Schwerpunkt | Einführung
Fintech – Umbruch der Finanzbranche durch IT Fintech ist ein Schlagwort, mit dem sich die Finanzbranche jüngst intensiv befasst. Zahlreiche Startup-Unternehmen haben innovative Lösungen entwickelt, die das klassische Bank- und Versicherungsgeschäft betreffen und neue Impulse liefern. Der Beitrag illustriert die Charakteristika dieses Schlagwortes und stellt einen Bezug zum etablierten Verständnis der Bank- und Versicherungsinformatik her. Ein Umbruch des lange Zeit unverändert durchgeführten Finanzgeschäfts durch die fortschreitende Digitalisierung ist in allen Bereichen absehbar. Rainer Alt und Dieter Ehrenberg
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Wirtschaftsinformatik & Management
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Schwerpunkt | Einführung Das jüngst aufgekommene Schlagwort „Fintech“ reflektiert eindrücklich eine der Herausforderungen der Wirtschaftsinformatik. In schneller Folge etablieren sich neue Schlagworte, die vermeintlich Neues bezeichnen. Ein Blick in die Literatur hilft nicht unmittelbar weiter, da wissenschaftliche Publikationen häufig erst mit Zeitverzögerung verfügbar sind. Dies unterstreicht eine Recherche zum Fintech-Begriff, die primär jüngere Beiträge aus der praxisorientierten Fachliteratur ergab. Im Bereich wissenschaftlicher Publikationen deuten jedoch erste Schwerpunkthefte [1] und zahlreiche Ausschreibungen für kommende „Fintech Special Issues“ auf die Bedeutung der Thematik hin. Gleichzeitig ist es Aufgabe der wissenschaftlichen Betrachtung, einen Bezug zum bestehenden Wissen herzustellen. Hier zeigt sich die Finanzbranche als frühzeitiger Anwender von Informationstechnologie (IT), worin bereits in den 1960er-Jahren erste betriebliche Anwendungssysteme entstanden sind [2]. Seit vielen Jahren haben sich in der Wirtschaftsinformatik an der Schnittstelle zu den betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen der Bank- beziehungsweise Versicherungsbetriebslehre die Bereiche der Bank- und der Versicherungsinformatik herausgebildet, die sich mit der Entwicklung und Gestaltung von Anwendungssystemen für die Finanzbranche befassen. Diese erlauben es, das Fintech-Phänomen in den bestehenden Wissenskontext einzuordnen und die mit dem Fintech-Begriff verbundenen Besonderheiten herauszustellen.
Prof. Dr. Rainer Alt ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig (http://www.iwi. uni-leipzig.de/as) und Mitbegründer des Kompetenzzentrums „Sourcing in der Finanzindustrie“ (www.ccsourcing.org).
Fintech-Charakteristika Zunächst mag die Auflösung des Kofferwortes Fintech in „Financial Technology“ darauf hindeuten, es handele sich ähnlich dem Technologieeinsatz bei Biotech oder Medtech verhältnismäßig breit um den Einsatz von Technologien im Finanzbereich. Nach einigen Jahren der Verwendung bezieht sich der Begriff der Finanztechnologie aber weniger auf Technologien insgesamt, wie etwa Geldzähl- oder Geldausgabeautomaten, sondern primär auf Informationstechnologien die Zwecke der Finanzindustrie unterstützen. Dies betrifft die erwähnten Wissensgebiete der Bank- und Versicherungsinformatik, die sich mit Abläufen und (Standard-)Anwendungssystemen in der jeweiligen Domäne befassen. Zwei Definitionen mögen dies illustrieren: • Bankinformatik gilt als „die Wissenschaft, Technik und Anwendung der systematischen und automatischen Verarbeitung von bankbetrieblichen Informationen“ ([3], S. 5). • Versicherungsinformatik bildet einen „Teil der angewandten Informatik, welche neben der wissenschaftlichen Betrachtung der systematischen Verarbeitung von Informationen auch die grundsätzlichen Verfahrensweisen für die Verarbeitung von Informationen sowie allgemeine Methoden und Anwendungen solcher Verfahren in verschiedenen Bereichen zum Gegenstand hat“ ([4], S. 359). Zur übergreifenden Betrachtung von Bank- und Versicherungsinformatik bietet sich der Begriff der „Finanzinformatik“ an. Als Gesamtmenge von Bank- und Versicherungsinformatik erkennt dieser Ergänzungen von Bankund Versicherungsgeschäft, die man sich auch von den – nicht zuletzt auf-
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Prof. Dr. Dieter Ehrenberg ist emeritierter Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig.
