Berlin J Soziol (2013) 23:389–415 DOI 10.1007/s11609-013-0236-1 Abhandlung
Richard Rorty und die Reanimation des Pragmatismus im „Zeitalter der Komposition“ Henning Laux
Zusammenfassung: Der Pragmatismus erlebt in jüngster Zeit eine Renaissance. Klassiker wie George Herbert Mead, William James oder John Dewey halten Einzug in soziologische Diskussionskontexte, und neopragmatistische Ansätze wie die Akteur-Netzwerk-Theorie oder die Soziologie der Konventionen gewinnen an Einfluss. Doch unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen kommt es zur Reanimation des Pragmatismus, und welchen analytischen Mehrwert haben pragmatistische Werkzeuge? Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen entwickelt der Beitrag ein allgemeines Modell sozialer Ordnungsbildung, das Zustände der Kollision, Komposition, Institution und Dekonstruktion voneinander unterscheidet. Von hier ausgehend wird eine Gesellschaftsdiagnose formuliert, aus der die Aktualität des pragmatistischen Vokabulars ersichtlich wird. Es zeigt sich, dass der Pragmatismus bereits in seiner Gründungsszene auf experimentelle, kreative und hybride Prozesse des Werdens zugeschnitten ist, wie sie für das gegenwärtige Zeitalter der Komposition typisch sind. Anhand des kaum rezipierten Neopragmatisten Richard Rorty wird exemplarisch der Mehrwert einer pragmatistisch informierten Soziologie herausgearbeitet. Rorty entpuppt sich dabei als Integrationsfigur pragmatistischer Denkfiguren, von denen wertvolle Impulse für eine darwinistische, relationale, symmetrische und ironisch engagierte Soziologie zu erwarten sind. Schlüsselwörter: Pragmatismus · Rorty · Darwin · Dewey · Komposition · Ordnungsgenese · Demokratie · Relationale Analyse · Experimentalismus · Evolution · Ironisches Engagement
Richard Rorty and the reanimation of pragmatism in the “age of composition” Abstract: In recent years, pragmatism is experiencing a renaissance. Classic authors like George Herbert Mead, William James or John Dewey are entering sociological discussions and neopragmatistic approaches as the actor-network theory or the sociology of conventions are gaining influence. But under what social circumstances is the reanimation of pragmatism happening and what analytical use do pragmatistic tools have? In order to answer this research question the article develops a general model of social order that distinguishes between the states of colli-
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sion, composition, institution and deconstruction. On this basis, a social diagnosis is articulated, making the currency of the pragmatistic vocabulary understandable. It appears that pragmatism is focused on experimental, creative and hybrid processes of becoming that are typical for the current age of composition. With the help of the often neglected Richard Rorty, the added value of a pragmatistically-informed sociology is shown in an exemplary manner. Therefore, Rorty is introduced as an integrating figure of pragmatistic ideas, from which important impulses for a Darwinian, relational, symmetrical and ironically-engaged sociology could exert. Keywords: Pragmatism · Rorty · Darwin · Dewey · Composition · Genesis of social order · Democracy · Relational analysis · Experimentalism · Evolution · Ironic engagement
Richard Rorty et la réanimation du pragmatisme à l’«ère de la composition» Résumé: Le pragmatisme vit ces derniers temps une renaissance. Des classiques tels George Herbert Mead, William James et John Dewey s’invitent dans les débats sociologiques tandis que des approches néopragmatiques telles que la théorie de l’acteur-réseau ou la sociologie des conventions gagnent du terrain. Mais dans quelles conditions sociales se produit cette réanimation du pragmatisme et quelle est la valeur ajoutée des outils pragmatiques en termes d’analyse? Pour répondre à ces questions, cet article développe un modèle général de la genèse des ordres sociaux sur la base de la distinction entre collision, composition, institution et déconstruction. Partant de ce modèle, cet article fait un état des lieux de la société qui met en évidence l’actualité du vocabulaire pragmatique. Il apparaît que le pragmatisme est, dès l’origine, en prise directe avec les processus expérimentaux, créatifs et hybrides du devenir qui sont typiques de l’ère actuelle de la composition. À partir de l’auteur néopragmatique quasi méconnu qu’est Richard Rorty, cet article fait ressortir à titre exemplaire la valeur ajoutée d’une sociologique inspirée du pragmatisme. Ce faisant, Rorty se révèle être une figure de l’intégration de figures de la pensée pragmatique susceptibles de donner une impulsion appréciable à une sociologie darwiniste, relationnelle, symétrique et engagée ironiquement. Mots-clés: Pragmatisme · Rorty · Darwin · Dewey · Composition · Genèse de l’ordre social · Démocratie · Analyse relationnelle · Expérimentalisme · Évolution · Engagement ironique
1 Problemstellung Der Pragmatismus ist kein homogenes Denkkollektiv. Hinter der Fassade tummeln sich Positionen, die bei genauerer Lektüre nicht immer kompatibel sind. Gleichwohl lassen sich zahlreiche Motive herausarbeiten, die für alle Protagonisten von zentraler Bedeutung sind.1 Zum „Markenkern“ gehört zweifellos die erkenntnistheoretische Auffassung, dass die Tragfähigkeit wissenschaftlicher Aussagen nicht aus der Übereinstimmung mit einer vermeintlich objektiven Realität erwächst, sondern aus der praktischen Performanz bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme (Peirce 1877; James 1907a; Dewey 1929). Der folgende Beitrag nimmt die Pragmatisten beim Wort und fragt nach dem soziologischen Mehrwert ihrer Werkzeuge. Welcher konkrete Nutzen ergibt sich aus der dadurch induzierten Beschreibung, Analyse und Gestaltung spätmoderner Sozialwelten? Welche 1 Vgl. hierzu auch die integrativen Beiträge von Tanja Bogusz und Jörn Lamla in diesem Themenheft.
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Problemlösungskompetenz ist nachweisbar, wozu brauchen wir in der Gegenwart eine Rückbesinnung auf pragmatistische Einsichten und Denkfiguren? Der analytische Schwerpunkt liegt auf dem Werk des US-amerikanischen Neopragmatisten und Philosophen Richard Rorty. Eben jener hat durch seine vielfältigen Beiträge zum wissenschaftlichen Diskurs maßgeblich zur Reanimation, Neuinterpretation und Weiterentwicklung des klassischen Pragmatismus beigetragen. Eine soziologische Auseinandersetzung mit Rorty ist bis dato allerdings eine Rarität. Selbst seine einflussreichsten Texte (Der Spiegel der Natur; Kontingenz, Ironie und Solidarität oder Wahrheit und Fortschritt) sind innerhalb der Profession ohne merkliches Echo verhallt, obwohl darin Themen verhandelt werden, die für eine Wirklichkeitswissenschaft wie die Soziologie von erheblichem Interesse sind.2 Im Folgenden werde ich nicht auf die Ursachen für diese erstaunliche Rezeptionslücke eingehen, sondern ausführen, inwiefern die Soziologie zukünftig von einer intensivierten Rorty-Lektüre profitieren kann. Die Rekonstruktion erfolgt entlang der zeitdiagnostischen Hypothese, dass sich die Basisinstitutionen der Gegenwartsgesellschaft in einem „Zustand der Komposition“ (Laux 2013) befinden, zu dessen Analyse das von Rorty und anderen Pragmatisten bereitgestellte Vokabular besonders gut geeignet ist. 2 Die Reanimation des Pragmatismus im Zeitalter der Komposition Mit dem Eintritt in die Spätmoderne kommt es speziell in Frankreich, Deutschland und den USA zu einer „Renaissance des Pragmatismus“ (Sandbothe 2000). Pragmatistisch informierte Vorstellungen von Öffentlichkeit, Kreativität, Unbestimmtheit, Kontingenz, Innovation, Experiment, Abduktion, Pluriversum oder Bewährungsprobe etablieren sich im akademischen Milieu und halten Einzug in zivilgesellschaftliche Debatten und Deutungskämpfe. Doch welche Faktoren evozieren das neuerliche Interesse an Klassikern wie George Herbert Mead, John Dewey, William James oder Charles Sanders Peirce? Erleben wir eine bloße Modewelle – oder steckt mehr dahinter? Dewey (1927) und Rorty (2005) haben auf überzeugende Weise demonstriert, dass die Transformation wissenschaftlicher Daten in anerkannte Wahrheiten im Wesentlichen davon abhängt, ob die bereitgestellten Begriffe und Befunde dabei behilflich sind, kulturhistorisch virulente Probleme einer Lösung zuzuführen. Wie bereits ein flüchtiger Blick in die Wissenschaftsgeschichte verrät, ist Erfolg keine Einbahnstraße; Wahrheiten bleiben stets reversibel, d. h. jede Aussage, die unter dem Druck der Phänomene zur wissenschaftlich verbürgten Tatsache gereift ist, kann diesen Status wieder verlieren, Theorien und Begriffe haben ein Haltbarkeitsdatum, sie werden modifiziert, ausgetauscht oder entsorgt, sobald sie ihre welterschließende Kraft einbüßen. Die positivistische Idee einer kumulativen Annäherung an die Realität wäre wohl kaum noch zu verteidigen, konfrontierte man sie mit den permanenten loopings und turns des Denkens, unter denen noch 2 Eine wichtige Ausnahme bildet hierzulande Hans Joas (1992) mit seiner sorgfältigen Lektüre und einflussreichen Weiterentwicklung pragmatistischer Denkfiguren. Doch seine kritische Auseinandersetzung mit Rorty bleibt überraschend schlaglichtartig (ebd., S. 305 ff.) und hat dessen Rezeption in Deutschland sicherlich eher blockiert als befördert.
