Der Anaesthesist 1997 • 46:984-987 Springer-Verlag 1997
Apparate und Technik W. Schaffartzik • Klinik für Anästhesiologie,Intensivmedizin und Schmerztherapie, Unfallkrankenhaus Berlin
KION Ein neues Anästhesie-System
Das Wort KION ist dem Alt-Griechischen c entnommen und bedeutet „η κιον = die Säule“. Bei diesem in der nächsten Zeit auf den Markt kommenden Gerät der Firma Siemens handelt es sich um ein modulares, ergänzungsfähiges Anästhesie-System. Es ist mehr als nur ein Narkosebeatmungsgerät: Die Firma Siemens hat ein Narkosebeatmungsgerät in einen kompletten Anästhesiearbeitsplatz integriert. Das Monitoring umfaßt die Vitalparameter, wie beispielsweise Sättigung, Herzfrequenz und intravasale Drücke, sowie respiratorische Parameter und Gaskonzentrationen. Im folgenden wird die Funktionsweise dieses neuen Anästhesie-Systems, das dem Autor seit über einem Jahr bekannt ist und derzeit u. a. im Unfallkrankenhaus Berlin klinisch erprobt wird, näher beschrieben.
Aufbau des Anästhesie-Systems Die Kernstücke des KION stellen die Säule und das Grundgerät dar. In der Säule befinden sich – von oben nach unten gesehen – drei pneumatische Einspritzer in drehbarer Funktion, das pneumatische System, die Patientenkassette und der Absorber (Abb. 1). An der Säule ist ein Dreharm befestigt, der das variabel positionierbare Bedienfeld zur Einstellung des Gerätes enthält. Auf einer Platte direkt oberhalb des Bedienfeldes ist der Monitor für die Überwachung der Vitalparameter, der respiratorischen Parameter und der Gaskonzentrationen angebracht. In dem Grundgerät befinden sich die Pneumatik, der Gasmonitor, die Stromversorgung sowie eine Schublade und ein Schreibfach.
Funktionsprinzip Das Säulenprinzip gestattet variable Anordnungen des Systems im Raum (Abb. 2). Darüber hinaus kann der KION von der linken und auch von der rechten Seite bedient werden. Mit dem Dreharm kann das Bedienfeld entsprechend dem Bedarf ohne Behinderung durch das Grundgerät eingerichtet werden. Ebenso können die Patientenkassette und das Kreissystem mit den pneumatischen Einspritzern ausgerichtet werden. Die Höhe des Grundgerätes beträgt 90 cm. Diese Arbeitshöhe gestattet die Benutzung des KION durch den Anästhesisten aus einer stehenden bzw. sitzenden Position. Die Oberfläche des Grundgerätes dient als Abstellfläche für zusätzliche Monitore. Reicht dieser Platz nicht aus, so kann an den KION
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eine weitere Ablagefläche angebracht werden. Der KION läßt eine Montage an der Wand bzw. an einem Deckenstativ zu, er steht auch in einer fahrbaren Ausführung zur Verfügung.
Gasversorgung Die Gasversorgung erfolgt zentral (O2, Luft, N2O). Das Gerät verfügt über vier Reserve-Gaszylinder à 5 l für jeweils einmal Druckluft und Lachgas sowie zweimal Sauerstoff. Der Frischgasfluß kann von 0,1 bis 18,0 l/min und die inspiratorische O2-Konzentration von 28 bis 100 % gewählt werden. Die O2-Spülung erreicht 50 l/min. Das Gerät verfügt über eine O2-Notzufuhr (beispielsweise bei Stromausfall bzw. Ausfall der Elektronik): Nach Betätigen des entsprechenden Schalters direkt oberhalb der Patientenkassette können dem Patienten in einer derartigen Situation 5 l Sauerstoff in der Minute zugeführt werden.
