306 NuR (2015) 37: 306–316 DOI: 10.1007/s10357-015-2825-6
Entwicklung, Koordinatensystem und Kernbestandteile des Europäischen Umweltverfassungsrechts Carsten Nowak
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Die Umweltverfassung der Europäischen Union stellt heute eine überaus bedeutsame Teilverfassung der mit dem Völkerrecht und den verschiedenen Verfassungsordnungen der gegenwärtig 28 EU-Mitgliedstaaten in vielschichtiger Weise normativ verklammerten Unionsverfassung dar. Dieser Beitrag zeichnet die wesentlichen Etappen im Prozess der Entstehung und permanenten Fortentwicklung dieser unionalen Teilverfassung nach, um sich anschließend mit dem Koordinatensystem und den primärrechtlichen Kernbestandteilen des Europäischen Umweltverfassungsrechts zu befassen. 1. Einleitung Die geltende Umweltverfassung der Europäischen Union 1, die – wie etwa auch die durch die wirtschaftlichen Unionsgrundrechte in Gestalt der in Art. 15–17 GRC 2 geregelten Berufsfreiheit, der unternehmerischen Freiheit und der Eigentumsfreiheit sowie durch die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union 3 niedergelegten Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln geprägte EU-Wirtschaftsverfassung 4 – als eine überaus bedeutsame Teilverfassung der mit dem Völkerrecht und den verschiedenen Verfassungsordnungen der EU-Mitgliedstaaten in vielschichtiger Weise normativ verklammerten Unionsverfassung einzuordnen ist, blickt auf eine recht lange Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte zurück, die sich als ein in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise erfolgtes und dabei maßgeblich durch umweltvölkerrechtliche Entwicklungen angeschobenes bzw. stark beeinflusstes Greening der damaligen Gründungsverträge der E(W)G und der EU beschreiben lässt (dazu sogleich unter 2.). Da das daraus hervorgegangene umweltverfassungsrechtliche Koordinatensystem des primären Unionsrechts durch den jüngsten Reformvertrag in Gestalt des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon 5 im Sinne der Kontinuität bzw. Besitzstandswahrung bis auf wenige Ausnahmen weitgehend unverändert geblieben ist, kann und muss der Umweltschutz auch weiterhin als ein fundamentales Verfassungsziel und als eine überaus bedeutsame DauerQuerschnittsaufgabe der EU eingeordnet werden 6, für deren Verwirklichung oder Erfüllung das primär im oben genannten Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (EU) sowie im gleichrangigen EU-Vertrag 7 verankerte Umweltverfassungsrecht dieser Union mehrere unterschiedliche Instrumente zur Verfügung stellt (3.). Ein kurzes Fazit rundet diesen Beitrag am Ende ab (4.). 2. Wesentliche Etappen im Prozess der Entstehung und permanenten Fortentwicklungen der EU-Umweltverfassung Der Umweltschutz hat in den vergangenen Jahrzehnten weltweit einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Dies lässt sich vor allem auf zahlreiche naturwissenschaftliche Erkenntnisse größtenteils besorgniserregender Prof. Dr. Carsten Nowak, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insb. Europarecht, an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und Direktor des Frankfurter Instituts für das Recht der Europäischen Union (fireu), Frankfurt (Oder), Deutschland
Art etwa im Zusammenhang mit dem so genannten Waldsterben und dem „Treibhauseffekt“, mit der Verringerung der Artenvielfalt, mit der zunehmenden Verschmutzung der Meere und Flüsse, mit der maßlosen Abholzung der Regenwälder sowie mit der globalen Erderwärmung und dem damit zusammenhängenden Klimawandel zurückführen, die im engen Verbund mit einigen längst im kollektiven Bewusstsein verewigten Tanker-, Chemie-, Bohrplattform- und Atomreaktorunfällen, welche sich beispielsweise hinter den Namen Exxon Valdez, Amoco Cadiz, Prestige, Sandoz, Seveso, Bophal, Deepwater Horizon, Tschernobyl und nicht zuletzt Fukushima verbergen, in weiten Teilen dieser Welt für ein zunehmendes Umweltbewusstsein und zugleich für eine dynamisch voranschreitende „Ökologisierung“ des in1) Zur mittlerweile geläufigen „umweltverfassungsrechtlichen“ Einordnung umwelt(schutz)bezogener Regelungen des früheren Gemeinschaftsrechts und des heutigen Unionsrechts vgl. nur Krämer, Grundlagen (Grundfragen) der EU-Umweltverfassung, Ziele Kompetenzen, Durchführung, in: Reich/Heine-Mernik (Hrsg.), Umweltverfassung und nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Union, Baden-Baden 1997, S. 11 ff.; Nowak, Perspektiven einer umweltverfassungskonformen Auslegung der europäischen Wirtschaftsverfassung, in: Bruha/Hesse/Nowak (Hrsg.), Welche Verfassung für Europa?, Baden-Baden 2001, S. 215 ff.; Rengeling, Zum Umweltverfassungsrecht der Europäischen Union – Überlegungen zur „Europäischen Umweltunion“, in: Ipsen/ders./Mössner/Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, Köln u. a. 1995, S. 469 ff.; Scheuing, Das Europäische Umweltverfassungsrecht als Maßstab gerichtlicher Kontrolle – Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH, EuR 2002, 619 ff. 2) Charta der Grundrechte der Europäischen Union (mit Art.-Angaben hier und nachfolgend „GRC“) vom 7. 12. 2000 (ABl.EG 2000 C 364/1 ff.) in der am 12. 12. 2007 in Straßburg angepassten Fassung (ABl.EU 2007 C 303/1 ff.); erste konsolidierte Fassung in ABl.EU 2010 C 83/389 ff.; jüngste konsolidierte Fassung in ABl. EU 2012 C 326/391 ff. 3) Die jüngste konsolidierte Fassung dieses Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (mit Art.-Angaben nachfolgend „AEUV“) findet sich im ABl.EU 2012 C 326/47 ff. 4) Näher dazu vgl. jeweils m. w. N. Hatje, Wirtschaftsverfassung und Binnenmarkt, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht – Theoretische und dogmatische Grundzüge, 2. Aufl., Berlin u. a. 2009, S. 801 ff.; Müller-Graff, Das wirtschaftsverfassungsrechtliche Profil der EU nach Lissabon, in: Fastenrath/Nowak (Hrsg.), Der Lissabonner Reformvertrag – Änderungsimpulse in einzelnen Rechts- und Politikbereichen, 2009, S. 173 ff.; Nowak, Binnenmarktziel und Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union vor und nach dem Reformvertrag von Lissabon, EuR Beih. 1/2009, 129 ff.; ders., Wettbewerb und soziale Marktwirtschaft in den Regeln des Lissabonner Reformvertrags, EuR Beih. 2/2011, 21 ff. 5) Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl.EU 2007 C 306/1 ff. 6) Siehe Nowak, Umweltschutz als grundlegendes Verfassungsziel und dauerhafte Querschnittsaufgabe der Europäischen Union, in: ders. (Hrsg.), Konsolidierung und Entwicklungsperspektiven des Europäischen Umweltrechts, Baden-Baden 2015, S. 25 ff. auch zum Folgenden. 7) Vertrag über die Europäische Union vom 7. 2. 1992 (ABl.EG 1992 C 191/1 ff.) i. d. F. des Vertrags von Lissabon (Fn. 5); jüngste konsolidierte Fassung dieses EU-Vertrags (mit Art.-Angaben nachfolgend „EUV“) in ABl.EU 2012 C 326/13 ff.
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ternationalen, supranationalen und innerstaatlichen Rechts gesorgt haben. Dieser Befund spiegelt sich zunächst einmal in den verschiedenen Verfassungsordnungen der nunmehr 28 EU-Mitgliedstaaten wider, die vielfältigste – etwa durch verfassungsrechtliche Staatszielbestimmungen in Gestalt des im Jahre 1994 in das deutsche Grundgesetz aufgenommenen Art. 20a GG 8 und/oder einzelne Grundrechtsgewährleistungen zum Ausdruck gebrachte – Aussagen über umweltbezogene Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger sowie über umweltbezogene Ziele und Schutzpflichten des jeweiligen Staates treffen. 9 Darüber hinaus haben die heutzutage ohne Frage als Binsenweisheiten einzuordnenden Einsichten oder Gewissheiten darin, dass die Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten für die Umwelt und ihren Schutz nicht an den jeweiligen Staatsgrenzen endet und dass globale Umweltgefahren sowie grenzüberschreitende Umweltprobleme in weitem Umfang primär internationale bzw. staatenübergreifende Problemlösungsstrategien erfordern, zu einer weitreichenden Globalisierung des Umweltrechts einschließlich des Klimaschutzrechts 10 sowie zur dynamischen Herausbildung und Fortentwicklung eines recht facettenreichen Umweltvölkerrechts beigetragen, zu dessen tragenden Grundsätzen
und Kernprinzipien insbesondere das Vorsorgeprinzip, das Vermeidungsprinzip und der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung gehören 11, die wiederum von weiteren bedeutsamen Geboten und Verboten umweltschützender Art etwa in Gestalt des auch vielfältige Kooperations-, Verhaltensund Verfahrenspflichten begründenden Verbots grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen sowie des damit sehr eng verbundenen Gebots der Rücksichtnahme flankiert werden 12. Die vorgenannten Entwicklungen, die anfänglich in entscheidender Weise durch die internationalen Umweltschutzkonferenzen und/oder Umweltgipfel von Stockholm (1972) 13, Nairobi (1982) 14, Rio (1992) 15 und Johannesburg (2002) 16 vorangetrieben worden sind 17, haben in den Gründungsverträgen der damaligen E(W)G und der später gelegentlich sogar als Umweltunion bezeichneten EU 18 deutliche Spuren hinterlassen und auf diese Weise zugleich dazu beigetragen, dass der Umweltschutz bereits seit geraumer Zeit ohne Frage zu den grundlegenden bzw. fundamentalen Verfassungszielen und zu den bedeutsamsten Querschnittsaufgaben der EU gehört. Konkret ist dies einem in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise erfolgten Greening der jeweiligen Gründungsverträge der damaligen E(W)G und der EU zu verdanken, das sukzessive für eine
