Produktion
Qualitätssicherung
Kühlergebläse auf einem halbautomatischen PI-/VAD-Prüfstand
Neue integrierte Verfahren zur Qualitätssicherung von Kraftfahrzeuglüftern Um Qualität bewertbar zu machen, müssen moderne Messverfahren ein höheres Maß an Komplexität aufweisen. Während Prüfverfahren für physikalische Eigenschaften nachvollziehbare und präzise Ergebnisse liefern, sind bei der Bewertung der vibro-akustischen Eigenschaften – wegen der damit einhergehenden Subjektivität – noch große Optimierungsmöglichkeiten vorhanden. Am Beispiel von Kfz-Lüftern arbeitet der Beitrag von Schenck RoTec die wesentlichen Merkmale eines modernen Prüf- und Diagnosesystems heraus.
und Diagnosesystems herausgearbeitet werden, denn gerade der automobile Anwendungsbereich steht im Spannungsfeld aus Wertigkeit und Wirtschaftlichkeit – hier sind neue Wege gefragt. Produktqualität zu wecken, erfordert heute zwingend eine ganzheitliche, lückenlose Betrachtung. Selbst wenn konstruktive Ausführung und Produktionstechnik stimmen, lassen sich Fehler in der Fertigung nie ausschließen. Zwischen einzelnen Prüfschritten können sich neue Abweichungen einstellen.
fungen durchführen. Ein möglichst niedriges, beherrschbares NVH-Niveau (Noise-Vibration-Harshness) ist in der Automobilindustrie das erklärte Ziel und wird auch von der Elektroindustrie, die als Zulieferer auftritt, mit Nachdruck verfolgt.
Bei Lüftern ist eine klassische, sequentielle Endprüfung zwar möglich, aber angesichts des Wettbewerbsdrucks und kürzerer Taktzeiten nicht mehr sinnvoll. Die übliche Bewertung der akustischen Eigenschaften durch Werker reduziert die Effektivität weiter, da sie auf subjektiven Maßstäben beruht – der bekannte „Montag-Morgen-Effekt“. Verbesserungen erreicht man nur, wenn schon bei einzelnen Baugruppen vor ihrer Montage konsequent kontrolliert wird, welches Qualitätsniveau vorliegt, Bild 1.
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Einleitung
Geräusch, Schwingungen und raues Laufverhalten machen aus noch so innovativen Produkten Ladenhüter. So wächst in der Serienfertigung mit den Kundenansprüchen der Aufwand für die Qualitätssicherung. Hersteller, die im globalen Wettbewerb stehen, müssen gestiegene Komfortanforderungen ernst nehmen und an einzelnen Komponenten oder ganzen Baugruppen bereits vor der Montage umfangreiche Prü-
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Intelligente Diagnose schließt Lücken
Am Beispiel von KFZ-Lüftern sollen die wesentlichen Merkmale eines modernen Prüf-
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Häufig vorhandene Lücken im Regelkreis der Qualitätssicherung kann die integrierte, objektive Methode der Schenck RoTec GmbH schließen, die im Dialog mit den Anwendern und gestützt auf langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Schwingungsmesstechnik entwickelt wurde.
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Umfassende Methodik als Kostenbremse
Auswucht- und Diagnosesysteme müssen eine umfassende Produktprüfung in der Produktion ermöglichen, gleich ob elektrische, mechanische und elektromechanische Baugruppen geprüft werden. Das sind hohe Ansprüche, die nur durch eine modulare Bündelung von Verfahren in einem Arbeitsgang erreicht werden können und fallweise einzeln oder als Gesamtpaket angewendet werden, Bild 2.
