Zeitschrift ffir
Vol. 38 (1978), No. 1-2, pp. 85--104
Nationai6konornie Journal of Economics
O by Springcr-Verlag 1978
Ein monetaristisches Modell zur Erkl/irung von Arbeitslosigkeit und Inflation: Modellprobleme und -implikationen ffir die BRD* Von
Heinz KSnig, Mannheim (Eingegangen am2. Januar 1978)
1. Problemstellung tn der wirtschaftspolitischen Diskussion in der Bundesrepublik trltt m jungster Zeit die Geldpolitik als ein Mittel zur Bek~impfung der Arbeitslosigkeit immer mehr in den Hintergrund zugunsten der Forderung nach einer flexiblen Lohnpolitik. ,Vorsichtige", d.h. m6glichst unter dem Produktivit~itszuwachs liegende Zunahmen der L6hne werden nunmehr als der wesentliche Beitrag zur Bek~impfung der Arbeitslosigkeit angesehen. In der ,,Allgemeinen Theorie" schreibt J. M. K e y n e s ,,Having regard to human nature and our institutions, it can only be a foolish person who would prefer a flexible wage policy to a flexible money policy, unless he can point to advantages from the former which are not obtainable from the latter" 1. Bei der Diskussion der Auswirkungen gcldpolitischer Ma~nahmen auf die Preise kommt er dann zu dem Schlug: ,,The view that any increase in the quantity of money is inflationary (unless we mean by inflationary merely that prices are rising) is bound up with the underlying assumption of the classical theory that we are always in a condition where a reduction in the real rewards of the factors of production will lead to a curtailment in their supply" 2. Die ,,Presidential Address" vor der American Economic Association yon Milton F r i e d m a n [6] im Jahre 1968 gipfelt demgegenfiber * Vortrag vor der Osterreichischen NationalSkonomischen schaft, 11. November 1977. 1 j. M. Keynes [8], S. 268. 2 j. M. Keynes [8], S. 304.
Gesell-
0044-3158/78/0038/0085/$ 04.00
86
H. K6nig:
in der Feststellung, zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit existiere nut ein tempor~irer und kein permanenter ,,trade off", so dat~ Abweichungen der tats~ichlichen yon der nat/irlichen Arbeitslosenquote nur auf Divergenzen yon erwarteter und tats~ichlicher Inflationsrate zurfickzufiihren seien. Die Oberzeugung, die Inflation sei immer und ftberall nur ein monet~ires Phfinomen und durch eine im Vergleich zum Output schnellere Zunahme der Geldmenge verursacht, ist seitdem wesentlicher Baustein des monetaristischen Ideengutes a. Jeder Versuch, die Wirtschaft auf einem Vollbesch~iftigungsniveau zu stabilisieren, wirke deshalb destabilisierend, weJl die natiirliche Arbeitslosenquote nicht mit Sicherheit bekannt sei und sich zudem im Zeitablauf ~indere. Die Orientierung wirtschaftspolitischer Mannahmen an einer falschen ,,natural rate" resultiere in Inflation oder Deflation und letztlich k6nne daher nur eine Politik der konstanten Geldmengenexpansion die Wirtschaft auf die natiirliche Rate hin bewegen. Im Jahre 1977 zieht F. M o dig li a n i in seiner Presidential Address zur monetaristischen Kontroverse das Fazit: ,,... the monetarists have made a valid and most valuable contribution in establishing that our economy is far less unstable than the early Keynesians pictures it and rehabilitating the role of money as a determinant of aggregate demand . . . . But their contention that postwar fluctuations resulted from an unstable money growth or that stabilization policies decreased rather than increased stability just does not stand up to an impartial examination of the postwar record of the United States and other industrialized countries" 4 Im gleichen Jahr betont die Deutsche Bundesbank in ihrem Gesch~iftsbericht, sie setze das Experiment eines festen Geldmengenziels zum Zwecke einer erfolgreicheren und friktionsfirmeren Wirtschaftspolitik fort 5. Ist also doch die Friedmansche Hypothese (vielleicht nur fiir die Bundesrepublik?) zutreffend? Die Beantwortung dieser Frage sollte 3 So z. B. D. Laidler und M. Parkin [17], S. 741. 4 F. Modigliani [20], S. 17. 5 Gesch~iftsbericht der Deutschen Bundesbank fiir das Jahr 1976, S. 23. Vgl. dazu auch C. K/Shler [9], S. 87, der ebenfalls eine Unterordnung der Lohnpolitik zugunsten einer wachstumspotentialorientierten Geldpolitik fordert. ,,Eine wachstumspotentialorientierte Strategie kann Fehlentwicklungen, wie Preissteigerungen und Arbeitslosigkeit, nut sehr langsam abbauen. Innerhalb eines Jahres k6nnen wir nicht wieder zum Optimum gelangen, wenn nicht neue Fehlentwicklungen bei den Preisen entstehen sollen. Es ist dafiir Sorge zu tragen, daf~ bis zur Erreichung des Optimums der soziale Friede aufrechterhalten werden kann..."
Modell zur Erkl~irung von Arbeitslosigkeit und Inflation
87
nicht nut das Credo der pers/Snlichen politischen Einstellung widerspiegeln, sondern der ernpirischen Evidenz gerecht werden. Wie sieht diese nun aus? Neben der sog. St.-Louis-Gleichung yon L. C. A n d e r s e n und J. L. J o r d a n [1], die aus einer quasi reduzierten Form Stfirke und Dauer der Wirkungen geld- und fiskalpolitischer Matgnahmen zu beurteilen versuchen, sind es vor allem die Arbeiten von D. L a i d l e r und M. P a r k i n , in denen neben den Inflationserwartungen die aus einer Geldrnengenerh6hung resultierende l[lberschutgnachfrage als wesentliche Verursachungsfaktoren des Inflationsprozesses herausgestellt werden. So komrnt D. L a i d l e r [14] in einer Studie fiir Jahreswerte fiir den Zeitraum 1953--1972 fiir die Vereinigten Staaten zu dem Schluf~, daig, erstens, Evidenz zugunsten der Existenz einer urn die Inflationserwartungen erweiterten Phillips-Kurve vorhanden sei und, zweitens, seine Berechnungen die Hypothese der natiirlichen Arbeitslosenquote im Sinne Friedmans best~itigen. In einer Studie fiir die ,,Group of Ten"-L~inder stellt M. P a r k i n auf Grund eines ~ihnlichen Modelles fest: ..... the structural equations estimated do make it impossible to reject the basic ,,monetarist" explanation of world average inflation and do provide a set of simple reduced-form equations for prices and output which qualitatively have properties which the world clearly displays" 6. Im folgenden werden wir zun~ichst ein kleines Modell darstellen, das alle monetaristischen Eigenschaften aufweist, wenngleich sie nicht notwendigerweise aus dieser Quelle stammen. Wir werden dann kurz auf die Wirkungsweise dieses Modells und auf einige Irnplikationen fiir die Art der von Monetaristen verfochtenen Gel& politik eingehen. In einern vierten Tell werden wit dann die Ergebnisse einer simultanen Sch~itzung fiir die BRD fiir den Zeitraum 1960--1970 sowie 1960--1976 vorftihren und abschlietgend uns der Frage zuwenden, welche Bedeutung der unterstellte Erwartungsbildungsprozetg f/Jr die ernpirischen Ergebnisse und darnit fiir die Relevanz der Theorie besitzt. 2. Ein monetaristisches Inflationsmodell
2.1. G r u n d l a g e n Im folgenden behandeln wir ein Modell, das in seiner Grundstruktur dernjenigen von D. L a i d l e r und M. P a r k i n entspricht und das nut urn eine zus~itzliche Strukturgleichung erweitert wurde, 6 M. Parkin [22], S. 167.
