HAUPTBEITRAG / DIE DIGITALISIERUNG DES SKILLMANAGEMENTS
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Die Digitalisierung des Skillmanagements Digitale kognitive Assistenten für die Wertschöpfung des Human Ressource Managements in der Digitalen Transformation Adrian Vogler
,,Die vierte Industrielle Revolution verändert nicht nur die Arbeitswelt, sie erzeugt auch enormen Bedarf an neuen Fähigkeiten. Damit steht uns eine globale Talentkrise ins Haus“ 1 (WEF-Chef Klaus Schwab). Der Einsatz von Artificial Intelligence (AI, Künstliche Intelligenz) im Human Ressource Management (HR, Personalmanagement) unterstützt darüber das Aufsetzen auf bereits vorhandene Ansätze für ein strategisches Workforce-Management. Die Potenziale der Methoden, die bislang ungenutzt waren, weil sie sich mit bisher verfügbaren Werkzeugen nicht wirtschaftlich bzw. in der dafür verfügbaren Zeit umsetzen ließen, werden damit jetzt erschlossen (siehe Abb. 1).
Motivation
Nur wenige Veränderungen beeinflussen die Zivilisation derart nachhaltig wie eine Änderung des Prinzips, auf dem die Organisation der Arbeit beruht. Was ist Management? Das Beste aus 50 Jahren (Peter F. Drucker) 1
http://www.spiegel.de/karriere/human-capital-index-2017-wef-studie-zuhumankapital-a-1167348.html?xing_share=news.
Eine wesentliche Folge der digitalen Transformation des Wirtschaftslebens besteht darin, dass durch ein noch höheres Maß an Automatisierung auch nichtmanueller Tätigkeiten etablierte Berufsbilder verschwinden und durch neue ersetzt werden. Von diesem Wandel wird erwartet, dass der zukünftige Einsatz intelligenter Technologien die Arbeitsergebnisse weitreichend verbessert. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn ein Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation sein Geschäftsmodell zur Adressierung neuer Kundenanforderungen ändert. DOI 10.1007/s00287-018-1097-y © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 Adrian Vogler 90610 Winkelhaid E-Mail:
[email protected]
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Zusammenfassung Dieser Aufsatz behandelt die gleichermaßen interessante und relevante Frage nach der digitalen Transformation im Personalbereich. Er beschäftigt sich mit dem dortigen Nutzen einer Cognitive-Computing-Plattform sowie ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Mitarbeiter. Im Rahmen der digitalen Transformation werden nicht nur neue digitale Wertschöpfungsketten gebildet. Innerhalb dieser neuen, digitalen Wertschöpfungskette werden die Aufgabenteilungen zwischen Mensch und Maschine neu definiert. Von dieser Transformation sind alle Bereiche eines Unternehmens betroffen. Jeder Bereich muss für eine erfolgreiche Umsetzung seinen Beitrag leisten. Die Ausarbeitung konzentriert sich auf kognitive digitale Assistenten (KDA) für den Bereich des HumanRessource-Managements (HR). Sie zeigt, wie damit die Wertschöpfung im Rahmen der digitalen Transformation auf eine neue Ebene gehoben werden kann. Ob Unternehmensleitung, die Manager oder die Mitarbeiter; alle Beteiligten profitieren.
Alle Beteiligten sind aufgrund der neuen Anforderungen vor die Frage gestellt, inwiefern bzw. wie lange die durch die aktuelle Arbeitsteilung festgelegten Rollen und die dahinterstehenden Kompetenzprofile noch von Bedeutung sind. Oder, ob während und nach der Transformation neue bzw. geänderte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen (im Folgenden kurz ,,Skills“ genannt) erforderlich sind. Und wenn das qualitativ der Fall ist, dann stellt sich natürlich auch die Frage, wie sich das quantitativ auswirkt. Die Unternehmensleitung ist vor einer Umsetzung von konkreten Transformationsschritten daran interessiert, wie sich die Anforderungen des digital transformierten Geschäftsmodells auf die Workforce abbilden. Die Mitarbeiter müssen sich dann aufgrund der neuen Anforderungen mit der Frage befassen, inwiefern bzw. wie lange die von ihnen aktuell bekleideten Rollen und die dahinterstehenden Kompetenzprofile noch von Bedeutung sind Und wie gut passen die Skills, über die sie verfügen, zu dem neuen, digital transformierten Wertschöpfungsprozess und den neuen, dort benötigten Rollen?
