worden, Klimaschutzkonzepte aufzustellen. Schon gegen die Erste Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über das Landesentwicklungsprogramm vom 26. 4. 2013 waren während der Auslegung des Planentwurfs zahlreiche Einwendungen eingegangen. Infolgedessen war der Planentwurf während des Verfahrens der Raumordnungsplanung geändert worden und ist nach erneuter Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung in Form des durch die Erste Landesverordnung geänderten Landesentwicklungsprogramms am 11. 5. 2013 in Kraft getreten. Nach dem Leitbild „Nachhaltige Energieversorgung“, Teil B Abschnitt V Nr. 5.2 Abs. 2 S. 12 des geänderten LEP IV, strebt das Land Rheinland-Pfalz unter Berücksichtigung der Klimaschutzziele bis 2030 bilanziell an, den verbrauchten Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Es soll sogar ab 2030 Stromexportland werden. Deshalb soll sich die Stromerzeugung aus Windkraft bis zum Jahr 2020 verfünffachen und der Beitrag aus Photovoltaik auf über zwei Terawattstunden gesteigert werden. Damit ist das Land Rheinland-Pfalz deutlich über die „Regierungsvereinbarung“ vom 28. 6. 2007 „ein Land voller Energien – für Klima, Wachstum und sichere Versorgung“ hinausgegangen, nach der es sich dem Bund gegenüber verpflichtet hatte, bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf mindestens 30 % auszubauen (Anlage 7.2 zum Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie der Bundesrepublik Deutschland). Zwar hat das Land Rheinland-Pfalz im Hinblick auf den nationalen Aktionsplan erklärt, diese Zielsetzung mittels eines „Mixes der erneuerbaren Energien aus Biomasse, solarer Energie, Windkraft, Geothermie sowie Wasserkraft“ zu verwirklichen, im Vordergrund der Änderung des LEP IV steht jedoch die Steuerung der Windkraftnutzung. Nur der eingefügte Grundsatz G 162a lässt erkennen, wie der Einsatz der anderen Energiequellen gefördert werden soll. Nach diesem Grundsatz der Raumordnung sollen die Verbandsgemeinden, verbandsfreien Gemeinden, großen kreisangehörigen und kreisfreien Städte Klimaschutzkonzepte aufstellen. Im Übrigen bezieht sich die Teilfortschreibung des LEP IV ausschließlich auf die Steuerung der Windenergienutzung. Der aufgrund der ersten Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz über das Landesentwicklungsprogramm vom 26. 4. 2013 am am 11. 5. 2013 21 in Kraft getretene Teilplan des LEP IV unterscheidet sich von dem vorangegangen Änderungsentwurf, der auf erheblichen Widerstand gestoßen war, in zwei wesentlichen Punkten: erstens sah der ursprüngliche Entwurf in der Form eines an die Regionalplanungsträger adressierten Ziels der Raumordnung vor, dass mindestens zwei Prozent der Fläche des Landes Rheinland-Pfalz für die Windenergienutzung bereitgestellt werden müssen. Dies war nicht nur zu unbestimmt, weil jeglicher Bezugsmaßstab fehlte, sondern auch weil der rein quantitativ bemessene Prozentanteil ohne Rücksicht auf die räumlich-planerische Situation vorgenommen wurde. Da die normative Zielfestlegung in einen Grundsatz der Raumordnung umgewandelt wurde, kann der in Kraft getretenen Teilfortschreibung des LEP IV nunmehr ein Abwägungsbelang entnommen werden, aber die beab-
sichtigte Funktion einer Gewichtungsvorgabe dürfte auch dieser Grundsatz der Raumordnung nicht erfüllen können, weil ihm insoweit wegen der fehlenden räumlich-planerischen Differenzierung ebenfalls die erforderliche Aussagekraft fehlt. Im Unterschied zu dem ursprünglichen Entwurf ist außerdem den Regionalen Planungsgemeinschaften die Befugnis zur regionalplanerischen Steuerung der Windenergienutzung zwar eingeschränkt, aber nicht vollständig entzogen worden. 22 Ihnen wurde immerhin die Befugnis eingeräumt, die kulturräumlich bedeutsamen Gebiete im Rahmen der Regionalplanung als raumstrukturellen Ausschlussgrund in Ansatz zu bringen. Ansonsten beruht die Teilfortschreibung des LEP IV, die sich im Wesentlichen auf die Steuerung der Windkraftnutzung bezieht, im Wesentlichen auf folgenden Konzeptbausteinen: Die Aufgabe, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergienutzung zu schaffen, ist den Regionalplanungsträgern und den Gemeinden zugewiesen worden. Dabei ist die Befugnis der Regionalplanungsträger, Negativfestlegungen für die Nutzung der Windenergienutzung, die auf raumstrukturelle oder raumfunktionelle Ausschlussgründe gestützt sind, zu treffen, beschränkt worden. Die Regionalplanungsträger sollen prinzipiell nur noch befugt sein, den Ausbau der Windenergienutzung durch die Ausweisung von Vorranggebieten, die eine hohe Windhöffigkeit aufweisen, zu unterstützen. Die Befugnis, aus Gründen der Umweltvorsorge Beschränkungen vorzusehen, ist auf wenige strikt gefasste, naturschutzfachliche Schutzregime bestimmter Schutzgebiete (rechtsverbindlich festgesetzte Naturschutzgebiete, in Kern- und Pflegezonen des Naturparks Pfälzerwald, Nationalparke und Kernzonen der UNESCO-Welterbegebiete sowie bestimmte historische Kulturlandschaften) beschränkt. Bei dem Vorhandensein von FFH- und Vogelschutzgebieten, die von der Ausweisung von Windenergiestandorten in ihren Schutzzwecken nicht erheblich beeinträchtigt werden, und bei dem Vorhandensein von Befreiungsmöglichkeiten in Bezug auf Naturparkverordnungen sollen der Aspekt der planerischen Umweltvorsorge und der Aspekt der Entwicklung des Umweltzustands auf einen günstigen Zustand hin keine Rolle spielen. Vielmehr soll ungeachtet dessen beim Vorliegen von Ausnahme- bzw. Befreiungsmöglichkeiten eine planerische Ausweisung von Windstandorten durch Festlegung von Vorranggebieten oder durch bauleitplanerische Darstellung oder Festsetzung in Betracht kommen. Die Befugnis, von dem Planungsvorbehalt des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Gebrauch zu machen und eine Konzentrationsplanung vorzusehen, soll nach der Festlegung Z 163e des LEP IV-Teilplans prinzipiell nur noch von den Gemeinden wahrgenommen werden können. Aus der Karte 20, die dem LEP IV-Teilplan beigefügt ist, geht weiter hervor, dass in diesem Plan selbst Ausschlüsse und Beschränkungen geregelt sind, die von den nachfolgend mit der planerischen Verfeinerung befassten Planungsträgern konkretisiert werden sollen. In Bezug auf die Umweltauswirkungen des LEP IVTeilplans, der im Wesentlichen einen Beitrag zum Ausbau der Windenergienutzung leisten soll, ist eine Umweltprüfung durchgeführt worden, deren Ergebnis zusammenfassend wie folgt bewertet wurde: „In der Summe dürfte eine
20) Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land RheinlandPfalz Nr. 6 vom 10. 5. 2013, S. 66. 21) Siehe Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land RheinlandPfalz Nr. 6 v. 10. 5. 2013, S. 66. 22) Dazu Spannowsky, Steuerung der Windkraftnutzung unter veränderten landespolitischen Vorzeichen, in: Spannowsky/Hofmeister, Naturschutzgerechte Steuerung der Windenergienutzung durch die gesamträumliche Planung, Berlin, 2012, S. 67, 87 ff.
