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Tektonische Standardnetze und Beanspruchungspl/ine fiir Erde und Mars Von NOaBERT W. ROLAND, Berlin *) Mit 5 AbbilduI~gen Zusammenfassung
Bei einer Untersuchung der azimutalen Verteilung der Mars-Lineationen wurden markante Maxima bei 0 ~ 50 ~ 90 ~ und 140 ~ aufgefunden. Da die gleichen Richtungen aueh hei Auswertungen tektoniseher Messungen auf der Erde, besonders bei photogeologisehen Untersuehungen h~iufiger zu beobaehten sind, wird die Frage nach der Existenz eines tektonisehen Standardnetzes aufgeworfen. Die photogeologischen und tektonisehen Konsequenzen nnd die mSgliehen Ursachen eines Standardnetzes werden angesproehen und der fiir ein solehes Netz wahrscheinliehe globale Beanspruehungsplan diskutiert. Abstract
The azimuth distribution of Mars lineaments shows peaks at 0 ~ 50 ~ 90 ~ and 140 ~ As the same master shear directions can be observed on the Earth, especially when using aerial photography or satellite imagery for tectonic analyses, the question of the existence of a tectonic "standard net" is raised. The consequences concerning photogeology and structural geology are discussed as well as the probable causes and the global stress~strain distribution leading to this form of a standard net. *) Ansehrift des Verfassers: Dr. N . W . ROLAND, Institut ffir Angewandte Geologic, Frcie Universit{it Berlin, 1 Berlin 88, Wiehernstr. 16; z.Z. German Geological Advisory Group, P.O. Box 94, Sana'a, Yemen Arab Republic. 2 Geologisehe tlundsehau, Bd. 65
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Aufs~itze
R6sum6 Sur Mars, les directions prineipales des failles montrent des maxima de 0% 50% 90 ~ et 140% Comme on trouve les m~mes directions dominantes sur la Terre - - surtout lors d'analyses photog6ologiques - - la question d'un <>est soulev6e. Les cons6quences regardant la photointerpr6tation et la tectonique sont discut6es ainsi que les causes probables et le plan global de la distribution des efforts tectoniques conduisant ~ un tel r6seau.
KpaTI~oe co~ep~I~aHHe YIpH H3y~erlHH p a c n p e ~ e ~ e H H a a3HMyTOB ~HHeaMeHTOB M a p c a yeTaHOBH~I~ MaKc~MyMt, I npH 0 ~ 50 ~ 90 ~ H 140 ~ T . m npH oSpaS oT~ e TeRTOHHqecKHx H3MepeHH~I H, B OC05eI-IHOCTH, pe3yJIbTaTOB aDpoc%~MKH Ha 3eMoIe Ha~I~eHbI Te ~-I~e HaIIpaBJIeHtIYI, TO CTaBHTC~ B o n p o c O cyII~eCTBOBaHHH HeKO~I TeI~TOH~I~IeCK0t~ 3atcoHOMepHOCTH B pa3BHTI4I.I HX. OSJIyPtc~a~TCH BO3MO~I~HBIe IIpHqHHI~I IIOHBYIeHHH Ta~Hx CTpyKTypHBIX e~HHH~ H Bep0HTHBIe HanpaBYleHHH H a npH ~ e H H fi B P ~ o S a ~ HOM M a c m T a 5 e .