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Kernthese 1 Mit dem Fintech-Begriff kommen gegenüber bestehenden Begrifflichkeiten wie der Bankund Versicherungsinformatik vier charakterisierende Eigenschaften hinzu.
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grund der Komplexitäten der jeweiligen Branchen – wenig erfolgreichen Allfinanz-Konzepten der 1990er-Jahre erhofft hatte. Während Banken Zahlungs-, Finanzierungs- und Anlagebedürfnisse adressieren, sind dies Absicherungs- und Vorsorgebedürfnisse bei Versicherungen. Zwar besteht eine Überschneidung bei den Anlagebedürfnissen, für die übrigen Bereiche gelang es jedoch zumindest bislang nicht, die notwendigen Synergieeffekte zur Bündelung in einem Unternehmen zu realisieren. Um die grundsätzliche Zusammengehörigkeit zu unterstreichen, ist der Begriff der Finanzinformatik hinreichend allgemein gefasst als „die inner- und überbetriebliche Gestaltung und Steuerung von Anwendungssystemen zur Unterstützung ITbasierter (beziehungsweise digitalisierter) Geschäftsprozesse und -modelle von Finanzdienstleistungsunternehmen“ ([5], S. 20). Grundsätzlich entspricht die Betrachtung von Fintech diesem Begriffsverständnis, sodass sich darunter Lösungen für den Bank- und den Versicherungsbereich finden. Spezifischere Begrifflichkeiten wie „Banking Innovations“ [5], „Insurtech“ für Versicherungstechnologien [6] oder „Regtech“ [7] für Technologien bei Aufsichtsbehörden orientieren sich an den jeweiligen Anwendungsdomänen, konnten sich aber bisher nicht in gleicher Weise wie Fintech etablieren. Mit der Finanzinformatik-Definition kommt gegenüber den Begriffsinhalten der Bank- und Versicherungsinformatik durch die Berücksichtigung von Geschäftsmodellen [8] eine weitere Facette hinzu. So konzentrieren sich Fintech-Lösungen auf die Gestaltung von bank- beziehungsweise versicherungsfachlichen Anwendungssystemen sowie die implizite (Neu-)Gestaltung der Geschäftsprozesse. Der Neugestaltung liegt zugrunde, dass mit integrierten Anwendungssystemen funktionsübergreifende Abläufe möglich sind und eine Übernahme der zuvor bestehenden Abläufe in der Regel nicht sinnvoll ist. Dieser Aspekt ist bei Fintech offensichtlich gleichermaßen erfüllt, denn die innovative Anwendung von – häufig ebenfalls innovativer – IT, wie etwa Social-Media-Plattformen, mobilen Endgeräten sowie Web-basierten Softwarelösungen, erlaubt veränderte oder sogar neue Geschäftsprozesse. Häufig entsteht die Innovation durch das Zusammenwirken mehrerer Technologien, wie etwa Social Media, Apps oder ortsbezogener Dienste und führt gegenüber den klassischen betrieblichen Anwendungssystemen zu Lösungen, die sich direkt an den Kunden richten und diesen in die Geschäftsprozesse einbeziehen. Derartige Lösungen (zum Beispiel Fidor, Knip, Mint) fallen durch ihre einfach gestalteten und häufig intuitiv nutzbaren Formen der Nutzerinteraktion auf. Die starke Orientierung an der Kundenschnittstelle und die Abbildung neuer Geschäftsprozesse mag eine Erklärung dafür sein, dass viele Fintechs kaum bank- beziehungsweise finanzfachliche Standardsoftware verwenden, sondern auf fokussierte Eigenentwicklungen setzen. Neben dem Bezug zur Finanzindustrie und der innovativen IT-basierten Lösung illustrieren die Beiträge dieses Schwerpunktheftes zwei weitere Eigenschaften des Fintech-Begriffs. Einerseits gehen Fintech-Lösungen mit ihren innovativen Geschäftsprozessen in stärkerem Maße mit der Entstehung neuer Geschäftsmodelle einher. Während bank- beziehungsweise versicherungsfachliche Standardsoftware die zuvor bereits bestehenden Produkte