Eine (Berufs-)Welt im Wandel Was ist ein Beruf eigentlich? Ein Beruf ist eine Tätigkeit, die man dauerhaft ausübt, für die man eine bestimmte Ausbildung besitzt und mit der man seinen Lebensunterhalt verdient.2 Ein Beruf ist die im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung aufgrund besonderer Eignung und Neigung systematisch erlernte, spezialisierte, meistens mit einem Qualifikationsnachweis versehene, dauerhaft und gegen Entgelt ausgeübte Betätigung eines Menschen.3 Unter Beruf versteht man verfassungsrechtlich jede auf Dauer angelegte, der Einkommenserzielung dienende menschliche Betätigung.4 Ein Blick zurück ... Mit diesen Definitionen ausgestattet, werfen wir erst einmal einen Blick zurück in die Vergangenheit Abb. 1 Ein kognitiver, digitaler Assistent, der Vorschläge zu Rollenwechsel, Weiterbildung und Umqualifizierung bietet; und das unter Berücksichtigung von Trends am Markt, der Strategie der Unternehmensführung, den Erfahrungen und Talenten der Mitarbeiter.
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2 https://www.bing.com/search?q=was+ist+ein+beruf&form=EDGTCT&qs=DA&
cvid=354dd7ce1bae41309868904cf750078d&cc=DE&setlang=de-DE&elv=AXX frEiqqD9r3GuelwApulpUHcuBbuwNzeNYZP4%21qLTthV84cAXtdyNQBpufvs WAbMT3Jmuab8kl*8ap09o7Ds6a4tYX7ff0jT4Jd%2142aSzB. 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Beruf. 4 BVerfGE 7, 377, 397.
Abb. 2 Das Planungsmodell zum strategischen Workforce-Management. Der Aufsatz beschäftigt sich mit der Fragestellung, welchen Nutzen eine AI-basierte Plattform als Instrument in diesem Kontext stiften kann
der Berufe. Wer kennt noch die folgenden Berufe oder kann sich vorstellen, was ein Abdecker, ein Fischbeinreißer [6], ein Kalfater, ein Lustfeuerwerker oder ein Planetenverkäufer machte? Und wie sieht es aus, wenn wir einen Blick nach vorn tun? Wer hat bereits heute ein klares Bild davon, was ein Mangelanalysator oder ein Bioabfalloptimierer zukünftig tun müssen [2]? Wir tun uns um ein Vielfaches leichter, wenn stattdessen ,,nur“ die Frage zu beantworten ist, was ein Taxifahrer oder ein Sportreporter machen. Hier fällt einem die Antwort darauf sicher leichter. Warum ist das so? Das sind Berufe, die man kennt. Manche aus eigenem Erlebten. Oder wer hat sich noch nicht mit einem Taxifahrer unterhalten? Oder Sportnachrichten gesehen oder gehört? Deshalb kann man sich gut vorstellen, was jemand, der diesen Beruf ausübt tagtäglich leisten muss. Was will uns der Blick zurück und der Blick nach vorn zeigen? Die Tatsache, dass der Wandel immer mit – manchmal rapiden – Veränderungen in der Arbeitswelt einhergeht. Diese rapiden Veränderungen der Arbeitswelt haben in der Vergangenheit bereits Hunderte von ausgestorbenen Berufen hinterlassen [5]. Viele unserer Vorfahren haben ihr Leben lang Berufe ausgeübt, von denen wir heute rein gar nichts mehr wissen. Geschweige denn, von dem Beruf schon mal etwas gehört haben.
