Originalien HNO 2016 · 64:870–879 DOI 10.1007/s00106-016-0281-0 Online publiziert: 11. November 2016 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 Redaktion W. Baumgartner, Wien P. K. Plinkert, Heidelberg M. Ptok, Hannover C. Sittel, Stuttgart N. Stasche, Kaiserslautern B. Wollenberg, Lübeck
S. Hoth · I. Herisanu · M. Praetorius Universitäts-HNO-Klinik Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
Objektive Maße bei der Anpassung der Prozessoren von Cochleaimplantatsystemen Nutzung von Diskriminationsfunktionen und Betrachtung von Elektrodenprofilen
Hintergrund Seit geraumer Zeit und mit durchaus belastbarer Grundlage erfüllen objektive Messgrößen in der Audiometrie den Zweck, die Erhebung subjektiver Empfindungsgrößen zu erleichtern oder zu ersetzen. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist eine erwiesene Korrelation zwischen subjektiven (psychometrischen oder verhaltensbasierten) und objektiven (aus einer Messung hervorgegangenen) Maßen. In Bezug auf die Festlegung der Stimulationsniveaus bei der individuellen Anpassung des Sprachprozessors von Cochleaimplantaten (CI), insbesondere bei Kindern, dienen die Reizantwortschwellen der intracochleär registrierten elektrisch evozierten Hörnervenantworten („electrically evoked compound action potentials“, eCAP) [1] und des elektrisch ausgelösten Stapediusreflexes (eSR) [14, 15, 25] als Maße für die Festlegung des nutzbaren elektrischen Dynamikbereichs. Der Nutzen ihrer Anwendung wird jedoch dadurch begrenzt, dass zwischen den objektivierbaren Reizantwortschwellen und den psychometrischen Schwellen für Wahrnehmung und Unbehaglichkeit nach Einschätzung vieler Autoren ein nur schwacher und für die Anpassung des Prozessors nicht ausreichender Zusammenhang besteht [3, 5, 7, 8, 11, 23, 28]. Dem stehen Berichte gegenüber, denen zufolge eCAP und eSR als zuverHerrn Prof. Dr. Dr. h.c. Peter K. Plinkert zum 60. Geburtstag gewidmet.
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lässige Grundlage für die CI-Anpassung anzusehen sind [10, 16, 20, 22]. Mögliche Ursachen für die Widersprüchlichkeit der publizierten Studienergebnisse sind methodische Fehler und die immanente Variabilität aller psychometrischen Daten, die dem Zustandekommen signifikanter Korrelationen grundsätzlich entgegenwirkt. Es erscheint daher angebracht, die bei den diversen Schwellenbestimmungen eingesetzten Algorithmen einer näheren Betrachtung zu unterziehen. In der vorliegenden Arbeit wird, ausgehend von einer statistisch begründeten Betrachtung der Schwelle i. Allg. [12], die weitgehend üblich gewordene Extrapolation von „Wachstumsfunktionen“ verlassen und durch eine Beschreibung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Reizantwort mithilfe von Diskriminationsfunktionen ersetzt, welche die Eigenschaft haben, weit unterhalb der Schwelle zu verschwinden und weit oberhalb der Schwelle dem Wert 100 % zuzustreben [13]. Dieses Konzept ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten sowohl auf die eCAP als auch auf den eSR anwendbar. Voraussetzung für die Konstruktion und Verwertung von Diskriminationsfunktionen ist die Verfügbarkeit eines Parameters, der für jeden (auch negativen) Versuch zur Auslösung und Registrierung einer Reizantwort definiert ist. Im Fall des eSR ist dieser Parameter eine dichotome Variable mit den 2 Werten: „0“ für „kein Reflex registrierbar“ und „1“ für „Reflex registrierbar“. Bei den
eCAP kann dieser dichotome Parameter aus dem Vergleich der Antwortamplitude mit der Amplitude der Reststörung generiert werden. In beiden Fällen entsteht die elektrodenspezifische Diskriminationsfunktion aus der Verwertung einer Messreihe, bei der über eine feste Elektrode Reize variabler Stärke (Strom oder Ladung) abgegeben werden. Der Schnittpunkt der Diskriminationsfunktion mit der waagerechten Linie für 50 % Antwortwahrscheinlichkeit definiert für jede Elektrode eine Schwelle. In Bezug auf die CI-Anpassung verdient der Zusammenhang zwischen Elektrode und zugehöriger Schwelle besondere Aufmerksamkeit. Es liegt nahe, von diesen Profilen eine Entsprechung zur elektrodenabhängigen Kontur psychophysischer Maße (Wahrnehmungsund Unbehaglichkeitsschwelle) zu erwarten. Auf diesen Aspekt ist in der Literatur hingewiesen worden [18], die Korrelation zwischen den Profilen wird aber allgemein weniger beachtet als die Korrelation der kumulierten, von der Elektrodenzuordnung losgelösten Daten. Als Basis für die individualspezifische Anpassung des CI-Sprachprozessors ist jedoch das Elektrodenprofil der eCAPund eSR-Schwellen den vorgeschlagenen Algorithmen [6, 8] zufolge unerlässlich. Daher wurden in dieser Arbeit die Profile und ihre wechselseitigen Korrelationen näher untersucht.
Abb. 1 8 Darstellung zur visuellen Bestimmung der Reizantwortschwelle (niedrigste Reizstärke mit erkennbarer Reizantwort), im gezeigten Fall 360 „current units“ (cu). a eCAP-Messreihe für eine Elektrode (Proband S97, Ableitung S7R6) bei 20 Reizstärken, b Amplitudenwachstumsfunktion, hervorgegangen unter der Annahme reizunabhängiger Latenzzeiten aus der Differenz der Amplituden an den Punkten P und N.
