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Der neue
ReihensechszylinderOttomotor von BMW Teil 2: Thermodynamik und funktionale Eigenschaften 1008
MTZ 12/2004 Jahrgang 65
Die Autoren
BMW führt den neuen Reihensechszylindermotor mit Valvetronic – beginnend mit dem 630i Coupé und Cabrio – derzeit in die weltweiten Märkte ein. Nachdem im ersten Teil dieses Beitrags Leichtbaukonzept und konstruktive Merkmale beschrieben wurden [1], wird im vorliegenden Artikel auf Thermodynamik und funktionale Eigenschaften des vollständig neu entwickelten Motors eingegangen.
1 Einleitung
Die Bedeutung des Reihensechszylindermotors im BMW-Antriebsportfolio sowie die herausragende Position des Vorgängermotors mit Doppel-Vanos und Turbulenzsystem [2, 3], der unter anderem mehrmals den „Engine of the Year“-Award in seiner Klasse gewinnen konnte, führten zu anspruchsvollen funktionalen Zielvorgaben, Bild 1. Dazu wurde die von BMW weltweit erfolgreich bei Vier-, Acht- und Zwölfzylindermotoren eingeführte Valvetronic-Technologie weiterentwickelt. Im Folgenden wird dargestellt, mit welchen Maßnahmen die Verbesserungen hinsichtlich Volllast und Dynamik einerseits und die Ziele für Effizienz und Emissionierung andererseits erreicht werden. Abschließend werden eigenentwickelte Motorsteuerungsfunktionen vorgestellt, die einen wichtigen Beitrag zur Zielerreichung und zu BMW-typischer Freude am Fahren mit dem neuen Reihensechszylinder leisten. 2 Dynamik
Eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Entwicklung des neuen Motors war es, Teillastverbrauch und Emissionen durch das Valvetronic-System zu senken. Gleichzeitig sollte unter Beibehaltung der sehr breitbandigen Drehmomententfaltung des Vorgängermotors die spezifische Leistung von 57 auf über 60 kW/l gesteigert werden. Die Volllastvorgaben wurden durch folgende Optimierungsschritte erreicht: Saugseite: ■ dreistufige Resonanzsauganlage ■ Entdrosselung der Ansaugluftführung ■ vollbearbeitete, füllungsoptimale Einlasskanäle. Valvetronic-System: ■ Steigerung der Maximaldrehzahl auf 7000/min
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■ Erhöhung der maximalen Einlassventil-
beschleunigung auf bis zu 80 mm/rad2 ■ Erhöhung des maximalen Einlassventilhubes auf 9,9 mm. Brennraum: ■ vergrößerte Einlassventile ■ kompakter Brennraum mit zentralem Funkenort und einlassseitiger Quetschfläche ■ um 0,5 Einheiten erhöhtes Verdichtungsverhältnis. Abgasseite: ■ Abgaskrümmer in strömungsoptimaler Rohrfächerausführung ■ Abgasanlage mit geringem Gegendruck ■ gesamte Abgasanlage bis Mittelschalldämpfer wirkt als Resonanzsystem. Reibung: ■ Optimierung von Grundmotor, Ventiltrieb und Nebenaggregaten [1]. In Bild 2 sind Drehmoment und Leistung des 3,0-l-Motors im Vergleich zum
Dipl.-Ing. Wolf Kiefer ist Teamleiter Emissionen Reihenmotorenantriebe im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group. Dipl.-Ing. Norbert Klauer ist Abteilungsleiter Funktionen Reihenmotorenantriebe im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group. Dipl.-Ing. Michael Krauss ist Teamleiter Applikation Reihenmotorenantriebe im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group. Dipl.-Ing. Werner Mährle ist Teamleiter Applikation Reihenmotorenantriebe im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group. Dr.-Ing. Erik Schünemann ist Teamleiter Versuch Verbrennung im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group.