Unsere Enkel und Urenkel werden mit Sicherheit eine Vielzahl von Berufe ausüben können, die erst noch neu entstehen werden. Insbesondere die Digitalisierung, die in allen Bereichen der Wirtschaft unterwegs ist, beschleunigt diesen Prozess der Transformation der Berufswelt eher, als dass sie ihn abschwächt. So werden diese Veränderungen, die sich in der Vergangenheit manchmal über Generationen erstreckt haben, für uns plötzlich innerhalb einer Generation wahrnehmbar. Und selbst
,,Futurist Speaker und Job-Listen“ Thomas Frey, seines Zeichens ,,Futurist Speaker“, hat sich im Rahmen seiner Arbeit insbesondere mit der Auswirkung auf die Berufswelt beschäftigt. Dabei hat er eine Liste von 101 Berufe erstellt, die es aus seiner Sicht in der Zukunft so wohl nicht mehr geben wird. 101 Endangered Jobs By 2030 | Future Jobs | Business Trends – Futurist Speaker [1]. Seine zweite Liste enthält die Berufe der Zukunft. Diese Liste umfasst 162 Einträge. Folglich sind 101 Berufe vom Aussterben bedroht. Dafür werden aber 162 neue Berufe geschaffen. Auf den ersten Blick ist diese Bilanz also positiv. 162 Jobs of the Future | Future Of Technology | Future Jobs – Futurist Speaker [2].
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wenn sich diese Transformation vielleicht noch nicht in einem größeren Umfang in den Berufsbezeichnungen widerspiegelt, so läuft diese Veränderung bereits ,,auf der Ebene darunter“. Man muss nur einen Blick auf die Inhalte der Stellenanzeigen werfen. Bei den Skills und Fertigkeiten, über die man verfügen sollte, ist die Digitalisierung allgegenwärtig.
Bestehende Ansätze Aktuell werden im Bereich des Skillmanagements Werkzeuge eingesetzt, die die persönlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter in einer Matrix mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad erfassen. Die Fähigkeiten werden einen Reifegrad zugeordnet. Dies geschieht insbesondere bei Unternehmen mit < 200 Mitarbeitern. Diese Informationen werden genutzt, um geeignete Mitarbeiter für diverse Projekte zu identifizieren. Das Problem ist, dass zukünftige Skills hier nicht abgebildet werden. Die Weiterentwicklung der Mitarbeiter wird meist auf einer separaten Ebene organisiert. Mittlerweile existieren erste Werkzeuge, die Kursinhalte und Karrierepfade vorschlagen können (z. B. Cornerstone OnDemand, PeopleFluent). Diese greifen aber häufig zu kurz. Eine Vielzahl sehr bedeutsamer Faktoren wird bei der Vorschlagsgenerierung leider vernachlässigt. Die Unternehmensstrategie, Markt- und technologische Entwicklungen und persönliche Präferenzen der Mitarbeiter sollten nicht außer Acht gelassen werden. Das liegt unter anderem auch daran, dass diese Werkzeuge noch auf Technologien beruhen, die einen ganzheitlichen Ansatz nicht unterstützen. Darüber hinaus hält die Steuerung externer und interner Mitarbeiter besonders in Zeiten der Globalisierung vielfältige Herausforderungen bereit. Diese können mit den genannten Werkzeugen überhaupt nicht adressiert werden. Ferner kommt es in Zeiten permanenter Transformation und Restrukturierung darauf an, die benötigten Kompetenzen schnell und flexibel mobilisieren zu können.
– Wo muss die Wettbewerbsfähigkeit – möglicherweise global operierenden – in Unternehmensteilen durch einen geänderten ,,Workforce-Mix“ verbessert werden? – Werden durch die Technologiesprünge mehr oder weniger Mitarbeiter benötigt? – Wo muss ein tiefgreifender Skillshift erfolgen, um neue Geschäfte und Innovationen zu ermöglichen? – Und wie kann ein solch notwendiger bereichsübergreifenden Skillshift organisiert werden?
Nutzen ist keine Frage der Unternehmensgröße Dabei spielt die Unternehmensgröße, wenn es um den prinzipiellen Einsatz des strategischen Workforce-Managements geht, keine entscheidende Rolle. Große und globale Unternehmen weisen meist eine Mitarbeiteranzahl im sechsstelligen Bereich auf. Insbesondere die Entwicklung und Neuverteilung der bestehenden Workforce wird hier im Fokus stehen. Doch auch bei mittleren und kleineren Unternehmen schafft das Instrument Transparenz über die vorhandenen personellen Ressourcen. Der Fokus kann hier z. B. in der Ableitung von maßgeschneiderten Karrierepfaden liegen. Außerdem wird durch den Einsatz des Instrumentes schnell deutlich, wo vielleicht in bestimmten Kernkompetenzen keine ausreichenden Ressourcen vorhanden sind. Mit geeigneten HR-Maßnahmen kann so frühzeitig gegengesteuert werden kann.
