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Geographiestudium in Bonn – und dann? Absolventinnen- und Absolventen befragung am Geographischen Institut der Universität Bonn Befragung von Absolventinnen und Absolventen der letzten zehn Jahre
Derzeit werden bundesweit die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge in die Geographie eingeführt. Dazu ist neben der inhaltlichen Ausrichtung und grundsätzlichen Umsetzbarkeit der neuen Studiengänge auch die Arbeitsmarktorien tierung ein wichtiges Kriterium für ihre Beurteilung. Dies war ein wesentliches Motiv, im April 2006 am Geographischen Institut der Universität Bonn eine Befragung der Absolventenjahrgänge 1995 bis 2005 durchzuführen. Ziel war es, sich über den beruflichen Werdegang der DiplomGeographen zu informieren, die Ausbildung zu hinterfragen und zukünftigen Studienabgängern Perspektiven aufzuzeigen. Ähnliche Befragungen fanden in den letzten Jahren auch an anderen Geographischen Instituten beispielsweise in Berlin (Jahnke u. a. 2002), Bochum (Herbold u. a. 2000) oder Trier (Universität Trier 1999) statt. Wie aus der ersten Abbildung ersichtlich, wurden in Bonn in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 110 bis 120 DiplomGeographinnen und Geographen in jedem akademischen Jahr verabschiedet, allerdings mit fallender Tendenz in den letzten drei Jahren. Dieser Rückgang spiegelt eine gesunkene Zahl von Studienanfängern wider, die vor fünf bis sieben Jahren ihr Studium aufgenommen haben. Auffallend ist der Rückgang der Absolventen mit physisch-geographischem Schwerpunkt. Dies weist auf ein höheres Interesse der Studierenden an humangeographischen Themenstellungen in Bonn hin. Von den insgesamt etwas über 1.000 Absolventinnen und Absolventen der letzten zehn Jahre konnten mit Hilfe der institutseigenen Alumni-Datei 434 Fragebögen per Email versandt werden, wovon 134 beantwortet wurden (53,7 % Männer, 44,8 % Frauen, 1,5 % ohne Geschlechtsangabe). Dies entspricht einer guten Rücklaufquote von fast einem Drittel (30,9 %). Der zweiseitige Fragebogen enthielt neun Fragen, konnte elektronisch ausgefüllt und per Email, Fax oder Post zurückgesandt 186
Abb. 1 Diplom-Geographen aus Bonn 1995 bis 2005
werden. Natürlich ist uns bewusst, dass wohl vor allem diejenigen Absolventen geantwortet haben, die eine „Erfolgsgeschichte“ aufzuweisen haben und denen der Berufseinstieg gelungen ist. Dies ist bei der weiteren Interpretation zu berücksichtigen.
insgesamt 429 Berufsbezeichnungen angegeben, darunter 50 Mal und damit am zweithäufigsten die explizite Bezeichnung „Diplom-Geograph /in“. Am häufigsten genannt wurde „Projektleiter, -koordinator, -manager /in“ (78 Nennungen), eine Bezeichnung die keinen Rückschluss auf die Ausbildung zulässt. An dritter Stelle Räumliche Verteilung folgt die Bezeichnung „Wissenschaftliche Mitarbeiter /in“ (45 Nennungen). Die räumliche Verteilung (siehe Abbildung 2) zeigt, dass Diplom-GeograUm einen Überblick über die gegenwärtig phinnen und Geographen die ihnen wichtigsten Tätigkeitsfelder zu gewinnen, nachgesagte Lust auf fremde Länder auch wurden die Absolventen gebeten, aus nach ihrem Studium nicht verloren haeiner vorgegebenen Liste Arbeitsfelder ben. In der Karte werden die Aufenthalts- auszuwählen, in denen sie aktuell beschäfjahre der Befragten nach Abschluss ihres tigt sind. Hier waren Mehrfachnennungen Studiums in den verschiedenen Städten möglich. Abbildung 3 zeigt die große Bebzw. Ländern dargestellt. Wie zu erwardeutung des Bereichs Consulting und Beten, sind die meisten Arbeitsjahre in den