HeilberufeSCIENCE
K O N G R E S S E
Pflege 2010 – Abstracts der Fachvorträge und Workshops, Berlin, 29. und 30 Januar 2010
Inhalt 5
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Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff – was nun? Aus Sicht der Medizin – Ansprüche an die Pflege in der Geriatrie Ralf Jelkmann
Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht des Pflegemanagements Peter Bechtel
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Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Entstehung, neurobiologische Grundlagen und Diagnostik Karl-Heinz Biesold
Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Umgang mit Krisen im Rettungsdiesnt und bei der Feuerwehr Ralph Kipke
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Medikamentensicherheit Medikamentengabe im Altersheim – Fehlerrate
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Neue Lehr- und Lernmethoden/Bildungsmanagement Was braucht der Markt? Michael Breuckmann
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Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht der Berufspolitik Michael Breuckmann
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Risikomanagement und Patientensicherheit Fehlermanagment/Riskmanagement – das „Sicherheitskulturpaket der Charité Claudia Christ-Steckhan
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Ines Kohaupt, Andreas Gerber, Markus Lüngen
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Einführungsworkshop zum autogenen Training Wolf-Rainer Krause
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Risikomanagement und Patientensicherheit „Reden ist Silber ...“ – Umgang mit der Schweigepflicht Rechtliche Aspekte bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel Stephan Kreuels
Transparenz durch Prüfung?! Qualitätsberichte im Spannungsfeld zwischen Pflegepraxis, gesetzlichen Anforderungen und Öffentlichkeitswirksamkeit Stefan Dietsche
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Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen Aus Sicht des Sachverständigenrates laut Gutachten vom Juli 2001 Adelheid Kuhlmey
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Neue Lehr- und Lernmethoden/Bildungsmanagement Change-Management auch für Schulleitungen – Berufsbild im Wandel Carsten Drude
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Medikamentensicherheit Patientensicherheitsindikatoren zur Arzneimitteltherapiesicherheit S. Kuske, C. Lessing, A. Schmitz, M. Schrappe
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Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht der Gesundheits- und Krankenpflegeschulen Klaus Fritz
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Demenz Verschiedene Betreuungskonzepte Bernd Kwiatkowski
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Pflegediagnosen in der Pflegepraxis
Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen Aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft
Annette Heinwinkel-Otter
Bernd Metzinger
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Pflegebildung der Zukunft Entwicklung der Pflege in Europa Elisabeth Holoch Patientenedukation – neuer Begriff, alte Werte! Alter Wein in neuen Schläuchen? Zu Grundverständnis und Notwendigkeit Siegfried Huhn Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Ausbildung von Peers Herbert Jacobs
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So gewinnen und binden Sie Ihre Leistungsträger für die Pflege der Zukunft Thomas Müller
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Demenz – Differenzierte pflegerische Interventionen bei Depression und Demenz Rüdiger Noelle
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Demenz – Diagnostik und Behandlungsstrukturen von Demenzerkrankungen bei Migrantinnen und Miagranten in Deutschland Murat Ozankan
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
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Transparenz durch Prüfung?! Schulnoten für Pflegeeinrichtungen Peter Pick
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Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Erfahrungen aus Krisenintervention und Einsatznachsorge Sabine Ridder
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Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen Aus Sicht des Pflegemanagements Ludger Risse
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Neue Lehr- und Lernmethoden/Bildungsmanagement Individuelles Lernen durch Kooperation fördern Susan Rosen
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Risikomanagement und Patientensicherheit Risikoerfassung für Pflege- und Betreuungseinrichtungen Sascha Saßen
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Basics im Blick? Risikomanagement in der Pflege Sascha Saßen
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Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht der Hochschulen Ulrike Thielhorn
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Neue Informationstechnologien im Gesundheitswesen – Was hat die Pflege davon? Interfunktionale und intersektorale Integration der Behandlungsprozesse in ein elektronisches Netzwerk Silja Tuschy
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Vorsicht bissige Kollegen – Mobbing in Pflegeberufen Thomas Weiß
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Risikomanagement und Patientensicherheit Haftungsrechtliche Fallen für Pflegekräfte Thomas Weiß
Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht des Pflegemanagements Peter Bechtel Vorsitzender BALK e.V., Pflegedirektor Herz-Zentrum/Theresienklinik Bad Krozingen, Südring 15, 79189 Bad Krozingen In den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren hat sich eine Vielzahl von sogenannten Berufen in der Pflege entwickelt. Wir hören von „Casemanagern“ und „Caremanagern“, wir erleben „chirurgisch-technische Assistenten“ und „Arztassistenten“, wir reden von „Pflegeassistenten“, „Stationssekretärinnen“ und „Kaufleuten im Gesundheitswesen“, eingebürgert aus den USA haben wir „nurse practitioner“ und „advanced nursing practice“ und wir haben die grundständigen Studiengänge in der Pflege in Deutschland etabliert. Neu sind jetzt die „Phlebotomisten“, zuständig für die Blutentnahme! Die Aufzählung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, da es außerordentlich schwierig ist, überhaupt den Überblick in diesem Felde zu bekommen. Die Ausbildungsdauer in den jeweiligen Bereichen ist sehr unterschiedlich, reicht von drei Monaten bis zu zwei Jahren, bei den grundständigen Studiengängen bis zu vier Jahren. Einzig die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Kindergesundheits- und Kinderkrankenpflege ist einheitlich geregelt mit der Option für Projekte, beispielsweise der integrierten Ausbildung. Woran orientiert sich eigentlich diese Vielfalt an Ausbildungen und Studiengängen im Bereich der Pflege? Geht es hier zielgerichtet um die Frage, welche Qualifikationen wir künftig im Sinne eines Personalmixes brauchen, um bei einem Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen entsprechende Aufgaben mit hoher Qualität übernehmen zu können oder geht es eher darum, schnellstmöglich die „Löcher in der Praxis zu stopfen“, die aufgrund der allgemeinen Finanzierungsproblematik entstanden sind? Selbst bei konzentrierter Betrachtung fällt es schwer, eine einheitliche Ausrichtung der Bildungskonzepte zu erkennen, taucht doch jetzt beispielsweise in der Praxis schon die Frage auf, wo denn die „studierten Pflegenden“ eingesetzt werden sollen. Sind das jetzt die besser Pflegenden oder die anders Pflegenden? Fragen, die selbst aus dem Pflegemanagement nicht ad hoc beantwortet werden können. Basierend auf diesen Thesen brauchen wir dringend eine zukunftsweisende Strategie in der Profession Pflege, damit die Bildungsmaßnahmen an der Frage ausgerichtet werden können, wer künftig im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung welche Aufgabe mit welcher Qualifikation, mit welcher Qualität und um welchen Preis übernimmt. Wenn es dann noch gelingt, diese Fragestellungen an den Bedürfnissen der Patienten zu orientieren, bringt die Profession Pflege einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung pflegerischer Versorgung unserer Bevölkerung.
HeilberufeSCIENCE 2010; 3 (5): 4–20 DOI 10.1007/s00058-010-1702-1
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Entstehung, neurobiologische Grundlagen und Diagnostik Dr. med. Karl-Heinz Biesold Leitender Arzt Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotraumatologie, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Lesserstr. 180, 22049 Hamburg Nach extrem belastenden Erlebnissen können die Betroffenen anhaltende behandlungsbedürftige psychische Syndrome entwickeln. Die „Posttraumatische Belastungsstörung“ (F43.1) (Synonyme: PTBS, PTSD) ist neben Depressionen und anderen Angststörungen die bedeutsamste und am besten untersuchte Traumafolgestörung. Um den Begriff des Traumas nicht inflationär für jedes belastende Lebensereignis zu benutzen, definiert die ICD-10 der WHO es als „eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung für die Sicherheit oder körperliche Unversehrtheit des Betroffenen oder anderer Personen, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde (Katastrophen, Kampfhandlungen, schwere Unfälle, Zeuge gewaltsamen Todes, Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung“. Prämorbide Faktoren können den Verlauf beeinflussen, sind aber weder nötig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Das heißt auch jeder psychisch stabile, gesunde Mensch kann davon betroffen werden, unabhängig von Alter, Vorbildung, Ausbildung und allgemeiner psychischer Belastbarkeit, wenn die traumatischen und peritraumatischen Verhältnisse entsprechend überwältigend sind. Es gilt die Regel: „Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine angemessene Reaktion einer normalen Person auf eine unnormale pathogene Situation.“ Das klinische Erscheinungsbild der PTBS ist gekennzeichnet durch eine Reihe von Einzelsymptomen wie Intrusionen, Flashbacks, belastenden Alpträumen, erhöhtem psycho-physiologischen Erregungsniveau, emotionaler Abstumpfung und Amnesien. Hervorgerufen wird diese Störung mit einer Latenz von einigen Wochen bis zu Monaten nach einem Belastungsereignis von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß. Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine PTBS zu entwickeln. Eigenschaften des Traumas selbst, die initiale psychopathologische Symptomatik sowie Kognitionen tragen zur Entwicklung einer PTBS bei. In dem in das Thema einführenden Vortrag sollen das Krankheitsbild der PTBS sowie andere traumaassoziierte Krankheitsbilder und Komorbiditäten dargestellt, die Neurobiologie von Stress und traumatischem Stress erläutert und diagnostische Probleme erörtert werden.
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Neue Lehr- und Lernmethoden/Bildungsmanagement Was braucht der Markt? Michael Breuckmann Vorsitzender BLGS e.V., Geschäftsführer Akademie für Gesundheitsberufe gGmbH, Wuppertal, Vogelsangstr. 106, 42109 Wuppertal Die aktuellen Diskussionen im Gesundheitsbereich zeigen deutliche Veränderungen in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens. Betroffen sind alle Fachberufe des Systems. Neben Forderungen der Berufsverbände und anderer Institutionen haben auch die Gutachten des Sachverständigenrates der Bundesregierung sowie aktuelle Gesetzgebungen zu diesen Veränderungen beigetragen, die nicht nur auf die nationale Ebene begrenzt sind. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel in den kommenden Jahren zu einer deutlich verschärften Situation innerhalb des Gesundheitsmarktes führen wird. Die Marktsituation im Gesundheitswesen stellt sich derzeit sehr heterogen dar. Neben Personalreduktion in klassischen Berufsfeldern kommt es zunehmend zu neuen Bereichen, in denen unterschiedlich qualifizierte Fachkräfte benötigt werden. Auf die neuen Herausforderungen reagiert die Bildungslandschaft unterschiedlich und orientiert sich teilweise zunehmend an der Marktsituation. Als Beispiel sind hier der Chirurgie-Assistent, die Etablierung von Studiengängen an privaten Hochschulen oder die Überlegung einer Universität, einen Bachelorstudiengang unterhalb der Arztqualifikation einzurichten, zu nennen. Einflussfaktoren sind unter anderemTrägerschaft, Finanzierung sowie politische Entscheidungen. Die oben genannten Einflussfaktoren, Markterhebungen sowie Ergebnisse aus Forschungen, Gutachten und Modellversuchen werden einer kritischen Würdigung unterzogen. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die berufliche Bildung wie zum Beispiel systemische Verortung, Kompetenzorientierung oder Neuverteilung von Versorgungsaufgaben werden dargestellt und begründet.
Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht der Berufspolitik Michael Breuckmann Vorsitzender BLGS e.V., Geschäftsführer Akademie für Gesundheitsberufe gGmbH, Wuppertal, Vogelsangstr. 106, 42109 Wuppertal Der Bedarf der Gesellschaft an professioneller Pflegeleistung erhöht sich aktuell und wird für die Zukunft von allen Beteiligten als deutlich ansteigend bezeichnet. Gründe dafür sind die demografische Entwicklung, der Wandel des Krankheitsspektrums sowie sozialpolitische Folgeprobleme einer modernen Industriegesellschaft. Weitere Aspekte betreffen Entscheidungen zur sektorenübergreifenden Versorgung sowie die Zunahme der Schnittstellen. Aus der Sicht der Profession Pflege wird neues Wissen und Können gebraucht. Nur durch professionelles Pflegehandeln ist ei-
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
ne hohe pflegerische Versorgungsqualität der Gesellschaft gewährleistet. Nicht zuletzt verlangt die internationale Entwicklung eine dringend notwendige Angleichung deutscher Bildungswege und Qualifikationsniveaus. Der unter anderem vor diesem Hintergrund entstandene grundlegende Paradigmenwechsel in der pflegerischen Ausbildung hat in weiten Teilen positive Resonanz ausgelöst. Zentrale Einflussfaktoren für die Realisierung des Wechsels sind jedoch die Finanzierung, die Zusammenführung der Ausbildungen und die systemische Verortung. Bildungsträger und deren Einrichtungen werden sich zunehmend auf Auseinandersetzugen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen einstellen müssen. Auswirkungen möglicher zukünftiger Pflegebildung könnten unter anderem sein: unterschiedliche Qualifikationsniveaus; pflegerische Erstqualifikation auf beruflicher und hochschulischer Ebene; die Weiterentwicklung pflegerischer Studiengänge; verstärkter Wettbewerb; Marktkonsolidierung.