8) Ausführlicher zu dieser umweltverfassungsrechtlichen Staatszielbestimmung, die nach wie vor vieldiskutierte Fragen aufwirft und die Bundesrepublik Deutschland konkret dazu verpflichtet, „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“ zu schützen, vgl. aus jüngerer Zeit etwa Ekardt, Umweltverfassung und „Schutzpflichten“ – Zugleich zu Nachhaltigkeit, Recht, Verhältnismäßigkeit und Abwägung, NVwZ 2013, 1105 ff.; Gassner, Zum Vollzug des Art. 20a GG, NuR 2014, 482 ff.; Groß, Die Bedeutung des Umweltstaatsprinzips für die Nutzung erneuerbarer Energien, NVwZ 2011, 129 ff.; Voßkuhle, Umweltschutz und Grundgesetz, NVwZ 2013, 1 ff. 9) Rechtsvergleichend dazu vgl. etwa Nowak, Grundrechtsdimensionen des Umweltschutzes, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Handbuch der Europäischen Grundrechte, München 2006, § 60, Rdnr. 35 ff.; Orth, Umweltschutz in den Verfassungen der EUMitgliedstaaten – Aktuelle Entwicklungen in Frankreich, Griechenland und den neuen Mitgliedstaaten, NuR 2007, 229 ff.; Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union – Charta der Grundrechte und Allgemeine Rechtsgrundsätze, Köln u. a. 2004, § 32, Rdnr. 1050; Rest, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechtecharta, München 2006, Art. 37 GRC, Rdnr. 8 ff.; Riedel, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. Baden-Baden 2011, Art. 37 GRC, Rdnr. 3; Thym, Umweltschutz in den Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, NuR 2000, 557 ff. 10) Instruktiv dazu vgl. Boysen, Grundfragen des transnationalen Klimaschutzrechts, AVR 50 (2012), 377 ff.; Hartmann, Transnationales Klimaschutzrecht nach Rio+20, AVR 50 (2012), 475 ff.; Koch/Mielke, Globalisierung des Umweltrechts, ZUR 2009, 403 ff.; Leggewie/Messner, Weltklimapolitik – Elemente eines neuen Multilateralismus entstehen, ZUR 2014, 641 f.; v. Unger, Rechtsform und Prozess: Klimaverträge nach Kyoto, AVR 50 (2012), 450 ff.; sowie die zahlreichen Beiträge in Gehring/ Oberthür (Hrsg.), Internationale Umweltregime – Umweltschutz durch Verhandlungen und Verträge, Opladen 1997. 11) Aus der kaum noch überschaubaren Vielzahl einschlägiger Veröffentlichungen dazu vgl. etwa die zahlreichen Beiträge in B oyle/ Freestone (Hrsg.), International Law and Sustainable Development – Past Achievements and Future Challenges, Oxford 1999; sowie Beyerlin, „Prinzipien“ im Umweltvölkerrecht – ein pathologisches Phänomen?, in: Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, FS H. Steinberger, Berlin u. a. 2002, S. 31 ff.; ders./Marauhn, International Environmental Law, Oxford u. a. 2011, S. 31 ff.; Birnie/Boyle, International Law and the Environment, 3. Aufl. Oxford 2009, S. 43 ff.; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, Baden-Baden 1998, S. 35 ff.; Epiney, Zur Einführung –
Umweltvölkerrecht, JuS 2003, 1066 ff.; Erben, Das Vorsorgegebot im Völkerrecht, Berlin 2005, S. 44 ff.; Hobe, Grundstrukturen des internationalen Umweltrechts, JA 1997, 160 ff.; Marti, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht – Am Beispiel der internationalen, europäischen und schweizerischen Rechtsordnung, Genf u. a. 2011, S. 47 ff.; Schwarz, Einführung in das Umweltvölkerrecht, JA 2004, 171 ff.; Randelzhofer, Umweltschutz im Völkerrecht – Grundstrukturen und Prinzipien, Jura 1992, 1 ff.; Sands/ Peel, Principles of International Environmental Law, 3. Aufl. Cambridge u. a., 2012, S. 187 ff.; Schröder, Sustainable Development – Ausgleich zwischen Umwelt und Entwicklung als Gestaltungsaufgabe der Staaten, AVR 34 (1996), 251 ff. 12) Näher dazu vgl. nur Beyerlin, Grenzüberschreitender Umweltschutz und allgemeines Völkerrecht, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, FS K. Doehring, Berlin u. a. 1989, S. 37, 54 ff.; Buck/Verheyen, Umweltvölkerrecht, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 3. Aufl. München 2010, S. 1, 14 ff.; Erben (Fn. 11), S. 31 ff.; Faßbender, Atomkraftwerke aus umweltvölker- und nachbarrechtlicher Sicht, ZUR 2012, 267, 270 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 9. Aufl. München 2011, S. 102 ff.; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. München 2010, S. 356 ff. 13) Vgl. dazu die Declaration of the United Nations Conference on the Human Environment, abruf bar unter: http://www.unep.org/Documents.multilingual/Default.asp?DocumentID=97&ArticleI D= 1503 (letzter Zugriff: 31. 1. 2015). 14) Vgl. dazu die sog. Nairobi Declaration, abruf bar unter: http://www. un-documents.net/nair-dec.htm (letzter Zugriff: 31. 1. 2015). 15) Vgl. dazu insbesondere die sog. Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, abruf bar unter: http://www.un.org/Depts/ german/conf/agenda21/rio.pdf (letzter Zugriff: 31. 1. 2015). 16) Vgl. dazu insb. die sog. Johannesburg Declaration on Sustainable Development, abruf bar unter: http://www.un-documents.net/ jburgdec.htm (letzter Zugriff: 31. 1. 2015). 17) Näher dazu vgl. etwa Beyerlin, Rio-Konferenz 1992: Beginn einer neuen globalen Umweltrechtsordnung?, ZaöRV 54 (1994), 123 ff.; Hartmann (Fn. 10), AVR 50 (2012), 475 ff.; Hohmann, Ergebnisse des Erdgipfels von Rio – Weiterentwicklungen des Umweltvölkerrechts durch die UN-Umweltkonferenz von 1992, NVwZ 1993, 311 ff.; Rest, Die rechtliche Umsetzung der RioVorgaben in der Staatenpraxis, AVR 34 (1996), 145 ff.; Ruffert, Das Umwelt-Völkerrecht im Spiegel der Erklärung von Rio und der Agenda 21, ZUR 1993, 208 ff.; Sanches Lima, Rio+20 and the ‚Green Economy‘, EurUP 2012, 187 ff.; Sands/Peel (Fn. 11), S. 23 ff.; Schmidt/Kahl (Fn. 12), S. 351 ff. 18) Vgl. nur Scherer/Heselhaus, Umweltrecht, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt (Stand: 26. Erg. lfg. 6/2010), München, Kap. O, Rdnr. 4; Schmitz, Die Europäische Union als Umweltunion – Entwicklung, Stand und Grenzen der Umweltschutzkompetenzen der EU, Berlin 1996, passim; skeptischer bzw. fragend Pernice, Europäische Union als Umweltunion?, EuZW 1995, 385 ff.
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zunehmende Aufwertung des Umweltschutzes im Rahmen der damaligen Gemeinschaftsrechtsordnung und der heutigen Unionsrechtsordnung gesorgt hat. 19 Den in umweltverfassungsrechtlicher Hinsicht maßgeblichen Beginn dieser Entwicklung markiert ohne Frage die am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte 20, auch wenn sich die ersten Ansätze einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik, die ursprünglich zunächst einmal primär der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt diente und seinerzeit vornehmlich durch die damals geltenden Art. 100 und 235 EWGV (heute Art. 115 und 352 AEUV) ermöglicht wurde, bereits auf die 1970er Jahre zurückdatieren lassen 21. Die Einheitliche Europäische Akte hat unter anderem für die erstmalige Einfügung eines spezifischen Umweltkapitels in den Gründungsvertrag der damaligen EWG gesorgt 22 und damit eine genuine Umweltpolitik der EG ohne unmittelbare wirtschaftliche Bezüge ermöglicht, nachdem der EuGH bereits in einer vielbeachteten Entscheidung aus dem Jahre 1985 in spezieller Ansehung des damaligen EWG-Vertrags bestätigt hatte, dass der Umweltschutz trotz eines zu diesem Zeitpunkt noch zu konstatierenden Mangels an einer ausdrücklichen Zuweisung umweltpolitischer Kompetenzen an die EWG als ein „wesentliches“ Ziel dieser Gemeinschaft anzusehen ist 23. Im Anschluss an die durch die Einheitliche Europäische Akte vorgenommene Einfügung eines spezifischen Umweltkapitels in den Gründungsvertrag der damaligen EWG haben sodann die durch den am 1. November 1993 in Kraft getretenen Maastrichter Vertrag über die Europäische Union 24 herbeigeführten Vertragsänderungen für eine deutliche Aufwertung des Umweltschutzes gesorgt. 25 Diese Aufwertung manifestiert sich zum einen darin, dass der Maastrichter Unionsvertrag das Ziel der „Stärkung […] des Umweltschutzes“ in die damalige Ursprungsfassung der EUV-Präambel integriert und darüber hinaus dafür gesorgt hat, dass die damaligen EG-vertraglichen Ziel- und Aufgabenkataloge (Art. 2 und Art. 3 EGV) mit ökologi19) Zu dieser Entwicklung vgl. auch Bungenberg, Europäische Wirtschaftsverfassung zwischen Freiheit und Regulierung am Beispiel des Umweltschutzes, in: Fastenrath/Nowak (Fn. 4), S. 205, 207 ff.; Calliess, Towards an European Environmental Constitutional Law, EELR 1997, 113 ff.; ders., Ökologisierung des EG-Vertrags, in: Baumeister (Hrsg.), Wege zum ökologischen Rechtsstaat, Taunusstein 1994, S. 71 ff.; Güttler, Umweltschutz und freier Warenverkehr BayVBl. 2002, 225 ff.; Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Fn. 9), § 60, Rdnr. 4 ff.; Scherer/Heselhaus (Fn. 18), Rdnr. 3 ff.; Scheuing, Europäisches Umweltverfassungsrecht im Spiegel der Rechtsprechung des EuGH, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, Berlin 2001, S. 129 ff. 20) Einheitliche Europäische Akte vom 28. 2. 1986, BGBl. II 1986, 1102; mit einem umfassenden Überblick dazu vgl. Glaesner, Die Einheitliche Europäische Akte, EuR 1986, 119 ff. 21) Näher zur EWG-Umweltpolitik vor In-Kraft-Treten der Einheitlichen Europäischen Akte vgl. Scherer/Heselhaus (Fn. 18), Rdnr. 8 ff. 22) Vgl. Art. 130 r-t EWGV. Zur enormen umweltrechtlichen und umweltpolitischen Bedeutung dieser damaligen Neuerung vgl. nur Beyer, Europa 1992: Gemeinschaftsrecht und Umweltschutz nach der Einheitlichen Europäischen Akte, JuS 1990, 962 ff.; Grabitz/Zacker, Die neuen Umweltkompetenzen der EWG, NVwZ 1989, 297 ff.; Krämer, Einheitliche Europäische Akte und Umweltschutz: Überlegungen zu einigen neuen Bestimmungen im Gemeinschaftsrecht, in: Rengeling (Hrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, Köln u. a. 1988, S. 137 ff.; Montag, Umweltschutz, freier Warenverkehr und Einheitliche Europäische Akte, RIW 1987, 935 ff.; Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte, EuR 1989, 152 ff.; Vandermeersch, The Single European Act and the Environmental Policy of the EEC, ELRev. 12 (1987), 407 ff.; Vorwerk, Die umweltpolitischen Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der EEA, München 1990, passim.
