Ein Fall yon syphilitischen Gummata der Lar xmuskeln. u Dr. A n t o n Elsenberg, Primararzt der Abtheilungfiir venerischeund ttaugkrankheitenim Israelltenhospitale zu Warschau. F. M, 19 Jahre a]t~ Schneider~ wurde am 10. August 1893 wegen Dyspnoe, welche ihm in der letzten Zeit betr~chtliehe Beschwerden verursachte~ auf meine Abtheilung aufgenommen. Patient ist yon mittlerem Wuchs, gutem K6rperbau~ bietet des Bild einer ausgesprochenen Kaehexie. Die Haut, yon intensiv dunkelgelber Farbe~ ist ziemlich diinn~ atrophlsch~ stark gefaltet; das Unterhautfettgewebe ist geschwunden~ die Muskulatur zart, atrophisch, so dass die oberen und unteren Extremit~ten ungemein dfinn erscheinen (ausgenommen der krankhaft veranderten Partien~ worfiber weiter unten); reiativ am besten ist des Knoehensystem entwicke]t. Die sichtbaren Schleimhs und die Selera sehr blass und gelblich verf~rbt. Die zahlreichen Ver~nderungen der Haut~ der Gelenke etc., die wit schon beim ersten AnbHek bemerken~ datiren nach den Angaben des Patienten seit einem Jahre; n~here Angaben fiber den Beginn der Krankheit und weitere anamnestische Data konnten yore Patienten nieht ermitte]t werden. Wir wollen diese krankhaften Ver~nderunge~ aasffihrlich besehreiben~ da eine derart vernaehl~ssigte Syphilisform mit solehen zahlreichen Veranderungen der verschiedenen Organe gewiss heute zu den grSssten S~ltenheiten gehSrt. D i e r e c h t e o b e r e E x t r e m i t a t . Die Gegend des Ellenbogengelenkes zeigt eine betr~cht]iche Ansehwellung, welehe auf der stark abgemagerten und diinnen Extremit~t einen fast kindskopfgrossen Tumor yon barter, elastischer Consistenz ~ort~useht. Auf der Extensorenseite des Gelenkes sieht Ran auf dieser Geschwulst ein regelmassig rundes, 6 Cm. im Diameter messendes Gescbwfir; die R~nder der Ulceration sind erhaben: hart~ stark ~nfiltrirt~ scharf abgeschnitten und der Grund desselben, weleher schon theilweise mit rothen Granulationen ausgefiillt erscheint, bildet des Unterhautbindegewebe. Von dieser Ulceration konnten zum Gelenk und zum Knochen keine Fisteln eonstatirt werden. An den Ver~nderungen der Ellenbogengegencl nehmen Antheil ausser den, des Gelenk zusammensetzenden Bestandtheilen desselben
58
Elsenberg.
aueh die das Gelenk umgebenden Partien. Die Gelenkenden der Ulna und des Radius sind bedeutend verdickt, namentlieh aber der Olecronon; die Bewegungen des Ge!enkes sind deshalb nicht ausffihrbar und der Vorderarm beharrt in Flexionsstetlung. Im Gelenk selbst befindet sich zur Zelt kein Exsudat und konnten wit keine bei den Bewegungen auftretenden Vergnderungen der Gelenkfl~chen constatiren. Die das Gelenk umgebenden Weichtheile sind sehr stark infiltrirt, bi]den eine fast zusammenfliessende, harte, elastische Masse; es scheint als ob an Stelle der gummSsen Infiltration das e]astische fibrSse Gewebe immer mehr heranrticken wiirde; die diese Anschwel]ung der Gelenkgegend bedeckende Haut ist stark gerSthet und nieht versehiebbar. Auf der Haut des Brachialgelenkes sehen wir einige zerfallende Gummata, deren Rand und Grund eine elastische H/irte zeigen; die Gr5sse dieser Gummata fiberschreitet nicht die GrSsse einer Hasel- und tiirkischen Nuss. Durch die: die inhere Fi~che des rechten Armes, die obere Partie des Brustkorbes und die rechte AchselhShle bedeckende Haut schimmern stark erweiterte und gewundene Yenen hindurch. Die Ver/inderungen in den Venen mfissen wir einem Druck, welchen die Gruppe der gummSsen~ harten, elastischen Geschwfilste yon der GrSsse einer tfirkisehen Nuss bis zur GrSsse eines Taubeneies~ die theilweise in einen diffusen, platten und lappigen Tumor iibergehen, auf die grSsseren Venenzweige ausiiben, zuschreiben ; dieser Tumor nimmt den N. pectoralis major ein und ]~sst sich mit demselben versehieben, die ihn bedeckende Haut ist verschiebbar. Die linke obere Extremit~t ist ebenfalls stark ver~ndert. Die Weichtheile der oberen H~lfte des 0berarmes zeigen eine welt vorgesehritfene Atrophie ; veto oberen Viertheil in der Richtung der Clavicula und der Spina scapulae isf die Haut mit zahlreichen Gummata bedeckt. Dieselben sind yon Haselnuss- his WallnussgrSsse, ja sogar noeh grSsser, yon rothvioletter Farbe, ziemlich hart und yon elastischer Consistenz; einige derselben sind gesehwiirig zerfallen und seeerniren eine gelbliche flfissige, eitrige Masse; die R~nder der Geschwfire sind auf einer ziemlieh grossen Streeke unterminirt, verdiinnt und yon dunkel-violetter Farbe. Zu beiden Seiten des Cartilage thyreoidea und der Trachea, namentlieh aber auf der linken Seite und naeh vorn eonstatiren wir eine grosse Quantit~t harter, elastischer Tumoren sowohl in der Haut~ wie auch im Unterhautbindegewebe und in den ~'Viuskeln. Einige Hautgummata And geschwfirig zerfallen; die im Unterhautbindegewebe und in den Muske]n liegenden Gummata bilden eine zusammenfliessende, unregelm~ssig gestaltete Tumormasse, welche innig mit den Larynxknorpeln und der Trachea verbunden und nut zusammen mit den tetzteren versehiebbar ist; die Haut ist in dieser Region nicht mit dem Tumor verwachsen, ira Gegentheil leieht verschiebbar. Unterhalb des rechten O h r e s befindet sich ebenfalls ein Tumor yon bedeutenden Dimensionen und ist fest mit dem hinteren Rande des
Ein Fall yon syphilit, Gummata der Larynxmuskeln.
