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Meinungsaustausch zum Thema „Mammographiescreening“
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Kommentar zu S.H. Heywang-Köbrunner et al. „Mammographiescreening – hohe Qualität und frühe Hinweise auf die Effektivität“ best practice onkologie 5: 4-14
Leserbrief L. Weißbach1, C. Schäfer2 1
Stiftung Männergesundheit, Berlin Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin
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Der Artikel zum Mammographiescreening aus Heft 6/2010 stellt den Fakt möglicher Überdiagnosen in Folge des Screenings nach wissenschaftlichen Maßstäben unzureichend dar. Dass eine Zahl, wie die Autoren bemerken, „in der Laienpresse kommuniziert“ wird, spricht nicht per se gegen ihre Validität.
30% aller durch Screening diagnostizierten Tumoren sind Überdiagnosen, so die beiden Forscher Goetzsche und Joergensen « Diese von den Autoren in Zweifel gezogene Zahl möglicher Überdiagnosen von Goetzsche und Joergensen wird in dem sonst mit Zahlen reich bestückten Artikel gar nicht genannt: 30% aller durch Screening diagnostizierten Tumoren, so die beiden Forscher, seien Überdiagnosen,
oder anders ausgedrückt: auf einen Todesfall weniger durch Screening kommen zehn Überdiagnosen. Und die münden beim Mammakarzinom nahezu zwangsläufig in Überbehandlungen. Das sind bei einer Reihenuntersuchung, die sich an eine gesunde Bevölkerung wendet, überdenkenswerte Zahlen. Diese Zahl widerlegen die Autoren mit dem Argument, Goetzsche und Joergensen seien „langjährige Screeninggegner“. Spricht das gegen die Validität der Zahl? Beide sind in erster Linie renommierte Wissenschaftler. Goetzsche hat unter anderem gemeinsam mit M. Nielsen den Cochrane-Review zum Mammakarzinom verfasst, dessen aktuelle Version von 2009 im Artikel nicht zitiert wird [1]. Das erstaunt, denn immerhin ist das die verlässlichste und methodisch hochwertigste Zusammenstellung und Bewertung klinischer Evidenz – und zwar von einer renommierten, unabhängigen und nur der Wissenschaft verpflichteten Einrichtung. Dieser Review bestätigt nach systematischer Recherche und Auswertung aller Studien zum Mammographiescreening ein signifikant erhöhtes Risiko zu Übertherapien in der Screening-Gruppe (RR 1,31) ebenso wie das Verhältnis 1:10 von verhinderten Todesfällen zu Überdiagnosen. Bei den 10.641 Mammakarzinomen, die laut Evaluationsbericht der Kooperationsgemeinschaft Mammographie 2005–2007 im Screening diagnostiziert wurden, wären nach dieser Rech-
best practice onkologie | 2 · 2011 6: 16–18 | DOI 10.1007/s11654-011-0311-z | © Springer Medizin Verlag 2011
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Führt das Screening zu Überdiagnose und Überbehandlung?
nung immerhin 3192 überdiagnostiziert und übertherapiert worden. Die zeitliche Abfolge der Publikationen des Wissenschaftlers Peter Goetzsche legen eine andere Kausalität nahe, als die im Artikel behauptete: Nicht weil er Screeninggegner ist, kommuniziert er unangemessen hohe Zahlen zu möglichen Risiken des Screenings. Es scheint eher, er ist zum Screeninggegner geworden, weil er im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit auf solche Zahlen gestoßen ist, die er nach Prüfung als plausibel erkannt hat – und weil er deren Bedeutung für gesunde Frauen konsequent durchdacht hat. Kontroverse wissenschaftliche Debatten sollten mit wissenschaftlichen Argumenten geführt werden: Dazu gehören die möglichst vollständigen Daten der großen vergleichenden Studien und der Krebsregister [2]. Cochrane ist in diesem Zusammenhang eine hervorragende Referenz. Zu guter Letzt sei die Frage erlaubt, ob die Screeningbefürworter – wie die Autoren suggerieren – qua ihres Status validere Daten liefern. Unter ihnen sind einige, für die das Mammographiescreening nicht nur mit wissenschaftlichen Interessen verbunden ist. Dieser Artikel, der unter anderem verschweigt, dass eine Reduktion der Gesamtmortalität durch das Mammographiescreening bislang nicht nachgewiesen werden konnte, lässt daran zweifeln.
