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„DIE SKEPSIS ERNST NEHMEN UND AUSRÄUMEN“ Elektroautos können mit emotionalem und unverwechselbarem Design begeistern. Selbst Skeptiker überzeugt das elektrische Fahren. Dennoch stellen die meisten Automobilingenieure und die breite Öffentlichkeit den wirtschaftlichen Erfolg der E-Autos selbst im Premiumsegment wie dem BMW i3 infrage. Deswegen fragte die ATZ keinen Ingenieur, sondern einen Marketing-Experten aus dem BMW-i-Team. Manuel Sattig ist studierter Betriebswirt, und er ist sich seiner Sache sicher. Manuel Sattig (Jahrgang 1974) ist Projektmanager bei BMW i der BMW AG, eine Position, die er im Mai 2010 eingenommen hat. In dieser Funktion ist er verantwortlich für die Strategie, Planung und Koordination der BMW-i-Kommunikationsaktivitäten. Er begann seine Karriere in der Automobilbranche bei BMW im Jahr 2002 als Zubehör-Marketingspezialist und als Aftersales Launchmanager, zuständig für den BMW X3 und den BMW 1er. Zusätzlich war er für Marketing- und Vertriebskonzepte von Mini-Zubehör zuständig. Zwischen 2005 und 2010 übte Sattig verschiedene Funktionen bei
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Mini Deutschland aus, dabei unter anderem die Projektleitung von „Go for Mini“ als Marketingspezialist. Diesen Aufgaben folgten das Launchmanagement für die Modellvarianten John Cooper Works GP und Clubman sowie das Handelsmarketing für die Markteinführung des Countryman. Im Folgenden wurde er zum Projektleiter des Mini E benannt. Sattig hat zwischen 1995 und 1996 an der Universität von Bamberg Betriebswirtschaftslehre studiert und seinen Abschluss als Diplomkaufmann im Jahr 2001 an der Universität von Hamburg absolviert.
ATZ _ Herr Sattig, Deutschland ist die Autoschmiede der Welt. Sowohl die Branche als auch die Kundschaft, gar unsere Gesellschaft, ist auf Premiumprodukte eingeschworen. BMW steht für Premium, und Premium hat seinen Preis, der offensichtlich bezahlt wird, insbesondere wenn viel Hightech verbaut ist. Warum werden Elektrofahrzeuge wie der i3, der diese Gene auch in sich trägt, immer als zu teuer empfunden? Gelten hier strengere Maßstäbe? SATTIG _ Die
Messlatte für ein neues, noch zu etablierendes Produkt liegt anfangs immer höher. Sie müssen eine Eingangshürde überspringen. Würde heute der Verbrennungsmotor eingeführt werden, wäre die Skepsis, die es zu überwinden gilt, möglicherweise noch höher.
Wie begegnen Sie dieser Skepsis?
Zunächst mit einem höchst attraktiven Preis von 34.950 Euro. Wenige Beobachter in der Branche haben gedacht, dass wir mit dem BMW i3 so deutlich unter der 40.000-Euro-Schwelle liegen. Die Premium-Positionierung funktioniert, das zeigen unsere Verkaufszahlen. Der BMW i3 ist ein Fahrzeug, das wie unsere anderen BMW Emotionen weckt, Emotionen, die wir für ein Elektroauto mit anderen Botschaften kommunizieren. Emotion pur ist das elektrische und lautlose Fahren. Wer das einmal erlebt hat, ist davon überzeugt. Dennoch gilt es, weitere Überzeugungsarbeit zu leisten. Sichere Lademöglichkeiten und genügend Reichweite werden in Frage gestellt.
Ja, deswegen stellen wir unter anderem unsere Serviceleistungen rund um das Fahrzeug in den Vordergrund. Der Kunde will jederzeit uneingeschränkt mobil sein. Wir müssen die Ängste und Bedenken ausräumen, die dem E-Auto diesbezüglich entgegengebracht werden. Und das können wir mit dem Rund-umSorglos-Paket „360° Electric“ und intelligentem Energiemanagement.
dern begegnen solchen Innovationen wesentlich aufgeschlossener. Die Elektromobilität mit den dafür entscheidenden Rahmenbedingungen ist dort weiter entwickelt. Die deutsche Nationale Plattform Elektromobilität ist ad absurdum geführt? Das Land der automobilen Innovationstreiber abgehängt? Wo sind ihre Märkte?