Methoden Elektrisch evozierte Hörnervenantworten Die eCAP-Auswertung erfolgte anhand von intraoperativ durchgeführten Messungen bei 30 erwachsenen Patienten, bei denen das Implantat MED-EL SYNCHRONY eingesetzt wurde. Die Messungen wurden mit der Funktion ART („auditory response telemetry“) des Systems MAESTRO für alle 12 Elektroden jeweils im vollenStimulationsbereichvon 0 bis 1140 cu („current units“) in kleinen Schritten (20 Messungen im Abstand von 60 cu, Phasendauer 30 μs, 10 Iterationsschritte, erste Messung ohne Reiz als Referenz für Artefaktkorrekturen) durch-
geführt (. Abb. 1). Darstellungen dieser Art dienen zur visuellen Bestimmung der Reizantwortschwelle, d. h. der niedrigsten Reizstärke mit erkennbarer Reizantwort. Für die Berechnung eines mit dem Signal-Rausch-Verhältnis verwandten Quotienten q wurden die Registrierspuren durch 2 Zeitmarken T1 = 160 μs und T2 = 840 μs in einen (potenziell) signalbehafteten und einen signalfreien Abschnitt geteilt (. Abb. 2). Dieses Zeitfenster erwies sich in einer Vorstudie an 12 Fällen als geeignet, die eCAP-Werte vollständig zu erfassen. Zur Korrektur des Reizartefakts wurden an die Kurven in den durch die Zeitmarken T1 und T2 geteilten Zeitabschnitten 2 Exponentialfunktionen an-
gepasst. Nur im ersten Abschnitt ist eine Antwort zu erwarten, hier wird der Zähler var(s + n) des Quotienten q berechnet (Signal und Rauschen). Der zweite Abschnitt liefert den Nenner var (n) des Quotienten, dessen reizabhängiger Verlauf im unteren Bild dargestellt ist. Als Reizantwortschwelle wurde die Reizstärke definiert, bei der der Quotient q die Grenze 6 dB überschreitet. Wenn mehrere derartige Schnittpunkte auftraten, wurde an die binär konvertierte Wachstumsfunktion (x = Reizstärke, y = 0, wenn q < 6 dB, und y = 1, wenn q ≥ 6 dB) eine sigmoidale Diskriminationsfunktion angepasst und deren Schnittpunkt mit der Grenze y = 0,5 ermittelt. Das Grenzkriterium „6 dB“ wurde in Analogie zu anHNO 12 · 2016
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Zusammenfassung · Abstract HNO 2016 · 64:870–879 DOI 10.1007/s00106-016-0281-0 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 S. Hoth · I. Herisanu · M. Praetorius
Objektive Maße bei der Anpassung der Prozessoren von Cochleaimplantatsystemen. Nutzung von Diskriminationsfunktionen und Betrachtung von Elektrodenprofilen Zusammenfassung Hintergrund. Die Einstellung der elektrischen Stimulationsniveaus eines Cochleaimplantats (CI) bei der individuellen Anpassung des Sprachprozessors bedient sich insbesondere bei Kindern der Ergebnisse von intracochleär gemessenen elektrisch evozierten Hörnervenantworten („electrically evoked compound action potentials“, eCAP) und intraoperativ durchgeführten Beobachtungen des elektrisch ausgelösten Stapediusreflexes (eSR). Der Nutzen dieser objektiven Maße beruht auf dem Zusammenhang zwischen den aus ihnen abgeleiteten Reizantwortschwellen und psychometrischen Daten. Material und Methoden. Die intraoperative Messung der eCAP-Wachstumsfunktionen für alle Elektroden erfolgte an 30 Ohren erwachsener Patienten. Die reizabhängige
Inzidenz der beobachtbaren eSR wurde für alle Elektroden an 16 Ohren erwachsener Patienten aufgezeichnet. Zur Auswertung der Daten wurden Algorithmen eingesetzt, mit deren Hilfe aus der Messreihe ohne Intervention durch den Untersucher Schwellen bestimmt werden können. Wesentliche Merkmale sind hierbei die Umwandlung der Beobachtungen in dichotome Variablen sowie die Betrachtung von Diskriminationsfunktionen und der Überschreitung eines numerischen Schwellenkriteriums. Ergebnisse. Bei den eCAP-Daten bestehen im Vergleich zum bisherigen Verfahren engere und signifikante Korrelationen zwischen objektiven Schwellen und psychometrischen Größen. Profile erweisen sich im Vergleich zu kumulierten Daten ohne Elektrodenzu-
ordnung als vorteilhaft. Die eSR-Schwellen zeigen ebenfalls signifikante Korrelationen, wenngleich in geringerem Maße und ohne erkennbaren Unterschied zwischen Profilen und kumulierten Daten. Schlussfolgerung. Im Vergleich zum keineswegs einheitlichen internationalen Schrifttum verdeutlichen die erhaltenen Ergebnisse die Notwendigkeit einer konsequenten Schwellendefinition und die Einbeziehung der Elektrodenprofile. Schlüsselwörter Cochlea-Implantat · Summenaktionspotential · Stapediusreflex · Reizantwortschwellen · Prozessoranpassung
Objective measures for setting the processors of cochlear implant systems. Use of discrimination functions and consideration of electrode profiles Abstract Background. When setting the electrical stimulation level of cochlear implants during individual adjustment of the speech processor, especially in children, objective measures such as intracochlearly measured electrically evoked compound action potentials (eCAP) and intraoperative observation of electrically elicited stapedial reflexes (eSR) are indispensable. The benefit of these objective measures is based on the correlation between the derived response thresholds and psychometric data. Materials and methods. The amplitude growth functions of eCAPs were measured intraoperatively for all electrodes in 30 ears of adult patients. The stimulus-dependent