123
Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung NuR (2013) 35: 773–785 779
Verfünffachung der Windenergienutzung im landesweiten Maßstab durch den relevanten Beitrag zum Klimaschutz auch zu einer Verbesserung der Arten- und Naturschutz situation führen“. Diese Bewertung dürfte zumindest teilräumlich auf Ermittlungsfehlern beruhen. Sie bringt eine Fehleinschätzung zum Ausdruck, die in Bezug auf einzelne Gebiete zu einem speziellen räumlichen Konflikt führt, der landesplanerisch nicht gelöst ist. Es dürfte in der Abwägung zu kurz gekommen sein, dass der Aspekt der planerischen Umweltvorsorge durch die Landesplanung weitgehend zurückgedrängt worden ist. Wie im Saarland und in BadenWürttemberg wurden offenbar die Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 5 und 6 ROG übersehen. Dazu ist nämlich weder etwas im Umweltbericht noch in der Planbegründung erwähnt. Außerdem wurden offenbar auch die Auswirkungen auf Lebensraumkorridore und -netzwerke nicht geprüft, obwohl dies Belange sind, die sowohl auf der Ebene der EU als auch auf Bundesebene als gewichtig angesehen werden. 23 Im Fall der Landesplanung von Rheinland-Pfalz spitzt sich diese Konfliktsituation in einigen Teilräumen besonders zu. So gilt der Pfälzer Wald als größter zusammenhängender Wald Westeuropas und zugleich als Lebensraumkorridor überwiegend für Arten der Wälder. 24 Die Konsequenz der handlungsstrategisch unterschiedlichen Akzentuierung liegt in der Divergenz der unterschiedlichen Steuerungskonzepte. Die Logik „höhere Ziele – Beschränkung der regionalen Raumordnungsplanung“ führt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit der Raumentwicklung zu Folgeproblemen. 25 3. Die Bedeutung mehrstufiger planerischer Gesamt konzepte für die nachhaltige Raumentwicklung bei der Steuerung der Windenergienutzung Die Raumplanung im Bundesgebiet ist auf eine zunehmende Verfeinerung der gesamträumlichen Planungskonzepte von der Bundesraumordnung über den landesweiten Raumordnungsplan und den Regionalplan zum Flächennutzungsplan und Bebauungsplan angelegt. 26 Dabei ist – unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Aufgabenstellungen – von Bedeutung, dass jede Planungsebene entsprechend ihrer teilräumlichen Aufgabenstellung zusätzlich andere räumliche Aspekte als Abwägungsbelange in das Planungskonzept einbringen kann und diese teilräumlichen Belange entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung auch als Basis für die räumlich-inhaltliche Steuerung durch den jeweiligen Raumordnungsplan heranziehen darf. Dadurch, dass auf der Ebene der Bundesländer – gestützt auf die Kompetenzveränderungen im Bereich der Raumordnung nach der Föderalismusreform I – Veränderungen vorgenommen werden, die sich auch auf die Systematik der Raumordnungsplanung sowie die Funktion und die Aufgabenstellung der Regionalplanung auswirken, entsteht die Problematik, dass wegen der dadurch bedingten planungsrechtlichen Differenzierung gewisse Unsicherheiten in die bestehenden Beurteilungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Steuerung der Windkraftnutzung hineingetragen werden. In dem bestehenden Raumplanungssystem mit einer mehrstufigen gesamträumlichen Planung lässt sich eine nachhaltige Raumentwicklung nur sicherstellen, wenn beachtet wird, welche Möglichkeiten und Grenzen den jeweiligen Planungsträgern angesichts der bundesgesetzlichen Zulässigkeitsbeurteilung im Kontext des Zulässigkeitstatbestands des § 35 BauGB gesetzt sind. Gibt es keine räumliche Planung, kommt bekanntlich die an eine Einzelfallbeurteilung geknüpfte Regel-Ausnahme-Systematik des § 35 BauGB mit der Konsequenz zum Tragen, dass wegen der Privilegierung der Windkraftnutzung im Außenbereich prinzipiell bei Nichtvorliegen entgegenstehender Be-
lange sämtliche Außenbereichsflächen als Potentialflächen in Betracht kommen. Der Planvorbehalt zugunsten der Regional- und der Flächennutzungsplanung in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB soll sicherstellen, dass von den Planungsträgern, denen die Aufgabe der nachhaltigen Raumentwicklung zugewiesen ist, überwiegende städtebauliche und raumordnungsstrukturelle sowie raumfunktionelle Belange gleichermaßen zum Ansatz gebracht werden können. Keine Planungsebene kann wegen der unterschiedlichen Aufgabenstellung die andere Planungsebene ersetzen, ohne dass dadurch planerische Steuerungsdefizite a uftreten. 4. Gefährdung der Nachhaltigkeit der Raum entwicklung durch Verlagerung der planerischen Konfliktbewältigung bei der Steuerung der Windenergienutzung auf die kommunale Ebene Durch die Verlagerung der planerischen Konfliktbewältigung auf die kommunale Ebene wird die Nachhaltigkeit der räumlichen Entwicklung gefährdet. Um diese These zu untermauern, muss zunächst ein Blick auf die verschiedenen Funktionen geworfen werden, welche die unterschiedlichen Raumplanungsinstrumente der kommunalen und der regionalen Ebene zu erfüllen haben. Im Bereich der Steuerung der Windkraftnutzung erfüllen die Raumordnungspläne und die Flächennutzungspläne die Funktion, nach planerischer Abwägung die öffentlichen Belange zu benennen und zu konkretisieren, die einem bundesgesetzlich privilegierten Vorhaben, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient, ausgehend von der jeweiligen Planungsaufgabe, welche die Gemeinden und die Träger der Regionalplanung wahrzunehmen haben, entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und S. 2 BauGB). Denn gem. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht. Für raumbedeutsame Vorhaben ist dies gem. § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB entsprechend für die Ebene der Raumordnung geregelt. Würde nur § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und S. 2 BauGB und nicht auch der ergänzende Planungsvorbehalt des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB existieren, hätte dies in räumlicher Hinsicht die Konsequenz, dass dort, wo keine entgegenstehende Darstellung eines Flächennutzungsplans und keine entgegenstehende Festlegung eines Raumordnungsplans existiert, wegen deren Privilegierung prinzipiell Windkraftanlagen entstehen und damit eine „Verspargelung“ der Landschaft eintreten kann sowie der „Zerschneidung der Landschaft“ mit den negativen Folgen der „landscape fragmentation“ für die Biodiversität und den Artenschutz Vorschub geleistet wird. 23) Siehe Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa, KOM/ 2011, 571 endgültig; Landscape Fragmentation in Europe, EEA Report No. 2/11, http://www.eea.europa.eu/publications/land scape-fragmentation-in-europe, abgerufen am 25. 7. 2013, und Pressemitteilung der Kommission, Leitlinien zur Begrenzung der Bodenversiegelung, IP/12/361 v. 12. 4. 2012, http://europa. eu/rapid/press-release_IP-12-361_de.htm, abgerufen am 25. 7. 2013, sowie Bodenschutz: Jedes Jahr geht Berlin verloren, http:// ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/10583_de.htm, abgerufen am 25. 7. 2013. 24) Siehe Bf N, Lebensraumkorridore für Mensch und Natur – Initiativskizze zur Entwicklung eines Netzes bundesweit bedeutsamer Lebensraumkorridore, Stand: Mai 2004, Endbericht von Reck, Hänel, Böttcher, Winter, http://www.bfn.de/fileadmin/ MDB/documents/LRK04_Text.pdf, abgerufen am 25. 7. 2013. 25) Siehe hierzu Spannowsky, Steuerung der Windkraftnutzung unter veränderten landespolitischen Vorzeichen, Zf BR-Sonderausgabe 2012, 53 ff. S. dazu eingehend unter 4. 26) Ebenso BVerwG, Urt. v. 20. 8. 1992 – 4 NB 20/91, NVwZ 1993, 167, 168 und VGH Mannheim, Urt. v. 6. 11. 2006 – 3 S 2115/04, ZUR 2007, 92, 95.