Die Bestellungen für den i3 kommen aus den USA, China und Japan – sowie aus Europa. Die Südkoreaner sind begeistert, unter anderem sind sie stolz, dass BMW-iFahrzeuge mit Samsung-Batteriezellen bestückt sind. Auch dort entsteht ein starker Elektromobilitätsmarkt. Zudem sehen wir
„Wir gehen mit einem höchst attraktiven Preis in den Markt.“ weniger den deutschen als den europäischen Verkaufsraum, vor allem aufgrund der geltenden EU-Gesetzgebungen. Länder wie Frankreich und die Niederlande bieten Anreize für den Kauf von Hybrid- und Elektrofahrzeugen mit bis zu 7500 Euro. Die Förderlandschaft ist sehr heterogen. In Deutschland gelten die Pkw-Steuerbefreiung und die Abschreibemöglichkeit für die Hochvoltbatterien. Skandinavische Länder bieten sich mit dem hohen Anteil regenerativ erzeugter Elektrizität an. Das unterstützt auch unseren konsequenten Weg der Nachhaltigkeit.
Wie offensiv können Sie Ihre Elektrofahrzeuge künftig bewerben? Mit einigen Argumenten wird ja deutlich, dass der Verbrennungsmotor sich nicht immer eignet, zum Beispiel auf den viel gefahrenen Kurzstrecken.
Die Konkurrenz im eigenen Haus sehe ich überhaupt nicht. Der Verbrennungsmotor hat selbst in dem nun erweiterten Portfolio von Antriebslösungen sehr gute Wachstumsprognosen. Jedes Segment wird wachsen. Wie offensiv wir für Alternativen einstehen, zeigen allein unsere Mobilitätsangebote, das Umsteigen auf andere Verkehrsträger oder das Carsharing DriveNow. In vier deutschen Städten und in San Francisco haben wir in den vergangenen zwei Jahren mehr als 140.000 Kunden gewonnen. Manche dieser Nutzer könnten wir als Autokäufer, die vorher keine BMW-Kunden waren, möglicherweise an uns binden. Eine Kannibalisierung lässt sich dennoch nicht ganz ausschließen?
Ganz ausschließen kann man das nicht, aber wenn, dann hält es sich sehr in Grenzen. Welches Wachstum erwarten Sie für Elektround Plug-in-Hybridfahrzeuge?
In 2020 rechne ich mit einem Anteil bei den weltweiten Neuzulassungen von 5 bis 8 %. Das ist konservativ gerechnet. Denn das Wachstum ist abhängig von den Fortschritten in allen Elektromobilitätsthemen und einem Umdenken in der Gesellschaft.
„Wir rechnen damit, dass in der Anfangszeit viele Kunden den Range Extender bestellen werden. Mit der Zeit werden die meisten von ihnen bemerken, dass sie ihn nicht brauchen“, prognostiziert Manuel Sattig
Besteht nicht auch Skepsis gegenüber den neuen Techniken? BMW i hat innerhalb von nur sieben Jahren ein komplett neues Fahrzeug aufgebaut. Neben der KohlefaserKarosserie bauen Sie eigene Elektromotoren. Die Batterietechnik ist in der öffentlichen Meinung immer noch ein Sorgenkind.
Ich denke, dass man uns zutraut, hier die anerkannte BMW-Qualität abzuliefern. Viele Bedenken sind eher typisch für Deutschland. Menschen in anderen Län11I2013
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Das Umdenken dauert. Heute scheinen Sie junge Zielgruppen mit dem i3 anzusprechen, mit Botschaften an die Generation, die immer vernetzt sein will. Kommt die kaufkräftige Klientel nicht zu kurz?
„BMW i bietet mit der Einführung des BMW i3 erstmalig in der Automobilindustrie einen vollmodularen und reparaturfähigen Hochvoltspeicher an. Ein möglicher Defekt führt somit nicht notwendigerweise zum Komplettaustausch“, betont Manuel Sattig
Unsere Erfahrung zeigt, dass alle Kaufund Altersgruppen anzusprechen sind. Das wollen wir auch. Diese Gruppe, die wir suchen, verbindet ein gemeinsamer Mindset, also Menschen, die den Sinn und die Notwendigkeit dieser neuen Technologien und Fahrzeuge sehen und nicht zuletzt Spaß daran haben. Welcher Prozentsatz der i3-Käufer kommt aus dem privaten Umfeld? Werden Sie mehr Fahrzeuge an Flottenbetreiber und Firmen verkaufen?