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Literatur: 1.
Goetzsche PC, Nielsen M (2009)Screening for breast cancer with mammography (cochrane review). In: The cochrane library Issue 4
2.
Joergensen KJ, Zahl PH, Goetzsche PC (2010) Breast cancer mortality in organised mammography screening in denmark: comparative study. BMJ 340:c1241.
Korrespondenzadresse Prof. Dr. Lothar Weißbach, Stiftung Männergesundheit, Berlin Reinhardstrasse 3 10117 Berlin
[email protected]
Erwiderung Sylvia H. Heywang-Kobrunner Referenzzentrum München, Mammographie
Wie richtig bemerkt, gibt unser Artikel anhand der uns verfügbaren Zahlen
möglichst transparent Auskunft über die im deutschen Programm derzeit erreichten Ergebnisse. Diese Ergebnisse und Zahlen werden ebenso wie noch bestehende Informationslücken analysiert. Zusätzlich werden Vor- und Nachteile des Screenings erläutert. Wie verlässlich Zahlenangaben sind, sollte weniger an Institutsnamen oder einer Analysemethode (Meta-Analyse) fixiert werden, sondern bedarf weiterhin einer detailliierten Betrachtung aller Annahmen, des Vorgehens und der Ergebnisbewertung jeder einzelnen Publikation. Entgegen der Darstellung im Leserbrief, gibt es in der Literatur ein breites Spektrum an Ergebnissen zur Überdiagnose, das zwischen 3% und 50% (Goetzsche) variiert. Gerade unter Berücksichtigung dieser Varianz, kann nicht prinzipiell vom hohen Wert einer Meta-Analyse ausgegangen werden.
Retacrit® 1 000 I.E./0,3 ml /- 2 000 I.E./0,6 ml /- 3 000 I.E./0,9 ml /- 4 000 I.E./0,4 ml /- 5 000 I.E./0,5 ml / - 6 000 I.E./0,6 ml /- 8 000 I.E./0,8 ml /- 10 000 I.E./1,0 ml /- 20 000 I.E./0,5 ml /- 30 000 I.E./0,75 ml / - 40 000 I.E./1,0 ml Injektionslösung in Fertigspritze. Wirkstoff: Epoetin zeta. Zusammensetz.: 1 Fertigspritze enth. 1000/2000/3000/4000/5000/6000/8000/10000/20000/30000/40000 I.E. Epoetin zeta. Sonst. Bestandt.: Na-Dihydrogenphosphat-Dihydrat, Na-Monohydrogenphosphat-Dihydrat, Na-Chlorid, Ca-ChloridDihydrat, Polysorbat 20, Glycin, Leucin, Isoleucin, Threonin, Glutaminsäure, Phenylalanin, Wasser f. Inj.-zwecke, Na-Hydroxid (pH-Einstell.), Salzsäure (pH-Einstell.). Anwendungsgeb.: Behandl. d. sympt. Anämie b. chron. Niereninsuff. bei Erw. u. pädiatr. Pat. unter Hämodialyse u. bei Erw. unter Peritonealdialyse; Behandl. d. schweren sympt. renalen Anämie bei Erw. m. Niereninsuffizienz, die noch nicht dialysepflichtig sind. Behandl. d. Anämie u. Reduktion d. Transfusionsbedarfs b. Erw., die wg. sol. Tumore, malig. Lymphome od. mult. Myelome eine Chemother. erhalten u. bei denen ein Transfusions-Risiko wg. d. Allgemeinzustands (z.B. kardiovask. Status, vorbesteh. Anämie b. Beg. d. Chemother.) besteht. Steigerung d. autologen Blutgewinnung b. Pat. im Eigenblutspendeprogramm: nach Risikoabwäg. hinsichtl. thrombembol. Ereignisse (nur Pat. m. mittelschw. Anämie (kein Eisenmangel), falls blutsparende Maß. n. verfügbar od. unzureichend, sofern d. geplante operat. Eingriff gr. Mengen an Blut erfordert (Frauen: ≥ 4 Einheiten Blut, Männer: ≥ 5 Einheiten Blut)). Gegenanz.: Überempfindl. gg. d. Wirkstoff od. einen