1 Einleitung Bild 1: Funktionsziele Figure 1: Functional goals
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2 Dynamik
Bild 2: Drehmoment und Leistung Figure 2: Torque and power
Bild 3: Funktion der dreistufigen Resonanzsauganlage Figure 3: Function of the three-stage resonance intake air system
Bild 4: Drehmomentaufbau bei n = 1500/min Figure 4: Torque build-up at n = 1500/min
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Vorgänger dargestellt. Der füllige Drehmomentverlauf zeigt, dass von 15006700/min mindestens 90 % des maximalen Drehmomentes als Basis für gute Fahrleistungen und angenehmen Zugkraftverlauf zur Verfügung stehen. Die nutzbare Drehzahlspanne wurde gegenüber dem Vorgängermotor um 500/min erweitert. Für einen über der Drehzahl gleichmäßigen Drehmomentverlauf musste die zweistufige Resonanzsauganlage des Vorgängers weiterentwickelt werden. Basis der gezielten Beeinflussung der Sauganlagendynamik ist die beim Reihensechszylindermotor elegant darstellbare, schaltbare Trennung des Hauptsammlers in zwei Dreiergruppen, welche durch die Zündfolge 1-5-3-6-2-4 abwechselnd ansaugen. Die beiden Teilsammler stehen durch Rohrbögen miteinander in Verbindung, deren Dimensionierung für die gewünschte Resonanzfrequenz und damit den wirksamen Drehzahlbereich verantwortlich ist. Neu ist ein eigenes Übersprechrohr mit elektrisch kennfeldgesteuert betätigter Schaltklappe für mittlere Drehzahlen. Betrachtet man das Drehzahlband an der Volllast, so reihen sich die füllungssteigernden Wirkungen der Abgasdynamik und des Resonanzrohres für niedrige, des Übersprechrohres für mittlere und der Schwingrohrauslegung für hohe Drehzahlen nahezu lückenlos aneinander. In Bild 3 ist die Funktion der Sauganlage schematisch dargestellt. Bei niedrigen Drehzahlen sind beide Schaltklappen geschlossen, es wirkt das tieffrequente System Resonanzrohr mit den beiden Dreiergruppen (blau). Bei mittleren Drehzahlen wird die Klappe im Übersprechrohr geöffnet. Die beiden Sammlerhälften bilden nun mit dem Übersprechrohr ein schwingungsfähiges System, das für einen Aufladeeffekt sorgt (rot). Oberhalb von zirka 4500/min stehen beide Schaltklappen offen („Leistungsstellung“, grün). Nun dominiert der Nachladeeffekt der sechs auf hohe Nenndrehzahl ausgelegten Einzelschwingrohre durch Reflexion der Saugwellen am Übergang zum Sammler und sorgt bis 7000/min für hohe Luftaufwandswerte. Die für BMW-Antriebe typische Dynamik wird jedoch nicht nur durch stationäre Volllast-Werte realisiert, sondern auch wesentlich durch Eigenschaften wie Response und Drehvermögen bestimmt, die das Instationärverhalten des Motors charakterisieren. Da der Valvetronic-Motor die Zylinderfüllung in Leerlauf und Teillast über den variablen Einlassventilhub steuert, stellt sich im Sammler nur ein geringer Unterdruck von zirka 50 mbar ein, der unter anderem für Tank- und Kurbelgehäu-
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3 Valvetronic-Brennverfahren
Bild 5: Ladungswechselarbeit in der Teillast Figure 5: Pumping work at part-load
Bild 6: Ventilhubverläufe mit Phasing Figure 6: Valve lift curves with phasing Bild 9: Turbulente kinetische Energie und Brenn verzug in der Teillast Figure 9: Turbulent kinetic energy and combustion delay at partload
Bild 7: Masking Figure 7: Masking
Bild 8: Tumble und Drall am Strömungsprüfstand Figure 8: Tumble and swirl at the flow testbed
seentlüftung benötigt wird. Deshalb entfällt bei Erhöhung der Motorlast der Befüllvorgang der Sauganlage, so dass sich zum Beispiel für den Lastsprung von wi = 0,2 kJ/l auf wi = 0,6 kJ/l bei n = 1500/min die zum Drehmomentaufbau benötigte Zeit gegenüber dem Vorgängermotor nahezu halbiert, Bild 4.