Risikomanagement und Patientensicherheit Fehlermanagement/Riskmanagement CIRS – das „Sicherheitskulturpaket“ der Charité
chen der Charité durchgeführt. Ärzte und Pflegekräfte, die bei der Betreuung der Patienten mitgewirkt haben, nehmen gemeinsam an diesen Besprechungen teil. Durch die gemeinsame Analyse der Pflege- und Behandlungsverläufe unter dem Blickwinkel „Was hätten wir besser machen können?“ wird für die Zukunft gelernt und es kommt zu einer ständigen Verbesserung der Arbeitsweise und Abläufe im Klinikalltag. Die Evaluationsergebnisse dieser drei Projekte aus dem Jahr 2008 werden vorgestellt, sowie die daraus resultierenden Implikationen. Mit den vorgelegten Projekten ist es gelungen, entscheidende Fortschritte auf dem Weg hin zu einer offenen und lernenden Fehler- und Sicherheitskultur zu initiieren.
Transparenz durch Prüfung?! Qualitätsberichte im Spannungsfeld zwischen Pflegepraxis, gesetzlichen Anforderungen und Öffentlichkeitswirksamkeit
Claudia Christ-Steckhan Zentrales Qualitätsmanagement, Stabsstelle der Klinikumsleitung, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Dipl.-Psych. Dr. Stefan Dietsche Stellvertretender Wissenschaftlicher Leiter, eqs.-Institut, Dipl.-Psych. Dr. Christoph Löschmann Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer, eqs.-Institut, Privatinstitut für Evaluation und Qualitätssicherung im Gesundheits- und Sozialwesen GmbH, Heselstücken 7, 22453 Hamburg
Die Thematik der Fehlerprävention und Patientensicherheit im Gesundheitssystem gewinnt stetig an Bedeutung. Damit einhergehend finden Veränderungen in der Fehler- und Sicherheitskultur statt. Zunehmend wird nicht nur offen über Fehler geredet, sondern es wird die Chance der Wertschöpfung für den zukünftigen Pflege- und Behandlungsalltag erkannt. Den Ärzten und Pflegenden kommt bei der Identifizierung und potenziellen Vermeidung von Fehlern eine herausragende Bedeutung zu. Die Charité verfolgt in diesem Zusammenhang gezielt einen berufsgruppenübergreifenden Ansatz und zeigt im Hinblick auf Patientensicherheit und Risikomanagement ein sehr hohes Engagement. Vorgestellt werden die drei wesentlichen Charité-Projekte aus diesem Themenkreis: 1. Risikomanagement Weblog 2. CIRS(Critical Incident Reporting System)-Charité 3. Berufsgruppenübergreifende Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (M&M-Konferenzen) Im Risikomanagement Weblog im Intranet der Charité werden regelmäßig Fehlerberichte veröffentlicht. Einmal im Monat wird der Fehler des Monats dort publiziert, der besonders relevant für den Pflege- und Behandlungsprozess ist. Das CIRS Charité ist von jedem Rechner der Charité aus zu nutzen. Fehlerberichte werden hier von Ärzten und Pflegenden anonym gemeldet. In Folge werden die Berichte analysiert und es werden Präventionsstrategien für die Zukunft entwickelt und umgesetzt. Im Rahmen des Projektes Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen werden regelmäßige strukturierte Besprechungen besonders schwerer Krankheitsverläufe vorrangig in den Intensivberei-
Der Verbreitungsgrad von Qualitätsberichten unterscheidet sich stark in den verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens: In der Akutversorgung ist die regelmäßige Veröffentlichung gesetzlich verankert, auch in der Rehabilitation sind Qualitätsberichte inzwischen gängige Praxis. In der stationären Altenpflege hingegen sind Qualitätsberichte noch nicht sehr verbreitet. Einige Betreiber haben auf freiwilliger Basis Berichte erarbeitet und veröffentlicht, andere im Zuge einer Zertifizierung nach KTQ-Pflege. Durch das eqs.-Institut wurde die Erstellung eines Qualitätsberichts für die Pflegeeinrichtungen der Marseille-Kliniken AG koordiniert, der sich an den Anforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für den Akutbereich orientiert. Die gesetzlichen Anforderungen an die Transparenz der Qualität der Altenpflege sind gestiegen; Einrichtungen und ambulante Dienst werden – ab 2011 jährlich – nach standardisierten Kriterien geprüft und die Ergebnisse einheitlich veröffentlicht. Darüber hinaus bieten Qualitätsberichte eine gute Möglichkeit, Aufbau und Ergebnisse des eigenen Qualitätsmanagementsystems darzustellen und können so gut die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen und deren Ergebnisveröffentlichungen ergänzen. Beispiele für relevante Informationen, die über die Transparenzkriterien nicht abgedeckt sind, sind die Prävalenzen von Pflegeproblemen und Angaben zur Mitarbeiterfluktuation. Ein Qualitätsbericht ist ein gutes Mittel für einen Betreiber, die eigenen Qualitätsbemühungen und Ergebnisse darzustellen, sollte sich dabei aber nicht auf Werbung beschränken, sondern zu einem ehrlichen Umgang mit Stärken und Schwächen beitragen. Grundlage der Qualitätsberichterstattung sollte ein Qualitätsma-
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nagementsystem und das hierauf basierende Kennzahlensystem sein, auch um eine zu willkürliche Auswahl von dargestellten Strukturen, Prozessen und Ergebnissen zu vermeiden. Ein so zusammengestellter Qualitätsbericht erhöht die Transparenz und liefert relevante Informationen für Bewohner, Interessierte, Kostenträger, Prüfbehörden und die Fachöffentlichkeit.
Neue Lehr- und Lernmethoden/Bildungsmanagement Change-Management auch für Schulleitungen – Berufsbild im Wandel Carsten Drude M. A. Schulleiter und Geschäftsführer, Katholische Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe Dortmund gGmbH, Sonnenstr. 171, 44137 Dortmund Die geänderten Strukturen von Bildungseinrichtungen im Gesundheitswesen haben zahlreiche Konsequenzen zur Folge, die sich unmittelbar auf das Handeln als Schulleiter auswirken. So war es bis vor einigen Jahren noch üblich, dass kleine Schulen mit direkter Anbindung an ein Krankenhaus oder Pflegeheim Normalität waren, aktuell jedoch mehr und mehr Schulungs- und Bildungszentren als Zentral- oder Verbundschulen existieren oder gegründet werden. Das Angebot der Ausbildungszweige beinhaltet dabei in der Regel mehrere verschiedene grundständige Ausbildungen im Gesundheitswesen. Häufig ist auch ein Fort- und Weiterbildungsbereich angekoppelt. Da sich häufig auch die Rechtsform dieser Bildungszentren im Gesundheitswesen ändert oder geändert hat, wird an die Schulleitung eines solchen Zentrums ein komplett neues Anforderungsprofil herangetragen. Schulleitungstätigkeiten der unmittelbaren oder mittelbaren Geschäftsführung ist in vielen Bildungszentren Alltag. Abschließend wird die Rolle des Bildungsmanagers dargestellt, nicht nur mit Focus auf erforderliche betriebswirtschaftliche Kompetenzen, sondern gerade im Hinblick auf Führungs- und Leitungshandeln, auf Teamentwicklungsprozesse und auf Möglichkeiten der Organisationsanalyse.
Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht der Gesundheits- und Krankenpflegeschulen Dr. Klaus Fritz Regionalverbund kirchlicher Krankenhäuser (RkK) gGmbH, Sautierstr. 1, 79104 Freiburg Nachdem die Ausbildung in der Krankenpflege fast 20 Jahre ohne größere Veränderungen durchgeführt wurde, trat mit dem 1. Januar 2004 ein längst überfälliges neues Krankenpflegegesetz in Kraft. Damit wurde nicht nur eine neue Berufsbezeichnung – Gesundheits- und Krankenpflege – eingeführt, sondern es wurden unterschiedliche Modellausbildungen auf den Weg gebracht, die neben der streng an das Krankenpflegegesetz und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung orientierten Ausbildung neue
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Möglichkeiten schufen, um die Ausbildungsstrukturen und letztlich auch den Beruf voran zu bringen. Nach nunmehr sechs Jahren der „neuen“ Ausbildung scheint die Pflegebildung wieder an einem Scheideweg zu stehen: Mögliche Unzufriedenheit mit der klassischen Ausbildung, unterschiedliche Modellausbildungen, grundständige Studiengänge an den Hochschulen und nicht zuletzt die immer währende Frage nach dem europäischen Vergleich erhöhen zum einen den Diskussionsbedarf, verlangen zum anderen jedoch nach einer Klärung, unter Umständen nach einer Form der Sicherheit. Die Frage, wohin die Ausbildung gehen wird, erfordert einen interdisziplinären Dialog aller an Ausbildung und an der Gestaltung der Berufe in der Pflege Beteiligten. Ausbildung/ Pflegebildung kann nicht losgelöst betrachtet werden von den Erfordernissen an den Pflegeberuf, an die Notwendigkeit, Pflege professionell in unserer Gesellschaft auszuüben – besonders im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die sich verändernde Familien- und Lebensstruktur. Dass Pflegende mehr denn je gebraucht werden, ist allen Verantwortlichen klar. Dass zwischen der Möglichkeit, den Bedarf an Pflegenden zu decken, und der Attraktivität des Berufes ein direkter Zusammenhang besteht, scheint von manchen Verantwortlichen nicht gesehen zu werden. Attraktivität eines Berufes beginnt allerdings bereits mit der Ausbildung.
Pflegediagnosen in der Pflegepraxis Annette Heuwinkel-Otter Gesundheits- und Krankenpflegerin, Journalistin, Fachbuchautorin, Leopoldstr. 108b, 80802 München Anke Nümann-Dulke Gesundheits- und Krankenpflegerin, Dipl. Pflegepädagogin (FH), Kluskampstr. 29, 32657 Lemgo Die Anforderungen an Pflegende haben sich in den letzten Jahren stark verändert, da ist beispielsweise der Trend zur ambulanten Versorgung und Kundenorientierung, Verdichtung der Arbeitsprozesse, Zunahme der hochaltrigen Patienten verbunden mit Multimorbidität. Zudem wird über eine Aufgabenverlagerung vom ärztlichen auf den pflegerischen Dienst diskutiert, unter anderem ob Pflegende zukünftig selbstständig Hilfsmittel und/oder ausgewählte Medikamente verschreiben dürfen. Des Weiteren werden in den nächsten 20 Jahren durch die steigende Anzahl der Pflegebedürftigen circa 500.000 Pflegende zusätzlich notwendig. Aber schon jetzt fehlen Nachwuchskräfte im Pflegeberuf. Der Anteil des Pflegepersonals unter 35 Jahren ist im Zeitraum von 1997 bis 2007 von 48,4% auf 32,8%, das heißt um 15,6% gesunken (Statistisches Bundesamt). Daraus resultiert: Die Anforderungen im Pflegeberuf, auch aus rechtlicher Sicht, steigen, aber Konzepte für eine nachhaltige Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit für Pflegende sind bislang rar beziehungsweise fehlen gänzlich [Knapp, 2009]. Die Arbeit mit Pflegediagnosen sichert die Beschäftigungsfähigkeit für Pflegemitarbeiter. Sie erleichtern die Dokumentation und die Auswahl der Pflegemaßnahmen, das heißt die Arbeit mit Pflegediagnosen ist zeitsparend. Außerdem beinhalten Pflegedi-
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agnosen eine verstärkte Rechtssicherheit und ermöglichen Pflegenden, Hilfsmittel und Medikamente zu verschreiben. Denn ohne das Stellen einer Diagnose wird letzteres nicht möglich werden. Vor allem in ambulanten Pflegediensten ist das Verordnen von Hilfsmitteln ein wichtiges Thema, was die Arbeit immens erleichtern könnte. Ambulante pflegerische Dienstleistungen begründen sich auf die Pflegebedürftigkeit der betroffenen Menschen und damit auf pflegerische Diagnosen. Dadurch entstand und entwickelt sich eine einheitliche pflegerische Fachsprache, die jeder Mitarbeiter versteht. Der Pflegeaufwand kann anhand der Pflegedokumentation konkret erhoben und nachgewiesen werden. Der Einsatz von Pflegediagnosen führt zu mehr Effizienz, da durch sie die Struktur- und Prozessqualität gefördert wird. Außerdem tragen sie zur Berufszufriedenheit bei und fördern die (Rechts-)Sicherheit im beruflichen Alltag. Dieses wiederum würde sich positiv auf die Verweildauer im Pflegeberuf auswirken. Allerdings ist Voraussetzung, dass Pflegende trotz Arbeitsbelastung den Mut für etwas Neues aufbringen und ihre gewohnten Arbeitsabläufe modifizieren. Nur Pflegende selbst können ihre Situation vor Ort verändern, andere werden es nicht tun, auch wenn sich das viele Pflegende noch so sehr wünschen.
