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Ein w e i t e r e r B e i t r a g zur Lehre yon der r e t r o g r a d e n Inkarzeration. Vou Dr. Oskar Klauber, Spezialarzt far Chirurgie in Prag. Zu wiederholten M a l e n h a b e ich in der vieldiskutierten F r a g e der r e t r o g r a d e n I n k a r z e r a t i o n das W o r t ergriffen u n d vor kurzem eine z u s a m m e n f a s s e n d e D a r s t e l l u n g dieser seltsamen H e r n i e n f o r m g e g e b e n l ) ; inzwlschen b r a c h t e mir der Zufall eine neue Beobachtung, die einen auff/illigen B e f u n d bot. Die 64 j~ihrige F r a u hatte seit 13 J a h r e n einen linksseitigen I.eistenbruch, d e r schliel31ich bis zu Mannsfaustgr6f3e austrat. Sie t r u g t i n B r u c h b a n d , welches d e n Bruch angeblich stets gut zuriickhielt. A m T4. V I I I . I9iO iaachts 2 U h r trat der Bruch beim S t u h l a b s e t z e n st~irker als sonst hervor u n d lieg sich nicht m e h r r e p o n i e r e n ; es setzten heftige Schmerzen ein, zweimaliges E r b r e c h e n , auch sot[ sich noch zweimal dtinner Stuhl entleert haben. N a c h einem Schiittelfrost stieg die T e m p e r a t u r auf 38,4~ bei der A u f n a h m e , welche u m 6 U h r morgens erfolgte. Jetzt b e s t a n d h~iufiges A u f s t o g e n , der Leib war etwas voller, die B a u c h d e c k e n jedoch schlaff. Perkussionsschall iiberall gleichm~igig, kein W a h 1 sches Zeichen a m A b d o m e n nachweisbar. E b e n s o fehlte eine lokale a b n o r m e Vorw61bung oder A s y m m e t r i c der Bauchd e c k e n ; in d e n F l a n k e n keine auff/illige D/impfung. I n der l i n k e n L e i s t e n g e g e n d sah m a n eine doppelt m a n n s f a u s t g r o B e Bruchgeschwulst, 1/inglich oval, schr/ig tief ins groBe L a b i u m h i n a b s t e i g e n d . Sie war an der Oberfl/iche glatt, E i n s e n k u n g e n fehlten. Konsistenzdifferenzen des B r u c h i n h a l t s waren weder /astbar noch perkussorisch nachweisbar, w e n n auch die d e m B r u c h h a l s e n/iher g e l e g e n e n Teile weniger g e s p a n n t erschienen. D a auch der Hals weit war, der R i n g wenig empfindlich, wurde ein zarter Repositionsversuch gewagt. Doch liel3 sich yon dem D a r m i n h a l t nichts g e g e n die Abdominalh6hle entleeren. Deshalb sah ich yon intensiveren Taxis1) K 1 a u b e r . Die retrograde Inkarzeration. Volkmanns Samnllung klinischer Vortr/ige, N. F., Nr. 574, M/irz 19ro. Daselbst auch die gesamte einschl/igig6 Literatur. Nachzutragen: J a n e s s e t z k y - \ V o i n o , Chirurgija (russ.) I9O8, Bd. 24, S. I27. Seither erschienen: P 6 1 y a , Orvosi hetilap 191o, 6-- 9 sz. und Pester clair. Presse Nr. 1o, S. 77. - - d e I3 e u 1e , Zentralbl. f. Clair. Igro, Nr. 1o, S. 358. - - S t u c k e y , Russk. "Wratsch, f9~o, Nr. 9, S. 298 und Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, Bd. Io5, S. 545. - - M a c e w e 11, Brit. reed. journ. 2. IV. I9IO. - - K 1 a u b e r , Prager reed. Wochenschr. I9IO, Nr. 2o, S. 247. -- Cackovic, Liecnicki viestnik I9o9, Nr. 6. - - K o p f s t e i n , Casopis 16k. cesk. i9tr Nr. 27, S. 823 . - - P r o p p i n g , Bruns Beitr/ige, Bd. 69 , S. 296.