59
Unterkiefers verwachsen; dieser Tumor macht den Eindruck einer, aus einer grossen Anzahl zusammenttiessender Gummata, bestehenden Geschwulst. Anf der reehten Seite des Unterkiefers befinden sieh zwei Gesehwiilste yon It/ihnereigrSsse. Die eine derselben liegt dicht unterhalb des Arcus zygomaticus und nimmt den senkrechten Theft des Unterkiefers und seinen vorderen Rand ein, die andere befindet sich tm innigen Zusammenhang mit dem Unterkieferwinkel und dem horizontalen Theile der Mandibula. Eben solehe Geschwiilste, jedoch yon kleinerenDimensionen, sehen wit auf der linken Seite: die eine auf dem oberen Rande der AugenhShle, die andere im 5{useulus temporalis; auf der linken Wange nehmen die zusammenfliessenden Gummata den ganzen Museulus masseter ein und reichen bis hinter das Ohr. Der l i n k e U n t e r s e h e n k e l ist vom Tibiotarsalgelenk beginnend bis zur ttglfte seiner L~nge verdickt, namentlich in Folge einer starken diffusen Verdickung der Tibia, welch letztere ausserdem noch an ihrer inneren Flgche einen harten~ mit breiter Basis aufsitzenden Knoehenvorsprung yon TaubeneigrSsse zeigt. Auf der ttaut des Unterschenkels unterhalb dieser Geschwu]st und nach aussen befinden sich zwei wallnussgrosse Gummata; ausserdem sitzen anf der Haut der ~usseren Fl~ehe des Untersehenkels einige iihnliehe Gummata. Das linke Kniegelenk is~ bedeutend vergndert; dasselbe ist gesehwellt and die Schwellung vermindert sieh in der Riehtung zum 0ber- und Untersehenkel. Die Gelenkenden sind verdickt, der Umfang derselben ungleieh, tumorartig und die Gelenkfl~ehen wie mit einer halbfliissigen Snbstanz bedeekt (reiehliche Granulationen?), P a t e l l a n a t a n s ; die Bewegungen sine[ sowoM wegen der Vergr6sserung und ger~nderung der Gelenkfli~chen, wie aueh in Folge der starken Schmerzen nieht ausfiihrbar. Die N a s e ist eingesunken (nez de mouton); das knorpelige und im unteren Theft aneh das kn6eherne Septum zerstSrt and dadurch communieiren die Nasenh6hlen miteinander. Die Uvula und die GaumenbSgen sind sammt eines Theiles des weiehen Gaumens zerstSrt und eine feste, dieke, narbige Membran, welehe die Fortsetzung des weichea Gaumens bildet, ist mit der hinteren Pharynxwand verwaehsen und bietet eine Art eines mehr oder weniger horizontalen Diaphragmas. Dieses Diaphragma ist dicht an der hinteren Pharynxwand mit einer kleinen Oeffnung versehen, welche kaum einen Finger hindurchlgsst; auf diese Weise trennt dieses Diaphragma die NasenrachenhShle, welche nur mittelst obiger 0effnung mi~ dem restirenden Pharynxtheil in Verbindung steht. In Folge dieser Yeriinderungen des Pharynx nnd der starken Dyspnoe war die Untersuchung des Kehlkopfes recht erschwert. Wit konnten abet doeh constatiren, dass die Epiglottis und die falschen Stimmb~nder nicht ver~ndert waren; die wahren StimmbS~nder waren stark gerSthet und gesehwellt und unterhalb derselben rag~en zwei recht starke Wii]ste, welche diese bedeutende Verengerung der Glottis vernrsaehten. Wit haben den Zustand ( F r e i d e n s o n und S r e b r n y ) als C h o r d i t i s v o e a l i s i n f e r i o r (subglo~tiea)aufgefasst.
60
Elsenberg.
BeJ der Untersuehung der inneren Organe haben wir in den L u n g e n keine Vergnderungen eonstatirt, die Athmung war bedeutend verlgngert, sowohl das Inspirium, wie aueh das Exspirium; die Intereostalrgume sinken reeht stark bei der Inspiration ein. Die H e r z g r en z e n normal, die HerztSne rein, sehwaeh, der Pub ziemlich klein. Die L e b e r stark vergrSssert, dieselbe ist zwei Finger breit unter den Rippenbogen durehzufiihlen, der Leberrand ist hart, abgerundet, und auf der oberen Fl~ehe, ~aamentlieh am linken Lappen lassen sich Unebenheiten, als erbsenhis wallnnssgrosse Tumoren palpiren. In der Nghe des Leberhilus fiihlen wir einen unebenen, barren, ziemlieh platten Tumor yon unregelm~ssiger Gestalt, weleher innig mit der Leber verbunden erseheint. Die M i l z is~ nieht palpirbar, ihre obere Grenze reiehi his zur aehten l~ippe. Der Ham ist yon dunke]galliger Farbe, enth~l~ kein Eiweiss und keinen Zueker, dafiir sehr viel Farbstoffe nnd Gallens~uren; die Faeces sind lehmfarbig. Das Gesieh~ und das GehSr sind nieht vergndert, die Zghne normal und gut gereiht. Pat. klagt haupts~ehlich fiber Dyspnoe, Sehw~ehe, Appetiflosigkeit und Schlaflosigkeit. Die Sehmerzen in der Kehlkopfgegend belgstigen den Kranken nieht sehr, dieselben steigern sieh nur bei Bewegung der Gesehwiilste nnd bei Ausiibung eines Druekes.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir diese Syphilisform, ungeaehtet der Mgngel in den anamnestisehen Daten, fiir eine aeqnirirte, sehr ~ernaehlgssigte Form betraehten miissen. Es ist abet reeht sehwierig zu bestimmen, wie lunge das Leiden besteht. Mit grosset Wahrseheinliehkeit kOnnen wir aber die friihesten Kinderjahre als den Beginn der Erkrankung bei F. M. aufstellen. Wir haben absolut keine Thatsaehe, welche fiir eine hereditgre Syphilis spreehen wiirde. Weder die Erkrankung des Larynx nnd der Leber, noch andere Vergnderungen erlanben eine solehe Annahme. Am wahrseheinliehsten wurde der Kranke als Kind entweder bei der Beschneidung oder aueh yon der Amine, oder wie dies bei der ~rmeren BevSlkerung Sitte ist, yon einer Naehbarin, welehe ibm wghrend der Abwesenheit seiner Mutter die Brust gab, oder sehliesslieh dureh Umgang mit anderen Kindern bei Spielen oder in der Sehule mit Syphilis infieirt. ~)
') Vor 3 Jahren braehte ein Arzt aus einer kleinen Stadt in meine Abtheiln~g einige kleine Knaben, welehe sieh in der Sehule entweder vou einem Kameraden oder veto Lehrer mit Syphilis infieir~ hahen.
