(Photo mit freundlicher G enehmig ung von Frau Kiithe Lorenzen. )
"24.3.1915
"['1.10.1994
PAUL LORENZEN (1915-1994)* CHRISTIAN THIEL
Paul Lorenzen wurde am 24. Marz 1915 in Kiel geboren. Er studierte yon 1933 bis 1938 in Kiel, Berlin und G6ttingen Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie und wurde 1938 in G6ttingen mit einer Arbeit tiber Abstrakte Begriindung der multiplikativen Idealtheorie summa cure laude promoviert; die Referenten waren Helmut Hasse und Carl Ludwig Siegel. 1939 wurde Lorenzen Assistent yon Wolfgang Krull in Bonn, mugte die wissenschaftliche Arbeit aber mit Ausbruch des 2. Weltkriegs unterbrechen und konnte sich (unter Vorlage einer Habilitationsschrift Ober halbgeordnete Gruppen) 1 erst 1946 in Bonn fur Mathematik habilitieren. Nach einer Gastdozentur in Cambridge 1948/49 erhielt er in Bonn ffir die Gebiete Mathematik und Geschichte der Mathematik zun~ichst eine Di~itendozenmr und 1952 eine augerplanm~igige Professur. Lorenzens rein mathematische Arbeiten (zu denen ich hier die Arbeiten zur mathematischen Logik nicht rechne) erstrecken sich, beginnend mit der 1939 ver6ffentlichten Dissertation, fiber zwei Jahrzehnte. Sie betreffen die Axiomatik der Gruppentheorie, halbgeordnete Gruppen, verbandstheoretische und andere algebraische Themen, aber auch Differentialformen und mehrdimensionale Integrale sowie Fragen aus Mengenlehre und Topologie.2 Ich erinnere mich auch, dag Lorenzens nur als Skriptum vorliegende Bonner Vorlesung fiber Differentialgeometrie yon 1954/55 in meiner Studienzeit als ,,Geheimtip" galt. Noch w~Jarend dieser Bonner Zeit jedoch wird sich Lorenzen zunehmend der Bedeutung der Grundlagenthematik ffir seine eigene Arbeit und ffir die yon ibm bearbeiteten Gebiete der Mathematik bewugt. 1951 gelingt ihm - fast gleichzeitig mit Hao Wang, aber unabh~ingig mit verbandstheoretischen Mitteln der Nachweis der Widerspruchsfreiheit der verzweigten Typentheorie mit Unendlichkeitsaxiom, aber ohne Reduzibilit~itsaxiom, was die Widerspruchsfreiheit der grundlegenden Teile der klassischen Analysis bedeutet. Technisch weniger komplex, abet in der Sache tiefer und in der Wirkung folgenreicher sind Lorenzens um die gleiche Zeit entwickelte Ans~itze zu einer konstruktiven Begrfindung der Mathematik. Ihren systematischen Anfang mit einer konstruktiven, von den Journal for General Philosophy of Science 27: 1-13, 1996. @ 1996 Kluwer Academic Publishers. Printed in the Netherlands.
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tiblichen ontologischen Voraussetzungen freien operativen Begrfindung der Logik legte Lorenzen als,,Protologik" in den Kant-Studien 1955/56 vor. In einem kurzen Entwurf ffir eine Selbstdarstellung seiner philosophischen Entwicklung bis 1961 - ich vermute, anl~Blich seiner Aufnahme in die G6ttinger Akademie der Wissenschaften- wird die Grundidee so beschrieben, dab ihr zufolge, im Gegensatz zum Hilbertschen Formalismus, die Mathematik nicht als ein bestimmtes tradiertes System von Operationen aufgefaBt wird, sondem als die Lehre vom Operieren nach irgendwelchen Regeln selbst. Eine umfassende Darstellung der Details und der Tragweite dieses Ansatzes sowohl ftir die klassische als auch ftir die Strukturmathematik erschien noch im gleichen Jahr 1955 unter dem Titel Einfiihrung in die operative Logik und Mathematik als Band 78 der bekannten ,,Gelben Reihe" bei Springer. Originalit~it und Bedeutung des Werkes ftir die Grundlagenproblematik der exakten Wissenschaften waren offensichtlich; Wolfgang Stegmfiller schrieb eine 22 Seiten umfassende Rezension ffir die Philosophische Rundschau, 3 Lorenzen erhielt und akzeptierte 1956 einen Ruf auf einen Lehrstuhl ffir Philosophie an der Universit~it Kiel, folgte 1957/58 einer Einladung als Visiting Member an das Institute for Advanced Study in Princeton und wurde 1960 als ordentliches Mitglied in die G6ttinger Akademie der Wissenschaften gewahlt. Die metamathematischen Arbeiten Lorenzens finden ihren Abschlul3 1962 in dem B~indchen Metamathematik, das den konstruktiven Gehalt der G6delschen Unvollst~indigkeits- und Unentscheidbarkeitss~itze