schen Inhalten und Aussagegehalten angereichert wurden. Zum anderen hat der Maastrichter Unionsvertrag die erstmals durch die Einheitliche Europäische Akte in Art. 130 r Abs. 2 Satz 2 EWGV eingefügte Querschnittsklausel verändert, wonach die „Erfordernisse des Umweltschutzes“ seinerzeit (nur) einen „Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft“ bildeten. 26 Nach der Maastrichter Neufassung dieser dann fortan in Art. 130 r Abs. 3 Satz 3 EGV niedergelegten Querschnittsklausel mussten die Erfordernisse des Umweltschutzes nunmehr sogar „bei der Festlegung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken einbezogen werden“. Die hier angesprochene Verpflichtung des damaligen Gemeinschaftsgesetzgebers, die Erfordernisse des Umweltschutzes durchgängig und aktiv in seine Rechtsetzungstätigkeit einzubeziehen, stellte gegenüber der eher statisch bzw. feststellend formulierten Vorgängerregelung eine deutliche Aufwertung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel dar 27, auch wenn sie durch die mit dem Maastrichter Vertrag ebenfalls herbeigeführte Einfügung weiterer gesundheits- und kulturpolitischer Querschnittsklauseln in den EG-Vertrag 28 ihre bis dato festzustellende Einzigartigkeit eingebüßt hat. Für eine über den Maastrichter Unionsvertrag weit hinausgehende Aufwertung des Umweltschutzes hat in der Folge sodann der am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Änderungsvertrag von Amsterdam 29 gesorgt. 30 Diesbezüglich ist 23) Vgl. EuGH, Urt. vom 7. 2. 1985, 240/83 (Procureur de la République/ADBHU), Slg. 1985, 531, Rdnr. 13; später u. a. bestätigt in EuGH, Urt. vom 20. 9. 1988, 302/86 (Kommission/Dänemark), Slg. 1988, 4607, Rdnr. 8; EuGH, Urt. vom 2. 4. 1998, C-213/96 (Outokumpu), Slg. 1998, I-1777, Rdnr. 32; EuGH, Urt. vom 13. 9. 2005, C-176/03 (Kommission/Rat), Slg. 2005, I-7879, Rdnr. 41; EuGH, Urt. vom 15. 11. 2005, C-320/03 (Kommission/Österreich), Slg. 2005, I-9871, Rdnr. 72. 24) ABl.EG 1992 C 191/1 ff. 25) Ausführlicher zur unbestrittenen Aufwertung des Umweltschutzes durch diesen Vertrag vgl. statt vieler Breier, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft – Eine Bestandsaufnahme nach Maastricht, NuR 1993, 458 ff.; Epiney/Furrer, Umweltschutz nach Maastricht – Ein Europa der drei Geschwindigkeiten?, EuR 1992, 369, 387. 26) Näher zur damaligen Ursprungsfassung dieser Klausel vgl. etwa Breier, Die Bedeutung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 130 r Abs. 2 Satz 2 EWG-Vertrag für die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, NuR 1992, 174 ff.; Jahns-Böhm/Breier, Die umweltrechtliche Querschnittsklausel des Art. 130r II 2 EWGV – Eine Untersuchung am Beispiel der Güterkraftverkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaft, EuZW 1992, 49 ff.; Zils, Die Wertigkeit des Umweltschutzes in Beziehung zu anderen Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft – Untersuchungen zur Anwendung der Querschnittsklausel Art. 130r Abs. 2 Satz 2 EWG im Gemeinschaftsrecht, Heidelberg 1994, S. 1 ff. 27) So auch vgl. statt vieler Breuer, Das EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele – Die finale Programmierung der Unionstätigkeit durch die Querschnittsklauseln am Beispiel des Art. 101 AEUV, Baden-Baden 2013, S. 46 ff.; Epiney/Furrer (Fn. 25), EuR 1992, 369, 387; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht – Eine Untersuchung zur Rechtsidee des „bestmöglichen Umweltschutzes“ im EWG-Vertrag, Heidelberg 1993, S. 59. 28) Vgl. Art. 151 Abs. 4 EGV und Art. 152 Abs. 1 Satz 1 EGV (ex Art. 128 Abs. 4 EWGV und Art. 129 Abs. 1 Satz 3 EWGV). 29) Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl.EG 1997 C 340/1 ff. 30) Zur Aufwertung des Umweltschutzes durch den Amsterdamer Vertrag vgl. etwa Kienle, in: Bergmann/Lenz (Hrsg.), Der Amsterdamer Vertrag – Eine Kommentierung der Neuerungen des EU- und EG-Vertrages, Köln 1998, Kap. 5, Rdnr. 45 ff.; Schrader, Europäischer Umweltschutz nach den Änderungen von Amsterdam, UPR 1999, 201 ff.; Schröder, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Umweltrecht – Unter besonderer Berücksichtigung des Vertrags von Amsterdam, NuR 1998, 1 ff.
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zunächst einmal daran zu erinnern, dass der vor dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags in Art. 130 r Abs. 3 Satz 3 EGV niedergelegten umweltrechtlichen Querschnittsklausel durch diesen Änderungsvertrag ein sehr viel prominenterer Platz im EG-Vertrag zugewiesen worden ist, indem sie – anders als die meisten anderen vertraglichen Querschnittsklauseln 31 mit Ausnahme der seinerzeit in Art. 3 Abs. 2 EGV platzierten Querschnittsklausel betreffend die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen – in den damaligen Grundsatzteil des EG-Vertrags integriert und bei dieser Gelegenheit erstmals auch mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung verbunden wurde, das durch den Amsterdamer Vertrag übrigens zugleich eine erstmalige Erwähnung in der durch diesen Änderungsvertrag leicht modifizierten EUV-Präambel gefunden hat. Dieses beispielsweise auch in der Präambel des WTOAbkommens angesprochene 32 Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ bzw. des sustainable development stellt nicht nur ein außerordentlich wichtiges und dabei auf eine recht lange Entwicklungsgeschichte zurückblickendes politisches, rechtliches und ökonomisches Leitbild, Prinzip und/ oder Theoriegebilde dar 33, das auf diverse internationale Impulse – namentlich auf den so genannten „Brundtland“Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahre 1987 34, die Rio-Deklaration und die damit eng verbundene Agenda 21 aus dem Jahre 1992 35 – zurückgeht. Vielmehr handelt es sich hierbei auch um einen weit über ein heute beinahe inflationäre Verwendung findendes Modewort hinausgehenden Rechtsbegriff, um eine rechtliche Gestaltungsaufgabe und Ordnungsidee sowie um einen sowohl das internationale Umweltrecht als auch das Umweltverfassungsrecht der EU prägenden Grundsatz, der mit seinen vielfältigen Ausstrahlungen in unzählige Rechtsgebiete im Wesentlichen sicherstellen soll, dass öko31) Vgl. insbesondere Art. 151 Abs. 4, Art. 152 Abs. 1, Art. 153 Abs. 2 u. Art. 157 Abs. 3 EGV. 32) Näher dazu sowie zu sonstigen umweltrelevanten Bestimmungen des WTO-Rechts vgl. nur Cottier/Tuerk/Panizzon, Handel und Umwelt im Recht der WTO: Auf dem Wege zur praktischen Konkordanz, ZuR Sonderheft 2013, 155 ff.; Epiney, Welthandel und Umwelt – Ein Beitrag zur Dogmatik der Art. III, IX, XX GATT, DVBl. 2000, 77 ff.; Puth, WTO und Umwelt, in: Hilf/ Oeter (Hrsg.), WTO-Recht: Rechtsordnung des Welthandels, 2. Aufl. Baden-Baden 2010, § 25, Rdnr. 1 ff.; Thiedemann, WTO und Umwelt – Die Auslegung des Art. XX GATT in der Praxis der GATT/WTO-Streitbeilegungsorgane, Münster 2005, S. 3 ff.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO: Staatliche Regulierungen im Kontext des internationalen Handelsrechts, Zürich 2001, S. 21 ff. 33) Ausführlich zum Ganzen vgl. jeweils m. w. N. Acker-Widmaier, Intertemporale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften – zur normativen Begründung eines Leitbildes, Marburg 1999, S. 54 ff.; Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit. Rechtliche, ethische und politische Zugänge – am Beispiel von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Welthandel, Baden-Baden 2011, S. 17 ff.; Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip – Normativer Aussagegehalt, rechtstheoretische Einordnung, Funktionen im Recht, Tübingen 2011, S. 11 ff.; Gruber, Modewort mit tiefen Wurzeln – Über die langsame Entdeckung der Nachhaltigkeit, in: Mitschele/Scharff (Hrsg.), Werkbegriff Nachhaltigkeit – Resonanzen eines Leitbildes, Bielefeld 2013, S. 13 ff.; Michelsen/Adomßent, Nachhaltige Entwicklung: Hintergründe und Zusammenhänge, in: Heinrichs/Michelsen (Hrsg.), Nachhaltigkeitswissenschaften, Berlin u. a. 2014, S. 3 ff.; Radke, Nachhaltige Entwicklung – Konzept und Indikatoren aus wirtschaftstheoretischer Sicht, Heidelberg 1999, S. 8 ff.; Rogall, Nachhaltige Ökonomie – Ökonomische Theorie und Praxis einer Nachhaltigen Entwicklung, Marburg 2009, S. 29 ff. 34) Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future, abruf bar unter: http://www.un-documents. net/wced-ocf.htm (letzter Zugriff: 31. 1. 2015). 35) Vgl. dazu insbesondere die sog. Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (Fn. 15).
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logische Belange mit ökonomischen und sozialen Entwicklungsinteressen der Gegenwart in Einklang gebracht werden, ohne dass künftigen Generationen die Fähigkeit zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse genommen wird. 36 Nach der fortan in Art. 6 EGV enthaltenen Neufassung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel mussten die Erfordernisse des Umweltschutzes nunmehr bei der Festlegung und Durchführung aller anderen in Art. 3 EGV genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden. 37 Dieser in Art. 6 EGV angesprochene Nachhaltigkeitsgrundsatz hat im Zuge der Amsterdamer Vertragsänderungen zugleich Eingang in Art. 2 EGV gefunden, der sich fortan auch zu einem hohen Maß an Umweltschutz und zur Verbesserung der Umweltqualität bekannte. Der am 1. Februar 2003 in Kraft getretene Änderungsvertrag von Nizza 38 hat zwar das damalige Gemeinschaftsund Unionsrecht in vielfältiger Weise verändert 39; das oben skizzierte Koordinatensystem der seinerzeit geltenden EG-/ EU-Umweltverfassung ist mit Ausnahme einer im vorliegenden Zusammenhang eher nebensächlichen Modifikation des damaligen Art. 175 Abs. 2 UAbs. 1 EGV 40 durch diesen Vertrag indes nicht verändert worden. Insofern gehörten zu den Kernbestandteilen dieser Umweltverfassung bis zum Inkrafttreten des nachfolgend etwas näher in den Blick zu nehmenden Lissabonner Reformvertrags die umweltrechtliche Querschnittsklausel des Art. 6 EGV i. d. F.
36) Ausführlich dazu vgl. jeweils m. w. N. die zahlreichen Beiträge in Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, Tübingen 2008, und in Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht – Eine Annäherung, Baden-Baden 2003; sowie Birnie/Boyle (Fn. 11), S. 115 ff.; Breier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge – Kommentar nach dem Vertrag von Lissabon, 5. Aufl. Köln u. a. 2010, Art. 11 AEUV, Rdnr. 10; Calliess, Die neue Querschnittsklausel des Art. 6 ex 3c EGV als Instrument zur Umsetzung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung, DVBl. 1998, 559, 561; Epiney, Zum Konzept der Nachhaltigen Entwicklung in der Europäischen Union, in: Lang/Hohmann/dies. (Hrsg.), Das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung – Völker- und europarechtliche Aspekte, Bern u. a. 1999, S. 43 ff.; dies./Scheyli (Fn. 11), S. 35 ff.; Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht – Theoretische Grundlagen und rechtliche Ausformung, BadenBaden, 1999, S. 13 ff.; Gehne (Fn. 33), S. 11 ff.; Heins, Die Rolle des Staates für eine nachhaltige Entwicklung der Industriegesellschaft, Berlin 1997, S. 14 ff.; Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/ Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. Baden-Baden 2012, Art. 11 AEUV, Rdnr. 14 ff.; Kotzur, Nachhaltigkeit im Völkerrecht – eine sektorenübergreifende und systembildende Ordnungsidee, JöR 57 (2009), 503 ff.; Menges/Traub, Sozialpolitik im Klimawandel: Konfliktlinien zwischen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, ZSR 2012, 343 ff.; Rehbinder, Nachhaltigkeit als Prinzip des Umweltrechts: Konzeptionelle Fragen, in: Dolde (Fn. 19), S. 721 ff.; Schröder, Sustainable Development – Ausgleich zwischen Umwelt und Entwicklung als Gestaltungsaufgabe der Staaten, AVR 1996, 251 ff.; Streinz, Auswirkungen des Rechts auf „sustainable development“ – Stütze oder Hemmschuh, DV 1998, 449 ff. 37) Näher zu dieser damaligen Neuerung vgl. nur Calliess (Fn. 36), DVBl. 1998, 559 ff. 38) Vertrag von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl.EG 2001 C 80/1 ff. 39) Mit guten Überblicken dazu vgl. etwa Borchmann, Der Vertrag von Nizza, EuZW 2001, 170 ff.; Epiney/Abt/Mosters, Der Vertrag von Nizza, DVBl. 2001, 941 ff.; Hatje, Die institutionelle Reform der Europäischen Union – der Vertrag von Nizza auf dem Prüfstand, EuR 2001, 163 ff.; Pache/Schorkopf, Der Vertrag von Nizza – Institutionelle Reform zur Vorbereitung der Erweiterung, NJW 2001, 1377 ff.; Wessels, Die Vertragsreformen von Nizza, integration 2001, 8 ff. 40) Näher dazu vgl. Calliess, Die Umweltkompetenzen der EG nach dem Vertrag von Nizza, ZUR Sonderheft 2003, 129 ff.