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Schwerpunkt | Einführung abgebildet hat und die damit verbundenen Angebots-, Transaktions- und Verwaltungsprozesse effizienter gestalten konnte, definieren Fintechs neue Produkte beziehungsweise Marktleistungen (zum Beispiel Bitcoins, Crowdlending, Health-Tracking) entlang neuer Verwendungs- beziehungsweise Kundenprozesse. In diesem Sinne ist Fintech ein Beispiel der „konsequente(n) Digitalisierung jedweder Geschäftsmodelle um intelligente Dienstleistungen und Produkte, die in intelligenten Netzen entwickelt und organisiert werden.“ ([9], S. 18). Fintech-Lösungen zeigen, dass digitale beziehungsweise automatisierte Geschäftsprozesse einen integralen Bestandteil der Geschäftsmodelle darstellen und die Geschäftsmodelle erst ermöglichen. Die Fintech-Dynamik ging allerdings weniger von den angestammten Vertretern der Branchen, also Banken und Versicherungen, aus, sondern primär von Neugründungen („Startups“) oder auch von branchenfremden Unternehmen (zum Beispiel IT-Unternehmen wie Google oder Apple). Mittlerweile ist das weltweite Investitionsvolumen in Fintechs von vier Milliarden US-Dollar in 2013 auf zwölf Milliarden US-Dollar in 2014 gestiegen ([10], S. 50). Wenngleich Fintech-Unternehmen derzeit nur einen geringen Marktanteil besitzen, so geht eine Schätzung von PricewaterhouseCoopers (PwC) gar davon aus, „dass sich die globalen Gesamtinvestitionen im FinTech-Bereich innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre auf 150 Milliarden US-Dollar belaufen“ [11]. An dieser Entwicklung lässt sich der klassische Hype-Cycle-Verlauf erkennen: Der gegenwärtigen Phase der übersteigerten Erwartungen folgt eine Ernüchterungsphase, bevor sich – im positiven Fall – die bewährten Lösungen nachhaltig etablieren. Bei Letzteren haben auch angestammte Branchenvertreter eine Chance, wenn es ihnen entweder gelingt, eine eigene Lösung zu positionieren oder erfolgreiche Startups rechtzeitig zu übernehmen beziehungsweise mit diesen zu kooperieren. Das Beispiel PayPal gibt allerdings zu bedenken, dass eine Übernahme von PayPal bei einer gegenwärtigen Marktkapitalisierung von 42 Milliarden Euro selbst für große Banken wenig realistisch ist und erklärt die (späte) Gründung eigener Bezahlverfahren (zum Beispiel Paydirekt, Paymit, Twint).
Fintech-Begriff Zusammenfassend lassen sich für den Fintech-Begriff mittels dieser Charakteristika vier Eigenschaften identifizieren. Dies sind (1) der Bezug zu Finanzdienstleistungen, (2) der Einsatz innovativer und häufig kundenzentrierter IT-basierter Lösungen, (3) die Verbindung des IT-Einsatzes mit einem Geschäftsmodell und (4) der Wettbewerb von bestehenden Finanzdienstleistungsunternehmen mit neuen Akteuren. Während die ersten beiden Charakteristika eine Nähe zu den bestehenden Begriffen der Bank- und Finanzinformatik aufweisen, besitzen die letzten zwei eine wettbewerbliche Relevanz und das Potenzial zu Veränderungen beziehungsweise Umbrüchen in der Finanzindustrie wie sie den Gegenstand dieses Schwerpunktheftes bilden. Die Heterogenität des Fintech-Themenbereiches reflektieren auch die Beobachtungen der Schreibweisen. So sind im Deutschen sowohl „Fintech“ als auch „FinTech“ anzutreffen. Im vorliegenden Schwerpunktheft haben sich
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Zusammenfassung
• Der Einführungsbeitrag zum Schwer-
punktheft „Fintech“ analysiert den Fintech-Begriff und liefert einen Überblick zu den Heftbeiträgen. • Über die systematische Begriffsanalyse hinaus schlägt er Kriterien zur Strukturierung des Fintech-Gestaltungsraumes vor und illustriert dies mit Beispielen.