darstellt, die nicht-geometrischen mathematischen Arbeiten 1965 in dem Buch Differential und IntegraL Eine konstruktive Einfiihrung in die klassische Analysis, das dem Andenken Hermann Weyls gewidmet ist, da es durch Aufgreifen einer Idee Weyls die beim operativen Aufbau der Analysis auftretende Unendlichkeit immer h6herer Sprachschichten zugunsten einer blofSen Unterscheidung zwischen ,,definiten" und ,,indefiniten" Quantoren bzw. Gegenstandsbereichen vermeidet. Lorenzens eigener lJberblick (1968.1) fiber die Entwicklung des protologisch-operativen Zugangs zur Logik bis zur Erweiterung und schliel31ich Abl6sung durch eine ,,dialogische" Konzeption muf5 heute erg~inzt werden durch den Hinweis auf die Bedeutung, die fundamentale Ideen und Methoden seines operativen Ansatzes (z.B. das Inversionsprinzip) neuerdings auf dem Gebiete der sog. Ktinstlichen InteUigenz, etwa beim Studium regelbasierter Systeme und in der Theorie der Logikprogrammierung, wiedergewonnen haben. Die zweite grol3e Phase seines Wirkens, zugleich die endgtiltige Etablierung im Gebiete der Philosophie, beginnt ffir Lorenzen mit der Annahme eines Rules auf den zweiten Lehrstuhl ffir Philosophie an der Universit~it
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Erlangen 1962. Nach Lorenzens eigenem Bekenntnis in seiner Gedenkrede zum Tode von Wilhelm Kamlah erfolgte dieser Wechsel ,,aus dem einzigen Grund, um mit Kamlah zusammenarbeiten zu k6nnen". 4 Tats~ichlich hatte sich Lorenzen im Jahr davor seinerseits bemfiht, Kamlah einen Ruf an die Universit~it Kiel zu verschaffen, und der philosophische Gedankenaustausch beider reichte mindestens bis in das Jahr 1954 zurtick. Mancher mag sich noch heute fragen, worin die Attraktivit~it einer Zusammenarbeit zwischen zwei nach Hintergrund und Wesen so verschiedenen Perstinlichkeiten liegen konnte. Sie lag offenbar in einer ,,Sache", einem Ziel, das sich ftir beide aus der als nahezu unertr~iglich empfundenen Lage in ihren bisher bevorzugten Arbeitsgebieten ergab. Dies wird deutlich in einem Aufsatz, den Lorenzen Wilhelm Kamlah zum 60. Geburtstag gewidmet und 1965 in der Zeitschrift Ratio unter dem Titel ,,Methodisches Denken" ver6ffentlicht hat - ein Aufsatz, in dem ich noch heute die eigentliche Programmschrift der Konstruktiven Wissenschaftstheorie sehe. Von der das neuzeitliche Denken beherrschenden deduktiven Methode wird festgestellt, dab sie weder von den Axiomen noch von den Schlugregeln eine fiber die faktische Bew~ihmng hinansgehende Rechenschaft gebe. Dies dagegen zu versuchen, heigt die Frage nach der Methode unseres Denkens zu stellen und diese als eine menschliche Leismng zu verstehen. Hier nun haben5 im Anschlul3 an Dilthey und Husserl [...] Misch einerseits und Heidegger andererseits deutlich gemacht, was das heil3t, dab das Denken vom Leben, vonder praktischen Lebenssituation des Menschen, auszugehen hat. Alles Denken ist eine Hochstilisierung dessert, was man im praktischen Leben immer schon tut. Der Philosoph miBversteht sich nicht mehr - wie es in der Neuzeit seit Descartes und Locke iiblich war - als ein Bewuf;tsein, das erst durch Empfindungen, Anschauungen und VerstandesschliJsse Kenntnis vonder Welt nehmen mull Die Welt ist ihm vielmehr das unmitttelbar Vor- oder Zuhandene. [...] Die Philosophie hat eine neue Unmittelbarkeit gewonnen.
Die methodischen Hilfsmittel des Denkens sind sprachliche Hilfsmittel, und so geht es darum, ffir alle Wissenschaften, ja ffir jede rationale Untersuchung und Argumentation grundlegende Mittel lfickenlos und zirkelfrei einzuffihren. Von der exemplarischen Einftihrung erster Pr~idikatoren ffihrt der Weg fiber Pr~idikatorenregeln zu einer Begriffslehre und zur Lehre vom Elementarsatz, zu den Grundlagen der Logik und zu einer Lehre yon der Abstraktion (die keine psychische, sondern eine sprachliche Operation ist), dann, sich in einzelne Gebiete verzweigend, zu Arithmetik, Analysis, Geometrie und Mechanik. Durchgeffihrt, wtirde das Programm einen methodischen Aufbau der Grundlagen der Wissenschaften liefern, der nach Meinung Lorenzens im gegenwartigen Wissenschaftsbetrieb fehlt.