1. Einleitung Die Entwieklung der Baumfahrt erlaubt dem Geologen heute nieht nur auf der Erde, sondern aueh auf dem Mond, Mars und Merkur geologisehen Fragestellungen naehzugehen. Fiir einige Forsehungsbereiehe diirften der Mond bzw. die Planeten sogar gfinstigere Beobaehtungsbedingungen bieten als die dutch exogene und endogene Einfliisse starken VerSnderungen unterworfene Erde. Es ist z.B. offensiehtlieh, dab Impaet-Strukturen im Prinzip auf der Erde sehleehter aufzufinden und zu untersuehen sind, da die Deutung eines geologiseh auffiilligen Gebietes als Meteorkrater oft erst dureh Naehweise im Labor - - z.B. dureh SiO2-Hoehdruekmodifikationen, planare Deformationslamellen der StoBwellenmetamorphose, Meteoreisen etc. - - ermSglieht wird. Aber aueh fiir tektonisehe Probleme k6nnen andere HimmelskSrper als Studienobjekt dienen. Dabei sind die Ergebnisse nieht nur fiir den untersuehten Planeten und dessen Entwieklung von Interesse, sie erlauben eventuell aueh Rfieksehliisse auf entspreehende geologisehe Prozesse auf der Erde. Dies kann mSglieherweise fiir Untersuehungen an Mars-Lineamenten gelten.
2. Lineament-Systeme des Mars Erste Untersuehungen fiber Mars-Lineamente wurden bereits von BINDEn (1966) und BINDER & McCARTHY (1979,) naeh Aufnahmen yon Mariner 4 und den Zwillingssonden Mariner 6 und Mariner 7 durehgeffihrt. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dab sieh die Mars-Lineamente in drei Cruppen einteilen lessen, und zwar: 1. in ein globales Lineament-System, 2. in ein radiales und eventuell konzentrisehes System im Bereich des Hellasund Sfidpolar-Beekens und 8. in ein System, das an das Sinus-Meridiani-Gebfet gebunden zu sein scheint und vermutlieh jfinger ist als das globale Netz. BINDEft ~7 McCARTHY (1972) erfal3ten insgesamt fiber 5000 Lineationen bis zu einer L~inge von 2 km herab. Naehfolgend wird auf eine Untersuchung an Mars-Lineamenten eingegangen, bei der fiberwiegend das globale tektonisehe Netz erfal3t werden sollte. Hierzu
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lb Abb. 1 zeigt zwei Fernsehbilder (Camera B) yon Mariner Mars 1971 (NASA). Die Koordinaten des Bildmittelpunktes (Breite, westl. L:~inge) betragen fiir das obere Bild: --80.898, 64,488 (Bild-Nr. DAS 08044888), fiir das untere Bild: 87.929, 104,217 (BildNr. DAS 08448059). Die beiden Aufnahmen zeigen Lineationen der Marsoberfl~iehe. Das obere Bild l'aBt zum Teil stark eingesandete, reehtwinklig zueiuander stehende Lineationen erkennen, die etwa N W ~ S E und N E - - S W verlaufen. Das untere Beispiel zeigt einen Ausschnitt aus dem Gebiet nSrdlieh Aseraeus Lacus. Die Lineamente, die hier vermutlieh in Vulkaniten angelegt sind, verlaufen etwa N--S. In der Bildmitte sind zus~itzlich sehwache Erosionsspuren ausgebildeL 19
Aufs~itze