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man6vern ganz ab unter dem IIinweis auf die M6glichkeit einer retrograden I nkarzeration. Die sofort angeschlossene Operation, welche in LokalanS.sthesie (naeh B r a n n) ausgeftihrt wurde, ergab einen mfiBig gespannten Bruchsack mit dicker W a n d und grau-getriibtes, dickliches Bruchwasser. Es erscheint zun/ichst verdicktes Mescnterium; Vorziehen des Bruchinhalts: eine etwa 3o cm lange Dtinndarmschlinge, welche blaB, wenig geftillt, stellenweise kontrahiert ist. Die Bruchgeschwulst bleibt aber bestehen, denn in der Tiefe liegt noch eine zweile Schlinge, welche ungefS.hr ebenso lang, starker gefiillt, aber gut gefS.rbt ist, keine Fibrinbel~ige oder Suffusionen aufweist. Auch das Mesenterium beider Schlingen ist blaB, glatt. Schl/igt man die beiden Schlingen auseinander, so sieht man, dab jede ein b e s o n d e r e s Mesenterium besitzt, zwischen welchen zwei t,'ir~ger in den weiten Bruchring eingefiihrt werden k6nnen, ohne dab ein Zusamm e n h a n g der beidcn MesenterialblS.tter nachweisbar ist. T r o t z d e m lassen sich die Sehlingen nicht weiter vorziehen; auch als der ,iuBere Leistenring eingeschnitten wird, gelingt zun/ichst d a s V o r z i e h e n durch Zug an den Bruchschlingen nicht; erst durch E i n g e h e n der t [ a n d in die Bauchh6hle und H e r v o r h e b e n der angrenzenden Darmpartien wird der l ) a r m beweglich und derart w~rziehbar, dab alle 4 Inkarzerationsringe des Darmrohrs besichtigt werden k6nnen. D r u c k m a r k e n sind nicht erkennbar; es zeigt sich nut an dem zufiJ.hrenden Ende der oralen Schlinge eine geringe Suffusion (vielleicht von den Repositionsversuchen). Das Z w i s c h e n s t ii c k zwischen den beiden Bruchschlingen hat eine I e i c h t g r a u v e r f 5. r b t e S e r o s a , ist ungef~hr so stark gefiillt wie die orale Schlinge. Aus der Bauchh6hle quillt v i e l t r / . i b e F l t i s s i g k ei t hervor. An dem Mesenterium der etwa 5o cm langen Zwischenschlingc sieht man einmal knapp an der Insertion des l)armes mehrfachc, 5 - I O cm voneinander entfernte Suffusionen yon Pfenniggr/3t3e; ferner bestehen an der Basis des Mesentcriums, etwa I O cm welt yon der Darminsertion, in einem konvexen Bogen massige ,subseri~se Blutaustritte mit \ ' e r d i c k u n g des Mesenteriun~ daselbst (Thrombosen). Da alle Darmteile lebensf5.hig erscheinen, werden sic reponiert und die Operation in gewohnter Weise beendigt. Der lleilungsverlauf war ungest6rt, die T e m p e r a t u r am A b e n d 37o; am 2. T a g e erfolgte Stuhlgang, die \Vunde heilte per primam. In diesem Falle fehlten jene klinischen Merkmale, welche bei der retrograden lnkarzeration am A b d o m e n sonst nachweisbar sind (zirkumskripte Vorw61bung, Asymmetrie, v. \V a h l sches Zeichen), weil das Verbindungssttick, wie ich bei der Operation feststellen konnte, gegen das k l e i n e Becken z u gelagert war, also dem Nachweis entging. D a g e g e n leitete auf den (;edanken der retro-
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graden Inkarzeration die trotz weiten Ringes bestehende Unm6glichkeit, den Darminhalt aus den Bruchschlingen zu entleeren; denn gegen die beiderseits abgeschlossene Verbindungsschlinge ist natiirlich ein Weiterschaffen des Darminhaltes ausgeschlossen; andererseits war natiirlich das zur oralen Bruchschlinge zuftihrende Darmstiick (oberhalb der ersten Stenose) ebenfalls iiberfiillt. Die aborale Bruchschlinge dagegen war leer. Schon 5 Stunden nach der Inkarzeration bestand triJ,bes Bruchwasser (auch in der Bauchh6hle), sowie Fieber nach vorangegangenenl Schi.ittelfrost. Dies zeigt wieder die enorme GefS,hrlichkeit der retrograden Inkarzeration, die so rasch zu peritonitischen Ver/inderungen in der Bauchh6hle ftihrt. Eine gelingende Taxis anstatt der Herniotomie kann bei dieser Bruchform