Schwerpunkt | Kommentar
Die Chancen der Digitalisierung sehen – und nutzen Die Digitalisierung stellt uns alle vor große Herausforderungen: Unternehmen, Politik, Mitarbeiter – unsere Gesellschaft als Ganzes. Veränderungen können unbequem sein und aufwendig. Im Falle der Digitalisierung sind sie aber vor allem eines: notwendig. Gute Zukunftsperspektiven für unseren Standort – das heißt in erster Linie Wohlstand und Beschäftigung – hängen maßgeblich davon ab, wie wir mit der Herausforderung der Digitalisierung umgehen. Denn gerade für reife Volkswirtschaften wie Deutschland ist der technische Fortschritt – und hier allem voran die Digitalisierung – ein entscheidender Faktor für weiteres Wachstum. Betrachtet man den Zeitraum von 1996 bis 2014, war die Digitalisierung in Deutschland rechnerisch bereits für 0,5 Prozentpunkte der jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung verantwortlich. In manchen Branchen hat sie sogar über einen Prozentpunkt zum Wachstum beigesteuert. Die Digitalisierung kennzeichnen drei zentrale Eigenschaften: die Vernetzung von Menschen und Dingen, die Virtualisierung von Produkten und Prozessen sowie der Austausch von Daten und Wissen. Auf der Kombination dieser drei Eigenschaften und der Auswertung und Weiterentwicklung von Daten und Wissen bauen automatisierte und autonome Systeme auf. Und aus den Kernelementen der Digitalisierung folgen zahlreiche neue Möglichkeiten, deren Umsetzung zusätzliche Wertschöpfung generieren und auch über den engen volkswirtschaftlichen Begriff hinaus weiteren Mehrwert schaffen kann. Die Beispiele sind vielfältig: Unternehmen können etwa Schlüsse aus bisher ungenutzten und unstrukturierten Daten ziehen – Stichwort „Big Data“ – und damit Prozesse optimieren. Neue datenbasierte Geschäftsmodelle sind dank der Digitalisierung genauso möglich wie neue Produkte und Dienstleistungen. Dazu müssen sich aber auch die Unternehmen selbst verändern und rüsten. In Zeiten der Digitalisierung tauchen scheinbar aus dem digitalen Nichts neue Wettbewerber auf, Kundenansprüche wandeln sich schneller als je zuvor und Märkte werden gleichsam über Nacht auf digitalen Plattfor-
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Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., für das Fachmedium „Wirtschaftsinformatik“
men neu organisiert. Wer nicht am Puls der Zeit ist, kann schnell überholt oder gar abgehängt werden. Für die Firmen gilt es angesichts dieser Entwicklungen, ihre Produkte anzupassen, die eigenen Geschäftsfelder zu hinterfragen, die Geschäftsmodelle an die neuen Herausforderungen anzugleichen und ihre Organisation entsprechend neu auszurichten. Je nach Unternehmen und Komplexität ist das eine echte Mammutaufgabe. Bei Startups sind Digitalisierung und agile Prozesse Teil der DNA. In bestehenden Unternehmen werden sie derzeit eingeführt. Entscheidend ist, dass diese digitale Transformation von zentraler Stelle im Unternehmen angeschoben wird. Man darf nicht vergessen, dass Firmen in erster Linie aus Menschen bestehen. Sie treiben mit ihrem Enthusiasmus und ihrer Motivation die Entwicklung neuer Lösungen voran – dabei dürfen sie nicht durch veraltete starre Regelungen ausgebremst werden. Deshalb braucht unser Arbeitsrecht, das aus den 1970er- und 1980er-Jahren stammt, dringend ein Update für die digitale Zeit. Es geht nicht darum, mehr zu arbeiten. Sondern es geht um eine flexiblere Verteilung des Arbeitszeitvolumens und eine Anpassung an die heute bereits vielerorts gelebte Realität. So ist beispielsweise die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal zehn Stunden nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen muss der Spielraum der Europäischen Richtlinie ausgeschöpft
Wirtschaftsinformatik & Management
6 | 2017
Schwerpunkt | Kommentar Einen zwangsweisen und staatlich verordneten Ausschluss der Erreichbarkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, etwa nach Dienstschluss oder im Urlaub, darf es nicht geben. Das wäre ein Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit und würde ein Klima der Bevormundung schaffen. Schließlich haben bereits viele Unternehmen gute betriebliche Regelungen gefunden, wie sie mit dem Thema der Erreichbarkeit umgehen. Diese individuellen Lösungen sind näher an der Lebenswelt von Mitarbeitern und an den betrieblichen Anforderungen, als es Gesetze je sein können. Damit Mitarbeiter in der digitalen Arbeitswelt gut zurechtkommen, benötigen sie die richtigen Kompetenzen: Die Anwender brauchen Schulungen und die Entwicklung digitaler Fähigkeiten muss zu einem selbstverständlichen Inhalt im Bildungssystem werden – von der frühkindlichen Bildung über die Schule, die berufliche Bildung, die Hochschule bis zur Weiterbildung. Die Digitalisierung ist und bleibt für alle eine große Herausforderung, aber sie bietet eben auch riesige Chancen. Deshalb: Gestalten wir sie, sonst tun es andere.
werden, die eine wochenbezogene Betrachtung und eine Wochenarbeitszeit von durchschnittlich maximal 48 Stunden vorsieht. Dadurch gewinnen Beschäftigte und Betriebe die dringend benötigte Flexibilität bei der Verteilung der Arbeitszeit. Zudem sollte die pauschale elfstündige tägliche Mindestruhezeit angepasst werden. Es muss schließlich möglich sein, auch nach Dienstschluss noch eine kurze Mail an einen Kollegen zu schicken, ohne dass die elfstündige Ruhezeit wieder von vorne zu laufen beginnt: Es braucht eine Klarstellung, dass gelegentliche, kurzfristige Tätigkeiten mit geringer Beanspruchung keine Unterbrechung dieser Ruhezeit bedeuten. Auch wenn es Skeptiker gibt – von den Vorzügen der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt 4.0 profitieren besonders auch die Mitarbeiter. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung und das mobile Arbeiten einen wichtigen Beitrag zu einer noch besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. Heute ist es zum Beispiel möglich, früher aus dem Büro zu gehen, die Kinder von der Kita abzuholen und dafür am Abend noch schnell zu Hause die wichtige Präsentation am Laptop fertigzustellen. Natürlich bedeutet das mehr Verantwortung für die Arbeitnehmer, aber eben auch mehr Freiheiten.
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