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die größten Denker der Menschheit tief begraben liegen.3 Selbst abstrakte Kategorien bleiben an einen historischen Entstehungskontext gebunden, sie können die spezifischen Bedingungen, unter denen sie artikuliert werden, niemals restlos abstreifen, ihr epistemischer Hintergrund bleibt ihnen eingeschrieben (Foucault 1966), auch wenn sie sich noch so sehr um Universalität bemühen. Die Soziologie ist von diesem Problem besonders betroffen, denn die Bühne des Sozialen wird unaufhörlich von rätselhaften Ereignissen, neuartigen Akteuren oder erratischen Strukturdynamiken heimgesucht. Die Variation der Lebensbedingungen verlangt nach einer Profession, die sich immer wieder rüstet, „ihren Standort und ihren Begriffsapparat zu wechseln“ (Weber 1904, S. 214). Ausgehend von Webers berühmtem Aufruf zur regelmäßigen Inventarisierung soziologischer Basiskategorien wird in der Folge herausgearbeitet, warum die Adaption pragmatistischer Grundbegriffe unser Verständnis der Gegenwart verbessern kann. 2.1 Mechanismen sozialer Ordnungsbildung und ihre soziologische Analyse Die Suche nach dem Signifikat des Pragmatismus nimmt ihren Ausgang bei einem sozialtheoretischen Vorschlag, welcher im Anschluss an die Arbeiten von Dewey (1938), Berger und Luckmann (1969), Callon (1986), Latour (1999) und White (2008) entwickelt wurde (Laux 2013). Das Destillat dieser Synthese ist ein allgemeines Modell sozialer Ordnungsbildung, bei dem soziale Zustände anhand eines Kontinuums zwischen offenen und geschlossenen Situationen sortiert werden. Auf diese Weise lassen sich vier Mechanismen unterscheiden, die das soziale Geschehen durch unverwechselbare Ereignisse auf ein spezifisches Ordnungsniveau bringen, das von situationsadäquaten soziologischen Werkzeugen untersucht werden kann. Mithilfe des Modells soll sichtbar gemacht werden, für welche sozialen Zustände das pragmatistische Vokabular am besten geeignet ist (vgl. Tab. 1). Um den Deutungsvorschlag nachvollziehbar zu machen, werden nun in der gebotenen Kürze die Unterschiede zwischen den vier Stadien der Ordnungsgenese erläutert. (1) Die soziale Einhegung offener Situationen beginnt gemäß des vorgeschlagenen Modells mit der Kollision verstreuter Propositionen. Heterogene Aktivitäten verursachen einen „sozialen Urknall“, sie prallen aufeinander, verketten sich und erreichen damit das (niedrige) Ordnungsniveau eines chaotischen und amorphen Gemenges. Die involvierten Kräfte werden durch den Kontakt abgelenkt, sie erfahren eine Übersetzung, kein Akteur bekommt das Geschehen unter Kontrolle. Feste Positionen, Distanzen, Abhängigkeiten, Kompetenzen, Ressourcen und Hierarchien können sich weder herausbilden noch festigen. Alles ist im Fluss, nichts ist entschieden, es herrscht ein anomischer Zustand der Regel- und Orientierungslosigkeit. Mit erratischen Ereignissen, gewaltsamen Konflikten, tumultartigen Zuständen und emotionsgeladenen Auseinandersetzungen ist in diesem Stadium jederzeit zu rechnen. Das Soziale wird entfesselt, es befindet sich im Modus der Eruption und Entfachung.
3 Thomas Kuhn (1962) erzählt uns die Geschichte der Wissenschaft deshalb auch nicht als „Fortschrittsgeschichte“, sondern als diskontinuierliche Abfolge von „Krisen“, in denen die Wissenschaft mit Ereignissen konfrontiert wird, die es erforderlich machen, die eingewöhnten Prämissen und Erklärungen des bislang für wahr gehaltenen Paradigmas zu überdenken.
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Tab. 1: Phasen sozialer Ordnungsbildung und ihre soziologische Analyse Ordnungsniveau Ereignisse Werkzeuge Chaotisches Anomie, Kontakt, Ethnomethodologie, I. Kollision Gemenge Konflikt, Emotion Tardes Massentheorie II. Komposition
Provisorische Assoziation
Kontingenz, Komplexität, Transformation, Experiment, Bewährungsprobe, Kreativität, Innovation, Hybridisierung
Pragmatismus, Praxistheorie, symbolischer Interaktionismus, Netzwerktheorien, Theorie reflexiver Modernisierung
III. Institution
Geschlossene Black Box
Disziplinierung, Habitualisierung, Reproduktion, Normalisierung, Hierarchisierung, Codierung, Rationalisierung
Marxismus, Strukturalismus, Systemtheorie, Kritische Theorie, Rational Choice
IV. Dekonstruktion
(Formlos)
Krise, Widerstand, Subversion, Transgression, Displacing
Poststrukturalismus
(2) Die zweite Stufe auf der vorgeschlagenen Ordnungsskala wird durch die allmähliche Komposition der kollidierten Elemente erreicht. Die Komposition sorgt für eine vorläufige Kanalisierung des Sozialen und überführt unkalkulierbare Kollisionen in riskante Experimente. Der Mechanismus generiert ein Kräftefeld aus prekären Erwartungen, kontingenten Verbindungen, komplexen Wechselwirkungen, wuchernden Innovationen, unscharfen Grenzen, reversiblen Hierarchien und situativen Identitäten. In diesem Schwebezustand kristallisieren sich hybride Institutionen, die Fakten schaffen, aber provisorisch bleiben. Die Aktivitäten folgen der inkrementalistischen Operationslogik des Trial-and-Error-Prinzips. Konstitutive Unterscheidungen (wie Mann/Frau oder Natur/ Kultur) stehen unter Vorbehalt und werden durch öffentliche Deutungskämpfe irritiert, geprüft und verändert. Das Soziale pulsiert, es befindet sich im Modus des Werdens und der experimentellen Konstruktion. (3) Die maximale Vereindeutigung und Stabilisierung des Sozialen erfolgt im Stadium der Institutionalisierung. Das Soziale verhärtet sich nun zu einer zeitlich, räumlich, sozial und sachlich klar definierten Black Box. Im Zuge des Ordnens, Disziplinierens und Hierarchisierens werden provisorische Einheiten verstetigt, Experimente abgeschlossen, Uneindeutigkeiten getilgt, Überraschungen minimiert, Operationen erwartbar, Identitäten festgezurrt und Grenzen befestigt. Kulturhistorisch kontingente Formen der Komplexitätsreduktion verkrusten zur Normalität. Hegemoniale Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata schreiben sich ein und immunisieren sich gegen Kritik. Auf diesem Ordnungsniveau kann von funktionsfähigen Organisationen, autopoietischen Teilsystemen oder stabilen Identitäten gesprochen werden. Der Institutionalisierungsmechanismus produziert brave Bürgerinnen, wohlerzogene Kinder, gehorsame Schüler, normale Männer, zuverlässige Mitarbeiter, echte Frauen oder stabile Demokratien – und bestraft deviantes Verhalten. Das Soziale konsolidiert sich, es befindet sich im Modus alltäglicher Routine und Erstarrung.
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(4) Ein vierter und letzter Aggregatzustand des Sozialen wird durch den Mechanismus der Dekonstruktion erreicht. In dieser Phase werden institutionell geronnene Abläufe unterlaufen, zersetzt oder attackiert. Die Gewordenheit und Reversibilität alltäglicher Praktiken wird wieder sichtbar. Dekonstruktive Prozesse verhindern die Befestigung totaler Institutionen, zeitigen befreiende Effekte, zerbrechen eingeschriebene Routinen und ermöglichen Transgressionen und abweichendes Verhalten. Unter ihrem parasitären Druck geraten Institutionen in die Krise, Grenzregime zerfallen, und Machtstrukturen verlieren ihre Legitimation. Das Soziale erodiert, es befindet sich im Modus der Denaturalisierung und kritischen Intervention. Das skizzierte Modell differenziert somit zwischen der Kollision, Komposition, Institution und Dekonstruktion sozialer Ordnungsgefüge. Zur genaueren Analyse und Sezierung der einzelnen Zustände hat die Soziologie seit ihrer Geburt eine ganze Reihe vielversprechender Instrumente beigesteuert und entworfen. Allerdings ist kein verfügbarer Ansatz dazu in der Lage, sämtliche Konstellationsdynamiken gleichermaßen zu erfassen. Eine umfassende Supertheorie ist trotz gelegentlicher Bestrebungen nicht in Sicht. Alle etablierten Ansätze sind auf bestimmte Ordnungszustände und Problemstellungen zugeschnitten und produzieren in Situationen, die vom jeweils anvisierten Ordnungsniveau abweichen, suboptimale Ergebnisse. Ausgehend von dieser Lesart wird in jüngster Zeit dafür plädiert, soziologische Paradigmen auf „Gründungsszenen“ zurückzuführen (Farzin und Laux 2014).4 Die systematische Entzifferung narrativer Bausteine verspricht Einblicke in die Prämissen, Motive und Stimmungsgehalte soziologischer Entwürfe. Deren Erklärungskraft hängt davon ab, welches Ordnungsniveau in den zentralen Szenen des betreffenden Werkes (implizit) vorausgesetzt wird. So entwickelt Harrison White seine Netzwerktheorie ausgehend von den Zusammenstößen und Verclusterungen auf einem Kinderspielplatz, und dieser Ansatz liefert beinahe folgerichtig seine besten Resultate bei der Erfassung offener und fluider Situationen. Im Gegensatz dazu entwickelt Michel Foucault seine berühmten Studien über die Disziplinargesellschaft aus der Perspektive eines Häftlings, der sich der unsichtbaren Macht eines panoptischen Gefängnisses gegenübersieht – und erfindet auf diese Weise eine Sprache, die sich am besten zur Durchdringung hermetisch geschlossener und strukturell determinierter Konstellationen eignet. Schließlich stößt Pierre Bourdieu in seinen frühen Feldstudien auf eine algerische Bevölkerung, deren Dispositionen noch nicht an eine kapitalistisch geprägte Ökonomie angepasst sind und entwickelt von dieser biografischen Erfahrung aus das Habituskonzept, welches die Trägheit sozialer Inskriptionen auf den Begriff bringt. Um nicht missverstanden zu werden: Die hier favorisierte Vorgehensweise besagt keineswegs, dass die Theorien von White, Foucault, Bourdieu oder anderen aufgrund der Spezifik ihrer jeweiligen Gründungsszene nur für ein bestimmtes Ordnungsniveau herangezogen werden dürfen. Es 4 Um nur einige Beispiele zu nennen: Rational-Choice-Theorien referieren auf Daniel Defoes Robinsonade, wenn sie die Entstehung von Institutionen erklären. Georg Simmels Modernisierungstheorie gewinnt erst durch die plastisch erzählten Sequenzen aus dem Großstadtleben an Realität. Heinrich Popitz entwickelt sein Machtkonzept mit Blick auf den erbarmungslosen Kampf um Liegestühle auf Kreuzfahrtschiffen. Und die Gabentheorie von Marcel Mauss nimmt in Auseinandersetzung mit den Tauschpraktiken nordamerikanischer Indianerstämme Konturen an.