die unheilvollsten Folgen haben, wie in dem jiingst publizierten 2. t,'alle S t u c k e y s (a.a.O.), in welchem 3 Stunden nach der Inkarzeration w~ihrend der Vorbereitungen zur Operation der Bruch yon selbst zurtickschltipfte. Nach einigen Stunden traten peritonitische Erscheinungen auf; die Laparotomie mit Resektion der Verbindungsschlinge konnte den Kranken nicht mehr retten. Es mul3te also schon 3 Stunden nach der Inkarzeration das Verbindungsstiick in seiner Lebensfiihigkeit so schwer gesch~idigt gewesen sein, dab die Reposition nicht mehr zur Erh01.ung geniigte. Die genaue Untersuchung des Bruchinhaltes vor Spaltung des Bruchrings ergab das Vorliegen jener Form der retrograden Inkarzeration, welche L a u e n s t e i n als erster beschrieben hat, n~imlich unter F r e i b l e i b e n des Mesenteriums der Verbindungsschlinge yon der Brucheinklemmung. Ihre Entstehung ist in unserem Falte wahrscheinlich die, dab entweder zwei Schlingen gleiehzeitig in den grogen Bruchsack mit welter Pforte eingetreten waren, oder dab zu einer zuf/illig darin vorhandenen Schlinge eine zweite hinzutrat, wodurch erst die Inkarzeration zustande kam. Denn es ist 'kaum denkbar, dab zun/ichst der ganze Darm (Bruchschlingen samt Verbindungsstiick), also etwa I lO cm, in diesen Bruchsack vorfielen und dann erst das Mittelstiick (yon der Patientin) reponiert wurde. Doch miissen im Momente des Vorfallens durchaus nicht die bei der Operation vorhandenen Darmsti_icke in ihrer ganzen I_5.nge in den Bruch eingetreten sein. Vielmehr k6nnen durch die mechanische F.inwirkung sehr wohl zun:,ichst blog kurze Darmpartien vorgefallen sein; nach der W i l m s s c h e n Lehre von der Entstehung der Strangulation holte die jetzt einsetzende Peristaltik yon dem freien Darmende so viel in den Bruchsack nach, bis ein Itindernis geboten war. Dies war aber nicht etwa der Eintritt der Ringschniirung am Leistenkanal; denn dieser war noch immer geniigend welt (fiir zwei Finger durchgS.ngig). Vielmehr mugte die LS. n g e d e s M e s e n t e r i u m s dem weiteren Vorfall ein ZieI setzen. - -
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Doch ist andererseits ebensogut denkbar, daft bet dem Vorfall des Darms gleich die ganze Darinpartie, welche bet der Operation gefunden wurde, in den Bruch eintrat und sofort irreponibel wurde. Ich l{abe schon wiederholt auf die Bedeutung der L/inge des Mesenteriums bet der Brucheinklemmung hingewiesenl); sie spielt meiner Meinung gerade bet der retrograden Inkarzeration eine wichtige Rolle. P e t r i v a l s k y beschrieb i,'511e von Hernie en W, bet welchen Ern~ihrungsst6rungen an der Verbindungsschlinge fehlten, weil das Mesenterium hier geniigend fang war, schlaff im Bauche lag und keiner schS.digenden Einwirkung ausgesetzt war:). Bet den F~illen von retrograder Inkarzeration mit Gangrtin der Verbindungsschlinge lesen wir aber, daft das Mesenterium dieser Schlinge durch Zug gegen die Bruchpforte hin angespannt, die Zirkulation also gehemmt war. Es wird also auf die Ltinge des Mesenteriums ankommen, was fiir Folgen sich fiir den Verbindungsdarm in der Bauchh6hle bet der Hernie en W ergeben. Ziehen wir eine Dannschlinge aus einer Bruchpforte hervor, so kommen wit (ira allgemeinen) an eine Grenze, wo ein weiteres Hervorziehen unm6glich wird; es ist jener Moment, wo die Mesenterialplatte zu kurz wird, als dab sie ein so weites Entfernen des Darms yon v o n d e r Insertion des Mesenteriums an der Wirbels~iule gestatten wiirde. Dann wird uns der angrenzende D a r m nur durch eine Erweiterung der Herniotomie zu ether Herniolaparotomie zug~inglich (s. Miinch. med. Wochenschr. a.a.O.). Nur bet langem Mesenterium (Enteroptosis, hiiufiges tIerausfallen in einen Bruch u. a.) k6nnen wir fast alle Darmpartien aus einer Bruchpforte hervorziehen. I) D e u t s c h e med,.\~,'ochenschr. 