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Eine erstaunlich ~ihnliche Sichtweise zeigt Kamlahs Diagnose der geistigen Situation der Zeit, die er dutch Stagnation einerseits, Verworrenheit andererseits gekennzeichnet sieht: 6 Woran es heute fehlt, ist nicht der geniale neue Einfall oder gar das avantgardistische Experiment - davon haben wir eher zu viel -, sondern die Disziplindes Denkens und des Redens, die uns endlich erm~Sglichenwtirde, unsere hoffnungslos gegeneinander aufgefahrenen Standpunkte und Meinungen abzubauen und, in aller Ruhe sozusagen, miteinander, in verntinftigem Gespr~ich, einen neuen Anfang zu machen. Die Disziplinlosigkeit des monologischen Drauflosschreibens und Aneinandervorbeiredens in fast allen Bereichen nicht allein der Philosophie und der Wissenschaft, sondern auch in der Literatur, der Kunstkritik, der Politik ist erschreckend, obwohlgerade dies von den Betroffenenmeist gar nicht bemerkt wird, well es Mal3st~ibeund Regeln des disziplinierten Dialogs nicht giN. Dies sind charakteristische S~itze vom Anfang des ersten Resultats der Erlanger Zusammenarbeit Kamlahs und Lorenzens, der 1967 erschienenen Logischen Propiideutik oder Vorschule des verniinftigen Redens. Der vielfach als provozierend empfundene Untertitel sollte dabei nur besagen, dab Logische Prop~ideutik ,,nicht lediglich eine Vorhalle der formalen Logik [sei], sondern die Lehre von den Bausteinen und den Regeln jedes vemtinftigen Redens" (a.a.O., S. 13). Die Motivation daf0r, sich auf einen elementaren Anfang erneut einzulassen, ist hier etwas ausftihrlicher beschrieben worden, weil die Logische Propiideutik deutlicher als sp~itere Schriften den Impetus verspiiren l~if3t, der sich yon den Autoren auf die Rezipienten dieses ,,Neuanfangs", d.h. die Leser und vor Ort die H6rer, tibertrug und erste schulbildende Impulse gab. Das B~indchen erwies sich als voller verlegerischer Erfolg und wurde in mehreren Bundeslandem sogar als Schulbuch akzeptiert.Als es 1973 eine zweite Auflage erlebte, erschien - hervorgegangen aus einer Llbersetzung der Normative Logic and Ethics, Lorenzens Oxforder John Locke Lectures von 1967/68 - auch schon die ,,Grundschule der technischen und praktischen Vemunft", die von Lorenzen gemeinsam mit Oswald Schwemmer verfagte Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschafistheorie (21975). Das Lehrbuch der konstruktiven Wissenschaftstheorie yon 1987, Lorenzens letzte Monographie, ist ein zweiter Versuch zur Fortsetzung der logisch-prop~ideutischen ,,Vorschule", jetzt unter der Bezeichnung als ,,Hauptschule der technischen und politischen Vemunft". Einzelheiten sind an dieser Stelle nicht angemessen darstellbar; Hinweise auf den Inhalt und Skizzen der Grundlinien mtissen gentigen. Zun~ichst jedoch soll die Liste der biographischen Daten abgeschlossen werden. Das Frtihjahr 1965 verbrachte Lorenzen als Gastprofessor an der Stanford University, das akademische Jahr 1965/66 als GaStprofessor an der University of Texas in Austin. Im Herbst 1966 war er Gastmitglied der Akademie der Wissenschaften in Moskau, und erhielt Rufe auf Lehrsttihle
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in Berlin, Bochum und Austin. Alle drei lehnte er ab, lehrte aber nun (von 1967 bis 1971) regelm~iBig im spring term als Gastprofessor in Austin, wo er 1968 zum full professor ernannt wurde. 1967 wurde er durch Zuwaht Mitglied der Acaddmie Internationale de Philosophie des Sciences mit dem Sitz in Brtissel, 1969 des Institut International de Philosophie in Paris. Von 1972 bis 1975 lehrte er als Gastprofessor an der Boston University. Einen Ruf nach Bielefeld 1974 lehnte er ab, eine Folge der Bleibeverhandlungen in Erlangen und Mtinchen war die Schaffung des Interdizipliniiren Instituts fiir Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte, das zwar im Grfindungskonzept von 1974 weit grogzfigiger geplant war als es dann 1979 verwirklicht wurde, aber auch in der jetzigen Form mit zwei Professoren, einem Akademischen Oberrat und zwei Honorarprofessoren weftvoile Arbeit durch die Erm6glichung der Kooperation unterschiedlicher Disziplinen unserer Universit~it in Forschung und gemeinsamen Lehrveranstaltungen, durch Symposien tiber Grundlagenfragen von Geistes- und Sozialwissenschaften sowie auf den Gebieten der Risikoforschung und der Technologiefolgenabsch~itzungleistet. Lorenzen lehrte bis zu seiner Emeritierung 1980 in Erlangen. Er erhielt die Ehrendoktorwtirde der Universit~it Rio de Janeiro-Niteroi 1973 und der Boston University 1985. Im Jahre 1984 verlegte er seinen Wohnsitz von Erlangen nach G6ttingen, wo er am 1. Oktober 1994 nach schwerer Krankheit verstorben ist. Philosophische Beitr~ige von beachtlichem Gewicht und bleibender Bedeutung (die nicht immer mit modischer Aktualit~it zusammenf~illt) hat Lorenzen auch fiber die Grundlagen der Mathematik und fiber den philosophisch-prop~ideutischenBereich hinaus geleistet. In enger Zusammenarbeit mit