Wir haben Nachfragen aus beiden Zielgruppen. Wie sich das Verhältnis in Zukunft einpendeln wird, müssen wir abwarten. Mehr Kunden trauen dem Plug-in-Hybrid und wenden sich von E-Fahrzeugen ab. Macht das nicht einsam?
Wir müssen doch langfristig denken und frühzeitig beginnen. Die teilweise heute unerträgliche Situation in den noch wachsenden Metropolen ist ein triftiger Grund, um Elektrofahrzeuge jetzt in den Markt zu bringen. Mit dem BMW i8 werden wir auch einen Plug-in-Hybrid im kommenden Frühjahr anbieten. Das Portfolio der Antriebe werden wir weiter ausbauen. Ich bin zudem überzeugt, dass viele der Kunden, die zunächst einen Range Extender im BMW i3 wählen, später feststellen, dass sie mit der elektrisch gefahrenen Reichweite in den meisten Fällen hinkommen. Ist die Reichweiten-Verlängerung demnach nur reine Psychologie?
Wir erwarten, dass zunächst sehr viele der i3-Käufer den Range Extender bestellen werden, um sich sicherer zu fühlen. Dennoch sprechen wir mit dem erweiterten Nutzungsprofil selbstverständlich auch Kunden an, die größere Strecken zurücklegen müssen und auf den Range Extender einfach angewiesen sind. Mit besseren Batterien könnten die erzielbaren Reichweiten auch verlängert werden. Lassen sich Erfolge in der Akku-Technik bereits kurzfristig erzielen? Volkswagen stellte im Interview mit ATZelektronik eine Kapazitätserhöhung von 30 bis 50 % für 2014 in Aussicht.
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Diese Prozentzahlen und zeitlichen Prognosen decken sich mit unseren Erfahrungen. Mehr kann ich zur Batterietechnik zu diesem Zeitpunkt nicht verraten. Mehr Wattstunden pro Kilogramm, das erhöht die Reichweite. Sie könnten es aber bei den heutigen 160 km belassen und stattdessen die Batterie kleiner bauen und Kosten sparen.
Für viele Kunden kann das eine attraktive Alternative sein. Ich denke, dass wir mit der von uns gewählten Reichweite mehr Kunden gewinnen – und das steigert generell die Akzeptanz gegenüber Elektrofahrzeugen.
„Die meisten Bedenkenträger gegenüber E-Autos finden wir in Deutschland.“ Mit der teuren Kohlefaser-Karosserie betreiben Sie konsequenten Leichtbau. Je leichter das Fahrzeug ist, desto weniger teure Batterien sind erforderlich. Gibt es einen goldenen Schnitt für das Verhältnis von Fahrzeuggewicht zu Batteriekapazität?
Mit dem BMW i3 haben wir den goldenen Schnitt für diese Fahrzeugkategorie: 1190 kg in der Version ohne Range Extender und einen Energieinhalt von 22 kWh. Kann der Kunde Batterien vorzeitig tauschen, wenn eine leistungsfähigere Generation serienreif wird?
Diesbezüglich befinden wir uns in der Planung. Zu den genauen Modalitäten werden wir zum gegebenen Zeitpunkt informieren. Technisch haben wir unser Konzept so gestaltet, dass sich das unkompliziert und schnell lösen lässt. Was die Branche brennend interessiert ist, welche Kapazität Ihr i3-Werk in Leipzig hat und wie es nun – wenige Wochen nach Produktionsbeginn – ausgelastet wird. Auch über die Anzahl der Bestellungen schweigen Sie beharrlich. In Anbetracht der vielen Skeptiker, die Ihren Markterfolg in Frage stellen, könnten Sie das Schweigen doch brechen.
Wir treffen auch heute keine Aussage dazu. Experten schätzen, dass die Kapazität des Werks bei rund 20.000 Fahrzeugen jährlich liegt. Einige Beobachter vermuten, dass bereits über 35.000 Fahrzeuge bestellt wurden. Die Herausforderung besteht nun darin, diese zu bauen. Schweigen Sie deshalb?
Der Hochlauf in Leipzig läuft nach Plan. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Herr Sattig, ich bedanke mich für das Gespräch.
INTERVIEW: Markus Schöttle FOTOS: Matthias Haslauer
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