d. sonst. Bestandt.; Pat., b. denen n. Behandl. m. Erythropoetin eine Erythroblastopenie auftrat, dürfen weder Retacrit® noch ein and. Erythropoetin erhalten. Unkontroll. Hypertonie. Bei Steigerung d. autologen Blutgewinnung: Herzinfarkt od. Schlaganfall innerhalb 1 Mon. v. d. Behandl., instabile Angina pect., erhöhtes Risiko tiefer Venenthromb. (z.B. anamn. bek. Thromboembolie). Pat., b. denen keine adäquate Thromboseprophyl. mögl. ist. Bes. Vorsicht bei: Folgenden früher od. aktuell bestehenden Krankheiten: Epilept. Anfälle; Lebererkrank.; Krebs; Blutarmut anderer Ursache; Herzerkrank. (z.B. Angina pect.); Durchblutungsstör., die zu Stechen u. Missempfind., kalten Hände od. Füßen od. Muskelkrämpfen (Beine) führen; Blutgerinnselbild. od. Blutgerinnungsstör; Nierenerkrank.; Schwangerschaft u. Stillzeit; plötzl. Auftreten von stechenden Migräneähnl. Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Krämpfe, da es sich evtl. um Anz. eines plötzl. behandlungsbedürftigen Blutdruckanstiegs handeln könnte. Thrombozytenanstieg; Einnahme v. Ciclosporin, Eisenergänzungsmitteln u. a. Blutbildnern. Warnhinw.: Enthält Phenylalanin, ggf. schädlich bei Pat. m. Phenylketonurie. Nebenwirk.: Allgemein: Hautausschlag; grippeähnl. Sympt. (Kopf-, Gelenkschmerzen, Schwächegefühl, Schwindel, Müdigkeit); Thrombozytenanstieg; Gefäßerkrankungen u. Blutgerinnselbild. in Blutgefäßen wie Durchblutungsstör. d. Herzens, Herzinfarkte, Hirnblutungen, Schlaganfall, vorübergeh. Durchblutungsstör. d. Gehirns, tiefe venöse u. arterielle Thrombosen, Lungenembolien, Aneurysmen, Thrombosen d. Netzhaut u. Blutgerinnsel in künstl. Nieren; Selten: Überempfindl.-Reakt. einschließl. Schwellungen vorw. im Augenlidbereich u. Lippen (Quincke-Ödem) u. schockartige allerg. Reakt. m. Sympt. wie Kribbeln, Rötung, Juckreiz, Hitzegefühl u. beschleunigter Puls. Sehr selten: Nach monate- bis jahrelang. subkut. Behandl. Erythroblastopenie (PRCA). Erw. u. pädiatr. Hämodialysepat., erw. Peritonealdialysepat. u. erw. Prädialysepat. m. Niereninsuff.: häufigste Nebenwirk. nach Epoetin alfa: dosisabh. Blutdruckanstieg od. Verschlechterung einer bestehenden Hypertonie. Einz. Pat. m. norm. Blutdruck: Hypertens. Krise m. enzephalopathieähnl. Sympt. (Kopfschm. u. Konfusion) u. general. ton.-klon. Krampfanfälle (sofort. ärztl. u. intensivmed. Behandl. nötig), Shunt-Thrombose bes. bei Pat. m. Neigung zu niedr. Blutdruck od. Komplikat. an arteriovenösen Fisteln (Stenosen, Aneurysmen, etc.). Erw. Tumorpat. m. sympt. Anämie, die Chemother. erhalten: Blutdruckerhöh. (nach Epoetin alfa); erhöhte Inzidenz thrombot. vaskulär. Ereign. Pat. in präoperat. autolog. Blutspendeprogr.: Unabh. v. d. Erythropoetin-Behandl.: bei chirurg. Pat. m. kardiovask. Erkrank. nach wiederholten Blutspenden: thrombot. vask. Komplikationen. Weitere Informationen siehe Fach- bzw. Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig. Stand: April 2010. Zulassungsinhaber: HOSPIRA UK Limited, Queensway, Royal Leamington Spa, Warwickshire, CV31 3RW, Vereinigtes Königreich. Lokaler Ansprechpartner: Hospira Deutschland GmbH, Rablstr. 24, 81669 München.