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wird jedoch behauptet, dass alle Theorien einer bestimmten Imagination entspringen, der sie verhaftet bleiben. Die mitunter beklagte „Multiparadigmatase“ (Gabriel 2004) hat also einen guten Grund, sie resultiert aus dem Umstand, dass Theorien nur in einem mehr oder weniger eingeschränkten Mikrokosmos informative und präzise Daten liefern. Sobald sie auf „fremde“ Zustände übertragen werden, funktionieren sie nicht mehr sonderlich gut. Sie müssen dann stark modifiziert oder durch kontextsensiblere Instrumente ersetzt werden. In Tab. 1 wird deshalb ein Vorschlag unterbreitet, wie eine arbeitsteilige Analyse soziologischer Tatbestände aussehen könnte. Es handelt sich dabei um eine idealtypische Heuristik zur Verortung und Entwicklung soziologischer Paradigmen. Die vorgenommene Sortierung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird an dieser Stelle auch nicht weiter expliziert, da es in der Folge ausschließlich um das Signifikat des Pragmatismus gehen wird. Im nächsten Schritt soll daher gezeigt werden, welcher der vier Zustände in den Basisinstitutionen der gegenwärtigen Gesellschaft5 dominiert. 2.2 Im Zeitalter der Komposition Das soziale Geschehen ist von Eruptionen, Experimenten, Festlegungen und Revisionen geprägt. Ein symmetrisches Nebeneinander distinkter Zustände ist jedoch eher die Ausnahme. In der Regel wird ein Mechanismus dominieren, während die anderen in den Hintergrund treten. Um die aktuelle Reanimation des Pragmatismus nachvollziehbar zu machen, wird in den folgenden Abschnitten das Argument entfaltet, dass die Grundstruktur der Gegenwartsgesellschaft in den Zustand der Komposition eingetreten ist.6 Viele Vertreterinnen und Vertreter der Soziologie diagnostizieren für die 1970er Jahre einen Gestaltwandel bzw. Strukturbruch, der die organisierte Moderne von einer „zweiten“, „reflexiven“, „postfordistischen“ oder „späten“ Moderne unterscheidet (Habermas 1985; Beck 1986; Beck et al. 1996; Giddens 1996; Wagner 1995; Rosa 2005). Die Diskontinuitäten zur klassischen Moderne werden mitunter sogar zu einer Epoche der „Postmoderne“ hypostasiert, in der die Geschichte selbst an ihr Ende gelangt (Lyotard 1979; Niethammer 1989; Welsch 2002). Die hier favorisierte Rede vom Zeitalter der Komposition kann an solche Beobachtungen anschließen, ohne sie umstandslos zu reifizieren. Der Text wendet sich insbesondere gegen die mit vielen „Post-Begriffen“ einhergehende Vorstellung, dass wir uns seit dem Ende des Kalten Krieges in einem Zustand des unaufhörlichen Zerfalls befinden. Durch den fröhlichen Kulturpessimismus, der mit dieser Diagnose häufig einhergeht, wird leicht verdeckt, dass die einstigen Bastionen westlicher Gesellschaften längst in einen kreativen Prozess des Werdens und der Konstruktion übergegangen sind, wie er für Kompositionsphasen typisch ist. Besonders das Internet entwickelt sich zu einem mächtigen Katalysator bei der Rekonfiguration des Sozialen. Es fungiert als Brennglas bei der Herausbildung neuartiger Formen menschlicher Koexistenz. Strukturierende Institutionen und Standards werden unterhöhlt (Recht, Eigentum, Datenschutz, Urheberschaft, Nation etc.), und die Vernet5 Für einen instruktiven Überblick zur (politischen) Ontologie des Gesellschaftsbegriffs vgl. Marchart 2013. 6 Zur gesellschaftstheoretischen Herleitung und empirischen Ausbuchstabierung der im Folgenden skizzierten Zeitdiagnose vgl. Laux 2013.
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zung entgrenzter, desynchronisierter und teilsystemisch fragmentierter Subjekte wird erheblich erleichtert. Das Internet trägt wenig zur Herstellung oder Konservierung einer dauerhaften Ordnung des Sozialen bei (Institutionalisierung), es darf aber auch nicht als diabolische Apparatur zur Produktion von Anomie missverstanden werden (Dekonstruktion). In seiner jetzigen Form ist es vielmehr der wichtigste Prozessor in einem weltweiten Transformationsgeschehen, dessen Ausgang vollkommen offen ist (Komposition). Während das World Wide Web maßgeblich zur Entstehung eines globalen Kräftefeldes beiträgt, das aus schnellen Verbindungen, komplexen Wechselwirkungen, wuchernden Innovationen und provisorischen Identitäten besteht, befinden sich die alten Kollektive in einer ausgedehnten „Bauphase“ mit anhaltendem Nachbesserungs- und Reformbedarf. Die gegenwärtigen Prozesse der Komposition lassen sich entlang der vier Sinndimensionen materialreich entfalten, was an dieser Stelle zumindest partiell geschehen soll, um ein besseres Verständnis für das Klima zu entwickeln, in dem der Pragmatismus am besten gedeiht. (1) Zeitdimension: Die Fortschrittsidee gilt als wesentliches Charakteristikum moderner Gesellschaften (Schimank 2013). Der Glaube an die stetige Verbesserung sozialer Verhältnisse ist jedoch im Laufe des 20. Jahrhunderts merklich verblasst. Die technische Entwicklung geht weiter, doch eine Lösung existenzbedrohlicher Probleme (Armut, Hunger, Krieg, Terror, Seuchen, Klimawandel etc.) ist nicht in Sicht. Der Geschichtsverlauf wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Nullsummenspiel, bei dem bedeutsame Errungenschaften durch katastrophale Rückschritte nivelliert werden. Die Fortschrittsidee wird daher in vielen Lebensbereichen durch einen gegenwartsfixierten Imperativ zur flexiblen Adaption an wechselnde Umweltzustände ersetzt (Sennett 1998; Boltanski und Chiapello 2003; Rosa 2002). Diese Verschiebung hängt mit Veränderungen in den gesellschaftlichen Zeitstrukturen zusammen (Rosa 2005, S. 124 ff.). Im Prozess der Modernisierung kommt es laut Hartmut Rosa zu einer unaufhörlichen Steigerung der technologisch ermöglichten Operationsgeschwindigkeiten (Kommunikation, Transport, Produktion), der Verfallsrate handlungsorientierender Strukturen (Lebensstile, Moden, Milieus, Beschäftigungs- und Familienverhältnisse, staatliche Regulierungen, Expertenwissen) und der Zahl der Handlungs- und Erlebnisepisoden pro Zeiteinheit (Freizeitgestaltung, Multitasking, Fast Food, Speed Dating). Die dadurch evozierte Wachstumsspirale erreicht in der spätmodernen Gegenwart einen kritischen Umschlagpunkt, von dem aus die Welt zum „rutschenden Abhang“ mutiert (ebd., S. 176 ff.). Steuerungsversuche sind aufgrund der anhaltenden Verdampfung des Sozialen zum Scheitern verurteilt, die Festlegung von Zielgrößen wird vielfach kontraproduktiv, Beziehungsmuster nehmen unter Beschleunigungsdruck den Charakter zeitlich befristeter Projekte an, und Organisationen implementieren im digitalen Zeitalter „permanently beta structures“ (Neff und Stark 2003).7 In Ergänzung 7 Spätestens an dieser Stelle drängt sich ein Vergleich zur Epoche der industriellen Revolution auf. Diese wird im Kommunistischen Manifest bekanntlich wie folgt beschrieben: „Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen“ (Marx und Engels 1848, S. 465).
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zu diesem Befund beobachtet Zygmunt Bauman einen „Übergang von der ‚festen‘ zur ‚flüchtigen‘ Phase der Moderne, in einen Zustand, in dem soziale Formen […] ihre Gestalt nur für kurze Zeit behalten (und niemand etwas anderes erwartet), weil sie so schnell zerfallen, dass sie schon geschmolzen sind, während sie noch geformt werden. Soziale Formen, bereits bestehende wie sich erst abzeichnende, haben kaum je lange genug Bestand, dass sie sich verfestigen können. Als Bezugsrahmen für menschliches Handeln und für langfristige Lebensstrategien sind sie aufgrund ihrer begrenzten Lebenserwartung untauglich“ (Bauman 2008, S. 7). Das Leben wird durch die Ausbreitung diskontinuierlicher Erwerbsverläufe und Statuspassagen als Experiment mit unabsehbarem Verlauf begriffen, „man ist im Moment mit X verheiratet, man ist derzeit Graphiker, man hat das letzte Mal Grün gewählt“ (Rosa 2007, S. 165 f.). Die daraus erwachsenden Identitäten und Lebensformen sind „dauerhaft provisorisch“ (Bauman 2008, S. 74). Der Wille zur rationalen Gestaltung des Sozialen lässt sich insbesondere für den wichtigen Bereich der staatlichen Politik kaum noch gewährleisten, weshalb komplexe Bereiche wie der Finanzmarkt sich selbst überlassen werden (Streeck 2013, S. 46). Politik wird im Zuge rasanter Veränderungsraten reaktiv, tastend und inkrementalistisch (Schimank 2011), was sich nicht zuletzt an der permanenten Revision öffentlicher Bildungs-, Gesundheits- oder Rentensysteme zeigt. „Flexibilität“ entwickelt sich zur neuen „Schlüsselqualifikation“, sie wird in unsicheren Zeiten von „Regierungen und Betrieben ebenso erwartet wie von Arbeitern und Akademikerinnen“ (Lemke 2004, S. 82). Besonders jüngere Kohorten verzichten auf langfristige Lebens-, Karriere- oder Familienplanungen. Als „flexible Menschen“ sind sie damit beschäftigt, sich möglichst viele Optionen für eine unbekannte Zukunft zu erhalten (Sennett 1998; Gross 1994). Dadurch kommt es zu einer „Institutionalisierung des Ephemeren“ (Reckwitz 2012), die Gegenwart zerfällt in Gegenwarten (Nassehi 2008, S. 30 ff., 2009, S. 359 ff.), der moderne Zeitpfeil zerbricht (Latour 2013) und das Soziale „implodiert in Aktualität“ (Baudrillard 1990, S. 12). Die Zeitstrukturen der Kompositionsphase verlangen nach Subjekten, die spontan und kreativ auf virulente Probleme reagieren. (2) In der Raumdimension äußert sich der Kompositionsprozess in Form von territorialen Entgrenzungs- und Mobilisierungsdynamiken. Durch die Revolution von Kommunikation und Transport (durch E-Mail-Verkehr, Internettelefonie, GPS-Navigation, Hochfrequenzhandel, Billigflieger) schnurrt der Globus in sich zusammen. Ein wachsender Teil der Erwerbsbevölkerung wechselt in immer kürzeren Abständen den geografischen Lebensmittelpunkt, je nach Berufsbranche sind mehrere Jahre am gleichen Ort eine Seltenheit. Der Nationalstaat wirkt angesichts globaler Interferenzen und supranationaler Akteure wie ein Auslaufmodell, er ist „zu klein geworden für die großen Probleme des Lebens und zu groß für die kleinen Probleme des Lebens“ (Bell 1987, S. 116). Das Soziale wird einer Transformation unterworfen, die so gravierend ist, dass bereits seit einigen Jahren eine Neujustierung der Soziologie diskutiert wird. Der Gegenstandsbereich ist nicht länger „a unitary society, nor is it an ideological community or a state, but it is a single power network. Shock waves reverberate around it, casting down empires, transporting massive quantities of people, material, messages, and finally, threatening the ecosystem and atmosphere of the planet“ (Mann 1993, S. 11; vgl. bereits Tenbruck 1981). Nationale Grenzpatrouillen werden allmählich abgebaut, weltgesellschaftliche Institutionen gewinnen an Bedeutung. Foucault hat diese Entwicklungstendenz sehr überzeugend