Ein Fall yon syphiliL Gummata der Larynxmuskeh.
61
Diese Arten yon syphilitischer Infection gehSren keineswegs zu den Seltenheiten und die Schattenseite derselben bildet noch tier Umstand~ dass die Eltern dieser Kinder keine Seeundgrsyphi]is vermuthen und zur Annahme neigen, dass die Ausschl~ige, welche die Kinder aufweisten, zu den gewShnlichen Infectlonsausschl~gen wie Masern~ Pocken, Scharlaeh mit nngewShnlichem Verlauf nnd mit Halsdiphterie, Larynxcroup wenn die Condylome in diesen 0rganen loealisirt waren, gehSrt haben; im sp~teren Stadium wird Syphilis mit Scrophulose bezeichnet. Ich bin also geneigt anzunehmen, dass F. M., welsher eine syphilitische Infection auf eine der oben erwghnten Arten acquirirte, nicht behandelt wurde, die Krankheit sine lange Zeit bei ihm bestand und ihn schliesslich zu dem miserablen Zustand brachte~ in welchem er in das Hospital aufgenommen wurde. Aehnliche vernachlgssigte, niemals behandelte Syphilisformen gehSren scheinbar zu den Seltenheiten (in Betreff tier Localisation in mehreren Organen nnd Geweben und in Betreff der Zahl tier Krankheitsbildungen), kommen jedoch bei uns yon Zeit zu Zeit vor. Im vorigen Jahre bathe ioh in meiner Ab~he[itmg sin ghnliohes
Exemplar in Beobacbtung. Die Kranke, sine ungef~hr 60j~hrige Frau suchte Hills wegen Phtisis bulbi im opthalmologischen Hospital. College Dr. G e p n e r sen. und Dr. K a m o e k i sandten die Kranke in m sine Abtheihng. Die ganze Haut des Rumples, des Gesichtes und der Extremit~ten war buchst~bHch bes~et mit wallnuss- bis taubeneigrossen~ in Gruppen odor zerstreu~ gelagerten Gummata. Die Zahl der Gummata betrug fast 200l Patientin wurde nicht behandel~, da die Tumoren ihr keine Beschwerden verursachten und sic keineswegs s~Sr[en. Erst tier rasehe und progressive Verhst des SehvermSgens, welcher wahrscheinlich dureh einen syphilitischen Process in dem Augapfsl hervorgerufen wurde, nSthigte sic in Warsehau Hilfe zu suchen. Die Gummata haben sieh nach einer specifischen Cur resorbirt und hinter]iessen zahlreiehe Narben und braune Flecks, das SehvermSgen hat sich aber nicht gebesser~. Eigenthiimlich, class die Kranke nicht wusste, mit welcher Krankheit sis behaftet war und auf welehe Weiss sie dieselbe aequirirt hat. Auf unseren Patienten Zuriickkommend, so haben wir arts der obigen Beschreibung gesehen, dass das syphilitisehe Gift in seinen ganzen Organismus gedrungen nnd Ver~nderungen in zahh'efchen Organen und Geweben hervorgerufen hat, einen Yerfall in der Ernghrungsenergie der Gewebe und den Funs-
62
Elsenberg.
tionen der Organe verursachte und naehdem die syphilitischen Neubildungen~ welche namentlich ringsum yon Kehlkopf und im Kehlkopf selbst, wie aueh im Hilus der Leber sich localisirten und zu dem Typus solcher Gummata, welehe nieht die Tendenz zur Resorbtion zeigen, geh6rten, so konnten wir im voraus annehmen, dass yon einer Behandlung nicht viel zu erwarten war. Unsere Erfahrung hat uns im Gegentheil bewiesen, dass bei Neubildung dieses Typus, bei diesen harten, elastischen Gummata, je energischer die specifische Behandlung ~orgenommen wird, desto raseher tritt eine reichliche Entwiekehng eines harten, narbigen, keloiden Gewebes ein. Dies war abet in unserem F~lle gar nieht erwiinscht, denn einerseits wiirde die Bildung eines derartigen Gewebes eine noeh stgrkere Kehlkopfstenose bewirken, welche direct das tSdtliehe Ende besehleunigen kSnnte; anderseits konnte bei der Loealisation des Processes am Leberhilus und wie in diesem Falle rings um den Ductus hepatieus~ das sich raseh und reichlich bildende fibr5se Bindegewebe noch mehr den Gang zusammendriicken nnd auch sehliesslieh unwegsam machen. In diesem Falle w~re die gelbe Farbe der Haut und der Conjunctiva noch mehr ges~ttigt und dunkler und in Folge yon Blutver~nderungen konnten Hgmorrhagien aus der Schleimhaut der Nase, des Zahnfleisehes, kleine Blutextravasate in der Haut und im Unterhantbindegewebe u. s. w. entstehen - - Zustgnde, welche rasch den Tod des Kranken nach sieh ziehen. Ans diesen Riicksichten habe ich dem Kranken Inhalationen~ Tonica und reich]iche, nahrhafte Digt verordnet. Da sieh Patient nach Verlanf yon fast zweiwSchentlieher Behandlung besser fiihlte, der Ern~hrungszustand sich etwas besserte und die Athmung etwas freier wurde, konnte ieh reich schwerlieh eines Yersuehes einer specifischen Behandlung enthalten und hoffte, dass eine vorsiehtige nnd langsam ausgefiihrte Behandlung doch dem Kranken eine Erleichterung versehaffen wird. Es wurden also Einreibung yon 2"0 grauer Salbe jeden zweiten Tag verordnet. JodkMi habe ieh gar nicht versueht dem Kranken zu geben, da ich eine Schwellung der Glottis nnd eine Erstickung befiirchtete, was bei diesem Zustande des Kehlkopfes fast sieher eintreten musste. Sehon nach vier Einreibungen ver-
Ein Fall yon syphilit. Gummata der Larynxmuskeln.