123
780 NuR (2013) 35: 773–785 Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung
Der in den Regelungen des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und S. 2 sowie Abs. 3 S. 3 BauGB verankerte Planungsvorbehalt besteht sowohl zugunsten der Flächennutzungs- als auch der Raumordnungsplanung deshalb, weil die Aufgabe der Raumentwicklung für die verschiedenen Planungsräume verschiedenen Aufgabenträgern zugeordnet ist und diesen für die Wahrnehmung dieser Planungsaufgabe verschiedene Planungsinstrumente zur Verfügung gestellt sind. Daraus folgt zweierlei: Erstens, dass die jeweiligen Planungsträger, also die Gemeinden, Träger der Regionalplanung und Träger der Landesplanung, planungsrechtlich jeweils nur die für ihren Raum geltenden öffentlichen Belange als entgegenstehende Belange in Ansatz bringen können, und zweitens, dass die Planungsträger sich in der Regel nur um die Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben kümmern werden. Dies hat zur Konsequenz, dass die Gemeinden nicht einen Planungsinhalt als entgegenstehenden Belang festlegen können, für den sie keine Zuständigkeit besitzen. Sie können mittels eines Flächennutzungsplans nur aus städtebaulichen Gründen Belange darstellen, die einem privilegierten Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen. Infolgedessen können Gemeinden nicht durch Planung ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem schaffen oder erhalten, wie es aber nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 5 ROG den Trägern der Raumordnungsplanung als Aufgabe zugewiesen ist. Sie können damit auch einen etwaigen Ausfall der Landes- und Regionalplanung bei der Planung und Verwirklichung von raumordnungsstrukturellen und raumfunktionellen Entwicklungskonzepten nicht kompensieren. Soweit auf der Ebene der EU neuerdings gegenüber den Mitgliedstaaten aus Gründen der Umweltvorsorge weitergehende Bestrebungen im Zusammenhang mit der Vermeidung der Zersiedelung der Landschaft zum Schutz der Biodiversität, des Habitat- und des Artenschutzes angemahnt werden, können diese Belange nur auf der Ebene der Raumordnungsplanung umgesetzt werden; auf kommunaler Ebene kann lediglich ein Beitrag dazu geleistet werden. 5. Schwächen der rheinland-pfälzischen Teilfortschreibung des LEP IV im Hinblick auf eine nachhaltige Raumentwicklung 5.1 Die zielabhängige Mittel-Zweck-Relation Steuerungsdefizite können dadurch eintreten, dass das quantitative Klimaschutz-Ziel zu hoch gesteckt ist und dass die Zielverwirklichung infolge Planungs- und Rechtsunsicherheiten gefährdet wird. In rechtlicher Hinsicht sind es vor allem Systembrüche und Abwägungsmängel sowie Fehler bei der Umweltprüfung, welche zu Planungsunsicherheiten führen. Es besteht vor allem die Gefahr, dass bei der durch die Teilfortschreibung des LEP IV vorgesehenen Steuerung die raumstrukturelle und raumfunktionelle Umweltvorsorge und insofern auch die Nachhaltigkeit der Raumentwicklung auf der Strecke bleiben. Die folgende Analyse der der Teilfortschreibung des LEP IV in Rheinland-Pfalz zugrunde liegenden Konzeption mag dies verdeutlichen. Die am 11. 5. 2013 in Kraft getretene Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV bezieht sich abgesehen von der Formulierung des Leitbildes und dem Grundsatz G 162a nur auf die Steuerung der Windkraft. Zur Zielverwirklichung leistet die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms neben der Formulierung dieses Leitbildes und der Abfassung eines Pflichtenheftes für die Träger der Regional- und Bauleitplanung unmittelbar nur einen beschränkten Beitrag, indem sie die raumstrukturellen und raumfunktionellen Ausschlussgründe, welche der Errichtung von Windkraftanlagen durch die Raumordnungsplanung entgegengestellt werden können, einschränkt. Reduziert wird dadurch aber vor allem der
raumstrukturelle und raumfunktionelle Standard der Umweltvorsorge, der durch die Raumordnungspläne bisher aufrechterhalten wurde. Operationalisiert wird der dem Leitbild zugrunde liegende Zielwert, 2030 den verbrauchten Strom bilanziell zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen, dadurch, dass für die Planungsträger eine quantitative Vorgabe in Form eines Grundsatzes der Raumordnung festgelegt wird (siehe zur rechtlichen Bedeutung der quantitativen Vorgabe für die Regionalplanung oben 2.2.3). 5.2 Konkretisierungsbedürftigkeit des Raumordnungsplans für das Landesgebiet 5.2.1 Zweifel an der Rechtmäßigkeit der landes planerischen Pflicht zur Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergienutzung Für die Verwirklichung der quantitativen Zielvorgabe ist weiter von Bedeutung, dass gemäß Z 163b der Teilfortschreibung des LEP IV in den Regionalplänen Vorranggebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen werden sollen, wobei im jeweiligen Planungsraum die Gebiete mit hoher Windhöffigkeit vorrangig zu sichern sind. Diese Vorgabe für die Regionalplanung ist in die Form eines Ziels der Raumordnung gekleidet worden (Ziel 163b). Insofern kann schon zweifelhaft sein, ob es sich um ein Ziel der Raumordnung handelt. Das OVG Münster 27 hat nämlich im Anschluss an Reidt und Maidowski/Schulte 28 die Auffassung vertreten, dass die bloße Vorgabe an einen nachfolgenden Planungsträger (in dem entschiedenen Fall war es eine Kommune) für die gestufte Planung keine Letztentscheidung in räumlicher und sachlicher Hinsicht enthalte und deshalb kein Ziel der Raumordnung sein könne, 29 weil der Träger der Landesplanung insofern keine abschließende Entscheidung in räumlicher und sachlicher Hinsicht mit raumstrukturellem oder raumfunktionellen Aussageinhalt getroffen habe, die der nachfolgenden Planungsentscheidung vorgelagert sei. In Bezug auf die Festlegung nach Z 163b dürften diese Bedenken ebenfalls zum Tragen kommen. Da die Teilfortschreibung des LEP IV in der Karte 20 Ausschlussgebiete in Form der zeichnerischen Festlegung eines Ziels der Raumordnung vorsieht, ansonsten aber sowohl die Vervollständigung des Ausschlusskonzepts als auch das Konzept zur Ausweisung von Vorranggebieten für die Windkraftnutzung den nachfolgenden Planungsträgern überlässt, handelt es auf der Ebene der Teilfortschreibung des LEP IV nicht um ein räumliches Gesamtkonzept. Zur Herstellung des räumlichen Gesamtkonzepts setzt die Teilfortschreibung des LEP IV teilweise auf die Regional- und teilweise auf die Bauleitplanung. Die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise zur Herstellung eines räumlichen Gesamtkonzepts erscheint schon für sich nach der Rechtsprechung des BVerwG zweifelhaft. Dazu kommt jedoch weiter, dass die Inpflichtnahme der nachfolgenden Planungsträger zur Herstellung eines räumlichen Gesamtkonzepts dem Plan, soweit er Festlegungen zur Steuerung der Windenergienutzung in Form von Zielen enthält, seine Verbindlichkeit als Letztentscheidung nimmt. Denn wegen des Fehlens eines räumlichen Gesamtkonzepts auf der Ebene der Teilfortschreibung des LEP IV wird die Letztentscheidung über
27) OVG Münster, Urt. v. 30. 9. 2009 – 10 A 1676/08, BauR 2010, 426, 428. 28) Vgl. Reidt/Wahlhäuser, Die „Indienstnahme“ von Gemeinden bei der Festlegung von Raumordnungszielen – Anmerkungen zur (fehlenden) Zielqualität des § 24 a LEPro NRW, UPR 2008, 169; Maidowski/Schulte, Einzelhandel: Quo vadis?, BauR 2009, 1380. 29) So neuerdings in Bezug auf Handlungsaufträge auch OVG Koblenz, Urt. v. 15. 11. 2012 – 1 C 10412/12, juris Rdnr. 39 und OVG Koblenz, Urt. v. 6. 10. 2011 – 1 C 11322/10, juris).