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Nowak, Entwicklung und Kernbestandteile des Europäischen Umweltverfassungsrechts
von Nizza und die durch die Art. 174–176 EGV i. d. F. von Nizza konkretisierte Politik auf dem Gebiet der Umwelt, die nach Art. 3 Abs. 1 lit. 1 EGV i. d. F. von Nizza wiederum als ein maßgebliches Instrument zur Erreichung der seinerzeit in Art. 2 EGV i. d. F. von Nizza angesprochenen Ziele in Gestalt der Förderung eines hohen Maßes an Umweltschutz und der Verbesserung der Umweltqualität einzustufen war. 3. Koordinatensystem und normative Kernbestandteile der geltenden EU-Umweltverfassung nach Maßgabe des Reformvertrags von Lissabon Da sich das vorangehend skizzierte Koordinatensystem der gemeinschaftlichen und unionalen Umweltverfassung i. d. F. von Nizza in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt hat, überrascht es kaum, dass der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Lissabonner Reformvertrag die supranationale Umweltverfassung in weitgehender Übereinstimmung mit dem „gescheiterten“ Vertrag über eine Verfassung für Europa aus dem Jahre 2004 41 nur in recht begrenzter Weise modifiziert hat. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext zum einen, dass die tradierte Ziel/Mittel-Relation zwischen dem Umweltschutz als eines von vielen Verfassungszielen der EU auf der einen Seite (3.1) und der nunmehr in Art. 11 AEUV niedergelegten umweltrechtlichen Integrations- und Querschnittsklausel auf der anderen Seite (3.2) unangetastet geblieben ist. Neu ist in diesem Zusammenhang eigentlich nur die durch den Lissabonner Reformvertrag herbeigeführte Rechtsverbindlichkeit des Art. 37 GRC, der das in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV niedergelegte Verfassungsziel in Gestalt eines hohen Maßes an Umweltschutz und einer Verbesserung der Umweltqualität mit der umweltrechtlichen Integrations- und Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV in gewisser Weise synthetisiert (3.3). Zum anderen ist im weiteren Verlauf hervorzuheben, dass die für den Bereich der binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung nunmehr in Art. 114 Abs. 3–5 AEUV geregelten Sonderregelungen umweltschützender Art inhaltlich unverändert geblieben sind (3.4) und dass sich das hier zum Vorschein kommende hohe Maß an umweltverfassungsrechtlicher Besitzstandswahrung im Großen und Ganzen auch im Hinblick auf die in den Art. 191–193 AEUV enthaltenen Regelungen zur genuinen Umweltpolitik der EU feststellen lässt (3.5). 3.1 Vertragliche Zielbestimmungen umweltverfassungsrechtlicher Art Erstmalige Erwähnung findet der Umweltschutz im geltenden Unionsrecht auch weiterhin in der unter anderem für die Auslegung aller nachfolgenden Vertragsbestimmungen nutzbaren Präambel des EU-Vertrags 42, in der die Vertragsparteien im Sinne einer unionsverfassungsrechtlichen Zielbestimmung unter anderem ihren festen Willen zur Stärkung des Umweltschutzes bekunden und an gleicher Stelle den Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung hervorheben. 43 Rechtlich noch bedeutsamer ist sodann die weitere Erwähnung des Umweltschutzes im neuen Zielkatalog des Art. 3 EUV, der nunmehr verschiedenste Zielsetzungen in sich vereinigt, die im zuvor geltenden Unions- und Gemeinschaftsrecht noch in mehreren verschiedenen Zielkatalogen des damaligen EG-Vertrags und des EU-Vertrags jeweils i. d. F. von Nizza aufgehoben waren. Dem nunmehr in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV angesprochenen Ziel der wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft ist zwar nicht das Adjektiv ökologisch hinzugefügt worden. Nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV wirkt die Union jedoch auf ein hohes Maß an Umweltschutz und auf die Verbesserung der Umweltqualität hin. Dies entspricht weitgehend der Vorgängerregelung des Art. 2 EGV i. d. F. von Nizza, die seinerzeit allerdings nicht auf die EU, sondern allein auf die durch den Lissabonner Reformvertrag beseitigte EG bezogen war.
Bei der in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV angesprochenen Hinwirkung der Union auf ein hohes Maß an Umweltschutz und auf die Verbesserung der Umweltqualität handelt es sich nicht um einen unverbindlichen Programmsatz 44, sondern vielmehr um ein rechtsverbindliches Verfassungsziel der EU 45, das durchaus rechtliche Wirkungen zu entfalten vermag. Diese rechtlichen Wirkungen dürfen zwar nicht überschätzt werden, weil die in Art. 3 EUV niedergelegten Verfassungsziele nach allgemeiner Auffassung nicht kompetenzbegründend sind 46, keine konkreten Handlungsanweisungen enthalten 47 und darüber hinaus weder Pflichten der Mitgliedstaaten noch subjektive Individualrechte begründen 48. Gleichwohl dürfen die rechtlichen Wirkungen dieser Verfassungsziele auch nicht unterschätzt werden, weil sie für die Auslegung zahlreicher Normen des primären und sekundären Unionsrechts herangezogen werden können 49 und weil diese Verfassungsziele darüber hinaus eine ermessenslenkende Wirkung in solchen Bereichen entfalten können, in denen der Union bzw. ihren Organen, Einrichtungen und/oder sonstigen Stellen bestimmte Ermessensspielräume eröffnet werden 50. Die vorgenannten Wirkungen sind im umweltverfassungsrechtlichen Kontext nicht nur der Zielbestimmung des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV, sondern auch dem Art. 3 Abs. 5 Satz 2 EUV zuzusprechen, der dem Umweltschutz eine internationale Dimension insoweit verleiht, als die Union nach dieser zusätzlichen Zielbestimmung unter anderem auch einen Beitrag zu „globaler nachhaltiger Entwicklung“ leisten soll bzw. zu leisten hat. Konkretisiert wird diese das auswärtige Handeln der EU betreffende 41) Zum umweltverfassungsrechtlichen Profil dieses Verfassungsvertrages vgl. etwa Beyer, The Environment in the Future European Constitution, JEEPL 2004, 143 ff.; Bungenberg, Das Binnenmarktziel im Lichte anderer Gemeinschaftsziele am Beispiel des Umweltschutzes, EuR Beih. 3/2004, 57, 72 ff. 42) Zur allg. anerkannten Möglichkeit, die EUV-Präambel mit ihren zahlreichen Erwägungsgründen bei Bedarf für die – insbesondere historische und teleologische – Auslegung aller nachfolgenden Vertragsartikel heranzuziehen, vgl. Heintschel v. Heinegg, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht – EUV/AEUV/Grundrechte-Charta (Handkommentar), Baden-Baden 2012, Präambel EUV, Rdnr. 2; Hilf/Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union – Kommentar, München (Losebl., Stand: 54. Erg.lfg. September 2014), Präambel EUV, Rdnr. 10 ff.; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV – Kommentar, 2. Aufl. München 2012, Präambel EUV, Rdnr. 18. 43) Vgl. dazu den 9. Erwägungsgrund dieser EUV-Präambel. 44) Zutreffend Geiger, in: ders./Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV – Kommentar, 5. Aufl. München 2010, Art. 3 EUV, Rdnr. 2; Pechstein, in: Streinz (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 3; Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 28. 45) Zutreffend Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV – Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (Kommentar), 4. Aufl. München 2011, Art. 3 EUV, Rdnr. 39; zur allgemein angenommen Rechtsverbindlichkeit der in Art. 3 EUV niedergelegten Verfassungsziele vgl. statt vieler Pechstein, in: Streinz (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 3. 46) Vgl. nur Heintschel v. Heinegg, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 3; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 3 EUV, Rdnr. 12; Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 8. 47) Zutreffend Geiger, in: ders. (Fn. 44), Art. 3 EUV, Rdnr. 2. 48) So vgl. statt vieler Pechstein, in: Streinz (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 4. 49) Ausführlicher dazu vgl. jeweils m. w. N. Becker, in: Schwarze/ Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 3 EUV, Rdnr. 7; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 3 EUV, Rdnr. 9; Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 12. 50) Näher zur ermessenslenkenden Wirkung der in Art. 3 EUV niedergelegten Verfassungsziele vgl. jeweils m. w. N. Geiger, in: ders. (Fn. 44), Art. 3 EUV, Rdnr. 2; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 3 EUV, Rdnr. 8; Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 3 EUV, Rdnr. 11.