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auf den Punkt gebracht, indem er zwischen einem „Raum der Lokalisierung“ (Vormoderne), einem „Raum der Ausdehnung“ (seit dem 17. Jahrhundert) und einem „Raum der Relationen“ (Gegenwart) unterscheidet (Foucault 2006, S. 318 ff.): „Wir leben in einem Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und des Fernen, des Nebeneinanders und des Zerstreuten. Die Welt wird heute nicht so sehr als ein großes Lebewesen verstanden, das sich in der Zeit entwickelt, sondern als ein Netz, dessen Stränge sich kreuzen und Punkte verbinden“ (ebd., S. 317). Gemeinsame Aktivitäten ergeben sich heutzutage weniger aus körperlicher Nähe oder aus der Zugehörigkeit zu einer deutlich lokalisierbaren Einheit, sondern aus geteilten Verbindungen. Dies führt zu einer Transformation familiärer Beziehungen. So entsteht in Europa ein wachsender Pflegenotstand auch deshalb, weil die Erwerbstätigen so weit von ihren Herkunftsfamilien entfernt leben, dass sie sich nicht mehr um pflegebedürftige Familienmitglieder kümmern können. Von der Multilokalisierung der Arbeits- und Lebenswelt sind auch Partnerschaften betroffen. Fernbeziehungen entwickeln sich von der Ausnahme zur Regel, denn immer seltener gelingt es, dass beide Partner in derselben Stadt einen Job finden (Beck und Beck-Gernsheim 2011b). Räumliche Distanz erscheint je nach Berufszweig als unvermeidliches Schicksal: „Als wir uns 1968 in München kennengelernt haben, war eine Fernbeziehung noch undenkbar. Ohne Internet und Billigflieger! Aber dann sind wir über die Jahre immer wieder an verschiedene Unis berufen worden. Der Arbeitsmarkt ist blind für die Erfordernisse der Familie. Heute geht es uns wie vielen anderen, die eine Fernbeziehung haben. […] Mobilität ist heutzutage eben eine selbstverständliche Bedingung für den Erfolg“ (Beck und Beck-Gernsheim 2011a, S. 36). Die Intensivierung transnationaler Beziehungen führt dazu, dass Menschen-, Waren-, Finanz- und Bakterienströme nationale Grenzmauern schneller überschreiten als jemals zuvor. Die Orte unterliegen einer anhaltenden Transformation und werden durch globale „flows“ und „fluids“ überschwemmt (Mol und Law 1994; Castells 2003, S. 431 ff.; Urry 2007). Die geografische Neuvermessung sozialer Beziehungen darf freilich nicht überschätzt werden, denn parallel zu den hier verdichteten Entwicklungstrends kommt es noch immer zur Herausbildung stabiler Cluster und Milieus. Im Zeitalter der Komposition ist jedoch damit zu rechnen, dass der Aufbau stabiler Institutionen bis auf Weiteres die Ausnahme bleibt. (3) In der Sachdimension geht das 21. Jahrhundert mit einer Steigerung von Komplexität einher. Die „Ausdifferenzierung der Wertsphären“ (Weber 1920) wird an vielen Stellen porös oder gerät ins Kreuzfeuer der Kritik. Während die moderne Gesellschaft ihre charakteristische Anpassungsfähigkeit und Dynamik noch durch „intensive Reinigungsarbeiten“ (Latour 1991) und die hohe „Kunst der Trennung“ (Walzer 1992) generierte, liegt die Betonung im Zustand der Komposition weniger auf der Differenz distinkter Beobachterperspektiven als auf ihrer Relation. Codebrüche sind zwar offiziell tabu, doch sie finden nun immer häufiger statt; die Imagination säuberlich getrennter Rationalitäten wird daher oftmals durch die Vorstellung heterogener Netzwerke und Assemblagen ersetzt (DeLanda 2006). Der Papst spricht im Deutschen Bundestag, wissenschaftliche Expertise wird an der Höhe eingeworbener Drittmittel abgelesen, der Zeitplan von Sportveranstaltungen richtet sich nach den Bedürfnissen der Massenmedien, Parlamente orientieren sich am Börsenticker, die Umstellung des Bildungssystems zielt auf die Produktion von marktgerechtem Humankapital, Mitarbeiter des Jugendamtes machen präventive Hausbesuche bei Eltern von Neugeborenen, Ärzte werden zu unternehmerischem
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Handeln gezwungen, Glaubensgemeinschaften wie Scientology amalgamieren religiöse und ökonomische Motive, und die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit wird im kulturellen Kapitalismus bedenklich geschleift. Die hier beschriebenen Verflechtungen haben wenigstens zwei Ursachen: Zum einen wird die Steigerung von Komplexität im gesellschaftlichen Zusammenhang zunehmend als pathologisch empfunden; an den teilsystemischen „Schnittstellen“ materialisieren sich daher „Hybridorganisationen“, die operative Barrieren minimieren sollen (Laux 2011). Zum anderen führt die Krisenanfälligkeit der Wirtschaft zu Geldknappheit in anderen Lebensbereichen (Kunst, Wissenschaft, Politik, Sport, Massenmedien etc.). Dadurch kommt es zur Ausrichtung aller anderen Lebensbereiche an den Bedürfnissen der Ökonomie. Besonders der Staat, der in der organisierten Moderne noch als Mediator zwischen ökonomischen und demokratischen Funktionserfordernissen fungierte (Offe 1973), verliert seine Stellung als gesellschaftliche Schaltzentrale. Er degeneriert nach Auffassung vieler Beobachter zum Erfüllungsgehilfen einer global agierenden Wirtschafts- und Finanzelite. Die systemtheoretische Projektion einer polyzentrischen Gesellschaft mit autopoietischen Funktionssystemen erscheint dann von hier aus als zutreffende Beschreibung der Nachkriegszeit mit ihren versteinerten Machtblöcken und fordistisch eingehegten Institutionen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gerät dieses Modell jedoch ins Wanken, es kommt zu transversalen Grenzgefechten und „Realexperimenten“, in denen die zuvor „strikt getrennt gedachten ‚binären Codes‘ aufeinander angewendet, miteinander kombiniert und verschmolzen werden“ (Beck 1996, S. 47). Im Zustand der Komposition vollzieht sich ein Paradigmenwechsel von der „strukturellen Kopplung“ (Luhmann) zur „Intrusion“ (Bourdieu). Der Differenzierungsprozess verliert seinen vermeintlichen Einbahnstraßencharakter, das Soziale wird neu arrangiert. (4) In der Sozialdimension spielen Kompositionsprozesse ebenfalls eine wesentliche Rolle. So beklagen Parteien, Gewerkschaften, Sportvereine, Hilfsorganisationen und Kirchen bereits seit Jahren einen erheblichen Mitgliederschwund. Die Bereitschaft, sich dauerhaft an eine Organisation zu binden, geht merklich zurück. Pathologisch wird dieser Trend, sobald damit eine existenzielle Verunsicherung der Weltbeziehung einhergeht (Castel und Dörre 2009). Die Auszehrung fordistischer Institutionen (Niedriglöhne, Leiharbeit, Zeitverträge, mangelhafter Kündigungsschutz etc.) zeitigt negative Folgen für die gesamte Lebensführung und spiegelt die Zerbrechlichkeit des Sozialen im Zustand der Komposition. So ist auch Bourdieu zu verstehen, wenn er beklagt, dass „Prekarität heutzutage allgegenwärtig ist. Im privaten, aber auch im öffentlichen Sektor, wo sich die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitstellen vervielfacht hat; in den Industrieunternehmen, aber auch in den Einrichtungen der Produktion und Verbreitung von Kultur, dem Bildungswesen, dem Journalismus, den Medien usw. Beinahe überall hat sie identische Wirkungen gezeigt, die im Extremfall der Arbeitslosen besonders deutlich zutage treten […]. Prekarität hat bei dem, der sie erleidet, tiefgreifende Auswirkungen. Indem sie die Zukunft überhaupt im Ungewissen lässt, verwehrt sie den Betroffenen gleichzeitig jede rationale Vorwegnahme der Zukunft und vor allem jenes Mindestmaß an Hoffnung und Glauben an die Zukunft“ (Bourdieu 1998, S. 96). Die Erosion von Erwartungssicherheit zeigt sich nicht nur im Bereich der langfristigen Lebens-, Familienund Karriereplanung, sondern auch im alltäglichen Zusammenleben. Termine stehen jetzt immer häufiger unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Verschiebung oder spontanen Absage. Die radikalste Form dieser neuen unverbindlichen Verbindlichkeit auf Abruf sind