123
Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung NuR (2013) 35: 773–785 781
dieses Konzept erst im Wege der gestuften Planung auf der Ebene der Regional- und Bauleitplanung getroffen. Hinsichtlich der Festlegung Z 163b kommt des Weiteren noch hinzu, dass es sich um kein rechtmäßiges Ziel der Raumordnung handeln dürfte, weil es ohne räumlich differenzierte konzeptionelle Grundlage eine Festlegung auf Vorranggebiete enthält, ohne dass der Landesgesetzgeber von § 8 Abs. 7 ROG abgewichen ist. Denn die Festlegung Z 163 b der Raumordnung schließt es nach ihrem Regelungsinhalt aus, dass solche Gebiete als Eignungsgebiete ausgewiesen werden können, obwohl § 8 Abs. 7 Nr. 3 ROG demgegenüber die Möglichkeit vorsieht, dass zu diesem Zweck auch Eignungsgebiete festgelegt werden können. Die Vorschrift des § 8 Abs. 7 Nr. 3 ROG gilt seit der Föderalismusreform I unmittelbar, da sie auf die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes gestützt ist. Das LEP RheinlandPfalz sieht zwar in § 6 Abs. 2 LEP Eignungsgebiete nicht vor, diese Regelung stammt jedoch noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des ROG am 30. 6. 2009 und enthält daher keine landesgesetzlich geregelte Abweichung vom Bundesrecht im Sinne von Art. 72 Abs. 3 i. V. mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG. Infolgedessen dürfte es rechtsfehlerhaft sein, dass durch ein Ziel der Raumordnung im Landesentwicklungsprogramm die Möglichkeit der verbindlichen Positivausweisung von Flächen für die Windkraftnutzung auf die Festlegung von Vorranggebieten reduziert worden ist. 5.2.2. Beschränkung der Befugnis zur regional planerischen Umweltvorsorge durch gesetzlich nicht bestehende Prüfungsanforderungen Weitreichend beschränkt wird der raumstrukturelle und raumfunktionelle Umweltvorsorgestandard durch die Vorgabe in der Teilfortschreibung des LEP IV Z 163d, soweit eine Reduzierung der Ausschlusswirkung auf die Kernund Pflegezonen des Naturparks Pfälzerwald, Nationalparke und Kernzonen der UNESCO-Welterbegebiete vorgenommen wird, soweit der den Regionalplanungsträgern eingeräumte planerische Konkretisierungsspielraum konkret räumlich beschränkt wird und soweit der Ausschluss von FFH- und Vogelschutzgebieten von der vorherigen Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung und in Bezug auf Verbotstatbestände nach der Naturparkverordnung von der Prüfung von Befreiungsmöglichkeiten abhängig gemacht wird. Dadurch wird die planerische Umweltvorsorge auf den Umweltschutzstandard im engeren Sinne reduziert. Gleichzeitig wird die Regionalplanung de facto unter den Vorbehalt einer umweltfachlichen Erlaubnis gestellt, weil die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung und im Fall des Vorliegens einer Naturparkverordnung mit Kernund Pflegezonenschutzregelung die Prüfung von Befreiungsmöglichkeiten zur Voraussetzung für die Möglichkeit des planerischen Ausschlusses der Windkraftnutzung in und in der Umgebung solcher Gebiete gemacht worden ist. Denn wenn die zuständige Umweltfachbehörde eine Befreiungsmöglichkeit bejaht, ist der positive regionalplanerische Ausschluss versagt. Dies widerspricht aber der Regelungssystematik, dem Zweck der FFH-Verträglichkeitsprüfung und dem Regelungszweck der Kern- und Pflegezonenschutzregelung in Bezug auf die Auswirkungen eines Raumordnungs- oder Bauleitplans. Denn danach bedürfen die dem Gebietsschutz widersprechenden Auswirkungen solcher Pläne der besonderen Rechtfertigung. Die landesplanerische Festlegung bewirkt jedoch, dass eine dem Umweltvorsorgezweck des Gebietsschutzes entsprechende planerische Ausschlusskonzeption der Rechtfertigung durch zusätzliche Prüfungsanforderungen bedarf. Die Verträglichkeitsprüfung und die Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen werden dabei zweckwidrig gegen die durch den Gebietsschutz bezweckte Umweltvorsorge in Stellung gebracht. Unklar bleibt in Bezug auf den Inhalt der Festlegung Z 163d überdies, soweit in Z 163d auf den Schutzzweck der FFH- und Vogelschutzgebiete abgestellt wird, ob da-
bei vom aktuellen Brutbestand ausgegangen wird oder ob auch die Erhaltungs- und Entwicklungsziele eines solchen Gebiets in Bezug auf die geschützten Arten hin zu einem günstigen Zustand einzubeziehen sind. 5.2.3 Pauschale, nicht raumstrukturell und raumfunktionell differenzierte gerechtfertigte Einschränkung der Befugnis zur umweltvorsorgenden Regionalplanung Wenn man unterstellt, dass es sich bei Z 163d um eine verbindliche und mit den Zwecken einer planerischen Umweltvorsorge noch vereinbare Festlegung in Form eines Ziels der Raumordnung handelt, bleibt zudem die Problematik, dass diese Festlegung eine weitreichende Einschränkung der Planungshoheit der Regionalen Planungsgemeinschaften bewirkt. Denn diese Festlegung dürfte die Planungshoheit der Träger der Regionalplanung im Widerspruch zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit unangemessen beschneiden, da die den Regionalen Planungsgemeinschaften als Selbstverwaltungsaufgabe übertragene Aufgabe der Regionalplanung in sachlich nicht gerechtfertigtem Umfang dadurch eingeschränkt wird, dass ihnen die Befugnis zur Realisierung einer nachhaltigen Raumentwicklung durch planerische Umweltvorsorge genommen wird. Diesem Eingriff fehlt die sachliche Rechtfertigung, weil dabei der bundesgesetzliche Grundsatz der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 6 ROG, ein raumübergreifendes Freiraumverbundsystem zu schaffen, unberücksichtigt geblieben und damit auch der raumstrukturelle Belang der Erhaltung oder Förderung von Lebensraumkorridoren außer Acht gelassen worden ist. Dies führt zu raumstrukturellen Gefährdungen mit erheblichen Auswirkungen für die Nachhaltigkeit der Raumentwicklung, die später nicht mehr abgefangen werden können, weil der umweltvorsorgende Gebietsschutzstandard nicht mehr ohne weiteres wiederhergestellt werden kann. So wird für den Bereich des Pfälzer Waldes, der als größter zusammenhängender Wald Westeuropas gilt, der mehrere Gebietsschutzstandards aufweist (FFH- und Vogelschutzgebiete, Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Naturpark und Biosphärenreservat) und der zugleich nach den bisher auf der Bundesebene vorliegenden umweltfachlichen Beurteilungen als Lebensraumkorridor für Waldarten gilt, die Basis dafür geschaffen, dass dieser zerschnitten und dass an die unter Umweltschutzgesichtspunkten zu schützenden Kernbestandteile herangerückt werden kann. Und dies obwohl die durchschnittliche Jahreswindgeschwindigkeit, die bei 5,8 bis 6,0 m/s in 100 m Höhe liegt, deutlich unterschritten wird, weil durchschnittlich nur ca. 3,5 m/s erreicht werden. Dies ist die Konsequenz einer Politik, welche den raumstrukturellen Umweltvorsorgestandard im Interesse der Windenergienutzung auf ein Minimum zurückdrängt. 5.2.4 Verbindlichkeit der Ausweisung von Ausschluss gebieten in der Teilfortschreibung des LEP IV Die Formulierung in der Festlegung Z 163d „ist
auszuschließen“ wirft weiter die Frage auf, ob es sich dabei überhaupt um eine an die Träger der Regionalplanung gerichtete Vorgabe für die gestufte Planung handelt (siehe dazu oben) oder ob insofern bereits eine abschließende räumliche und sachliche Festlegung von Ausschlussgebieten vorliegt. Nimmt man die Karte 20 hinzu, sind dort entgegen dieser Formulierung Ausschlussgebiete und Konkretisierungsgebiete für Ausschlusswirkung ausgewiesen. Letzteres spricht dafür, dass eine verbindliche Letztentscheidung getroffen werden sollte. Diese Regelungen sind jedoch widersprüchlich, weil die Formulierung der Festlegung Z 163d auf das Vorliegen eines Handlungsauftrags hindeutet und die Karte 20 aber eine zeichnerische Festlegung von Ausschlussgebieten zum Gegenstand hat. Wegen dieser Widersprüchlichkeiten zwischen der textlichen Festlegung und dem Karteninhalt, kann die Verbindlichkeit der Festlegung fraglich sein.