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Zielvorgabe insbesondere durch Art. 21 Abs. 2 lit. d und f EUV, wonach sich die Union im Rahmen ihres auswärtigen Handelns – also beispielsweise auf den Gebieten der gemeinsamen Handelspolitik, der Entwicklungszusammenarbeit und der Europäischen Nachbarschaftspolitik – für ein hohes Maß an Zusammenarbeit auf allen Gebieten der internationalen Beziehungen einsetzt, um die nachhaltige Entwicklung in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in den Entwicklungsländern zu fördern und um im Interesse des sustainable development zur Entwicklung von internationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen beizutragen. Zusätzlich bekräftigt wird diese internationale Dimension des europäischen Umweltschutzes schließlich durch die beispielsweise in Art. 205 AEUV, Art. 208 Abs. 1 Satz 1 AEUV und Art. 214 Abs. 1 Satz 1 AEUV enthaltenen Verweise auf die in Titel V Kapitel 1 des EU-Vertrags angesprochenen Ziele und Grundsätze, zu denen eben auch die in Art. 21 Abs. 2 lit. d und f EUV niedergelegten Zielvorgaben ökologischer Art gehören. Dass der Umweltschutz einschließlich des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auch weiterhin als ein wichtiges Verfassungsziel der EU von durchaus fundamentaler Bedeutung einzuordnen ist, steht zwar mit Blick auf die vorgenannten Zielbestimmungen insbesondere der in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 3 Abs. 5 Satz 2 EUV, Art. 21 Abs. 2 lit. d EUV und Art. 21 Abs. 2 lit. f EUV geregelten Art außer Frage. Aufgrund der begrenzten Justiziabilität dieser primär die Auslegung einiger anderer Bestimmungen des primären und sekundären Unionsrechts steuernden umweltverfassungsrechtlichen Zielbestimmungen bedarf es jedoch weiterer vertraglicher Konkretisierungen und/oder Instrumente, damit dem vorgenannten Verfassungsziel vor allem eine noch stärkere rechtliche Durchschlagskraft verliehen werden kann. Diesem speziellen Zweck dienen nicht nur die erst weiter unten etwas ausführlicher anzusprechenden Art. 191–193 AEUV, in denen nunmehr die EU-Umweltpolitik im engeren Sinne geregelt ist, sondern auch die seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Reformvertrags in Art. 11 AEUV niedergelegte umweltrechtliche Integrations- und Querschnittsklausel, die nach wie vor ein weiteres zentrales Mittel bzw. Instrument zur Verwirklichung umweltschützender bzw. ökologischer Vertrags- oder Verfassungsziele der EU darstellt. 3.2 Die umweltrechtliche Querschnitts- und Integrationsklausel des Art. 11 AEUV Die umweltverfassungsrechtlichen Zielbestimmungen der vorgenannten Art werden im Sinne einer gewissen Ziel/ Mittel-Relation von der umweltverfassungsrechtlichen Integrations- und/oder Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV flankiert. Diese Vorschrift ordnet in einer gegenüber der Vorgängerregelung des Art. 6 EGV i. d. F. von Nizza 51 leicht geglätteten und in einer der in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV enthaltenen Rechtsnachfolgeregelung Rechnung tragenden Weise an, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden müssen. Im damaligen EG-Vertrag i. d. F. von Nizza befand sich diese umweltrechtliche Integrations- bzw. Querschnittsklausel noch im Grundsatzteil dieses Vertrages, während diverse andere Querschnittsklauseln etwa beschäftigungs-, kultur-, gesundheits- und verbraucherschutzrechtlicher Art weit weniger prominente Plätze in diesem Vertrag einnahmen. 52 Diese Sonderstellung hat die umweltrechtliche Integrations- und/oder Querschnittsklausel durch den Lissabonner Reformvertrag zwar insoweit eingebüßt, als sie im neuen Vertrag über die Arbeitsweise der EU nunmehr sehr viel enger an andere unionsrechtliche Querschnitts-
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klauseln 53 herangerückt und dabei auch nicht einmal an vorderster Stelle platziert worden ist. Der im einschlägigen Schrifttum gelegentlich prognostizierten Gefahr, dass der Umweltschutz durch die hiermit möglicherweise intendierte Aufwertung aller nicht-umweltrechtlichen Querschnittsklauseln an Bedeutung verlieren könnte 54, wird jedoch dadurch entgegengewirkt, dass die Verpflichtung zur bereichsübergreifenden Berücksichtigung von Umweltschutzbelangen in Art. 11 AEUV sehr viel schärfer und dringlicher bzw. zupackender formuliert worden ist als die in den anderen vertraglichen Querschnittsklauseln geregelten Verpflichtungen zur bereichsübergreifenden Beachtung sonstiger Allgemeinwohlbelange 55. Insofern überrascht es nicht wirklich, dass es gerade Umweltschutzbelange sind, die in zahlreichen Referenz- oder Teilgebieten des Unionsrechts tatsächlich und dabei zum Teil sogar in zunehmender Weise berücksichtigt werden. Letzteres kommt besonders anschaulich in der warenverkehrsfreiheitlichen Rechtsprechung des Unionsrichter 56, im EU-Wettbewerbsrecht 57, im 51) Zur Genese und zu späteren Veränderungen dieser umweltrechtlichen Querschnittsklausel im Zeitraum vom Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte bis zum Änderungsvertrag von Nizza siehe bereits oben unter 2. 52) Vgl. Art. 127 Abs. 2 EGV i. d. F. von Nizza (Beschäftigungspolitik), Art. 151 Abs. 4 EGV i. d. F. von Nizza (Kulturpolitik), Art. 152 Abs. 1 EGV i. d. F. von Nizza (Gesundheitspolitik) und Art. 153 Abs. 2 EGV i. d. F. von Nizza (Verbraucherpolitik). 53) Vgl. Art. 8 AEUV (Gleichstellung von Männern und Frauen); Art. 9 AEUV (Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, hohes Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie Gesundheitsschutz); Art. 10 AEUV (Bekämpfung von Diskriminierungen verschiedener Art); Art. 12 AEUV (Verbraucherschutz); Art. 13 AEUV (Wohlergehen der Tiere als „fühlende Wesen“). 54) So vgl. etwa Bungenberg, in: Fastenrath/Nowak (Fn. 4), S. 205, 211; anders Pahl, Umwelt, Energie und Landwirtschaft, in: Pernice (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 205, 206, wonach die Zusammenführung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel mit anderen Querschnittsklauseln nicht erwarten lasse, dass dies große rechtliche und politische Wirkungen entfalten wird; ferner vgl. in diesem Kontext Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 11 AEUV, Rdnr. 4, wonach die „wegweisende Rolle“ des Art. 11 AEUV durch die „bloß aus Gründen der Transparenz eingefügten“ Querschnittsklauseln in den Art. 8, 9, 12 u. 13 AEUV erhalten bleibe. 55) Zutreffend vgl. statt vieler Breuer (Fn. 27), S. 43 f. 56) Instruktiv dazu vgl. insbesondere EuGH, Urt. vom 13. 3. 2001, C-379/98 (PreussenElektra), Slg. 2001, I-2099 ff.; EuGH, Urt. vom 21. 12. 2011, C-28/09 (Kommission/Österreich), Slg. 2011, I-13525 ff.; EuGH, Urt. vom 1. 7. 2014, C-573/12 (Ålands Vindkraft AB/Energimyndigheten), RdE 2014, 380 ff. = VR 2014, 318 ff., mit Anm. Glinski, EuR 2014, 567 ff.; Gundel, RdE 2014, 387 ff.; näher zu dieser „umweltfreundlichen“ EuGH-Rechtsprechung vgl. etwa Brückmann/Steinbach, Die Förderung erneuerbarer Energien im Lichte der Warenverkehrsfreiheit, EnWZ 2014, 346 ff.; Grabmayr/Kahles, Das Recht zur territorial begrenzten Förderung Erneuerbarer Energien – Zu Inhalt und Reichweite der Entscheidung des EuGH im Fall „Alands Windkraft“, RdE 2014, 183 ff.; Nowak, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags und der Umweltschutz – Grundfreiheitliche Schrankensystematik im Lichte des EG-Umweltverfassung, VerwArch 2002, 368 ff.; sowie zuletzt Pechstein, Umweltschutz im System der Grundfreiheiten, in: Nowak (Fn. 6), S. 87 ff. 57) Näher dazu vgl. statt vieler Frenz, Kartellrecht und Umweltschutz im Zeichen der Energiewende, WRP 2013, 980 ff.; Lübbig, Nachhaltigkeit und Kartellthematik – Ein Beitrag über die zunehmende Verrechtlichung eines diffusen, aber bedeutsamen Begriffs, WuW 2012, 1142 ff.; Schütt, Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Umweltschutz und Binnenmarkt im europäischen Beihilferecht – ein Rechtsrahmen für nationale Umweltschutzbeihilfen, ZNER 2012, 133 ff.; sowie zuletzt Ekardt, Umweltschutz im EU-Beihilfenrecht, in: Nowak (Fn. 6), S. 134 ff.; Frenz, EU-Kartellrecht und Umweltschutz, in: ebd., S. 104 ff.
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Anwendungsbereich des gleichermaßen grundfreiheitliche und wettbewerbsrechtliche Dimensionen aufweisenden EU-Vergaberechts 58 sowie in der aktuell einem weitreichenden Greening unterliegenden Gemeinsamen Agrarpolitik der EU 59 zum Vorschein. Mehr oder weniger starke Berücksichtigung finden die in Art. 11 AEUV angesprochenen Erfordernisse oder Belange des Umweltschutzes, deren zusätzliche Erwähnung im EU-energiepolitischen Zielkatalog des Art. 194 Abs. 1 AEUV eher deklaratorischer Art ist, darüber hinaus auch in der EU-Fischereipolitik 60, in der EU-Verkehrspolitik 61, im raumplanungsrechtlichen Kontext 62, im vielschichtigen EU-Außenwirtschaftsrecht 63 sowie im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik 64 und der EU-Entwicklungszusammenarbeit 65, um nur einige weitere der in diesem Zusammenhang relevanten Referenzgebiete zu nennen. Im Hinblick auf die Rechtsqualität des Art. 11 AEUV und seine rechtlichen Wirkungen besteht im einschlägigen Schrifttum nach wie vor nur ein partieller Konsens. Weitgehende Einigkeit herrscht heute zwar darin, dass es sich bei dieser Bestimmung nicht lediglich um einen politischen Programmsatz, sondern vielmehr um eine auf die umweltschutzfreundliche Auslegung des gesamten Unionsrechts 58) Vgl. dazu insbesondere EuGH, Urt. vom 17. 9. 2002, C-513/99 (Concordia Bus Finland Oy Ab/Helsingin kaupunki u. HKLBussiliikenne), Slg. 2002, I-7213 ff.; EuGH, Urt. vom 4. 12. 2003, C-448/01 (EVN AG u. a./Österreich), Slg. 2003, I-14527 ff.; EuGH, Urt. vom 10. 5. 2012, C-368/10 (Kommission/Niederlande), EuZW 2012, 592 ff.; sowie Beckmann, Die Verfolgung ökologischer Zwecke bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, NZBau 2004, 600 ff.; Bungenberg, Die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, NVwZ 2003, 314 ff.; ders./Nowak, Europäische Umweltverfassung und EG-Vergaberecht – zur Berücksichtigung von Umweltschutzbelangen bei der Zuschlagserteilung, ZUR 2003, 10 ff.; Dageförde/ Dross, Reform des europäischen Vergaberechts – Umweltkriterien in den neuen Vergaberichtlinien, NVwZ 2005, 19 ff.; Gaus, Ökologische Kriterien in der Vergabeentscheidung – Eine Hilfe zur vergaberechtskonformen nachhaltigen Beschaffung, NZBau 2013, 401 ff.; Kühling, Rechtliche Grenzen der „Ökologisierung“ des öffentlichen Beschaffungswesens – Transparenz und Gleichbehandlungsgebote als Leitplanken bei der Beachtung von Umweltschutzbelangen, VerwArch 2004, 337 ff.; Krohn, Öffentliche Auftragsvergabe und Umweltschutz, 2003, passim; Müller-Wrede, Nachhaltige Beschaffung, VergabeR 2012, 416 ff.; Schneider, EGVergaberecht zwischen Ökonomisierung und umweltpolitischer Instrumentalisierung, DVBl. 2003, 1186 ff.; ders., Umweltschutz im Vergaberecht, NVwZ 2009, 1057 ff.; Schumacher, Stärkere Berücksichtigung von Umweltbelangen im Europäischen Vergaberecht, Der Umweltbeauftrage 2014, 5 ff.; Schröder, Die Lebenszykluskostenberechnung anhand von Energieeffizienz- und Schadstoff kriterien am Beispiel der Beschaffung von Straßenfahrzeugen, NZBau 2014, 467 ff.; Steinberg, Die „Wienstrom“Entscheidung des EuGH, EuZW 2004, 76 ff.; Wegener/Hahn, Ausschreibung von Öko- und Fair-Trade-Produkten mittels Gütezeichen, NZBau 2012, 684 ff. 59) Näher dazu vgl. etwa Bodiguel, Lutter contre le changement climatique: le nouveau leitmotiv de la politique agricole commune, RUE 2014, 414 ff.; Götz, 50 Jahre Gemeinsame Agrarpolitik – ihr Beitrag zur Verfassung und Verwaltung der Europäischen Union, JZ 2012, 53 ff.; Herman, Agriculture et environnement – Un nouveau projet pour la PAC?, RUE 2014, 52 ff.; Martinez, Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik, NuR 2013, 690 ff.; Peine, Landwirtschaft und Klimaschutz, NuR 2012, 611 ff.; sowie zuletzt Martinez, Die Berücksichtigung des Umweltschutzes in der Gemeinsamen Agrarpolitik, in: Nowak (Fn. 6), S. 190 ff. 60) Näher dazu vgl. etwa Kraus/Döring, Die Gemeinsame Fischereipolitik der EU: Nutzen, Probleme und Perspektiven eines pan-europäischen Ressourcenmanagements, ZUR 2013, 3 ff.; Markus/Salomon, Unter Zugzwang: Meeresumweltrechtliche Anforderungen an die Gemeinsame Fischereipolitik, ZUR 2013, 19 ff.; Weis/Busse, Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik – Ausgangspunkt, Legislativvorschläge und Verhandlungsstand, ZUR 2013, 10 ff.
