Standort (2013) 37:211–216 DOI 10.1007/s00548-013-0297-6
A n g e wa n d t e G e o g r a p h i e
Grüne Infrastruktur in der Bundesstadt Bonn – Standortfaktor und Potenzial für das Standortmarketing Ina Schäffer · Karl-Heinz Erdmann
Online publiziert: 11. November 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
In einer Zeit, in der inzwischen weltweit mehr Menschen in Städten als in ländlichen Räumen leben, die nicht nur durch Prozesse des gesellschaftlichen Strukturwandels, sondern auch durch den Klimawandel und den Verlust an biologischer Vielfalt geprägt ist, spielen grüne Strukturen in urbanen Räumen eine zunehmend wichtigere Rolle. Sie tragen zur Steigerung der Lebensqualität in Städten bei, wirken sich positiv auf das Stadtklima aus, bieten Ausgleich zum hektischen Alltag und können Städten ein Image verleihen, das sie in Zeiten des wachsenden Regionen-Wettbewerbs deutlich von anderen Standorten abhebt. Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft mit den Effekten von Grün. Untersuchungen aus Schweden zeigen (Grahn und Stipsdotter 2003), dass Menschen, die oft urbane Grünanlagen besuchen und nahe an diesen wohnen, seltener stressbezogene Symptome aufweisen, als Personen mit schlechterem und seltenerem Zugang zu Grünanlagen. Überraschend ist allerdings, dass die Standortforschung den vielschichtigen Aspekten städtischen Grüns bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, obwohl die stärkere Beachtung grüner Elemente für Standorte lohnenswert ist – wie das Beispiel der Bundesstadt Bonn zeigt. Denn der Wert von Grünstrukturen für Unternehmen und sonstige Organisationen, vor allem für deren Arbeitnehmerinnen und -nehmer, ist größer als vermutet, so dass es für Städte lukrativ
Dipl.-Geogr. I. Schäffer () Graf-Galen-Straße 1d, 53129 Bonn, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. K.-H. Erdmann Bundesamt für Naturschutz, Konstantinstraße 110, 53179 Bonn, Deutschland E-Mail:
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sein kann, diesen Faktor auch im Stadtmarketing verstärkt mit einzubeziehen. Der Begriff der grünen Infrastruktur Unter grüner Infrastruktur sind alle punktuellen, axialen und flächenhaften Grünelemente und Wasserflächen in einem definierten Raum zu verstehen. Dabei kommt es nicht nur auf das Grün an sich an, sondern auch auf die verschiedenen Bezüge, mit denen einzelne Grünelemente in Wert gesetzt werden (können). Hierunter fallen Aspekte wie Sauberkeit, Erreichbarkeit, Vernetzung, Vielfalt, Sicherheit und auch die Kopplungsmöglichkeiten zu Themen wie Nachhaltigkeit, Freizeit, Erholung für Mensch und Natur oder Gesundheit (vgl. Schäffer 2013). Seinen Ursprung hat der Begriff der grünen Infrastruktur Ende der 1990er Jahre in den USA (Conservation Fund 2013). Adaptiert wurde er unter anderem von der Europäischen Union, die ihn inzwischen europaweit zur Stärkung und Vernetzung grüner Infrastrukturelemente verwendet (European Commission 2013). Zu den städtischen Grünflächen, die sich in Größe, Struktur und Funktion deutlich unterscheiden, zählen sowohl Stadtgrünplätze, Parkanlagen, Abstandsgrünflächen und Straßenbegleitgrün, als auch Friedhöfe, Spiel- und Sportstätten sowie forst- und landwirtschaftlich genutzte Flächen (vgl. Dörr 2010). Grundsätzlich kann bei den Grünflächenfunktionen zwischen „sozialen, ökologischen und ökonomischen Funktionen“ unterschieden werden, die um „stadträumliche beziehungsweise stadtgliedernde Funktionen“ zu ergänzen sind (vgl. Gruehn 2010, S. 6). Abbildung 1 zeigt die verschiedenen Funktionen von Freiräumen – differenziert nach sozialer (Nutzwert), ökologischer (Daseinswert) und ökonomischer (Lagewert) Funktion.