88
H. KSnig:
um explizit eine Verbindung zwischen Arbeitslosigkeit und realem Wachstum herzustellen 7. Es besteht demgem~ifl aus einer Geldnachfragefunktion in einer quantit~itstheoretischen Version, mit der unter der weiteren Annahme, die Zentralbank kSnne jederzeit das Geldangebot kontrollieren, das Wachstum des Nominaleinkommens bestimmt wird. Eine um die Inflationserwartungen erweiterte PhillipsKurve, kombiniert mit einem Caganschen Erwartungsmechanismus und der Okunschen Gesetzm~itgigkeit teilen dieses Wachstum des Nominaleinkommens in seine rein monet~ire Komponente - - die Inflationsrate - - und die reale, die Arbeitslosenquote determinierende Komponente auf. Die Geldnachfragefunktion sei gegeben durch MdPt = e~Yd
~>0
(1)
wobei Mt die Geldrnenge, Pt das Preisniveau und Yt das Realeinkommen bezeichnen. Daraus folgt ffir die Wachstumsraten der Variablen
(1')
mt = xt + ~yt
mit zrt der Inflationsrate. Entsprechend der yon A. O k u n 8 ffir die Vereinigten Staaten gemachten Beobachtung, daf~ der langfristige Wachstumspfad der Produktion durch Bev61kerungswachstum und technischen Fortschritt bestirnmt sei und nur Abweichungen yon diesem Pfad zu ~nderung e n d e r Arbeitslosenquote ffihren, unterstellen wir ferner, da~ ut = a -
B (L) ( y t - yp)
(2)
sei, wobei ut die Arbeitslosenquote, ~/ deren langfristiger (,,natiirlicher") Wert und B (L) ein Polynom im lag-Operator L angeben 9. Definieren wir mit x t = y t - ~ die Abweichung der tats~ichlichen Wachstumsrate v o n d e r langfristigen Rate und nehmen wir an, daf~ ffir B (L) = fl0/(1 - fll L) mit fl0 > 0 und 0 < fll < 1 gilt, dann erhalten wir speziell 130 Ut - - a 1 - 8, L xt (2') = -- flO [Xt + fll X t - l + ~ l
2Xt-2+..-]
7 Vgl. dazu auch R. Dornbusch [3] sowie R. Dornbusch und S. Fisher [4], S. 390ff. - - Zur Kritik am Laidler-Parkin-Ansatz vgl. M. H. Miller und D. Williams [19]. s Vgl. z. B. A. Okun [21]. 9 Fiir den lag-Operator gilt L n z t = z t - n und L ~
Modell zur Erkl~rung von Arbeitslosigkeit und Inflation
89
d . h . , einen v o n d e r Oberschut~nachfrage der laufenden und der vergangenen Perioden - - gemessen in Abweichungen der Wachstumsrate - - abh~ingige Ver~inderung der Arbeitslosenquote. Drittens sei die Existenz einer um die Inflationserwartungen erweiterten Phillips-Kurve angenommen, also :rt = yo +
:rt*
?'i
-
y2 u t ,
(3)
wobei ~t* die fiir die Periode t erwartete Inflationsrate angibt, ftir die ein adaptiver Erwartungsbildungsprozefg der Art ~ t * -- ~ * t - 1
= (1 - - 2) ( ~ t - 1 -- ~ * t - 1 ) .
(4)
oder z~t* -
(i - ~) i- ~ z~t-i
(4')
gelte. Fiir die Friedman-Hypothese ist speziell y0=0 und y l = l , so dat~ die langfristige Phillips-Kurve senkrecht verl~iuft. Es sei der Einfachheit halber ffir die folgende Darstellung zun~ichst a = 1, ~/=0 sowie ~0=0 und ?1 =1. Die LSsung der Gleichungen (1'), (2'), (3) und (4) fiihrt dann zu
(s)
z~t = A (L) [ m r - y ]
mit 6(1 -2L)
A(L)=
(l+6)-(l+&+62)L+fllL 2
und 6 = fl0 ~2. Im ,,steady state" ist A (L)=A (1)=1, so dal~ (6)
:~t = m t - y,
d. h., zu jeder Wachstumsrate der Geldmenge existiert eine Inflationsrate zrt, die genau der Differenz zwischen der Rate der Geldmengenexpansion und der langfristigen Wachstumsrate des Realo einkommens gleich ist. Da die Oberschut~nachfrage x t = y e - y ist und somit wegen (1') xe = m t - zrt-y gilt, folgt unmittelbar xt =
[ 1 - A (L)]
[mt-yq
=0
fiir A (L)=1
(7)
im ,,steady state" und ffir die Arbeitslosenquote daher gem~ifg (2) Ut = /~.
Nur Ver~inderungen der Wachstumsrate der Geldmenge kSnnen entsprechend dem monetaristischen ,,Akzelerationstheorem" reale Effekte auslSsen.