63
schlimmerte sich der Zustand des Patienten: Gelbsucht, Dyspnoe und die Aphonie steigerten sich, die Kriifte des Patienten sunken und sein Ern~hrungszustand wurde schlechter. Es wurden noch zwei Einreibungen gemacht und musste ich dieselben sehliesslieh weglassen, da eine sichtbare Verschlimmerung aller Symptome aufgetreten ist. Die spiitere tonisirende Behandlung linderte zwar ein wenig die Symptome aber nicht auf ]ange. Schon am 12./IX. wurde die Kehlkopfstenose eine grSssere, der Kranke kann nieht schlafen und verbringt die 2qacht in sitzender Lage. Nach einigen Tagen wurde die Dyspnoe wieder etwas geringer, der Schlaf ist z~emlich ruhig aber unterbrochen. Dieser Zustand zeitweiliger Besserung und Verschlimmorang dauerte his zum 30./IX. Erst am 1./X. erreiehte die Larynxstenose einen sehr hohen Grad: Dyspnoe, stenotische, lunge I n - a n d Expiration, Cyanose, fadenfSrmiger Puls. Es wurde dem Kranken Aether mit Camphor injicirt und wir beabsichtigten die Tracheotomie auszufiihren ; dieselbe erwies sieh aber unausfiihrbar wegen der dicken Massen yon Geschwu]sten, welehe den Larynx and die Trachea nmgaben: es existirte eine begriindete Befiirchtung einer reichlichen Blutung, we]ehe nicht gestillt werden konnte und ausserdem - - die UnmSglichkeit die Caniile in die Trachea einzufiihren und die Annahme, dass die Trachea auf einer grSsserer, Strecke bedeutend stenosirt war, hielten den Chirurgen yon der Ausfiihrung der Operation ab. In diesem Zustande starb auch der Kranke am 2. October 1893. Am folgenden Tage habe ich die Autopsie gemacht. In den inneren Organen wurden nur im Larynx und in der Leber syphilitische Vergnderungen gefunden. D e r L a r y n x u n d d i e T r a c h e a . Die Gesehwulstin derGegend des Larynx and der Trachea nimmt den Raum zwischen der nnteren Fliiche des Zungenbeins bis zum 10. Trachealring; die Car{ilago thyreoidea und cricoidea wird yon derselben yon den Seiten uncl nach Yorn wie auch die Trachea selbst vollstitndig bedeck~ ; reehts wird die Trachea yon einer dickeren Geschwuls{masse bedeckt. Die hintere Partie des Larynx und der Trachea ist auf einer fingerbrei*oen Flgche, dor~ wo der Oesophagus anliegt, frei yon Geschwulstmassen. Der Tumor beginng dicht un{erhalb der ttaut (hat mit den Haut-Gummata keine Verbindung) im Unterhautbindegewebe, geht dann auf die Larynxmuskeln (Sterno-thyroideus, sterno-hyoideus) iiber~ diese sind wie auch der M. sterno-cleido-mastoideus vollst~ndig
64
Elsenberg.
degenerirt. Der letztere~uskel ist namentlieh auf der linken Seite dureh Gummata~ welche innig mit dem Tumor zusammeniliessen~ eingenommen. Die g~nze Gesehwulst bildet eine unebene, lappige ~Iusse und besteht au s einer grossen Menge haselnussgrosser und gr6sserer Knoten~ welche hie and da zusammenfliessen und dann ist auch der lappige Bau nicht zu sehen; an anderen Stetlen haben die einze]nen Lobul~ Gummala, ihre deutlichen Umrisse bewahrt und sind durch Reste yon Fascien und dutch schmale Ueberreste yon degenerirten quergestreiften Muskelfaser getrennt Wir konnten in der Geschwulst drei Theile unterscheiden: einen vorderen und zwei seitliche, jeden dieser Theile, namentlich aber den vorderen und den linken seitlichen k6nnte man~ was die GrSsse anbetrifft~ mit der GrSsse eines tttihnereie% wenn dieselben nicht etwas l~nger ws vergleichen; seichte, ziemlich breite Gruben bJlden die scheinbare Grenze dieser einzelnen Geschwulsttheile~ in der Tiefe fliessen dieselben zusammen. Auf dem Durchsehnitt der am meisten hervorragenden vorderen Geschwulstpartie betrs die Dieke derselben bis zur Cartilage thyroidea und crieoidea fast 3"5 Cm. Der lappige Ban tritt hier deutlieh hervor, die Farbe ist hellgelb und f~llt sogar in einen citronengeiben Sehimmer. Hie nnd da sieht man in der Geschwulst 1Reste yon Muskelg'ewebe in der Gestalt yon kleinen Streifen~ welehe das Gewebe der Geschwulst durehziehen und sieh unmerklich in demselben verlieren; die Durchschnittsoberfls der Geschwulst ist ziemlich gl~tt~ yon hurter, elastiseher Consistenz. Beim Uebergang in das Perichondrium der Thyroid- und Crieoidknorpel infiltrirt die Tumormasse die oberflgchlichen Perichondrialschichten~ ls aber den Xnorpel frei; dgs Periehondrium der Trachealring% namen~lich der