Pflegebildung der Zukunft Entwicklung der Pflege in Europa Dr. Elisabeth Holoch Bildungszentrum Klinikum Stuttgart, Hegelstr. 4, 70174 Stuttgart Pflegefachpersonen in ganz Europa sehen sich vor gemeinsame Herausforderungen gestellt, die aus gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Entwicklungen und der Schaffung eines europäischen Hochschulraums (Bologna-Prozess) resultieren. Bei einer eher oberflächlichen Betrachtung zeigen sich gemeinsame Tendenzen, mit denen die Ausbildungen in den Pflegeberufen auf diese Herausforderungen reagieren. Analysiert man die Ausbildungssysteme der verschiedenen europäischen Länder aber genauer, so zeigt sich zurzeit noch eine recht heterogene europäische Bildungslandschaft in der Pflege. Sowohl aus bildungspolitischer als auch aus pflegefachlicher Perspektive sind gestufte und in sich schlüssige Pflegebildungssysteme in besonderem Maße für die weitere Entwicklung der Pflegebildung in Deutschland von Interesse. Deshalb wird im Vortrag auf Beispiele gestufter Bildungssysteme aus dem europäischen Ausland genauer eingegangen und ein Bezug zum europäischen Qualifikationsrahmen und zum Stand des deutschen Qualifikationsrahmens hergestellt.
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Patientenedukation – neuer Begriff, alte Werte! Alter Wein in neuen Schläuchen? Zu Grundverständnis und Notwendigkeit Siegfried Huhn Krankenpfleger, Gesundheitspädagoge, Hagelberger Str. 46, 10965 Berlin Beratungssituationen sind für beruflich Pflegende Alltag. Anlässe dazu ergeben sich außerordentlich häufig und begleiten den gesamten Pflegeprozess. Meistens ergeben sie sich spontan. Klienten haben – zumindest in bestimmten Krankheitsphasen – ein gesteigertes Informationsbedürfnis, und die Pflegepersonen sind in der Regel die ersten Ansprechpartner. Patientenedukation setzt an diesem Informationsbedürfnis an und bietet strukturiert Informationen, Beratung und Schulungen an. Ziel ist die Verbesserung des Gesundheitszustandes, der Handlungskompetenz und des Selbstmanagements. Die Klienten erlangen mehr Sicherheit in der Alltags- und Lebensgestaltung, kennen Symptome, erkennen Komplikationen und können mit Beschwerden umgehen. Beratung bezieht die Klientensicht ein, die persönliche Erfahrung und das Wissen über Alltagsgestaltung und Problembewältigung. Professionelle Beratung (Patientenedukation) stellt Fachwissen zur Verfügung und hilft im Entscheidungsprozess. Gemeinsam mit dem Klienten werden Lösungsmöglichkeiten gesucht, die mit den Bedürfnissen des Patienten, den Notwendigkeiten aus dem Krankheitsgeschehen und den Möglichkeiten des professionellen Hilfeangebots in Übereinstimmung gebracht werden. Der Beitrag zeigt die Möglichkeiten der Patientenedukation auf. Erläutert werden die Schritte an gelungenen – und vielleicht auch weniger gelungenen – Praxisbeispielen. Dabei werden sowohl direkte Formen im Patientenkontakt, aber auch indirekte durch Informationsbroschüren etc. vorgestellt.
Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Ausbildung von Peers Dipl.-Psych. Herbert Jacobs Institut für den medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr, Abteilung psychische Gesundheit, Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin In Krisensituationen und noch mehr in der Einsatznachsorge nach Extremereignissen werden für die psychosoziale Betreuung Betroffener und zur Prävention von psychischen Folgeschäden Teams mit sogenannten „Peers“ eingesetzt. Das sind Personen, die den Betroffenen im Hinblick auf den beruflichen und gegebenenfalls auch persönlichen Erfahrungshintergrund möglichst ähnlich sind. Ihre Aufgaben bestehen in der Durchführung von und Mitwirkung bei Einzel- und Gruppengesprächen sowie Großgruppeninformationen zur psychosozialen Betreuung und Screeningmaßnahmen zur Ermittlung von Personen mit erhöhtem Störungsrisiko. Dazu müssen Peers die Schilderungen, Erlebnisse und Reaktionen von Betroffenen einordnen können, sie im Ge-
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spräch verständnisvoll begleiten, die Reaktionen erklären und Hinweise zu ihrer Bewältigung geben. Außerdem müssen sie die erwähnten Screeningmaßnahmen anwenden können. Daraus leiten sich die Ausbildungsinhalte ab: Unterrichtung über psychische Folgen von Extremereignissen (Stress und Stressreaktionen, Extremereignisse, Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung, Schockphase, Einwirkphase, PTBS, einfache Bewältigungsstrategien); Vermittlung begleitender Gesprächsführung (authentische, wertschätzende einfühlsame Grundhaltung und kontrollierter Dialog); Aufbau und Durchführung der Gespräche mit Übungen im Rollenspiel; Anwendung der Screeningmaßnahmen. Die Ausbildung erfolgt bei der Bundeswehr in Form eines Lehrgangs von zwei Wochen Dauer. Innerhalb von fünf Jahren ist ein Auffrischungslehrgang von einer Woche Dauer erforderlich.
Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff – was nun? Aus Sicht der Medizin – Ansprüche an die Pflege in der Geriatrie Dr. Ralf Jelkmann Am Neuen Garten 31, 14469 Potsdam Seit jeher muss sich unsere Gesellschaft den Herausforderungen des Wandels stellen. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren der Begriff des „demografischen Wandels“ stark strapaziert worden. Es darf jedoch niemand die Augen vor der Veränderung in der Gesellschaft schließen, die dazu führt, dass sich die Bevölkerungsschichten zu Gunsten der hoch- und höchstbetagten Mitbürger verschiebt. Es ist in den kommenden Jahren nicht nur mit einer Verdoppelung sondern mit einer Vervielfachung des Anteils der Höchstbetagten zu rechnen. Durch diese gesellschaftliche Verschiebung folgt nicht nur ein struktureller Wandel in der Bevölkerung sondern sie erfordert für viele Bereiche des täglichen Lebens ein Umdenken und die Bereitschaft, sich auf die neue Situation vorzubereiten. So ist es auch und insbesondere für die Pflege in einem Krankenhaus, in einem Pflegeheim, beim ambulanten Pflegedienst und für die Home Care-Pflege unerlässlich, sich hier zu informieren, zu schulen und neue Aspekte im Umgang nicht nur mit den Patienten sondern auch mit den Angehörigen und Therapeuten einzustudieren. Zweifellos bedeutet der Umgang mit hoch- und höchstbetagten eine enorme physische und psychische Belastung. Hier sind die Arbeitgeber und Berufsverbände gefragt, nicht nur in dem Umstand, dass dem Berufsfeld der Pflege bei steigenden Belastungen im Berufsalltag eine gerechtere Vergütung sondern auch mehr Respekt entgegengebracht werden sollte.
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Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Umgang mit Krisen im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr Dr. med. Ralph Kipke Brand und Katastrophenschutzamt, SGL Aus- und Fortbildung Rettungsdienst, Louisenstr. 14 –16, 01099 Dresden Im Rettungsdienst steigen die Einsatzzahlen jährlich um 5–7%. Der Einsatzalltag wird zunehmend auch von psychosozialen Krisensituationen bestimmt. Die Rettungsdienstmitarbeiter sind also steigenden Arbeitsbelastungen ausgesetzt und an ihre psychosozialen Kompetenzen werden höhere Ansprüche gestellt. In der Ausbildung sind Themen wie Stressbewältigung, Kommunikation und Gesprächsführung, Konfliktmanagement sowie akute Krisenreaktionen etc. nicht Ausbildungsbestandteil. Im Gegensatz zum Rettungsdienst sind in den deutschen Feuerwehren überwiegend ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Da der Einsatz in der eigenen Gemeinde beziehungsweis am Wohnort erfolgt, sind die Opfer manchmal Angehörige oder nahe Bekannte. Hier ist die Vereinbarkeit von ehrenamtlichem Engagement und Privat- und Berufsleben problematisch. In der Ausbildung sind psychosoziale Themen ebenfalls nicht vorgesehen. Auch Berufsfeuerwehrleute sind meist ungenügend auf die psychischen Belastungen vorbereitet. In Untersuchungen zu Belastungsstörungen von Rettungsdienstlern und Feuerwehrleuten konnte gezeigt werden, dass die Arbeit auf Feuer- und Rettungswachen mit hohen Arbeitsbelastungen und geringen Ressourcen zu einer Zunahme von BurnoutSymptomen führen. Das Risiko, an traumabedingten Symptomen zu leiden, steigt in Abhängigkeit von mangelnder Unterstützung und Kontrolle. Die Autoren schlussfolgern, dass Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung gezielt ergriffen werden und Aus- und Fortbildung zu psychosozialen Themen erfolgen sollten. Bei Großschadensfällen der Vergangenheit war die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die psychosoziale Nachsorge gerichtet. Hilfsangebote werden unter dem Begriff „Psychosoziale Notfallversorgung“ zusammengefasst. Eine Prävention von Belastungsstörungen muss durch gezielte Schulungs- und Einsatznachsorgemaßnahmen erfolgen und ist weiterhin Gegenstand von Studien. In den Organisationen sollten nach einer dienststellenbezogenen Problemanalyse gezielte Maßnahmen der Gesundheitsförderung angewendet werden. Aus- und Fortbildung – vor allem von Führungskräften – kommen eine herausragende Bedeutung zu. Einsatznachsorgemaßnahmen sollten als eine Möglichkeit der sekundären Prävention etabliert und dann angeboten werden, wenn die Helfer diese Unterstützung akzeptieren und anfordern. Am Beispiel der psychosozialen Notfallversorgung in Dresden wird gezeigt, wie gesundheitsfördernde Maßnahmen entwickelt werden können.