Ein Instrument für die Digitale Transformation? Es empfiehlt sich mit dem Einsatz des strategischen Workforce-Managements in Bereichen zu beginnen, die vor tiefgreifenden Veränderungen stehen – bspw. durch neue Technologien – und die einen signifikanten Anteil an den Personalressourcen des Unternehmens ausmachen. Dort scheint das Instrument ideal auf das Adressieren der Herausforderungen zugeschnitten zu sein, vor die die digitale Transformation ein Unternehmen stellt.
Erfolgsfaktoren Offene Fragen Details zum Strategischen Workforce-Management Die Fragen, die es beantworten will, lauten deshalb u. a.:
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Da die Einführung des strategischen WorkforceManagements alle Unternehmensteile betrifft, ist die Unterstützung durch das Top-Management eine zwingende Voraussetzung. Außerdem leiten sich die Fragen direkt aus der vom Top-Management vorgegebenen Unternehmensstrategie ab. Auch gilt es, die
unterschiedlichen Stakeholder vom Mehrwert dieses aktiven, ganzheitlichen Ansatzes zu überzeugen. Neben einem professionellen Projektmanagement spielen natürlich weitere Aspekte, wie zum Beispiel eine Abstimmung mit Betriebsrat und Datenschutz eine Rolle. Das Instrument verspricht eine transparente und nachvollziehbare Personalplanung zur Verfügung zu stellen, abgeleitet aus der Unternehmensstrategie. Die Akzeptanz bei den beteiligten Sozialpartnern stellt somit kein unlösbares Problem dar. Der Einbezug unterschiedlichster gesetzlicher Regelungen (z. B. im Arbeits- und Datenschutzrecht) in unterschiedlichen Ländern, hat sich vom Aufwand allerdings als nicht zu unterschätzen herausgestellt. Das A und O, damit das strategische WorkforceManagement sein Nutzenversprechen einlösen kann, ist der kontinuierliche Einbezug von verlässlichen Daten aus dem Unternehmen und seinem Umfeld. Dieses ist – wie bei jedem Instrument aus dem Data Analytics-Bereich – essenziell. Da das Instrument auf eine große Menge an Daten angewiesen ist, ist dafür eine konzernweite, einheitliche und strukturierte Erfassung notwendig. Dazu muss sich mit Themen beschäftigt werden, wie z. B.: – Welche Daten werden benötigt? – Welche Daten sind bereits vorhanden? – Welche Unterschiede gibt es bzgl. der Bedarfseinschätzung, des Verhaltens und der Bewertung in (bei global agierenden Unternehmen) in unterschiedlichsten Kulturkreisen?
Aufwände Da ist der Anfangsaufwand, weil grundlegende Strukturen und Prozesse geschaffen werden müssen. Ebenso werden Methodik und Tools eingeführt. Diese müssen anschließend in Schulungen vermittelt werden. In der Folge muss jeder ,,Business Case“ auch einen ,,People Case“ beinhalten. Dieser muss den notwendigen Skillaufbau, -umbau und -abbau, sowie die damit verbundenen Kosten und Risiken klar aufzeigen.
Beurteilung der Ist-Situation Gerade der letztgenannte Punkt konnte von den Tools und Werkzeugen nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Zumindest nicht, wie sie für einen Einsatz im Rahmen eines strategischen
Workforce-Managements bislang zur Verfügung standen. Die zu leistenden manuellen Aufwände sind auf Dauer zu hoch. Selbst, wenn man bereit ist, entsprechende personelle Ressourcen für den Einsatz zur Verfügung zu stellen, dann ist das Gesamtsystem in vielen Fällen immer noch nicht performant genug, jedenfalls, was Hypothesenbildung und das Ableiten von off-Szenarien anbelangt.