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Der Leserbrief zitiert ausschließlich die von Goetzsche postulierten Zahlen. Diese sind aber keineswegs allgemein wissenschaftlich akzeptiert. Die Kommunikation derartiger Zahlen, die dann noch auf die Prävalenzrunde eines startenden Screeningprogramms extrapoliert werden, ist sachlich unrichtig und medizinisch unverantwortlich.
In der Literatur gibt es ein breites Spektrum an Ergebnissen zur Überdiagnose, das zwischen 3% und 50% variiert « Die Autoren des Leserbriefs behaupten, dass 30% aller im Screening entdeckten Karzinome so langsam wachsen würden, dass sie innerhalb der verbleibenden Lebenszeit der Frau noch nicht einmal klinisch auffällig würden. Unter den inva-
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Bei Erwachsenen: i.v.- und s.c.-Behandl. d. symptomatischen Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz unter Hämodialysebehandl. u. unter Peritonealdialyse; i.v.- und s.c.-Behandl. d. schweren symptomatischen renalen Anämie bei nicht dialysepflichtiger Niereninsuffizienz; s.c.-Behandl. d. Anämie und Reduktion des Transfusionsbedarfs bei Patienten mit soliden Tumoren, malignem Lymphom o. multiplem Myelom, die eine Chemotherapie erhalten u. bei denen das Risiko zur Transfusion auf Grund des Allgemeinzustandes besteht. i.v.-Behandl. zur Steig. d. autolog. Blutgewinnung b. Pat. in einem Eigenblutspendeprogramm. Bei Kindern und Jugendlichen: i.v.-Behandl. der symptomatischen Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz unter Hämodialysebehandl. Wizemann V, Rutkowski B, Baldamus C et al. Comparison of the therapeutic effects of epoetin zeta to epoetin alfa in the maintenance phase of renal anaemia treatment [published erratum in Curr Med Res Opin 2008; 24(4): 1155]. Curr Med Res Opin 2008; 24(3): 625-637 Krivoshiev S et al. Therapeutic Equivalence of Epoetin Zeta und Alfa, Administered Subcutaneously, for Maintenance Treatment of Renal Anemia. Advances in Therapy. 2010; 27(2): 105-117 vgl. EPAR für Retacrit® (H-C-872)
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siven Mammakarzinomen gibt es tatsächlich wenige Prozent sehr langsam wachsende Tumore (im wesentlichen Subgruppen von G1-Karzinomen). Abgesehen von diesen speziellen Subtypen, die inzwischen großenteils schonend behandelt werden können und über deren hervorragende Prognose die Frauen individuell informiert werden, kenne ich selbst unter den von mir inzwischen >5000 diagnostizierten Mammakarzinomen durchaus Frauen, die eine Behandlung längerfristig abgelehnt haben, bzw. deren Behandlung sich verzögert hat. Ich selbst kenne kein einziges invasives Karzinom, das bei fehlender Behandlung rückläufig war. Ich kenne auch keinen Mammadiagnostiker, der solche Fälle aus der eigenen Praxis belegen kann. Stattdessen zeigen aber fast alle Karzinome bei relevanter (mehrere Monate bis Jahre) Therapieverzögerung eine Größenzunahme, z.T. Lymphknotenbefall und ggf. Metastasierung. Wo bleiben die von den Leserbrief-Autoren angenommenen 30% invasiven Karzinome, die in der verbleibenden Lebenszeit nicht weiter wachsen würden? Im Gegensatz zum Prostatakarzinom, dessen Inzidenzgipfel ca. 15 Jahre später als der beim Mammakarzinom liegt (hier sind Überdiagnosen wegen der begrenzten Überlebenszeit generell wesentlich wahrscheinlicher), liegt die durchschnittliche verbleibenden Lebenszeit der in Deutschland gescreenten Frau bei weiteren 25 Jahren. Generell ist die Berechnung von Überdiagnosen anhand von unspezifizierten Populationsdaten äußerst schwierig. Neben vollständigen Daten von bis zu 15 Jahren sind Detailinformationen zur tatsächlich gescreenten Gruppe und zu der exakt zu definierenden Vergleichsgruppe unverzichtbar. Einflussfaktoren wie Verfügbarkeit von grauem Screening in der Vergleichgruppe, graues Screening in der Screeninggruppe jenseits des Screeningalters, ethnische Unterschiede mit familiären Clustern (Norwegen), exakte Teilnahmeraten bzw. Identifikation der Teilnehmerinnen, externe Einflussfaktoren wie HRT (bei historischen Vergleichsgruppen), Änderung der Lebensweise müssen soweit möglich berücksichbest practice onkologie | 1 · 2010
tigt werden. Ansonsten sind gravierende Fehleinschätzungen zu erwarten. Gerade dieses sind aber die wesentlichen Kritikpunkte, die seitens der zuständigen regionalen oder nationalen Krebsregister an den Publikationen von Goetzsche et al. und deren Zahlen geäußert werden. Eine umfassende Analyse, die viele der o.g. Faktoren berücksichtigt, wurde 2010 von Duffy et al. [1] publiziert. Basierend auf 15 Jahre Nachbeobachtung der schwedischen randomisierten TwoCounty-Study berechnet er, dass durch 2-jähliches Screening über 20 Jahre bei 1000 regelmäßig gescreenten Frauen 8,8 Leben gerettet werden können bei 4,3/1000 Überdiagnosen. Für das britische Screeningprogramm (Mammographie alle 3 Jahre) errechnet er eine Mortalitätssenkung von 5,7 Fällen pro 1000 regelmäßig gescreenten Frauen und eine Rate an Überdiagnosen von 2,3/1000.