deren Bereichen der Signalverarbeitung gewählt; diese Wahl bestätigte sich nach der Auswertung durch die Übereinstimmung zwischen Algorithmus und Experte. Die gesamte Auswertung ist weitgehend automatisierbar. Für die Betrachtung von Korrelationen mit psychometrischen Daten wurden die bei der Erstanpassung bestimmten Schwellen THR („threshold“, Wahrnehmungsschwelle) und MCL („maximum comfortable level“, Unbehaglichkeits-
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incidence of observable eSRs was recorded for all electrodes in 16 ears of adult patients. For evaluation of the data, new algorithms were applied which allowed the determination of thresholds without intervention of the investigator. Essential features were the conversion of observations into binary variables, and the consideration of logistic discrimination functions and their exceedance of a numeric threshold criterion. Results. Regarding the eCAP data, closer and significant correlations are observed between objective thresholds and psychometric measures in comparison to conventional procedures. Profiles are more efficient than
schwelle) herangezogen, da diese dem kürzestmöglichen Zeitintervall zwischen beiden Datenerfassungen entsprechen. In . Abb. 3 sind die Profile aller 3 Messgrößen anhand eines Fallbeispiels dargestellt. Die Korrelationskoeffizienten betragen dabei C (ART, THR) = 83 % und C (ART, MCL) = 69 %. Das Beispiel in . Abb. 3 liegt in Bezug auf die Größe der Korrelationskoeffizienten im oberen Bereich aller Beobachtungen.
pooled data. Significant correlations are also observed for eSR thresholds, albeit to a lesser extent and without an evident difference between profiles and pooled data. Conclusion. Considering the by no means consistent international literature, the results illustrate the need for a consistent definition of response thresholds and the consideration of electrode profiles. Keywords Cochlear implant · Compound action potential · Stapedius reflex · Response thresholds · Processor fitting
Für das Studienprotokoll dieser Messungen liegt ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Heidelberg vor (15.5.2013 Aktenzeichen S-049/2013).
Elektrisch ausgelöster Stapediusreflex Die eSR-Auswertung erfolgte anhand der intraoperativ erhobenen Daten von 16 erwachsenen Patienten, bei denen das Implantat MED-EL CONCERTO
nierte Schwelle wurde zusätzlich nach der in . Abb. 4 beschriebenen Konstruktion bestimmt. Außerdem wurde an die Graphen, welche die von der Reizintensität abhängige Inzidenz beobachtbarer Reflexe wiedergeben, als Diskriminationsfunktion nach der Methode der kleinsten Abstandsquadrate eine Boltzmann-Funktion angepasst [12]. Freie Parameter waren die Lage L50 des Wendepunkts („fit L50“) und die Steigung der Kurve im Wendepunkt. Die Auftragung der eSR-Schwelle über der zugehörigen Elektrode ergibt das eSR-Schwellenprofil. Typisch für den Allgemeinfall ist an dem in . Abb. 5 gezeigten Beispiel eines Profils die Erhöhung am rechten (basalen) Ende, unabhängig von der Methode der Schwellenbestimmung. Erwartungsgemäß niedriger als „lowest“, „median“ und „mean“ liegen die mit „geometrisch“ und „fit L50“ bezeichneten Werte (wobei die 2 zuletzt genannten in vielen Fällen nahezu identisch sind). Auch in dem in . Abb. 5 gezeigten Beispiel sind – wie in vielen anderen Datensätzen – die nach „fit L50“ und „geometrisch“ bestimmten Schwellen nicht unterscheidbar.
Ergebnisse
Abb. 2 8 a Extraktion des Parameters q aus den 20 primären Messkurven der Messreihe aus Abb. 1 (Proband S97, Ableitung S7R6). T1, T2 Zeitabschnitte für die Korrektur des Reizartefakts und die Berechnung des Quotienten q. b Reizabhängiger Verlauf des Quotienten mit Nenner var (n), aus T2 ermittelt. Reizantwortschwelle („threshold“) Schnittpunkt des Polygonzugs der 20 Einzelwerte mit der waagerechten Linie q = 6 dB. Erläuterung s. Text. cu „current units“, Reizstärke
FLEX28 eingesetzt wurde. Diese Studiengruppe war verschieden von der der eCAP-Studie. Für die Bestimmung der eSR-Schwelle wurde die Funktion ESRT („electrical stapedial reflex threshold“) des Systems MAESTRO verwendet. Während der Abgabe eines elektrischen Reizes („burst“ 500 ms, „maximum rate“ 2000 pps) wurde die Sehne des M. stapedius durch das Op.-Stereomikroskop beobachtet. Aus der Codierung „Reflex = 1“ und „kein Reflex = 0“ ergibt sich für jede der 12 Elektroden ein Diagramm der in . Abb. 4 gezeigten Art. Die „geometrische“ Konstruktion der Reflexschwelle erfolgt anhand der Linie,