Abb 2. Die auskartierten Lineationen (M : 1108) sind auf die stark verkleinerte Marskarte des USGS (Shaded Relief Map of Mars) projeziert. Auffallend ist die Hiiufung der Lineationen in dem Bereich westlich des O~ und die Ausrichtung auf ein Zentrum im Phoenicis-Lacus-Gebiet. Eine schwache Hiiufung ist auBerdem um die Impact-Strukturen des Hellas- und vor allem des Agyrei-Beckens zu beobachten. Die wichtigsten tektonischen Richtungen streichen 0 ~ 50'~ 90~ und 140~ Sie gaben AnlaB zur Diskussion eines globalen, tektonischen Standardnetzes. wurden auf der vom U.S. Geological Survey (1972) herausgegebenen und naeh Aufnahmen yon Mariner 9 erstellten Marskarte (Shaded Relief Map of Mars) 1108 Lineationen im Bercich zwischen 65 ~ Nord und 65 ~ Slid nach Azimut und L~inge eingemessen. Die Lineationen weisen mindestens 20 km L~inge auf. Als TeilstiJcke gr6Berer Lineament-Systeme sind sic zum Tell fiber 600 km durchgehend zu verfolgen. Eine Lineation im Mare-Sirenum-Gebiet ist iiber eine Gesamtl~inge von ca. 2800 km zu kartieren, so dab nach HOBBS (1911), STmLE (1947) u n d CLOOS (1948) 20
N. W. ROLAND- - Tektonisehe Standardnetze und Beanspruchungspliine fiir Erde und Mars
von ,,Lineamenten" gesproehen werden kann. ,,Lineation" soll dagegen als wertungsfreier Begriff ffir alle geradlinigen, im Satellitenbild bzw. in der Karte wiedergegebenen Elemente der Mars- oder Erdoberfl~iehe verstanden werden. Eine Aussage fiber L~inge und Art der Lineation wird damit nieht verbunden. Geradlinig verlaufende Begrenzungen unterschiedlieher Albedo, geradlinige Rillen, sehmale Riieken oder Abbrfiehe sind als Lineationen zu werten, die direkt oder indirekt Ausdruck yon Klfiften, Verwerfungen und Lineamenten sind (siehe Abb. 1). Folgende allgemeine Beobachtungen zur Dichte und azimutalen Verteilung der Mars-Lineationen konnten gemacht werden: 1. Das Gebiet zwischen 10 ~ und 170 ~ westlicher Liinge zeigt gegeniiber dem Bereich 5stlich des Nullmeridians eine ca. dreifach hShere Dichte an Lineationen. Ftir die tektonisehe Entwicklung des Mars diirfte diesem Gebiet daher eine besondere Bedeutung zukommen. 21
Aufsatze 2. Alle gr6Beren Lineationen dieses Gebietes weisen auf ein Zentrum bei Phoenicis Laeus hin (ca. 10 ~ S/100--110 ~ W). 8. Das Phoenieis-Laeus-Gebiet ist zugleieh Ausgangspunkt fiir ein siidlieh des Mars-Aquators liegendes und E - - W bzw. E S E - - W N W streiehendes Grabensystem (Coprates). 4. Analog zur Erde seheinen aueh auf dem Mars tektoniseh beanspruehte Gebiete eine sdirkere vulkanisehe Aktivit~it aufzuweisen, denn zusammen mit der h6heren Lineations-Diehte wird aueh eine gr613ere Zahl an Vulkanen beobachtet; so befinden sieh bezeiehnenderweise von den bisher bekannten 14 Vulkanen 10 im Gebiet Phoenieis Laeus - - Tharsis, darunter die 4 gr6Bten Vulkane des Mars: Nix Olympica (Olympus Mons), Arsia Silva, Pavonis Lacus und Aseraeus Laeus. Fiir ein gegeniiber dem iibrigen Gebiet jiingeres geologisches Alter sprieht auBerdem die geringere Kraterbesetzung. 