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ist auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung, dass sich die Attraktivität eines Standortes auf die Zahlungsbereitschaft bei Immobilien und beim Mietzins auswirkt, so dass im Umfeld attraktiver urbaner Grünräume deutlich höhere Erträge zu erzielen sind. Grüne Infrastruktur in der Bundesstadt Bonn
Abb. 1 Überlagerung von Freiraumfunktionen auf Freiflächen. (Quelle: Flacke 2003, S. 31)
Welche Funktionen städtischen Freiflächen zukommen, hängt auch von ihrer Lage, Größe und Nutzung ab. Oftmals erfüllen sie sogar mehrere Funktionen gleichzeitig. Während sich einige Funktionen ergänzen oder überlagern, schließen sich andere gegenseitig aus, da sie konkurrierenden Nutzungsansprüchen unterliegen. Neben den erwähnten sozialen (z. B. Erholung, Erlebnis), den ökologischen (z. B. Klimafunktion, lufthygienische Funktion) und den ökonomischen Funktionen (z. B. Reservefunktion für zukünftige Bautätigkeiten) sind die Funktionen zu beachten, die im Schnittfeld sozialer und ökologischer Aspekte (z. B. Informationsfunktion im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung) bzw. im Schnittfeld ökologischer und ökonomischer Aspekte (z. B. Produktionsfunktion von Nahrungsmitteln und von Frischluft) liegen (vgl. Flacke 2003, S. 30 f.). Grüne Infrastruktur hat einen positiven Effekt auf das Stadtklima, die städtische Artenvielfalt und den urbanen Wasserkreislauf. Sie schützt den Boden vor Erosion und kann Schadstoffe filtern bzw. binden. Mit ihr sind zahlreiche Ökosystemleistungen verbunden, die ansonsten mit hohem finanziellem Aufwand erbracht werden müssten. Qualitativ hochwertige Grünstrukturen haben zudem eine gesundheitsfördernde Funktion. Sie helfen Menschen, Stress abzubauen und können zu einer Erhöhung der Lebensqualität beitragen (vgl. Job-Hoben et al. 2010). Der Aufenthalt in öffentlichen Parks, Stadtwäldern oder einem grünen Wohnumfeld fördert das psychische und physische Wohlbefinden (vgl. Weiss und Brack 2011, S. 20 f.). Deshalb sind städtische Freiflächen wie Grünzüge oder Parkanlagen zunehmend Räume, die Menschen als naturnahe Bewegungsareale nutzen, in denen sich Menschen erholen und in denen ein soziales Miteinander stattfindet (vgl. Kretschmer et al. 2007). Daneben
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Die Bundesstadt Bonn liegt im südlichen Teil der niederrheinischen Tieflandbucht. Rechtsrheinisch wird sie vom Siebengebirge und linksrheinisch von den Nieder- und Mittelterrassen sowie der Hauptterrasse des Rheins begrenzt (vgl. Abb. 2). Die größten Wasserflächen sind der Rhein und die Sieg mit ihren zugehörigen Bachsystemen. Waldflächen bestehen hauptsächlich aus Eichen-, Buchen- und Winterlindenwäldern. Weiterhin sind Obstbaumkulturen und Streuobstwiesen typisch für die Region (vgl. Bundesstadt Bonn 2002, S. 7). Zudem weist das Stadtgebiet einige besondere Biotope auf, wie beispielsweise die Binnendüne in Tannenbusch oder den Rodderberg in Mehlem. Die Vielfalt der Grünflächen in Bonn ist groß. So galt Bonn zu Hauptstadtzeiten als grünste Hauptstadt Europas, zu deren Charakteristika bis in die Gegenwart die zahlreichen Grünflächen und vielfältigen Landschaften zählen (vgl. Bundesstadt Bonn 1998, S. 4). Neben punktuellen Objekten, wie der Hofgartenwiese oder den Botanischen Gärten, finden sich auch axiale Strukturen, wie die Poppelsdorfer Allee als Teil der kurfürstlichen Grünstruktur (vgl. Abb. 3), und flächenhafte Elemente, wie die Waldau als Teil des Kottenforsts oder der Freizeitpark Rheinaue mit Rhein und Uferpromenaden. Neben den bekannten Objekten und Strukturen gibt es auch einige im Bewusstsein der Öffentlichkeit weniger verankerte Anlagen, wie das Baumschulwäldchen, den Grünzug Nord oder den Grünzug BonnDransdorf (vgl. Bundesstadt Bonn 2013a). Zudem zählt mit
Abb. 2 Blick über die Bundesstadt Bonn. (Quelle: Presseamt Bundesstadt Bonn)
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Abb. 3 Die Poppelsdorfer Allee in der Bundesstadt Bonn. (Quelle: Presseamt Bundesstadt Bonn)