seinem damaligen Assistenten Kuno Lorenz entwickelte er die heute so genannte dialogische Logik, in der die Allgemeingfiltigkeit logischer Gesetze weder ontologisch noch als Allgemeinzul~issigkeit yon Regeln erkl~irt wird, sondern als Verffigbarkeit von Strategien ffir ihre Verteidigung als ,,Thesen" gegenfiber jedem kategorial zul~issigen Zweifel. Stilisiert man das Wechselspiel von Zweifel und Verteidigung als Argumentation zwischen einem ,,Proponenten" (oder ,,Defendenten") der These und einem ,,Opponenten" gegen dieselbe, so ergibt sich in den ,,Dialogspielen" eine tiberaus anschauliche Darstellungsform, die ich pers6nlich als die ffir den Logikunterricht fiberhaupt beste und ffir Untersuchungen fiber die metamathematisch entscheidende Differenz von klassischer und effekfiver Allgemeingtiltigkeit transparenteste ansehe. Ein einfaches Regelsystem ffir solche Dialogspiele findet sich in dem yon Lorenzen verfaBten 6. Kapitel der Logischen Propiideutik (1967, 21973), ein in der aulSeren Form davon abweichendes in dem in die 3. und 4. Auflage von Loren-
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zens G6schenb~indchen Formale Logik (31967, 41970) aufgenommenen Anhang ,,Die dialogische Interpretation der effektiven Logik". Uber den Ansatz im allgemeinen informieren die Beitrfige zu dem von Paul Lorenzen und Kuno Lorenz 1978 herausgegebenen Sammelband Dialogische Logik (DL). Aus den gleichen sechziger Jahren stammen Lorenzens erste Arbeiten zur Protophysik, einschlieglich einer protophysikalisch verstandenen Geometrie. Ausgehend yon der Feststellung, dab alle experimentellen Resultate der Wissenschaften durch Messung ermittelt werden, und Messungen im Fortgang der Wissenschaften zwar verbessert, aber nicht entbehrt oder entkr~iftet werden k6nnen, begannen Lorenzen und einige seiner Mitarbeiter, vor allem Peter Janich und Rfidiger Inhetveen, mit dem Aufbau von ,,Protodisziplinen" oder,,Prototheorien", deren Aufgabe und Inhalt die Normen oder Regeln sind, nach denen wir die Wiederholbarkeit yon Experimenten, genauer: von Messungen sichern. Der L~Jngenmessungnimmt sich die Geomettle als Theorie der reproduzierbaren Formen an - nicht so, daB etwa die Natur freundlich genug ist, uns zu jeder vorgenommenen Me ssung bei jeder weiteren Messung dasselbe Megergebnis zu liefern, sondern so, dab wir Normen des Messens derjeweils relevanten Gr6Be kennen, deren Erffillung uns aufgrund der beweisbaren Eindeutigkeit jener Normen zur rationalen Erwartung gleicher Resultate bei wiederholten Messungen berechtigt. Die Theorie der Zeitmessung - Chronometrie - ist fast ansschlieglich G~nze von Peter Janich entwickelt worden, zuerst in seiner Erlanger Dissertation von 1969; 7 die Theorie der Messung von Masse und Ladung ist immer noch umstritten, da m6glicherweise nicht mit protophysikalischen Mitteln allein begrfindbar. Unter den zeitgen6ssischen Konzeptionen zu einer Wissenschaftstheorie der Physik dtirfte die von Lorenzen inaugurierte Protophysik die einzige sein, die bewugt einem Prinzip der methodischen Ordnung folgt. DaB sie in kritischer Absicht und in Konkurrenz zu einer schon damals dominanten empiristischen und formalistischen Philosophie der Physik entwickelt worden war, erkl~t vielleicht die Heftigkeit der um die Protophysik geffihrten Kontroversen. DaB diese fundamentale Fragen der Geometriebegrfindung, der Physik, der Wissenschaftstheorie und der Philosophie der Wissenschaften ganz allgemein betreffen, zeigen die zum Thema erschienenen SammelNinde Protophysik (ed. Gernot B6hme, 1976) 8 und Protophysik und Relativitiitstheorie (ed. Joachim Pfarr, 1981)9; ein 1985 erschienenes Sonderheft ,,Protophysik heute" der Zeitschrift Philosophia Naturalis enth~ilt eine Zusammenstellung der bis 1984 zum Thema ver6ffentlichten Literatur, 1° und ein yon Eva Jelden herausgegebener Tagungsband Prototheorien - Praxis und Erkenntnis ?~1 gibt einen Uberblick fiber heutige
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Versuche, den Prototheorie-Gedanken auf weitere Disziplinen auszudehnen - Zeichen eines von Lorenzen ausgegangenen Anstol3es, der sich als philosophisch bedeutsam erwiesen hat und his heute in der Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts nachwirkt. Mit unguten Geffihlen ~iuBere ich mich fiber Lorenzens Beitrag zur praktischen Philosophie und zur Theorie der politischen Kultur nur kurz denn Rir ihn selbst hatten diese Fragen im Gang seiner intellektuellen Entwicklung zunehmend gr6Bere Bedeutung gewonnen. Rudolf K6tter und Riidiger Inhetveen haben in einem Nachruf auf Paul Lorenzen 12 mit Recht hervorgehoben, daB schon das Projekt, den methodischen Aufbau der Sprache auf lebensweltliche Bedtirfnisse zu stfitzen und theoretische Disziplinen als Stfitzen einer technischen Praxis zu fundieren, die Beantwortung der ,,Frage der vernfinftigen Ausrichtung und Organisation der lebensweltlichen Praxis selbst" (a.a.O., 325) notwendig macht. Es ist auch