90
H. K6nig:
Dieser Anpassungsprozet~ der Inflationsrate (und der iibrigen endogenen Variablen) wird dutch den Nenner des Polynoms A (L) beschrieben 1~ Fiir den Fall, dafJ (1 + fil + ~2) 2 < 4 fil (1 + ~) ist, erreicht das System in ged~impften Schwingungen wegen fit < 1 und >0 langfristigen Pfad. Abb. 1 zeigt den Verlauf des Anpassungsprozesses n. Die Gerade FF gibt die Beziehung zwischen Inflationsrate und Wachstumsrate des Realeinkommens gem~ifl G1. (1) wieder. Die Gerade PP gibt die L6sung der Gin. (2'), (3) und (4) mit den im vorhergehenden angefiihrten speziellen Parameterwerten an, also ~$ =
~t.-1
-[- (1 --/~ L) (~ [xt -I- ~ l x t - 1 Jr-/~12xt-2 + . . .
].
Fiir me---~ wird die Wachstumsrate ~ genau ohne Inflation finanziert. Wird nun die Wachstumsrate der Geldmenge permanent
~
i
Q
P
Yt p~
Abb. 1. Zusammenhang zwischen Uberschuf~nachfrageund Inflationsrate auf m " erh6ht, dann erhiilt man als L6sung f/ir die Periode 1 die Koordinaten des Schnittpunktes Qt der Geraden F'F' mit der Geralo Dieses gilt nur f/Jr den homogenen Tell der Differenzengleichung. Der ,,moving average" der exogenen Variablen bewirkt selbstversdindlich eine Veriinderung der Periodenl~inge. xt Vgl. dazu auch R. Dornbusch und S. Fisher [4], S. 417 ft.
Modell zur Erkl~irung von Arbeitslosigkeit und Inflation
91
den PP: Die Wachstumsrate des Realeinkommens hat sich auf yl erhSht bei einer Inflationsrate von ~1. Dieser reale Effekt ist umso gr6f~er, je flacher die Gerade PP verl~iuft. In der zweiten Periode verschiebt sich die PP-Gerade nach oben, so daf~ die neue L6sung nunmehr ein geringeres Realeinkommenswachstum bei steigender Inflationsrate aufweist. Dieser Prozef~ setzt sich bis zum Punket Q' fort, in dem zwar yt = ~ und ~t = m ' - ~ gewfihrleistet ist, abet trotzdem der Anpassungsprozel~ nicht zu Ende zu sein braucht. Bis zu diesem Punkt n~imlich haben die vorher durch die Geldmengenexpansion ausgel6sten realen Effekte einen Riickgang der Arbeitslosenquote unter ihren ,,natfirlichen" Weft zur Folge gehabt, so daf~ noch eine weitere Anpassung erforderlich sein kann. Dutch weitere Revision der Inflationserwartungen wird die tats~ichliche Inflationsrate weiterhin ansteigen und somit die langfristige Rate fiberschritten. Dieses ,,overshooting", in Abb. 1 dutch den Punkt Q" gekennzeichnet, geht nunmehr mit einer negativen f3berschuf~nachfrage einher, so dal~ Arbeitskr~ifte freigesetzt werden. Aus diesem Anstieg der Arbeitslosenquote resultiert ein Druck auf die Inflationserwartungen, der dann zu einem Rfickgang der tats~ichlichen Inflationsrate ffihrt, bis letztlich Punkt Q' bei gleichzeitiger Realisation der natfirlichen Arbeitslosenquote erreicht wird. Auf diese Weise erh~ilt man die iiblichen ,,Phillips-loops". 2.2. Z e i t l i c h e V e r z 6 g e r u n g e n in d e r G e l d n a c h f r a g e u n d Zinssatzeffekte Im folgenden wollen wir kurz auf die Frage eingehen, welche Wirkungen auf den Anpassungsprozef~ zeitliche VerzSgerungen in der Geldnachfrage sowie eine vom Zinssatz abh~ingige Geldnachfrage besitzen. Zun~ichst sei unterstellt, dat~ keine unmittelbare Anpassung der Geldnachfrage an den optimalen Bestand erfolgen kann, sondern eine Verz6gerung in der Anpassung stattfindet, so daf~ anstelle von (1') m~=O~t+O~yt+(1-O) mt_l mit 0 < 0 < 1 gilt. Mit dem Lag-Operator lfil~t sich (1 a') umformen zu (1/0 - (1 - 0) L/O) mt = nt + o~yt,
(la')
(1 a")
so dat~ wir als L 6 s u n g des Systems fiir die Inflationsrate fiir e = 1 ~t = A (L) [ ( 1 / 0 - ( 1 - 0 ) erhalten.
L/O) m t - ~ ]
(8)
92
H. KSnig:
Im ,,steady state" ist dann wiederum ~ = m t - 5 ~ , so dan sich an den langfristigen Eigenschaften des Modells dutch die Einbeziehung zeitlicher VerzSgerungen in der Geldnachfrage nichts ~indert. Kurzfristig ergeben sich jedoch schnellere und st~irkere Preiseffekte, die umso grSiger sind, je langsamer die Anpassung der Geldnachfrage an den optimalen Bestand erfolgt. Eine iihnliche Wirkung zeigt sich, wenn man eine Zinsabh/ingigkeit in der Geldnachfrage beriicksichtigt. Es sei angenommen, dal~ die Geldnachfragefunktion gegeben ist mit M t / P t = e ~ Y t ~ (l+it) -~
mit ~>0.
(lb)
Entsprechend der ,,Chicago"-Tradition wollen wir weiterhin unterstellen, dai~ der Fishersche Zusammenhang zwischen Nominalzins einerseits und Realzins sowie erwarteter Inflationsrate andererseits gelte. Somit ist (1 +it) = (1 +r) (1 +nt*) (9) mit r konstant. F/ir die Ver~inderungsrate des Nominalzinssatzes kann dann in erster N~iherung A n t * geschrieben werden, so dai~ aus (1 b) folgt m t - ~t = ocyt - ~ A :~t*
mit A = 1 - L.
(10)
Als LSsung erhalten wir :~t = A (L) (mr -SJ) + ~ A (L) d :~t*.