5. Neben der Beziehung zum Vulkanismus und der Diehte-Verteilung der Lineationen ist die azimutale Verteilung von besonderer Bedeutung. In Abb. 2 sind die Mars-Lineationen fiir den Bereieh zwisehen dem 65. Grad n6rdlicher und siidlicher Breite wiedergegeben. Diese Lineationen wurden naeh ihrer Itiehtung und L~inge eingemessen. Neben der Darstellung der normalerweise aussagekfiiftigeren a d d i e r t e n L ii n g e wird aueh die G e s a m t z a h 1 d e r L i n e a t i o n e n p r o A z i m u t dargestellt (Abb.8), um Fehler, die dureh den variierenden Kartenmal3stab bedingt sind, zu vermeiden, denn die Projektion der USGS-Karte (Mereator-Projektion) wurde aus einem Ellipsoid mit der Abplattung 1 : 1 9 2 und einem ~quatorradius von 8898,4 km entwiekelt. Der Magstab betr~igt am ~quator 1 : 25 000 000, am 60. Breitengrad 1 : 12 549 000. Die Ergebnisse sind in einem Histogramm mit einem Spannrahmen von 180 ~ dargestellt. Die Spannweite der Gr6Benklassen betriigt 10 ~ die Grenzpunkte liegen bei 4~ ~ 14~ ~ 24~ ~ usw. Das Histogramm zeigt, dab einige Riehtungen systematiseh bevorzugt auftreten. AuBerdem weisen die Maxima eine symmetrisehe Verteilung auf. Dies deutet auf Gesetzmiil3igkeiten bei der Entstehung der Lineationen hin. So sind markante Maxima bei 0 ~ 50 ~ 90 ~ und 140 ~ ausgebildet. Dies gilt sowohl fiir die Darstellung der addierten LSngen als aueh fiir die Gesamtzahl der Messungen pro Azimut. Die Differenzen beider Histogramme sind gering. In der Darstellung der addierten LSngen l~igt sieh allerdings ablesen, dab die 70~ etwas sdirker dureh 1/ingere Lineationen betont nnd das seharfe Maximum der 90~ dureh das Vorherrsehen kurzer Lineationen abgesehw~ieht wird. Insgesamt vereinen die 4 genannten Maxima ca. 41~o aller Messungen (1108) auf sieh. Die Riehtungsh~iufigkeit der Mars-Lineationen war insofern von Interesse, da praktiseh die gleiehen Maxima aueh auf der Erde nieht selten zu sein scheinen.
3. Lineament-Systeme der Erde Die Bevorzugung bestimmter tektoniseher Bichtungen bzw. die Symmetrie der Bruehmuster (siehe z.B. Abb. 4) ist sehon mehrfaeh in der Literatur angesproehen worden, so z. B. yon HOBBS (1911), MOODY & HILL (1956), TI~AMM (1969), VENInG MEmESZ (1947).
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N. W, ROLAND Tektonische Standardnetze und Beanspruehungspl~inefiir Erde und Mars -
-
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12
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50
1
-- ~
90
--.
140
180 ~
Abb. 8. Histogramm der Mars-Lineationen. Die durchbrochene Linie gibt die addierten L~ngen der Lmeationen pro Azimut, die durchgezogene Linie die Gesamtzahl der Messungen pro Azimut - - jeweils in Prozent - - wieder. Trotz des mit der Breitenlage variierenden Magstabes der Mereator-Projektion ist die 13bereinstimmung beider Darstellungsmethoden gut.
Abb. 4. Kliifte und Verwerfungen vom SW-Rand des Tibesti in einem Luftbildausschnitt (Clich6 IGN, NE-88-XXIV, Nr. 296). Die Symmetrie der Bruchmuster, die Bevorzugung bestimmter Riehtungen und die Parallelit~it der K1/ifte ist auffallend.
Eine erste umfassende Erklfirung f/ir die Gesetzm~il3igkeiten in der azimutalen Verteilung von Bruchstrukturen versuehten MooDY & HILL (1956). Sie nahmen an, dab die Erdkruste von Blattversehiebungssystemen (wrench fault systems) durehzogen ist, die aus einer etwa N o r d - - S i i d geriehteten Kompression entstanden. MOODY & HILL (1956) postulierten insgesamt 8 Riehtungen 1., 2. u n d 23