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Bild 10: Ladungswechselarbeit und spezifischer indizierter Kraftstoffverbrauch bei Variation von Einlass- und AuslassSpreizung Figure 10: Pumping work and indicated specific fuel consumption at variation of Vanos valve timing
3 Valvetronic-Brennverfahren
Für das Valvetronic-Brennverfahren ist die weitere Reduzierung der Ladungswechselarbeit in der Teillast bei gleichzeitig guter Restgasverträglichkeit und sehr hoher Verbrennungsstabilität Voraussetzung für weitere Kraftstoffverbrauchsabsenkungen
sowie für eine robuste, effiziente und kostengünstige Emissionierung mit mager geführtem Katalysatorheizen. Dazu wurden folgende Maßnahmen umgesetzt: Valvetronic-System: ■ Verkürzung Ventilöffnungsdauer bei Teilhub (Reduzierung Ladungswechselarbeit)
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■ Phasing (Erhöhung Ladungsbewegung
bei Teilhub). Brennraum: ■ Masking (Erhöhung Ladungsbewegung bei Teilhub) ■ einlassseitige Quetschfläche ■ erhöhtes Verdichtungsverhältnis. Vanos: ■ Erweiterung Stellbereich Einlass Vanos (Reduzierung Ladungswechselarbeit). Die verkürzte Öffnungsdauer bei Teilhub führt zur weiteren Entdrosselung des Ladungswechsels, da nun der gleiche Lastpunkt mit größerem maximalem Einlassventilhub bei verkürzter Einlass-Steuerzeit gefahren wird. Damit reduziert sich im Teillastbetriebspunkt n = 2000/min; wi = 0,27 kJ/l die Ladungswechselarbeit im Vergleich zu aktuellen Valvetronic Serienmotoren nochmals um 7 %, Bild 5, und kommt damit der idealen drosselfreien Laststeuerung noch ein Stück näher. Eine signifikante Erhöhung der Verbrennungsstabilität wird durch bedarfsgerecht in der Teillast und im Katalysatorheizbetrieb wirkende Ladungsbewegungsmaßnahmen erreicht. Zielführend ist eine Kombination aus unterschiedlichen Ventilerhebungskurven der Einlassventile im Teilhubbereich mittels „Phasing“ und Ausrichtung des in den Zylinder einströmenden Massenstroms durch „Masking“. Diese Maßnahmen erfordern keinerlei Zusatzbauteile wie zum Beispiel Ladungsbewegungsklappen und werden nachfolgend beschrieben. Ausgehend vom minimalen Einlassventilhub, in dem die Ventilerhebungskurven beider Einlassventile eines Zylinders deckungsgleich sind, steigen bei Lasterhöhung der Hub und die Steuerzeit von Einlassventil 1 an, während Einlassventil 2 zunächst auf minimalem Hub verbleibt, der erst bei weiter erhöhter Last beginnt anzusteigen. Es stellt sich eine maximale Hubdifferenz von zirka 1,8 mm ein, Bild 6. Bei nochmaliger Ventilhuberhöhung und damit Laststeigerung reduziert sich die Hubdifferenz, bis ab einem Ventilhub von zirka 6 mm beide Ventilerhebungskurven wieder gleich verlaufen. Im unteren Teilhub wird damit eine unsymmetrische Verteilung des angesaugten Massenstroms auf beide Einlassventile erreicht. Die durch Einlassventil 1 einströmende Masse wird bei Teilhub mittels einer Maskierung im Ventilsitzbereich ausgerichtet, Bild 7, so dass die gewünschte Ladungsbewegung (Tumble, Drall) resultiert. Die Masking-Parameter wurden rechnerisch und experimentell hinsichtlich der nötigen Ladungsbewegung im Teillastbereich und minimaler Füllungsbeeinträchtigung an der Volllast optimiert. Konstruktiv wurde die Aufgabe durch eine entsprechende
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3 Valvetronic-Brennverfahren