(11)
Die bisherigen steady state Eigenschaften bleiben somit erhalten, da A ~t':"= 0 ist. Kurzfristig bewirken jedoch diese Opportunit~itskosten der Geldhaltung, daf~ die reale Kassennachfrage gegeniiber dem Ausgangsmodell, solange die Ver~inderung der Inflationserwartungen positivist, st/irker verringert wird und somit eine schnellere Anpassung erfolgt. 3. Ergebnisse fiir die Bundesrepublik Deutschland Das im vorhergehenden dargestellte Modell wurde fiir Quartalswerte fiir die BRD gesch~itzt. Bei den Wachstumsraten der Variablen handelt es sich um jfihrliche Raten 12. Angesichts der mit Beginn der 12 Um noch verbleibende Saisonkomponenten zu eliminieren, erfolgte eine Gl~ittung mit einem symmetrischen gleitenden Durchschnitt. Die Daten sind entnommen aus: DIW, Vierteljiihrliche Volkswirtschaftliche Gesamt-
Modell zur Erkl~irung von Arbeitslosigkeit und Inflation
93
siebziger Jahre zun~ichst einsetzenden W/ihrungskrisen sowie der dann 1973 erfolgten Freigabe des DM-Wechselkurses und der damit verbundenen Umorientierung in der Geldpolitik haben wit die Berechnungen zunfichst for die Periode 1 9 6 2 - - 1 9 7 0 durchgeffihrt. Z u m Vergleich wurden dazu Berechnungen for die Gesamtperiode 1 9 6 2 - 1976 sowie unter der Annahme, dag seit Freigabe der Wechselkurse eine Kontrolle der Geldmenge durch die Zentralbank wieder mSglich war, for die Periode 1962--1970 und 1 9 7 5 - - 1 9 7 6 durchgeffihrt. Die Werte for 1974 wurden nicht einbezogen, da dutch die Verwendung j~ihrlicher Wachstumsraten noch die Sondereinflfisse des Jahres 1973 von Bedeutung sin& Geschfitzt wird das ModeU mit der zwei- bzw. dreistufigen Methode der kleinsten Quadrate in folgender Form yt = ao + al m t + a~ Jrt + a3 rot-1
(12a)
ut = bo + b l u t - 1 + b2 u t - 2 + b3 yt
(12b)
7gt = C O + C l ~ t - I + C 2 U t + C 3 U t - 1 ,
(12c)
wobei die GrSge offene Stellen abzfiglich Arbeitslose zur Zahl der Erwerbspersonen als Mag ftir die Oberschugnachfrage dient l~. Unter Berficksichtigung dieser Spezifikation ergeben sich for die Strukturparameter folgende Restriktionen: ao = - ~zO/glO,
al =
1/~1 O, a2 = - ~z2/~l, aa = - (1 - 0)/=10
/2 = [bo + b3 :p]/(1 - bl - b2), b3 -- rio, bl --/~1, b2 = f12 c0=y0(1-2), cl=yl(1-fl)+fl,
ca=y2, c 3 = - y ~ 2
rechnung, Berlin 1977. Ftir die Geldmenge MI: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, lfd. Jahrg/inge; f/jr Arbeitslose und offene Stellen: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt f/Jr Arbeit, lfd. Jahrg~inge und eigene Berechnungen [11]. F/jr Erwerbspersonen: DIW, Wochenberichte, lfd. Jahrg/inge. 18 Das bedeutet, dag sich die Vorzeichen der Parameter im Vergleich zur Variable ,Arbeitslosenquote" /indern. Die Regressionen wurden auch f/jr die Arbeitslosenquote, korrigiert um den Arbeitslosenexport via Gastarbeiter (vgl. dazu [11]) durchgeffihrt. F/Jr die Periode I fiihrt die dreistufige Sch/itzung zur Phillipskurve z~t = - 0,004 + 1,089 Jrt-1 + 0,014 (1/ut') - 0,013 (1/ut-l') (2,1) (19,5) (3,2) (2,8) mit der korrigierten Arbeitslosenquote ut'. Zur Vermeidung der Nichtlinearit~it wurde jedoch das im Text angegebene Mag der Oberschuflnachfrage vorgezogen.
94
H. KSnig:
In der Geldnachfragefunktion wird gem~ifl der Spezifikation (12 a) zugelassen, daft ceteris paribus fiir ao 4:0 eine yon der Zeit abMngige Ver~inderung der Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes infolge yon ~nderungen der Zahlungssitten, der Wirtschaftsstruktur usw. m6glich ist. ~0 gibt diesen EinfluI~ wieder, ~1 bezeichnet die Einkommenselastizit~it, 0~2 die Preiselastizit~it der Geldnachfrage, die nicht a priori als Eins (fehlende Geldillusion) vorgegeben wurde. Tabelle 1. 2 S M K Q - S c M i t z u n g e n Periode
I
AbMngige Variable yt
II III
I
ut
II llI
I
~t
II III I = 1962--70;
ao
al
aa
- 0,054 (0,1) 0,736 (2,5) 0,942 (1,7)
- 0,006 (0,5) - 0,055 (5,2) 0,056 (3,1)
(2,2) - 0,891 (1,6)
0,214 (0,9) - 0,529 (2,9) - 0,550 (2,0)
bo* 10 2
bl
b~
b3
- 0,058 (0,6) 0,404 (3,2) - 0,272 (0,9)
1,601 (9,7) 2,558 (13,3) 1,415 (2,9)
- 0,723 (4,8) - 1,568 (8,7) - 0,498 (1,1)
0,044 (1,8) - 0,090 (3,0) 0,078 (1,1)
CO
C1
C2
C3
-0,003 (1,7) - 0,000 (0,3) - 0,003 (2,1)
1,037 (15,8)
II = 1 9 6 2 - - 7 6 ;
0,716 (1,5)
a2
- 0,664
0,997
(25,6) 1,071 (25,1)
0,877 (4,8) 0,045 (0,2) 0,673 (2,9)
- 0,694 (3,1) 0,074 (3,0) - 0,496 (2,1)
III = 1962--70, 1 9 7 5 - - 7 6
Der Ansatz (12c) l~if~t zu, dat~ v o n d e r Geldmengenexpansion unabMngige Inflationseffekte vorliegen, also y0 4=0 ist, und dag die vertikale Phillips-Kurve fiir cl + 1 nicht existiert. Die zweistufigen ScMtzungen sind in Tabelle 1, die dreistufigen Sch~itzungen in Tabelle 2 wiedergegeben. Zahlen in Klammern unter dem Regressionskoeffizienten geben deren asymptotische t-Werte an. Zum Tell ergeben sich aus den beiden ScMtzverfahren recht unterschiedliche Ergebnisse. Das gilt insbesondere ftir die Parameter der
Modell zur Erkl~irung von Arbeitslosigkeit und Inflation
95
Geldnachfragefunktion, aber auch fiir die weniger signifikanten Parameter der erweiterten Phillips-Kurve. Wenden wit uns zun~ichst den Sch~itzergebnissen fiir die Periode 1962--1970 zu. Auf den ersten Blick miissen sie vom statistischen Tabelle 2. 3 S M K Q - S c h ~ i t z u n g e n Periode