dem Höhenzug Ennert auch ein Teil des Siebengebirges zu den Bonner Freiräumen (vgl. Bundesstadt Bonn 1998, S. 5). Diese verschiedenen Grünelemente lassen eine strukturelle Vielfalt erkennen, bei der es sich allerdings nicht um Natur im ursprünglichen Sinne als etwas vom Menschen Unberührtes handelt, da an diese Stelle inzwischen unzählige attraktive Kulturlandschaftselemente getreten sind. Obwohl das Bonner Stadtgebiet äußerst dicht besiedelt ist, gelang es trotz der großen Bautätigkeit zu Hauptstadtzeiten, wichtige grüne Elemente von Bebauung frei zu halten. Hierzu zählen etwa die großen Waldflächen des Kottenforsts und des Ennerts (vgl. Bundesstadt Bonn 2008, S. 15 f.). Das Bonner Stadtgebiet ist 141,22 km2 groß, wovon der überwiegende Teil (55 %) frei von Bebauung und Verkehr ist. Da gerade stadtnahe Naturräume einem hohen Nutzungsdruck unterliegen, wurden 71,69 km2 bzw. 51 % des Bonner Stadtgebietes mit mindestens einem Schutzstatus versehen (Bundesstadt Bonn 2008). Dadurch soll verhindert werden, dass bestehende Freiflächen bebaut, für Freizeitzwecke übermäßig genutzt oder in Infrastrukturflächen umgewandelt werden. Der Flächenschutz wird durch neun
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Naturschutzgebiete, die den Schutz von Natur und Landschaft garantieren sollen, und elf Landschaftsschutzgebiete, die der Erhaltung und Entwicklung der Natur dienen, gewährleistet (Stand: 1. Juli 2011). Die Naturschutzgebiete Siebengebirge, Kottenforst, Siegmündung und Rodderberg sind zugleich auch als FFH-Gebiete und damit als Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 ausgewiesen, mit dem wildlebende Arten und deren Lebensräume geschützt werden sollen (vgl. Bundesstadt Bonn 2008, S. 17 f. und S. 76). Trotz des umfangreichen Schutzes hat die Bevölkerung verschiedene Möglichkeiten, einen Teil der über Wegenetze gut erschlossenen Freiflächen zu Erholungszecken zu nutzen. Allein im Stadtwald gibt es 155 km Wanderwege für die 1,5 Mio. Besuche von Bürgerinnen und Bürgern pro Jahr (vgl. Bundesstadt Bonn 2008, S. 99). Dazu kommen Parks, wie die Rheinaue und andere öffentliche Grünflächen. Um den mit dem Bonn-Berlin-Gesetz vom 20. Juni 1991 verbundenen tiefgreifenden Strukturwandel in der Bundesstadt Bonn und der Region besser steuern zu können sowie die Qualität der Freiräume zu sichern und negative Auswirkungen auf diese bestimmen und charakterisieren zu können, wurde das Integrierte Freiraumsystem (IFS) entwickelt (Bundesstadt Bonn 1998). Das IFS erfasst Grundstücke unter Berücksichtigung ihrer Art und Qualität, auch hält es Vorschläge für einen möglichen Ausgleich bei Bauvorhaben bereit. Hierbei werden Faktoren mit einbezogen, wie landwirtschaftliche Produktion, Klimaverbesserung, Lebensraum für Tiere und Pflanzen oder die Erholungsfunktion für Menschen. Diese Faktoren stehen funktional aber auch räumlich zueinander in Beziehung. Innerregional kooperiert die Bundesstadt Bonn mit Kommunen des angrenzenden Rhein-Sieg-Kreises unter anderem beim gemeinsamen Projekt „Grünes C“. Hierbei handelt es sich um ein von der EU gefördertes, in der Region Köln/Bonn angesiedeltes Pilotprojekt der Regionale 2010, dessen Ziel es ist, grüne Strukturelemente miteinander zu vernetzen (vgl. Bundesstadt Bonn 2013b). Ein weiteres gemeinsames Vorhaben ist das vom Bundesamt für Naturschutz mit BMU-Mitteln geförderte Naturschutzgroßprojekt „Natur- und Kulturlandschaft zwischen Siebengebirge und Sieg“, kurz „Chance 7“ genannt, das dazu dienen soll, ausgewählte, zwischen dem Siebengebirge und der mittleren Sieg gelegene Landschaftsräume – unter anderem Wälder, Streuobstbestände, Weinbergbrachen, Feuchtwiesen und Gewässer – qualitativ aufzuwerten (Rhein-SiegKreis 2012). Nachdem der Rhein-Sieg-Kreis bereits Ende 2010 mit dem Projekt begonnen hatte, entschied der Rat der Bundesstadt Bonn im Frühjahr 2011 ebenfalls mitzuwirken. Mit dem südlich ans Stadtgebiet angrenzenden Kreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) wird das sich über die Landesgrenze erstreckende Naturschutzgebiet Rodderberg gemeinsam betreut.