Aufs~itze 8. Ordnung, wobei die Scherfl~ichen 1. Ordnung in einem Winkel yon 80 ~ syrnmetrisch zu der Hauptstrel3richtung (primary compressional force) liegen. KNETSCH (1964) betonte allerdings, dab dutch die Anisotropie der Erdkruste keine Muster in mathematischer Prazision zu erwarten sind. Bei statistischen Auswertungen werden t3bereinstimmungen in der azimutalen Verteilung yon Bruchstrukturen jedoch h~iufig beobachtet. Sie scheinen bei photogeologischen Auswertungen deutlicher zu sein, und zwar um so besser, je grSBer die ausgewerteten Gebiete sin& So wurden z.B. ffir die pr~ikambrischen, epizonal metamorphen Schiefer des Tibesti-Gebirges (Zentral-Sahara, Tschad) von LIST & STOCK (1969) Maxima bei 0 c, 40 ~ 100 ~ 120 ~ und 160 ~ festgestellt. Bei Einbeziehung der Entw~isserungsnetze - - die stark tektonisch kontrolliert sind, so dab sie in einer tektonischen Auswertung berfieksichtigt werden kSnnen - - verschiebt sich das 40~ nach 50 ~ das 100~ nach 90 ~ wenn man die Werte aller 15 Histogramme (LIST & STOCK, 1969, Abb. 5 u. Abb. 6) addiert, das heiBt, wenn die azimutalen Verteilungen fiber ein grSBeres Gebiet (ca. 450 km e) gemittelt werden. Ein fast gleiches Bild ergab sich bei Auswertung der pal~iozoischen Sandsteine und der tertfiir-quart~iren Vulkanite des Tibesti-Gebirges. So wurden fiir die Sandsteine zwischen Bardai und Aozou 0 ~ 80 ~ 50 ~ 90 ~ und 120 ~ ffir die Vulkanite im Toussid6-Gebiet 0 ~ 20 ~ 50 ~ 90 ~ 140 ~ und 160 ~ ermittelt (ROLAND, 1978, 1974). Auffallend ist die Tatsache, dab die 0 %, 50 ~ 90 % und 140~ tungen praktisch in allen 8 Stockwerken auftreten (LIST et al., 1974). Ein anderes Beispiel: Photogeologische Kluftanalysen, die POHLMANN (1975) im Tiefland (Rurrenabaque), der subandinen Zone (Apolo) und der Cordillera Real (Huayna Potosi) Boliviens durehffihrte, zeigen bei einer Zusammenfassung der Werte dieser 8 geologisch unterschiedliehen Gebiete, ]:fir die insgesamt die addierten L~ingen yon 2417 Photolineationen ermittelt wurden, Maxima bei 0 ~ 50 ~ 90 ~ 110 ~ und 140 ~ Aber nieht nur in der photogeologischen Lfteratur lassen sich Beispiele ffir die gleichen oder doch sehr ~ihnlichen azimutalen Verteilungen yon Bruchstrukturen linden. TnAMM (1969) stellte fest, dab 90 ~ und 45~ zwischen Bruchstrukturen h~iufig sind und dab die vorherrschenden Ptichtungen N W und NE verlaufen, die N - - S - und E--W-Richtungen jedoch geringere Bedeutung haben. Au~oum (1971) konstatiert, dab ein Verwerfungssystem mit N W - - S E - und NE--SW-Richtungen im gesamten mediterranen Raum vorherrscht. Bei einem Einmessen der mittelozeanischen Riicken nach der Karte von HEmTZLER (1968) dominieren Richtungen um 0 ~ 40 ~ 90 ~ und 180 ~ Weitere Beispiele liel3en sieh anschlieBen. Berficksichtigt man, dab zur Erstellung yon Histogrammen bzw. Kluftrosen bisher /eider k e i n e e i n h e i t l i e h e n Klassengr6Ben und Grenzp u n k t 1 a g e n gew~ihlt werden, so fallt auf, dab dennoch die 0 ~ und 90 ~ Richtungen sowie Richtungen um 50 ~ und 140 ~ - - eventuell auch versehoben nach 40 ~ und 180 ~ - - h~iufig vertreten sind.