123
782 NuR (2013) 35: 773–785 Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung
5.2.5 Reichweite der etwaigen Verbindlichkeit der festgelegten Ausschlussgebiete Dazu kommt, dass die Festlegung Z 163d zusammen mit der Festlegung Z 163e, wonach die außerhalb der vorgenannten Gebiete und der Vorranggebiete liegenden Räume der Steuerung durch die Bauleitplanung in Form von Konzentrationsflächen vorbehalten bleiben, auch die Frage aufwirft, ob damit den vor der Teilfortschreibung nach bisheriger Rechtslage aufgestellten und noch existierenden regionalplanerischen Konzentrationsplanungen und regionalplanerisch festgelegten Ausschlussgebieten außerhalb der landesplanerisch festgelegten Ausschlussgebiete die normative Verbindlichkeit genommen ist, wenn man davon ausgeht, dass die Landesplanung insofern die Kompetenz zur Ausschlussplanung an sich gezogen hat und eine verbindliche Letztentscheidung getroffen hat. Da jedoch eine Auf hebung der Regionalpläne – anders als im Saarland die Auf hebung der Ausschlusswirkung und in Baden-Württemberg die Auf hebung der darauf bezogenen Regelung im früheren Landesplanungsgesetz – nicht geregelt worden ist, dürfte die Regelungswirkung der geltenden Regionalen Raumordnungspläne nicht angetastet worden sein. 30 Dies wiederum lässt aber Zweifel an dem Zielcharakter der Festlegung Z 163d auf kommen, soweit es die der zeichnerischen Festlegung in der Karte 20 zugrunde liegende landesplanerische Ausschlusskonzeption anbelangt, weil wegen der parallelen Fortgeltung der regionalplanerischen Ausschlusskonzeptionen das Vorliegen eines räumlichen Gesamtkonzepts und die erforderliche Letzt entscheidung zweifelhaft sein dürfte. Auf das Fehlen einer abschließenden Ausschlusskonzeption deutet auch der Hinweis für die Beurteilung der Zulässigkeit der Errichtung von Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz, S. 8 hin, wonach bis zu einer Anpassung der regionalen Raumordnungspläne an die neue raumplanerische Zielsetzung des LEP IV diese mittels Zielabweichungsverfahren im Einzelfall umgesetzt werden. Wenn dies so ist, fehlt der zeichnerischen Festlegung über die Ausschlussgebiete im LEP IV und den damit verbundenen weiteren Regelungen zur prinzipiellen Zulässigkeit der Windkraftnutzung in den übrigen Teilräumen des Landesgebiets die Rechtsqualität einer Letztentscheidung, denn es bleibt danach die regionalplanerische Ausweisung für den betreffenden Teilraum wirksam, während die Festlegungen im LEP IV zur prinzipiellen Zulässigkeit der Windkraftnutzung in den übrigen Teilräumen des Landesgebiets bis zur Anpassung der Regionalpläne keine Wirkung entfalten und auch die Ausschlussgebiete nicht abschließend festgelegt sind. Entfaltet die Teilfortschreibung des LEP IV demzufolge in räumlicher Hinsicht hinsichtlich der prinzipiellen Zulässigkeit der Windenergienutzung in den übrigen Teilräumen keine verbindliche Steuerungswirkung, bestehen Zweifel, ob die Teilfortschreibung des LEP IV überhaupt eine raumordnungsplanerische Gesamtkonzeption enthält. Denn das raumordnungsplanerische Konzept für das Landesgebiet kann nach der Teilfortschreibung des LEP IV erst vervollständigt werden, wenn die an die Regionalplanungsträger adressierten Handlungsaufträge umgesetzt sind. Ob dies den Anforderungen an ein räumliches Gesamtkonzept genügt, welches voraussetzt, dass abschließende räumliche Aussagen für den jeweiligen Planungsraum getroffen werden, ist zweifelhaft. Es dürfte dafür nicht ausreichen, dass sich das Planungsprogramm aus einer Fülle von an andere Planungsträger adressierten Handlungs- und Planungsaufträgen zusammensetzt. 5.2.6 Befugnis der Regionalplanungsträger zur Ausweisung von Konzentrationszonen im Sinne von § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Unklar ist auch der Regelungsbereich des Z 163e, wonach die „außerhalb der vorgenannten Gebiete und der Vorranggebiete liegenden Räume der Steuerung durch die Bauleitplanung in Form von Konzentrationsflächen vorbe-
halten“ ist, weil auch zweifelhaft ist, was mit der Formulierung „außerhalb der Vorranggebiete“ gemeint ist. Es stellt sich nämlich die Frage, ob sich dies auf sämtliche regionalplanerisch festgelegten Vorranggebiete bezieht, also auch auf Vorranggebiete Fremdenverkehr, Wasserschutz, Rohstoffabbau, Regionaler Grünzug usw. Wenn dies zu bejahen wäre, würde den Regionalen Planungsträger durch die Festlegung in Z 163e zwar die Möglichkeit der Konzent ra tionsplanung genommen, sie könnten die Windkraftnutzung aber stattdessen positiv durch die Festlegung von Vorranggebieten für andere Funktionen steuern. Andererseits bliebe für die kommunale Bauleitplanung, wenn im Sinne der Formulierung „außerhalb der Vorranggebiete“ auch alle anderen Vorranggebiete außer den Vorranggebieten für die Windkraftnutzung hinzugerechnet würden, in vielen Teilräumen kein Spielraum für die bauleitplanerische Steuerung. So dürfte Z 163e aber ausgehend vom Zweck der Gesamtregelung der Teilfortschreibung des LEP IV nicht zu lesen sein. Denn nach der Stoßrichtung der Gesamtregelung dürfte die Zielfestlegung so gemeint sein, dass nur die Kommunen in Form der Bauleitplanung befugt sein sollen, Konzentrationsflächen außerhalb der in Z 163e aufgeführten – Naturschutzgebiete, – der Kern- und Pflegezonen des Naturparks, – der Nationalparke, – der Kernzonen der UNESCO-Welterbegebiete Oberes Mittelrheintal und Obergermanisch-Raetischer Limes, – der von den Regionalplanungsträgern zu konkretisierenden landesweit bedeutsamen historischen Kulturlandschaften und – der FFH- und Vogelschutzgebiete vorzusehen, wenn die Windenergienutzung dem jeweiligen Schutzzweck zuwiderläuft und eine Befreiung nicht erteilt werden kann. Das gilt auch für Vorranggebiete für die Windenergienutzung, die von den Regionalplanungsträgern festgelegt werden. Dass die Festlegung Z 163e in diesem Sinne zu verstehen ist, wurde im Nachhinein zur Teilfortschreibung des LEP IV aufgrund des Gemeinsamen Rundschreibens des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz vom 28. 5. 2013, S. 5 klargestellt. Denn dort heißt es, dass bezogen auf Vorranggebiete für Arten- und Biotopschutz, Vorranggebiete für Land- und Forstwirtschaft, Vorranggebiete für Rohstoffabbau und Regionale Grünzüge kein pauschaler Ausschluss für die Windenergienutzung anzunehmen ist. Vielmehr ist in Bezug auf solche Vorranggebiete zu prüfen , ob eine Vereinbarkeit der durch die Vorranggebiete gesicherten Funktionen mit der Windkraftnutzung bestehe. Dies macht aber deutlich, dass Z 163e auch insoweit unklar ist, als die Teilräume außerhalb der aufgeführten Schutzgebiete und der Vorranggebiete für die Windkraftnutzung nicht nur von der Bauleitplanung gesteuert werden können, sondern auch von der Regionalplanung, soweit für diese Teilräume aus anderen raumstrukturellen und raumfunktionellen Gründen Vorrangfunktionen begründet werden können. 30) In diesem Sinne ist auch das Gemeinsame Rundschreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz vom 28. 5. 2013, Hinweise für die Beurteilung der Zulässigkeit der Errichtung von Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz (Rundschreiben Windenergie), S. 8, zu verstehen.