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Kernthese 2 Der Fintech-Gestaltungsraum erlaubt eine große Lösungsvielfalt entlang der finanzfachlichen Bereiche und der Innovation bezüglich Produkt, Prozess oder Technologie.
die meisten Autoren für „Fintech“ entschieden. Ebenso finden sich Verwendungen im Singular wie im Plural. Beider Interpretationen bedient sich beispielweise das Statistikportal Statista: • „Fintech beziehungsweise Finanztechnologie ist eine Sammelbezeichnung für Technologien rund um die Branche der Finanzdienstleistungen.“ [12] • „Fintechs sind Internetanbieter, die finanzielle Dienstleistungen basierend auf modernen Technologien bereitstellen.“ [13] Während die erste funktionale Definition auf die Fintech-Lösungen sowie -Technologien abhebt und die Relevanz der Geschäftsmodelle vernachlässigt, ist dies bei der zweiten, auf Fintech-Unternehmen ausgerichteten, institutionellen Definition bezüglich der Betrachtung der Lösungen und Technologien – etwa von Blockchain als Finanztechnologie – der Fall. Ebenso ist die Frage zu beantworten, ob in einem auf Internetunternehmen beschränkten Verständnis nun klassische Banken oder Versicherungen auch als Fintech-Unternehmen gelten können. Offensichtlich ist, dass sowohl bestehende Akteure ihre Angebote um Fintech-Lösungen weiterentwickeln als auch ein FintechStartup übernehmen können. In Verbindung mit den charakterisierenden Eigenschaften des Fintech-Begriffs und den Heftbeiträgen orientiert sich folgender Definitionsvorschlag daher stärker an Geschäftsmodellen: „Fintech oder Finanztechnologie bezeichnet innovative informationstechnologische Lösungen, die Finanzdienstleister oder branchenfremde Unternehmen zur Gestaltung von Geschäftsmodellen im Finanzbereich einsetzen.“ Inhaltlich spannt der Fintech-Begriff einen schwer überschaubaren Gestaltungsraum auf, der von innovativen Bezahlverfahren auf Basis der Blockchain-Technologie hin zu Community-basierten Anlage-, Finanzierungs- und Versicherungsplattformen reicht. Einen Schritt hin zu einer groben Systematisierung erlauben die erwähnten fachlichen Inhalte der Finanzinformatik, die sich an Kundenbedürfnissen (Finanzieren, Zahlen, Anlegen, Vorsorgen und Absichern) orientieren (siehe [5], [14]). Während Banken-Fintech-Lösungen typischerweise die Bereiche Finanzieren, Zahlen und Anlegen abdecken, sind dies Vorsorgen und Absichern sowie teilweise auch Anlegen (etwa bei Lebensversicherungen) bei den Insurtech-Lösungen. Aufgrund des innovativen Charakters von Fintech-Lösungen bietet sich ferner die inhaltliche Unterscheidung nach Produkt-, Prozess- und Technologieinnovationen an ([15], S. 26ff). Danach bieten Letztere die Grundlage für die Anwendung zur Realisierung effizienter Prozesse und diese wiederum für die Verwertung am Markt in Form neuer Produkte. In diesem Kontinuum fällt auf, dass bei Technologieinnovationen gegenüber den Prozessinnovationen und insbesondere den Produktinnovationen eine unmittelbare Zuordnung zu den fachlichen Bereichen nicht unmittelbar gegeben ist (beispielsweise sind Blockchain-Konzepte sowohl für Bezahl- als auch für Versicherungslösungen anwendbar). Abbildung 1 zeigt dies mittels exemplarischer Fintech-Lösungen und -Technologien.
Beiträge des Schwerpunktheftes Facetten des Fintech-Begriffs und des Gestaltungsraums finden sich in sämtlichen Beiträgen dieses Schwerpunktheftes wieder. Der erste Beitrag greift
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Schwerpunkt | Einführung das Aufeinandertreffen von etablierten Finanzdienstleistern und StartupUnternehmen auf. In einem Interview diskutieren Stephan Schneider (Commerzbank) und Sebastian Herfurth (Friendsurance) über die Entwicklung, den erreichten Stand und die Zukunft des Fintech-Bereiches. Sie interpretieren Fintech als Weckruf für Banken ebenso wie für Versicherungen und erläutern die Besonderheiten der Fintech-Startups und ihr Verhältnis zu den etablierten Akteuren. Der zweite Beitrag stellt die Fintech-Entwicklung in den Kontext der Digitalisierung. Dazu unternimmt Thomas F. Dapp (Deutsche Bank Research) eine grundlegende Betrachtung mit den Herausforderungen für die traditionelle Bankenwelt. Dabei wird deutlich, dass die ökonomische Kraft des Internets nicht mehr auf die Ausstattung einzelner Geschäftsbereiche oder Vertriebskanäle mit Internettechnologien beschränkt ist. Vielmehr erlaubt es einen ganzheitlichen Ansatz über sämtliche internen und externen Bankprozesse hinweg und benötigt eine adäquate Digitalisierungsstrategie. Dazu zählen auch die Vision einer digitalen Banking-Plattform und die zunehmende Bereitschaft der Akteure, an geeigneten Schnittstellen im Wertschöpfungsnetz weitere strategische Allianzen miteinander oder mit Drittanbietern einzugehen. Das bedeutet insbesondere, die Fintech-Startups mit ihren neuen Ideen einzubeziehen beziehungsweise mit ihnen zu kooperieren. Kunden profitieren im digitalen Bankgeschäft vor allem durch einen individuellen Service und Zugang zu unterschiedlichen Unternehmensleistungen und Finanzakteuren.
