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Oliver Gassmann/Javier Perez-Freije
Eingangs-, Prozess- und Ausgangskennzahlen im Innovationscontrolling Transfer
Veränderungen der wirtschaftlichen Rah menbedingungen haben einen wesent lichen Einfluss auf die Gestaltung und Füh rung der Forschung und Entwicklung (F&E) genommen. Bei gestiegener Komple xität sowie umfangreicher Wechselbezie hungen zwischen Technologie, Markt und Organisation ist das Management gezwun gen, aus einer Vielzahl an Optionen auszu wählen. Gleichzeitig ist die Aufmerksam keit an Innovationen merklich gestiegen und deren Beitrag am Unternehmenserfolg nicht zu vernachlässigen. Diese Vielschich tigkeit und die wachsende Bedeutung einer effektiven sowie effizienten F&E am Unter nehmenserfolg haben den Bedarf an Con trolling-Instrumenten im Innovations prozess entstehen lassen. Folglich förderten diese Veränderungen die Entwicklung von Controlling-Instru menten von nicht existent - das Manage ment sollte schlicht Vertrauen in die F&E haben – zu einem Feld mit großer strate gischer Bedeutung. Dennoch, die Steue rung und Kontrolle von Innovationsleis tungen steht einem Dilemma gegenüber: Obwohl Freiheit und Flexibilität wesentli che Voraussetzungen für produktive F&EArbeit sind, muss das Management effek tive Kontrollmechanismen einführen, die Projekte strategisch ausrichten, den Fort schritt beaufsichtigen und bei Bedarf Kor rekturmaßnahmen einleiten. Um auf der Basis von Innovationen konkurrieren zu können, müssen Unternehmen alle Pha sen des Innovationsprozesses beherr schen. Nicht wenige Unternehmen geste hen jedoch einen gewissen Nachholbedarf in den führen Phasen des Innovationspro zesses ein. Obwohl deren Wirksamkeit in den frü hen Innovationsphasen kontrovers disku tiert wird, ist die Notwendigkeit von for malen Kontrollinstrumenten in mehreren Studien nachgewiesen worden (vgl. Cardi nal 2001, S. 30; Kim/Wilemon 2002, S. 274; Perez-Freije 2008, S. 184). 394
Dimensionen des Innovations controllings: Eingangs-, Prozessund Ausgangskennzahlen Im Gegensatz zu Messungen der F&E-Per formance beschäftigt sich Innovationscon trolling mit einem integrierten Manage ment von Innovationsaktivitäten zwischen verschiedenen Unternehmenseinheiten und dient dabei als Medium zur Manage mentunterstützung und Kommunikation. Wie nachfolgend veranschaulicht, enthält Innovationscontrolling neben operationa len Elementen auch eine strategische Dimension in der Frühphase des Innova tionsprozesses einschließlich strategischtechnologischer Aufklärung, Marktanalyse und Projektentscheidungen. In der Regel bezieht sich das Innovations controlling auf Eingangs-, Prozess- sowie Ausgangskennzahlen des Innovationspro zesses. Abbildung 1 zeigt diese Dimensio nen im Rahmen des Innovationsprozesses. Jede Dimension hat spezifische Charakte ristiken. Das Controlling von Eingangs kennzahlen ist eine Form von Ressourcen allokation, da es die vorrangigen Vorausset zungen in der F&E steuert. Diese Eingangs kennzahlen repräsentieren Stimuli des Innovationssystems und können neben ei ner einfachen Kostensteuerung auch eine Regelung von Wissen und Expertise bein halten. Innovationscontrolling durch Pro zesssteuerung bezieht sich auf Mechanis men, die das Verhalten der Mitarbeiter beeinflussen und Prozesse formalisieren. Prozesssteuerung impliziert jedoch ein Grundwissen über Ursache- und Wirkungs zusammenhänge. Andererseits kann durch Prozesssteuerung eine Reduktion von Un sicherheiten durch Führung bewirken. Aus gangskennzahlen spezifizieren das ge wünschte Ergebnis der Innovationsaktivitä ten. Diese Form des Innovationscontrollings wird häufig genutzt, wenn keine Prozesse beschrieben oder definiert werden können. Häufig wird die Innovationsleistung eines
Unternehmens auch durch die Wirkung von Innovationen gemessen. Dies kann im ein fachsten Fall durch die Messung des Um satzbeitrags neuer Produkte erfolgen. Sowohl quantitative als auch qualitative Messgrößen können zur Gestaltung der Dimensionen genutzt werden.