I
Abhfingige Variable yt
II lII
I
ut
II Ill
I
z~t
II III I = 1962--70;
a0 - 0,020 (1,5) 0,048 (4,7) 0,056 (3,9)
al 1,163 (2,8) -0,996
(3,6) - 0,796 (1,4)
a~
as
0,254 (1,2) -0,491 (2,7)
- 0,320 (0,8) 1,131 (4,3) 0,923 (1,7)
- 0,684
(2,5)
b0* 10 ~
bl
b2
- 0,161 (2,0) 0,406 (3,3) - 0,501 (1,7)
1,500 (11,1) 2,532 (13,3) 1,072 (2,2)
- 0,634
0,069
(5,1) - 1,547 (8,7) - 0,176 (0,4)
(3,5)
CO
C1
C2
- 0,005 (3,5) 0,001 (0,6) - 0,003 (1,4) II -= 1962--76;
1,151 (22,0) 0,960
(25,0) 1,042 (24,4)
ba
- 0,091
(3,0) 0,134 (1,9) C3
0,882 (5,6)
- 0,248 (1,1) 0,509 (2,2)
- 0,838 (4,5) 0,316 (1,4) - 0,357 (1,5)
II1 = 1962--70; 1 9 7 5 - - 7 6
Standpunkt her als ~iutgerst zufriedenstellend angesehen werden. Sieht man yon Regressionskoeffizienten der Preisvariablen sowie der verz6gerten Wachstumsrate der Geldmenge in der Geldnachfragegleichung einmal ab, dann deuten die asymptotischen t-Werte auf eine hohe Signifikanz bin. Die Vorzeichen entsprechen den theoretischen Erwartungen: weder die Hypothese einer ,,augmented Phillips-curve" noch Okuns Gesetzmfitgigkeit k6nnen mit statistisch akzeptabler Wahrscheinlichkeit verworfen werden. Fiir die ,,steady state" L6sung der Schfitzergebnisse yon G1. (12b) erh~ilt man bei einer durchschnittlichen Wachstumsrate des Realeinkommens yon jfihrlich ca. 4 v. H. einen langfristigen Weft for ~ =0,95 v. H. bei einem Mittelwert in der Periode yon 1 v. H. Auch die dynamischen
H. K6nig:
96
Eigenschaften des Modells widerlegen nicht den monetaristischen Ansatz: Die kurzfristigen Multiplikatoren (impact multipliers) der Verfinderung der Geldmenge um 10 v. H. sind fiir yl = 1 in Tabelle 3 angefiihrt. Tabelle 3. Kurzfristige M u l t i p l i k a t o r e n
yt/mt ~rt/mt ut/mt
2SMKQ
3SMKQ
0,722 0,028 0,032
1,181 0,072 0,082
Eine Zunahme der Wachstumsrate der Geldmenge um 10 Prozent (das sind im Periodendurchschnitt 0,8 Prozentpunkte) fiihrt also zu einer erstmaligen Zunahme der Wachstumsrate des Realeinkommens von 1,2 Prozentpunkten, der Inflationsrate von 0,07 und des Anteils ~,u
(Prozentpunkte)
y
(Prozentpunkte]
1.0
0,10
0.05
iI'
0.5
........ 9
\~\ "" ""......
/
.
,
"
5
:-
\\
,/
10
"" . . . .
--'~
15
,e ~
,
.... w,
20
t (Quartalel
Abb. 2. Auswirkungen einer einmaligen Erh6hung der Wachstumsrate der Geldmenge um 10% auf yt, ~ und us [Simulationsperiode 1962--70], (3SMQ-Parametersch~itzungen)
der offenen Stellen (./. Arbeitslose) an der Zahl der Erwerbspersonen um 0,08 Prozentpunkte. Der Anpassungsprozefl ist in Abb. 2 dargestellt, das auf einer Simulation einer 10prozentigen einmaligen
Modell zur Erkl~irung yon Arbeitslosigkeit und Inflation
97
Erh6hung der Geldmenge zu Periodenbeginn basiert und die Abweichungen dieser ,,gest6rten" L6sung yon der Kontroll6sung wiedergibt. Die Pfade der einzelnen Variablen entsprechen dem im vorhergehenden ffir das theoretische Modell aufgezeigte Bild: der ,,reale" Effekt ist nut kurzfristig dominant und bewirkt einen Riickgang der Arbeitslosigkeit (d. h. Zunahme der offenen Stellen). W~ihrend die Wachstumsrate des Realeinkommens dann sehr schnell kleine Werte erreicht, verbleiben Inflationsrate und Ver~inderungsrate der Arbeitslosenquote noch auf einem verh/iltnism~iigig hohen Niveau. Nach 21/2 Jahren pendeh sich die Inflationsrate auf einem etwas h6heren Niveau ein. Dieser Effekt ist auf eine reelle, instabile Wurzel der charakteristischen Gleichung zurfickzufiihren. Es ist ffir die 3SMKQ-Sch~tzung (mit yl = 1): Realteil
Imagin~irteil B e t r a g
Frequenz
0,7590 1,0064
_+0,2530
0,3217 0,0000
0,8001 1,0064
Ffir die komplexe Wurzel ergibt das eine Periode yon 19,53 Quartalen, d . h . einen ungef~hr ffinfj/ihrigen Zyklus in den Wachstumsraten. Betrachtet man die in den Abbildungen 3 a und 3 b auf Grund der Varianz-Kovarianzmatrix der Residuen berechneten Spektren der endogenen Variablen bzw. der ersten Differenzen14, dann implizieren diese fiir die Wachstumsrate des Realeinkommens einen Prozetg des weigen Rauschens. Nach Abklingen des durch die homogene L6sung beschriebenen Einschwingvorganges sind in diesem Falle also )~nderungen in der Wachstumsrate der Geldmenge notwendig, um neue Schwingungen zu erzeugen. Zyklen, die entsprechend der 14 Ohne Beriicksichtigung der exogenen Variablen kann man das System allgemein als A Y (t)= B Y ( t - 1 ) + V (t) schreiben, wobei A und B n • n Matrizen der gesch~itzten Parameter und V (t) einen n • 1 gliedrigen Vektor der Restgr6f~en bezeichnen. Unter der Annahme, datg (!) die Residuen reine Zufallsprozesse mit Erwartungswert Null und Varianz-Kovarianzmatrix X' sind, (2) die Matrix A regul~r ist und (3) A-1 B nnr Eigenwerte betragsm~it~igkleiner als Eins besitzt, ist die Spektralmatrix gegeben mit Fy (co)= (2 vr)-I T (co)~' T (co)" mit T (co) = ( A - Be-*o) - t u n d i2= - 1. Diese enth/ilt auf der Hauptdiagonalen die Spektren der endogenen Variablen, die mit dem Programm TRANSF berechnet wurden. Im vorliegenden Fall verlangt die instabile reelle Wurzel, die durch die Restgr6i~en implizierten Zeitpfade als Abweichungen yon einem durch diese Wurzel gegebenen exponentiellen Trend zu interpretieren. Vgl. dazu auch H. K6nig und J. Wolters [10]. 7
Zeitschr, f. N a f i o n a l f k o n o m i e , 38, Bd., Heft 1-2