die den am weitesten rechts liegenden Punkt einer fortlaufenden Reihe von „0“ mit dem am weitesten links liegenden Punkt einer fortlaufenden Reihe von „1“ verbindet und ergibt sich als deren Schnittpunkt mit der Linie y = 0,5. Ohne Mitwirkung des Untersuchers ermittelt das System MAESTRO aus den manuell protokollierten Daten 3 mit „mean“, „median“ und „lowest“ bezeichnete Werte, deren Eigenschaften im Folgenden näher untersucht werden. Diese Größen sind definiert als Mittelwert, Median und Minimalwert aller Reizstärken, die mit einem nachweisbaren Reflex einhergehen. Eine „geometrisch“ defi-
Die nach dem neuen Algorithmus bestimmten eCAP-Schwellen zeigen in den kumulierten, von der Elektrodenzuordnung gelösten Zahlenwerten (konventionelle Regressionsanalyse) eine gute Übereinstimmung mit den durch einen erfahrenen Untersucher visuell festgelegten Reizantwortschwellen (Korrelationskoeffizient C = 67 %) sowie eine geringere, aber ebenfalls statistisch hochsignifikante Korrelation (p < 0,001) mit den postoperativ psychometrisch bestimmten Stimulationsniveaus THR (Mittelwert C = 27 %) und MCL (Mittelwert C = 38 %). Hingegen liefert das konventionelle, auf der linearen Extrapolation der Amplitudenwachstumsfunktion beruhende Verfahren des Systems MAESTRO wesentlich schlechtere Korrelationen zur Auswertung durch den Experten (C = 17 %) und zu den psychometrischen Daten (THR: –12 %, MCL: –1 %). Auch in Bezug auf die hier besonders im Fokus stehenden ElekHNO 12 · 2016
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elektrische Reizstärke (cu)
1000
MCL ART 500
THR
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3
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Abb. 3 8 Beispiel (Proband S86) für die Schwellenprofile THR (n), ART (n) und MCL (n). Erläuterung s.Text.x-Achse Nummern derElektrode,y-Achse elektrische Reizstärke in„current units“(cu),ART „auditory response telemetry“, MCL „maximum comfortable level“, Unbehaglichkeitsschwelle; THR „threshold“, Wahrnehmungsschwelle
trodenprofile treten nach dem neuen Algorithmus im Vergleich zum konventionellen Verfahren größere und signifikante Korrelationen auf (. Tab. 1). Da die Betrachtung der Mittelwerte keine Rückschlüsse auf den Einzelfall zulässt, sind in . Abb. 6 die Häufigkeitsverteilungen aller Korrelationskoeffizienten wiedergegeben. Ein sehr enger Zusammenhang zwischen eCAP-Schwelle und MCL sowie zwischen eCAP-Schwelle und THR würde darin zum Ausdruck kommen, dass alle Werte am rechten Rand des jeweiligen Diagramms (d. h. C ≈ 100 %) liegen. Dies ist bei den realen Daten nicht der Fall, wohl aber häufen sich zumindest die nach dem neuen Verfahren erhaltenen Koeffizienten im Bereich hoher, z. T. signifikanter Korrelationen. Die mithilfe der konventionellen linearen Extrapolation der Amplitudenwachstumsfunktion gewonnenen Schwellenprofile hingegen korrelieren selten signifikant und niemals hochsignifikant mit den psychophysischen Konturen THR und MCL. Im Unterschied zu den eCAP, deren Amplituden ein analoges Kontinuum bilden, liegen die visuell beobachteten eSR als genuin binäre Variable ohne mathematische Umwandlung als Stufenfunktion vor. Werden die aus der geometri-
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schen Konstruktion erhaltenen Schwellen aller Probanden für jede Elektrode auf 0 qu normiert, so kann das elektrodenspezifische mittlere Schwellenverhalten durch eine Boltzmann-Funktion wiedergegeben werden (. Abb. 7). Die Steigungen im Wendepunkt betragen bei den Beispielen aus . Abb. 7 26 % pro qu für Elektrode 1, 48 % pro qu für Elektrode 7 und 21 % pro qu für Elektrode 12. Dies bedeutet, dass die eSR-Schwelle an den Rändern des Elektrodenarrays besonders unscharf definiert ist. Der über alle Elektrodenberechnete Mittelwertder Steigung beträgt 59 % pro qu. Im Vergleich der nach den verschiedenen Definitionen bestimmten Schwellen zeigt sich unabhängig von Elektrode bzw. Kanal, dass die Verfahren „geometrisch“ und „fit L50“ bis auf seltene Ausnahmen gleichwertig sind. Dasselbe giltfürMittelwert („mean“) und Median („median“), deren Verwendung aber nicht besonders sinnvoll ist, da die Werte unvermeidlich überschwellig sind und von der durch den Untersucher getroffenen Wahl der Stimulationspegel abhängen. Die Regressionsanalyse der kumulierten, von der Elektrodenzuordnung gelösten Zahlenwerte ergibt eine nur geringe, aber statistisch signifikante Korrelation (C = 24 % für die geometrisch
bestimmte Reflexschwelle) mit den postoperativ psychometrisch bestimmten Stimulationsniveaus MCL. Auch die Korrelation der Elektrodenprofile liegt in diesem unerwartet niedrigen Bereich. Aus der in . Abb. 8 für die 5 Schwellenbestimmungsmethoden gezeigten Häufigkeitsverteilung der Korrelationskoeffizienten geht hervor, dass die Profile der eSR-Schwellen nur bei 2 von 16 Ohren signifikant mit MCL korrelieren. Unabhängig von der Methode treten also nur bei 2 der 16 Messreihen signifikante oder hochsignifikante Korrelationen auf. Die Mittelwerte bewegen sich eng um den nicht signifikanten Wert von 20 %, mit einem kleinen, aber ebenfalls nicht signifikanten Vorteil zugunsten der Methode „fit L50“. In Bezug auf diese Korrelation ist kein Unterschied zwischen den verschiedenen Schwellenbestimmungsmethoden erkennbar.