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Grün für Marketing und Standortentscheidung Mit Bonner Akteuren geführte Expertengespräche ergaben (Schäffer 2013), dass in Bezug auf Standortentscheidung und Standortvermarktung nahezu alle Befragten der grünen Infrastruktur eine große Bedeutung beimessen. Betont wurde allerdings, dass „Grün“ nicht für sich allein steht, wenn es einen Standortvorteil und ein Vermarktungspotenzial bieten soll, sondern an andere Themen, wie Gesundheit, Nachhaltigkeit oder Erholung, gekoppelt werden muss. Bislang wurde – so die Mehrheit der Expertinnen und Experten – der Bedeutung und dem Mehrwert von Grünelementen in der Bundesstadt Bonn jedoch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Als Grund hierfür hoben mehrere befragte Personen den Umstand hervor, dass die verschiedenen Verwaltungseinheiten der Bundesstadt Bonn zu wenig oder nicht effektiv genug miteinander kooperierten. Auch wurden die Themenfelder nur selten derart verknüpft, dass sich für Bonn und die Region ein attraktives Image ergab, das für sich spricht und positive Emotionen weckt. Ein Beispiel ist der Bereich „Grün und Gesundheit“. Der Einbezug des Faktors „Grün“ könnte ein Alleinstellungsmerkmal kreieren, indem nicht nur die harten Vorteile der Bundesstadt Bonn – wie die Dichte an Kliniken und Forschungseinrichtungen – betont werden, sondern auch die gesundheitsfördernde Funktion des Standorts herausgestellt wird. In gleicher Weise lassen sich Bezüge zum Tourismus herstellen. Exemplarisch hierfür steht der Wanderweg „Rheinsteig“, der in Bonn beginnt bzw. endet und zunehmend stärker frequentiert wird. Er bietet vielfältige Potenziale für eine stärkere Vermarktung – gemeinsam mit der Region. Durch derartige Maßnahmen könnten Win-Win-Situationen geschaffen werden, allerdings nur dann, wenn die involvierten Akteure nicht parallel und ohne Bezug zueinander handeln sowie „Grün“ zu einem verbindenden Imageträger wird und die Funktion eines zentralen Bausteins in einem umfassenden Standortkonzept bekommt. Gerade die Bundesstadt Bonn, in der zahlreiche UN-Sekretariate und internationale Organisationen mit Nachhaltigkeitsbezügen angesiedelt wurden, sollte diese Aspekte in ihrem Handeln vermehrt berücksichtigen. Stärken, im Marketing auf „grüne“ Elemente und Argumente zu setzen, können besonders gut über die emotionale Ansprache mittels Bildern in Szene gesetzt werden. Dies geschieht bereits in vielfältiger Weise sowohl durch Unternehmen der Privatwirtschaft als auch von kommunaler Seite. Gerade der Blick Richtung Süden über die Stadt auf das Siebengebirge ist äußerst beliebt. Mit ihm lassen sich die landschaftlichen Qualitäten der Stadt und des Umlandes besonders gut herausstellen. Wichtig ist allerdings, nicht nur den aktuellen Bestand des vorhandenen Grüns zu sichern, sondern auch in der Zukunft in den Bereich „Grün“ zu investieren und innovative Angebote zu entwickeln, auch
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Abb. 4 Der Bonner Bogen. (Quelle: Presseamt Bundesstadt Bonn)
wenn die kommunale Haushaltslage angespannt ist. Die Erstellung eines integrierten Aktionsprogramms Biodiversität könnte dazu beitragen, die Aktivitäten von Verbänden, Politik und Verwaltung zu bündeln und stärker miteinander abzustimmen. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil sich attraktive Grünflächen deutlich auf den Immobilienwert auswirken. Vor allem Unternehmen aus dem Sektor der Kreativwirtschaft fragen speziell attraktive grüne Standorte nach, da diese als kreativitätsfördernd gelten. Ein Beispiel hierfür ist der Bonner Bogen auf der Beueler Rheinseite (vgl. Abb. 4). Dort sind innerhalb der Bundesstadt Bonn die höchsten Mieten und Immobilienpreise zu erzielen. Eine nachhaltige Bauweise und ein hoher Anteil an Grünstrukturen zeichnen diesen Standort aus. Gerade hochqualifizierte Arbeitskräfte schätzen – so ein Ergebnis der Expertengespräche – eine attraktive, lebenswerte und grüne Umgebung, die auch ihre persönliche Standortwahl beeinflussen kann. Dies gilt voll umfänglich auch für die (finanzkräftigen) Beschäftigten der in der Bundesstadt Bonn ansässigen Einrichtungen der Vereinten Nationen und weiteren internationalen Organisationen. Ausschlaggebend für die persönliche Standortwahl war, neben den Aspekten Sicherheit und kulturelles Angebot, immer wieder das mit der grünen Infrastruktur assoziierte Erholungspotenzial der Region. Dieses zu sichern und weiter „in Wert zu setzen“ kann in Zukunft dazu beitragen, weitere internationale Einrichtungen in die Bundesstadt Bonn zu ziehen und so den internationalen Standort Bonn weiter zu stärken. Ausblick Wie die künftige Vermarktung des Grüns genau ablaufen könnte, welche Medien dafür genutzt werden sollten und ob der Bereich Social Media stärker zu berücksichtigen wäre, müsste mit Marketingexpertinnen und -experten weiter ana-
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lysiert werden. Zudem ist zu beachten, dass sich das Thema grüne Infrastruktur nicht für jeden Standort und jede Kommunikationssituation eignet, da immer auch naturräumliche Aspekte und mediale Spezifika zu berücksichtigen sind. Um die vorhandene Grünstruktur dauerhaft zu sichern, sollte vor allem die Kooperation mit dem Umland Bonns, dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Ahrweiler, ausgebaut werden. In vielerlei Hinsicht, beispielsweise bei der Wohnraumversorgung oder der Vermarktung eines gemeinsamen Grünkonzepts, könnte eine engere Kooperation enorme Vorteile für die beteiligten Partner bringen – positive Beispiele liefern unter anderem die Regionen Aachen, Hannover und Stuttgart (vgl. u. a. Tönnes 2012). Die gemeinsame Vermarktung städtischer und regionaler Grünstrukturen findet heute vor allem über Projekte wie dem „Grünen C“ statt, die sich mittels öffentlicher Bezuschussung relativ konfliktfrei durchführen lassen. Im Bereich der innerregionalen Kooperation zeichnen sich jedoch auch Konflikte zwischen Stadt und Region sowie zwischen Vertreterinnen bzw. Vertretern der Wirtschaft und des Naturschutzes ab. So hat die Bundesstadt Bonn in erster Linie Interesse daran, Bevölkerung und Unternehmen im eigenen Stadtgebiet anzusiedeln, um darüber Steuereinnahmen zu generieren. Andererseits kann dies jedoch zu Lasten der Grünstruktur gehen, da Bauflächen im Bonner Stadtgebiet rar sind. Auch wenn Hürden und Hindernisse belastend sein können, von einer verstärkten Kooperation in der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler würden im Endeffekt alle Partner profitieren. Fazit Obwohl die grüne Infrastruktur nie an der ersten Stelle einer Standortentscheidung steht, sind die Funktionen, die städtisches Grün mit sich bringt, vielseitig und wirken auf diversen Ebenen. Auch im Zusammenhang mit Aspekten wie dem Klimawandel, der zunehmenden Verstädterung und dem verstärkten Wettbewerb der Regionen, muss die Bedeutung einer grünen Infrastruktur in Städten stärker in den Fokus genommen und als Zukunftschance gesehen werden. Dies darf jedoch nicht ungesteuert geschehen, sondern bedarf eines integrativen Konzeptes, das explizit auf Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken des Standortes eingeht. Mit dem IFS besteht hierfür bereits eine exzellente fachliche Basis, die immer wieder zu aktualisieren ist, um als neutrale Informationsgrundlage bei politischen Entscheidungen hinsichtlich der grünen Infrastruktur bereit zu stehen. Grundsätzlich sollten Kommunen und Unternehmen den Standortfaktor „Grün“ verstärkt in ihren Planungen beachten, da sie bereits heute umfassend mit entsprechenden Bildern werben und so auch ein Interesse haben (müssen), den Nutzen der grünen Infrastruktur zu sichern. Gerade die Aus-