98
H. K~Snig:
Slutsky-Frisch Hypothese durch die Eigenschaften der Restgr/5t~en bedingt sind, existieren in diesem ModeU nicht" nur die Akzeleration der Geldmenge 16st derartige Effekte aus. Ein etwas anderes Bild ergibt sich fiir die Arbeitslosenquote, die eine spektrale Spitze bei 26,7 Quartalen in den Ursprungswerten bzw. 16 Quartalen in den ersten Differenzen aufweist. Die Inflationsrate zeigt fiir die Ursprungswerte das typische Spektrum/Skonomischer Zeitreihen (man beachte: Wachstumsraten liegen den Schatzungen zugrunde!) und
T
Spektrum
10-:
10-3. it
I"' I
Frequenz
0 o.12s 0:2s 0~6 015 ~ Abb. 3 a. Spektren yon Wachstumsrate des Realeinkommens, Arbeitslosenquote und Inflationsrate eine innere Spitze bei 14,5 Quartalen in den ersten Differenzen. Im Gegensatz zur Wachstumsrate des Realeinkommens k6nnen also in diesen beiden Fallen zyklische Schwankungen auch aus dem Restgr6flenprozefl erklart werden. Trotz der im vorhergehenden ftir die monetaristische Position dargestelken guten Eigenschaften der Schatzung kommen einige Zweifel auf, wenn man die Implikationen der Parameterschatzungen bedenkt. Diese implizieren aus c2 und c3 einen Weft yon 2 = 0,95 bzw. 0,79 und damit einen durchschnittlichen lag yon 19 Quartalen
Modell zur Erkliirung von Arbeitslosigkeit und Inflation
99
(3SMKQ) bzw. 3,76 Quartalen (2SMKQ). Im ersten Fall bedeutet dies faktisch station~ire Preiserwartungen, denn eine 90 prozentige Anpassung effordert eine Beriicksichtigung der Inflationsraten von 46 Quartalen. Im zweiten Fall hingegen sind nur r u m l0 Quartale fiir die Erwartungsbildung efforderlich: Entscheidend fiir die Er-
, ,~ Spektrum U /y,'~
(1o
o.~25
o.'25
o.~75
o'.5
Abb. 3 b. Spektren der ersten Differenzen von Wachstumsrate des Realeinkommens, Arbeitslosenquote und Inflationsrate
wartungsbildung wird so das Sch~itzverfahren. Bei der 3stufigen Methode erhalten wir das Ergebnis, daf~ infolge der langsamen Revision der Erwartungen sowohl kurz- als auch langfristig die ,,klassische" Phillips-Kurve existiert; bei der zweistufigen Methode hingegen ist nach 2,5 Jahren durch entsprechende Korrektur der Preiserwartungen die vertikale Phillips-Kurve erreicht. Zweitens sind die Parametersch~itzungen der Geldnachfragefunktion wenig zuverliissig. Die Preiselastizitfit der Geldnachfrage mit -0,2 (3SMKQ) bzw. -0,3 (2SMKQ) deutet darauf hin, daf~ die Nachfrage sich nicht an Preis~inderungen orientierte. Diese Instabilit~it dokumentiert sich klar, wenn man die Sch~itzergebnisse fiir die beiden ande7*
100
H. K6nig:
ten Perioden betrachtet ~5. Die zusiitzlichen fiinf Beobachtungen des Zeitraumes 1975--1976 bewirken in der Geldnachfragefunktion Vorzeichenwechsel in den Parametern, die nunmehr auf lags in der Geldpolitik hindeuten, oder anders formuliert, die Knderung des Wechselkurssystems sowie eine Neuorientierung in der Geldpolitik mit der monetiiren Basis anstelle der freien Liquiditiitsreserven als Indikator und einer Ver6ffentlichung von Richtwerten der Geldmengenexpansion haben anscheinend betriichtliche ~nderungen in den lag-Strukturen zur Folge. Das gilt auch fiir den zweiten Baustein des Modells: fiir die Gesamtperiode entspricht nun das Vorzeichen in ,,Okuns law" nicht mehr den Erwartungen, denn h6here Wachstumsraten des Realeinkommens gehen mit einem Riickgang der 0berschuf~nachfrage einher, wobei der Anpassungsprozeg instabil wird. Fiir die Phillips-Kurve erhalten wir fiir die Periode III nunmehr in beiden Schiitzverfahren einen Wert von ~ ~0,7, w~ihrend die Koeffizienten fiir die Periode II falsche Vorzeichen aufweisen. 4. Zur RoUe
der Erwartungen
Fassen wir unsere Ergebnisse zusammen: Arbeitslosigkeit und Inflation w~ihrend der Periode 1962--1970 werden durch das Modell gut ,,erkl~irt", es versagt jedoch fiir die Zeit der W~ihrungskrisen und seit der Einffihrung flexibler Wechsetkurse. ~hnliche Effahrungen liegen mit einer Studie von D. L a i d l e r [13] fiir Groi~britannien vor, in der mit Hilfe einer erweiterten Phillips-Kurve und eines adaptiven Erwartungs-Ansatzes die Produktions- und Preisniveauver/inderungen in der Periode 1919--1970 mit Ausnahme der einer Abwertung folgenden Jahre bestimmt werden konnten 16. Laidler f~ihrt an einer anderen Stelle dies auk Interaktionen zwischen Wechselkursiinderung einerseits und Geldpolitik andererseits, die nicht nur die Erwarrungswerte, sondern auch den Typus der Erwartungsbildung beeinflussen, zuriick und kommt zu dem Schlui~ ,,... there is no such thing as a unique transmission mechanism for monetary 15 Diese Instabilitiit kann auch darauf zurtickgefi.ihrt werden, dai~ der Transmissionsmechanismus - - der traditionellen Vorgehensweise entsprechend - - in bezug auf die Geldmenge M1 und nicht auf das theoretisch und empirisch bedeutsamere Kreditvolumen formuliert wurde. Vgl. dazu auch E. Streissler und G. Tichy [23]. F~ir eine differenzierte Behandlung des Transmissionsmechanismus fiJr ein 6konometrisches Modell der Bundesrepublik siehe H. K6nig, W. Gaab und J. Wolters [12]. 16 Auch die Untersuchung von J.A. Carlson und M. Parkin [22] deutet auf einen Bruch in der Erwartungsbildung infolge yon Wechselkursparit~itsSnderungen hin.