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
Medikamentensicherheit Medikamentengabe im Altersheim – Fehlerrate Ines Kohaupt, Andreas Gerber, Markus Lüngen Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie Klinikum der Universität zu Köln, Gleueler Str. 176–178, 50935 Köln Hintergrund: Derzeit gibt es in Deutschland nur wenige Erkenntnisse über die Qualität des Stellens von Arzneimitteln in Pflegeheimen. Ziel der prospektiven Studie war es, die Fehlwürfe beim Stellen fester oraler Arzneimittel quantitativ zu erheben und die Fehler nach Schweregraden zu bewerten. Methode: Die Studie wurde in drei Pflegeheimen über einen Zeitraum von acht Wochen durchgeführt. Kontrolliert wurden die Tagesdosetten, das heißt Dosetten mit allen festen oralen Darreichungsformen für einen Tag für einen Bewohner. Die Fehlwürfe wurden in sieben zuvor definierten Kategorien eingeteilt: falscher Zeitpunkt der Einnahme, falsche Dosierung, falsches Medikament, fehlendes Medikament, überzähliges Medikament, inkorrekte Tablettenteilung und beschädigtes Medikament. Im Anschluss wurden die Fehlwürfe anhand einer validierten Methode durch einen Arzt, einen Apotheker und eine Krankenschwester in ihrer klinischen Schwere bewertet. Ergebnis: Eingeschlossen in die Untersuchung wurden 196 Pflegeheimbewohner. Insgesamt wurden 8.798 Tagesdosetten kontrolliert. Das entspricht einer Gesamtzahl von 48.512 überprüften Medikamenten. Im Durchschnitt erhielt jeder Pflegeheimbewohner 5,4 Medikamente als feste orale Dauermedikation pro Tag. Bei 53 % der Bewohner sind ein oder mehrere Fehlwürfe aufgetreten. Insgesamt wurde eine Fehlwurfrate von 1,3 % bezogen auf 48.512 überprüfte Arzneimittel ermittelt, beziehungsweise 7,3 % bezogen auf die Tagesdosetten. Den größten Anteil der Fehler nimmt mit 49,1% die inkorrekte Tablettenteilung ein. In absteigender Reihenfolge nach Häufigkeit wurden die Kategorie fehlendes Medikament mit 22,0 %, überzähliges Medikament mit 9,8 %, falscher Zeitpunkt der Einnahme mit 8,4 %, beschädigtes Medikament mit 6,4%, falsche Dosierung mit 4,2% und falsches Medikament mit 0,2% erhoben. 31,3 % der Fehler, die in ihrer klinischen Schwere beurteilt wurden, sind als leichte Fehler, 65,6 % als mittelschwere Fehler und 3,1% als schwere Fehler eingestuft worden. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass die Qualität beim Stellen der Medikation in deutschen Pflegeheimen nach wie vor verbessert werden kann, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Handlungsbedarf besteht in allen Fehlerkategorien, aber insbesondere in der Tablettenteilung.
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Einführungsworkshop zum autogenen Training Dr. med. Wolf-Rainer Krause Chefarzt Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit Tagesklinik, Harz-Klinikum Wernigerode-Blankenburg, Thiestr. 7 – 10, 38889 Blankenburg Bei der Hypnose dürfte es sich um die älteste Psychotherapiemethode überhaupt handeln. In der Regel wird für einen Patienten ein Therapeut gebraucht. Als in den 1920er-Jahren des letzten Jahrhunderts der Psychotherapiebedarf immer größer wurde, entwickelte der Berliner Professor Johannes Heinrich Schultz aus der Fremdhypnose eine Selbsthypnose. Er nannte sie das „Autogene Training“. Diese Selbstentspannungsmethode ist inzwischen weltweit verbreitet. Sie wird als das Basispsychotherapeutikum angesehen und von besonderem Vorteil ist, dass sie mit verschiedenen weiteren Psychotherapiemethoden kombiniert und auch prophylaktisch eingesetzt werden kann. Das autogene Training erlernt man besonders gut in Gruppen von 12 bis 15 Personen. Wie jedes Therapieverfahren, das so lange existiert, hat es mittlerweile auch Veränderungen erfahren. Mehrfach wurde versucht, es zu optimieren. Uns ist bei sogenannten Therapieversagern, die gerade am Anfang der Übungen nichts verspüren, die Unterstützung mittels selbst entwickelter Biofeedbackgeräte (siehe auch wiederholte Publikationen im Magazin Heilberufe zu Beginn der 1980er-Jahre) hilfreich. Ursprünglich als ärztliche Therapiemethode eingeführt, ist es heute Praxis, dass unter ärztlicher beziehungsweise psychologischer Supervision MitarbeiterInnen aus anderen medizinischen Berufen als Lehrende zum Einsatz kommen. Nur so ist der große Bedarf zu decken. Durch Schichtarbeit und Arbeitsverdichtung herrscht in der heutigen Pflege ein erhöhter Stress. Dies führt häufig zu psychosomatischen Erkrankungen und einem erhöhten Krankenstand. Der Autor möchte seine jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem autogenen Training vorstellen. Das eigentliche Erlernen zum Beispiel über die Volkshochschulen oder Indoor-Seminare erstreckt sich über Monate.
Risikomanagement und Patientensicherheit „Reden ist Silber …“ – Umgang mit der Schweigepflicht. Rechtliche Aspekte bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel Stephan Kreuels Rechtsanwalt, Voßgasse 3, 48143 Münster Nicht erst seit Einführung der elektronischen Gesundheitskarte steht das Thema Datensicherheit und Schweigepflicht wieder im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Die fortschreitende interdisziplinäre Versorgung von Patienten und Bewohnern schafft in gleichem Maße zunehmend Schnittstellen zwischen den beteiligten Professionen. Dabei arbeiten Ärzte und Pflegekräfte stets im Spannungsfeld zwischen pflegerisch notwendigem Informationsbedürfnis und dem verfassungsmäßig gesicherten Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Privatsphäre. Hinzu treten sowohl im kli-
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
nischen Bereich als auch in der ambulanten und stationären Altenpflege gesetzliche Pflichten zur Offenbarung geheimer Informationen, so zum Beispiel im Rahmen der Meldepflicht des Infektionsschutzgesetzes. Der Vortrag zeigt auf, welche Informationen im klinischen und pflegerischen Alltag der gesetzlichen Schweigepflicht oder vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Es werden Risikobereiche und praxisgerechte Lösungen aufgezeigt.
Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen Aus Sicht des Sachverständigenrates laut Gutachten vom Juli 2007 Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey Institut für Medizinische Soziologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Thielallee 47, 14195 Berlin Der Vortrag befasst sich mit der Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Gesundheitsberufen und deren Entwicklung. Die Frage nach dem effizienten und effektiven Einsatz der Potenziale unterschiedlicher Berufsgruppen im Gesundheitssystem wird forciert durch neue Anforderungen an alle Gesundheitsberufe. Neue Herausforderungen entstehen aus der Zunahme älterer Patienten mit chronischen und multimorbiden Leiden und den veränderten Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten, aber auch aus gewandelten Versorgungsstrukturen, neuen technischen Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie sowie der zunehmenden Akademisierung vieler Gesundheitsberufe und nicht zuletzt aus regionalen Versorgungsengpässen und der Notwendigkeit, auch in Zukunft hinreichend ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Nachwuchs zu rekrutieren. Die Diskussion um den Neuzuschnitt von Aufgaben im Gesundheitswesen erzeugt bei den Berufsgruppen Konkurrenzgefühle, Ängste und Vorbehalte, nicht zuletzt deshalb, weil die heutige Berufsstruktur, die Zuordnung von Tätigkeitsbereichen, die Verordnungshoheit von Leistungen historisch entstanden sind und damit eine lange Tradition haben. Der Vortrag beginnt deshalb mit Ausführungen zu Gesundheitsberufen in Deutschland und zu deren Positionen im Gesundheitssystem. Danach werden gegenwärtige Probleme der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe beleuchtet und Vor- und Nachteile arbeitsteiliger Prozesse, zum Beispiel Tätigkeitsübertragungen und Spezialisierungen, diskutiert. Neue Anforderungen an die Gesundheitsberufe werden als Begründung für den Wandel der Kooperation dargestellt, die Ziele dieser Neuordnung benannt sowie Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit angesprochen. Schließlich werden nationale und internationale Beispiele für eine andere Gestaltung der Arbeitsteilung kurz vorgestellt. Der Vortrag schließt mit Ausführungen zur Akzeptanz neuer Kooperationsformen der Gesundheitsberufe durch die Nutzer des Gesundheitssystems.
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Medikamentensicherheit Patientensicherheitsindikatoren zur Arzneimitteltherapiesicherheit S. Kuske, C. Lessing, A. Schmitz, M. Schrappe Institut für Patientensicherheit der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Hintergrund: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat im Rahmen geltender Gesetze und unter Berücksichtigung unerwünschter Arzneimittelereignisse (UAE), welche vermeidbar gewesen wären, den „Aktionsplan 2008/2009 zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit (AMTS) in Deutschland“ beschlossen. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS e. V.) wurde mit der Durchführung des Projektes „Patientensicherheitsindikatoren zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTSPSI): Internationaler Status, Übertragung auf das deutsche Gesundheitswesen und Expertenbewertung“ mit folgenden Zielen beauftragt: Identifikation und Zusammenführung nationaler und internationaler AMTS-PSI, die Bewertung ihrer Eignung durch ein Expertenpanel sowie die Beurteilung der internationalen AMTS-PSI hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf das deutsche Gesundheitswesen. Methodik: Die Methodik des Projektes umfasst vier wesentliche Schritte: 1. Die systematische Recherche zur Identifizierung von AMTSPSI in der Literatur auf nationaler und internationaler Ebene. In diesem Schritt sind insgesamt unter Berücksichtigung der Einund Ausschlusskriterien 385 AMTS-PSI für die weitere Auswahl und Bewertung identifiziert worden. 2. Die kriterienbasierte Auswahl der Patientensicherheitsindikatoren. 3. Die Handsuche zur Ermittlung der weiterführenden Literatur, um die AMTS-PSI ausführlich, zum Beispiel anhand wissenschaftlicher Gütekriterien beschreiben zu können. Die Grundlage hierzu war das kriterienbasierte QUALIFY-Instrument. 4. Die Expertenbewertung (zweistufiges Delphi-Verfahren) zur strukturierten Beurteilung, der in Schritt 2 ausgewählten 20 AMTS-PSI. Ebenfalls war die Grundlage hier das QUALIFY-Instrument. Ergebnisse: Durch die oben beschriebene Methodik sind 20 AMTS-PSI aus dem ursprünglichen Set von 385 AMTS-PSI herausgefiltert worden. Sie zeichnen sich durch eine hohe thematische Relevanz für die Patientensicherheit aus. Anhand der Expertenbewertung wurden 14 von diesen 20 AMTS-PSI als geeignet und auf das deutsche Gesundheitswesen übertragbar identifiziert. Schlussfolgerung: Für die zukünftige Forschung bieten die 14 AMTS-PSI aufgrund vieler erfüllter Gütekriterien die Basis für eine weitere Operationalisierung. In Zukunft ist im Rahmen des vom BMG geförderten Folgeprojektes des APS e. V. „Validierung, Anwendung und Populationsbezug von Patientensicherheitsindikatoren: Internationaler Status und Spezifizierung für das deutsche Gesundheitswesen“ eine Erweiterung und Vertiefung der bisher erarbeiteten Ergebnisse geplant. Dieses Projekt geht weit über die systematische Recherche internationaler PSI und Exper-
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tenbefragungen hinaus und bezieht zudem empirische Studien mit ein. Nicht nur PSI bezogen auf den einzelnen Leistungserbringer (Provider-Level), sondern auch sektorübergreifende PSI (AreaLevel) werden eine bedeutende Rolle spielen.