Bild 1: Qualitätskreislauf bei der Fertigung von Antrieben
Eine wesentliche Komponente ist die objektive Geräuschprüfung oder Vibro-Akustische Diagnose (VAD). Sie erlaubt es, das vom Prüfling abgegebene Körperschallspektrum zu analysieren und lässt sich auf vielen Gebieten industrieller Fertigung anwenden. VAD ist lernfähig, es kann also nach Vorgabe bestimmter Geräuschmuster sowie der Sammlung einer ausreichenden Menge von Stichproben auf das Unterscheiden von qualitätsrelevanten und nichtrelevanten Geräuschanteilen trainiert werden. Ziel ist die Identifikation von Schlechtteilen, die sich durch charakteristische Geräuschmerkmale äußern. Ergänzt wird ein Diagnosesystem durch die Parameter-Identifikation (PI). Sie bestimmt die charakteristischen Parameter eines Elektromotors über einen Vergleich der Systemantworten des Motors und eines Referenzmodells auf elektrische Impulse unter Verwendung eines mathematischen Modells. Abweichungen der ermittelten Motorkennlinien von der statischen Kennlinie sowie die Signalanalyse des Motorstroms erlauben direkte Rückschlüsse auf Fertigungsfehler. Durch den Wegfall der mechanischen Lastankopplung ergeben sich beim PI-Verfahren von Schenck RoTec darüber hinaus erhebliche Produktivitätsvorteile gegenüber konventionellen Verfahren mit Lastankopplung. Bei rotierenden Bauteilen ist eine unsymmetrische Massenverteilung durch Produktionsfehler unvermeidlich. Solche Unwuchten führen zu Schwingungen, welche Qualität, Handhabbarkeit und Lebensdauer negativ beeinflussen. Weil selbst kleine Wer-
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Bild 2: Blockdiagramm Auswucht- und Diagnosesystem
te große Auswirkungen haben können, müssen rotierende Bauteile sorgfältig ausgewuchtet werden – ein zusätzlicher Kostenfaktor. Da liegt es nahe, diesen Prozessschritt in die Prüfung einer Baugruppe zu integrieren. Computer Aided Balancing (CAB) bestimmt die statische und die dynamische Unwucht des Prüflings, errechnet die nötigen Ausgleichswerte und steuert bei Bedarf den gesamten Vorgang. Die Kombination dieser Prüfungen – eng am jeweiligen Anwendungsfall orientiert – ist eine leistungsfähige und wirtschaftliche Methode, um Komponenten oder komplexe Baugruppen realitätsnah zu bewerten. So kann ausgeschlossen werden, dass Schlechtteile in den nachfolgenden Fertigungsprozess gelangen, vorzeitig ausfallen
Die Verfasser Dipl. Ing. Michael Baßmann ist Spartenleiter bei der Schenck RoTec GmbH, Auswucht- und Diagnosetechnik in Darmstadt und verantwortlich für Vertriebssupport, Marketing und PR. Peter Böhm ist Leiter des technischen Vetriebs im Geschäftsbereich Automated Systems der Schenck RoTec GmbH, Auswucht- und Diagnosetechnik in Darmstadt
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und kostspielige Reklamationen verursachen. Ein erhebliches Kosteneinsparpotenzial ergibt sich durch die Reduzierung der Fertigungsschritte, eine geringere Ausschussquote und eine intelligente Messtechnik, die unterschiedliche Methoden in einem Prüfstand realisieren kann.
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Rückenwind für hochwertige Lüfter
Die Qualitätsansprüche an Lüftersysteme sind stetig gestiegen, da die einwandfreie Funktion vor dem Einbau sichergestellt werden muss. Gleichzeitig sind die Montageverhältnisse und die Schwingungsisolierung im Fahrzeug oft kritische Faktoren und verändern die Charakteristik des Prüflings. Um mit den üblichen Testmethoden ein befriedigendes Laufverhalten zu erreichen, mussten die Toleranzen meist auf einen engen Bereich begrenzt werden – ein unwirtschaftlicher Ansatz. „Rückenwind“ für eine effizientere, objektivere und realistische Qualitätssicherung liefern Anlagen, die alle oben beschriebenen Verfahren integrieren: Mechanische und elektrische Prüfung durch ParameterIdentifikation (PI), Körperschallmessung durch vibro-akustische Diagnose (VAD) sowie Unwuchtbestimmung und -ausgleich (CAB).