nnteren ist nieht degenerirt, liegt aber der Gesehwulst innig an. Obgleieh die Knorpel selbst nicht degenerirt erscheinen, sind dieselben jedoch klein~ wie geschrumpft~ gedr~iekt und ]eieh~ zerbreehlich. Infolge des durch die Geschwulstmgssen ~uf die Trachea ausgei~bten Druckes ls dieselbe k~um eine Gs dutch, auf der HShe der Cartilage cricoide~ ist dies nur mit MOhe ausffihrbar~ weiter unten ist die Glottis derart verengt, d~ss eine G~nsefeder gar nicht durchgeffihrt werden kann. Nach dem Durchschneiden des Larynx and der Trachea l~ngs ihrer hinteren Wand erwies sich die Sehleimhaut der Trachea etwas verdickt~ s%ark hyioer{misch und mit reiehlichem Sehleimeiter bedeekt. Die wahren und falschen Stimmb~nder und die Morgagnisehen Tasehen sind ebenfalls mit reichlichem Schleimeiter bedeckt. Die fa!sehen Stimmbs sind ziemhch stark geschwellt und ihre Sch]eimhaut verdiekt. Die wahren Stimmb&nder sind bedentend verkfirzt~ ihre L~nge betr~gt kaum 9 Millim, der obere Rand is~ ziemlich deutlieh ausgesprochen~ dicht unterhulb desselben ragt in das Innere der Glottis ein mi~ hyper~mischer Schleimhaut bedeckter Tumor~ welcher zusammen mit einem ~hnlichen~ yon der entgegengesetzten Seite hineinragenden Tumor die Rima glottidis stark verengt. Ein ]anger~ zu den Stimmbs senkreeht gefi~hrter Sehnitt zeigt uns dann die Stelle der Stimlnb~nder und des ~usc. thyreo-arythenoidens, der dutch gummSse GesehwSlste unter der ziemlieh stark gerStheten Schleim-
Ein Fall yon syphilit. Gummata der Larynxmuskeln.
65
haut eingenommen wird. Die Geschwulst ist auf der rechten Seite kirschengross and etwas kleiner auf der linken Seite. Rechts ist kaum eine Spur eines Muse. thyreo-arythenoideus zu sehen; zu beiden Seiten verlaufen die gummSsen GeschwSlsfe, nachdem die Muskeln volls~ndig degenerirt wnrden, nach aussen yore Larynx unterhalb des unteren Randes der Cart. thyroidea and flies~en hier mit der Hauptmasse der Gummata, we]che den Larynx umgibt, zusammen; diese Gummafa sind auf dem Durchschnitt glatt~ yen hell-gelber Farbe und hart-elastischer Consistenz. Die anderen Kehlkopfmuskeln wie die crico-arythenoidei, cricothyreoidei etc. sind schlaff, atrophisch zeigen aber keine gummSsen Infiltrate. Die Leber is~ ziemlich stark vergr5ssert; auf der Oberfl~che nament]ich des l~nken Lappens sieht man "ziemlich zahlreiche hervorragende Gummata. Am Hilus befindet sich eine dicke Schiehte derben Bindegewebes, zwischen derselben sieht man hie und da einen klelnen graugelben Herd eines zerfallenden Gnmma; am reichlichsten ist dieses fibr5se Gewebe rings um den Ductus hepaticus, welehen es umw~chst ,rod derart zusammendrfickt, dass ein d[inner Draht nieht durehgeffihrt werden l~ann. Die Gallenblase enth~lt eine geringe Quantitat eines hellen Sehleimes. Auf dem D~rehschnitt ist das Gewebe der Leber hyperfimisch; diffuse eirrhotische Ver~nderangen sind nicht sichtbar; nur rings um die grSsseren Leberg~nge ist das Bindegewebe stark gewuchert; derb, yon ei~rongelber Farbe und imnitten'dieser Bindeo'ewebswucherungen beflnden sieh stellenwelse kleine zerfallende gummSse FIerde. Die anderen Can~le zeigen nicht die obigen Ver~nderungen und sind dieselben ziemlich stark erwMtert. In der PeritonealhShle fanden wir einen halben Liter einer durehsichtigen, gelblichen, serSsen Fl~issigkeit. In anderen Organen warden keine Ver~nderungen constatirt. Zur miM'oskopischen Untersuchung wurde das gumm5se Gewebe, welches sich um Muse. sternocclidomastoideus auf der HShe der Cart. thyroidea entwickelt hat nnd theilweise auch die gummSse Masse, die den unteren Theil der Trachea umgab a n d haupts~cMieh in den benaehbarten Muske]n zur Entwickelung kam (sterno-thyreoideus, sterno-hyoideus), verwendet. Wir sehen bei der Durchsicht der Schnitte, welche aus denjenigen TheJlen stammen, in welchen noch Mus]~eltheile zuriickgeblieben sind, dass die Muskelfaser dureh eine geHuge ]deinzellige Infiltration des Perimysium yon einander get r e n n t erseheinen; in den Muskelfasern selbst sehen wir keine Ver~nderungen, ihre Streifung ist vollst~ndig gut erhalten. Je ~aher der gummSsen Neubildung wir das Praparat durehmustern, desto grSssere Infiltrate trennen die Muskelfaser und am Archly f. Dermatol. u. Syphil. :Band XXIX.
5
66
Elsenberg.