123
Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung NuR (2013) 35: 773–785 783
Aus Z 163e folgt somit, dass die Regionalplanung zwar positiv Vorranggebiete für die Windenergienutzung sowie Vorranggebiete für andere Funktionen ausweisen darf, dass sie aufgrund dessen auch Ausschlussgebiete für die Windenergienutzung festlegen darf, dabei aber in ihrem Planungsspielraum beschränkt sein soll, insbesondere soweit es die raumstrukturelle und raumfunktionelle Umweltvorsorge anbelangt. Dies kann zum einen zu der Konsequenz führen, dass sich Veränderungen vor allem bei weiträumig agierenden Großvogel arten noch im Zulassungsverfahren ergeben können und bis dahin die Standortfrage letztendlich ungeklärt bleibt. Schließlich wird der Regionalplanung die Befugnis zu einer Konzentrationsplanung mit Ausschlusswirkung entgegen der bundesgesetzlichen Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB genommen. Während der Bundesgesetzgeber den Trägern der Regionalplanung diese Planungsbefugnis ausdrücklich durch Wahrnehmung seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das Städtebaurecht eingeräumt hat, soll ihnen diese Befugnis nach dem Konzept der Teilfortschreibung des LEP IV durch eine planerische Zielfestlegung in einem Landesentwicklungsprogramm entzogen werden. Auf eine Abweichungsbefugnis lässt sich diese Regelung in Z 163e nicht stützen. Denn im Kompetenzbereich des Städtebaurechts verfügen die Länder über keine Abweichungsbefugnis. Dazu kommt überdies, dass die Abweichungsbefugnis der Länder nicht von der Landesregierung, sondern nur vom Landesgesetzgeber wahrgenommen werden könnte. D. h., dass die Regionalen Planungsgemeinschaften trotz der Festlegung in Z 163e aufgrund § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB befugt sind, eine Konzentrationsplanung vorzusehen. Würde die oberste Landesplanungsbehörde die Genehmigung des Regionalen Raumordnungsplans mit der Begründung versagen, dass ein Verstoß gegen Z 163e vorliegt, könnte die Genehmigungsversagung von der betroffenen Regionalen Planungsgemeinschaft zur gerichtlichen Überprüfung gebracht werden. 5.2.7 Verpflichtung Soweit Z 163e bestimmt, dass die Steuerung der Bauleitplanung „in Form von Konzentrationsflächen vorbehalten“ ist, könnte dies so zu verstehen sein, dass die Gemeinden gehalten sein sollen, wenn sie eine planerische Steuerung der Windkraftnutzung vornehmen auch Konzentrationsflächen auszuweisen. Ist die Festlegung so zu verstehen, dürfte darin ein Verstoß gegen die kommunale Planungshoheit liegen. Denn ob die Gemeinde sich für eine Konzentrationsplanung entschließt oder ob sie eine Kombination von Positiv- und Negativdarstellungen wählt oder ob sie, weil eine Konzentrationsplanung nach den räumlichen Gegebenheiten nicht erforderlich ist, sich auf die Darstellung von Standorten für Windkraftanlagen beschränkt, liegt im Planungsermessen der Gemeinden. Für eine Beschränkung dieser Kompetenz durch die Vorgabe der Form der Konzentrationsplanung fehlt eine sachliche Rechtfertigung. Auch wenn Z 163e so nicht zu verstehen sein sollte, aber aufgrund des Wortlauts von einer Gemeinde so interpretiert wird, kann dies zu Planungsfehlern führen, soweit bei der Planung eine nicht bestehende Bindung angenommen wird. Ist Z 163e hingegen als bloßer Hinweis auf diese Möglichkeit zu verstehen, wird damit von dem bisherigen Konzept der Konzentration der Windkraftnutzung abgerückt, zu dessen Verwirklichung vor allem die Regionalplanung einen maßgebenden Beitrag leistete. 5.2.8 Defizite bei der Umweltprüfung und in der Abwägung hinsichtlich der Schaffung eines raumübergreifenden Freiraumverbundsystems (Entwicklung und Erhaltung von Lebensraumkorridoren) und hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Folgen von Zerschneidungswirkungen Überdies greift auch die Umweltprüfung zu kurz, soweit in Bezug auf die Alternativenprüfung im Umweltbericht zur
Teilfortschreibung des LEP IV unter der Überschrift Ergebnis/Vergleich mit der Situation bei Nichtdurchführung zwar konzediert wird, dass es in Einzelfällen zu erheblichen lokal bis regional wirksamen belastenden Umweltauswirkungen kommen kann, aber andererseits festgestellt wird, dass die räumliche Steuerung maßgeblich auf der regionalen und lokalen Planungsebene erfolgt, weshalb sich derartige Wirkungen nicht direkt auf die vorgenommenen Festlegungen zurückführen ließen. Bei dieser Bewertung blieb der bundesgesetzliche Grundsatz der Raumordnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 6 ROG, ein raumübergreifendes Freiraumverbundsystem zu schaffen, unberücksichtigt. Insbesondere wurde der raumstrukturelle Belang der Erhaltung oder Förderung von Lebensraumkorridoren durch die Zurückdrängung des räumlichen Aspekts der Umweltvorsorge unmittelbar beeinflusst. Aber auch die mittelbaren Umweltauswirkungen können nicht als geringfügig eingestuft werden; mag auch nicht zu bezweifeln sein, dass die Förderung des Klimaschutzes auch in Zukunft einen hohen Stellenwert einnimmt. In Bezug auf die Flächeninanspruchnahme dürfte zudem die Annahme in der Begründung zu G 163a, wonach durch den Ausbau der Windkraftanlagen zwei Prozent der Landesfläche für die Errichtung von Windkraftanlagen in Anspruch genommen werden, zu niedrig angesetzt sein, weil nicht nur die Anlagenfläche versiegelt wird, sondern teilweise, insbesondere im Wald, auch eine Zuwegung geschaffen werden muss, damit die Anlagen an den vorgesehenen Standorten aufgestellt und die Netzeinspeisung sichergestellt werden kann. 6. Zusammenfassung Das Vorhandensein verschiedener Steuerungskonzepte von Bund und Ländern zum Ausbau der Windenergienutzung ist Ausdruck gelebten Föderalismus, birgt aber Planungsunsicherheiten, die Gefahr von Systembrüchen und Verluste in Bezug auf den erreichten Standard der Umweltvorsorge in sich. Damit können im Einzelfall Abwägungsdefizite einhergehen, die auch das Ergebnis einer zur Steuerung des Ausbaus der erneuerbaren Energie notwendigen Planung in Frage ziehen können. Dabei liegt in rechtlicher Hinsicht die Problematik bei der Steuerung der Windkraftnutzung, weil diesbezüglich eine andere Steuerungsprämisse gesetzt wurde als in Bezug auf den Ausbau von Biomasseanlagen und Photovoltaik-Anlagen. Deshalb enthalten die landesweiten Raumordnungspläne der neueren Generation eher Aussagen zur Steuerung der Windkraftnutzung als zu anderen erneuerbaren Energiequellen. Übergreifende Energiekonzepte für alle Quellen erneuerbarer Energie waren zur Vorbereitung der vorliegenden landesweiten Raumordnungspläne nur teilweise vorhanden. Defizite sind in Bezug auf die Umweltprüfung und in Bezug auf die Verwirklichung eines raumübergreifenden Freiraumverbundsystems und damit in Bezug auf die Verwirklichung der Umweltvorsorge und insoweit auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Raumentwicklung festzustellen. Soweit landesplanerisch die Errichtung von Windenergieanlagen auch in einem Wald wie dem Pfälzer Wald mit mehrfachem und hohem Schutzniveau sowie relativ niedriger Windhöffigkeit gefördert wird, liegt keine ausreichende Abschätzung hinsichtlich des Flächenbedarfs und der Auswirkungen auf die vorhandene Funktion eines Lebensraumkorridors für Arten des Waldes vor. Es liegt zwar auf der Hand, dass die mit dem Ausbau des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen einhergehende Strukturveränderung in Richtung dezentraler Energieversorgung auch mit einem erhöhten Flächenbedarf einhergeht, jedoch darf aus Gründen der Transparenz, aber auch aus Gründen der Umweltvorsorge im Einzelfall bei der Windkraftnutzung in und in der Nähe besonders sensibler Schutzgebiete auch bei der Diskussion um den Flächenverbrauch nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch für die Zuwegung und