ratung, in dem über ein Drittel der Absolnordrhein-westfälischen Ballungszentren venten tätig ist. Mit deutlichem Abstand geleistet worden. Es zieht die Absolventen folgen die Bereiche Wissenschaft (21 %), GIS (21 %) und Öffentlichkeitsarbeit aber auch in andere große Verdichtungsräume wie München, Hamburg oder Ber- (20 %). Differenziert man in diesen Hauptlin. Ostdeutschland ist außer Berlin und tätigkeitsfeldern nach dem Geschlecht, so Potsdam gar nicht vertreten. Dafür haben findet man nur in der Wissenschaft ein insgesamt 26 Absolventen (19,4 %) mit ins- ausgeglichenes Zahlenverhältnis zwischen gesamt 52,5 Arbeitsjahren (6,7 %) ihre Zeit Männern und Frauen. In den anderen drei nach dem Studium im europäischen und Bereichen dominieren die Männer. Insgeaußereuropäischen Ausland verbracht. samt kann nur in einer einzigen Kategorie eine weibliche Dominanz festgestellt Berufliche Situation werden: in der Entwicklungshilfe. InterDa es nach einem Geographiestudium essant ist auch eine Unterscheidung nach keine vorgegebene Berufslaufbahn gibt, dem Abschlussjahrgang. Im Vergleich der wurde zunächst erfragt, wie die AbsolJahrgänge 1995 bis 1999 zu den Jahrgängen ventinnen und Absolventen selbst die 2000 bis 2005 haben insbesondere zwei verschiedenen Berufe bezeichnen, in Berufsfelder gewonnen: GIS und Wisdenen sie seit ihrem Abschluss tätig waren senschaft. Dies kann im Fall von GIS auf (offene Frage). Die 134 Befragten haben einen Bedeutungsgewinn dieser Technik
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die zahlreichen Drittmittelprojekte, die in der jüngeren Zeit in Bonn am Geographischen Institut bearbeitet werden, sowie die Graduiertenkollegs Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Tätigkeit. Berufseinstieg
Abb. 2 Räumliche Verteilung der Absolventen nach Abschluss des Studiums
in vielen Bereichen zurückgeführt werden. Die größere Bedeutung von Wissenschaft in den Abschlussjahrgängen 2000 bis 2005 erlaubt mehrere Deutungen. Einerseits kann das Ergebnis eine Reaktion auf den schwierigen Arbeitsmarkt für Geographinnen und Geographen außerhalb der Universität widerspiegeln. Andererseits
könnte die Wissenschaft als „Durchlaufstation“ vor dem Eintritt in den freien Arbeitsmarkt interpretiert werden, in der die jüngeren Abschlussjahrgänge noch stehen, während die früheren Absolventengenerationen diese Phase bereits abgeschlossen und den freien Arbeitsmarkt erreicht haben. Schließlich bieten auch
Die Absolventen wurden außerdem gefragt, wie sie ihre erste Arbeitsstelle gefunden haben. Abbildung 4 zeigt, dass am häufigsten der klassische Weg über eine Stellenanzeige zum Erfolg geführt hat. Darüber hinaus wird jedoch die große Bedeutung von Kontakten deutlich, sei es durch Hinweise aus dem Bekanntenoder Freundeskreis, durch Kontakte im Rahmen der Diplomarbeit oder durch Praktika oder Studentenjobs. Diese Erkenntnis ist wichtig für die Organisation des Studiums, in dem die Möglichkeit genutzt werden sollte, bereits frühzeitig Netzwerke zu knüpfen. Interessanterweise zeigen sich auch hier geschlechtsspezifische Unterschiede. Während Männer häufiger ihre Kontakte eingesetzt haben, ist bei den erfolgreichen Bewerbungen über eine Stellenanzeige der Anteil der Frauen höher. Betrachtet man die Qualität der Kontakte, so wird deutlich, dass in den Absolventenjahrgängen 1995 bis 1999 häufiger informelle Kontakte über Bekannte und Freunde zur ersten Stelle führten, während es in den jüngsten Jahrgängen verstärkt offizielle Kontakte im Rahmen von Diplomarbeit oder Praktika waren. Rückblick auf das Studium