Rande des eigentlichen gummSsen Gewebes dringt die zellige Infiltration in die Muskelfasern hinein, drgngt dieselben auseinander nnd schliesslich finden wir im Centrum des Pr@arates nnr noch hie und da Reste yon Muskelfasern yon unregelmgssiger Gestalt, manchmal wie durchrissen. Diese kleinzellige Infiltration bildet aber keineswegs den Hauptbestandtheil der beschriebenen Gummata. Neben derselben kSnnen wir beobachten, dass das Gewebe, in welchem die Infiltration scheinbar in den Vordergrund tritt, andere Veriinderungen aufweist. Dasselbe zeigt eine lebhafte Wueherung, bietet die Charaktere eines jungen fibrSsen Gewebes mit einer ziemlich grossen Quantitiit Spindelzellen und ovaler Zellen, deren grosser Kern reeht detttlich hervortritt und sich gut fiirbt, und reichlicher fibrSser Intercellularsubstanz; dieses Gewebe ordnet sich oft in Reihen, welche am hgufigsten radienfSrmig zum Centrum des Gumma Yerlaufen. Je ngher dem Centrum der Schnitte, desto reichlicher nnd deutlicher tritt dieses Gewebe hervor. Inmitten dieses Gewebes sehen wir manchmal typische, sp~rliche Langhans'sche Riesenzellen, welche ~Ton den grossen, vielkSrnigen Zellen, iihnlieh denjenigen, welehe in der Milz und im Knochenmark gefnnden werden, unterschieden werden miissen. Diese letzteren Zellen diirfen nieht als Riesenzellen bezeiehnet werden, denn obgleich sie manehmal 10 nnd mehr Kerne enthalten, nahern sich dieselben nicht dem Typus der Langhans'schen Riesenzellen. Ausserdem finden wir inmitten der kleinen das Gewebe infiltrirenden Zellen eine ziemlich grosse Zahl etwas grSsserer Zellen mit einem grossen Blasenkern nnd einem oder mehreren KernkSrperchen und einer etwas k~rnigen, wie aufgeblghten Protoplasma. Diese Zellen fgrben sich viel schwgcher als die anderen Zellen des gummSsen Gewebes nnd erinnern an epithelioide Zellen, die wir so oft in tuberenl5s entarteten Geweben linden. Die Muskelfasern selbst zeigen im Beginn keine Yeriinderungen; erst naehdem das sich neubildende Bindegewebe und das zellige Infiltrat die einzelnen Fasern auseinanderdri~ngt, dann erst werden die letzteren diinner und sehmiiehtiger, verlieren aber dabei nieht ihre Querstreifung, ja die Lgngsstreifen treten noch dabei reeht deutlieh hervor. Sehr
Ein Fall yon syphilit. Gummata der Larynxmuskeln.
67
selten sieht man einzelne au~gequollene, kSrnige, mit einzelnen Fetttropfen versehene Muskelfasern. In einem sp~iteren Stadium werden die Muskelfasern noeh ]deiner und sehm~chtiger und im Cen~rum des Gumma bleiben nur Reste derselben wie zerrissene Fasern, welche auch noeh jetzt vollst~ndig ihre Streilung bewahren. Wir miissen daher annehmen, dass sie einer fortsehreitenden Atrophie und nieht wie in den F~llen yon N eum a n n einem teinkSrnigen Zerfa]l unterliegen. Dieser Untersehied in deu Ver~nderungen der Muskelfaser muss wohl dem verschiedenen Bau und dem Verlauf zwischen den Muskelgummata in meinem FaHe und den F~llen yon N e u m a n n zugesehrieben werden. Schon mit unbewaffnetem Auge kSnnen wir auf den gefarbten Pr~paraten einzelne Heerde yon 3--4 ram. Durchmesser und kleinere unterscheiden, dieselben sind blass ge~s und treten deutlich yon dem restirenden stark get~rbten Gewebe hervor. Bei der mikroskopischen Untersuchung iiberzeugen wir uns, dass es Heerde des gummSsen, einer Necrobiose anheimfallenden Gewebes sind. Ihr Bau ist dem Bau des restirenden Gewebes gleich, nur ist die F~rbung eine schw~chere und eine diffuse; die Zellen sind in diesen Heerden zerfallen und an ihrer Stelle befindet sich eine kSrnige Masse mit Fetttropfen; die Kerne zerfallen ebenfalls und hie und da sieht man noeh einze]ne schwaeh gefdrbte Kerne; die Intereelhlarsubstanz ist reichlieh fibrSs und unterscheidet sieh in nichts yon der Intereellularsubstanz des gummSsen Gewebes, welches nieht der Neerobiose anheimgefallen ist. Zwisehen diesen Heerden sieht man ebenfMls zerstreute atrophisehe Muskelfasern oder ihre Theile, die Streifung derselben ist nicht sichtbar, desto h~ufiger sind sie aber kSrnig. Starken Ver~nderungen unterliegen die in dem Bereich des Gumma liegenden Arterien. In denjenigen Partien, in welchen das Infiltrat und die Ver~nderungen des Gewebes im Allgemeinen bedeutend ausgesprochen sind, wo die anatomischen Bestandtheile keiner regressiven Metamorphose unterliegen und sich gut fs scheinen die kleineren Arterien erst eonsecutiv ergriffen zu werden. 5*
68
Elsenberg.