Neue Digitale Assistenten für HR Welche Rolle spielt dabei Cognitive Computing? Digitale Systeme sind heute bereits in der Lage, beliebig große Datenmengen unter Anwendung von programmierten Algorithmen auszuwerten. Weder bereitet diesen Systemen das Einlesen großer Datenmengen Schwierigkeiten, noch haben sie Probleme mit komplexen Berechnungen und liefern dazu Ergebnisse, die unsere menschlichen Fähigkeiten um ein Vielfaches übertreffen. Bestehende Tools setzen dabei, wie zuvor auch für das strategische Workforce-Management beschrieben, allerdings darauf, dass Daten in einer strukturierten Art und Weise vorliegen. Diese Daten werden für eine Auswertung in einer relationalen Datenbank hinterlegt. Der Schlüssel für die Erschließung, der in der Datenbank abgelegten Informationen, ist das Datenbankschema. Die herkömmlichen Programme funktionieren nur, wenn sie auf Basis einer solchen Datenbank mit Daten versorgt werden. Ein kognitives System unterliegt dieser Restriktion nicht. Es ist in der Lage, sowohl mit strukturierten, d. h. in einer Datenbank hinterlegten Daten, als auch mit unstrukturierten Daten, wie z. B. einem Textdokument, umzugehen. Dazu lernt das kognitive System in der Trainingsphase die Semantik der Domäne, in der es eingesetzt werden soll. Dadurch wird es in die Lage versetzt, die Daten, die relevant sind, entsprechend der Fragestellung des Wissensarbeiters zu verarbeiten und aufbereiten zu können. Egal ob diese Daten strukturiert, semistrukturiert oder unstrukturiert vorliegen. Schließlich ist ein kognitives System ein lernendes System. Je mehr Big Data es für seine Aufgabe zur Verfügung gestellt bekommt, desto besser. Ein kognitives System ist in der Lage in dem Datenrauschen die Muster zu identifizieren, auf die es dem Informatik_Spektrum_41_2_2018
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Abb. 3 Die Plattform, auf der die kognitiven, digitalen Assistenten für das Skillmanagement zur Verfügung gestellt werden können, in einer Übersicht
Wissensarbeiter ankommt. Noch dazu kann es neue Muster in den Big Data identifizieren und finden, die mit den beschränkten Möglichkeiten des mentalen Systems des Wissensarbeiters nicht so offensichtlich erkennbar waren.
Wertschöpfende Verbindungen schaffen Wie können nun die bestehenden Werkzeuge wertschöpfend über eine Cognitive-ComputingPlattform verbunden werden? Im Fall der Digitalisierung des Skillmanagements sind das die Datenquellen, über die das Unternehmen bezüglich seiner Workforce bereits verfügt, angereichert um die Daten aus weiteren Datenquellen. All das, um die Wissensbasis aufzubauen, die zur Beantwortung der Fragestellungen im Rahmen der digitalen Transformation der Workforce notwendig sind. Die kognitive Plattform kann, Zug um Zug, um diese zusätzliche Datenquellen ergänzt werden. Über
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jede, von den Domänenexperten identifizierte und integrierte Datenquelle, wird die kognitive Plattform mit ihren Empfehlungen und Prognosen besser, da es sich um ein lernendes System handelt.
Transformationsszenarien vorab durchspielen Die AI-basierte Plattform ist dann in Lage in unterschiedlichster Transformationsszenarien wertschöpfend eingesetzt zu werden, um zum Beispiel die mit dem jeweiligen Szenario verbundene Trade-offs zu visualisieren. Hier einige mögliche Fragestellungen, auf die die digitalen, kognitiven Assistenten einer solchen Plattform trainiert werden können: – Welche Skills werden für die digitale Transformation des Unternehmens in welcher Quantität und in welcher Qualität gebraucht?
– Wie kann die digitale Transformation des Unternehmens in der kürzesten Zeit erfolgen? – Wie kann die digitale Transformation des Unternehmens mit den niedrigsten damit verbundenen Kosten erfolgen? – Wie kann die digitale Transformation des Unternehmens unter Priorisierung der Um- und Weiterbildung der bestehenden Workforce erfolgen?