klar, dal3 wir nach der Rechtfertigung der Handlungen in der Lebenswelt fragen kOnnen, von denen unsere Rekonstruktionen ausgehen und denen wir in den Technologien und in der technologisch bestimmten Welt folgen insbesondere auch innerhalb der sogenannten ,,Sozialtechnologien", die sich an naturwissenschaftlichen Paradigmata orientieren. Traditionell sind dies Fragen der Ethik und der Moralphilosophie, doch w~ihrend Kamlah an der M6glichkeit einer ,,Individualethik" festhielt, bestand Lorenzen darauf, dal3 auf dem Gebiete der Politik die Transsubjektivitiit das einzige Prinzip ist, das fiber Situationen hinausffihren kann, in denen Machtbeziehungen allein bestimmend sind. Einstens nannte man dies die Frage nach der Gerechtigkeit, die auf Unparteilichkeit basiert. Nach frtihen Er6rterungen fiber die Begrfindbarkeit ethischer Normen in Argumentationen, deren Sprache Mittel der Modallogik oder deontischen Logik effordert, ersetzte Lorenzen in den sp~iten Schriften, z.B. im Lehrbuch von 1987, Ethik und Theorie des praktischen Wissens durch eine Theorie des politischen Wissens. Eine quasi wissenschaftliche Untersuchung von Prinzipien der Politik bleibt m6glich in dem Sinne, daf3 man ffir bestimmte Definitionen von Grundbegriffen und ffir Vorschlage yon Grundnormen argumentieren kann. Bestimmte Grundbegriffe der Ethik (die die Tradition ,,Tugenden" nannte) lassen sich schon vor den politischen Grundwerten definieren. Auch die primitivste politische Praxis erfordert ja, Rir das Zusammenleben der Menschen, eine Gemeinsamkeit des Erw~igens und der Argumentation. Ethik als Wissenschaft ist daher immer ,,Protopolitik", sie beginnt noch vor allen politischen Ordnungen oder Systemen als die Bemfihung um Aufrechterhaltung und Verbesserung der Kommunikation zwischen Menschen (mit dem Miteinanderreden) zum Zwecke des Miteinanderlebens. Das Transsubjektivit~itsprinzip verlangt die Formung der Menschen zu Per-
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sonen, die sich zu einer dialogischen Gemeinschaft zusammenschliel3en, in der die transsubjektive Ubereinstimmung mit Bezug auf Normen selbst die hOchste Norm ist. Dieses Prinzip beschreibt also keinen Zustand, sondern zeigt eine Richtung an. Es bleibt auch da als Forderung gtiltig, wo wir mit Lorenzen das in unseren gegenwikrtigen Gemeinwesen bestimmende Prinzip der Entscheidung durch Mehrheitsvotum, unter Umst~inden erreicht nur durch einen KompromiB, als unbefriedigende Notl6sung betrachten und durch Wege zu einem freien rationalen Konsens ersetzt sehen m6chten. Eine nicht kompromiB-, sondern konsensorientierte Politik theoretisch zu sttitzen, ist denn auch die Aufgabe der politischen Philosophie in Lorenzens Lehrbuch. Sie ist aufgegriffen worden in der Entwicklung einer modemen Unternehmensethik etwa bei Steinmann und L6hr, 13 ist jedoch in Konzepten der allgemeinen Tagespolitik, soweit ich sehe, bisher nirgends zur Wirksamkeit gelangt oder auch nur zur Kenntnis genommen worden. Das Erlanger Institut ftir Philosophie hat in Paul Lorenzen nicht nur einen erfolgreichen akademischen Lehrer, sondern auch einen in den achtzehn Jahren seiner dortigen T~itigkeit souver~in planenden und handelnden Vorstand verloren, die Friedrich-Alexander-Universit~it ErlangenNtirnberg einen Gelehrten, der sie durch sein hohes Ansehen im internationalen Leben der Wissenschaft und im Reich des Geistes wtirdig vertrat und ihrem Namen Ehre eintrug. Seine wissenschaftlichen Impulse wirken nach, und vieles, was in den hitzigen Kontroversen der sp~iten sechziger und frtihen siebziger Jahre mit analytischen Wissenschaftstheoretikern, Frankfurter Dialektikern und stidwestdeutschen Hermeneutikern, mit Popperianern und Transzendentalpragmatikern von ,,Erlangern" und ,,Konstanzern" verfochten wurde, wird heute ohne viel Aufhebens zum Bestandteil des analytischen Potentials jeder methodisch bemtihten Philosophie gerechnet und ist zur Selbstverst~indlichkeit geworden. Was sptirbar fehlt, ist Paul Lorenzens vitale Pers6nlichkeit, deren Anregungen heute selbst einstige Kritiker und Gegner vermissen. Als im Friihjahr 1995 mein Buch Philosophie und Mathematik erschien, das Lorenzens Anregungen viel verdankt und das ich daher auch seinem Andenken gewidmet habe, 14 rief mich ein ehemals Mtinchener Kollege an und meinte, trotz mancher Meinungsverschiedenheiten zur Sache finde er ja vieles in dem Buch ganz nett, aber so sagte er - ,,ein biBchen mehr pep wie einst bei Ihrem Meister h~itte der Sache bestimmt nicht geschadet". Sicher ging es dem Kollegen dabei nicht um den Unterhaltungswert, den Schriften und Vortr~ige Lorenzens gelegentlich auch haben konnten, sondern um das Engagement, die Intensit~it, mit der Lorenzen eine ganze philosophische Einstellung vorgelebt hat. Auch ich bin davon fief beeindruckt gewesen, bei aller Distanz, die ich gegentiber dem Sendungsbe-