Diskussion In dieser Arbeit wird erstmals der Ansatz beschrieben, die Schwelle von elektrisch evozierten Reflexen (eSR) und Potenzialen (eCAP) mithilfe von Diskriminationsfunktionen zu bestimmen und nicht nur die Zahlenwerte, sondern auch die Elektrodenprofile der Schwellen zu betrachten. Die Zielsetzung bestand darin, die Entsprechung zwischen objektiven Maßen und psychophysischen Daten zu prüfen und möglichst zur Verbesserung der Prozessoranpassung beizutragen. Diskriminationsfunktionen haben sich in vielen Bereichen der Audiologie als besonders geeignet erwiesen, das Schwellenverhalten von intensitätsabhängigen Reizantworten zu beschreiben und verschiedene Methoden der Schwellenbestimmung miteinander zu vergleichen [12, 13]. Es gibt Gründe zu der Annahme, dass dieser Ansatz auch beim objektiven Nachweis elektrisch evozierter Reizantworten gegenüber der konventionellen Vorgehensweise, die auf der linearen Extrapolation von Amplitudenwachstumsfunktionen beruht, von Vorteil ist. Profile oder Konturen, in denen für ein CI-versorgtes Ohr der Zusammenhang zwischen Elektrode und Empfindungs-
Tab. 1 Mittlere Korrelationskoeffizienten zur Beschreibung der Ähnlichkeit zwischen den Profilen von eCAP-Schwelle einerseits und THR sowie MCL andererseits eCAP-Schwelle q = 6 dB
Lineare Extrapolation der AGF
THR
42 % (<0,001)
–8 % (n. s.)
MCL
40 % (<0,001)
–4 % (n. s.)
Aufgeführt sind die nach dem neuen, auf dem Kriterium „q = 6 dB“ beruhenden Algorithmus ermittelten Korrelationskoeffizienten im Vergleich zur konventionellen linearen Extrapolation der Amplitudenwachstumsfunktion. THR „threshold“, Wahrnehmungsschwelle; MCL „maximum comfortable level“, Unbehaglichkeitsschwelle; AGF „amplitude growth function“, Amplitudenwachstumsfunktion; n. s. „nicht signifikant“
größe wiedergegeben ist, spielen bei der Anpassung der Stimulationsniveaus eines CI-Systems eine wichtige Rolle. Da diese Niveaus, insbesondere die Wahrnehmungsschwelle (THR, „threshold“) und die mit einer angenehmen Lautstärke verbundene Reizstärke (MCL, „maximum comfortable level“) sich zwischen einzelnen Elektroden i. Allg. unterscheiden, ist es bei der Anpassung nicht zulässig (zumindest aber nicht optimal), für alle Elektroden dieselbe Reizstärke zu wählen. In der „fitting software“ einiger Hersteller sind Verfahren implementiert, die die Elektrodenprofile explizit nutzen, um eine ausgewogene Anpassung zu realisieren. Unter den 2 Reaktionen des Hörsystems auf elektrische Reize sind die durch mikroskopische Beobachtung erfassten eSR von Natur aus dichotomer Natur, die eCAP hingegen müssen erst durch einen geeigneten Algorithmus in eine binäre Größe umgewandelt werden. Der hier vorgestellte Weg zu diesem Ziel gründet sich auf die automatisierte Berechnung eines Quotienten, der aus den Messkurven extrahiert wird und bei antwortbehafteten Kurven einen großen Zahlenwert annimmt. Mit diesem Quotienten q liegt auch bei nicht vorhandenen Reizantworten eine Maßzahl vor, die dadurch das Hervortreten der Reizantwort an deren Schwelle besser abbildet als die bisher zum Zweck der Schwellenbestimmung eingesetzte lineare Extrapolation der eCAP-Amplitude und die zudem von einerAuswertung durchdenUntersucher unabhängig ist. Die Güte der Korrelationen mit postoperativ erhobenen psychometrischen Daten rechtfertigt die Erwartung besserer Rehabilitationsergebnisse
bei Verwendung des hieraus abgeleiteten objektiven Schwellenmaßes. Die in dieser Arbeit beschriebenen Korrelationskoeffizienten zwischen eCAP-Schwellen und subjektiven Maßen betragen 27 % für THR und 38 % für MCL (bei Betrachtung der Profile: 42 % bzw. 40 %). In der Literatur werden für MCL Werte zwischen 4 % [10] und 85 % [22] angegeben. Somit ist eine erhebliche Variabilität festzustellen, deren größter Teil sicher darauf zurückzuführen ist, dass psychometrische Schwellen bei der Erst- oder auch Folgeanpassung des Sprachprozessors unter Bedingungen der klinischen Routine nicht besonders präzise und reproduzierbar messbar sind. Unabhängig davon darf eine Kongruenz zwischen Wahrnehmungs- und Reizantwortschwellen schon allein deshalb nicht erwartet werden, weil die elektrischen Reize bei der eCAP-Messung und bei der Bestimmung von THR und MCL völlig verschieden sind. Ein weiterer unter zahlreichen, auch methodisch bedingten Faktoren ist in der Physiologie der Hörbahn begründet: Die mit der Dichte der Spiralganglienzellen in der Umgebung der stimulierenden Elektrode assoziierte eCAP-Amplitude hat noch nicht sehr viel mit zentraler Perzeption zu tun. Von grundsätzlicher und weitreichender Bedeutung ist die Frage, ob in den Vergleich zwischen objektiven und subjektiven Maßen die bei Erstanpassung oder zu späteren Zeitpunkten erfassten psychometrischen Werte herangezogen werden sollen. Für die zuerst genannte Alternative spricht das Argument, dass die objektiven Maße gerade als Startwerte fürdie erste Einstellung des Geräts dienen sollen. Für die zweite Alternative spricht die höhere Zuverlässigkeit und Reprodu-