Die Adventitia zeigt eine kleinzellige Infiltration, dabei sleht man eine Hypertrophie des Gewebes der Membran selbst; orst sparer tritt eine unbedentende Infiltration mit lymphoiden Zellen der Media ein und dannist der Process am deutliehsten in der Intima ausgesproehen. Die Intima ist dann nngleiehm~ssig in ihrer ganzen L~nge verdiekt, wird bald reich an spindelfSrmigen, ovMen und sternfSrmigen Zellen, und die Intercellularsubstanz ist leicht fibrSs mit einer geringen Zahl elastiseher Fasern; ~usserdem ist die Intima mit lymphoiden Zellen infiltrirt und ihr Endothel ist aufgequollen, gewnchert and theilweise desquamirt. Infolge dieser hypertrophirenden Proeesse der Intima wird das Lumen des Gef~sses verengt und in weir vorgeschrittenen Stadien bleibt nur ein kleiner SpMt iibrig oder es kommt zur ~ollst~ndigen Obliteration. In den kleineren Arterien kemmt es h~tufiger znm vollst~ndigen Verschhss des Lumen und die ganz kleinen Gef~sse werden in Folge einer Retraction der hypertrophischeu Advent~tia und tier Erffillung des Gef~sslumens mit gewucherten endotheliMen Zellen rollst~ndig obliterirt. Erw~hnen mSchte ich noch, dass das Perichondrium der TracheMringe wie auch die Knorpel selbst keine Ver~nderung zeigten. Die Sehleimdriisen der Trachea zeigten aber u rungen, wie wir sie bei jeder langdauernden Entziindung finden. Das interacinSse Bindegewebe ist reeht reichlieh mit Sehleimzellen infiltrirt, dieselben gelangen ~neh manehmM in die Driisencan~le ; die Dr[isencan~le selbst sind stark erweitert, mit Sch]eim erfii]lt nnd die Epithelialzellen sind gedriiekt, ja manehmal auch abgeplattet. Auf einzelnen Schnitten konnte ieh an dem Umfang der Gummata Nervenfaserb[indel bemerken, das Perineurium derselben war mit lymphoiden Zellen, welche such zwisehen den Nervenfasern wucherten, infi]trirt; die Nervenfasern selbst zeigten keine Ver~nderungen. Der Ban dieser Muskel- und H~utgumma~ ist etwas ~erschieden, wie dies ffir den Ban tier syphilitischen Gumm~ta gewShn]ieh ~ngegeben wird. Dieselben sind erstens yon elastischer H~rte wie fibrSses Gewebe und bieten in ihrer g~nzen Masse den Bau eines solehen ziemlich reichlieh kleinzellig infiltrirten Gewebes. Einen analogen Ban hat gewShnlich der
Ein Fall yon sy-phili~;..Gummatu der Larynxmuskeln.
69
periphere Theil der Gummata in anderen F~llen, und die Bildang dieses harten fibrSsen Gewebes erkl~ren wir uns folgendermassen: Das Gummigewebe ist nicht organisationsfs bi]det aber einen Reizungsheerd fiir das umgebende Bindegewebe, dieses letztere geht auf ether gewissen Strecke in Hyperthrophie fiber und ~mgibt gewShn]ich das zerf~llende Gumma und scheidet es seharf yore gesunden Gewebe ab. Am leichtesten kann man sich davon iiberzengen bet den Lebergummata. Woher ist aber in nnserem Falle das fibrSse Gewebe in der ganzen Masse der Gummata entstanden? E s kann keinem Zweifel unterliegen, dass aus dem sehon friiher vorhandenen Bindegewebe, welches in eine starke Hypertrophie iiberging. Es w a r bier aber keine Substitution der Gewebe, das neugebildete Gewebe trat hier nicht an Stelle des zerfallenden und in Resorption iibergehenden Gummigewebes, Me wir dies am h~ufigsten beobachten. Wir finden nirgends Spuren eines solchen Gewebes mit seinen regressiven Ver~nderungen, und die Heerdnecrobiose, welehe wit in diesen Gebilden constatirt haben, bezog sich auf dasselbe fibrSse Gewebe, aus welehem die Gummata selbst bestancten. Wit miissen also annehmen, dass das Gewebe der beschriebenen gummSsen Neubildungen schon im Beginn ihrer Entstehung denselben Charakter hatte wie im Moment der Untersuchung, d. h. yon Anfang an dem Typus eines fibrSsen Gewebes angehSrte. Es w~re mSglieh, dass das syphilitische Virus, welches in einem sp~teren Stadium das Bindegewebe zur Hypertrophie anregt, in gewissen F~tllen, statt typische Gummata hervorzumfen, das Bindegewebe nut zur ttypertrophie ~nregt und gesehwulstfSrmige, aus jungem Bindegewebe bestehende Heerde hervorbringt. Dies ist also gewissermassen eine Modification eines Gumma, obgleich die Hauptzeichen desselben fehlen. Was die weiteren Sehicksale dieser Gummata anbetrifft, so kann ieh dariiber nichts sagen, denn ieh babe sie in anderen Phasen nicht gesehen. Ieh habe sie bis jetzt nicht so selten beobachtet und das ausschliesslieh bet kaehektisehen Individuen mit vernachl~ssigter und nieht behandelter Syphilis. Der Verlauf dieser Gummata ist ungemein chroniseh und die specifisehe
70
Etsenherg.
Behandlung hat auf die lqesorption derselben einen geringen Einfluss. Nach einer langdanernden und energisehen Behandlung iiberlassen dieselben ziemlich ausgebreitete, bedeutend tiber das Niveau der Haut hervorragende harte, keloide, dunkelrothe Narben, wetehe sehr lange nicht resorbirt werden; diese Narben haben keine Depression auf ihrer Ober~iehe. Ieh mgchte noeh auf einige Punkte hier die Aufmerksamkeit riehten. Die veriinderten grSsseren Arterienzweige tiegen fast immer entfern~ yon den neerobiogischen Heerden, ws die Veriinderungen der kleineren Arterienzweige in den Heerden selbst beobaehtet werden. D i e G e f i i s s v e r g n d e r u n g e n in den Gummaten-Neubildungen sind n i e h t p r i m i i r e , s o n d e r n s e e u n d s r e, d. h. die Bildung des Gumma beginnt nieht yon ihnen, sondern wenu das Gumma sehon ausgebildet ist, dann erst treten die Gefs ein und bewirken eine Neerobiose des gummSsen Oewebes oder beeinflussen wenigstens dieselbe im hohen Grade. Das dem so ist und nieht anders, k5nnen wir uns dadureh iiberzeugen, dass die Gefgssveriinderung yon der Adventitia beginnt zur Zeit, wo das Gumma sehon ausgebildet ist, and dass gewissermassen der Krankheitsproeess aus den umgebenden Geweben auf dieselbe iibergebt; zn dieser Zeit fehlen noeh Veriinderungen der Intima, das Gefs ist nieht verengt und desshalb ist der locale Kreislauf unbedeutend gestSrt. Ausserdem ist das Oewebe in den neerobiotisehen Heerden ebenso im fibr5sen Gewebe wie in den restirenden Gummipartien; es war eine ls Zeit and eine normale Function der Gefiisse nSthig, um diesen Grad der Entwiekelung der Gewebe zu ermSglichen and erst sps ruff die nach ihrer Entwickelung entstandene Obliteration der Gefiisse (endoarteritis obliterans) ihre Necrobiose hervor. Muskelgummata, namentlieh in ihren der Knochenanheftungstelle nahe gelegenen Theilen~ gehSren keineswegs zu den Seltenheiten. Es ist eine grosse Zahl solcher Fglle besehrieben. Am hs kommen Gummata in den Muskeln der Zunge und der Lippen vor. An den Muskeln des Rumples und der
Ein F~]I von syphilit. Gummat~ tier Larynxmuskeln.