Notwendige digital-kognitive Assistenzfunktionen Prinzipiell müssen die digitalen Assistenten dabei drei Grundfunktionalitäten zur Verfügung stellen, die nachfolgend skizziert werden: Leitfrage: ,,Über welche Kompetenzen verfügt die Workforce aktuell?“ Basierend, auf im Unternehmen verfügbaren Angaben, klassifiziert das System, mittels der intelligenten Kompetenzanalyse die Kompetenzen (das sog. Unternehmens-Skillset). Verfügbare Angaben könnten beispielweise folgende sein: – aktuelle Rollen – Lebensläufe – Projekthistorien und Skills – ggf. auch speziell erarbeitete psychologische Fragebögen zu Soft Skills Dies erfolgt durch die Zuweisung von Skills aus der Kompetenzontologie. Dies geschieht mittels des Verfahrens des überwachten maschinellen Lernens, das auf Trainingsdaten aufbaut. Diese Analyse kann bei Bedarf auch auf Rollen oder Personen heruntergebrochen werden, um die entsprechenden Rollenbzw. Personen-Skillsets zu bearbeiten. Leitfrage: ,,Passen die aktuellen Skills in meinem Unternehmen zur geplanten digitalen Transformation und dem angestrebten digitalen Zielgeschäftsmodell?“ Auf Basis der Unternehmensziele und der in der Kompetenzontologie hinterlegten Information zur Veränderung von Kompetenzen wird prognostiziert, wie sich ein Skillset im Laufe der Zeit verändern wird. Veränderungen können dabei die Zu- oder Abnahme der Bedeutung von Kompetenzen sein, aber auch das Hinzutreten neuer, erforderlicher Kompetenzen. Eine Marktsicht erlaubt, den Ressourcenbedarf eines Unternehmens zu prognostizieren. So kann
die jeweilige HR-Strategie weiterentwickelt werden. Die Kompetenzprognose kann damit auf der jeweils interessierenden Ebene (für einen einzelnen Mitarbeiter, in Bezug auf Rollen oder auf Unternehmen) angewendet werden. Die Definition einer Rolle reduziert sich nicht nur auf einen Namen, sondern beinhaltet eine Summe der bekannten notwendigen Skills und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um eine Rolle erfolgreich verkörpern zu können. Sobald die Suche nach neuen Rollen auf Basis von Skills, Fähigkeiten und Fertigkeiten gemacht wird, wird das Suchergebnis nicht mehr binär – es passt oder es passt nicht. Dadurch wird man in die Lage versetzt, Abdeckungsgrade zu einer gewünschten Position darstellen und mögliche Gaps (Lücken) hervorheben zu können. Leitfrage: ,,Welche Um- oder Weiterbildung der bestehende Workforce muss auf Basis der Kompetenzprognose und im Abgleich mit den persönlicheren Zielen und Präferenzen der Beteiligten für die Umsetzung der Transformation geplant werden?“ Basierend auf der Kompetenzanalyse und -prognose, Markttrends, den persönlichen Kompetenzzielen und Präferenzen der Beteiligten und im Abgleich mit Weiterbildungsangeboten werden Szenarien entwickelt und entsprechende Transitionspfade berechnet.
Ausbau der Plattform Die fortlaufende Aktualisierung der Kompetenzen, aber auch der Vorlieben und Präferenzen der Mitarbeiter ist für eine zielgerichtete Weiterentwicklung oder Einarbeitung neuer Mitarbeiter erforderlich. In der Praxis gestaltet sich das jedoch schwierig. Ein Grund hierbei ist, neben der Komplexität des Skillmanagements durch Werkzeuge, die fehlende Zeit im Tagesgeschäft und die Auslastung der HRAbteilungen. Eine individualisierte Beratung kann nicht vollumfänglich geleistet werden. Es ist aus diesem Grunde erstens eine stärkere Automatisierung erforderlich, zweitens, die Verbesserung der Motivation der Mitarbeiter und die Aktualität ihrer Profile zu halten. Drittens müssen die Werkzeuge hierzu leicht benutzbar sein. Nur mit aktuellen Profilen können zielgerichtete Mitarbeitergespräche initiiert und durchgeführt werden. Vorschläge für die Um- und Weiterbildung (oder Vertiefung) mittels intern oder extern erInformatik_Spektrum_41_2_2018