Der eigentliche Messvorgang erfolgt in einem nur wenige Sekunden dauernden Zyklus. Der Elektromotor wird zunächst angeregt und sein grundsätzliches physikalisches Verhalten auf der Basis des mathematischen Referenzmodells ermittelt. Man erhält wichtige Parameter, wie Widerstand, magnetischer Fluss, Induktivität, Eisenverlust sowie Reib- und Trägheitsmoment. Die Motorkennlinie liefert Aussagen über die Drehzahl, die Leistungsaufnahme und den Wirkungsgrad. Durch Abweichungen von der Normkennlinie und den Motorparametern sind Fertigungsfehler – etwa falsche oder kurzgeschlossene Wicklungen, falsche Magnetisierung oder zu hohe Lager- oder Bürstenreibung – nachweisbar. Ergänzt wird die vollständige Diagnose durch eine Geräuschanalyse, den Auswuchtvorgang und gegebenenfalls weitere Prüfschritte. Bei dem halbautomatischen PI-/VAD-Prüfstand, Titelbild, wird die elektromechanische Baugruppe in der gleichen Position wie im späteren Betrieb montiert, da durch den Einbau Veränderungen des Verhaltens oder der Eigenschaften zu erwarten sind. So werden Fehler erkannt, die in einer anderen Position nicht messbar wären. Dazu gehört beispielsweise ein zu großes axiales Spiel oder der Kontakt des Lüfterflügels mit dem Gehäuse. Auch Taumelschwingungen, die durch die auftretenden aerodynamischen Kräfte erzeugt werden und sich den
Bild 3: Prüfung von Innenraumlüftern auf einer Transferanlage
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eigentlichen Unwuchten überlagern, gehören zu diesen Fehlern. Die rechnergestützte Messung der Unwucht und der anschließende manuelle Ausgleich ist durch eine Bedienerführung mit Clipberechnung und Angabe der Montagepunkte auch für ungeübtes Personal sicher beherrschbar. Technisch besonders interessant ist ein Prüfstand, bei dem die Körperschallmessung über ein Lasersystem realisiert wird, Bild 3. Bedingt durch den komplexen Aufbau des Gebläseaggregates ist die Ankopplung eines konventionellen Beschleunigungssensors an den Antriebsmotor nicht möglich. Der eingesetzte Laser erlaubt hingegen eine punktgenaue Ausrichtung auf den optimalen Messpunkt. Somit ist die erforderliche Signalgüte für die weiteren Analysemethoden sichergestellt. Immer dann, wenn Messpunkte für eine mechanische Ankopplung nicht zugänglich sind oder die Linientaktzeiten ein zusätzliches Handling zum Ankoppeln eines Sensors nicht erlauben, kann das neuentwickelte System seine Vorteile ausspielen.
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Zusammenfassung
Maßstab für die Auslegung eines integrierten Auswucht- und Diagnosesystems ist stets die individuelle Aufgabenstellung. Das Anwendungsspektrum reicht daher vom einzelnen nur daumengroßen DC-Motor mit einer Leistungsaufnahme von weniger als einem Watt bis zum elektrischen Antrieb für Lokomotiven im MW-Bereich, vom einzelnen Zahnrad bis zur kompletten Fahrzeug-Hinterachse, vom handbeladenen Prüfstand bis zur vollständig vernetzten Prüfstraße. Allen Diagnoseprüfständen von Schenck RoTec gemeinsam ist die Lernfähigkeit des Systems: Mit zunehmender Anzahl der Prüfungen wird die Wissensbasis erweitert und Fehler immer genauer diagnostiziert. Verfügt ein Anwender bereits über Erfahrungswissen hinsichtlich sinnvoller Messgrößen und Kriterien zur Auffindung typischen Fertigungsfehler, so kann dieses Wissen einfließen und über eine Optimierung von Toleranzgrenzen lässt sich die Schärfe der Diagnosebeurteilung positiv beeinflussen. Die modular konzipierten Systeme bieten Lösungen zur Messung, Bewertung und Überwachung praktisch jedes Merkmales, jeder Funktion. Diese Strategie liefert einen wirtschaftlichen Qualitätsregelkreis in der Serienfertigung und ist ein entscheidender Beitrag zum perfekten Endprodukt. ■
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