zierbarkeit psychometrischer Daten bei erfahrenen CI-Trägern. In einer bereits begonnenen Ausweitung der vorliegenden Studie (sowie auch in einigen im Weiteren angegebenen Arbeiten anderer Autoren) werden zu verschiedenen Zeitpunkten erfasste psychometrische Werte einbezogen. Für die eSR-Schwellen beträgt die Korrelation mit dem psychometrischen MCL-Wert zwischen 15 und 24 %, abhängig von der Schwellendefinition und davon, ob Profile verglichen oder die Daten im „pool“ ausgewertet werden. Diese Korrelation ist zwar signifikant, aber im Vergleich zu vielen (nicht allen) Literaturberichten sehr klein. Ebenso wie im Fall der eCAP muss jedoch auch hier sehr differenziert geurteilt werden. Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass der Stapediusreflex nicht nur intraoperativ beobachtet, sondern (sowohl intra- als auch postoperativ) mithilfe einer Impedanzsonde kontralateral registriert werden kann und wird. Möglicherweise entscheidet schon allein der Zeitpunkt der Messung über ihre Verwertbarkeit in Bezug auf die CI-Anpassung: „A correlation analysis did not reveal any correlation between intra- and postoperative eSRTs“ [4]. (Eine Korrelationsanalyse ergab keine Korrelation zwischen intra- und postoperativen ESRT.) Ein Teil der begrenzten Kongruenz ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass für die Reizstärke die Maßeinheiten cu („current units“) und qu („charge units“) verwendet werden. Diese können nur individuell, aber nicht allgemein ineinander umgerechnet, da die Pulsbreite mit der Stromstärke variiert wird. In allen Auswertungen dieser Arbeit wurden Korrelationen immer nur zwischen Größen betrachtet, die in derselben Maßeinheit vorlagen; dies schließt aber Verzerrungen nicht aus. Das Spektrum derinanderenArbeiten für den Zusammenhang zwischen eSRSchwelle und MCL angegebenen Korrelationskoeffizienten reicht von 10 % und darunter [11, 19] bis hinauf zu 95 % [22]. Zunächst verleitet die Tatsache, dass, anders als bei den eCAP, die für die Bestimmung von eSR-Schwelle und MCL verwendeten Reize identisch sind, zu der Vermutung, dass die eSR die besseHNO 12 · 2016
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Mittelwert Median
Reflex
Reizstärke (qu)
30
Minimalwert geometr. „fit L50“
20
10
0 2 0
0
0 20
25
28,14 30 Reizstärke (qu)
ren Prädiktoren für MCL sind [18]. Dies scheinen viele Studien zu bestätigen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die für die Untersuchung von Korrelationen angewendeten Methoden sehr unterschiedlich und miteinander nicht vergleichbar sind. In einigen Arbeiten werden die eSR-Schwellen nicht direkt mit den (behavioralen) MCL verglichen, sondern mit Stimulationspegeln, die die Funktion der MCL erfüllen, aber nach einem Modell aus den eSR berechnet wurden [17]. Eine andere Arbeit beeindruckt mit einer Korrelation von 82 %, die MCL wurden aber bei sehr kleinen Kindern und z. T. auf der Basis des Auropalpebralreflexes bestimmt [16]. Für die Praxis tauglich ist sicherlich die Empfehlung „eSRT values can be clinically useful for programming cochlear implants in children, although this should be done with caution as there is considerable interpatient variability“ [9]. (ESRT-Werte können klinisch für die Programmierung von Cochleaimplantaten bei Kindern nützlich sein, obwohl diese mit Vorsicht erfolgen sollte, da eine beträchtliche interindividuelle Variabilität besteht.) Die Vergleichbarkeit mit Literaturdaten ist dadurch eingeschränkt, dass vielerorts die Bestimmung der eSR-Schwelle anhand der Amplitudenwachstumsfunktionen bei Messung der Impedanzänderung und HNO 12 · 2016
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Elektrodennummer 35
Abb. 4 8 „Indikatorfunktion“des eSRfürElektrode 12 (ProbandinES).„Geometrische“KonstruktionderReflexschwelle als Schnittpunkt derLinie y =0,5 und der Linie zwischen dem am weitesten rechts liegenden Punkt einer fortlaufenden Reihe von „0“ mit dem am weitesten links liegenden Punkt einer fortlaufenden Reihe von „1“. qu „charge units“, Reizstärke
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Abb. 5 8 Fallbeispiel für eSR-Schwellenprofile von apikal (Elektrode Nr. 1 links) nach basal (Nr. 12 rechts) gemäß den 5 Methoden (Probandin EB). Erläuterung s. Text. x-Achse Nummer n der Elektrode, y-Achse elektrische Reizstärke in qu, qu „charge units“, „fit L50“ Lage L50 des Wendepunkts, geometr. „geometrisch“ definierte Schwelle