123
784 NuR (2013) 35: 773–785 Spannowsky, Ausbau der erneuerbaren Energien in der Raumordnungs- und Bauleitplanung
die Netzinfrastruktur ein erhöhter Flächenbedarf entsteht. Nicht außer Acht bleiben darf auf der Ebene der Raumordnungsplanung zudem, dass der Verlust beim Schutz und der Erhaltung von Lebensraumkorridoren und -netzwerken und bei der Gewährleistung einer raumstrukturellen und raumfunktionellen Umweltvorsorge, der dadurch eintritt, dass insofern die regionalplanerische Planungsbefugnis eingeschränkt wird, nicht durch die kommunale Bauleitplanung kompensiert werden kann. Besser erscheint es deshalb, den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Weise voranzubringen, wie es bundesrechtlich durch das Regelungsmodell des § 249 BauGB vorgezeichnet worden ist. Mit dieser Sonderregelung hat der Bundesgesetzgeber für den Bereich der städtebaulichen Planung den Weg für den Ausbau der Windenergienutzung gewiesen, indem er klargestellt hat, dass, wenn in einem Flächennutzungsplan zusätzliche Flächen für die Nutzung von Windenergie dargestellt werden, daraus nicht geschlossen werden kann, dass die vorhandenen Darstellungen substantiell im Sinne der Rechtsprechung zu § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht ausreichend gewesen seien. Dies gilt auch, soweit Änderungen zum Maß der baulichen Nutzung vorgenommen werden. Aus dieser Regelung folgt zweierlei: es soll eine Änderung des Maßes der baulichen Nutzung möglich sein, ohne dass dadurch eine bereits bestehende Konzentrationsplanung in Frage gezogen wird. Und es soll auch eine Änderung einer bestehenden Konzentrationsplanung in der Weise möglich sein, dass zusätzliche Flächen dargestellt werden, ohne dass dadurch das bestehende planerische Gesamtkonzept in Frage gezogen wird. Es kann somit von den bestehenden Planungskonzepten ausgegangen werden und zwar auch dann, wenn eine Konzentrationsplanung vorliegt und diese unter Berücksichtigung der veränderten Gewichtung, welche das öffentliche Interesse an der Windenergienutzung aus Gründen des Klimaschutzes und der Energieversorgung erlangt hat, behutsam und in angemessener Weise weiterentwickelt werden können. Diese Erwägungen sind zwar bundesgesetzlich nur für den Bereich des Städtebaurechts geregelt worden, lassen sich aber auf den Bereich der Raumordnungsplanung übertragen. Denn damit wird geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein bestehender Plan in Bezug auf die Erweiterung einer Nutzungsmöglichkeit ohne grundlegende Neuaufstellung an veränderte Gegebenheiten angepasst werden kann. Die in § 249 Abs. 1 S. 1 BauGB getroffene Regelung dürfte als Lösungskonzept auch auf die Fortschreibung von Raumordnungsplänen übertragbar sein, durch die eine Erweiterung der Windenergienutzung erstrebt wird. Durch das Nebeneinander unterschiedlicher Steuerungsansätze auf Bundes- und Landesebene wird im Bereich der Steuerung der Windenergienutzung der durch die Rechtsprechung gefestigte Weg der Steuerung der Windkraftnutzung auf der Basis sich ergänzender und sich von Planungsebene zu Planungsebene zunehmend verfeinernder planerischer Gesamtkonzepte der räumlichen Planungen der verschiedenen Aufgabenträger verlassen. Wegen des komplizierten Geflechts verschiedener Steuerungsansätze ist in staatsgrenzenüberschreitenden Räumen eine Verständigung auf der Basis zwischen den Bundesländern abgestimmter Raumpläne, geschweige denn eine einheitliche Planung im Bereich der Steuerung der Windenergienutzung, kaum mehr möglich. Es ist zweifelhaft, ob es den Trägern der Regionalplanung versagt werden kann, von der ihnen durch § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eingeräumten Möglichkeit zur Konzentrationsplanung Gebrauch zu machen. Denn der in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB geregelte Planungsvorbehalt zugunsten der Flächennutzungs- und der Regionalplanung verfolgt den Zweck, dass die Planungsträger die ihrem Aufgabenbereich zugeordneten Belange als entgegenstehende öffentliche Belange geltend machen können. Mit dieser Berechtigung
kann auch eine aus der Aufgabenzuweisungsnorm abzuleitende Pflicht zum Schutz des Außenbereichs vor planwidrigen Entwicklungen verbunden sein. Fraglich ist überdies, ob die Träger der Regionalplanung gezwungen werden können, eine etwaige vorhandene Konzentrationsplanung aufzugeben, anstelle sie nach Maßgabe des § 249 Abs. 1 BauGB unter dem Aspekt des Repowerings oder der Ausweisung ergänzender Standorte für leistungsfähigere Anlagen fortzuschreiben und damit den Weg zu beschreiten, den der Bundesgesetzgeber für den Ausbau der Windenergienutzung für den Bereich der Flächennutzungsplanung aufgezeigt hat. Denn dadurch, dass bundesgesetzlich durch § 249 Abs. 1 S. 1 BauGB für den Bereich der städtebaulichen Planung der Weg für die Ausweisung zusätzlicher Flächen durch Planergänzung im Wege der nachvollziehenden Abwägung vorgezeichnet ist, kann dieser Weg nicht schlechthin als ungeeignet verworfen und den Trägern der Regionalplanung versagt werden. Dafür spricht auch, dass es sich bei dieser Regelung um die Konkretisierung einer Planergänzungsmöglichkeit handelt, bei der das erhöhte Gewicht der für den Ausbau der Windenergienutzung sprechenden Belange im Rahmen der aus Anlass der Planergänzung durchzuführenden nachvollziehenden Abwägung in Ansatz gebracht werden kann. Bei der Beschränkung der Planungsbefugnis der Regionalplanungsträger dürfte es sich daher um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die den Regionalplanungsträgern als kommunales Selbstverwaltungsrecht (so § 14 Abs. 3 LPlG Rh.-Pf.) bzw. als „eigenverantwortlich wahrzunehmende Aufgabe“ zugewiesene Planungsbefugnis handeln. Bedenken hinsichtlich der Beschränkung der Planungsbefugnis der Regionalplanungsträger resultieren auch aus § 8 Abs. 1 S. 1 ROG. Denn neben der Pflicht zur Aufstellung von Raumordnungsplänen für das Landesgebiet besteht auch eine Pflicht zur Aufstellung von Raumordnungsplänen für die Teilräume der Länder. Soweit die Planungsträger diese Aufgabe wahrnehmen, muss ihr Planungskonzept nach ständiger Rechtsprechung den Charakter eines räumlichen Gesamtkonzepts aufweisen. Diese Voraussetzung ist aber nicht mehr erfüllt, wenn die Regionalplanungsträger nur noch als Erfüllungsgehilfen zur Verwirklichung eines landesplanerischen Steuerungskonzepts nach Maßgabe landesplanerischer Vorgaben eingesetzt sind. Den Regionalplanungsträgern kann nicht die Berechtigung abgesprochen werden, ihrer auf die Entwicklung des regionalen Teilraums zugeschnittenen Planung regionalbedeutsame raumstrukturelle Gründe zugrunde zu legen und daraus einen Ausschlussgrund für die Windenergienutzung abzuleiten, z. B. die Notwendigkeit, für die Entwicklung der Region den Abbau bedeutsamer Rohstoffe zu sichern, oder die Notwendigkeit, eine für die Entwicklung der Region bedeutsames Kurgebiet oder ein für die Entwicklung der Region bedeutsames Biosphärenreservat unter Umweltvorsorgegesichtspunkten unter erhöhten Schutz zu stellen, vor allem wenn dies zur Erfüllung etwaiger grenzüberschreitender Verpflichtungen erforderlich sein sollte. In Anbetracht der planerischen Aussage „Z 163b“ des LEP IV Rheinland-Pfalz in der am 11. 