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vermutlich „Flashmobs“, also via Facebook, Twitter, WhatsApp oder SMS anberaumte Versammlungen im öffentlichen Raum, bei denen es zur momenthaften Vergemeinschaftung von Personen kommt, die sich mit Kissen bewerfen, eine Menschenpyramide bilden, ein Trillerpfeifen-Konzert geben, politische Parolen skandieren, miteinander rangeln oder zusammen einen Schneemann bauen. Diese ekstatischen Begegnungen dauern häufig nicht länger als fünf Minuten, danach entschwinden die Protagonisten in die Anonymität. Vergemeinschaftung wird hier zu einer individuell zu erbringenden Ad-hoc-Leistung, die jederzeit verweigert werden kann (Gertenbach et al. 2010, S. 61 ff.). Der Einzelne kann sich für eine temporäre Teilhabe am sozialen Leben entscheiden, ohne hiermit eine dauerhafte oder gar sanktionsfähige Verpflichtung gegenüber den anderen einzugehen. Die kapitalistische Entbettung und technikvermittelte Mobilisierung der Subjekte bereitet somit den Boden für die Ausbreitung nomadischer Individuen und „Instant-Gemeinschaften“ (Bauman 2009, S. 87; vgl. Hitzler et al. 2008). Von hier aus kommt schließlich noch ein letzter Kompositionseffekt in den Blick: die Hybridisierung der Natur-Kultur-Grenze. Die zunehmende Bedeutung von Mensch-Tierbzw. Mensch-Maschine-Mischwesen zeigt sich etwa daran, dass diese Vorgänge mittlerweile ganz oben auf der Agenda des Deutschen Ethikrates stehen. Die Politik gelangt hierzulande offenbar ganz im Sinne Bruno Latours (1999) zu der Ansicht, dass die explosionsartige Ausbreitung der Hybriden demokratisch reguliert werden muss. Technik ist zu einem konstitutiven Bestandteil der Alltagsroutinen geworden, sie verändert das menschliche Verhältnis zur Welt, ihre weitreichenden Folgen gilt es abzuschätzen: „Human powers increasingly derive from the complex interconnections of humans with material objects, including signs, machines, technologies, texts, physical environments, animals, plants, and waste products. People possess few powers which are uniquely human, while most can only be realised because of their connections with these inhuman components“ (Urry 2000, S. 14). Die Spätmodernen verlassen sich auf Smartphones, Navigationsgeräte, Computer, Clouds, Wikis, Klimaanlagen, Kreditkarten, Fernseher und Satelliten. Die Liste kleiner und großer Helfer wird täglich länger. Handlungsmacht wird im großen Stil an nichtmenschliche Wesen verteilt, und die Dinge begegnen uns vielfach als funktional äquivalente oder überlegene Träger von Agency. Die nichtmenschlichen Wesen sind zu einer „dritten Natur“ geworden, die Figur des Cyborgs (Haraway 1990) ist längst kein apokalyptisches Schreckensszenario mehr. Die operative Symbiose erreicht ein irreversibles Niveau, ein Zurück zur „natürlichen Natur“ ist weder möglich noch erstrebenswert. Aber auch vonseiten der modernen Naturwissenschaften wurde und wird die Einzigartigkeit des Menschen immer weiter relativiert. Genomanalysen zeigen lediglich minimale DNA-Differenzen bei Menschen, Affen und Regenwürmern, während zoologische Studien diversen Tierarten hochkomplexes Sozialverhalten attestieren. Im „Anthropozän“ (Crutzen 2002) treten die Interferenzen zwischen Mensch, Natur und Technik immer deutlicher hervor. Domestizierung schlägt in Hybridisierung um. Nirgendwo wird das so deutlich wie in den Versuchslabors der Lebenswissenschaften, wo die Herstellung hybrider Lebensformen zum Forschungsalltag gehört. Pflanzen und Tiere werden genetisch verändert, geklont, mit menschlichen Stammzellen beglückt (Gen-Tomate, Schaf Dolly, Mäuse mit menschlichen Hirnzellen), oder sie werden als organisches Ersatzteillager verwendet, aus dem sich der Mensch bei Bedarf bedienen kann (Mensch mit SchweineHerzklappe, Kälberblutinjektionen gegen Muskelfaserrisse etc.). So werden Mischwesen
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erzeugt, von denen nicht mehr klar ist, ob sie natürlich oder künstlich, Mensch oder Tier sind. Angesichts der anhaltenden Fortschritte auf den Gebieten der künstlichen Intelligenz, Robotik, Medizin und Gentechnik ist die Prognose, dass es bald keine (reinen) Menschen mehr gibt (Harris 2010), alles andere als unrealistisch. Sofern der Gesetzgeber das Prädikat der Menschenwürde weiterhin reservieren will, ist er demnächst mit der Frage konfrontiert, wie viel menschliche DNA nötig ist, um noch als Mensch zu gelten. Doch bis dahin werden die Experimente weitergehen. In den vorangegangenen Ausführungen wurden Prozesse der Komposition für alle vier Sinndimensionen herausgearbeitet. Die sukzessive Verschmelzung von Natur und Kultur, die Beschleunigung biotechnologischer Innovationen, das Hereinbrechen der digitalen Revolution, das Ende der bipolaren Machtblöcke und die Entfesselung des Finanzmarktkapitalismus haben planetarische Dynamiken in Gang gesetzt, für die neuartige Formen des Zusammenlebens experimentell erprobt werden. Gesellschaftsanalysen, die von stabilen Strukturen ausgehen, geraten unter diesen Bedingungen an ihre Deutungsgrenzen. Der Pragmatismus ist hingegen explizit auf das Verständnis beschleunigter Welten ausgerichtet, seine Gründungsszene verweist auf Situationen der Ungewissheit (Dewey 1929), in denen die Realität im Kommen bleibt (James 1907b, S. 115). Aus dem pragmatistischen Unbehagen an statischen Kosmologien (unveränderliche Wahrheit, unsterbliche Seele, ewiges Leben, allmächtiger Gott, eigentliche Identität, absoluter Ursprung, universelle Moral) lässt sich eine Soziologie des Werdens, der Innovationen und der kreativen Praxis destillieren, mit der es gelingen könnte, die Besonderheiten der hereinbrechenden Kompositionsphase besser zu verstehen. Das analytische Potenzial dieser Forschungsperspektive soll nachfolgend anhand ausgewählter Denkfiguren des Neopragmatisten Richard Rorty exemplarisch verdeutlicht werden. 3 Rortys Beitrag zu einer Soziologie des Werdens Im Zentrum der Schriften von Richard Rorty steht die darwinistische Evolutionstheorie. Im Anschluss an Deweys wichtige Pionierarbeit (1910)8 bemüht sich Rorty seit den 1980er Jahren um eine möglichst breitgefächerte Einverleibung der mit Darwin eröffneten Perspektive auf die (soziale) Welt. Durch den Schulterschluss mit den Lebenswissenschaften beschreitet er einen Weg, der alles andere als selbstverständlich ist. Denn in den Geistes- und Sozialwissenschaften stoßen derartige Referenzen auf starke Ablehnung. Die Vorbehalte gegen sozialdarwinistische Entgleisungen und soziobiologische Irrwege stehen einer substanziellen und ergebnisoffenen Auseinandersetzung bis heute im Wege (Baldus 2002; Lemke 2007). Dieser Zustand ändert sich erst in jüngster Zeit. Darwin wird nun in verschiedenen Diskussionskontexten zum entscheidenden Referenzautor bei der Modellierung des soziokulturellen Wandels (Dux 2005; Sarasin 2009; Runciman 2009; Skyrms 2004; Binmore 2005; Tomasello 2008). Rortys Wunsch nach einer Adaption biologischer Einsichten ist so ausgeprägt, dass er die Idee der soziokulturellen Evolution 8 Rorty, der sich selbst als „Schüler“ Deweys bezeichnet (1997, S. 9), bemüht sich allerdings, die „lebendigen von den toten Elementen in Deweys Denken“ (Rorty 2000a, S. 422) zu trennen und suspendiert dabei unter anderem den Erfahrungsbegriff (ebd., S. 424 ff.).
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sogar als „Herzstück“ seines Werkes bezeichnet (Rorty 2001a, S. 259).9 Diese Emphase ist erklärungsbedürftig, da eine systematische Auseinandersetzung mit Darwin ausbleibt. Rortys Bezugnahmen fallen äußerst minimalistisch aus und überschreiten selten das Niveau oberflächlicher Fußnoten. Trotzdem sind diese Passagen aufschlussreich, denn die Evolutionstheorie fungiert als Katalysator zur Entwicklung einer operativen Perspektive, die bei der Unbestimmtheit des Sozialen einsetzt und einer experimentellen Agenda für das 21. Jahrhundert endet. 3.1 Darwinistische Soziologie Als einer der ersten Autoren überhaupt hat Rorty den aus der Modallogik stammenden Begriff der „Kontingenz“ aufgenommen, um ihn ins Zentrum gesellschaftsdiagnostischer Überlegungen zu stellen. In seinen Studien zur liberalen Gegenwartskultur zeigt er die Ausbreitung einer antifundamentalistischen Haltung, deren Träger zu der Einschätzung gelangen, dass „alles auch anders möglich gewesen“ wäre (Rorty 1989, S. 87). Rorty projiziert dabei das Bild einer westlichen Welt, die realisiert, dass ihre Institutionen und Wertmaßstäbe nicht auf universellen Fundamenten, sondern auf Treibsand errichtet wurden (ebd., S. 84 ff.). Die Verabschiedung transzendentaler Autoritäten wird durch soziale Umbrüche ermöglicht, durch sprachliche Neubeschreibungen artikulierbar und durch künstlerische Erzeugnisse massenwirksam. Alle Erzählungen, die den Mahlstrom der Geschichte hingegen weiterhin als Ausdruck einer (göttlichen) Natur oder Vernunft hypostasieren, erweisen sich unter spätmodernen Bedingungen als folgenschwere Hypotheken, die der weltweiten Etablierung und Verbesserung demokratischer Institutionen im Weg stehen und daher schleunigst abgebaut werden sollten (Rorty 1988a, S. 84 ff.). Um eine „verbesserte Selbstbeschreibung“ zu erreichen, ist daher eine Umdeutung der Fortschrittsidee unbedingt erforderlich (Rorty 1989, S. 96, 313). Sie muss von teleologischen, deterministischen und rationalistischen Implikationen befreit und mit einer darwinistischen Auffassung der Geschichte in Einklang gebracht werden (Rorty 1988a, S. 100; 1989, S. 310). Rorty wirbt in diesem Zusammenhang für eine naturalistische Erzählweise, die „ohne Bezug auf große Wendepunkte“ auskommt, die eine „Vielzahl kleiner Kampagnen statt weniger großer Bewegungen“ protokolliert und den Ereignisstrom als „ein nicht endendes Netz sich wandelnder Beziehungen“ figuriert. Auf diese Weise kann „von jedem unausweichlichen Fortschritt und jeder immanenten Teleologie“ Abstand genommen werden, sodass gesellschaftliche Dynamiken wie „ein Geflecht von Chancen, Mißgeschicken und verpaßten Chancen“ erscheinen (Rorty 1999, S. 117). Um eine derartige Position zu entfalten, erweist sich Darwin als äußerst hilfreich, denn die „kulturelle Evolution gleicht der biologischen; von beiden wissen wir nicht, wohin sie führen werden, aber es kann für uns sehr anregend sein, den Vorgang zu beobachten. Wer mehr will als neue Beschreibungsweisen, der fordert im Grunde das, was Religion und Philosophie immer wieder versprochen haben: einen Fixpunkt in der sich wandelnden 9 Mit einer wichtigen Einschränkung: „Die Biologie sagt uns etwas über die Hardware, nicht über die Software. Auf ein und derselben Hardware kann eine unendliche Vielfalt von Programmen laufen, und ein und derselbe Organismus kann durch eine unendliche Vielfalt von Kulturen geprägt werden“ (Rorty 2000b, S. 182).