Bild 11: Spezifischer indizierter Kraftstoffverbrauch im Lastschnitt bei n = 2000/min Figure 11: Indicated specific fuel consumption for load variation at n = 2000/min
4 Effizienz
Bild 12: Spezifischer effektiver Kraftstoffverbrauch im Kennfeld Figure 12: Brake specific fuel consumption map
Bild 13: Motortemperatur im Kennfeld Figure 13: Engine temperature map
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Brennraumbearbeitung realisiert, wobei die Maskierung mit einer einlassseitigen Quetschfläche kombiniert ist, die eine Verdichtungserhöhung um 0,5 Einheiten erlaubt. Die in Bild 8 dargestellten Ergebnisse von Tumble- und Drallmessung am Strömungsprüfstand zeigen, dass sich ohne Maßnahmen über dem gesamten Ventilhub nahezu keine globale Ladungsbewegung einstellt, da die Einlasskanäle kompromisslos als Füllungskanäle ausgelegt sind. Mit Phasing ist eine leichte Erhöhung von Tumble- und Drallwerten erkennbar; die Kombination Phasing+Masking liefert gezielt hohes Tumble- und Drallniveau im unteren Teilhubbereich. Die 3D-Strömungsberechnung für n = 2000/min; wi = 0,27 kJ/l, Bild 9, zeigt die Umsetzung der in der Ansaugphase generierten makroskopischen Ladungsbewegung in erhöhte turbulente kinetische Energie während der Kompression. Dementsprechend verkürzt sich der Brennverzug des Motors mit Phasing und Masking in diesem Betriebspunkt um etwa 10 °KW. Die dadurch verbesserte Verbrennungsstabilität ermöglicht eine nochmalige Entdrosselung des Ladungswechsels an der Teillast durch Erhöhung der Ventilüberschneidung über einen um 10 °KW erweiterten Stellbereich des Einlass-Vanos mit entsprechendem Verbrauchsvorteil, Bild 10. Die Summe der Maßnahmen liefert im Lastschnitt bei n = 2000/min nochmals bis zu 8 % Verbesserung des spezifischen indizierten Kraftstoffverbrauchs im Vergleich zum bereits mit Doppel-Vanos und Turbulenzsystem ausgerüsteten Vorgängermotor, Bild 11. Die verbrauchsgünstigen erhöhten Ventilüberschneidungen konnten in der Fahrzeugapplikation umgesetzt werden. Auch die Abmagerbarkeit des Brennverfahrens verbessert sich deutlich.
5 Emissionierung
Bild 14: Spezifische indizierte HC- und NOX-Rohemissionen bei Variation von Einlass- und Auslass-Spreizung Figure 14: Indicated specific HC and NOX raw emissions at variation of Vanos valve timing
Bild 15: Spezifische indizierte HC-, NOX-Rohemissionen und Kraftstoffverbräuche für unterschiedliche Katalysatorheizstrategien Figure 15: Indicated specific HC, NOX raw emissions and fuel consumption for different catalyst heating strategies
4 Effizienz
Das in Bild 12 dargestellte Verbrauchskennfeld für den betriebswarmen Motor zeigt, dass signifikante Verbesserungen an der Teillast und im Leerlauf erzielt werden. Zusätzliche Verbrauchsabsenkungen werden durch konsequentes Wärmemanagement unter Einsatz einer elektrischen Kühlmittelpumpe, eines Kennfeldthermostaten und eines Elektrolüfters erreicht. So wird der Motorwarmlauf mit stehender elektrischer Kühlmittelpumpe absolviert, um eine schnellere Aufheizung von Bauteilen und Motoröl zu gewährleisten. Eine differenzierte Regelstrategie bei betriebswarmem Motor nutzt gezielt Reibungspotenziale in Leerlauf und Teillast
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Bild 16: Zylinderdruckverläufe im Kaltstart Figure 16: Cylinder pressure at cold start
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■ Einspritzdruckerhöhung und optimier-