71
Extremit~ten erreichen dieselben grosse Dimensionen, bilden Geschwiilste yon der GrSsse einer Orange nnd dies gab munchreal Yeranlassnng zu diagnostischen Fehlern und veranlasste dig Chirurgen zu unnSthigen Operationen. N e 1 a t o n hat auch ganz richtig darauf hingewiesen, dass jede Neubildung des Muskels zuerst antisyphilitisch behandelt werden soll. Ziemlieh hgnfg kommen gumm5se Geschwiilste des Musc. sterno-cleido-mastoideus vor, und M a i s o n n e u v e hat auf diesem Muskel reichliehe perlschnurfSrmig gereihte Gummata gesehen. Dann kommen der H~ufigkeit nach Gummat~ des Musc. masseter und temporalis und im Herzen vor; M u r c hi s o n beschrefbt sogar gummSse Geschwiilste des Diaphragma. Ueber Gnmmata der Larynxmuskel fund ich wenige Ang~ben. B o u i s s o n 1) gibt an, einmal bei der Section einen gummSsen Tumor in einem Muscul. ~.hyreo-arythenoideus bei einem Iudividuum, welches die Zeichen einer Kehlkopfschwindsucht zeigte, gefunden zu haben. B o u i s s o n sagt ausserdem, dass er in dem Werke yon T r o u s s e a u und B e l o c ~uf der Tafel IX eine Abbildung fand~ welche einem syphilitischen Tumor des Musc. thyreo arythenoideus ~hnlich ist, obgleich die Autoren denselben nicht als solchen beschreiben. Einen zweifelhaften Fall citirt auch M o o r e. ~-) Die 52j~hrige Patientiu starb auf der Abtheilung yon B o u i l l a u d nnter dea Symptomen einer bedeutenden Dyspnoe, welche ein Oedems~ Glottidis vermnthen liess. Eine Schwellung des falschen Stimmbandes maskirte die tieferen Thefle. Die Section ergab: 1 ~ am unteren Rande der Cartilago thyeroidea waren einzelne Lympfdriisen vergrSssert und hart, 2 o einen weiss-grauen, harten Tumor an der Stelle des Musc. crico-arythenoideus post. sin., derselbe war doppelt so gross als der Muskel im normalen Zustande, 3 o eine Verdickung und H~rte des linken Stimmbandes und der Glottiswand der entspreehenden Seite. Die durch Or d o n e z ausgefiihrte mikroskopische Untersuchung ergab Fo]gendes : Die Masse, ') M6moire sur les tumeurs syphilitiques des muscles et de leurs annexes. Gazette m~dicale de Paris. 1846. l~r. 28~ 29, 30, 31. ~) Ich citire denselben aus dem Werke M a u r i a c tiaire et syphilis h6r6dituire" Pag. 576.,
,,Syphilis ter-
72
Elsenberg.
welche den linked Theil des Larynx einnahm, hat den Muse. thyreo-arythenoidens und den Muse. crico arythenoideus degenerirt und bestand aus ~br5sem Gewebe. Einen Bhnliehen Fall besehreibt auch T u e r e k. ') Die dureh W e d l ausgefiihrte mikroskopische Untersuehung ergab einen 5hDlichen Befund wie die obige Untersuchung yon 0 rd o n e z. T u e r c k fasst die Krankheitsform fiir eine chronische Entziindung der Muskeln des wahren Stimmbandes auf. M o r e 11 M a c k e n z i e ~) gibt schliess]ieh an, dass gumm5se Neubildungen sich Busserst selten in dem submueSsen Gewebe und in den Larynxmuskeln entwickeln, eitirt aber keine diesbezfigtiche Beobachtung. Bei S t o e r c k , L o r i , J u r a s z and nnderen finden wir keine betreffenden Angaben. Wir ersehen somit aus dem Obigen~ dass die Angaben fiber die syphilitischen Affeetionen der Larynxmuskel recht Slo~rlich sind: rage Angaben ~on B o u i s s o n und M a c k e n z i e und drei F~.lle anderer Autoren, welche dieselben als zweifelhaft aufstellen. Was die F~lle yon M o o r e und T u e r e k anbetrifft, so miissen diese]ben mit grosser Wahrscheinlichkeit als syphilitische Erkrankungen der Larynxmnskeln angenommen werden. Es ist leicht mSglich, dass der mikroskopisehe Ban dieser gummSsen Nenbildungen demjenigen~ welchen ieh oben besehrieben habe, ~hnlich war, und dass mit der Zeit das Gewebe derselben fibrSs und narbig wnrde und dadurch ihre Entstehung schwer zu analysiren war. Wie es scheint, ist der yon uns beschriebene der einzige his jetzt vollst[%ndig fiberzeugende Fall yon einer Localisation des syphititischen Oumma in den Larynxmuskeln. Es ist dies ein Beweis mehr~ dass es kein Organ~ kein Gewebe gibL in welchem die Syphilis nicht die ihr eigenthiimlichen Ver~nderungen hervorrufen kSnnte. ~) Klinik der Krankhei~en des Kehlkolofes und der Luftr5hre 1866. Pag. 203. ~) Die KrankhMten des gulses und der l~-use. Bd. I. Pug. 483.