Modell zur Erklfirung von Arbeitslosigkeit und Inflation
101
or any other kind of policy... Rather, there is potentially a different transmission mechanism for every policy regime. If this is so, the contents of the famous "black box" has no unique structure" iv Im System fester Wechselkurse bewirkt der klassische Zahlungsbilanzmechanismus eine verst~irkte monet~ire Expansion im Inland, wenn die Wehinflationsrate gr6t~er als die inl~indische Rate ist und die W~ihrungsbeh6rde Zahlungs~berschiisse nicht durch kontraktive Gegenmaf~nahmen sterilisiert. Fiir die inlfindische Preisniveauentwicklung besitzt diese Form der Geldmengenvermehrung genau dieselbe Eigenschaft wie die der inl~indischen KreditschSpfung. Im Falle adaptiver Erwartungen wird fiber die Korrektur der Erwartungen entsprechend der bisherigen Entwicklung eine (allm~ihliche) Angleichung der internen Rate an die Wehinflationsrate erfolgen. Unterstellt man jedoch rationale Erwartungen der Wirtschaftssubjekte, also Kenntnisse der Wirkungsweise des Zahlungsbilanzmechanismus, dann wird die inlfindische Inflationserwartung unmittelbar dutch die Wehinflationsrate bestimmt. Es existiert dann ein eindeutiger Kausahusammenhang zwischen der Wehinflationsrate und der Entwicklung des inl~indischen Preisniveaus, so daf~ die Geldmengenvermehrung nicht mehr als die Ursache, sondern als eine Begleiterscheinung der Nominaleinkommenserh6hung, bewirkt durch eine Zunahme der Weltinflationsrate, angesehen werden mut] x8. ~hnliche fgberlegungen kann man bei einem System flexibler Wechselkurse gehend machen. Bei v611ig flexiblen Kursen und fehlender Intervention der W~ihrungsbehSrde auf den Devisenm~irkten w/irden entsprechende Kursver~inderungen den internationalen Preiszusammenhang unterbrechen. Unterstelh man wiederum rationale Erwartungen, dann wird die Wehinflationsrate wieder zu einer Orientierungsgr6f~e, wenn die W~ihrungsbeh6rde versucht, bestimmte Zielwerte des Wechselkurses zu realisieren. Diese Ausfiihrungen zeigen schon, welche Bedeutung der Typus der Erwartungsbildung fiir den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik besitzt. Die Frage stelh sich jedoch, ob rationale Erwartungen - - in strenger oder weicher Version - - ein besseres Konzept zur Erkl~irung der (fehlenden) Wirkungsweise wirtschaftspolitischer Maf~nahmen darstellen. Auf die Bedeutung rationaler Erwartungen 17 D. Laidler [16], S. 52. ~8 In diesem Fall ist die Geldmenge eine endogene und die Inflationsrate eine (beinahe) exogene GrSi~e. Das im vorhergehenden dargestelhe Modell wurde unter dieser Annahme gesch~itzt. Die Parameter wiesen z. T. falsche Vorzeichen auf und waren mit Ausnahme der lag-Werte der Variablen in den meisten F~illen kaum signifikant.
102
H. KSnig:
ffir das Testen 6konometrischer Hypothesen hat R. E. L u c a s [18] hingewiesen, so dag dieser Aspekt hier aut~er Betracht bleibt. B. M. F r i e d m a n [5] hat gezeigt, dag die Bildung rationaler Erwartungen einen Fehler-Lern-Prozefl zur Erkenntnis der Struktur erforderlich mache und daher letztlich doch adaptive Erwartungen vorhanden w~iren. H. F r i s c h [7, S. 9] kommt zu dem Ergebnis, datg das monetaristische Akzelerationstheorem nur bei adaptiven Erwartungen gelte und die empirische Evidenz zugunsten dieses Theorems spreche, da (1) institutionelle Bedingungen wie Dauer der Tarifvertr~ige oder Lieferpreisvereinbarungen kurzfristige Reaktionen entsprechend dem Konzept rationaler Erwartungen nicht erlauben, (2) Wirtschaftssubjekte die gleichen Informationen entsprechend ihrem subjektiven Modell verwerten und (3) zum Zeitpunkt der Erwartungsbildung eine nur unvollst~indige Information fiber alle exogenen Variablen vorliegt. Hinzuzuffigen ist, dag auch die Informationsverarbeitung Zeit erfordert und Kosten verursacht und schlief~lich, dag die rationale Erwartungshypothese die Kenntnis der wahren Struktur voraussetzt w und welcher Okonom hat nicht in aller Vielfalt diese Kenntnis ? Trotz dieser Einw/inde gegen rationale und des P1/idoyers zugunsten adaptiver Erwartungen scheint mir dieses Konzept ebenfalls zu problematisch, um davon die Wirkungsweise eines Modells und die Beurteilung der Effizienz unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Magnahmen abh~ingig zu machen. Adaptive Erwartungen beuten im Prinzip nur die in den meisten Zeitreihen vorhandene autoregressive Struktur aus. Wirtschaftssubjekte orientieren sich jedoch nicht nur an der historischen Entwicklnng einer Variablen, sondern beziehen - - sicherlich unvollst~indig - - zusiitzliche Informationen in ihre Beurteilung der zukfinftigen Entwicklung mit ein. Ein Spekulant an der GetreidebSrse ist gut beraten, seine Orders nicht nut aufgrund der bisherigen Preisentwicklung zu plazieren, sondern Informationen fiber den augenblicklichen Getreidestand, fiber mSgliches Kaufinteresse der Sowjets usw. zu berficksichtigen. Ebenso werden (tats~ichliche und erwartete) Wechselkurs~inderungen in den Erwartungsbildungsprozeg wirtschaftspolitischer Instanzen mit einfliegen und sich in entsprechenden Entscheidungen niederschlagen. Die Annahme adaptiver Erwartungsmechanismen mit im Zeitablauf konstant bleibenden Koeffizienten wird diesem Ph/inomen nicht gerecht. D. L a i d l e r 19 vertritt die fJberzeugung, daf~ ,,the IS-LM model is more likely to be viable at times and places where the expected rate of inflation is approximately zero, and 19 D. Laidler [16], S. 34.