Abb. 3 Tätigkeitsfelder
Schließlich wurden die Absolventen zu einem Rückblick auf ihr Studium aufgefordert. Das Ergebnis war eine breite Zustimmung zum Fach. Hierbei ist allerdings, wie eingangs erwähnt, zu berücksichtigen, dass Personen, die keine „Erfolgsgeschichte“ aufzuweisen haben und das Studium tendenziell negativer beurteilen, möglicherweise gar nicht an der Befragung teilgenommen haben. Unter den Antwortenden würden nur 12 Prozent nicht wieder Geographie studieren, 16 Prozent waren sich nicht sicher. 34 Prozent würden ohne Einschränkungen wieder Geographie wählen, 38 Prozent mit Einschränkungen, das heißt zum Beispiel andere Nebenfächer belegen. Insgesamt würde somit die große Mehrheit von 72 Prozent wieder Geographie studieren. Da das Ziel der Ausbildung zum DiplomGeographen ein berufsqualifizierender Abschluss ist, muss schließlich nach dem tatsächlichen Nutzen des Studiums für
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Masterstudiengänge entwickeln wird, ist derzeit schwierig einzuschätzen. Die Bonner Geographie setzt in ihrem Konzept für die neuen Studiengänge auch aus den Erfahrungen der Umfrage zukünftig auf ein recht breites Lehrangebot, in dem den Studierenden in einem „Master Geographie“ verschiedene Möglichkeiten der Spezialisierung in der Humangeographie und Physischen Geographie eröffnet werden, aber auch eine Verbindung von Humangeographie und Physischen Geographie ermöglicht wird. Literatur
Abb. 4 Wege zum Job
den später ausgeübten Beruf gefragt werden. Die Absolventen sollten daher einerseits Aspekte der Ausbildung nennen, die für ihre aktuelle Tätigkeit nützlich sind. Andererseits sollten sie Inhalte formulieren, die im Studium fehlten (offene Fragen). Nützlich waren demnach vor allem die vermittelten Methoden, hier insbesondere die Fähigkeit zu präsentieren und zu moderieren, aber auch fachspezifische Methoden wie GIS und Statistik. Darüber hinaus wurden spezifische Fachinhalte (etwa Entwicklungspolitik, Stadtgeographie, Klimatologie) und allgemeine Merkmale des Studiums (Interdisziplinarität, Vielseitigkeit) als nützlich bewertet. Ande-
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re spezifische Inhalte wurden im Studium dagegen vermisst. Das Spektrum reicht von naturwissenschaftlichen Grundlagen bis hin zu spezifischen Detailkenntnissen, besonders häufig wurden mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse festgestellt. Weitere häufig genannte Kritikpunkte sind der fehlende Praxisbezug und eine mangelnde Vermittlung von Kenntnissen im Zeit- und Projektmanagement. Diese Erkenntnisse sprechen dafür, Praktiker stärker in das Studium einzubeziehen. Ausblick
Wie sich der Arbeitsmarkt für die neuen Berufsabschlüsse der Bachelor- bzw.
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Universität Trier, FB IV /Angewandte Geographie /Raumentwicklung (1999): Die Lage der Deutschen Geographie. – In: Geoid, Forum für geographische und umweltrelevante Themen 4. Jahrgang, II, Hamburg 1999 = Sonderausgabe zum Deutschen Geographentag 1999 in Hamburg. Herbold, J.; Niedderer, G. und D. Probst (2000): Befragung der Absolventen des Diplomstudiengangs Geographie der RuhrUniversität Bochum. Bochum. Jahnke, H.; Villnow, J. und T. Zastrutzki (2002): „Blick zurück nach vorn.“ Ergebnisse der Absolventenbefragung des Geographischen Instituts der Humboldt-Universität im Herbst 2001. Berlin. = Arbeitsberichte Geographisches Institut, Heft 69. Anmerkung: Der Beitrag wird auch im Rundbrief Geographie veröffentlicht.
Stefanie Föbker Andrea Frei Claus-C. Wiegandt