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Welt, einen unverrückbaren Angelpunkt. Aber seit Hegel und Darwin beharren wir weniger nachdrücklich auf der Einlösung dieses Versprechens“ (Rorty 2000b, S. 179). Das Telos des sozialen Wandels bleibt demzufolge vage und unbestimmt; falls es überhaupt ein durchgängiges Motiv gibt, dann ist es die Steigerung von Komplexität. So können wir „Geschichten über den Evolutionsprozess von den Protozoen bis zur Renaissance“ erzählen, die davon berichten, „wie eine allmählich komplexer werdende physiologische Struktur zunehmend komplexeres Verhalten erleichtert“ (Rorty 2008, S. 268). Die Institutionalisierung sozialer Muster und Routinen basiert nach darwinistischem Fortschrittsverständnis auf der Wahrnehmung, Ausnutzung und Wiederholung zufälliger Ereignisse. Soziale Organisationssysteme, wissenschaftliche Theorien und künstlerische Gestaltungsformen tragen unaufhörliche Kämpfe aus, deren Ausgang ungewiss bleibt (Rorty 2001b, S. 200). Das Fortschreiten der sozialen Evolution beruht demnach nicht auf der Exekution übergeordneter Zwecke oder Skripte, sondern auf experimentellen Designprojekten, die zur pfadabhängigen Verknüpfung kontingenter Operationen beitragen (Rorty 1994a, S. 35; 2000a, S. 434). Die evolutionstheoretisch eingebettete Kontingenzthese überträgt Rorty in der Folge insbesondere auf wissenschaftliche Erkenntnisse und moralische Lernprozesse. Er vertritt dabei eine prozessontologische Position, die in ihren Grundzügen bereits bei Alfred North Whitehead (1929) angelegt ist. Demzufolge kann die Soziologie niemals als authentischer Spiegel der Gesellschaft fungieren, weil ihr Signifikat oszilliert. „Objektive Wahrheit“ kann unter diesen Voraussetzungen „nicht mehr und nicht weniger sein als die beste Idee, die wir gegenwärtig zur Erklärung dessen haben, was um uns herum vorgeht“ (Rorty 1994b, S. 417). Es gibt keinen „Blick von nirgendwo“ (Nagel 1989), dem es gelingen könnte, die Realität als solche zu erfassen. Es kommt darauf an, wer spricht und welches Problem es gerade zu lösen gilt. So kann es aus einer christlichen Perspektive durchaus nützlich sein zu behaupten, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Auf diese Weise bleibt zwar die genaue Bewegung der Himmelskörper ein Rätsel, dafür wird es durch diese Vorstellung möglich, an die buchstäbliche Wahrheit der christlichen Überlieferung zu glauben. Entscheidend ist also nicht die „Wahrheit“, sondern der Nutzen einer Überzeugung für die Befriedigung spezifischer menschlicher Bedürfnisse (Rorty 1997, S. 18). „Weder die klassischen Pragmatisten noch die Neopragmatisten glauben, daß es so etwas wie ein eigentliches Sosein der Dinge gibt. Daher wollen sie die Unterscheidung zwischen Erscheinung und Realität durch die Unterscheidung zwischen mehr und weniger nutzbringenden Beschreibungen der Welt und unserer selbst ersetzen. Wird dann die Frage ‚Nützlich wozu?‘ aufgeworfen, haben sie nichts weiter zu erwidern als ‚Nützlich zur Schaffung einer besseren Zukunft‘. Stellt man ihnen die Frage: ‚Nach welchem Kriterium besser?‘, sind sie zu einer detaillierten Antwort ebensowenig imstande wie die ersten Säugetiere zu einer Angabe der Hinsichten, in denen sie mehr taugten als die aussterbenden Dinosaurier“ (Rorty 1994a, S. 16 f.). Es gibt keine Lücke zwischen Denken, Sprache und Realität (Rorty 2008, S. 270), wir stehen stets in Kontakt mit der Welt: „Kein menschlicher oder nichtmenschlicher Organismus hat je mehr oder weniger Kontakt mit der Wirklichkeit als irgendein anderer Organismus. Gerade die Vorstellung, ‚keinen Kontakt mit der Wirklichkeit zu haben‘, setzt das nicht-darwinistische, cartesianische Bild eines freischwebenden Geistes voraus, der irgendwie von den kausalen, auf den Körper einwirkenden Kräften befreit
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wäre“ (Rorty 1997, S. 16). Es gibt keine Meta-Instanz, keinen Gottesstandpunkt, von dem aus wissenschaftliche oder moralische Positionen auf ihre Richtigkeit geprüft werden könnten. Unser Vokabular stellt keinen Kontakt zu einer verborgenen Realität der Dinge her, sondern setzt verschiedene Entitäten in kontingenter Weise miteinander in Beziehung. Kommunikation ist nicht dazu in der Lage, „das, was da draußen ist, zu kopieren“ (ebd., S. 20), es kann der Sprache daher auch „nicht mißlingen, etwas genau zu repräsentieren, denn sie hat überhaupt nie etwas repräsentiert“ (Rorty 1994b, S. 41). Sobald man „die Dinge darwinistisch betrachtet“, wird deutlich, „daß die Sprache keine Gegenstandsrepräsentationen liefert, sondern Werkzeuge zur Meisterung der Gegenstände, und zwar verschiedene Reihen von Werkzeugen für verschiedene Zwecke“ (ebd., S. 61). Jede wissenschaftliche Theorie ist „das Produkt phantastisch komplexer kausaler Verknüpfungen zwischen menschlichen Organismen und dem Rest des Universums. Es ist nicht möglich, das Netz dieser kausalen Verknüpfungen zu zerlegen, um bei einer bestimmten Überzeugung die relativen Subjektivitäts- und Objektivitätsanteile miteinander zu vergleichen“ (Rorty 1997, S. 20). Wir können den gesellschaftlichen Konventionen und Verwicklungen nicht entgehen, „universelle“ Einsichten und Prinzipien sind Ausdruck früherer Intuitionen und Überlegungen und damit im Grunde nichts weiter als „Gedächtnisstützen“ (Rorty 2008, S. 330). Unsere Moralvorstellungen basieren nicht auf einem „moralischen Gesetz“ mit universeller Gültigkeit, sie sind vielmehr „Ausdruck der Gewohnheiten der heutigen liberalen Gesellschaften“, sie sind „ein konkretes Gewebe sozialer Praktiken“ (Rorty 2000c, S. 86), das im Kampf gegen konkurrierende Weltanschauungen nicht auf metaphysischen Beistand hoffen darf. Nach Rortys Vorstellung gibt es keine Beschreibung der (menschlichen) Natur, deren Genauigkeit oder Konkretheit größer oder geringer wäre als die einer Konkurrentin, „es sei denn, man deutet ‚genauer‘ und ‚konkreter‘ pragmatisch, also ungefähr im Sinne von ‚nützlicher für die folgenden Zwecke …‘“ (Rorty 2000a, S. 425). Kulturelle Rechtfertigungsordnungen und wissenschaftliche Paradigmen können nur dann überleben, wenn es gelingt, ihre relativen Vorzüge in der Sozialwelt hervorzukehren (Rorty 1994b, S. 47). 3.2 Relationale Soziologie Bei der Lektüre aktueller Beiträge zum sozialtheoretischen Diskurs entsteht mitunter der Eindruck, dass die pauschale Zurückweisung von Dualismen eine Selbstverständlichkeit ist, die keiner weiteren Begründung bedarf. Wer dagegen Rorty liest, wird nicht nur darauf hingewiesen, „daß so verschiedene Philosophen wie William James und Friedrich Nietzsche, Donald Davidson und Jacques Derrida, Hilary Putnam und Bruno Latour, John Dewey und Michel Foucault Antidualisten sind“, sondern erfährt auch, dass dies keineswegs bedeutet, dass diese Autoren „etwas gegen binäre Gegensätze hätten, denn es steht ja gar nicht fest, ob Denken ohne Gebrauch solcher Gegensätze überhaupt möglich ist. Vielmehr heißt es, daß sie den Einfluß der spezifisch metaphysischen Dualismen abzuschütteln versuchen, die die philosophische Tradition des Abendlands von den Griechen geerbt hat […]. Sie bemühen sich um die Verdrängung des mit Hilfe dieser griechischen Gegensatzpaare konstruierten Weltbilds durch ein Bild von einem Strom ständig wechselnder Beziehungen“ (Rorty 1994b, S. 37). Im Anschluss an James oder Dewey macht Rorty also deutlich, dass unser dualistisches Vokabular nur deshalb ersetzt werden
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muss, weil es beim Zurechtkommen in einer sich rasch wandelnden Welt hinderlich ist. Dualismen sind als solche weder gut noch schlecht, für analytische Zwecke können sie sogar äußerst hilfreich sein, sie sind zur Erfassung gegenwärtiger Sozialformen jedoch weitgehend ungeeignet, weil sie eine fest gefügte, klar geordnete und unhinterfragbare Ordnung suggerieren (Institution), obwohl das Soziale in vielen Bereichen kontingent, unscharf und riskant geworden ist (Komposition). Erst vor diesem kulturhistorischen Hintergrund wird verständlich, warum in der zeitgenössischen Soziologie kaum noch jemand von stabilen Essenzen oder Substanzen ausgehen möchte. Die Suche nach begrifflichen Alternativen gestaltet sich jedoch schwierig. Autoren wie George Herbert Mead (1934), Erving Goffman (1959) oder Jean-Claude Kaufmann (2010) haben zwar viel dazu beigetragen, unsere Vorstellung von Identität zu dynamisieren. Gleichwohl wird in den Debatten noch immer darauf insistiert, dass zur Integration multipler Rollen ein stabiler Identitätskern als Träger vorausgesetzt werden müsse. Eingefordert wird also eine binäre Unterscheidung, die das „eigentliche Wesen“ vom „bloß Akzidentiellen“, das „Intrinsische“ vom „Extrinsischen“ trennt. Doch die „Unterscheidung von Innen und Außen können wir […] nicht mehr machen, wenn wir eine biologistische Auffassung vertreten“ (Rorty 1997, S. 20). Rorty liefert eine alternative Denkfigur, mit der Relationen ohne Relata gedacht werden können. Hierfür verweist er auf das System der Zahlen, da es „überaus schwerfällt, sie so aufzufassen, als hätten sie ein inneres Wesen“ (Rorty 1994b, S. 44). Um den Sachverhalt zu demonstrieren, fragt Rorty danach, „was das Wesen der Zahl 17 ist“. Die 17 ist „kleiner als 22, größer als 8, die Summe von 6 und 11, die Quadratwurzel aus 289, das Quadrat von 4,123105 […]. Das Unliebsame an allen diesen Beschreibungen ist, daß anscheinend keine von ihnen der Zahl 17 näher kommt als eine der übrigen. Nicht minder unliebsam ist, daß es offensichtlich unendlich viele sonstige Beschreibungen gibt, die man nennen könnte und die allesamt ebenso ‚akzidentiell‘ und ‚extrinsisch‘ ausfallen würden“ (ebd., S. 45). Mit einer essentialistischen Brille kommt man an dieser Stelle also nicht weiter, alles, was wir über den Charakter der Zahl 17 wissen, basiert auf einer selektiven Explikation des Beziehungsgefüges, in dem sie steht. Rorty hält das System der Zahlen für „ein geeignetes Modell des Universums, weil es in diesem System offensichtlich – und offensichtlich harmlos – ist, daß es keine Glieder von Beziehungen gibt, die nicht selber wieder bloß Büschel von weiteren Beziehungen sind“ (ebd., S. 46). Von hier aus argumentiert er weiter, dass wir alle Gegenstände so auffassen sollten, als „ähnelten sie den Zahlen in der Hinsicht, daß es nichts über sie zu wissen gibt außer einem unendlich umfassenden und stets erweiterbaren Netz von Beziehungen zu anderen Gegenständen. […]; niemals wird man auf etwas stoßen, das nicht seinerseits wieder eine Verknüpfung von Beziehungen ist“ (ebd.). Wir sollten daher stets die folgende Regel anwenden, um die üblichen Schwierigkeiten zu vermeiden: „Denk dir alles so, als sei es durch seine Beziehungen zu allem übrigen konstituiert; hör auf zu fragen, was dasjenige ist, das da in diesen Beziehungen steht und in allem Wandel konstant bleibt; versuch keinen Unterschied zu machen zwischen den inneren, zentralen, zum ‚Kern‘ gehörenden Eigenschaften eines Gegenstands und seinen ‚bloß‘ akzidentellen, relationalen Eigenschaften“ (Rorty 2002, S. 10). Lässt sich Rortys Relationierungsregel auch auf materielle Gegenstände übertragen? Was ist mit einem Tisch, dieser hat doch zweifellos intrinsische Eigenschaften, die hervortreten, sobald wir mit geballter Faust dagegen schlagen, oder nicht? Rorty gibt zu