drängende und zugleich ermessenslenkende Norm handelt, die die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU sowie die EU-Mitgliedstaaten in allen vertraglich geregelten Tätigkeitsbereichen im Interesse der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zur – auch einige prozedurale Vorgaben etwa in Gestalt bestimmter institutioneller Vorkehrungen einschließenden 66 – Einbeziehung der insbesondere durch Art. 191 AEUV konkretisierten Erfordernisse des Umweltschutzes verpflichtet und insoweit auch – anders als die im vorangegangenen Abschnitt angesprochenen Zielbestimmungen – voll justiziabel und kompetenzerweiternd ist, wenngleich sie dem Einzelnen keine subjektivrechtliche Rechtsposition verleiht. 67 Umstritten ist jedoch nach wie vor die genaue Reichweite und der konkrete Umfang der hier geregelten Verpflichtung zur Einbeziehung der vorgenannten Umweltschutzbelange. Diesbezüglich stehen sich nach wie vor zwei Literaturmeinungen gegenüber, die sich im Wesentlichen in der Beantwortung der Frage unterscheiden, ob Art. 11 AEUV im Sinne eines Optimierungsgebots oder lediglich im Sinne eines weniger weitreichenden Berücksichtigungsgebots oder Integrationsprinzips zu verstehen ist. Die in Teilen des einschlägigen Schrifttums 61) Näher dazu vgl. Lübbig, EU-Verkehrspolitik und Umweltschutz, in: Nowak (Fn. 6), S. 180 ff. 62) Vgl. dazu etwa Reese, Klimaanpassung im Umwelt- und Planungsrecht – Konzeptionelle Herausforderungen und Optionen, VerwArch 2012, 399 ff.; sowie zuletzt Schröder, Europäische Raumordnung und Umweltschutz, in: Nowak (Fn. 6), S. 161 ff. 63) Zur Berücksichtigung von Umweltschutzbelangen auch in diesem Bereich vgl. etwa Godt, Wirtschaft und Umwelt im Partnerschaftsabkommen der USA und Europa (TTIP) – Lehren aus dem NAFTA-Umweltvertrag von 1991 für zukünftige Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, ZUR 2014, 403 ff.; Krajewski, Umweltschutz und internationales Investitionsschutzrecht am Beispiel der Vattenfall-Klagen und des Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommens (TTIP), ZUR 2014, 396 ff.; Stoll/Krüger/Xu, Freihandelsabkommen und ihre Umweltschutzregelungen, ZUR 2014, 387 ff.; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. 11. 2010 zu Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen (2009/2219[INI]), ABl.EU 2012 C 99 E/31 ff.; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. 11. 2010 zur internationalen Handelspolitik im Zuge der Herausforderungen des Klimawandels (2010/2103[INI]), ABl.EU 2012 C 99 E/94 ff.; sowie zuletzt Bungenberg, Umweltschutz als Thema der unionalen Gemeinsamen Handelspolitik, in: Nowak (Fn. 6), S. 221 ff. Zu wichtigen Zusatzaspekten im Zusammenhang mit den umweltrechtlichen Außenbeziehungen der EU vgl. auch Schmahl/ Jung, Unionstreue und Loyalitätspflichten im Rahmen der (umweltrechtlichen) Außenbeziehungen der Europäischen Union, EurUP 2014, 309 ff. 64) Ausführlicher dazu vgl. Herzog/Thieme, Umweltschutz im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, in: Nowak (Fn. 6), S. 266 ff. 65) Näher dazu vgl. Schmalenbach, Umweltschutz im Rahmen der EU-Entwicklungszusammenarbeit, in: Nowak (Fn. 6), S. 251 ff. 66) In diesem zutreffenden Sinne vgl. etwa Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 11 AEUV, Rdnr. 14 ff.; Kahl, in: Streinz (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 38 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 25 ff. 67) Zu diesen weitgehend konsensfähigen Rechtswirkungen vgl. etwa Andrée, Zielverpflichtende Gemeinwohlklauseln im AEUVertrag – Merkmale, Rechtswirkungen und kompetenzielle Bedeutung der sogenannten „Querschnittsklauseln“ in einer Europäischen Wertegemeinschaft, Berlin 2014, S. 41 ff. u. S. 123 ff.; Breier, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Art. 11 AEUV, Rdnr. 10 ff.; Breuer (Fn. 27), S. 96 ff., S. 191 ff. u. S. 256 ff.; Calliess, in: ders./ Ruffert (Fn. 45), Art. 11 AEUV, Rdnr. 19 ff.; Epiney, in: Vedder/ Heintschel v. Heinegg (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 7; Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 11 AEUV, Rdnr. 7 ff. u. 18; Kahl, in: Streinz (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 28 ff.; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn. 44), Art. 11 AEUV, Rdnr. 6 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 13 ff.
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favorisierte Einordnung des Art. 11 AEUV als Optimierungsgebot im Gewande eines imperativischen Handlungsauftrags 68 manifestiert sich insbesondere in der These, dass die nach dieser Norm einzubeziehenden Umweltschutzerfordernisse als integrative Bestandteile anderer Unionspolitiken deren Inhalt im Ergebnis ersichtlich oder erkennbar mitprägen müssten und mit gegenläufigen Interessen zum Zwecke der Herstellung eines möglichst schonenden Ausgleichs bzw. praktischer Konkordanz abzuwägen seien 69. Demgegenüber wird dem Art. 11 AEUV von anderer Seite lediglich eine relative Steuerungswirkung in dem Sinne zugesprochen, dass diese Norm weder determiniere, wie sich die von dieser Bestimmung verlangte Einbeziehung der Belange des Umweltschutzes konkret in einer zu treffenden Entscheidung niederzuschlagen hat 70, noch verlange, dass diese Belange den konkreten Inhalt einer solchen Entscheidung ersichtlich mitprägen 71. Dieser Meinungsstreit, der durch die auf Art. 11 AEUV bezogene Rechtsprechung des EuGH bislang noch nicht beigelegt werden konnte, setzt sich in der Interpretation der nachfolgend anzusprechenden Regelungsgehalte des Art. 37 GRC zwangsläufig fort. 3.3 Regelungsgehalte und umweltverfassungsrechtliche Bedeutung des Art. 37 GRC Die erstmals am 7. Dezember 2000 feierlich proklamierte Charta der Grundrechte der EU hat in einer textlich leicht modifizierten Natur erst mit dem am 1. Dezember 2009 erfolgten Inkrafttreten des Lissabonner Reformvertrags Rechtsverbindlichkeit erlangt. 72 Diese insbesondere durch Art. 6 Abs. 1 EUV dokumentierte Neuerung ist in umweltverfassungsrechtlicher Hinsicht insoweit relevant, als sich in dem nun rechtsverbindlichen Art. 37 GRC eine inhaltlich etwas redundante Synthese der in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV und Art. 11 AEUV getroffenen Aussagen finden lässt, der zufolge ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden müssen. Mit dieser vieldiskutierten Neuerung, die zunächst einmal als ein weiterer Schritt im Prozess der bereits seit einigen Jahrzehnten feststellbaren (zunehmenden) Ökologisierung des Primärrechts 73 einzuordnen ist, wird nicht nur die überaus hohe Bedeutung des Umweltschutzes im Rahmen der geltenden Unionsrechtsordnung zusätzlich unterstrichen, sondern zugleich der Blick bzw. das allgemeine Bewusstsein dafür geschärft, dass dem Umweltschutz auch auf der supranationalen Ebene verschiedene Grundrechtsdimensionen zuzusprechen sind, die sich insbesondere in der bereits seit vielen Jahren geführten Diskussion über den Sinn und Zweck der Schaffung oder Anerkennung eines echten eigenständigen EU-Umwelt(schutz)grundrechts sowie in der Funktion des Umweltschutzes als Schranke anderer Unionsgrundrechte vornehmlich wirtschaftlicher Art und der grundrechtsähnlichen Grundfreiheiten abbilden. 74 Soweit diese Neuerung vielfach gleichwohl für „überflüssig aber unschädlich“ gehalten 75 oder als „bedingt sinnvoll“ bezeichnet wird 76, ist dem im Grundsatz zuzustimmen, da Art. 37 GRC in erster Linie die Regelungsgehalte der in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV niedergelegten Zielbestimmung 77 und der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV 78 synthetisiert bzw. wiederholt und insoweit nicht über die Regelungsgehalte der beiden vorgenannten Vertragsvorschriften hinausgeht. Dies beruht insbesondere auch darauf, dass Art. 37 GRC, der im einschlägigen Schrifttum überwiegend als eine in der EUGrundrechtecharta deplatziert wirkende „staatszielartige Bestimmung“ eingestuft 79 bzw. als eine „(Unions-)Zielbestimmung“ eingeordnet wird 80, die in funktioneller Hinsicht eine gewisse „Leistungsgewährleistung in der Variante der Schutzpflicht“ einschließen soll 81, nach ganz vorherrschender Auffassung kein einklagbares Umwelt-
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bzw. Umweltschutzgrundrecht eigenständiger Art formuliert oder begründet 82, sondern vielmehr als eine objektivrechtliche „Grundsatz“-Bestimmung im Sinne des Art. 52 Abs. 5 GRC einzuordnen ist 83, die ausweislich dieser Norm „durch Akte der Gesetzgebung und der Ausführung der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch Akte der Mitgliedstaaten zur Durchführung des Rechts der Union in Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt werden“ und „vor Gericht nur bei der Auslegung dieser Akte und bei Entscheidungen über deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden [können]“.
68) Exemplarisch vgl. Rest, in: Tettinger/Stern (Fn. 9), Art. 37 GRC, Rdnr. 21 m. w. N. 69) In diesem Sinne vgl. etwa Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 11 AEUV, Rdnr. 7 f.; Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/ Schoo (Fn. 36), Art. 11 AEUV, Rdnr. 13; Kahl, in: Streinz (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 17 f. 70) So vgl. etwa Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 20. 71) So vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 22; ähnlich i. E. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6: Institutionen und Politiken, Berlin u. a. 2011, Kap. 15 § 7, Rdnr. 2378 ff. 72) Näher dazu sowie zur Genese dieser Grundrechtecharta vgl. statt vieler und jeweils m. w. N. Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon – Ein Überblick über die Reformen unter Berücksichtigung ihrer Implikationen für das deutsche Recht, Tübingen 2010, S. 308 ff.; Nowak, Europarecht nach Lissabon, Baden-Baden 2011, S. 134 ff.; Pache, Die Rolle der EMRK und der Grundrechte-Charta in der EU, in: Fastenrath/ Nowak (Fn. 4), S. 113 ff. 73) Näher dazu siehe oben unter 2. 74) Näher dazu vgl. Jarass, Der neue Grundsatz des Umweltschutzes im primären EU-Recht, ZUR 2011, 563 ff.; Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Fn. 9), § 60, Rdnr. 1 ff.; Rengeling, Umweltschutz in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: Franzius u. a. (Hrsg.), Beharren. Bewegen – FS für Michael Kloepfer zum 70. Geburtstag, Berlin 2013, S. 161 ff.; Wegener, Umweltrecht, in: ders. (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 8: Europäische Querschnittspolitiken, Baden-Baden 2014, § 3, Rdnr. 11 ff. 75) So etwa von Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 11 AEUV, Rdnr. 1; Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 11 AEUV, Rdnr. 6. 76) So etwa von Epiney, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 4; noch etwas schärfer vgl. Wegener, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), EUV/AEUV, 7. Aufl. BadenBaden (im Erscheinen), Art. 37 GRC, Rdnr. 1, wonach es sich bei dieser Norm um einen „Etikettenschwindel“ handele. 77) Siehe oben unter 3.1. 78) Siehe oben unter 3.2. 79) Zu dieser Einordnung vgl. etwa Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 37 GRC, Rdnr. 4. 80) So etwa von Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 37 GRC, Rdnr. 1; Rest, in: Tettinger/Stern (Fn. 9), Art. 37 GRC, Rdnr. 1 u. 17; Riedel, in: Meyer (Fn. 9), Art. 37 GRC, Rdnr. 1 u. 9; Wegener, Europäisches Umweltverwaltungsrecht, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, Baden-Baden 2011, § 36, Rdnr. 10; ähnlich i. E. Streinz, in: ders. (Fn. 42), Art. 37 GRC, Rdnr. 1 f. 81) In diesem Sinne vgl. etwa Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Kommentar, München 2010, Art. 37 GRC, Rdnr. 2; Wegener (Fn. 74), § 3 Rdnr. 13; ders. (Fn. 76), Art. 37 GRC, Rdnr. 3. 82) Dies ist weitgehend unstreitig, vgl. nur Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 37 GRC, Rdnr. 1 ff.; Epiney, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Fn. 42), Art. 11 AEUV, Rdnr. 4; Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Fn. 9), § 60, Rdnr. 15.; Wegener (Fn. 74), § 3 Rdnr. 11 f.; a. A. Folz, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Fn. 42), Art. 37 AEUV, Rdnr. 1, wonach Art. 37 GRC ein Recht auf Umweltschutz begründe, das Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 11 AEUV und Art. 191 AEUV ergänze. 83) So auch vgl. statt vieler Frenz, Perspektiven für den Umwelt- und Klimaschutz, EuR Beih. 1/2009, 232 ff.; Jarass (Fn. 81), Art. 37 GRC, Rdnr. 3; Wolffgang, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Anh. zu Art. 6 EUV, Rdnr. 59.