Demenz Verschiedene Betreuungskonzepte Bernd Kwiatkowski, BBA, M.A. Moselstr. 15, 40822 Mettmann Demenzbezogene Milieutherapie Unter „Milieutherapie“ wird bewusstes therapeutisches Handeln zur Anpassung der materiellen und sozialen Umwelt an die krankheitsbedingten Veränderungen der Wahrnehmung, des Empfindens, des Erlebens und der Kompetenzen der Demenzkranken verstanden. Die Milieutherapie soll dem Demenzkranken trotz zunehmender Adaptionsstörungen an die Umwelt ein menschenwürdiges, ihrer persönlichen Lebensgeschichte angepasstes und möglichst spannungs- und stressfreies Leben ermöglichen. Leitziel der Milieutherapie ist es, den äußeren Rahmen und die Ebenen der Begegnung an den Krankheitsprozess anzupassen und nicht die Krankheit an die Bedingungen einer Einrichtung. Die Milieutherapie soll die emotionalen, kognitiven, physischen und sensorischen Einschränkungen des Kranken ausgleichen und ein weitgehend ungestörtes, menschenwürdiges und der persönlichen Lebensgeschichte angepasstes Leben ermöglichen. Dies kann auf mehreren Ebenen verwirklicht und in den Seniorenheimen umgesetzt werden. Die „therapeutische Bushaltestelle“ Ein Wartehäuschen mit Bank, ein VER-Schild, ein Papierkorb, ein Fahrplan: Alle Elemente der Bushaltestelle wirken echt. Doch der Halt steht nicht an der Straße sondern im Garten des Seniorenzentrums Vogelsang in Gevelsberg. Die Attrappe ist eine therapeutische Bushaltestelle für Demenzkranke des Hauses. Demenzkranke sind unruhig, sie wollen nach Hause zu ihren Eltern fahren, obwohl sie seit Jahren in der Einrichtung wohnen. Für ihre Fahrt, die sie unbedingt antreten wollen, steht die markante Bushaltestelle parat, die sie aus früherer Zeit kennen. Sie wirkt auf die Demenzkranken beruhigend, weil sie einen bekannten Ort darstelle. In dem Wartehäuschen können Demenzkranke anderen Menschen begegnen, Gespräche führen – auch stundenlang. Irgendwann haben sie vergessen, wohin sie ursprünglich wollten. Aber der kleine Ausflug in den Garten beruhigt ihren Drang. Entsprechend gut wird die neue „Haltestelle“ genutzt. Verschönerung der Wohnbereiche durch Wandmalerei Eine weitere Möglichkeit, die umgesetzt wurde, war die Verschönerung des geschlossenen Wohnbereiches. Da eine schöne Dekoration an den Wänden aufgrund der in dem Wohnbereich lebenden Menschen, die diese sofort wieder von der Wand nahmen, sich als äußerst schwierig gestaltete, reifte die Idee, biografiegeleitet Motive an die Wände im Aufenthaltsbereich zu malen. Der Farbgebung wurde bei der Gestaltung von Heimen in der Vergan-
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genheit oft zu wenig Beachtung geschenkt. Farben können jedoch einerseits zur Orientierung der Bewohner beitragen, zum Beispiel durch eine farbliche Unterscheidung der einzelnen Etagen oder Wohnbereiche. Farben haben andererseits zugleich Einfluss auf die Stimmungslage von älteren Menschen. Farbpsychologische Erkenntnisse sollten bei jeder Gestaltung eines Bereiches für dementiell Erkrankte berücksichtigt werden. Die Suche nach neuen Konzepten und die Umsetzung derselben setzt eine besondere Haltung aller Mitarbeiter voraus. Das Wissen um das Krankheitserleben und Bewältigungsstrategien, Einfühlungsvermögen und Geduld sind genauso wichtig, wie die Wertschätzung der eigenen Person und Freude an der Pflege.
Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen Aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. med. Bernd Metzinger MPH Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V., Dezernat 1, Wegelystr. 3, 10623 Berlin Zur Zeit können circa 5.000 Arztstellen in deutschen Krankenhäusern nicht besetzt werden. Tendenz steigend. Neben Maßnahmen zur Förderung der ärztlichen Ausbildung und zur Gewinnung von Ärzten für die Tätigkeit am Patienten im Krankenhaus ist es daher auch erforderlich, über eine neue Verteilung der Aufgaben innerhalb der Berufsgruppen des Krankenhauses nachzudenken. Die Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen kann grundsätzlich auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen, nämlich in Form einer Delegation ärztlicher Tätigkeiten sowie in Form einer Neuordnung von Tätigkeiten. Hierbei meint Delegation die angeordnete Übertragung von Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen, wobei die Tätigkeit weiterhin originärer Bestandteil der ärztlichen Berufsausübung bleibt. Dagegen kommt es bei einer Neuordnung zu einer Neu-Allokation beziehungsweise Substitution von Tätigkeiten. Wesentliches Kennzeichen hierbei ist, dass die originären Zuständigkeiten anders gestaltet werden. Es können nur solche Aufgaben delegiert werden, die relativ einfach im Verhältnis zum Kenntnisniveau des Übertragungsadressaten, relativ ungefährlich im Verhältnis zum Gesundheitszustand des Patienten und durch den nicht-ärztlichen Mitarbeiter absolut beherrschbar sind. Kurzfristig umsetzbar ist die Delegation für einzelne, genau definierte Tätigkeiten, wobei abhängig von der Patientengefährdung folgende Qualifikationen zu unterscheiden sind: Ausbildung oder Weiterbildung (z. B. Dokumentation) Ausbildung und Einweisung (z.B. venöse Blutentnahme) Qualifizierende Ausbildung (z.B. intramuskuläre Injektion) Qualifizierende Ausbildung und spezifische Schulung, Delegation nur im Einzelfall (z. B. intravenöse Injektion) Qualifizierende Ausbildung und strukturierte Weiterbildung, Delegation nur im Einzelfall unter Aufsicht eines Arztes (z. B. Applikation von Zytostatika) Sofern Tätigkeiten, die eine höhere Sorgfaltspflicht auslösen, auf nicht-ärztliche Berufsgruppen übertragen werden, erfordert das
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auch entsprechend umfangreiche und zeitintensive Weiterbildungen. Bei der Neuzuordnung der Tätigkeiten sind darüber hinaus auch zeitliche Mindestanforderungen an die Ausbildungszeit oder die berufliche Tätigkeit zu stellen. Beispiele hierfür sind: Nichtärztliche Chirurgieassistenz bei operativen Eingriffen Casemanagement Wundpflegemanagement Schmerzmanagement Neben einer erheblichen Entlastung für den Ärztlichen Dienst kann die Übertragung dieser Tätigkeiten auch zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität der Leistungserbringung führen. Unter veränderten Rahmenbedingungen (gesetzliche/untergesetzliche Normen) wären bei entsprechend hoher Qualifikation nicht-ärztlicher Mitarbeiter auch weitere Möglichkeiten denkbar wie zum Beispiel Parallelnarkosen in der Anästhesie oder Endoskopien durch Pflegekräfte, wie dies im Ausland zum Teil bereits etabliert ist. Wichtig in diesem Zusammenhang ist neben der Einbeziehung neuer Berufe, wie beispielsweiseoperationstechnischer Assistenten, auch die Weiterentwicklung der Pflegeberufe, zum Beispiel in Modellprojekten nach § 63 Abs. 3c SGB V zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde im Krankenhaus.
So gewinnen und binden Sie Ihre Leistungsträger für die Pflege der Zukunft Thomas Müller Kompetenzkoordinator, conQuaesso Personalberatung, contec GmbH, BioMedizinZentrum Ruhr, Universitätsstr. 136, 44799 Bochum Für Anbieter von Pflegeleistungen stellt der stetig wachsende Veränderungsdruck eine Herausforderung dar, wodurch es immer wichtiger wird, Instrumente des Personalmarketings mit einzubeziehen. Dabei ist Ressource Personal zu berücksichtigen, die als Konsequenz, um am Markt erfolgreich zu sein, ihren Fokus auf zwei Zielgruppen richtet: Nachfrager und Personal. Und hier kommt das Personalmarketing ins Spiel. Die zentralen Bausteine des Personalmarketings sind Gewinnung, Auswahl, Einarbeitung und Bindung von qualifizierten Fach- und Führungskräften. Ziel ist es, gegenwärtige Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden sowie ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, um neues, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Definiert ist dies als „internes“ und externes“ Personalmarketing, das sich stets in einer reziproken Wechselwirkung befindet, denn nur was drinnen im Unternehmen gilt und gelebt wird, kann nach draußen kommuniziert und glaubhaft gemacht werden. Personalmarketing ist auch „Produktpolitik“, die alle Facetten des Arbeitsplatzes berücksichtigt, die den Anbieter von der Konkurrenz unterscheiden, sowie „Entgeltpolitik“, die alle Leistungen beinhaltet, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern zukommen lässt. Des Weiteren sind die „Kommunikationspolitik“ und „Distributionspolitik“ zu erwähnen, die die Auswahl adäquater Personalsuchwege beziehungsweise Akquisitionskanäle umfasst. Als Instrumente des Personalmarketings haben sich unter anderem monetäre Leistungsanreize, partizipationsorientierte Füh-
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rungsmodelle, Vorgesetztenfeedbacks, regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, sowie eine regelmäßige Kommunikation innerhalb des Unternehmens und zu den Mitarbeitern bewährt. Coachings, Mentoring- und Patenprogramme führen zu einer erhöhten Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation. Zu den Erfolgsindikatoren des Personalmarketings zählen somit die Qualität und Anzahl der Bewerbungen, eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit, eine geringere Fluktuation und eine langfristige Sicherung qualifizierter Mitarbeiter. Zudem werden eine attraktive Außenwirkung und ein hoher Bekanntheitsgrad erzielt. Neben dem Personalmarketing trägt auch die Strategieentwicklung zu einer überlegenen Marktleistung sowie Marktposition bei, welche sich gegenseitig bedingen. Dabei ist die Strategie die Basis der Existenz. Nicht außer Acht zu lassen ist die Integrationsfunktion des Marketings: Marketing vereint das Unternehmensleitbild, das Qualitätsmanagement, die Personalführung und das Pflegeleitbild eines Unternehmens.
Demenz Differenzierte pflegerische Interventionen bei Depression und Demenz Diakon Rüdiger Noelle M.A. Dipl.-Pflegewirt, Pflegerische Leitung der Abteilung Gerontopsychiatrie, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld, Bethesdaweg 12, 33617 Bielefeld Zahlreichen Studien zufolge weisen bis zu 50% der Demenzerkrankten auch Symptome einer Depression auf. Besonders das eigene Symptomerleben verschwimmt im Bereich beginnender demenzieller Problematiken und dem Erleben einer Altersdepression. Die Einbußen in der körperlichen wie der geistigen Leistungsfähigkeit werden bewusst wahrgenommen und fördern ein depressives Erleben. Versagensängste und körperliche Beschwerden unterstützen das negative Wahrnehmen der aktuellen Lebenssituation. Die Elemente einer klinischen Abgrenzung zwischen einer depressiven Pseudodemenz und der Demenz lassen sich – theoretisch – leicht nebeneinander stellen (Tab. 1). In der Praxis stellen sich Gesundheitsprobleme im Alter allerdings immer in hoch komplexen Situationen dar. Grenzen zwischen gesund und krank lassen sich, besonders bei vorliegenden chronischen Erkrankungen, nicht mehr eindeutig festlegen. Die alltäglichen Befindlichkeiten und die davon abhängigen Fähigkeiten lassen sich am ehesten auf einer Krankheitsverlaufskurve wie sie von Juliet Corbin und Anselm Strauss als theoretische Grundlage vorgeschlagen wird abbilden. Auf dieser Grundlage ist es die Aufgabe der professionellen Pflege, ihre durch die Beziehungskonstanz erworbenen Eindrücke mit evaluierten Methoden zu bewerten und dem Umfeld des Betroffenen (Angehörigen, behandelnden Ärzten etc.) die Informationen zu liefern, die für Entscheidungen sorgen, von denen der im Mittelpunkt stehende zu Pflegende optimal profitieren kann. Die Annäherung erfolgt über Validationstechniken mit dem Kern: Nicht beachtete Gefühle verstärken sich im Inneren. Empathisches Zuhören (Validieren) erleichtert den Leidensdruck und vermindert die Gefahr eines völ-
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
ligen Rückzuges. Realitätsorientierung gibt den Rahmen und die Sicherheit für die Beziehungsarbeit in deren Rahmen dann speziell geschulte Fachpflegekräfte mit evaluierten und standardisierten Testinstrumenten weitere behandlungsrelevante Klärungen herbeiführen können. Tab. 1
Hinweise auf Depression
Hinweise auf Demenz
Rascher Beginn, Dauer weniger als 6 Monate
Meist langsamer Beginn, erste Zeichen liegen meist länger als ein Jahr zurück.
Auffällige Leistungsschwankungen bei Aufgaben gleichen Schweregrades
Meist gleichmäßige Leistungsminderung bei Aufgaben gleichen Schweregrades
Klagsamkeit, „Ich weiß nicht“-Antworten
Gute Leistungs- und Testmotivation Dissimulation
Patient klagt über kognitive Leistungsverluste (Gedächtnisverlust, Verblödung ... etc.)