Informationsverarbeitung: Reduktion von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit Ein erfolgreiches Innovationscontrolling ist von einem optimalen Zusammenspiel der beschriebenen Dimensionen abhängig. Es gilt also zu verstehen, welche Rahmenbe dingungen in den Phasen des Innovations prozesses vorherrschen. Der Innovations prozess kann in die Phasen Marktanalyse, Ideenfindung und -bewertung sowie Ideen auswahl und Konzeptentwicklung aufge teilt werden. Jede Phase des Innovations prozesses zeichnet sich durch spezifisches Wissen zu Ursache- und Wirkungszusam menhängen und Ergebnissen aus. Dieses Wissen oder Unwissen definiert die Anfor derung an die Informationsverarbeitung. Informationsverarbeitung beinhaltet das Sammeln von Daten, deren Transformation in Informationen sowie die Kommunika tion und Speicherung der Information. Das Innovationscontrolling spielt bei der Infor mationsverarbeitung im Innovationsprozess eine wesentliche Rolle. Effektivität und Effi zienz der Innovationsaktivitäten werden gesteigert, wenn die Anforderungen an die Informationsverarbeitung mit den Fähig keiten des Innovationscontrollings zur Informationsverarbeitung übereinstimmen. Entgegen der üblichen Praxis, zeigen mehrere Studien auf, dass das Innovations controlling alle Dimensionen beinhalten sollte. Ein ganzheitliches Innovationscon trolling wirkt entlang des gesamten Inno vationsprozesses. Abbildung 2 verdeutlicht diesen Zusammenhang.
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Beispiele für Eingangs-, Prozessund Ausgangskennzahlen Basierend auf den Ergebnissen einer empi rischen Untersuchung mit Unternehmen aus unterschiedlichen Industrien ist die Ausgestaltung von Kennzahlen in den frü hen Innovationsphasen von deren Wir kungsweisen abhängig (vgl. Perez-Freije 2008, S. 23). Controlling durch Eingangskennzahlen Eingangskennzahlen stellen die strukturel le Ausstattung eines Innovationsprojektes sicher. Ist das Wissen über Ursache- und Wirkungszusammenhänge und Ergebnis kennzahlen nur bedingt vorhanden, so stellen Kennzahlen zu Eingangsgrößen einen wichtigen Teil des Innovationscon trollings dar. Diese beurteilen den Ressour cen- und Mitarbeitereinsatz und unterstüt zen inhärente und kreative Prozesse. Aus diesem Grund sind Eingangskennzahlen weniger bedeutsam bei der Ideenauswahl, eine Phase im Innovationsprozess, die ein gemeinsames Verständnis meist mit dem Management erfordert. Wichtige Ein gangskennzahlen sind: ■■Projektbudget ■■Personelle Ressourcen ■■Technische Ressourcen ■■Zeit
Controlling durch Prozesskennzahlen Die regulierende Funktion von Prozess kennzahlen erfolgt durch Zentralisierung und Formalisierung. Innovationscontrol ling durch Prozesskennzahlen erfordert somit ein gewisses Wissen über Ursacheund Wirkungszusammenhänge, welches die Definition von Regeln und Abläufen er laubt. Implizit scheint deren Nutzung in den frühen Innovationsphasen ausge schlossen. Konträr dazu haben Studien je doch gezeigt, dass moderate Prozesskenn zahlen auch während der Marktanalyse und Ideenfindung und -bewertung zum Innovationserfolg beitragen (vgl. Cardinal 2001, S. 24). Sie unterstützen die Mitarbei ter bei der Überwindung der Mehrdeutig keit und Gewinnung zusätzlicher Informa tionen zu Ursache- und Wirkungszusam
menhängen. Insbesondere unterstützen Prozesskennzahlen bei der zunehmenden Bündelung der Aktivitäten und Reduktion der Alternativen mit dem Fortschritt im In novationsprozess. Anbei eine Auswahl häufig genutzter Kennzahlen: ■■Meilensteine ■■Reviews ■■Termine ■■Zielkostenerreichung ■■Dynamische Produktivität ■■Anzahl parallel laufender Projekte (Ac tion in Process) ■■Anteil Technologietransfer (von For schung zu Entwicklung) Controlling durch Ausgangskennzahlen Ausgangskennzahlen reflektieren das ge wünschte Ergebnis des Innovationssys
Brown, M. G./Svenson, R. A.: Measuring R&D productivity, in: Research Technology Management, 1988, Heft 41(6), S. 31 – 35. Cardinal, L.: Technological innovation in the pharmaceutical industry: The use of organizational control in managing research and development, in: Organization Science, 2001, Heft 12(1), S. 19 – 36. Kim, J./Wilemon, D.: Focusing the fuzzy front-end in new product development, in: R&D Management, 2002, Heft 32(4), S. 269 – 279. Perez-Freije, J.: Design of organizational controls for managing innovation. Hamburg 2008.