Modell zur Erkl~rung von Arbeitslosigkeit und Inflation
103
fluctuates little, than at others", und Vorsicht geboten sei in der Anwendung dieses Modells in Zeiten st~irkerer Variationen in den Inflationserwartungen. Unsere bisherigen fAberlegungen und die 5konometrischen Ergebnisse sprechen eigentlich fiir das Gegenteih in den 60er Jahren war die Inflationsrate in der BRD verh~iltnism~igig niedrig und zeigte keine nennenswerten Schwankungen. Die Sch~itzungen implizieren daher auch (beinahe) statische, d. h., fiir wirtschaftliche Entscheidungen irrelevante Erwartungen 2~ Nut dann reicht ein Modell mit geringer 5konomischer Struktur fiir die ,,Erklfirung" des Wirtschaftsablaufes aus. Die ,,augmented PhillipsCurve" scheint mir so nur ein schwacher Ersatzkandidat zur LSsung des ,,missing equation"-Problems zu sein. Literatur [1] L.C. Andersen und J. L. Jordan: Monetary and Fiscal Action: A Test of Their Relative Importance in Economic Stabilization, Federal Reserve Bank St. Louis Review 50 (1968), S. 11--23. [2] J.A. Carlson und M. Parkin: Inflation Expectations, Economica N. S. 42 (1975), S. 123--138. [3] R. Dornbusch: Inflation, Growth and Unemployment: An Expository Framework, unverSffentl. Manuskript 1975. [4] R. D o r n b u s c h und S. Fisher: Macro-Economics, New York 1978. [5] B.M. Friedman: Rational Expectations are Really Adaptive after all, Harvard Institute of Economic Research: Discussion Paper 430, August 1975. [6] M. Friedman: The Role of Monetary Policy, American Economic Review 58 (1968), S. 1--17. [7] H. Frisch: Monetarism and Monetary Economics: A Delayed Comment, Kredit und Kapital. [8] J.M. Keynes: The General Theory of Employment, Interest and Money, London 1936. [9] C. K6hler: Geldmengenpolitik aus der Sicht des Praktikers, in: Osterreichische Nationalbank (Hrsg.): Fiskalismus kontra Monetarismus, S. 79--88. [10] H. KSnig und J. Wolters: Einfiihrung in die Spektralanalyse 5konomischer Zeitreihen, Meisenheim/Glan, 1972. 20 Faktisch implizieren die dreistufigen Sch~itzungen der ,,augmented Phillips-curve" fiir die Perioden 1962--70 einen Random-walk-Prozet~ der Inflationsrate. Daraus lfii~t sich auch erkl~iren, dat~ in der Geldnachfragegleichung die Inflationsrate zur Erkl~rung der realen Kassenhaltung iiberfliissig ist.
104 H. K6nig: Modell zur Erkliirung von Arbeitslosigkeit und Inflation [11] H. K6nig und W. Franz: Unemployment Compensation and the Rate of Unemployment in the Federal Republic of Germany, in H. G r u b e 1(Hrsg.) : The Economics of Unemployment Insurance,Toronto 1978. [12] H. KtSnig, W. Gaab und J. Wolters: An Econometric Model of the Financial Sector of the Federal Republic of Germany, in S.F. Frowen, A.S. Courakis, M.H. Miller (Hrsg.): Monetary Policy & Economic Activity in Western Germany, London 1977, S. 157--187. [13] D. E. W. Laidler: The current inflation: the problem of explanation and the problem of policy, National Westminster Bank Quarterly Review, November 1972. Wiederabgedruckt in D. E. W. Laidler: Essays on Money and Inflation, Chicago 1975. [14] D. E. W. Laidler: The influence of money on real income and inflation: a simple model with some empirical tests for the United States, 1953--72, Manchester School 41 (1973). Wiederabgedruckt in D. E. W. Laidler: Essays on money and inflation, Chicago 1975, S. 135--165. [15] D. E.W. Laidler: Inflation - - Alternative Explanation and Policies: Tests on Data Drawn From Six Countries, in: K. Brunner and A. H. Meltzer (Hrsg.): Institutions, Policies and Economic Performance, Amsterdam 1976, S. 251--306. [16] D. Laidler : Money and Money-Income: An Essay on the "Transmission Mechanism", Research Bank of Australia, Research Discussion Paper 7704, August 1977. [17] D. Laidler und M. Parkin: Inflation: A Survey, Economic Journal 85 (1975), S. 741--809. [18] R. E. J. Lucas: Econometric Policy Evaluation: A Critique, in: K. Brunner und A. H. Meltzer (Hrsg.): The Phillips-Curve and Labor Markets, Amsterdam 1976, S. 19--46. [19] M. H. Miller und D. Williams: Money, Output and Inflation: A Synopsis and Critique of Some Recent Developments in Monetarism in the U. K. Unver6ffentlichtes Manuskript, Oktober 1975. [20] F. Modigliani: The Monetarist Controversy or, Should we Forsake Stabilization Policies? American Economic Review 67 (1977), S. 1--19. [21] A. Okun: Unemployment and Output in 1974, Brookings Papers on Economic Activity 2 (1974), S. 495--505. [22] M. Parkin: A "Monetarist" Analysis of the Generation and Transmission of World Inflation: 1958--1971, American Economic Review, Papers and Proceedings 67 (1977), S. 164---171. [23] E. Streissler und G. Tichy: Die Transmission monetiirer Impulse fiber den Kreditmarkt, Unver(SffentlichtesManuskript 1977. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Heinz K6nig, Lehrstuht fiir Volkswirtschaftslehre und Okonometrie II, Universitiit Mannheim (Wirtschaftshochschule), Seminargeb~iude A5, D-6800 Mannheim, Bundesrepublik Deutschland.