Abb. 1
Gestaltungsraum von Fintech-Lösungen
Fintech (Banken- und Versicherungsbereich) Fintech (Bankenbereich)
Produktinnovation
Prozessinnovation
Technologieinnovation
Fintech (Versicherungsbereich, Insurtech)
Finanzieren
Zahlen
Anlegen
Vorsorgen
Absichern
Crowdlending (z. B. Auxmoney)
Bitcoin Bank (z. B. Bitcoin Crypto Bank)
Robo-Advisory (z. B. Vaamo)
Health-Tracking (z. B. WeSavvy)
Zahlungsausfallvers. (z. B. Klarna)
Zwischenfinanzierung (z. B. Kreditup)
Payment Processing (z. B. Paymill)
Social Banking (z. B. Fidor/Giromatch)
Vertragsoptimierer (z. B. FinanceFox)
Communities (z. B. Friendsurance)
Kreditvergleich (z. B. Smava)
Zahlungsmittelvergleich (z. B. Moneytis)
Portfoliooptimierung (z. B. PersonalCapital)
Informationsportale (z. B. Check24)
Digitaler Broker (z. B. Knip)
Sofort-Risikoprüfung (z. B. Kreditech)
Personal Finance Mgmt. (z. B. Mint)
Sentiment Data (z. B. Stockpulse)
Agentur-Support (z. B. CoPromote)
Versicherungsverwaltung (z. B. Simplr)
Social Media
Blockchain
Big Data
Mobile
Internet of Things
Quelle: eigene Darstellung
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Handlungsempfehlungen
• Die mit dem häufig wenig differenziert diskutierten Schlagwort „Fintech“ verbundenen Begriffsinhalte sind klar zu identifizieren. • Eine Positionierung von Fintech-Lösungen ist die Voraussetzung, um Komplementaritäts- oder Substitutionseffekte zu beurteilen.
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Die darauffolgenden vier Beiträge des Schwerpunkts konzentrieren sich auf Konzeptionen und Geschäftsmodelle von Fintech-Unternehmen sowie auf die daraus gewonnenen Erfahrungen und Verallgemeinerungen. Dem Beitrag von Henner Gimpel, Daniel Rau (beide Universität Augsburg) und Maximilian Röglinger (Universität Bayreuth) zu „Fintech-Geschäftsmodelle im Visier“ liegt eine wissenschaftliche Studie zu Geschäftsmodellen von FintechStartups entlang der nichtfunktionalen Dimensionen Interaktion, Daten und Monetarisierung zugrunde. Dazu haben die Autoren 120 deutsche FintechStartup-Unternehmen untersucht. Eine mehrdimensionale Analyse der Geschäftsmodelle führte zu einer Typologie von acht Geschäftsmodell-Typen, aus welchen die Autoren Orientierungen und Empfehlungen für Finanzdienstleister und Fintech-Startups ableiten. Ebenso bietet sie eine Grundlage für Markt- und Wettbewerbsanalysen für Analysten und Wissenschaftler. Der Beitrag von Aaron Mengelkamp und Matthias Schumann (beide Universität Göttingen) zu „Fintechs im Kreditgeschäft – wenn etablierte Akteure sich bedroht sehen“ betrachtet die Dienstleistungen im Kreditvergabeprozess als Teil des gesamten Fintech-Marktes. Dabei analysieren sie, wie Fintech-Unternehmen ihre Erfolgsfaktoren Kundenorientierung, vollautomatisierte Geschäftsprozesse und hohe Transparenz, durch die sie sich von Banken abgrenzen, im Kreditgeschäft realisieren. Im Vordergrund stehen ebenso wie im vorausgehenden Beitrag von Gimpel et al. die Geschäftsmodelle und die darin enthaltenen Innovationen. Dazu gehören insbesondere digitale Kreditmarktplätze und innovative Formen der Bonitätsprüfung auf Basis neuartiger Datenbestände (zum Beispiel aus sozialen Medien). Insbesondere mussten auch die Fintech-Unternehmen aus vorangegangenen Marktstudien, Fallstudien und einer Onlinesuche identifiziert werden. Aus dem Beitrag leiten sich Aussagen dazu ab, welche Maßnahmen