4. Konsequenzen und Ursacher~ eines globalen, tektonisehen Standardnetzes Die Ergebnisse dieser wenigen, hier zitierten Beispiele k6nnen noch nicht als signifikant betraehtet werden. Die Sammlung weiterer Daten ist anzustreben und
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N . W . ROLAND
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Tektonische Standardnetze und Beanspruchungspliine fiir Erde und Mars
erstmals unter Einsatz yon L a n d s a t-(ERTS-)Aufnahmen aueh ffir groBe Gebiete der Erde durehftihrbar. Es soll daher vorerst nur unter Vorbehalt postuliert werden, dab die Auswertungen grol3er Gebiete bei einheitlieher Erfassung der azimutalen Verteilung von Kluft-, St6rungs- bzw. Lineamentsystemen Riehtungen um 0 ~ 50 ~ 90 ~ und 140 ~ als Maxima aufweisen, dab diese Riehtungen quasi einem globalen, tektonisehen S t a n d a r d n e t z, wie es naehfolgend genannt werden soll, zuzureehnen sind. Folgende Aspekte sind in diesem Fall yon Interesse: 1. Warum photogeologisehe Auswertungen vermutlieh das Standardnetz am deutliehsten erkennen lassen, 2. welehe Folgerungen ein Standardnetz ffir die Aussagekraft tektoniseher Messungen hat, 8. welehe Ursaehen ffir die Bildung eines tektonisehen Standardnetzes verantwortlieh sein k6nnen und 4. weleher Beanspruehungsplan einem solehen Standardnetz zugrunde lfegt. 4.1. D i e A u s s a g e k r a f t photogeologischer Kluftanalysen zur Erfassung des Standardnetzes DaB sieh bei photogeologischen Kluftanalysen versehiedener Gebiete h/iufiger eine tdbereinstimmung der Maxima zeigt als bei Gel/indemessungen, kann folgende Ursaehen haben: -Photogeologisehe Kluftanalysen erfassen die Bruehsysteme optimal; d.h. so einheitlieh in der Intensit~t der Auswertung grol3er Gebiete und so vollst~indig wie m6glieh. - - Es werden m6glieherweise fiberwiegend aktive Systeme erfal3t, also Kltifte und Verwerfungen, die dureh subrezente bzw. rezente Bewegungen ,,often" gehalten wurden. Da diese S ehw~iehezonen der Erdkruste dureh die Erosion stark naehgezeiehnet werden, sind sie im Luft- bzw. Satellitenbild am leiehtesten zu erkennen. Altere, wieder geschlossene Klfifte, gefiillte Spalten oder Versehiebungsbahnen sind nur dann zu erkennen, wenn St6rungsbrekzien ausgebildet, die Spalten breit genug und mit Fremdmaterial angeffillt sind oder untersehiedliehes Material beiderseits der St6rung ansteht. - - Photogeologisehe Kluftanalysen beriieksiehtigen aul3erdem nur die bedeutenderen Lineationen, da kleine Klfifte und eventuell lokal eng begrenzte Kluftsysteme je naeh MaBstab der Luftbilder nieht erkannt werden. - - Andererseits sind naeh LATTMAN ~% NICKELSEN (1958) unter Umstanden selbst Kluftriehtungen, die sich aus dem Untergrund durehpausen, im Geliinde aber vorher nicht beobaehtet wurden, dureh eine Luftbildinterpretation zu erfassen. - - Da selbst in einem Gestein hoher Kliiftigkeit der Klfiftigkeitsindex K (naeh HENDEnSON, 1960, und List, 1968 -: Anzahl der Klfifte pro 1 km e) bei einer Kartierung im Mal3stab I :50 000 kaum fiber K -- 85--40 (ROLAND, 1978; STOCK, 1972) steigt, ist man gezwungen, eine entspreehend grol3e Fliiehe in die Auswertung einzubeziehen, um statistiseh abgesieherte Ergebnisse zu erhalten. - - D i e dureh photogeologisehe Methoden gewonnenen Daten sind naeh lqENNER (1968) reproduzierbar. Somit sind aueh die Werte versehiedener 25