1 9 0 ( 7 , Nr. 4, S. 146. - - Zentralbl. t. Chit. 19o7, Nr. 35, S. ~o28. - - Mflnch. reed. \ V o c h e n s c h r . ~9o7, Nr. 40, S. I986. - - S a m m l g . kiln. Vortr., N. F., Nr. 574, S. ,29. 2) I I i l g e n r e i n e r , welcher (Bruns Beitrtige, 13d.(~9, S. 333 u n d 431) d a s grolae Material v o n 2238 } t e r n k m tier \V 61 I1 e r s c h e n Klinik b e a r b e i t e t e , l a n d h i e r u n t e r 8 Ftille y o n E i n k l e m m u n g z w e i e r D a r m s c h l i n g e n i m 1Jruch. T r o t z d e m z u m T e i l bereit.~ m e h r f a c h GangrtLn der B r u c h s c h l i n g e n bestand, f e h l t e n in a l l e n t;iillen F . r n i i h r u n g s s t 6 r u n g e n a n d e m inl Bauchc" g e l c g e n e n V e r bindungsst/icke. Itilgenreiner hS.lt n o z h (S. 416) d e n , . l o k a h m M e t e o r i s m ~ t s " ttir s c h u l d t r a g e n d a n d e m E n t s t e h e n der Gangr/in der V e r b i n d u n g s s c h l i n g e u n d will d e n E i n t r i t t oder d a s F e h l e n der E r n / i h r u n g s s t 6 r u n g e n a u f die R e i h e n f o l g e des Vorfallens der Schlinge in d e n B r u c h zuriickfiihren. T r i t t z u e r s t dic orale Schlinge ein, so bIeiben VerS.nderungen a n der V e r b i n d u n g s s c h l i n g e a u s , sic" folgen a b e r , w e n n z u e r s t die aborale Schlinge vorfS.11t. N u n zeigt a b e r der S u l t a n s c h e F a l l , in w c l c h e m wir (wcgen tier Verwachsm~gen) g e n a u wissen, welche Schlinge zuea'st im B r u c h e vorlag, d a b die H i 1g e n r e i n e t sche A n n a h m e n i c h t z u t r e f f e n k a l m . Meincr A n s i c h t n a c h (und h e u t e a u c h n a c h j e n e r d c r m e i s t e n A u t o ' e n ) k o m m t es ausschlfeglich a u f die MesenterialverhSJtnis~;e der V e r b i n d u n g s s c h l i n g e an, ob sich an dieser E r n t L h r u n g s s t 6 r u n g e n ausbild(m.
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In tihnlicher Weise scheint bei der retrograden Inkarzeration manchmal dem Austritt des Darms in den Bruch die Kfirze des Mesenteriums ein Ziel zu setzen. Wenigstens konnte ich in dem eingangs beschriebenen Falle feststellen, dab zwar der zur oralen Schlinge zufiihrende und der v o n d e r aboralen Schlinge abffihrende Darmteil vorziehbar waren, nicht aber der Beginn der Zwischenschlinge; diese liel3 sich erst am Kuppenteil aus der Bauchh6hle hervorwS.lzen, dann wurden auch ihre Fugpunkte sichtbar. Der Befund entspricht ganz gut den bisherigen Erkl~irungsversuchen ffir die Ern~ihrungsst6rungen am Verbindungsstfick, wie sic zuerst yon L a u e n s t e i n gegeben, sp~iter von L o r e n z welter ausgebaut worden sind. Beide beschreiben die Zugarkade am Mesenterium der Verbindungsschlinge, an welchem sich typische Verfnderungen vorfinden, wie auch im beschriebenen Falle. Zwischen dieser Zugarkade Und der Radix mesenterii (nach L a u e n s t e i n), zwischen der Arkade und dem Darm (nach L o r e nz) spannt sich das Mesenterium an und wird in seiner Zirkulation beeintrf.chtigt. In unserem Falle scheint die L o r e n z s c h e Annahme zuzutreffen, wenigstens sprechen die Suffusionen an der Darminsertion daffir. All dies kann aber nur zustandekommen, wenn das Mesenterium u n t e r Z u g s t e h t ; auf das Mesenterium der Kuppen der Bruchschlingen kommt es nicht an, wohl aber auf jenes der Fugpunkte, weil dieser Mesenterialteil an jenen der Verbindungsschlinge angrenzt. Nun kommt es aber gerade an dieser Stelle deshalb leicht zur Zugspannung, weil eben tier Darm meist bis zu jener Stelle vorffillt, wo ihm die Anspannung des Mesenteriums ein Halt setzt. Deswegen finden wir bei der Hernie en W so leicht Erniihrungsst6rungen der Verbindungsschlinge; sic k6nnen aber auch fehlen bei genfigend langem Mesenterium. Haben uns also L a u e n s t e i n und L o r e n z fiber den