5 Emissionierung
tes Einspritzstrahl-Targeting mit motornahen Hauptkatalysatoren ■ Aktivierung lineare Lambdaregelung 10 s nach Start. Die hohe Restgasverträglichkeit sorgt bei betriebswarmem Motor für eine sehr niedrige NOX-Rohemission und gleichzeitig ein niedriges HC-Niveau, Bild 14. Die durch Phasing und Masking erzeugte Ladungsbewegung stabilisiert die Verbrennung auch im Katalysatorheizbetrieb bei spätem Zündwinkel und magerem Gemisch. Bild 15 zeigt den Einfluss verschiedener Katalysatorheizstrategien auf Abgasemissionen und Kraftstoffverbrauch. Der Valvetronic-Betrieb mit maximal fahrbarem Restgasgehalt stellt hier den besten Kompromiss zwischen niedrigem HC- und NOX-Rohemissionsniveau sowie günstigem Kraftstoffverbrauch dar. Auch im Motorstart trägt die gezielte Ausnutzung der Valvetronic-Funktionalität zur Optimierung der Abgasemissionen bei. Bild 16 zeigt Zylinderdruckverläufe aus der 1D-Ladungswechselrechnung bei Anlasserdrehzahl für die Valvetronic (Teilhub) im Vergleich zum Doppel-VanosMotor (Vollhub). Während der Ansaugvorgang für den Doppel-Vanos-Motor bei nahezu konstantem Zylinderdruck auf Umgebungsniveau verläuft, sinkt mit der Valvetronic im Teilhub der Zylinderdruck während der Ansaugphase stark ab, so dass ein überkritisches Druckverhältnis am Einlassventil erreicht wird. Damit verbessert sich die Zerstäubung des eingespritzten Kraftstoffs und es stellt sich eine deutlich erhöhte Turbulenz der Zylinderladung ein. Wegen der gegenüber dem Vollhub reduzierten Ventilöffnungsdauer verschiebt sich im Teilhub der „Einlassschließt“-Zeitpunkt nach früh, so dass Rückströmen von Frischgas zu Beginn der Kompression vermieden wird und eine um zirka 11 % erhöhte Zylinderfüllung resultiert. Damit ist ein spontaner und reproduzierbarer Motorstart bis zu tiefen Temperaturen gewährleistet. Die Einspritzdruckerhöhung von 3,5 bar auf 5 bar und die Optimierung des Einspritzstrahl-Targetings führen zu verbesserter Gemischaufbereitung bei reduzierter Wandbenetzung und damit zu abgesenkter HC-Rohemission bei kaltem Motor. Die Abgasanlage verläuft zweiflutig bis hinter den Mittelschalldämpfer, die Rohrfächerkrümmer sind mit Leichtbauflanschen ausgeführt, Bild 17. Die motornah angeordneten Hauptkatalysatoren (2Mono-System, Dünnwandkeramik, 600 cpsi) sorgen für guten Light-off. Die gewählte hochtemperaturfeste Beschichtung ■ Abgaskrümmer
Bild 17: Abgaskrümmer mit motornahen Hauptkatalysatoren und Lambdasonden Figure 17: Exhaust manifold with closecoupled main catalysts and lambda probes
6 Motorsteuerungsfunktionen – funktionale Highlights
Bild 18: BMW-Motorsteuerungsfunktionen Figure 18: BMW engine control functions
durch hohe Kühlmittel- und Öltemperaturen sowie Füllungs- und Verbrennungsvorteile bei Volllast durch Absenkung der Kühlmitteltemperaturen, Bild 13. Durch die Entkopplung der Kühlmittelfördermenge von der Motordrehzahl kann bedarfsgerecht, zum Beispiel bei hohen Lasten, niedrigen Drehzahlen und hohen Ansauglufttemperaturen, eine sehr hohe Kühlleistung zur Verfügung gestellt werden, ohne bei hoher Drehzahl eine erhöhte Leistungsaufnahme der Kühlmittelpumpe in Kauf nehmen zu müssen. Das resultierende Verbrauchspotenzial des neuen Reihensechszylindermotors im NEFZ beträgt bis zu 12 % im Vergleich zum Vorgängermotor mit Doppel-Vanos und Turbulenzsystem im gleichen Fahrzeug. Davon werden 8,5 % über das verbesserte Valvetronic-Brennverfahren, über eine optimierte Applikation und über mager geführten Warmlauf ohne Sekundärluftsystem erzielt. Reduzierte Reibung an Grund-