Bei 1000 Frauen sind über 20 Jahre ca. 65 Mammakarzinome zu erwarten « In absoluten Zahlen: Bei 1000 Frauen sind über 20 Jahre ca. 65 Mammakarzinome zu erwarten. Ohne Mammographie müssten 15 am Brustkrebs versterben, mit Mammographie sind es bei vorsichtigen Schätzungen [2] noch 10 Frauen, die versterben. Nach Duffy ergäben sich sogar nur 6-7. Es würden aber nicht 65 Frauen über den Brustkrebs informiert, sondern 70, wobei 5 Karzinome (nach Duffy etwas ca. 4) innerhalb der verbleibenden Lebenszeit ohne Mammographie nicht aufgefallen wären. Diese zusätzlich entdeckten Karzinome entsprechen der statistisch bezeichneten Zahl an Überdiagnosen. Naturgemäß kann auch bei langsamer wachsenden Tumoren nicht vorhergesagt werden, ob, wann oder bei welcher Frau sie lebensbedrohlich werden können oder ob die Frau zuvor an anderer Todesursache stirbt. Deshalb ist eine adäquate und dem Risiko angemessene Behandlung immer anzustreben. Für die meisten Frauen stellt sich nicht die Frage, ob ein reeller Brustkrebs für sie evtl. nicht relevant sein könnte, da sie an
anderer Todesursache sterben könnten. Sie entscheiden sich dafür, ihn zu erkennen und zu behandeln, wenn hierdurch das Todesrisiko verringert werden kann und wenn durch frühere Erkennung schonendere Operationen möglich werden und eine Chemotherapie vermieden werden kann. Als Ärztin, die wöchentlich Brustkrebsdiagnosen mitteilen muss, kann ich nur feststellen, dass Welten zwischen der Mitteilung eines kleinen Karzinoms mit guter Prognose und mit schonenden Therapieoptionen und der Diagnosemitteilung eines chemotherapeutisch zu behandelnden oder prognostisch ungünstigeren Mammakarzinoms liegen. Der letzte Abschnitt des Leserbriefs trägt leider gar nicht zur Versachlichung bei. Da für alle Forschungsgruppen die finanzielle Unterstützung oder Basis abhängig von Bekanntheitsgrad, Impact Faktor und Zitaten ist, kann auf keiner Seite von Unabhängigkeit ausgegangen werden. Aber auch Vielfalt und Diskrepanz der existierenden Daten und Interpretationen werden schlussendlich zu einer besseren Einschätzung des derzeitigen Stands beitragen.
Literatur 1.
Duffy SW, Tabar L, Olsen AH, et al. (2010) Absolute Numbers of Lives Saved and Overdiagnosis in Breast Cancer Screening, from a Randomised Trial and from the Breast Screening Programme in England Short title: Benefits and harms of breast screening. J Med Screen 17(1):25-30
2.
http://www.mammo-programm.de/screening-programm/ vorteile-und-nachteile.php
Korrespondenzadresse Prof. Dr. Sylvia H. Heywang-Kobrunner Referenzzentrum München Mammographie Einsteinstr.3 81675 München
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