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wuBtsein der Erlanger Schule der sechziger und frtihen siebziger Jahre hatte und habe. Was mich pers6nlich noch stoker beeindruckt hat und mir unvergeglich bleiben wird, ist das in den achtziger Jahren immer deutlichere Hervortreten einer Haltung der Geduld, Besonnenheit und Selbstdistanz, die ich erstmals bei einer kleinen Begebenheit in dem Geometrieseminar erlebte, das ich nach meiner Riickkehr nach Erlangen 1982 auf Einladung Lorenzens mit ihm zusammen durchftihren konnte. Ein Student, der ein Referat mit einem scheinbar schlichten, in Wahrheit aber doch subtilen Thema tibemommen hatte, blieb beim Vortrag eines Beweises stecken und gab ehrlich zu, die L6sung zur Fortsetzung nicht zu sehen. Lorenzen stand auf, legte sein Jackett ab, erbat sich yon dem Studenten die Kreide und ftihrte nun das Referat selbst zuende, in langsamen, durchsichtigen Beweisschritten, einzig bedacht auf das Verstehen ,,der Sache selbst" bei den Seminarteilnehmern, insbesondere bei dem steckengebliebenen Referenten, der m6glicherweise wirklich schlecht vorbereitet war, aber nicht das geringste Wort des Tadels zu h6ren bekam. Mir, der ich zehn Jabre von Erlangen fern gewesen war, erschien das als eine im Lehrbetrieb ganz erstaunliche Manifestation der Wahrhaftigkeit und Bescheidenheit, die ich an Lorenzen im privaten Umgang zwar seit langem kannte, der ich hier nun aber im Kontext gemeinsamer wissenschaftlich-philosophischer Arbeit begegnete, wo ich sie immer am meisten vermigt hatte - nattirlich nicht nur in Erlangen. Von dem ungemein regen Diskussionszusammenhang, der den Humus ftir die wachsende Erlanger Schule bildete, k6nnte die letzte ,~ugerung leicht ein schiefes Bild geben. Da herrschte keine bloBe Umtriebigkeit: selbst Studienanffinger sttirzten sich, bewaffnet zunachst mit der Logischen Propgideutik, spater mit dem nach der Nummer in der Serie des Bibliographischen Instimts jargonhaft als ,,B.I. 700" bezeichneten Taschenbuch yon Lorenzen und Schwemmer, in harte Arbeit. Lorenzen selbst war ein unermtidlicher Arbeiter, yon asketischer Lebensftihrung und geradezu kantischem PflichtbewuBtsein. Schon am frtihen Morgen sag er am Schreibtisch, sprach fast alle seine philosophischen Texte mit seiner Frau Kathe Lorenzen durch (die ihn auch oft in seine Lehrveranstaltungen begleitete), stellte sie dann in vervielf~iltigten Textfassungen in den Erlanger Seminaren zur Diskussion, und eine Zeitlang wurden sie auch noch beim Institutskaffee am Sp~itvormittag mit Assistenten und Hilfskr~iften durchgeackert. Obwohl Lorenzens Beitr~ige immer v o n d e r 0berzeugung gerade gewonnener Einsicht getragen waren, akzeptierte er sofort begrtindete Kritik, wie er auch in der Diskussion Kritiker stets sachlich zu tiberzeugen versuchte. Was er an Philosophischem iiugerte, war ihm, auch wenn es in der Form gelegentlich locker und spielerisch wirkte, augerordentlich
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ernst, u n d e r erwartete diese Ernsthaftigkeit auch yon seinen Diskussionspartnern. Ernstgemeinte Argumente nahm er auch ernst, doch wo er mangelnde Ernsthaftigkeit auch nur witterte oder gar f0berheblichkeit, da konnte er scharf werden. Manche haben ihm dies fibelgenommen, und ich gebe zu, oft selbst mit einer gewissen Betretenheit die schonungslose Kritik an dem einen oder anderen eingeladenen Gastvortragenden registriert zu haben, der Gedankenlosigkeiten von sich gab oder mit Rhetorik Argumentationslficken zu verdecken suchte. Ich mug aber auch sagen, dab ich Lorenzen dabei nie unfair erlebt habe. Niemals unbelehrbar, immer um rationalen Konsens bemfiht, sachlich kompromiBlos - so m6chte ich diese Haltung kennzeichnen, die manchmal stark zu kontrastieren schien mit Lorenzens GroBzfigigkeit und Toleranz im allt~iglichen Umgang, mit dem Witz, Einfallsreichtum und Humor, d e r auch seine Lehrveranstaltungen durchzog und ffir die Studenten attraktiv machte. Ich habe auch Studenten erlebt, die dies verkannten und Lorenzens Stil als nicht wirklich philosophisch empfanden (wie ja schwerverstandliche Tiefe in fast allen bisherigen Streitigkeiten um das Wesen wahrer Philosophie als Gegenpol zur angeblich seichten Klarheit ins Feld geffihrt worden ist). Eine weit gr6Bere Zahl yon Studierenden aber war empf/inglich ftir den Inhalt hinter der scheinbar gef~illigen Form und wurden zu begeisterten Anh/ingern, aus denen sich der Kreis konstituierte, der sp~iter - zun~ichst von ausw~irtigen Kritikern - als ,,Erlanger Schule" bezeichnet wurde. Diese ,,Erlanger Schule" war nicht nur ein Produkt Lorenzens und seiner Lehrt~tigkeit, sondern der Zusammenarbeit, Diskussion und fiber Jahre hinweg auch der gemeinsam mit Wilhelm Kamlah durchgeftihrten Oberseminare am Mittwoch Nachmittag mit den sich regetm~if3ig anschliegenden Nachsitzungen. Der engere Kreis der an den damals diskutierten Themen Interessierten konnte sich fiberdies zahlreicher Einladungen zu ,,Parties" im Hause und Garten der Lorenzens erfreuen, wo herzliche Gastfreundschaft die