Befund bei der fertigen retrograden lnkarzeration aufgekl/.irt, in welcher Weise die ErnS.hrungsst6rungen der Verbindungsschlinge zustande kommen, so glaube ich auf Grund der Beobachtung an dem neuen Falle gefunden zu haben, wodurch diese anatomischen Verh~iltnisse gegebenenfalls entstehen. \Varnen m6chte ich aber davor, auch hier wieder zu verallgemeinern; denn es wird gewil~ noch andere Entstehungsm6glichkeiten geben, welche die Alteration des Mesenteriums der Verbindungsschlinge verursachen. Ich verweise da nur auf den v611ig verschiedenen Entstehungsmodus der Gangr~in der Verbindungsschlinge, wie ich ihn zuerst 1) beschrieben habe und wie er spS.ter von H e l l e r , L a u e n s t e i n und L o r e n z einwandfrei bestS.tigt wurde, nS.mlich die Doppeleinklemrnung des Mesenteriums. Ob in einem gegebenen Falle mein Erkl/irungsversuch der Sch~idigung des Verbindungsstfickes zutrifft, wird leicht zu priifen x) Deutsche med. Wochenschr. I9O6, Nr. 4, S. I45.
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sein, indem man (nach Feststellung des L a u e n s t e i n schen Typus der Hernie en W) und mS.13iger Erweiterung des Bruchringes nachsieht, o b d i e F u l 3 p u n k t e der Verbindungsschlinge durch die Bruchpforte vorziehbar s i n d . So etwas ist einfacher auszufiihren als die von mehreren Operateuren vorgenommene Laparotomie zur Feststellung der intraabdominalen VerhShnisse. Besteht der erw~ihnte Befund, dann ist auch intraabd.ominal die Zugarkade zustande gekommen und wir linden deren bogenf6rmige Mark(' an der Basis des Mesenteriums; dann sind auch je nach der Zeitdauer der Inkarzeration geringere oder schwerere Ern/ihrungsst6rungen am Verbindungsstiick zu erwarten. Ist das Mesenterium an den Ful3punkten der Verbindungsschlinge aber schlaff, die 1;'ugpunkte selbst leicht vorziehbar, dann k6nnen ErnS.hrungsstSrungert an der Verbindungsschlinge auch fehlen. So werden uns auch die mannigfachen Mil3erfolge der experimentellen Erzeugung der retrograden Inkarzeration klar; den pathologischen Verh/iltnissert gleichende werden nut zustande kommen, wenn wir die zwei Bruchschlingen u n t e r Anspannung des M e s e n t e r iu m s der Ful3punkte der Verbindungsschlinge an die Bauchwand fixieren; Tiere mit langem Gekr6se eignen sich also nicht zur Nachahmung der VerhSltnisse. Eine blol3e Umschniirung zweier Darmschlingen entspricht nicht den Versuchsbedingungen und zeitigte so wechselvolle Ergebnisse; ebensowenig der bloBe Zug an den Bruchschlingen, bei welchen vielleicht gerade der Tell des Mesenteriums, wo die Bruchschlingen an das Verbindungsstiick grenzten, zuf~illig schlaff bleiben kann. Auf die LS.ngenverhS.ltnisse des Mesenteriums hat s i c h behufs Erkl/irung des Mechanismus der retrograden Inkarzeration blo13 N e u m a n n 1) bezogen, .allerdings in einer Weise, der ich reich nicht anschliel3en kann; nach ihm w/iren Bruchschlingen und Verbindungsstiick zuerst in toto in den Bruchsack vorgefallen, dann das mittlere Stiick dieser einzigen Schlinge wegen der K[irze des Mesenteriums in den Bauch zuriickgezogen worden (,,Retrotraktion"). Tatsgchlich ist aber das Mesenterium an der Kuppe des Zwischenstiickes auf jeden Fall geniigend lang, 15.nger als jenes zu den Fut3punkten. Wohl aber bestcht zu Recht, dab die F u B p u n k t e der Verbindungsschlinge an dem Bruchringe i n S p a n n u n g v e rs e t z t w u r d e n, wie N e u m a n n bei der Laparotomie feststellen konnte. Beachtenswert erscheint mir weiter N e u m a n n s Hinweis, dal3 die Einklemmung oft beim i2bergange aus der gebiickten Stellung in die gerade entsteht, wie ja manche Krankengeschichte hervorhebt. Auf diese Weise kann jenes Zukurzwerden des Mesenteriums zustande kommen, welche zur Anspannung fiihrt. Jene Schlingen i) Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, Bd. 9I, I9o8. S. 433.