Patient bagatellisiert kognitive Leistungsverluste und versucht sie zu kompensieren
Schlafstörung, Gewichtsverlust, Grübelzwang, Suizidgedanken Schuldgefühle und Versagensangst
Patient beschuldigt andere
Angehörige erkennen die Störung
Angehörige erkennen Störungen und ihr Ausmaß oft nicht
Demenz Diagnostik und Behandlungsstrukturen von Demenzerkrankungen bei Migrantinnen und Migranten in Deutschland Dr. med. Dr. (TR) Murat Ozankan Oberarzt Migrantenambulanz, LVR-Klinik Langenfeld, Kölner Str. 82, 40764 Langenfeld Migration und Alter nimmt als Themenkomplex zunehmend an Bedeutung zu. Der Alterungsprozess der Gesellschaft betrifft nicht nur die einheimischen Populationen, sondern auch die Bevölkerungsanteile mit Migrationshintergrund; insbesondere rücken die seit den 1950er- und 1960er-Jahren zugewanderten Arbeitsmigranten nun in höhere Altersklassen vor. Die erste Generation der älteren Migranten gehört gegenwärtig zu der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik Deutschland [ISAB-Institut, September 2005]. Aufgrund von gesundheitlichen Belastungen setzt der Alterungsprozess bei älteren MigrantInnen früher und häufiger mit geriatrischen Erkrankungen ein als bei der vergleichbaren deutschen Bevölkerung.
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Es gibt noch wenige Untersuchungen über die Auswirkung der sozialen Lebensumstände auf die psychische Gesundheit der älteren Migranten. Da repräsentative Daten fehlen, kann nur vermutet werden, wie viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland an Demenz erkrankt sind. Auch auf der qualitativen beziehungsweise subjektiven Ebene sind viele Fragen bis heute noch nicht angemessen beantwortet worden: Wie wird die Krankheit Demenz von immigrierten Menschen und ihren Angehörigen wahrgenommen? Wie gehen die Angehörigen mit der Situation im familiären Kontext um? Mit welchen Zugangsbarrieren im Bezug auf gesellschaftliche Unterstützung sind demenziell erkrankte Migranten konfrontiert? Welche kultursensiblen Wege müssen für eine bessere Inanspruchnahme der Versorgung gebahnt werden? Im Gegensatz zur zunehmenden Bedeutung der demenziellen Erkrankungen in der Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund gibt es bisher kaum Angebote zur Diagnostik von Demenz, die sowohl sprachlich als auch kulturell auf die Bedürfnisse der Migranten eingehen. Dies ist insbesondere deshalb ein Problem, da die Krankheit im Lebensumfeld dieser Gruppen häufig falsch interpretiert, nicht erkannt oder tabuisiert wird. Kultur- und sprachsensible Untersuchungs- und Versorgungsangebote sind vor diesem Hintergrund besonders wichtig.
Transparenz durch Prüfung?! Schulnoten für Pflegeeinrichtungen Dr. Peter Pick Geschäftsführer Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Lützowstr. 53, 45141 Essen Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz schreibt vor, dass alle ambulanten wie stationären Pflegeeinrichtungen regelmäßig durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu prüfen sind und dass die Prüfergebnisse veröffentlicht werden. Grundlage der Veröffentlichung von Prüfergebnissen sind die zwischen Kostenträgern und Leistungserbringerverbänden geschlossenen Transparenzvereinbarungen. Sie sehen vor, dass die Prüfergebnisse in der stationären Pflege anhand von 64 fachlichen Prüfkriterien und 18 Zufriedenheitskriterien der Bewohner mit Hilfe von Noten zwischen 1,0 (sehr gut) und 5,0 (mangelhaft) abgebildet werden. Die fachlichen Kriterien sind folgenden Bereichen zugeordnet: „Pflege und medizinische Versorgung“, „Umgang mit demenzkranken Bewohnern“, „Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“, „Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene“. Jedes Prüfkriterium wird mit Noten bewertet und ist einem der vier Prüfbereiche zugeordnet. Die Gesamtnoten werden aus den Ergebnissen von 64 Einzelkriterien gebildet; zusätzlich werden die Ergebnisse der Bereiche zu Bereichsnoten zusammengefasst. Dominierende Bewertungskriterien sind pflegefachliche Ergebniskriterien, die die konkrete Pflegequalität beim Be-
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wohner abbilden. Außerdem wird das Ergebnis der Bewohnerbefragung separat ausgewiesen. Alle Transparenzkriterien sind in den MDK-Prüfkatalog integriert und werden seit dem Inkrafttreten der Qualitätsprüfungsrichtlinie am 1. Juli 2009 durch den MDK im Rahmen seiner Prüfungen erhoben. Daneben prüft der MDK weitere Prüfkriterien, die neben den Transparenzkriterien in den MDK-Prüfbereich eingehen. Erste Erfahrung aus der Prüfpraxis des MDK zeigen, dass der neue Prüfkatalog ohne größere Probleme umgesetzt werden kann. In Folge des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes hat der MDK seine Prüfungen deutlich ausgeweitet und wird 2009 voraussichtlich 8.000 Prüfungen durchführen. Erste Ergebnisse nach den Transparenzvereinbarungen stehen seit Anfang Dezember 2009 im Netz. Eine erste Auswertung von 1.315 vorläufigen Transparenzberichten zeigt, dass alle Noten vergeben werden. Bei der Gesamtnote weisen fast zwei Drittel der Pflegeheime gute Noten, ein Viertel mittlere Noten und circa 10 % schlechte Noten auf. Die Bereichsnoten und die Wahl der Einzelkriterien zeigen erwartungsgemäß größere Streubreiten auf und geben damit einen differenzierten Einblick in die Leistungsqualität der Einrichtung. Die Darstellung und Ermittlung der Noten nach der Transparenzvereinbarung ist in der Öffentlichkeit teilweise auf Kritik gestoßen. So wurde gemutmaßt, dass es keine schlechten, sondern nur gute Noten für Einrichtungen geben werde. Auch wurde die Veröffentlichung von Notendurchschnitten kritisiert, da hierdurch festgestellte Qualitätsdefizite nicht mehr erkennbar seien. Die ersten veröffentlichten Ergebnisse bestätigen diese Kritik nicht. Die Grundsystematik der Qualitätsdarstellung scheint durchaus tragfähig zu sein. Dies schließt nicht aus, dass bei einzelnen Kriterien und der Bewertungssystematik Optimierungen vorzunehmen sind. Deshalb wird im Rahmen einer Evaluation der Transparenzvereinbarung die Form der Darstellung und die Ermittlung der Bewertungen vertiefend untersucht. Stellen sich dabei Veränderungsnotwendigkeiten heraus, werden Vorschläge zur Weiterentwicklung des Verfahrens unterbreitet.
Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen und Management in verschiedenen Arbeitsfeldern Erfahrungen aus Krisenintervention und Einsatznachsorge Sabine Ridder Humboldt-Siedlung 17, 02763 Zittau Schwere Verkehrsunfälle, Unwetter oder andere Katastrophen – Menschen können plötzlich und unvorbereitet in eine belastende Situation, in einen Zustand akuter Schwierigkeiten, in eine Krise geraten. Der Rettungsdienst kümmert sich dann bei seinen Einsätzen um die körperlich verletzten Menschen. Polizei und Feuerwehr wehren weitere Gefahren ab oder retten Menschen aus Gefahrensituationen. Von einem Unglück nur indirekt betroffene Personen werden dagegen mit ihren seelischen „Verletzungen“ oft allein gelassen. Doch auch sie benötigen häufig Beistand. Um diese „seelisch verletzten“ Menschen kümmert sich das KIT (Krisen-
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interventionsteam). Speziell ausgebildete Teammitglieder betreuen Betroffene, Angehörige, Arbeitskollegen und Augenzeugen in den ersten Stunden nach einem traumatischen Ereignis. Sie sind 24 Stunden an 365 Tagen ehrenamtlich im Jahr im Einsatz. Die Betreuung erfolgt vor Ort und ist eine einmalige Intervention mit dem Ziel, die akute Belastung zu verringern und Folgeerkrankungen zu vermeiden. Schwerpunkte des Vortrages sind unter anderem: Wann kommt das KIT zum Einsatz? Wie arbeitet das Team? Und: Was ist das Ziel der KIT-Betreuung? Aber auch die Hilfen für die Helfer dürfen nicht vernachlässigt werden. Was für Betroffene Krisenintervention ist, ist für Einsatzkräfte aus Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz der Ansatz des „Critical Incident Stress Management“ (CISM), der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen.
Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen Aus Sicht des Pflegemanagements Dipl.-Pflegewirt (FH) Ludger Risse Vorsitzender Pflegerat NRW, St. Christophorus-Krankenhaus, Goetheweg 34, 59368 Werne Die Diskussion über den Neuzuschnitt der Aufgabenbereiche im Gesundheitswesen wird, insbesondere unter dem Aspekt der Übernahme ärztlicher Tätigkeiten durch Pflegende, immer intensiver geführt. Vorhandener oder drohender Ärztemangel innerhalb und außerhalb der Kliniken verleiht der Diskussion eine außerordentliche Dynamik. Auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine wesentliche Rolle. In vielen Einrichtungen sind bereits neue Konzepte umgesetzt. Dabei gehen insbesondere bei den Fragen zu Delegation oder Allokation die Sichtweisen von Pflege- und von Ärzteverbänden noch deutlich auseinander. Oft führt dieses zu der paradoxen Situation, dass die Praxis längst Tätigkeiten verlagert hat, die aus Sicht der Ärzteverbände als undenkbar deklariert werden. Es ist anzuerkennen, dass die Pflege in einigen Bereichen längst heilkundliche Tätigkeiten ausübt und – je nach Spezialisierung – auf fachlich höherem Niveau als ein allgemein ausgebildeter Arzt. Das Wundmanagement ist ein exzellentes Beispiel dafür. Es geht also nicht um die Delegation ärztlicher Tätigkeiten, sondern um die eigenständige Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten durch Angehörige von Pflegeberufen mit entsprechender Qualifizierung. Basis aller Veränderungen muss die Verbesserung der Versorgungsqualität im Pflege- und Therapieprozess sein. Also konkret die Frage, wer in der individuellen Situation welche Leistung mit der besten Qualität erbringen kann. Qualifizierte Pflegende mit eigenständigen Entscheidungskompetenzen werden vielfach dazu beitragen, Prozesse qualitativ hochwertig und effektiv zu gestalten. Dies geschieht immer im Zusammenwirken der Gesundheitsberufe entsprechend der jeweiligen Qualifikation. Hinderliche Faktoren, wie die alleinige Anordnungskompetenz des Arztes, sind in vielen Bereichen ineffektiv. Gleichzeitig werden Pflegende vielfach als Allroundtalente zum Beispiel auch für Ser-
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Abstracts der Fachvorträge und Workshops vom Pflege-Kongress am 29. und 30. Januar 2010 in Berlin
vice- und Hauswirtschaftstätigkeiten eingesetzt. Auch hier gibt es keine einfachen und klaren Grenzen. Differenzierte Betrachtungsweisen sind notwendig. Viele Projekte zeigen deutlich, dass Pflege durch die Abgabe von Tätigkeiten wertvolle Ressourcen gewinnen kann. Veränderungen sind also unter vielen Aspekten sinnvoll und notwendig. Voraussetzung ist eine offene gleichberechtigte Diskussion unter den beteiligten Gesundheitsberufen mit dem eindeutigen Fokus auf die Verbesserung der Versorgungsprozesse und der Sicherung der zukünftigen Versorgung.