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bedenken, dass der Tisch nicht nur hart, sondern auch braun, hässlich, vierbeinig, glatt, aus Atomen bestehend, aus einem Baum gefertigt, in einem Baumarkt gekauft etc. ist. Die Kennzeichnung als „hart“ oder „schmerzauslösend“ ist somit keineswegs intrinsischer als andere Attribuierungen (Rorty 1994b, S. 49). Das Gefühl, wir könnten etwas „auch ohne Kenntnis seiner Beziehungen zu anderen Dingen kennen“, ist nichts weiter als „ein Reflex des Unterschieds zwischen der Sicherheit hinsichtlich einiger vertrauter, selbstverständlicher und offenkundiger Beziehungen, in denen der betreffende Gegenstand steht, und der Unsicherheit hinsichtlich seiner übrigen Beziehungen“ (ebd., S. 50). Sobald wir genügend (relationale!) Daten über eine Entität gesammelt haben, versehen wir sie automatisch mit einem stabilen Identitätskern und beginnen damit, sie in Beziehung zu neuen Dingen zu setzen, die unseres Erachtens nur in einem weitläufigen und unwesentlichen Zusammenhang zu ihr stehen. Bei genauerer Betrachtung müssen wir jedoch einräumen, dass diese „peripheren“ Beziehungen nicht weniger intrinsisch sind als die „identitätsstiftenden“ Beziehungen (ebd., S. 51). Wir sollten daher am besten „alle Fragen abweisen, bei denen es darum geht, wo der eigentliche Gegenstand aufhört und seine Beziehungen anfangen“ (ebd.). Und weil es „nichts gibt, was ein inneres Wesen besitzt, haben auch die Menschen keines“ (ebd., S. 59). Menschen werden am besten vorgestellt als „mittelpunktloses Netz von Überzeugungen und Wünschen, deren Vokabular und Meinungen durch die historischen Umstände determiniert ist“ (Rorty 1988a, S. 103). Ein Selbst kann „nicht vollendet werden, weil es nichts zu vollenden gibt, es gibt nur ein Beziehungsnetz, das neu gewoben werden muß, ein Netzwerk, das die Zeit jeden Tag vergrößert“ (Rorty 1989, S. 83). Rorty erklärt die Suche nach nicht-relationalen Eigenschaften für aussichtslos und fordert dazu auf, „die Suche nach Zentren – sei es des eigenen Ichs oder unserer Kultur – abzubrechen“ (Rorty 2002, S. 8). Erst dann können wir sehen, dass „wir nicht das vernünftige oder das grausame Tier sind, sondern das anpassungsfähige, das proteische, das sich selbst formende Tier“ (Rorty 2000d, S. 245). Mit diesem alternativen Deutungsvorschlag kann und will Rorty jedoch mitnichten eine universell ausgerichtete Anthropologie begründen, er liefert vielmehr eine Beschreibung von Agency, die den Kreativitätszumutungen der gegenwärtigen Kompositionsphase grundbegrifflich Rechnung trägt. 3.3 Symmetrische Soziologie Soziologische Diskurse kultivierten bis in die jüngere Vergangenheit hinein eine Gesellschaft ohne nichtmenschliche Wesen: Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien, Viren, Alltagsgegenstände, technische Artefakte, Geister, Atmosphären oder Götter wurden nicht als soziale Akteure anerkannt und daher regelmäßig aus dem Zuständigkeitsbereich der Sozialwissenschaften verbannt (vgl. für diese Einschätzung Knorr Cetina 1998; Latour 2001; Bammé 2011; Delitz 2010; Schulz-Schaeffer 2008). Doch wenn Supercomputer mit menschlicher Stimme bei der Quizshow „Jeopardy“ gewinnen, ein isländischer Vulkan mit unaussprechlichem Namen den internationalen Flugverkehr lahmlegt, ein Virus zur millionenfachen Schlachtung von Rindern autorisiert, Herzschrittmacher das Leben von Menschen erhalten, Satelliten uns sagen, wo die nächste Apotheke ist, Verkehrsleitsysteme Staus verursachen, Softwareagenten an der Börse über Unternehmenswerte und Arbeitsplätze entscheiden, die Superreichen hinter Panzerglas in „gated communities“
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abtauchen, elektronische Fußfesseln Gefängnisse ersetzen, Erdbeben für Migrationsströme sorgen, Datenströme per Bluetooth durch die Luft schwirren oder der Klimawandel protestierende Menschenmassen in Bewegung setzt, dann greift eine Erklärung offensichtlich zu kurz, die lediglich menschliche Akteure am Werk sieht. Bereits diese schlaglichtartige Auflistung aktueller Phänomene festigt den Eindruck, dass die Grenzziehung zwischen menschlicher und nichtmenschlicher Welt aufgrund operativer Verflechtungen zunehmend schwieriger wird: „Die Natur kann nicht mehr ohne Gesellschaft, Gesellschaft kann nicht mehr ohne Natur begriffen werden“ (Beck 1986, S. 107). Daher wird in jüngster Zeit immer häufiger über die Erweiterung des soziologischen Gegenstandsbereichs debattiert. Bei der methodologischen Umorientierung kann Rortys Naturalismus eine wichtige Rolle spielen, denn er nimmt die gegenwärtigen Diskussionen vorweg und versorgt die neopragmatistischen Strömungen der Gegenwart (Akteur-Netzwerk-Theorie, Soziologie der Konventionen etc.) mit frischen Argumenten, die für eine Symmetrisierung des soziologischen Gegenstandsbereichs ins Feld geführt werden können. Abermals greift er hierfür auf die Hilfe Darwins zurück. Zunächst deutet Rorty das Verhältnis zwischen Natur und Kultur als ontologisches Kontinuum: „By ‚darwinism‘ I mean a story about humans as animals with special organs and abilities: about how certain features of the human throat, hand, and brain enabled humans to start developing increasingly complex noises back and forth.“ (Rorty 1993, S. 447) Durch Rortys phylogenetisch angeleiteten Fokus auf die Entwicklung des Sprachvermögens wird es „möglich, das gesamte menschliche Verhalten als Fortsetzung des tierischen Verhaltens zu sehen“, denn „der Ursprung der Sprache“ kann „im Gegensatz zum Ursprung des Bewußtseins oder zu einer Fähigkeit namens ‚Vernunft‘“ als kontinuierlicher Prozess beschrieben werden, aus dem „hervorgeht, wie es dazu gekommen ist, daß die Tiere zu sprechen begonnen haben“ (Rorty 1994b, S. 65). Darwins Evolutionstheorie macht es geradezu unmöglich, „die höheren Anthropoiden so aufzufassen, als hätten sie unversehens einen zusätzlichen Bestandteil namens ‚Vernunft‘ oder ‚Intelligenz‘ erlangt, und nicht bloß ein größeres Quantum der gleichen Art von Gerissenheit, die auch die niedrigeren Menschenaffen bereits an den Tag gelegt hatten“ (ebd., S. 60). Welche Konsequenzen ergeben sich für die soziologische Forschungspraxis, wenn flüssige Übergänge zwischen Natur und Kultur angenommen werden? Was wird aus anthropozentrisch eingefärbten Kategorien wie Bewusstsein, Sinn, Handlung, Freiheit, Autonomie, Intentionalität, Transintentionalität, Rationalität oder Irrationalität? Rortys Antwort auf diese Frage ist simpel: Wir sollten diese vermeintlich wesenhaften Attribute als kontingente Zuschreibungen auffassen, die für unser alltägliches Leben wichtige Dienste leisten. „Wir schreiben denjenigen Wesen Überzeugungen zu, die Sätze verwenden, oder bei denen wir uns vorstellen können, daß sie Sätze verwenden. Das gilt nicht für Steine oder Pflanzen. Und zwar nicht deshalb, weil die ersteren ein spezielles Organ oder Vermögen – das Bewußtsein – haben, das den letzteren fehlt, sondern lediglich, weil uns die üblichen Verhaltensweisen von Steinen und Pflanzen hinreichend vertraut und so einfach sind, daß wir ihr Verhalten voraussehen können, ohne ihnen propositionale Einstellungen zuzuschreiben“ (Rorty 1997, S. 17). Im Gegensatz dazu ist das menschliche Verhalten „so komplex, daß es sich lediglich dadurch voraussehen läßt, daß man dem Organismus intentionale Zustände – Überzeugungen und Wünsche – zuschreibt“ (ebd., S. 16). Nach Rorty „besteht der Unterschied zwischen komplexen Tieren wie Hunden
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oder komplexen Maschinen wie Computern einerseits und nichtkomplexen Tieren wie Amöben und nichtkomplexen Maschinen wie Thermostaten andererseits [also] lediglich darin, daß es sich bei den ersteren, aber nicht bei den letzteren auszahlt, sie als Träger von Überzeugungen und Wünschen zu beschreiben. Auf der Grundlage solcher Beschreibungen können wir das Verhalten von Hunden und Computern besser voraussagen und erklären, als wenn wir nicht von diesen Beschreibungen ausgingen. Daher nehmen wir zu diesen Wesen mit komplexerem Verhalten die ‚intentionale Einstellung‘ ein“ (Rorty 2000e, S. 185). Die Frage danach, ob Computer und Hunde wirklich und wahrhaftig Überzeugungen und Wünsche haben, stellt sich für Pragmatisten gar nicht, sie urteilen nur in Abhängigkeit von der relativen Nützlichkeit des verwendeten Vokabulars. Intentionalität, Bewusstsein, Vernunft oder Rationalität sind demzufolge keine überprüfbaren Eigenschaften, die den Menschen vom Rest der Natur unterscheiden. Sie werden in sozialen Interaktionszusammenhängen lediglich zugeschrieben, um komplexe Verhaltensweisen verständlich zu machen (ebd., S. 184 ff.). Eine pragmatistisch informierte Soziologie kann also empirisch von Fall zu Fall prüfen, ob die Protokollierung nicht-menschlicher Aktivitäten hilfreich ist oder nicht, ohne sich in gegenstandsfernen Grenzgefechten über existenziale Unterschiede zu verlieren. 3.4 Ironisch engagierte Soziologie Welche Rolle kann die Soziologie noch spielen, wenn Begriffsapparat, Selbst und Gemeinwesen kontingent gesetzt werden? Für Rorty ist diese Situation kein Anlass zu politischer Apathie, postmoderner Beliebigkeit oder wissenschaftlicher Resignation. Im Gegenteil: Die multiple Kontingenz sollte ihm zufolge weder beklagt noch vertuscht werden. Er will sie sogar verschärfen, um an einen Punkt zu kommen, an dem „wir nichts mehr verehren, nichts mehr wie eine Quasi-Gottheit behandeln, wo wir alles, unsere Sprache, unser Bewußtsein, unsere Gemeinschaft, als Produkte von Zeit und Zufall behandeln“ (Rorty 1989, S. 50). Um die Möglichkeiten der Kompositionsphase zu nutzen, rückt Rorty den Begriff des „ironischen Engagements“ in den Vordergrund seiner gesellschafstheoretisch orientierten Arbeiten und revitalisiert damit das liberale Erbe des Pragmatismus. Er wendet sich insbesondere gegen eine apathisch gewordene Linke, die sich im Stile Foucaults darauf verstellt, vermachtete Gegenwarten genealogisch zu demaskieren, um anschließend die verbleibenden Hoffnungen durch dystopische Figuren auszutrocknen (Rorty 1999, 1988b, S. 8, 1989, S. 111 ff.). Diesem poststrukturalistischen Fatalismus hält er einen „romantischen Utopismus“ entgegen, der es keineswegs für naiv hält, „sich eine bessere Zukunft vorzustellen“ (Rorty 1999, S. 132). Sein Pragmatismus ist konstruktiv, er will Utopien entwerfen, Reformen anleiten, Kompromisse finden und eine bessere Zukunft anpeilen. Gerade weil er fest davon überzeugt ist, dass die Geschichte aus einer Vielzahl loser Episoden besteht, die mit Erhabenheit überhaupt nichts zu tun haben (ebd., S. 116 ff.), plädiert er für ein problemlösungsorientiertes und kompromissbereites Miteinander (ebd., S. 32). Im Anschluss an Dewey (1927) und ähnlich wie Latour (1999) skizziert er eine experimentelle Demokratie mit vitalen Öffentlichkeiten, in der Vielfalt