Abb. 1 | Dimensionen des Innovationscontrollings
Prozess
Business Intelligence, Strategie
Eingang • Mitarbeiter • Ideen • Ausstattung • Budget • Information
F&E • Forschung • Entwicklung • Test • Berichte • Ergebnisse
Prozessgrößen und Feedback
Ausgang • Patente • Produkte • Prozesse • Publikationen • Fakten • Wissen
Empfangende Funktionen • Marketing • Planung • Produktion • Engineering
Ergebnis • Kostenreduktion • Umsatzsteigerung • Produktverbesserungen • Reduzierte Investitionen
Branche Ausgangsgrößen und Feedback (direkte Ausgangsgrößen) Ergebnisgrößen und Feedback (indirekte Ausgangsgrößen)
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Abb. 2 | Konzept zu Innovationscontrolling
Eingangsgrößen
• Wissen über Ursacheund Wirkungszusammenhänge • Wissen über Ausgangsund Ergebnisgrössen
Marktanalyse
Notwendigkeit der Informationsverarbeitung
Wissen über Rahmenbedingungen
Branche
Einfluss von Innovationscontrolling
Prozessgrössen
Ideenfindung und -bewertung
Ideenauswahl und Konzeptentwicklung
• Stimuli des Innovationssystems
Ausgangsgrößen
Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung
DOI: 10.1007/s12176-011-0112-9
tems. Obwohl Ausgangskennzahlen ledig lich eine Ex-Post Bewertung erlauben, spielen sie eine wichtige Rolle im Innova tionscontrolling. Diese große Bedeutung kommt ihnen nicht zuletzt durch eine gu te Messbarkeit der Kennzahlen zuteil. Dennoch ist die Definition von geeigneten Ausgangskennzahlen insbesondere in den frühen Innovationsphasen schwierig. Häufig sind daher Ausgangskennzahlen an ein Anreizsystem und eine Zeitschiene gebunden. Sie erlauben den Mitarbeitern eine flexible Suche nach Innovationen, bilden jedoch auch Grenzen für eine ge zielte Zielerreichung. Verbreitete Aus gangskennzahlen sind: ■■Projektqualität (First-pass-yield) ■■Termintreue (On-time-delivery) ■■Fehler- und Änderungskosten ■■Projektkosten ■■Anzahl Patente ■■Kundenzufriedenheit (intern und extern) 396
■■Anzahl Publikationen ■■Internal rate of return (IRR) ■■Anteil extern generierter Ideen ■■Innovationsrate
muss deren Ausgestaltung der Innova tionsphase angemessen sein. Die Dimen sionen decken die wichtigsten Erfolgs faktoren eines Innovationsprojektes ab: Ziele, Führung, Mitarbeiter, Ressourcen und Prozess.
Fazit Innovationscontrolling ist ein wesentli cher Baustein zur Sicherung des Innova tionserfolgs. Die Praxis hat gezeigt, dass Eingangs-, Prozess- und Ausgangskenn zahlen Effektivität und Effizienz in allen Phasen des Innovationsprozesses erhö hen. Sie verbessern die Fähigkeit der In formationsverarbeitung sowie das Wis sen über Ursache- und Wirkungszusam menhängen und Ergebnissen. Fallstudien mit Unternehmen aus der Informationsund Kommunikationsindustrie bestär ken diesen Zusammenhang (vgl. PerezFreije 2008, S. 161). Während die Nut zung aller Dimensionen sinnvoll ist,
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