Neue Lehr- und Lernmethoden/Bildungsmanagement Individuelles Lernen durch Kooperation fördern Dipl.-Pflegewissenschaftlerin (FH) Susan Rosen Akademische Mitarbeiterin Pädagogische Psychologie, Pädagogische Hochschule Weingarten, Leibnizstr. 3, 88250 Weingarten Lernen ist ein einzigartiger, aktiver und kumulativer Prozess. Diesem Verständnis folgend gilt es, Lernumgebungen zu schaffen, die ein solches Lernen ermöglichen und nicht nur den Erwerb von Wissen, sondern zugleich die Anbahnung von Handlungskompetenzen begünstigen. Für die Gestaltung einer solchen Lernumgebung gibt es eine Reihe von Möglichkeiten und Lernformen, die insbesondere von Prof. Diethelm Wahl und seiner Forschergruppe an der Pädagogischen Hochschule Weingarten entwickelt und empirisch erforscht wurden [Wahl, 2006]: Lehrende können durch einen „Advance Organizer“ Wissen vernetzen und Vorkenntnisse schaffen. Lehrende können die subjektive Auseinandersetzung mit Lerninhalten durch das regelmäßige „Einschieben individueller Lernphasen“ zwischen kollektiven Lernphasen anregen. Sie können das selbstgesteuerte Lernen durch Vorgabe von Lernstrategien strukturieren und die Lernenden zum „Wechselseitigen Lehren und Lernen“ befähigen. Das „Wechselseitige Lehren und Lernen“ („WELL“) ist eine empirisch überprüfte „hochwirksame Lernumgebung“ [Hepting, 2004; Huber, 2007; Wahl, 2006]. Das Spezifische daran ist, dass sich die Lernenden für einen Teil des Lernstoffs zu Experten heranbilden und sich diesen wechselseitig vermitteln [Wahl, 2006]. „Wechselseitiges Lehren und Lernen“ als eine spezifische kooperative Lernform zeichnet sich durch erstens Aufgabenspezialisierung, zweitens den Einsatz geeigneter Lernstrategien und drittens das Lernen in drei Phasen aus [Huber, 2007; Wahl, 2006]. Anne Huber [2007] untersuchte die WELL-Methode „Partnerpuzzle“ an circa 300 Schülerinnen und Schülern der 7. und 8. Jahrgangsstufe einer Realschule im Fach Biologie über zwölf Wochen lang und brachte folgende Ergebnisse hervor: Größerer Lernerfolg im Vergleich zum üblichen lehrerzentrierten Unterricht Höhere intrinsische Motivation Höheres Kompetenzerleben Vorgabe von Lernstrategien Das Sandwich-Prinzip, in das sich das WELL sehr gut integrieren lässt, bezeichnet eine Kursarchitektur innerhalb derer Lernpro-
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zesse so angelegt werden, dass Phasen kollektiven Lernens sich mit Phasen individuellen Lernens abwechseln. Das bedeutet, dass zwischen den rezeptiven Informationsaufnahmephasen (Instruktion), in denen die Lernenden im Wesentlichen zuhören und zusehen, aktive Verarbeitungsphasen (Konstruktion) geschoben werden, in denen die Lernenden selbst tätig werden [Wahl 2006]. Der Vorteil dieser Lernumgebungen ist in der Aufhebung der Dichotomie zwischen Instruktion und Konstruktion durch Versöhnung beider lernpsychologischer Richtungen zu sehen. Die Lehrperson versteht sich nicht nur als reine „Wissensvermittlerin“ sondern vielmehr als „Bildungsmanagerin“, die (mindestens) beide Rollen inne hat, indem sie lernwirksame Lernumgebungen arrangiert, Lerninhalte systematisiert und organisiert und die Lernenden an das selbstgesteuerte Lernen heranführt
Risikomanagement und Patientensicherheit Risikoerfassung für Pflege- und Betreuungseinrichtungen Dipl.-Pflegewirt (FH) Sascha Saßen Krankenpfleger, Geschäftsführender Gesellschafter Flöder + Saßen GbR, Gesellschaft für wissenschaftliche Evaluation der Personal- & Betriebsorganisation in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Brockenberg 15a, 45549 Sprockhövel Das Risikomanagement in der Pflege sollte einen zentralen Stellenwert im Qualitätsmanagement der Einrichtung einnehmen. Die Praxis zeigt jedoch, dass aktuell nur wenige Unternehmen über ein schlüssiges und vor allem umfassendes Risikomanagementsystem verfügen. Während aktuelle Qualitätsprüfungen in der Pflege zumindest die Umsetzung der Expertenstandards bisher weitestgehend bestätigen können, so mangelt es dennoch in vielen Fällen an einem geeigneten umfassenden Risikomanagement, denn alleine die Bewertung zum Beispiel des Dekubitusund Sturzrisikos nach einem trivialen Schema stellt noch lange kein Risikomanagementsystem dar. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Pflegeversicherungsreform zum 1. Juli 2008 und der daraus resultierenden Qualitätsmanagementbemühungen steigt jedoch die Notwendigkeit, sich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen [Loffing, 2008]. Pflegeeinrichtungen fehlt häufig ein umfassendes Risikomanagement Der Arbeitsalltag in der Altenpflege ist zunehmend von haftungsrechtlichen Fragestellungen und Anforderungen geprägt. Dass die Versorgung pflegebedürftiger Menschen risikoreich ist oder sein kann, steht unzweifelhaft außer Frage. Vorrangig ist dieses Risiko haftungsrechtlich in den Bereichen der Dekubitus- und Sturzprophylaxe anhängig. Risiken bestehen jedoch auch in den Bereichen Mangelernährung, dem Umgang mit Gewalt in der Pflege und im unsachgemäßen Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen sowie weiteren Bereichen. Der Verweis auf ein notwendiges Risikomanagementsystem über den Pflegebedürftigen und die aktuellen Expertenstandards hinausgehend bleibt jedoch innerhalb
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der aktuellen Bewertungskriterien des MDK sogar völlig unberücksichtigt. Dabei kann eine mangelnde Berücksichtigung von Risiken fatale Konsequenzen für den Pflegebedürftigen und die Pflegeeinrichtung nach sich ziehen.
besten Fall Informationen („Vergleichswerte“), die aber keine Erklärungen und damit keine Modelle herbeiholen, die die Probleme nachhaltig lösen. Qualitäts- und Risikomanagementansätze, die keine Erklärungen präsentieren, verfehlen jedoch ihr Ziel.
Begegnen Sie einer illusionären Sicherheit! Im Management von Pflegeeinrichtung ist festzustellen, dass oft populäre Konzepte vollkommen theorielos oder der Betriebswirtschaftslehre entlehnt zum Einsatz kommen. Der Grund hierfür liegt darin, dass diese Managementkonzepte in vielen Fällen schlüssig erscheinen und zum Beispiel im Bereich Risikomanagement mit Bezug auf die Expertenstandards als vermeintlich wissenschaftlich angepriesen werden. Kombiniert mit einer Portion „Angstmacherei“ werden solche Systeme immer wieder offensichtlich auch mehr oder weniger erfolgreich vermarktet. Der wirkliche Nutzen für das Unternehmen bleibt jedoch in den meisten Fällen sehr gering. Selbst ein – weit verbreitetes – naturwissenschaftlich geprägtes, formal-normatives Risikoverständnis mit simplifizierenden Ursachewirkungsketten wird dem Management dieser kernpflegerischen Felder nicht mehr gerecht und führt zu einer sogenannten Steuerungsillusionen, die im Führungs- und im juristischen Kontext folgenreiche Scheiterungsszenarien nach sich ziehen können. Die Beeinflussung der Risiken einer Organisation sind eben nicht so leicht zu berechnen wie die Wurfbahn eines Steines oder der Mittelwert der durchschnittlichen Postleitzahl in Deutschland. Hier ist Vorsicht geboten: Lassen Sie keine Komplexitätsreduktion durch Trivialisierung im pflegerischen Kernbereich zu [Sassen, Borutta, Lennefer, 2007]!
Theoriegeleitete Erfolgskriterien im pflegerischen Risikomanagement Hilfreich erscheint in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Methoden und Prinzipien der sogenannten „HRO“ (High Reliability Organizations = hochrisikosensible Organisationen) nach Weick und Sutcliffe [2003]. Weick et al. orientieren sich beim „Management des Unerwarteten“ an den sogenannten HRO (Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit, wie Stromnetzbetreiber, Flugzeugträger, Geiselbefreiungsteams etc.). Diese verfügen unabhängig von ihren höchst unterschiedlichen Kernaufträgen über einige übereinstimmende Merkmale von Zuverlässigkeit. Hierzu zählt unter anderem die Konzentration auf relevante Fehler und eine hohe Abneigung gegen vereinfachende und personifizierende Interpretationen. Eine non-punitive (nicht-strafende) Fehlerkultur ist demnach die Voraussetzung, um Lernblockaden zu verhindern beziehungsweise abzubauen. Dort, wo ein Klima des Misstrauens und der Denunziation herrscht, kann professionelles Risikomanagement nicht erfolgreich realisiert werden. Risikowache Mitarbeiter sind elementares Kapital!
Die juristische Perspektive Es ist in der Pflege unmöglich, Rechtsgutverletzungen (Körper, Leib und Leben) zum Beispiel durch einen Sturz auf Null zu reduzieren! Allein schon bedingt durch das Selbstbestimmungsrecht der Pflegebedürftigen ist dieses Ziel irrational. Es ist außerdem zu bedenken, dass nicht jede Rechtsgutverletzung automatisch auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Ziel eines konsequenten Risikomanagements sollte es daher sein, haftungsrechtliche Inanspruchnahmen aus den entstandenen Rechtsgutverletzungen auf ein Minimum zu beschränken [Großkopf, Schanz. Qualitätssicherung und Haftpflichtmanagement. RDG 2008: 182]. Theorieanbindung: Mit dem Thema Risikomanagement verhält es sich ähnlich wie mit dem Thema Qualitätsmanagement: Wenig von dem, was derzeit auf dem Dienstleistungsmarkt als aus dem Produktionssektor übertragene Verfahren angeboten wird, betrifft die in der Pflege zentralen Problemfelder, nämlich die kernpflegerischen Bereiche, und wenig ist wissenschaftlich fundiert. Wissenschaftliche Fundierung setzt ja zweierlei voraus: Das Konstrukt, hier Risikomanagement, orientiert sich an einem durchschaubaren theoretischen Ansatz. Und es ist empirisch tragfähig, das heißt es basiert auf Untersuchungen quantitativer und/oder qualitativer Art. Qualitäts- und Risikomanagement ohne theoretische Fundierung liefert lediglich Daten (im Qualitätsjargon „Kennzahlen“ genannt) und im
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Basics im Blick? Risikomanagement in der Pflege Dipl.-Pflegewirt (FH) Sascha Saßen Krankenpfleger, Geschäftsführender Gesellschafter Flöder + Saßen GbR, Gesellschaft für wissenschaftliche Evaluation der Personal- & Betriebsorganisation in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Brockenberg 15a, 45549 Sprockhövel Das Ziel eines umfassenden Risikomanagementsystems im pflegerischen Kernbereich sollte vor diesem Hintergrund mit einer erweiterten Perspektive angegangen werden. Nicht nur pflegerische Assessments, beispielsweise Risikoskalen, sondern vor allem auch Einschätzungssysteme der Ressourcen vor Ort, wie die Umgebung, die Mitarbeiterschaft, die betrieblichen Abläufe und der allgemeine Umgang mit Managementsystemen, müssen in die genauere Betrachtung mit einbezogen werden. Der Nutzen liegt auf der Hand: Risikomanagement im Pflegebereich nicht ausschließlich über pflegespezifische Systeme zu ergründen sondern den Fokus um weitere Perspektiven zu erweitern, bietet die Möglichkeit, Risiken frühzeitiger zu erkennen und besser mit ihnen umzugehen. Dennoch ist zu konstatieren, dass die Bewertung der Dimensionen durch eine oder mehrere Personen auch wiederum risikoreich ist: Interpretationstendenzen sind eben nicht auszuschließen. Konzentration auf Fehler Reifere Organisationen motivieren Mitarbeiter, eigene gemachte und erkannte Fehler zu melden. Sie betrachten jeden Lapsus als ein Symptom dafür, dass mit dem System etwas nicht in Ordnung ist, als
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etwas, das ernsthafte Konsequenzen haben könnte. Dabei analysieren sie ausgesprochen gründlich, vor allem Situationen, bei denen man glaubt, „noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen“ zu sein. Sie achten auf potenzielle Gefahren des Erfolgs: Selbstzufriedenheit, Abgleiten in Routine, Nachlässigkeit bei den Sicherheitsstandards. Dabei werden nicht die einzelnen Mitarbeiter kritisch betrachtet, sondern die wahrgenommene Abweichung beziehungsweise der kritische Sachverhalt. Eine Trivialisierung von Führung, wie sie in simplifizierenden Managementhandbüchern dargelegt und empfohlen wird, macht genau hierfür blind. Man lässt sich von der eigenen Führungsrhetorik und von trivialen Managementattitüden verleiten. Die daraus resultierende – herbeigeredete – Selbstzufriedenheit, bricht einem beizeiten dann das Genick.
se ihrer Absolventen als auch auf Seiten der Hochschulen – geäußert. So wird aus der Sicht von Hochschulen angeführt, dass die hohen Anteile an praktischer Ausbildung die wissenschaftliche Qualität des Studiums mindern könnten. Fachschulgebildete Pflegekräfte befürchten eine Abwertung ihrer Ausbildung und eine Beschneidung ihres beruflichen Aufgabenfeldes durch den Einsatz akademisch gebildeter Pflegekräfte in der pflegerischen Praxis Auch innerhalb der Bildungssektoren selbst gibt es differierende Einschätzungen, wie die berufliche Bildung der Pflegenden idealer Weise gestaltet werden soll. Dies wird dadurch widergespiegelt, dass sich die derzeit existierenden Studiengänge durch eine hohe Heterogenität auszeichnen, insbesondere was Strategien betrifft, neben einem akademischen Abschluss auch die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnungen Gesundheits- und (Kinder-)KrankenpflegerIn oder AltenpflegerIn zu erwerben. Unterschiedliche Konstrukte ermöglichen es derzeit den Pflegestudierenden, innerhalb von vier bis fünf Jahren neben dem akademischen Abschluss ein staatliches Pflegeexamen zu absolvieren. Bislang findet diese Kombination der Ausbildungsabschlüsse immer in Kooperation mit Ausbildungsstätten für Pflegeberufe statt. Im Vortrag soll ein Überblick über die derzeitige Situation der akademischen Erstausbildung in der deutschen Pflege gegeben und einen Ausblick auf deren zukünftige Herausforderungen und Chancen gewagt werden.