Banken ergreifen sollten, um ihre Marktanteile behaupten zu können (zum Beispiel durch Kooperation mit Fintech-Unternehmen) und welche Entwicklungen zu erwarten sind. Ein konkreter Anbieter kommt im fünften Beitrag zu Wort. Darin beschreibt Dirk Rudolf (FinTecSystems) den „Weg zum medienbruchfreien Kreditantrag“ aus Sicht eines Fintech-Unternehmens, das mit onlinebanking-basierten Informations- und Zahlungsdiensten die digitale Transformation zum Online-Kreditantrag erlaubt. Damit knüpft dieses Fallbeispiel an den vorangegangenen Beitrag von Mengelkamp und Schumann an. Den Ausgangspunkt bilden die digitale Transformation im Bankensektor und die im Jahre 2014 begonnene schrittweise Evolution zum OnlineKreditantrag. Bei der konkreten Umsetzung durch die FinTecSystems GmbH bilden die Realisierung der digitalen Bankauskunft und die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie 2 der Europäischen Kommission (Payment Service Directive 2) zentrale Bausteine des Ansatzes. Als Vorteil nennt der Beitrag unter anderem einen rechtssicheren Raum für einen verkürzten Kreditantragsprozess mit automatisierter Kreditzusage. Der Beitrag von Stefan Huch (Capgemini Consulting) geht auf weitere „Fallbeispiele innovativer Fintech-Unternehmen“ ein. Nach einer Charak-
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Schwerpunkt | Einführung terisierung innovativer Fintech-Unternehmen durch Merkmale, welche die Innovationskraft hervorheben, erfolgt eine Übersicht zum Fintech-Markt mit 248 Fintech-Anbietern (Stand: 2015). Die näher dargestellten fünf Fintech-Lösungen sind jeweils aus Sicht der Innovation und des Kundennutzens charakterisiert. Daraus leiten sich wichtige Herausforderungen beziehungsweise „Learnings“ für traditionelle Banken ab. Das betrifft auf der Grundlage einer umfassenden Digitalisierungsstrategie unter anderem die Individualisierung von Produkten und Services, die erweiterte Verfügbarkeit von Angeboten, eine erhöhte Benutzerfreundlichkeit, die Preis- und Kostentransparenz sowie eine verbesserte Geschwindigkeit bei der Abwicklung der Prozesse. Der abschließende Beitrag von Marten Risius (E-Finance Lab), Fabian Akolk (Stahl Automotive Consulting) und Roman Beck (IT University of Copenhagen) zeigt, wie sich „Mit Social-Media-Stimmungen Börsenkursbewegungen vorhersagen“ lassen. Dieser Ansatz nutzt Textnachrichten aus sozialen Medien als zusätzliche Quelle zur Vorhersage von Börsenkursbewegungen und knüpft damit an den Beitrag von Mengelkamp und Schumann an. Grundlage des Ansatzes bilden Erkenntnisse der psychologischen Emotionslehre, wonach die Anlegerstimmung die Wertpreisentwicklung beeinflusst, wenn Emotionen auf rationales Denken, Risikobewertungen und Entscheidungsfindungen im Umfeld der Investoren Einfluss haben. Da sich soziale Stimmungen durch Interaktionen verbreiten, ist davon auszugehen, dass auch die Stimmungen (sogenannte „sentiments“) von Gesprächen auf Social-Media-Plattformen das Entscheidungsverhalten von Investoren und damit Börsenkurse beeinflussen können. Mit der automatisierten Analyse von Social-Media-Nachrichten in Form von Sentiment-Fintech-Lösungen können Nutzer (Investoren, Anleger) handelsrelevante differenzierte Informationen erhalten. Der Beitrag beschreibt neben den theoretischen Ansätzen erfolg reiche praktische Anwendungen und noch bestehende Forschungslücken.