Beatmungssystem Die bisher im Servoventilator 300 eingesetzten Steuerelemente wurden für den KION weiterentwickelt. Die Gasmodultechnik und die Elektronik wurden so miteinander verbunden, daß ein „Bagin-Bottle“-System entstand. Mit diesem System sind auch sehr niedrige Tidalvolumina (ca. 20 ml) zu erreichen. Die Servoventilatoren 900 C bzw. 300 A arbeiten analog, der KION dagegen ist vollständig digitalisiert. Dies ermöglicht eine gePD Dr.W. Schaffartzik Klinik für Anästhesiologie,Intensivmedizin und Schmerztherapie,Unfallkrankenhaus Berlin, Rapsweg 15,12683 Berlin
Abb.1 b Das Anästhesie-Gerät KION besteht aus dem Grundgerät, der Säule und dem oberhalb des Wagens angebrachten Bedienfeld und Monitor
nauere und schnellere Steuerung des KION in bezug auf die Verabreichung volatiler Anästhetika sowie des Atemminuten- bzw. Tidalvolumens. Der Gaswechsel im Frischgaszweig von Sauerstoff bzw. volatilen Anästhetika erfolgt innerhalb von 15 sec. Das latexfreie Beatmungssystem besteht aus einem Rückatmungs- und einem Nicht-Rückatmungs-System, die voneinander getrennt sind. Das Druckregelungsventil reicht von Spontanatmung bis 90 mbar bei einem merklichen Widerstand der Einstellung bei etwa 35 mbar. Das Volumen des Systems beträgt einschließlich eines CO2-Absorbers (0,9 l) 3,5 l. Das Absorbervolumen kann wahlweise auf 1,8 l erhöht werden. Der Absorber kann während des Betriebs ausgewechselt werden. Bei der Umschaltung von der Rückatmung zur Nicht-Rückatmung wird der Absorber automatisch ausgeschaltet. Die Rückatemluft wird durch den Absorber geführt und mischt sich danach mit der Frischgasluft. Die Patientenkassette ist
isoliert und trägt zur Temperaturstabilität im Rückatemzweig bei.
Ventilator Der KION besitzt zwei Ventilatoren. Der eine versorgt den Inspirationsteil des Systems mit dem Frischgas, der an-
dere fügt synchron zum Frischgas die Rückatemluft hinzu (Abb. 3; sogenannter Servo BellowTM). In der Standardausführung des KION können am Bedienfeld manuelle, volumenkontrollierte bzw. druckunterstützte Ventilation eingestellt werden. Die druckkontrollierte, volumenunterstützte und druckregulierte-volumenkontrollierte Ventilation stehen als Option zur Verfügung. Zu den Vorteilen druckkontrollierter Ventilation mit dezelerierendem Fluß gehören ein verminderter Beatmungsspitzendruck, ein an die Patientenbedürfnisse angepaßter Fluß und eine gleichmäßigere Gasverteilung [1]. Der KION verfügt über einen kombinierten Druck- und Fluß-Trigger, der eine synchronisierte Ventilation ermöglicht. Dieser Trigger kann für jede Beatmungsform eingestellt werden. Ein zusätzlicher Auslaß für den Frischgasfluß ist für den Anschluß alternativer Beatmungssysteme vorgesehen, beispielsweise des Kuhn- bzw. des Bain-Systems. Die Einstellungsbereiche wichtiger Beatmungsparameter sind in der Tabelle 1 dargestellt.
Pneumatischer Einspritzer Für Enfluran, Halothan, Isofluran und Sevofluran stehen pneumatische Einspritzer zur Verfügung. Unter Druck werden die volatilen Anästhetika synchron mit der Rückatmung in den Frischgaszweig gespritzt (Abb. 3). Das Prinzip der Einspritzung der Narkosemittel wurde bereits im Servoventilator 900 C/B der Firma Siemens angewen-
Abb.2 m Das Anästhesie-Gerät KION kann variabel um den Patienten herum ausgerichtet werden. Hier sind beispielhaft drei verschiedene Positionen gezeigt Der Anaesthesist 11•97
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Apparate und Technik det und zeigte keine Fluß- bzw. Temperaturabhängigkeit, die beispielsweise bei Verdampfern anzutreffen sind. Der Einstellbereich für Enfluran, Halothan und Isofluran reicht von 0-5 %, der für Sevofluran von 0-8 %. Für Desfluran wird derzeit laut Herstellerangaben ein elektronischer Einspritzer entwickelt. Durch die Wahl eines Einspritzers werden die beiden anderen automatisch gesperrt. Dadurch wird eine versehentliche, gleichzeitige Benutzung verschiedener Anästhetika verhindert.
Gasflaschen bzw.Wand
O2-Spülung Mechanische O2-Abgabe
Bedienfeld Das System wird über das Bedienfeld ein- bzw. ausgeschaltet (Abb. 1). Die Wahl des Beatmungssystems und der -form folgen als nächste Schritte. Anschließend werden die einzelnen Beatmungsparameter eingestellt. Tidal- und das Atemminutenvolumen werden inund exspiratorisch verglichen und – ebenso wie die Atemfrequenz, der Frischgasfluß und die O2-Konzentration – digital dargestellt.