Abneigung gegen vereinfachende und personifizierende Interpretationen Die reiferen Organisationen vereinfachen weniger die Dinge und sehen deshalb mehr als andere. Sie beachten dabei genau die Grenze zwischen der erforderlichen und bearbeitbaren Handhabung von komplexen Sachverhalten und Abläufen im Management und einer trivialisierenden Vereinfachung komplexer Führungsanforderungen. Die Pflege alter Menschen stellt beispielsweise eine komplexe Aufgabe dar. Wird sie vereinfacht („Die ist durch den Wind; die haut doch immer ab“), wird man der jeweiligen Problemstellung nicht gerecht. Das Führen von Menschen stellt eine ebenso komplexe Herausforderung dar, der man mit einem angelesenen Kochbuch-Managementwissen nicht gerecht werden kann. Die Suche nach Schuldigen ist kontraproduktiv. Ein theoriegebundener und praxiserprobter Organisationsansatz, der diese Grundlagen vereint, wird den Teilnehmern dieser Session dargestellt.
Neue Informationstechnologien im Gesundheitswesen – Was hat die Pflege davon? Interfunktionale und intersektorale Integration der Behandlungsprozesse in ein elektronisches Netzwerk
Pflegebildung der Zukunft Aus Sicht der Hochschulen
Dipl. Pflegewirtin (FH) Silja Tuschy Krankenschwester, Stabstelle Unternehmensentwicklung/ Prozessmanagement, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
Prof. Dr. Ulrike Thielhorn Studiengangsleitung BA Pflege, Katholische Fachhochschule Freiburg, Karlstr. 63, 79104 Freiburg Der Bedarf an qualitativ hochwertig ausgebildeten Pflegekräften ist insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung evident. Nicht eindeutig erweisen sich jedoch die Antworten auf die Frage nach der Gestaltung der Ausbildung in der Pflege. Die Dekanekonferenz Pflegewissenschaft formuliert das Ziel, die Erstausbildung der Pflege an den Hochschulen anzusiedeln. Auch der DBfK und andere Berufsverbände fordern die regelhafte Möglichkeit, die Ausbildung in der Pflege auch an Hochschulen durchführen zu können. Seit Einführung der sogenannten Modellklausel in das Krankenpflegegesetz 2003 wurden bislang bundesweit etwa 17 grundständige Pflegestudiengänge eingerichtet oder sind in konkreter Planung. Mit der Etablierung solcher grundständigen Pflegestudiengänge schließt Deutschland als Schlusslicht an internationale Entwicklungen an. Dennoch werden auch Bedenken im Hinblick auf eine Akademisierung des Pflegeberufs – sowohl auf Seiten der Fachschulen beziehungswei-
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Die durch EDV mögliche interfunktionale Steuerung innerhalb eines Unternehmens vereinfacht und verbessert die Behandlungsabläufe für die Pflege wesentlich. Planung und Durchführung der Interventionen aller Mitglieder des therapeutischen Teams werden in ein Gesamtkonzept integriert. Beispiele hierfür sind Leistungsanforderung und Befundübermittlung, Terminkoordinierung und Nutzung von Expertenwissen (z.B. Screeningverfahren, Assessments). Die Umsetzung gemeinsamer interprofessioneller Behandlungspläne im Sinne eines Klinischen Pfades sowie der Nachweis der Wirksamkeit durchgeführter Interventionen durch Analysefunktionen (Reports aus dem Gesamtdatensatz, beispielsweise bezüglich Dekubitusrate oder Sturzrate) sind nur mit einem elektronischen Werkzeug effizient und effektiv möglich. Gemeinsame Foren wie beispielsweise ein Tumorboard reduzieren die Anzahl informeller Schnittstellen. Auch die intersektorale Zusammenarbeit mit zuweisenden wie nachsorgenden Institutionen wird durch gegenseitig autorisierte Zugriffe auf den Behandlungsprozess erleichtert.
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Vorsicht bissige Kollegen – Mobbing in Pflegeberufen Prof. Dr. Thomas Weiß Rechtsanwaltskanzlei Weiß und Kreitz, Deliusstr. 27, 24114 Kiel Wenn es Ärger im Betrieb gibt, ist schnell von „Mobbing“ die Rede. Aber nicht überall ist Mobbing drin, wo Mobbing draufsteht. Mobbing ist etwas anderes als der alltägliche Konflikt. Trotzdem ist das Phänomen gewaltig: Laut Mobbing-Report 2003 werden in der Bundesrepublik etwa eine Million Erwerbstätige gemobbt. Jeder neunte Arbeitnehmer soll im Laufe seines Arbeitslebens schon mindestens einmal gemobbt worden sein. Arbeitsrechtlich relevant wird Mobbing, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Vorliegen mehrerer, systematisch erfolgter Anfeindungen, Schikanen, Diskriminierungen, mit dem Ziel, Betroffene zu belästigen, herabzuwürdigen etc., dadurch rechtswidrige, schuldhafte Pflichtverletzung des Mobbers und die Verletzung von Rechten beziehungsweise Rechtsgütern des Betroffenen. Handlungen mit schikanierendem oder diskriminierendem Charakter und das Gefühl, gemobbt zu werden, reichen allein noch nicht aus. Ein rechtlich relevanter Vorwurf liegt erst vor, wenn subjektiv mit der Absicht gehandelt wird, den Betroffenen zu belästigen, zu schikanieren, anzufeinden etc., um dadurch sein Persönlichkeitsrecht und/oder seine Gesundheit zu beeinträchtigen. Der typische Verlauf des Mobbing: Phase 1: Ein Konflikt entsteht und bleibt ungelöst. Es kommt zu einer ersten Schuldzuweisung und vereinzelt zu persönlichen Angriffen. Aus dem sachlichen Problem wird eine persönliche Auseinandersetzung. Phase 2: Der Psychoterror beginnt. Die Person selbst wird zur Zielscheibe, verliert ihr Selbstwertgefühl, wird isoliert und ausgegrenzt. Mobbing-Opfer verändern sich: sie werden mürrisch, unfreundlich, misstrauisch, eventuell aggressiv. In Phase 3 beginnen arbeitsrechtliche Maßnahmen. Starke Verunsicherung der gemobbten Person, fehlende Konzentration, Fehler. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung kommt es zu Fehltagen, so dass selbst bisher neutrale Vorgesetzte nun mit arbeitsrechtlichen Sanktionen (Abmahnung, Versetzung, Androhung der Kündigung) reagieren. In Phase 4 erfolgt der Ausschluss des Beschäftigten aus der Betriebsgemeinschaft, entweder durch Eigenkündigung oder durch Entlassung. Das Ziel des Mobbings ist erreicht. Greifen unterstützende Maßnahmen, so kann alternativ in einer Phase 5 die Reintegration des Betroffenen erreicht werden. Dies setzt einen zuvor niedrigen Eskalationsstand voraus und Einsichts- und Lernfähigkeit bei allen Betroffenen. Bei einer typischen Beratung eines Mobbing-Opfers geht es zunächst um Information, dann zusätzlich um „Rückendeckung“ und später erst um Unterstützung/Vertretung gegenüber dem Arbeitgeber oder Kollegen, etwa durch Informationen an Betriebsräte und Arbeitgeber. In Einzelfällen werden auch Kollegen oder Vorgesetzte als Täter direkt, beispielsweise durch Aufforderungen zum Unterlassen, angegangen. Das Hinzuziehen von Angehöri-
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gen und weiteren professionellen Helfern wird ebenfalls mit berücksichtigt. Wird bereits frühzeitig interveniert, kann die Entwicklung in der Regel gestoppt werden. Das Opfer ist noch nicht Außenseiter, Persönlichkeitsveränderungen haben sich nicht manifestiert, gravierende Fehler liegen noch nicht vor. Werden allgemeine Spielregeln im Umgang miteinander etwa durch eine Betriebsvereinbarung frühzeitig festgelegt, besteht sogar die Chance, Mobbing ganz zu verhindern oder „in den Griff zu kriegen“.
Risikomanagement und Patientensicherheit Haftungsrechtliche Fallen für Pflegekräfte Prof. Dr. Thomas Weiß Rechtsanwaltskanzlei Weiß und Kreitz, Deliusstr. 27, 24114 Kiel Fachlich richtiges Handeln ist ohne Kenntnis der rechtlichen Anforderungen nicht sicher bestimmbar, weil zum Teil sehr detaillierte Fach- und Berufsregelungen zu beachten sind. Ergänzt werden diese speziellen Bestimmungen durch das Haftungsrecht. Dort wird nicht nur festgelegt, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn fehlerhaft gehandelt wurde. Hier werden auch die Erwartungen an ein einwandfreies Verhalten des Einzelnen ohne Schaden für andere oder die Gemeinschaft festgelegt. Juristisch bedeutsame Handlungen lassen sich haftungsrechtlich in erlaubte und unerlaubte Handlungen aufteilen. Unerlaubte Handlungen sind schon wegen ihres Verbots und der Sanktionen, mit denen das Recht sie in der Regel belegt, rechtserheblich. Erlaubte Handlungen sind von Bedeutung, weil sie den zulässigen Handlungsbereich kennzeichnen. Hinzu kommt die Zurechnung von Handlungen unter dem Aspekt der Verantwortlichkeit. Verantwortung kann aber nicht einfach so übernommen, abgelehnt, zugewiesen oder zurückgenommen werden. Wäre dies möglich, und könnte man ohne Wenn und Aber von jeglichen Folgen freigestellt werden, würde es sich empfehlen, stets Erklärungen abzugeben, dass man für sein Tun nicht verantwortlich gemacht werden kann. Praktisch würde dies dann so aussehen, dass zum Beispiel Pflegekraft X einen strafrechtlich relevanten Fehler machen würde, aufgrund ihrer Erklärung, dass sie dafür nicht verantwortlich sei, könnte sie jedoch nicht bestraft werden. Hat stattdessen Pflegedienstleiter Y oder ein ärztlicher Mitarbeiter Z erklärt, er übernehme die Verantwortung, könnte dies in der weiteren Folge bedeuten, dass einer von beiden oder gar beide für das Fehlverhalten der Pflegekraft eventuell sogar in das Gefängnis müssten, weil sie ja die Verantwortung übernommen haben. Oder doch nur einer? Oder keiner? Allein auf den Willen und die Erklärung, Verantwortung zu übernehmen oder abzulehnen, kann es also nicht ankommen. Mit solchen Formulierungen und manchmal auch mit Formularen wird ein absurder Schein von Rechtssicherheit geschaffen, der mit der juristischen Bewertung und den einzuhaltenden Regeln nichts zu tun hat. Grenze und Ausmaß des Verantwortungsbereiches ergeben sich vielmehr aus dem Aufgaben-, Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich. Um also insoweit Klarheit zu bekommen und Abgrenzungen vornehmen zu können, muss dieser bestimmt sein.
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