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3.4 Umweltschützende Sonderregelungen im Bereich der binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung nach Art. 114 Abs. 3–5 AEUV Weitere wichtige Kernbestandteile der geltenden EU-Umweltverfassung stellen die in Art. 114 Abs. 3 AEUV niedergelegte Schutzniveauklausel sowie die in Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV enthaltenen Schutzergänzungs- bzw. Schutzverstärkungs- oder Derogationsklauseln im Anwendungsbereich der so genannten binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung dar, die durch den Lissabonner Reformvertrag in inhaltlicher Hinsicht ebenfalls unangetastet geblieben sind. Die in Art. 114 Abs. 3 AEUV niedergelegte Schutzniveauklausel knüpft an die in Art. 114 Abs. 1 AEUV geregelte Rechtsetzungsermächtigung an, wonach das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Das hier angesprochene ordentliche Gesetzgebungsverfahren, das als so genanntes Mitentscheidungsverfahren eine detailliertere Ausgestaltung in Art. 294 AEUV findet, besteht nach Art. 289 Abs. 1 AEUV in der gemeinsamen Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses im Sinne des Art. 288 AEUV durch das Europäische Parlament und den Rat auf Vorschlag der Kommission. Bezugnehmend auf dieses Vorschlagsrecht ordnet Art. 114 Abs. 3 Satz 1 AEUV an, dass die Kommission in ihren Vorschlägen nach Art. 114 Abs. 1 AEUV in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau ausgeht und dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen berücksichtigt; in ergänzender Weise verpflichtet Art. 114 Abs. 3 Satz 2 AEUV schließlich das Europäische Parlament und den Rat dazu, im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse ebenfalls das vorgenannte Ziel anzustreben. Bei dieser insoweit sowohl die Kommission als auch das Europäische Parlament und den Rat verpflichtenden Schutzniveauklausel handelt es sich um eine zahlreiche Detailfragen aufwerfende Sonderregelung 84, die für den vertraglichen Spezialbereich der binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung unter anderem die in den vorangegangenen Abschnitten angesprochenen Normen insbesondere in Gestalt des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 1 EUV, Art. 11 AEUV und Art. 37 GRC konkretisiert 85 und dabei vor allem – abgesehen von vergleichbaren Zielsetzungen auf den oben genannten Gebieten der Gesundheit, der Sicherheit und des Verbraucherschutzes – sicherstellen soll, dass eine auf Art. 114 AEUV gestützte Rechtsangleichungsmaßnahme des Unionsgesetzgebers gerade auch im Hinblick auf den Umweltschutz nicht eine Einigung „auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner“ zur Folge hat. 86 Umweltschützende Wirkungen entfalten ferner die in Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV enthaltenen Schutzergänzungs- bzw. Schutzverstärkungsklauseln, die in einem engen Funktionszusammenhang mit der in Art. 114 Abs. 3 AEUV niedergelegten Schutzniveauklausel stehen 87, aber bereits in begrifflicher Hinsicht nicht unumstritten sind 88. Konkret erlauben bzw. tolerieren die in Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV enthaltenen Regelungen unter bestimmten materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gerade auch zu Gunsten höherer mitgliedstaatlicher Umweltschutzstandards ausnahmsweise gewisse Durchbrechungen der von abschließenden unionalen Harmonisierungsmaßnahmen grundsätzlich ausgehenden Sperrwirkung. 89 Hält es ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme des Europäischen Parlaments und des Rates bzw. des Rates oder der Kommission beispielsweise für erforderlich, innerstaatliche Bestimmungen beizubehal-
ten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Art. 36 AEUV oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, so ist er nach Art. 114 Abs. 4 AEUV dazu verpflichtet, diese Bestimmungen und die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mitzuteilen, wobei sich die weiteren Verfahrensschritte in diesem Fall nach den nachfolgenden Absätzen dieser Norm richten. Während Art. 114 Abs. 4 AEUV somit die Beibehaltung bereits vorhandener strengerer Bestimmungen der Mitgliedstaaten zum Gegenstand hat 90, bezieht sich Art. 114 Abs. 5 AEUV auf die Einführung neuer strengerer Bestimmungen der Mitgliedstaaten. 91 Diesbezüglich 84) Ausführlicher zur Auslegung dieser Klausel, zu den durch diese Klausel aufgeworfenen Rechtsfragen sowie zur diesbezüglichen Rechtsprechungspraxis des Unionsrichters vgl. etwa Fischer, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Art. 114 AEUV, Rdnr. 22 f.; Herrnfeld, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 114 AEUV, Rdnr. 48 ff.; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 114 AEUV, Rdnr. 33 ff.; Leible/Schröder, in: Streinz (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 73 ff.; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 132 ff. 85) Ähnlich vgl. statt vieler Kahl, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 114 AEUV, Rdnr. 33. 86) Zu diesem allgemein anerkannten Hauptzweck der in Art. 114 Abs. 3 AEUV niedergelegten Schutzniveauklausel vgl. etwa auch Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn. 44), Art. 114 AEUV, Rdnr. 19; sowie Leible/Schröder, in: Streinz (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 73, mit dem weiteren zutreffenden Hinweis darauf, dass mit dieser Klausel auch „den Bedenken einzelner Mitgliedstaaten, die Harmonisierung binnenmarktrelevanter Rechtsbereiche führe zu einem nicht hinnehmbaren Absinken bereits erreichter nationaler Schutzstandards, Rechnung getragen“ werden soll. 87) Instruktiv dazu vgl. Herrnfeld, in: Schwarze/Becker/Hatje/ Schoo (Fn. 36), Art. 114 AEUV, Rdnr. 52. 88) Für eine Einordnung der in Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV enthaltenen Regelungen als Schutzergänzungs- bzw. Schutzverstärkungsklauseln vgl. etwa Kahl, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 114 AEUV, Rdnr. 41; die Überzeugungskraft dieser Begrifflichkeit hingegen in Frage stellend vgl. Tietje, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 156 ff., der diesbezüglich eher von eng auszulegenden Ausnahmevorschriften spricht, die Derogationsmöglichkeiten eröffnen. Anders vgl. wiederum Fischer, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Art. 114 AEUV, Rdnr. 24 ff., der in diesem Kontext eher von „Anpassungsklauseln“ spricht. 89) Näher dazu vgl. auch jeweils m. w. N. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Art. 114 AEUV, Rdnr. 24 ff.; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Fn. 45), Art. 114 AEUV, Rdnr. 40 ff. 90) Ausführlicher zu dieser Schutzergänzungs- bzw. Schutzverstärkungsklausel oder Derogationsmöglichkeit vgl. jeweils m. w. N. Leible/Schröder, in: Streinz (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 85 ff.; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 166 ff. 91) Zur Bedeutung dieser bereits in der Vorgängerbestimmung des Art. 114 AEUV auffindbaren Unterscheidung vgl. etwa EuGH, Urt. vom 20. 3. 2003, C-3/00 (Dänemark/Kommission), Slg. 2003, I-2643, Rdnr. 57 f.; EuGH, Urt. vom 13. 9. 2007, verb. C-439/05 P u. C-454/05 P (Land Oberösterreich u. a./Kommission), Slg. 2007, I-7141, Rdnr. 28 f.; sowie EuGH, Urt. vom 21. 1. 2003, C-512/99 (Deutschland/Kommission), Slg. 2003, I-845, Rdnr. 41, wo es heißt: „Der Unterschied zwischen diesen beiden Fällen liegt darin, dass die einzelstaatliche Bestimmung im ersten Fall vor der Harmonisierungsmaßnahme bestand. Sie war dem Gemeinschaftsgesetzgeber [ jetzt: Unionsgesetzgeber] daher bekannt, aber dieser konnte oder wollte sich von ihr nicht für die Rechtsangleichung inspirieren lassen. Es konnte daher hingenommen werden, dass dem Mitgliedstaat das Recht eingeräumt wurde, einen Antrag auf Weitergeltung seiner eigenen Regelungen zu stellen. Hierfür ist es nach dem EG-Vertrag [ jetzt: AEUV] erforderlich, dass die nationalen Bestimmungen durch wichtige Belange im Sinne des Artikels 30 EG [ jetzt: Art. 36 AEUV] oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind. Im zweiten Fall dagegen kann der Erlass neuer einzelstaatlicher Rechtsvorschriften zusätzliche Gefahren für die Rechtsangleichung mit sich
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ordnet die vorgenannte Bestimmung an, dass ein Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch das Europäische Parlament und den Rat bzw. durch den Rat oder die Kommission für erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat einzuführen, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mitzuteilen hat. 92 Der oben angesprochene Funktionszusammenhang, der die beiden vorgenannten Schutzergänzungs- bzw. Schutzverstärkungsklauseln oder Ausnahmeregelungen mit der in Art. 114 Abs. 3 AEUV niedergelegten Schutzniveauklausel verbindet, manifestiert sich vornehmlich darin, dass sich die Reichweite der in Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV geregelten Möglichkeiten der Mitgliedstaaten vor allem daran orientiert, ob und inwieweit die Kommission, das Europäische Parlament und der Rat ihren in Art. 114 Abs. 3 AEUV geregelten Verpflichtungen zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des Umweltschutzes nachkommen bzw. nachgekommen sind. 3.5 EU-Umweltpolitik nach Art. 191–193 AEUV Weitere wichtige Bestandteile der geltenden EU-Umweltverfassung, die ähnlich wie die in Art. 11 AEUV und Art. 37 GRC niedergelegten Querschnitts- und/oder Integrationsklauseln 93 im Wesentlichen der Verwirklichung der vertraglichen Zielbestimmungen umweltverfassungsrechtlicher Art 94 zu dienen bestimmt sind, stellen – abgesehen von diversen vertraglichen Ermächtigungsgrundlagen nicht spezifisch umweltrechtlicher Art, auf die sich umweltpolitische Maßnahmen der Unionsorgane zum Teil ebenfalls stützen lassen 95 – schließlich die Art. 191–193 AEUV dar, die den gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. e AEUV von den geteilten Unionszuständigkeiten erfassten Politik- und Rechtsbereich „Umwelt“ näher ausgestalten und dabei in inhaltlicher Hinsicht weitgehend mit den seinerzeit geltenden Art. 174–176 EGV i. d. F. von Nizza übereinstimmen. Zu den wesentlichen Grundsätzen oder Prinzipien der seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Reformvertrags und damit bereits seit über fünf Jahren in den Art. 191–193 AEUV geregelten EU-Umweltpolitik, die unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union weiterhin – ähnlich wie die in Art. 114 Abs. 3–5 AEUV enthaltenen Umweltschutzklauseln für den speziellen Bereich der binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung 96 – auf ein hohes Schutzniveaus abzielt 97, gehören gemäß Art. 191 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 AEUV nach wie vor die etablierten Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung, das Verursacherprinzip sowie der Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen. 98 Größtenteils unverändert geblieben sind darüber hinaus die maßgeblichen Ziele dieses nur leicht modifizierten Politik- und Rechtsbereichs, zu denen nach Art. 191 Abs. 1 AEUV zum einen die Erhaltung und der Schutz der Umwelt, die Verbesserung der Umweltqualität, der Schutz der menschlichen Gesundheit sowie die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen gehören 99. Zum anderen zielt die EU-Umweltpolitik weiterhin auf die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme ab, wobei diese den internationalen Bereich betreffende Zielsetzung in Art. 191 Abs. 1 Sp.str. 4 AEUV – abweichend von der Vorgängerbestimmung des Art. 174 Abs. 1 Sp.str. 4 EGV – erstmals explizit in den zusätzlichen Dienst der „Bekämpfung des Klimawandels“ gestellt wird. Zur Erreichung aller vorgenannten Ziele der EU-Umweltpolitik, die seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Re-