CO2-Absorber
Abb.3 m Schematische Darstellung der Pneumatik: Frischgas- und Rückatemzweig sind räumlich voneinander getrennt
Monitoring und Schnittstelle In das System ist ein Multigasmodul für die automatische Erkennung von Anästhesie-Gasen integriert. Im Seitenstromverfahren können Enfluran, Halothan, Isofluran, Sevofluran und Desfluran sowie O2, CO2 und N2O in- und exspiratorisch gemessen werden. Die Konzentration der Gase werden durch den internen medizinischen InformationsBus (s. u.) auf dem Bildschirm dargestellt. Auf dem Standardbildschirm des KION werden außerdem die respiratorischen Parameter des Ventilators, die Kurven (Beatmungsdruck, Atemweg/ Fluß), die Schleifen (Fluß/Volumen, Volumen/Druck), die Gasflüsse und die Atemwegsdrücke einschließlich der
Alarme anzeigt. Als Option kann das Überwachungssystem „Pick and Go“ (Siemens SC 9000) angeschlossen werden, das eine kontinuierliche Patientenüberwachung vom Vorbereitungsbzw. Einleitungsraum bis zur Überführung des Patienten postoperativ in den Aufwachraum ermöglicht. Die technischen Voraussetzungen zum Anschluß weiterer Bildschirme (beispielsweise Tochterskope) sind vorhanden. Der KION ist für die Kommunikation mit zwei Anschlüssen für den medizinischen Informations-Bus ausgerüstet, der dem Standard IEEE 1073 für die offene Anschlußfähigkeit medizinischer Geräte entspricht, und verfügt über eine serielle Schnittstelle (RS 232).
Tabelle 1
Einstellungsmöglichkeiten wesentlicher Beatmungsparameter Atemfrequenz Inspiration/Exspiration Druckkontrolle Druckunterstützung PEEP inspiratorischer Flow
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6-99/min 1 : 3 bis 4 : 1 (fünf Stufen) 0 ± 2 bis 60 ± mbar über PEEP 0 ± 2 bis 60 ± mbar über PEEP 0 bis 20 ± 2 mbar 0,1 - 180 l/min
Eine elektronische, vernetzbare Anästhesie-Protokollierung kann angeschlossen und in das Krankenhausinformationssystem integriert werden.
Stromversorgung im Notfall Bei einer Unterbrechung der externen Stromzufuhr werden in den KION integrierte Batterien aktiviert, die je nach Kapazität die Stromversorgung für 30 Minuten (Standard) bzw. 120 Minuten (Option) gewährleisten.
Reinigung und Sterilisation des Systems Das Gerät verfügt über ein kompaktes Modul, das sich in toto aufbereiten und sterilisieren läßt. Eine Zerlegung des Moduls zur Sterilisation ist nicht erforderlich. Mit handelsüblichen Geräten erfolgt eine Grobdesinfektion und teilweise eine Reinigung in der Waschmaschine, die Sterilisation erfolgt bei 134°C. Die Elektronik wird vom zu sterilisierenden Teil automatisch abgekoppelt und über eine einfache mechanische Arrettierung ausgetauscht.
Last news Praktische Anwendung Der KION ist für jeden Patienten bis hin zum Neugeborenen geeignet. Narkosen können im halbgeschlossenen und geschlossenen System durchgeführt werden. Ein Tidalvolumen von mindestens 20 ml ist für die Benutzung mit Rückatmung erforderlich. Die Rückatmung kann bei Kindern mit einem Gewicht von ca. 2500 g eingesetzt werden. Da Frischgas- und Rückatemzweig voneinander getrennt sind (Abb. 3), kann das Rückatemsystem ausgeschaltet und das Gerät im halboffenen System benutzt werden. Im halboffenen System kann der KION für Neugeborene eingesetzt werden (Tidalvolumen >10 ml). Die Ausleitung der Anästhesie kann ebenso im halboffenen System erfolgen. Dies verhindert, daß dem Patienten die Narkosegase, die sich im System einschließlich des Absorbers befinden, weiterhin zugeführt werden. Vorteilhaft ist es, daß beim Wechsel von der Beatmung eines Erwachsenen zur Beatmung eines Neugeborenen nur die Patientenschläuche gewechselt werden müssen, Patientenkassette, Balg und Absorber können belassen werden. Der KION ist für „Minimal-Flow“-Anästhesien geeignet, der niedrigste Frischgasfluß liegt bei 100 ml/min. Das Bedienfeld ist sehr übersichtlich gestaltet. Man wird über entsprechende Symbole und Beschriftungen schrittweise über das Bedienfeld geführt. Dieses Prinzip erhöht die Sicherheit der Anwendung des Systems auch in kritischen Situationen. Das Bedienfeld kann um die Säule herum in variable Positionen gebracht werden. Sein Nullpunktanschluß sollte so verändert werden, daß das Bedienfeld vollständig über das Grundgerät plaziert werden kann. Es sollte geprüft werden, ob die Größe des Grundgeräts ohne Beeinträchtigung der Stabilität (Schwerpunkt) verringert werden könnte. Eine Größenreduzierung wäre sicherlich für den Fahrbetrieb und die Montage an der Wand bzw. dem Deckenstativ günstig. Ein einziger Bildschirm reicht für die übersichtliche Darstellung der Vitalparameter – insbesondere wenn mehrere Drücke gleichzeitig abgeleitet werden –, der respiratorischen Parameter, der Gaskonzentrationen sowie der
Volumen/Druck-Kurven nicht aus. Der Hersteller bietet einen Zweitbildschirm an, dessen Bedienung über den Grundbildschirm erfolgt. Für das Gasmonitoring ist man an den Monitor des Herstellers gebunden, für das Monitoring der Vitalparameter können auch Geräte fremder Hersteller angeschlossen werden. Die Messung der Gaskonzentrationen erfolgt – mit den bekannten Vorund Nachteilen [2] – im Seitenstromverfahren. Derzeit kann Desfluran am KION nicht eingesetzt werden, da die Entwicklung des entsprechenden elektronischen Einspritzers noch nicht abgeschlossen ist.