nicht auf mikroskopischer Beobachtung der Stapediussehne beruht. Dezidiert auf die Praxis ausgerichtet ist der in dieser Arbeit durchgeführte Vergleich von eSR-Schwellenprofilen, die auf verschiedenen Schwellendefinitionen beruhen. Den im System MAESTRO verfügbaren Schwellen „lowest“ (Minimalwert aller Reizstärken, die mit einem beobachtbaren Reflex einhergingen), „median“ (Median aller Reizstärken, die mit einem beobachtbaren Reflex einhergingen) und „mean“ (Mittelwert aller Reizstärken, die mit einem beobachtbaren Reflex einhergingen) wurden eine „geometrisch“ definierte und eine auf der Anpassung einer Diskriminationsfunktion beruhende („fit L50“) Schwelle hinzugefügt. Allein die zuletzt Genannte genügt den Kriterien einer korrekten Schwellendefinition. Sie ist darüber hinaus relativ robust gegen Eingabefehler der Art, wie sie als Folge der Eile von im OP durchgeführten Messungen unvermeidbar sind. In Bezug auf die Profile bzw. die Kanalabhängigkeit der Schwellen finden sich in der Literatur nur wenige Vergleichsdaten [21, 24]. In vielen Arbeiten werden die objektiven Größen nicht für alle, sondern nur für einen Teil der implantierten Elektroden gemessen [26, 29], obwohl die besondere Bedeutung der Konturen von vielen Autoren betont wird [6, 8, 18]. Messungen mit Stimulation im
„speech mode“ (4 Elektroden gleichzeitig) [27] sind prinzipiell nicht dazu geeignet, die Kanalabhängigkeit von eCAPoder eSR-Schwellen abzubilden. Somit ist die derzeitige Kenntnislage dadurch gekennzeichnet, dass in der relativen Lage des MCL zwischen den Elektroden kein signifikanter Unterschied gesehen wird [2] oder diesem Unterschied zugunsten des absoluten Stimulationsniveaus (unabhängig von der Elektrode) keine Beachtung geschenkt wird. Da die Reizstärke bei der CI-Anpassung ohnehin grundsätzlich sehr schonend angehoben wird, sind jedoch die absoluten Niveaus für die Praxis weniger relevant als ihre relative Lage zueinander. Gerade die eSR-Schwelle ist regelmäßig in durchaus erheblichem Maße von der Elektrode abhängig, mit besonders hohen Werten sowohl am apikalen als auch am basalen Ende des Elektrodenarrays. Dieser Verlauf findet sich nicht immer in den psychometrisch ermittelten Reizstärkenprofilen wieder. Die in dieser Arbeit beschriebenen Korrelationen zwischen den Profilen der objektiven und subjektiven Reizantwortschwellen weisen für die eCAP eine hohe Signifikanz auf, bei den eSR liegen die Korrelationskoeffizienten niedriger. Grundsätzlich bedeutet ein niedriger Korrelationskoeffizient jedoch nicht, dass zwischen 2 Größen kein Zusammenhang besteht. Zwei Funktionen y =
N
N
Korr. THR(n) mit ART(n) Median = 0,52
5
5
0
a -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0
N
0,2
0,4
0,6
0,8 C
0 1,0 b -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2
N
Korr. THR(n) mit ART(n) Median = -0,12
5
0,0
0,2
0,4
0,6
C 0,8
1,0
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8 C
1,0
Korr. MCL(n) mit ART(n) Median = -0,20
5
0
c
Korr. MCL(n) mit ART(n) Median = 0,53
0 -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8 C
1,0
-1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2
d
1,0
0,5
0,0
a
Kanal 7
Wahrscheinlichkeit p
Kanal 1
Wahrscheinlichkeit p
Wahrscheinlichkeit p
Abb. 6 8 Histogramme der aus den Profilen von THR (a, c) bzw. MCL (b, d) und dem ART-Schwellenprofil errechneten Korrelationskoeffizienten C für den neuen Algorithmus (a, b, blau) und das konventionelle Verfahren (c, d, rot). Vertikale strichpunktierte Linien Grenzen für signifikante (65 %) bzw. hochsignifikante (78 %) Korrelationen (12 Freiheitsgrade); ART „auditory response telemetry“; MCL „maximum comfortable level“, Unbehaglichkeitsschwelle; THR „threshold“, Wahrnehmungsschwelle, qu „charge units“
1,0
0,5
0,0 -20
-10
0
10 20 Reizstärke (qu)
b
Kanal 12 1,0
0,5
0,0 -20
-10
0
10 20 Reizstärke (qu)
c
-20
-10
0
10 20 Reizstärke (qu)
Abb. 7 8 Mittlere eSR-Diskriminationsfunktionen für 3 der 12 Elektroden (n = 16). Steigungen im Wendepunkt: a 26% pro qu für Elektrode 1, b 48 % pro qu für Elektrode 7 und c 21 % pro qu für Elektrode 12. Erläuterung s. Text. eSR elektrisch ausgelöster Stapediusreflex
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Originalien
5 geometr. 4
Minimalwert
Median
Häufigkeit n
Mielwert 3
„fit L50“
2 1 0 –100
–80
–60
–40
–20
0
20
40
60
80
100
Korrelaonskoeffizient C (%) Abb. 8 8 Häufigkeitsverteilung n der Korrelationskoeffizienten C zur Beschreibung der mathematischen Ähnlichkeit zwischen den Konturen von eSR-Schwelle und MCL. Erläuterung s. Text. Vertikale strichpunktierte Linien Grenzen für signifikante (65 %) bzw. hochsignifikante (78 %) Korrelationen (12 Freiheitsgrade); eSR elektrisch ausgelöster Stapediusreflex; MCL „maximum comfortable level“, Unbehaglichkeitsschwelle
f(x) und y = g(x), die sich voneinander durch ein additives Polynom mindestens ersten Grades unterscheiden, fallen in der üblichen Analyse nicht durch einen hohen Korrelationskoeffizienten auf, obwohl sie exakt aus jeweils einander vorhersagbar sind. Dies macht deutlich, dass von der weiteren Erforschung des Nutzens objektiver Maße für die CI-Anpassung neue gewinnbringende Erkenntnisse erwartet werden dürfen.