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gangssituation der Bundesstadt Bonn aber auch der Region ist in dieser Hinsicht überdurchschnittlich gut und könnte eine Inszenierungsperspektive für die Zukunft darstellen. Der Anteil an städtischen Grünflächen ist äußerst hoch und die naturräumliche Einbettung ins Rheintal zusammen mit dem Siebengebirge äußerst attraktiv, weshalb die Bundesstadt Bonn dem Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ (vgl. Deutsche Umwelthilfe e. V. 2013) beigetreten ist, einem Zusammenschluss biodiversitätsengagierter Gemeinden und Kommunen. Wie sich urbane Räume und die Gesellschaft in Zukunft entwickeln werden, ist offen. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn dabei – aufgrund der verschiedenen dargestellten positiven Effekte – dem Faktor „grüne Infrastruktur“ eine größere Bedeutung als in der Vergangenheit beigemessen wird. Gerade die Bundesstadt Bonn, für die Zukunftsfähigkeit ein wichtiges Thema ist, sollte dies aktiv berücksichtigen. Literatur Bundesstadt Bonn (Hrsg) (1998) Integriertes Freiraumsystem für die Stadt Bonn. Beiträge zur Stadtentwicklung, Stadtplanung und zum Bauwesen 11. Bonn. 48 S Bundesstadt Bonn (Hrsg) (2002) Umweltbericht 1996–2002. Bonn. 80 S Bundesstadt Bonn (Hrsg) (2008) City Biodiversity Report: Urban Nature in Bonn. Bonn. 120 S Bundesstadt Bonn (Hrsg) (2013a) Parks und Gärten. http://www.bonn. de/tourismus_kultur_sport_freizeit/parks_und_gaerten/index. html?lang=En-US. Zugegriffen: 22. Juni 2013 Bundesstadt Bonn (Hrsg) (2013b) Grünes C. http://www.bonn.de/ umwelt_gesundheit_planen_bauen_wohnen/stadtplanungsamt/ projekte_stadtentwicklungsplanung_gruenes_c/index.html. Zugegriffen: 22. Juni 2013 Conservation Fund (2013) Green Infrastructure. http://www. greeninfrastructure.net/. Zugegriffen: 22. Juni 2013 Deutsche Umwelthilfe e. V. (2013) Kommunen für biologische Vielfalt. http://www.kommunen-fuer-biologische-vielfalt.de. Zugegriffen: 22. Juni 2013 Dörr SM (2010) Standortfaktor grün. – unveröffentl. Diplomarbeit am Geographischen Institut der Universität Bonn. 108 S European Commission (2013) What is Green Infrastructure? http:// ec.europa.eu/environment/nature/ecosystems/index_en.htm. Zugegriffen: 22. Juni 2013 Flacke J (2003) Mehr Stadt, weniger Fläche. Informationssystem nachhaltige Flächennutzung. Ein Instrument zur Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Flensburg. 260 S Grahn P, Stipsdotter U (2003) Landscape planning and stress. Urban Forestry and Urban Greening 2:1–18 Gruehn D (2010) Welchen Wert haben Grünflächen für Städte? Der Faktor „Grün“ steigert die Lebensqualität. KOMMUNALtopinform. Heft 2. S. 6–7 Job-Hoben B, Pütsch M, Erdmann K-H (2010) Gesundheitsschutz – ein „neues“ Themenfeld des Naturschutzes? Natur und Landschaft 85:137–141 Kretschmer H, Klos G, Türk S, Roth R (2007) Siedlungsnahe Flächen für Erholung, Natursport und Naturerlebnis: zur Planung von naturorientierten Bewegungsaktivitäten im urbanen Raum. In: Natur und Landschaft. Zeitschrift für Naturschutz und Landschaftspflege 82(1):6–10
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I. Schäffer, K.-H. Erdmann Karl-Heinz Erdmann, Jg. 1956. Studium der Geographie, Evangelischen Theologie, Erziehungswissenschaften und Bodenkunde an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Wissenschaftlicher Direktor im Bundesamt für Naturschutz. Honorarprofessor am Geographischen Institut der Universität Bonn. Unter anderem Sprecher des „Arbeitskreises Geographie und Naturschutz“ (AKGN) innerhalb der „Deutschen Gesellschaft für Geographie“ (DGfG). Arbeitsschwerpunkte: Kommunikation und Bildung des Naturschutzes, Naturschutzpolitik sowie Brauch und regionale Identität.