5. 2013 in Kraft getretenen Fassung der Teilfortschreibung „Windkraft“ des LEP IV, wonach im jeweiligen Planungsraum die Gebiete mit hoher Windhöffigkeit vorrangig zu sichern sind, ist unklar, welche Bedeutung der Windhöffigkeit bei der Festlegung von Vorranggebieten bzw. Vorrangflächen auf den nachfolgenden Planungsebenen zukommen soll. Denn in der Begründung zu Z 163b wird davon ausgegangen, dass der aus den Regelungen des EEG zu entnehmende Effizienzertrag in der Größenordnung von 80 % dieses Referenzertrages, der im Allgemeinen als Grundlage für einen wirtschaftlichen Betrieb von Windenergieanlagen angese-
123
Gassner, Befreiung, Ausnahme Abweichung
hen werden kann, in der Regel erst an Standorten mit einer durchschnittlichen Jahreswindgeschwindigkeit von 5,8 bis 6,0 m/s in 100 m über Grund erreicht werde. Daraus könnte geschlossen werden, dass die Ausweisung von Flächen, die eine vergleichbare Windgeschwindigkeit nicht aufweisen, als Vorranggebiete oder Vorrangflächen prinzipiell nicht in Betracht gezogen werden soll. Nicht nachvollziehbar ist daher, warum aufgrund Z 163 d nach der Teilfortschreibung des LEP IV in RheinlandPfalz die unter dem Aspekt der Windhöffigkeit weniger geeigneten Flächen des Pfälzer Waldes mit deutlich geringeren durchschnittlichen Jahreswindgeschwindigkeiten auf der Ebene der Regionalplanung aus Gründen der raumstrukturellen Umweltvorsorge, z. B. zur Erhaltung von Lebensraum- oder Vogelflugkorridoren und zum Schutz von FFH- und Vogelschutzgebieten, nicht ausgeschlossen werden können. Aufgrund dieser Planungsnorm sollen die Regionalen Planungsgemeinschaften prinzipiell nur befugt sein, landesweit bedeutsame historische Kulturlandschaften zu konkretisieren und diese von der Windenergienutzung auszuschließen. Dagegen sollen FFH- und Vogelschutzgebiete einen Ausschluss nur rechtfertigen können, wenn schon auf der Ebene der Raumordnungsplanung festzustellen ist, dass die Windenergienutzung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des jeweiligen Schutzzweckes führen und eine Ausnahme nicht erteilt werden kann (umweltfachlicher Erlaubnisvorbehalt für die Regionalplanung). Da die Prüfung der Ausnahmemöglichkeiten auf der regionalplanerischen Ebene in der Regel nicht abschließend zu beurteilen sein wird, ist daraus zu schließen, dass in der Regel ein Ausschluss darauf nicht gestützt werden kann. Erst Recht gilt dies für Gründe der Umweltvorsorge zugunsten der Erhaltung und Pflege von Lebensraumkorridoren oder -netzwerken. Aus diesen konzeptionellen Ungereimtheiten der Teilfortschreibung des LEP IV können sich auf der nachfolgenden Planungsebene erhebliche Planungs- und Investitionsunsicherheiten ergeben. Denn zum einen kann zweifelhaft sein, ob ein Vorranggebiet auch ausgewiesen werden darf, wenn die Windhöffigkeit deutlich geringer ist als die angegebene durchschnittliche Jahreswindgeschwindigkeit, und zum anderen kann zweifelhaft sein, ob die Regional-
NuR (2013) 35: 785–786 785
pläne und die Flächennutzungspläne ein schlüssiges Gesamtkonzept bilden können, wenn ihnen aufgrund des landesweiten Raumordnungsplans im Grunde untersagt wird, bestimmte Umweltvorsorgeaspekte als Gründe für den Ausschluss der Windenergienutzung heranzuziehen, vor allem wenn sich die regionalen Planungsträger insoweit für gebunden halten. Weitere Fragezeichen ergeben sich im Zusammenhang mit der anlässlich der Änderung der landesweiten Raumordnungspläne durchzuführenden Umweltprüfung. Denn soweit dabei pauschalierende Annahmen zugrunde gelegt werden, wie es bei der Gesamtsaldierung in der Umweltprüfung bezüglich des LEP IV, Teilplan Windenergie, geschehen ist, wonach ein relevanter Beitrag zum Klimaschutz auch zu einer Verbesserung der Arten- und Naturschutzsituation führe, dürften nicht nur wesentliche Umweltauswirkungen übersehen worden, sondern auch mit Konsequenzen für das Abwägungsergebnis außer Acht gelassen worden sein. Dies ist denkbar, soweit zugleich angenommen wird, dass die in den naturschutzfachlichen Anforderungen zum Ausdruck kommende Umweltvorsorge zugunsten der Biodiversität, zugunsten des Arten- und Gebietsschutzes und der bundesgesetzliche Grundsatz, ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem zu schaffen, auch in Räumen zurückgedrängt werden darf, die unter Energieeffizienzgesichtspunkten nur einen geringen Ertrag für die Windenergienutzung erwarten lassen (siehe Naturpark Pfälzer Wald mit Biosphärenreservat und Weltkulturerbe UNESCO). Unsicherheiten bei der Steuerung des Ausbaus der Nutzung erneuerbarer Energiequellen können sowohl zu Lasten der Planungsträger, für die der nach landespolitischen Vorgaben geänderte landesweite Raumordnungsplan Bindungswirkung entfaltet, als auch für die möglichen Investoren zu Buche schlagen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Aspekte sowohl im Rahmen von Normenkontrollverfahren gegen auf nachfolgenden Planungsebenen festgelegte Planungsnormen zur Überprüfung gebracht, als auch unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen von Anfechtungsklagen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windkraftanlagen geltend gemacht werden können.
Befreiung, Ausnahme Abweichung – Anmerkungen zu § 34 Abs. 3 und § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG –
Erich Gassner © Springer-Verlag 2013
Die anerkannten Naturschutzvereinigungen haben nach § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG das Recht zur (begrenzten) Mitwirkung an Verwaltungsverfahren und – daran anknüpfend – zur Einlegung von Rechtsbehelfen, soweit es um Befreiungen von Geboten oder Verboten geht. Umstritten ist die in der Praxis sehr relevante Frage, ob auch eine Abweichung gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG unter die vorgenannte Norm fällt. Die Abweichung ist Voraussetzung dafür, dass ein Projekt, das ein FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen kann und deshalb nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unDr. Erich Gassner, MinRat a. D., Bonn, Deutschland
zulässig ist, dennoch genehmigt werden kann. In der Praxis wird immer wieder darauf bestanden, dass § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG nur von Befreiung spreche, dass also allein der Wortlaut maßgebend sei. 1. Zu den Grenzen strikter Rechtsnormen Rechtsnormen, auch solche, die auf untergesetzlicher Ebene (sei es als Verordnung oder Satzung) ergehen, können in der Regel nur bestimmte Falltypen erfassen. Sie sind mehr oder weniger, jedoch im Kern stets abstrakt-genereller Natur. Folglich wird der Normvollzug problematisch,
123