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formvertrags übrigens einige neue und gegenwärtig intensiv diskutierte Fragen im Hinblick auf ihr genaues Verhältnis zu der in Art. 194 AEUV geregelten EU-Energiepolitik aufwirft 100, kann der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage des Art. 192 AEUV nicht nur politische Entschließungen treffen und informatorische Warnungen aussprechen, sondern vor allem auch verbindliche Sekundärrechtsakte insbesondere in Gestalt umweltrechtlicher Verordnungen und Richtlinien im Sinne des Art. 288 Abs. 2 und 3 AEUV erlassen. Von dieser Möglichkeit hat der Unionsgesetzgeber im Interesse der Schaffung einheitlicher Umweltstandards in den EU-Mitgliedstaaten entweder auf der Grundlage des Art. 192 AEUV oder auf der Basis einer seiner Vorgängerbestimmungen bereits außerordentlich häufig Gebrauch gemacht und auf diese Weise einen sehr umfangreichen – das mitgliedstaatliche Umweltrecht heute in einem überaus weiten Umfang determinierenden – Korpus sekundärrechtlicher Vorgaben rechtsverbindlicher Art geschaffen,
bringen. Die Gemeinschaftsorgane [ jetzt: Unionsorgane] konnten naturgemäß die nationalen Vorschriften bei der Ausarbeitung der Harmonisierungsmaßnahme nicht berücksichtigen. In diesem Fall werden die Belange im Sinne des Artikels 30 EG [ jetzt: Art. 36 AEUV] außer Acht gelassen und nur Gründe des Umweltschutzes oder des Schutzes der Arbeitsumwelt zugelassen, sofern der Mitgliedstaat neue wissenschaftliche Erkenntnisse beibringt und sich die Einführung neuer einzelstaatlicher Bestimmungen aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, als notwendig erweist“. 92) Ausführlicher dazu vgl. nur Leible/Schröder, in: Streinz (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 95 ff.; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 114 AEUV, Rdnr. 186 ff. 93) Siehe oben unter 3.2 und 3.3. 94) Siehe oben unter 3.1. 95) Vgl. etwa Art. 40 ff. AEUV, Art. 91 AEUV, Art. 114 AEUV, Art. 180 AEUV, Art. 194 AEUV und Art. 207 AEUV; ausführlicher zum Verhältnis zwischen den vorgenannten Ermächtigungsgrundlagen und dem spezifisch umweltrechtlichen Art. 192 AEUV vgl. etwa Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 192 AEUV, Rdnr. 23 ff.; Frenz, EU-Umweltkompetenzen nach Lissabon – Reichweite und Ausübung, UPR 2010, 293, 294 f.; Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 192 AEUV, Rdnr. 3 ff.; Kahl, in: Streinz (Fn. 42), Art. 192 AEUV, Rdnr. 90 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 192 AEUV, Rdnr. 18 ff. 96) Siehe oben unter 3.4. 97) Vgl. Art. 191 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 AEUV (so auch bereits Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 EGV i. d. F. von Nizza); näher zu dieser durchaus interpretationsoffenen Vorgabe der Gewährleistung eines hohen Umweltschutzniveaus vgl. jeweils m. w. N. Breier, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Art. 191 AEUV, Rdnr. 13 f.; Calliess, in: ders./Ruffert (Fn. 45), Art. 191 AEUV, Rdnr. 15 ff.; Frenz (Fn. 83), EuR Beih. 1/2009, 232 (241 ff.); Käller, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo (Fn. 36), Art. 191 AEUV, Rdnr. 18 ff. 98) Ausführlicher zu diesen Grundsätzen vgl. jeweils m. w. N. Birger, Das Vorsorgeprinzip im EU-Recht, Tübingen 2009, passim; Breier, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), Art. 191 AEUV, Rdnr. 15 ff.; Scherer/Heselhaus (Fn. 18), Rdnr. 3 ff.; Marti (Fn. 11), S. 47 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 42), Art. 191 AEUV, Rdnr. 80 ff.; Wegener (Fn. 74), § 3, Rdnr. 13; Winter, Umweltrechtliche Prinzipien des Gemeinschaftsrechts, ZUR Sonderheft 2003, 137 ff. 99) Vgl. Art. 191 Abs. 1 Sp.str. 1–3 AEUV. 100) Ausführlich dazu vgl. zuletzt Schlacke, EU-Umweltpolitik nach Lissabon: Grundlagen, Abgrenzungsfragen und Entwicklungsperspektiven, in: Nowak (Fn. 6), S. 299 ff.; sowie Heselhaus, Europäisches Energie- und Umweltrecht – Emanzipation vom umweltrechtlichen Primat, in: ebd., S. 327 ff.; zur damit recht eng verbundenen Bedeutung des EU-Umweltrechts für die denkbare Herausbildung eines europäischen Rohstoffrechts vgl. Terhechte, Konsolidierung oder Emergenz? – Impulse des Lissabonner Vertrags für ein europäisches Rohstoffrecht, in: ebd., S. 357 ff.
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die sich auf zahlreiche Teilbereiche des Allgemeinen und Besonderen Umweltrechts erstrecken. 101 4. Fazit Das Europäische Umweltverfassungsrecht, das in seiner geltenden Form das Ergebnis eines weltweit zunehmenden Umweltbewusstseins ist, kann auf eine recht lange und zuletzt durch den Lissabonner Reformvertrag zu einem vorläufigen Abschluss gebrachte Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte zurückblicken 102, die dafür gesorgt hat, dass der Umweltschutz heute zu den grundlegenden Verfassungszielen der EU gehört 103. Bei der Verwirklichung dieses ökologischen Verfassungsziels handelt es sich um eine unabgeschlossene Daueraufgabe von fundamentaler Bedeutung, zu deren Erfüllung zunächst einmal die in Art. 11 AEUV und Art. 37 GRC niedergelegten (umweltrechtlichen) Integrations- und Querschnittsklauseln 104 außerordentlich wertvolle Beiträge leisten. Ein zweites wichtiges Instrument zur Erfüllung bzw. zur Verfolgung dieser Daueraufgabe stellt neben der in Art. 114 Abs. 3 AEUV niedergelegten Schutzniveauklausel sowie den in Art. 114 Abs. 4 und 5 AEUV enthaltenen Schutzergänzungs- bzw. Schutzverstärkungs- oder Derogationsklauseln im Anwendungsbereich der binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung 105 schließlich die in den Art. 191–193 AEUV geregelte EUUmweltpolitik im engeren Sinne dar 106. Dieser Politikbereich wirft neue Abgrenzungsfragen zu der seit dem In-
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krafttreten des Lissabonner Reformvertrags in Art. 194 AEUV geregelten Energiepolitik auf, denen weitere – zum Teil hochumstrittene – Grundfragen im Zusammenhang mit dem dieser unionalen Teilverfassung zugrundeliegenden Umweltbegriff, mit einzelnen Grundrechtsdimensionen des Umweltschutzes, mit dem so genannten Grundsatz bestmöglichen Umweltschutzes sowie mit dem unionsverfassungsrechtliche Rangverhältnis zwischen dem Umweltschutz auf der einen Seite und der durch das supranationale Unionsrecht ebenfalls gewährleisteten Markt-, Wettbewerbs- und/oder Wirtschaftsfreiheit auf der anderen Seite hinzutreten. Hierauf wird an anderer Stelle gesondert einzugehen sein. 107
101) Zur enormen Vielzahl der in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erlassenen umweltpolitischen Sekundärrechtsakte und Programme vgl. jeweils m. w. N. Breier, in: Lenz/Borchardt (Fn. 36), nach Art. 192 AEUV, Rdnr. 2 ff.; Scherer/Heselhaus (Fn. 18), Rdnr. 197 ff.; Wegener (Fn. 74), § 3, Rdnr. 29 ff. 102) Siehe dazu oben unter 2. 103) Siehe dazu oben unter 3.1. 104) Siehe dazu oben unter 3.2 und 3.3. 105) Siehe dazu oben unter 3.4. 106) Siehe dazu oben unter 3.5. 107) Ausführlich dazu vgl. Nowak, Ausformungen, Wirkungen und Kernfragen des Europäischen Umweltverfassungsrechts, im nächsten NuR-Heft.
Naturschutz nach der Föderalismusreform: Formale Gestaltung der Abweichungsgesetzgebung Alexander Petschulat*
© Springer-Verlag 2015
Als Ergebnis der Föderalismusreform steht den Ländern im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung die Möglichkeit zu, von Bundesrecht abweichende Regelungen zu erlassen. Die entsprechende Kompetenz enthält dabei eigene Vorgaben, ist jedoch auch an bereits bestehende formale Strukturen gebunden. Die Abweichungsmöglichkeit ergibt sich für die Länder anhand konkreter Voraussetzungen, welche zu Beginn der Aufsatzreihe erörtert wurden. Nunmehr gilt es, die formalen Gestaltungsmöglichkeiten abweichenden Landesrechts zu untersuchen. Dazu wird zunächst der Gesetzesvorbehalt der Abweichungsgesetzgebung aufgeschlüsselt. Es folgt eine Analyse zu Grundlagen, Umfang und Bedeutung einer Kennzeichnungsverpflichtung. 1. Einleitung Der legislative Wirkungsbereich Naturschutz und Landschaftspflege ist anlässlich der Absicht, ein einheitliches Umweltgesetzbuch zu schaffen, durch die Föderalismusreform wesentlich um- und neugestaltet worden. Dabei bedarf die Kompetenzvariante der Abweichungsgesetzgebung zu ihrer Wirksamkeit einer formalen Gestaltung in Einklang mit der Verfassung. Durch den verfassungsändernden Gesetzgeber wurden dazu Voraussetzungen geschaffen und gesetzlich verankert. Dies führt zu der Frage Dr. Alexander Petschulat, Wiss. Referent am Zentralinstitut für Raumplanung, Münster, Deutschland
der Reichweite der Abweichungsgesetzgebung und ihren möglichen Einsatzgebieten. Neben dem klassischen Werkzeug der formellen Gesetzgebung rücken Rechtsverordnungen als Gestaltungsform zunehmend in den Fokus. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in der Rechtsetzung und bis dato fehlender Rechtsprechung bedarf es wissenschaftlicher Erörterung. Der zunehmende Einsatz der Abweichungsgesetzgebung – insbesondere im Bereich Naturschutz – begründet ein zunehmendes Interesse der Gesetzgebungspraxis an vormals rein wissenschaftlichen Fragestellungen. Auch liefert der praktische Umgang mit dem legislativen Instrument Ansatzpunkte für erweiterten Forschungsbedarf. 2. Gesetzesform abweichenden Rechts Nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GG können die Länder abweichende Regelungen für Naturschutz und Land-
*) Der Artikel beruht auf der Dissertation Petschulat, Die Regelungskompetenzen der Länder für die Raumordnung nach der Föderalismusreform, 2014. Er knüpft an die Veröffentlichung Petschulat, Naturschutz nach der Föderalismusreform: Voraussetzungen der Abweichungsgesetzgebung, NuR 2015, 241 und wird fortgesetzt. Die Fortsetzung beschäftigt sich mit materiellen Gestaltungsmöglichkeiten der Abweichungsgesetzgebung im Bereich Naturschutz.
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