Korrespondenzadresse
Fazit für die Praxis
Einhaltung ethischer Richtlinien
4 Für die Bestimmung der eCAP-
Schwellen („electrically evoked compound action potentials“) wurde ein Algorithmus entwickelt, der im Vergleich zum bisherigen Vorgehen einfacher und reliabler ist. 4 Auch für die eSR-Schwelle (elektrisch ausgelöster Stapediusreflex) wird durch die Einbeziehung von Diskriminationsfunktionen eine Verbesserung erzielt. 4 Beide Maße sind jedoch als alleinige Grundlage für die individuelle CIAnpassung noch nicht ausreichend; es gibt Hinweise darauf, dass die eABR („electrically evoked auditory brainstem responses“) hierzu besser geeignet sind.
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Prof. Dr. S. Hoth Universitäts-HNO-Klinik Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg, Deutschland
[email protected] Danksagung. Herrn Dr. Philipp Spitzer, Fa. MED-EL Innsbruck, Österreich, sei an dieser Stelle für die Mitwirkung bei der Auswertung der eCAP-Daten gedankt.
Interessenkonflikt. S. Hoth, I. Herisanu und M. Praetorius weisen auf folgende Beziehung hin: Unterstützung durch Fa. MED-EL bei Kongressreisen. Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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H.J. Welkoborsky, B. Wiechens, M.L. Hinni
Orbita Interdisziplinäres Management der Orbitaerkrankungen Stuttgart/New York: Thieme 2016, 383 S., 667 Abb., (ISBN: 978-3131773319), 299,99 EUR Die Behandlung von Erkrankungen der Orbita erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Damit gilt diese anatomische Region als Paradebeispiel für ein fächerübergreifendes Patientenmanagement. Aufgrund der besonderen anatomischen Konstellationen ist die Zusammenarbeit der Kopf-Hals-Fächer HNO, Ophthalmologie, Mund-KieferGesichtschirurgie sowie Neurochirurgie, aber auch weiterer Disziplinen wie z.B. Pathologie, Radiologie, Innere Medizin oder Strahlentherapie von entscheidender Bedeutung. Dies berücksichtigend, haben die Herausgeber es verstanden, eine Vielzahl von Experten der verschiedenen Fachrichtungen als Koautoren zusammenzuführen. Das Werk besticht durch eine sehr gute Didaktik und Übersichtlichkeit. So wird dem Leser zu Beginn die Anatomie umfassend rekapituliert, um nachfolgend auf die wichtigsten klinischen Untersuchungstechniken einzugehen. In diesem Zusammenhang wird die bildgebende Diagnostik im besonderen Maße berücksichtigt. Somit werden in den ersten Kapiteln wesentliche Grundlagen vermittelt. Die Vielzahl der verschiedenen vorhandenen Gewebe spiegelt sich in der Menge an möglichen Pathologien wider. Ausgehend von der okulären Adnexe werden extra- und intraokuläre ophthalmologische sowie die Orbita betreffende HNO-ärztliche und neurochirurgische Erkrankungen abgebildet. Dabei finden angeborene und auch erworbene Veränderungen inkl. Folgen von Traumata Beachtung. Im Hinblick auf die Therapie wird der Akzent auf die vielfältigen Möglichkeiten der chirurgischen Interventionen gelegt. Dabei wird auch auf strahlentherapeutische und anästhesiologische Aspekte eingegangen. Bezüglich der chirurgischen Interventionen werden Zugangswege und Techniken sehr gut dargestellt, was eine Übertragung in den klinischen Alltag ermöglicht. Zahlreiche didaktische Geschicke kommen den Lesern zugute. So werden wesentliche Inhalte als Merksätze formuliert. Wichtige Informationen, die im klinischen Alltag zu beachten sind, werden entsprechend mar-
kiert und benannt. Jedes Kapitel wird durch ein dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechenden Literaturverzeichnis abgerundet. Hier besteht für den Leser die Möglichkeit zur weiteren Vertiefung. Überflüssige Redundanzen finden sich nicht und das Buch ist in sich gut quervernetzt. Eine Besonderheit ist der Verweis auf online verfügbare Videos, welche der Leser durch einen QR-Code abrufen kann. Hierdurch wird der praktische Bezug auf gelungene Weise untermauert. Für den histologisch interessierten Kollegen sind viele feingewebliche Befunde der jeweiligen Erkrankung zugeordnet, so dass eine klinisch-pathologische Korrelation hergestellt wird. Trotz der Vielzahl an Koautoren wird der rote Faden nicht verloren. Das Buch weist eine gute Struktur auf und besticht durch die Vielzahl treffender Abbildungen, Schemazeichnungen, Tabellen und Schaubilder. Die einzelnen Kapitel reflektieren den breiten Wissensstand in hohem Maße. Dem Leser wird damit das aufwendige Studium einzelne relevanter Monographien erspart. Für den klinisch tätigen Kollegen, der in interdisziplinären Konferenzen Patienten mit Erkrankungen der Orbita betreut, ist dieses Werk wärmstens zu empfehlen. Es eignet sich dabei sowohl zur Grundlagenvermittlung als auch als Nachschlagewerk und schließt eine Lücke in der deutschsprachigen Literatur. J. Heichel, Halle/Saale
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