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brachter Weiterbildungsdienstleistungen können unter Beachtung aller relevanten Faktoren generiert werden. Dazu zählen, neben der Unternehmensstrategie, die aktuelle und zukünftige Marktsituation sowie die Bedürfnisse, Präferenzen, Ziele (z. B. Qualifikationsziele, Lebenssituation) und Persönlichkeit des Mitarbeiters. Bei einer derart hohen Anzahl von Einflussfaktoren ist eine IT-Unterstützung zur Generierung dieser Vorschläge dringend erforderlich, um jedem Mitarbeiter die bestmögliche individuelle Weiterentwicklung zu bieten. Dies ist insbesondere auch im Hinblick auf die Gewinnung und Bindung hochqualifizierter Mitarbeiter von Bedeutung. In der aktuellen Praxis existieren viele Insellösungen, mit denen teils redundante Daten verwaltet werden. Zum Beispiel Kompetenzprofile, Informationen zu Weiterbildungsangeboten, persönliche CV-Daten und Protokolle zu Status- und Bewertungsgesprächen. Durch den Aufbau einer solchen Plattform ergeben sich natürlich nicht nur für den Bereich HR, sondern auch für die anderen Beteiligten an und auf dieser Plattform Nutzenpotenziale, was durch diese Aufzählung sicher deutlich geworden ist. Diese Ausarbeitung hat sich auf den Nutzen einer Cognitive-Computing-Plattform als Instrument im Kontext des strategischen WorkforceManagements konzentriert. Der Aufsatz hat sich im Schwerpunkt mit der Erschließung des Nutzens eines bestehenden strategischen WorkforceManagement-Ansatzes durch den nun möglich gewordenen Einsatz von AI und Cognitive Computing beschäftigt. Dabei ist das grundsätzliche Nutzenpotenzial, das eine Cognitive-Computing-Plattform für den Bereich HR bietet, von einem vorhandenen Konzept zum strategischen Workforce-Management
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durchaus unabhängig. Um dieses Nutzenpotenzial zu erschließen, muss man nicht erst ein solches Konzept erstellen. Doch wenn man im Unternehmen bereits über ein solches Konzept verfügt, dann ist das ein Eingangsartefakt, das ideal von der aufzubauenden HR-Cognitive-Computing-Plattform verwertet werden kann. Da es sich bei dieser Plattform um ein lernendes System handelt, können Schritt für Schritt angrenzende Einsatzfelder erschlossen werden. Adrian Vogler ist Gründer und CEO des Startup StratWorX UG (http://www.stratworx.de) [7], das sich den Aufbau der in diesem Aufsatz beschriebenen AI-basierten Plattform zum Ziel gesetzt hat. Als Mitglied der Peter Drucker Society Europe sowie des Expert Network Horizon 2020 der EU ist es ihm ein Anliegen, Unternehmer und verantwortliche Manager aller Organisationen, insbesondere KMU, über die Möglichkeiten der Digitalisierung verständlich und klar zu informieren und sie bei der Implementierung digitaler Instrumente in ihr Geschäftsmodell zu unterstützen. Er bringt fast 30 Jahre praktische Arbeitsmarkt- und Digitalisierungserfahrung aus einer Vielzahl von Projekten mit.
Literatur 1. DaVinci Institute – Futurist Speaker: 101 Endangered Jobs by 2030. http://www.futuristspeaker.com/business-trends/101-endangered-jobs-by-2030/, last access: 17.6.2017 2. DaVinci Institute – Futurist Speaker: 162 Future Jobs – The Video. http://www.futuristspeaker.com/business-trends/162-future-jobs-the-video/, last access: 17.6.2017 3. Detecon: Total Workforce Management. http://www.detecon.com/de/ Publikationen/total-workforce-management, last access: 17.6.2017 4. Drucker PF (2002) Was ist Management? Das Beste aus 50 Jahren. Bd. 1. Econ, Wien 5. Palla R (2014) Verschwundene Arbeit: das Buch der untergegangenen Berufe. 2. Aufl. Brandstätter, Wien 6. Spiegel Online Germany Hamburg: Wirtschaftsgeschichte: Als Fischbeinreißer ein Top-Job war – SPIEGEL ONLINE – Wirtschaft. http://www.spiegel.de/wirtschaft/ alte-berufe-der-fischbeinreisser-zerkleinerte-die-barten-von-walen-a-835788.html, letzter Zugriff: 17.6.2017 7. StratWorX – Home. http://www.stratworx.de/, letzter Zugriff: 17.6.2017