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mit kurzem Mesenterium h/itten nie so weit in den Bruch eintreten k6nnen, wenn nicht der Kranke durch sein Bticken den Ansatz des Mesenteriums an der Radix gegen die Bruchpforte angen/ihert h/itte. Beim Geraderichten entsteht dann die hervorgehobene Anspannung, welche bei der Hernie en W zur mittelbaren GangrS.n der Verbindungsschlinge fi.ihrt. Im September-Heft der B r u n sschen Beitrfige (Bd. 69, S. 296) hat P r o p p i n g eine (einfache) inkarzerierte tternie beschrieben, bei welcher sich sowohl an dem Mesenterium der zufiihrenden wie der abfiihrenden Schlinge in der Bauchh6hle Infarzierung fand. Er kniipft hieran gewisse theoretische Erw/igungen ftir die retrograde Inkarzeration. Zieht man an der Leiche an einem Konvolut Schlingen, so bilden sich a n b e i d e n S e i t e n der Darmschlingen zwei gespannte Falten des Mesenteriums, welche er ,,Zugfalten" nennt. Indem die Geffige diese Falten passieren miissen, werden sie stranguliert und die Zirkulation beeintr/ichtigt. In P r o p p i n g s Falle w/ire es zur Bildung gleicher Zugfalten dadurch gekommen, dab in den Bruch eingeklemmte h o h e Darmschlingen ein zu k u r z e s Mesenterium besagen, welches unter Zugspannung geriet. Ahnlich w/iren nach P r o p p i n g die Ern~ihrungsst6rungen bei der retrograden Inkarzeration zu erkl~iren. Mein oben beschriebener Fall bildet nun einen Beleg fi.ir diese theoretischen Erw/igungen P r o p p i n g s. D o c h m6chte ich die Zugfalten a 11 ei n .nicht fiir eine ausreichende Ursache der Zirkulationsst6rung bei der Hernie en W halten; denn die Merkmale der Gef/il3alteration finden sich hier nur auf jenem Mesenterialteil, welcher z w i s c h e n den beiden Zugfalten gelegen ist, nicht augen yon denselben, w/ihrend doch Gef/ii3e gewil3 in beiden Richtungen die Zugfalten iibersetzen. Vielmehr geh6rt doch die Bildung der L a u e n s t e i n schen Zugarkade zum Zustandekommen der Erniihrungsst6rungen hinzu; eine solche bildet sich aber notwendigerweise als F o l g e der Zugfalten aus. Aus
der I. chirurg. Abteilung des R. V i r c h o w - K r a n k e n h a u s e s (Direktor: Prof. Dr. H e r m e s ) .
l~ber einen Fall von eingeklemmter properitonealis bei leerem inguinalem
Hernia inguinoBruehsackanteil.
Von Dr. Moritz Cohn, Assistenzarzt. Vor etwa 3 Jahrzehnten lenkte K r 6 n 1 e i n das /irztlich'e Interesse 5uf eine besondere Hernienform, der er den Namen Hernia inguinoproperitonealis gab. Wie im Namen angedeutet, findet sich bei dieser Hernienart auger dem eigentlichen Leistenbruche noch eine properitoneale, zwischen Peritoneum und Fascia transversa liegende