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motor und Zylinderkopf liefert weitere 2 % Verbrauchsvorteil. Das Wärmemanagement mit elektrischer Kühlmittelpumpe und Kennfeldthermostat trägt 1,5 % bei. 5 Emissionierung
Der neue BMW-Reihensechszylindermotor mit Valvetronic ist für den weltweiten Einsatz vorgesehen und muss daher selbstverständlich alle relevanten Abgasvorschriften (Euro 4, Euro 5, ULEV II, SULEV II) erfüllen. Schlüssel hierzu sind ein niedriges Rohemissionsniveau, eine hocheffiziente λ=1-Abgasnachbehandlungstechnologie sowie eine sorgfältige Applikation. Zur sicheren Einhaltung der Grenzwerte im Neuzustand und über Laufzeit sind folgende Emissionsmassnahmen zielführend: ■ hohe Restgasverträglichkeit und Stabilität des Brennverfahrens ■ spontaner, reproduzierbarer Motorkaltstart im Valvetronic-Betrieb
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mit Pd/Rh-Edelmetall-Beladung gewährleistet niedrige Anspringtemperaturen sowie hohe Konvertierungsraten im neuen und gealterten Zustand. Die Edelmetallkosten konnten gegenüber dem Vorgängermotor bei gleichem Katalysatorvolumen um mehr als 30 % abgesenkt werden. Die lineare Lambdasonde Bosch LSU 4.9 ist in der Zusammenführung der Krümmerrohre vor Katalysator so positioniert, dass sie von den Abgaspaketen aller Zylinder angeströmt wird. Bereits 10 s nach Motorstart wird die lineare Lambdaregelung aktiviert. Das von der Sonde gelieferte zylinderaufgelöste Lambda wird unter anderem für eine zylinderselektive Verbrennungsregelung verwendet. Die Summe der Emissionsmaßnahmen erlaubt eine robuste und kostengünstige Euro-4- und ULEV-II-Emissionierung ohne Sekundärluftsystem. Das Potenzial zur Erfüllung der SULEV-II-Grenzwerte ist vorhanden. 6 Motorsteuerungsfunktionen – funktionale Highlights
Die im Vergleich zum Vorgängermotor deutlich gestiegene Anzahl von Motorvariabilitäten erforderte die Entwicklung einer komplett neuen Motorsteuerung. Daher wurde – aufbauend auf der MSV70 von Siemens VDO – erstmals eine Schnittstellenanpassung integriert, die es erlaubt, von BMW entwickelte Softwarefunktionalitäten plattformübergreifend zu implementieren. Die wichtigsten BMW-Funktionen werden im Folgenden kurz dargestellt, Bild 18. Einige Funktionen können durch physikalische Modelle beschrieben werden. Bei der Vielzahl der Variabilitäten und Parameter mit sehr komplexen Zusammenhängen ist es oft der sinnvollste Ansatz, die physikalische Beschreibung des Modells durch neuronale Netze zu ersetzen, die hochdimensionale Abhängigkeiten einfach abbilden können. Ein effizientes Zusammenwirken von physikalischen und neuronalen Modellen liefern Hybridmodelle, die beide Ansätze kombinieren. So ist das Abgastemperaturmodell aus einem neuronalen Netz, welches den Motor beschreibt und einem physikalischen Modell, welches die Abgasanlage wiedergibt, zusammengesetzt. In der vollständig modellbasierten Lasterfassung wird ein neuronales Netz am Motorprüfstand komplett trainiert und fest in das Motorsteuergerät eingebunden. Ein zweites Netz läuft als adaptives, selbstlernendes Netz kontinuierlich während der gesamten Fahrzeuglebensdauer, um so Umweltbedingungen und Toleranzen aus-