Fazit für die Praxis Beim KION handelt es sich um ein Anästhesie-System, das in verschiedener Hinsicht sehr bedienerfreundlich konzipiert worden ist. Es kann nach der Position des Patienten im Operationssaal ausgerichtet werden – und nicht umgekehrt –, ohne Einschränkungen des Bedienungskomforts hinnehmen zu müssen. Der Kassettenwechsel verursacht keinerlei Probleme und läßt sich sehr einfach und schnell durchführen. Bei älteren Narkosebeatmungsgeräten der Firma Siemens, beispielsweise dem Servoventilator 900 C mit Kreissystem und Ventilator 711, war dies nicht in dem gewünschten Maße möglich. Nahezu alle gängigen Beatmungsformen – mit Ausnahme des BIPAP – können angewendet werden. Ein Wechsel von einem Narkose- auf ein Langzeitbeatmungsgerät bei der Behandlung kritisch kranker Patienten ist bei dem Einsatz des KION nicht erforderlich, da an dem Gerät die erforderlichen Beatmungsformen eingestellt werden können. Das Anästhesie-System KION bereichert das bisherige Angebot qualitativ hochwertiger Narkosebeatmungsgeräte und stellt mit dem integrierten Monitoring einen kompletten Anästhesiearbeitsplatz dar.
Erleichterter Zugang zu MEDLINE Der Zugang zur bedeutendsten medizinischen Literaturdatenbank der Welt – MEDLINE – wird wesentlich erleichtert. DIMDI hat die Preise für diese Datenbank ab sofort stark gesenkt. Zusätzlich wird für interessierte Bürger und Studenten ein unentgeltlicher Einfachzugang zu MEDLINE im WWW/Internet eingerichtet. Folgende Maßnahmen wurden mit Wirkung vom 01.07.1997 ergriffen: • Die verbindungs- und sysemzeitabhängigen Entgelte und Lizenzen entfallen ganz. • Die Host-Entgelte für die Online-Ausgabe von Dokumenten wurden erheblich reduziert. Ein NLM-Dokument inkl. Abstract kostet bei einer mittleren Länge von 2000 Zeichen nun je nach erreichtem Rabatt zwischen 0,14 DM und 0,20 DM (bisher zwischen 0,70DM und 1,70 DM). • Die Host-Entgelte für die Offline-Ausgabe von Dokumenten (Ausdrucke, E-mailÜbermittlung usw.) belieben unverändert. • Die NLM-Basislizenzen werden auf die ausgegebenen Literaturdokumente umgelegt und führen zu einer Lizenzgebühr von nur noch 0,01$ je 1000 online ausgegebenen Zeichen bzw. je offline übermitteltes Dokument. • Im Laufe des Oktobers 1997 wird für gelegentliche Nutzer (interessierte Bürger, Studenten usw.) im WWW/Internet ein unentgeltlicher und lizenzfreier Zugang mit SUPERBASE-Option geschaffen, der leicht verständlich und einfach handhabbar ist. Für diesen Zugang werden Reserve- und Bachup-Rechnerkapazitäten herangezogen. Die Zahl der simultanen Nutzer wird daher entsprechend begrenzt und im Tagesablauf variiert werden müssen. ❏ DIMDI/Köln
Literatur 1.
2.
Baker AB, Colliss JE, Cowie RW (1977) Effects of varying inspiratory flow waveform and time in intermittent positive pressure ventilation - II: Various physiological variables. Br J Anaesthesia 49:1221 -1234 Philip JH, Feinstein DM, Raemer DB (1995) Monitoring anesthetic and respiratory gases. In: Blitt CD, Hines RL (eds) Monitoring in anesthesia and critical care medicine, pp 363 - 384.Churchill Livingstone Inc, New York
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