philosophischen Dispute beflfigelte und man auch G~iste von anderen Universit/iten naher kennenlernen konnte. Die Frische der Diskussion im Erlanger Kreis, der in der ersten Zeit yon aul3en miBtrauisch, wenn auch gelegentlich schon neidvoll be~iugt wurde, zog bald Lernbegierige von anderen Universit~iten des In- und Auslandes an. Aus dem Kreis der in den sechziger und siebziger Jahren hier Studierenden hat Lorenzen zw61f zur Promotion geffihrt, acht von ihnen haben sich habilitiert und sind heute selbst Professoren der Philosophie. Als Schule ist der Kreis nicht erhalten geblieben, doch als sich 1990 die einstigen Mitglieder in Marburg zu einer gemeinsamen Tagung trafen, 15 gab es zur allgemeinen Oberraschung tiber alle neu entstandenen Positionsgrenzen hinweg mehr Gemeinsamkeiten als jeder einzelne erwartet hatte - ffir mich selbst war,
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wie ich gem zugebe, der fair argumentierende und sachlich kooperative Stil der dort gefiihrten Streitgespr~iche weit eindrucksvoller, als es irgendeine Best~itigung fortbestehender Schulbindungen hatte sein k/Jnnen. Irgendetwas in den,,Goldenen Jahren" tier Erlanger Schule mui3 uns gepr~igt haben - und wie immer man es beschreiben mag, das Entscheidende daran werden wir wohl dem philosophischen Lehrer schulden, dem dieser Nachruf gewidmet ist. Ich bin nicht sicher, ob es nur ein eigenartiger Zufall ist, dab Lorenzens letzte gedruckte Arbeit demselben Bereich entstammt, dem auch seine ersten philosophischen Arbeiten angeh~ren. Sie ist ein Vortrag mit dem Titel ,,Konstruktive Philosophie der Mathematik", geschrieben ftir einen an der Universitat Leipzig im Marz 1994 durchgefiihrten Workshop, an dem Lorenzen dann, von seiner Krankheit schon schwer gezeichnet, nicht mehr teilnehmen konnte. 16 Am Anfang stehen einige knappe ,,grunds~itzliche i0berlegungen zur Konstruktiven Wissenschaftstheorie", in deren Verlauf Lorenzen zu seinem Lehrbuch der konstruktiven Wissenschafistheorie sagt, er habe sich dort ,,auf zwei Praxen beschr~inkt" (a.a.O., 19), n~imlich • eine technischePraxis des Umgangsmit Dingen, um Armut, z.B. Hungersn6te, zu verringern. • eine politische Praxis des Miteinanderredens, um Gewaltsamkeitenm~Sglichstzu vermeiden. In Unterscheidung zur fiblichen Machtpolitik m6chte ich eine Politik, die am friedlichen Konsens orientiertist, eine ethischePolitik nennen.Das Miteinanderredensetzt eine gemeinsameSprache,notfallsautorisierte(Jbersetzungenvoraus.Daftirsinddie natiJrlichen Sprachen nur unterder Bedingungbrauchbar, dab beijedemVerdachtauf Sprachmil3brauch ein gemeinsamerSprachgebrauchdurch eine methodischeKonstruktionerarbeitet werden kann. Und dann folgt eine ~iul3erst kondensierte, sehr inhaltsreiche Skizze eines methodischen Aufbaus der konstruktiven Mathematik sowie der Geometrie und der iibrigen Teile der Protophysik (die, wie oben angedeutet, zwischen konstruktiver Mathematik und empirischer Physik angesiedelt ist), bis hin zur Interpretation des relativistischen Impulsbegriffs und der relativistischen Gravitationstheorie. DaB er hier nur einen Anfang - immerhin freilich den ersten methodischen Anfang - machen konnte, war Lorenzen klar u n d e r hat es vor anderen nicht verheimlicht. In einem Brief vom April 1994 hat er mir auf meine Auf~erungen zu dem mir zugesandten Manuskript des Leipziger Vortrags geschrieben: Es ist yon mir der Versuchgewesen,noch einmal die Visioneines methodischenAufbaues aller sprachlichen Mittel zur Stiitzung der (zum Uberleben erforderlichen) technischen Praxis [zu skizzieren].Mir istjetzt deutlich,dab ich fiirdieses Traumzielin Kaufgenommen babe, viele Schritte nur anzudeuten, ohne reich um die mir bekannten ,,Bedenken" zu kiimmern. Wegen des Ziels der revidierten Weinbergschen Gravitationstheoriehabe ich
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CHRISTIAN THIEL
mich auf (trfige) Masse und Ladung beschr~inkt - und zur Betonung das Wort Protophysik (nach apriorischer L~inge und Dauer) auch fiir die Definition von Masse und Ladung verwendet. Auch die Deutung der speziellen Rel[ativitats]theorie als einer Revision der Impulsdefinition ist nur skizziert - viele Details sind mir selbst zweifelhaft. Die intellektuelle Redlichkeit dieser Worte, aus denen dennoch die berecht i g t e GewitSheit s p r i c h t , e i n e n w e i t tiber d e n B e r e i c h d e r r e i n e n W i s s e n s c h a f t h i n a u s w i c h t i g e n W e g a u f g e z e i g t zu h a b e n , h a t V o r b i l d c h a r a k t e r u n d e r s c h e i n t m i r als e i n k o n s t i t u t i v e s E l e m e n t j e g l i c h e n k o n s t r u k t i v - m e t h o d i s c h e n P h i l o s o p h i e r e n s . E i n e Vision ist k e i n e Utopie; P a u l L o r e n z e n w a r j e m a n d , d e r e i n e Vision z u e i n e m n i c h t n u r f a s z i n i e r e n d e n , s o n d e r n a u c h v e r t r a u e n e r w e c k e n d e n Leitbild m a c h e n k o n n t e .