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7 Zusammenfassung
Bild 19: Volllast im Wettbewerbsvergleich Figure 19: Full-load performance in comparison with competitors
Bild 20: Spezifischer effektiver Kraftstoffverbrauch (n = 2000/min; we = 0,2 kJ/l) im Wettbewerbsvergleich Figure 20: Brake specific fuel consumption (n = 2000/min; we = 0,2 kJ/l) in comparison with competitors
Bild 21: Spezifischer effektiver Kraftstoffverbrauch (Bestpunkt) im Wettbewerbsvergleich Figure 21: Minimum brake specific fuel consumption in comparison with competitors
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zugleichen. Die Grundfunktionen für Zündung und Steuerzeiten sind doppelt abgelegt. Hierbei wurde der erste Teil auf Kraftstoffverbrauch und Emissionen (hoher Restgasanteil, optimaler Zündzeitpunkt) optimiert. Der andere Part wurde nach reinen Fahrbarkeitsparametern bestimmt. In Abhängigkeit von der Laufruhe des Motors (Aussetzererkennung) wird zwischen den Zuständen interpoliert. So wird unter optimalen Randbedingungen immer mit geringstem Kraftstoffverbrauch gefahren. Bei schlechtem Kraftstoff oder ungünstigen Umweltbedingungen werden diese optimalen Parameter verlassen und zugunsten der Fahrbarkeit auf geringen Restgasgehalt umgestellt. Auf Basis der Aussetzererkennung wird auch die Verbrennungsregelung im Leerlauf aktiv. In vereinfachter Form wird die Höhe der verschiedenen Motorordnungen bestimmt. Im ersten Schritt werden gezielte zylinderselektive Zündungs- und Gemischkorrekturen vorgenommen. Ist dieser Eingriff unzureichend, kommt in einem zweiten Schritt die zylinderselektive Füllungskorrektur zur Wirkung, die über zyklische Verstellung der Exzenterwelle ar-
beitet. So kann die Leerlaufqualität auch unter ungünstigen Toleranzen gewährleistet werden. Der Wärmemanagementkoordinator ermöglicht die bedarfsgerechte Regelung des Kühlsystems unter Einbeziehung der elektrischen Kühlmittelpumpe und des Kennfeldthermostates. Der Umfang der BMW-eigenen Softwarefunktionalitäten erstreckt sich also von thermodynamischen Grundfunktionen bis hin zur eigenen Momentenstruktur, die BMW-typische Fahrdynamikfunktionen enthält und zukunftssicher auf die Integration von AntriebsmanagementStrategien ausgerichtet ist.
■ Euro 4 und ULEV II ohne Sekundärluft-
system, Potenzial für SULEV II. Die gesteigerte Dynamik und verbesserte Effizienz, Bild 19, Bild 20 und Bild 21, bei Erfüllung strengster Abgasgrenzwerte stärken die Wettbewerbsposition des neuen BMW Reihensechszylinder Ottomotors, der in nahezu allen BMW-Fahrzeugen und weltweit zum Einsatz kommt. Literaturhinweise [1]
[2]
7 Zusammenfassung [3]
Der neue BMW-Reihensechszylindermotor mit Valvetronic knüpft in seinen funktionalen Eigenschaften nahtlos an seinen erfolgreichen Vorgänger an: ■ spezifische Leistung 63,3 kW/l und spezifisches Drehmoment von 100 Nm/l ■ BMW-typische Response und verbessertes Drehvermögen ■ bis zu 12 % CO2-Reduzierung im NEFZ
Landerl, C.; Klüting, M.: Der neue Reihensechszylinder-Ottomotor von BMW. Teil I: Konzept und konstruktiver Aufbau. In: MTZ 65 (2004), Nr. 11 Albrecht, F.; Fischer, H.-D.; Kiefer, W.; Mertl, R.; Otto, E.; Griebel, C.O.: Die Technik der neuen BMW Sechszylindermotoren. In MTZ 61 (2000), Nr. 9 Klauer, N.; Griebel, C.O.; Otto, E.; Burger, A.: Der neue BMW 330i. In: ATZ 61 (2000), Nr. 7/8
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