Fazit Zusammenfassend vermitteln die Beiträge grundlegende Aussagen zur Entwicklung und dem erreichten Stand aus Sicht der Wissenschaft und der Unternehmenspraxis. Sie zeigen gleichzeitig, dass die Wirtschaftsinformatik nicht unvorbereitet dem Fintech-Phänomen gegenübersteht, sondern dieses in den Kontext der Bank- und Finanzinformatik sowie den IT-basierten (digitalen) Geschäftsmodellen einbetten kann. Dabei wird deutlich, dass sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in der praktischen Anwendung bereits erfolgreiche Beispiele, aber auch noch „weiße Flecken“ existieren. Für die weitere Zukunft dürfte dem Hype-Cycle folgend nach einer „Erhitzung“ eine Ernüchterung von den übersteigerten Erwartungen folgen. Obgleich Anlagen in Fintech-Unternehmen daher risikobehaftet sind, ist nicht daran zu zweifeln, dass der mit Fintech verbundene Wettbewerb aus Sicht des Kunden von Finanzdienstleistungen positive Impulse bedeutet. Für einen derartigen Umbruch besteht sicherlich noch reichlich Potenzial.
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Schwerpunkt | Einführung Links und Literatur [1] Kauffman, R.J., Ma, D. (2015). Contemporary Research on Payments and Cards in the Global Fintech Revolution, in: Electronic Commerce Research and Applications, 14(5), S. 261–264. [2] Lamberti, H.-J., Büger, M. (2009). Lessons Learned: 50 Jahre Informationstechnologie im Bankgeschäft am Beispiel der Deutschen Bank AG, in: Wirtschaftsinformatik, 51(1), S. 31–42. [3] Moormann, J. (2002). Terminologie und Glossar der Bankinformatik, Arbeitsbericht Nr. 37, Hochschule für Bankwirtschaft, Frankfurt/M. [4] Koch, G. (2006). Versicherungsinformatik – Eine versicherungswissenschaftliche Fachdisziplin. Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, 95(1), S. 359-372. [5] Alt, R., Puschmann, T. (2016). Digitalisierung der Finanzindustrie – Grundlagen der Fintech-Evolution, Springer, Berlin/Heidelberg. [6] Haymann, A. (2016). Insurtech – the new gold for startups, https://swissfinte.ch/ insurtech-switzerland/, Abruf am 01.04.16. [7] Müller, J. (2016). Die Finanz-Regulatoren rüsten digital auf, in: Neue Zürcher Zeitung v. 29.03.16, S. 21. [8] Geschäftsmodelle verstanden als Geschäftslogik eines Unternehmens mit differenzierendem Geschäftszweck („Value Proposition“), dem Wertschöpfungsnetzwerk und dem Ertragsmodell, s. Alpar, P. et al. (2016). Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik, 8. Aufl. Vieweg, Wiesbaden. [9] Acatech (2014). Smart Service Welt – Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Internetbasierte Dienste für die Wirtschaft, Acatech, Berlin. [10] Mackenzie, A. (2015). The Fintech Revolution, in: London Business School Review, 26(3), S. 50-53. [11] PwC (2016). FinTech: 150 Mrd. USD Investitionsvolumen bis 2020, https://www. pwc.ch/nachrichten/de/26251/fintech-150-mrd-usd-investitionsvolumen-bis-2020, Abruf am 01.04.16. [12] Statista (2016a). Statistiken und Studien zum Thema Fintech, http://de.statista. com/themen/2517/fintech/, Abruf am 01.04.16. [13] Statista (2016b). Größte Investitionen in Fintech-Unternehmen im Bereich Bitcoin weltweit im Jahr 2014 (in Millionen US-Dollar), http://de.statista.com/ statistik/daten/studie/398035/umfrage/investitionen-in-fintech-unternehmen-bereich-bitcoin-weltweit/, Abruf am 01.04.16. [14] Sachse, S. (2016). Customer-centric Service Management. Dissertation, Universität Leipzig (in Fertigstellung). [15] Hauschildt, J. (2005). Dimensionen der Innovation, in: Albers, S., Gassmann, O. (Hrsg.), Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement, Gabler, Wiesbaden, S. 23-39.
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Gehen Sie den Fragen der Zukunft auf den Grund.
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