ANMERKUNGEN * Revidierte und erweiterte Fassung einer bei der Akademischen Gedenkfeier ffir Paul Lorenzen an der Friedrich-Alexander-Universit~itErlangen-Nfirnberg am 10. November 1995 gehaltenen Rede, die zusammen mit der Ansprache des Dekans Friedrich L6sel und dem Vortrag yon Friedrich Kambartel in der Reihe der Ertanger Universitiitsreden im Druck erscheinen wird. l Ein Auszug aus dieser Arbeit wurde 1949/1950 unter gleichem Titel im Arch& der Mathematik, der vollst~indige Text 1950 in der Mathematischen Zeitschrifi gedruckt, vgl. Nr. 1949/1950.2 und 1950.1 der Bibliographie am SchluB dieses Heftes. 2 Eine Wtirdigung dieser frfihen rein mathematischen Arbeiten soil in einem Nachruf im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung erfolgen. 3 Philosophische Rundschau 6 (1958), 161-182. 4 Paul Lorenzen, ,,Denken um des Menschen willen" (vgl. 1976.4), 5. 5 ,,Methodisches Denken" (vgl. 1965.1), 2. 6 Wilhelm Kamlah/Paul Lorenzen, Logische Propiideutik (vgl. 1967), 11. 7 Peter Janich, Die Protophysik derZeit. BibliographischesInstitut: Mannheim/Wien/Zfirich 1969 (B.L Hochschultaschenbiicher, 517"*); Die Protophysik der Zeit. Konstruktive Begriindung und Geschichte der Zeitmessung. Suhrkamp: Frankfurt a.M. 1980 (Reihe Theorie). 8 Gernot B6hme (ed.), Protophysik. Fiir und wider eine konstruktive Wissenschaflstheorie der Physik. Suhrkamp: Frankfurt a.M. 1976 (Reihe Theorie-Diskussion). 9 Joachim Pfarr (ed.), Protophysik und Relativiti~'tstheorie. Beitriige zur Diskussion iiber eine konstruktive Wissenschaftstheorie der Physik. Bibliographisches Institut: Mannheim/ Wien/Zfirich 1981 ( Grundlagen der exakten Naturwissenschaften, Band 4). J0 Gerd H. H6velmann, ,,Bibliographie zur Protophysik und ihrer Rezeption und Diskussion". Philosophia Naturalis 22 (1985), Heft 1 (Rahmenthema ,,Protophysik heute"), 146156. Uber den Stand der Diskussion aus Sicht der konstruktiven Wissenschaftstheorie und fiber die neuere Literatur unterrichtet der Beitrag ,,Protophysik" yon Peter Janich in Band 3 der Enzyklopiidie Philosophie und Wissenschaflstheorie (J.B. Metzler: Stuttgart/Weimar 1995), 378-381. 11 Eva Jelden (ed.), Prototheorien - Praxis und Erkennntis? Leipziger Universit~itsverlag: Leipzig 1995 (Leipziger Schriften zur Philosophie, I).
PAUL LORENZEN (1915-1994)
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I2 Rudolf K~Stter/Riidiger Inhetveen, ,,Paul Lorenzen". Philosophia naturalis 32 (1995), 319-330. ~3Vgl. etwa Horst Steinmann/Albert L6hr (eds.), Unternehmensethik, C.E. Poeschel: Stuttgart 1989, 21991, oder dies., Grundlagen der Unternehmensethik, ibid. 1992, 21994. 14Christian Thiel, Philosophie und Mathematik. Eine Einfiihrung in ihre Wechselwirkungen und in die Philosophie der Mathematik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 1995 (Wissenschafl im 20. Jahrhundert. Transdisziplingire Reflexionen). 15 Die bei dieser Tagung gehaltenen Referate sind mit einem Vorwort des Herausgebers ver6ffentlicht in Peter Janich (ed.), Entwicklungen der methodischen Philosophie. Suhrkamp: Frankfurt a.M. 1992 (stw 979). 16 Die Beitr~ige zu diesem Workshop, darunter auch derjenige von Lorenzen, sind inzwischen zu einem Tagungsband vereinigt erschienen, vgl. Anm. 11 und Nr. 1995 der Bibliographie. Institut ftir Philosophie der Universit~it Edangen-Ntirnberg Bismarckstr. 1 D-91054 Erlangen