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nicht kultiviert oder ignoriert, sondern in eine geteilte Welt übersetzt wird (Rorty 1999, S. 97).10 Dadurch wird eine Kritik an postdemokratischen Tendenzen und erstarrten Institutionen möglich, welche sich nicht in der empirischen Erfassung von Leidenserfahrungen erschöpft.11 Rorty verdichtet seine Position in der Figur der „liberalen Ironikerin“. Die Ironikerin hegt „radikale und unaufhörliche Zweifel an dem abschließenden Vokabular, das sie gerade benutzt […], sie erkennt, daß Argumente in ihrem augenblicklichen Vokabular diese Zweifel weder bestätigen noch ausräumen“, und sie glaubt nicht, „ihr Vokabular sei der Realität näher als andere oder habe Kontakt zu einer Macht außerhalb ihrer selbst“ (Rorty 1989, S. 127). Als engagierte Ironikerin glaubt sie jedoch daran, dass eine weltanschauliche Überzeugung es „auch dann wert sein kann, daß man das Leben für sie läßt“, wenn „sie durch nichts anderes verursacht wird als kontingente historische Bedingungen“ (ebd., S. 306). Und als liberale Ironikerin kann sie sich nichts Schlimmeres vorstellen, „als grausam zu sein“ (ebd., S. 128), und wird daher Tugenden wie Kreativität, Neugier, Aufgeschlossenheit, Solidarität und Gesprächsbereitschaft an den Tag legen (Rorty 1997, S. 14, 1989, S. 145). Während Metaphysiker glauben, dass die Wertmaßstäbe und Kategorien, die unsere kulturelle Grammatik bilden, den Bereich des Möglichen erschöpfen, erweitern Ironiker diesen Bereich beständig. Sie ermöglichen durch ihre welterschließende Haltung eine Abschwächung von Freund-Feind-Unterscheidungen und befördern die Erschaffung eines Kosmos, der größer und vielfältiger wird (Rorty 1989, S. 224, 319). Ein ironistisch engagierter Handlungsmodus empfiehlt sich insbesondere deshalb, weil die nicht-okzidentalen Gesellschaften „misstrauisch gegenüber Angehörigen des westlichen Kulturkreises [sind], die ihnen empfehlen, sich westliche Sitten anzueignen, um rationaler zu werden. (Ian Hacking brachte diesen Vorschlag auf die Kurzformel: ‚Ich rational, du Jane‘.)“ (Rorty 2000c, S. 96). Rorty zufolge sollten zwar alle Völker den Menschenhandel unterbinden, die Religionsfreiheit stärken und die Geschlechterdiskriminierung beenden, aber er betont in konsequenzialistischer Manier, dass es „von Vorteil wäre, wenn wir offener ethnozentrisch aufträten und von unserem angeblichen Universalismus ein wenig abließen. Es wäre besser zu sagen: So sieht es bei uns im Westen aus, nachdem wir die Sklaverei abgeschafft, Frauen Bildungsmöglichkeiten eröffnet, Kirche und Staat voneinander getrennt haben und so weiter. Dies ist, was geschah, nachdem wir anfingen, bestimmte Unterscheidungen zwischen Menschen als willkürlich zu betrachten […]. Wenn ihr versuchen würdet, sie in dieser Weise zu betrachten, könnten euch die Folgen möglicherweise gefallen“ (ebd., S. 97). Es geht, mit anderen Worten, „nicht darum, etwas zu finden, das uns allen gemeinsam ist, sondern darum, zu erkennen, dass die vorhandenen Unterschiede (zwischen Schwarzen und Weißen, zwischen Heterosexuellen und Homosexuellen) weniger wichtig sind, als wir früher gemeint haben“ (Rorty 2000b, S. 174).
10 Für die pragmatistische Imagination einer experimentellen Demokratie vgl. auch den Beitrag von Jörn Lamla in diesem Themenheft. 11 Zur Kritikfähigkeit des Pragmatismus vgl. auch den Beitrag von Hella Dietz in diesem Themenheft.
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Den Sozialwissenschaften fällt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, „unser Verständnis des Wir so weit auszudehnen, wie wir nur können“, indem die Forscher „Ausschau halten nach marginalisierten Gruppen, die wir instinktiv noch immer unter ‚sie‘ einordnen, nicht unter ‚wir‘“ (Rorty 1989, S. 316). Eine pragmatistische Soziologie kann und will keine neutrale Haltung zu ihrem Gegenstand einnehmen. Sie ist seit den Zeiten von James und Dewey in ein demokratisches Experiment verstrickt, das nicht „zur Erkenntnis unserer selbst, sondern als Mittel zur Änderung unserer selbst“ (Rorty 1994b, S. 66) angelegt ist. Wer glaubt, es gäbe objektive Antworten, neutrale Daten oder stabile Algorithmen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme, der „ist im Herzen immer noch Theologe oder Metaphysiker“ (Rorty 1989, S. 15). Rorty (2008) bezeichnet sein Werk daher rückblickend auch als „kulturpolitische Initiative“, die das „Pluriversum“ (James) nicht im Rückgriff auf anthropologische Wurzeln rechtfertigen, sondern im hoffnungsvollen Vorgriff auf eine bessere Zukunft affirmativ begrüßen und kreativ befördern will. Die in der Spätmoderne freigesetzte Kontingenz verlangt nach einer öffentlichen Soziologie, die einen ironisch engagierten Beitrag zur experimentellen Demokratisierung des Sozialen leistet. 4 Fazit Zum Abschluss möchte ich in aller Kürze die eingangs gestellten Leitfragen beantworten: Was ist der Zweck von Rortys Begriffssystem? Inwiefern hilft es beim Verständnis neuartiger Kollektive und hereinbrechender Sozialwelten? Rorty stellt mit Darwins Hilfe eine belastbare Verbindung zwischen Lebens- und Sozialwissenschaften her (1.), entwirft ein experimentelles Design für demokratische Institutionen (2.), trägt zur Integration, Schärfung und Weiterentwicklung des pragmatistischen Forschungsprogramms bei (3.), weist den Weg für eine ironische engagierte Forschung (4.) und versorgt die Soziologie mit Denkfiguren, die für die fluiden Bedingungen der gegenwärtigen Kompositionsphase geeignet sind (5.). Zu kritisieren ist allerdings, dass er die soziale und zeitliche Gebundenheit seiner eigenen Konzepte viel zu wenig reflektiert. Statt den begrenzten analytischen Fokus seiner Denkfiguren autologisch auszuflaggen, generalisiert er den anvisierten Mikrokosmos und suggeriert damit, dass wir auf die Werkzeuge der bisherigen Forschung fortan getrost verzichten können: „Unsere Vorfahren sind eine Leiter hinaufgestiegen, die wir wegwerfen können. Wir können sie nicht deshalb wegwerfen, weil wir irgendeinen endgültigen Ruheplatz erreicht haben, sondern weil wir andere Probleme zu lösen haben als die, die unsere Vorfahren verwirrt haben“ (Rorty 1997, S. 15). Im Gegensatz zu Rortys Auffassung empfiehlt sich aus der hier eingenommenen Forschungsperspektive eine sorgfältige Aufbewahrung und Konservierung der besagten Leitern. Es gibt keinen Anlass zur Entsorgung konkurrierender Theorieangebote, denn die alten Probleme begleiten uns weiterhin, auch wenn sie vorübergehend in den Hintergrund treten. Und sobald das Soziale in einen anderen Aggregatzustand übergeht, werden die pragmatistischen „Spezialisten für das Neue“ (Rorty 2001c, S. 290) ohnehin von den Experten für turbulente Kollisionen, hermetische Institutionen oder subversive Dekonstruktionen verdrängt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine derartige Umbesetzung freilich noch nicht in Sicht. Das Zeitalter der Komposition hat gerade erst begonnen, und der Pragmatismus
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ist dazu aufgerufen, seinen soziologischen Mehrwert im Rahmen gegenstandsnaher Studien zu demonstrieren. Literatur Baldus, B. (2002). Darwin und die Soziologie. Kontingenz, Aktion und Struktur im menschlichen Sozialverhalten. Zeitschrift für Soziologie, 31, 316–331. Bammé, A. (2011). Homo occidentalis. Von der Anschauung zur Bemächtigung der Welt. Zäsuren abendländischer Epistemologie. Weilerswist: Velbrück. Baudrillard, J. (1990). Das Jahr 2000 findet nicht statt. Berlin: Merve. Bauman, Z. (2008). Flüchtige Zeiten: Leben in der Ungewissheit. Hamburg: Hamburger Edition. Bauman, Z. (2009). Gemeinschaften. Auf der Suche nach Sicherheit in einer bedrohlichen Welt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beck, U. (1996). Das Zeitalter der Nebenfolgen und die Politisierung der Moderne. In U. Beck, A. Giddens, & S. Lash, Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse (S. 19–112). Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beck, U., & Beck-Gernsheim, E. (2011a). „Liebe über Ländergrenzen“. Das Soziologen-Ehepaar Beck im Interview. Zeit Campus, 22. November 2011, 36–37. Beck, U., & Beck-Gernsheim, E. (2011b). Fernliebe – Lebensformen im globalen Zeitalter. Berlin: Suhrkamp. Beck, U., Giddens, A., & Lash, S. (1996). Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Bell, D. (1987). The world and the United States in 2013. Daedalus, 116, 1–31. Berger, P. L., & Luckmann, T. (1969). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt a. M.: Fischer. Binmore, K. (2005). Natural justice. New York: Oxford University Press. Boltanski, L., & Chiapello, È. (2003). Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK. Bourdieu, P. (1998). Prekarität ist überall. In P. Bourdieu, Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion (S. 96–102). Konstanz: UVK. Callon, M. (1986). Some elements of a sociology of translation: Domestication of the scallops and the fishermen of St Brieuc Bay. In J. Law (Hrsg.), Power, action and belief: A new sociology of knowledge? (S. 196–233). London: Routledge. Castel, R., & Dörre, K. (Hrsg.). (2009). Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung. Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurt a. M.: Campus. Castells, M. (2003). Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter I. Opladen: Leske + Budrich. Crutzen, P. J. (2002). Geology of mankind. Nature, 415, 23. DeLanda, M. (2006). A new philosophy of society. Assemblage theory and social complexity. London: Continuum. Delitz, H. (2010). Gebaute Gesellschaft. Architektur als Medium des Sozialen. Frankfurt a. M.: Campus. Dewey, J. (1910). The influence of Darwin on philosophy and other essays. New York: Henry Holt. Dewey, J. (1927/1996). Die Öffentlichkeit und ihre Probleme. Bodenheim: Philo. Dewey, J. (1929/1998). Die Suche nach Gewißheit. Eine Untersuchung des Verhältnisses von Erkenntnis und Handeln. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Dewey, J. (1938/2002). Logik. Die Theorie der Forschung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
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