Aufs~itze Autoren vergleiehbar, ohne eine Verf~ilsehung der Ergebnisse dureh subjektive Interpretationsfehler befiirehten zu miissen. Die photogeologisehe Luftbildinterpretation ist danaeh besonders geeignet, ein globales, tektonisehes Netz zu erfassen. Dies gilt in verstiirktem Mage fiir die Satellitenbildinterpretation. 4.2. T e k t o n i s e h e Aspekte eines Standardnetzes Die Existenz eines Standardnetzes wiirde fiir tektonisehe Messungen bedeuten dab sieh lokale Kluft- und St6rungssysteme vor allem bei Gel~indemessungen von dem globalen Netz trennen lassen, wenn nieht beide Systeme zusarnmenfallen und dab es wenig sinnvoll ist, die Messungen auf groBe Gebiete auszudehnen, da in diesem Falle lediglfeh die global vorherrschenden t/iehtungen starker zum Tragen kommen. G r o B r ~iu m i g e B e r e i e h e sind danaeh beziiglieh der Bruehtektonik h o m o g e n zu nennen. Bei Kluftmessungen sollen aber die lokalen Inhomogenit~iten des Standardnetzes erfaBt werden, so z.B. das Verdrehen, Fehlen oder zus/itzliehe Auftreten yon ltiehtungen durch Inhomogenit~it des Untergrundes oder lokale Xnderungen des Beanspruehungsplanes (z. B. bei tliffen, GranitstSeken, Salzdiapiren oder dureh Faltung, Talzusehub etc.). - -
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4.8. M S g l i e h e Ursaehen eines Standardnetzes Welehe Ursaehen k6nnen schlieBlich fiir ein Standardnetz verantwortlieh sein? Kliifte, Verwerfungen oder Lineamente sind der sichtbare Ausdruek yon Spannungszustiinden der festen Erdkruste, die iiberwiegend yon geodynamfsehen Prozessen hervorgerufen werden. HAST (1978) wies auf ein generell in der Erdkruste vorherrschendes und dureh absolute Gesteinsspannungs-Messungen naehgewiesenes horizontal compressive stress field hin. BEmOFF (1951) rekonstruierte anhand der grSBeren, flaehen Erdbeben (M ~ 8) die strain accumulation der Erdkruste von 1908--1950, die bemerkenswert kenstant war. Nach MOODY & HILL (1956) sind die Bruehmuster durch im wesentliehen meridional gerichteten Stress bedingt, der in ungef~ihr gleicher Richtung w~ihrend der gesamten Geschichte der Erdkruste wirksam war. VENING MEINESZ (1947) betonte auBerdem, dab sich alt angelegte StSrungen durch geringffigige Bewegungen immer wieder durch jfingere Sehiehten durehpausen und daher eine dauernde Verjfingung des tektonischen Netzes effolgt. Die Untersuehungen im Tibesti-Gebirge (LIST & STOCK, 1969; ROLAND, 1972, 1978) unterstreichen dies, da in allen 8 tektonisehen Stockwerken - - den pr~ikambrisehen Schiefern, den paliiozoischen Sandsteinen und den tertfiir-quart~iren Vulkaniten die gleichen Riehtungen auftreten. ILLIES (1965) folgerte aus ~ihnlichen Beobaehtungen, bei denen Lineamente untersehiedliche Krustenteile durehmessen - - unbekiimmert um deren Alter, Bau und Gesehichte - - dab diese Blattversehiebungen nicht mit 5rtlich oder zeitlich begrenzten Faltungserscheinungen in Verbindung gebraeht werden kSnnen. Dies legt den Sehlul3 nahe, dab die Ursaehen ffir die permanent in der Erdkruste vorhandene Spannung in globalen Prozessen zu suehen sind. l~ber die Ursaehen selbst sind die Meinungen jedoeh zum Tell kontr~irer Natur. 26
N. W. ROLAND- - Tektonische Standardnetze und Beanspruchungspl~ine ffir Erde und Mars - -
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MOODY & HILL (1956) schlossen sich den Ansichten yon LANDES (1952), LEES (1958) und JESFREYS (1952) an und sahen die Ursache ffir die kontinuierlich wirkenden Kr/ifte in einer K o n t r a k t i o n der Erde durch Abk/ihlung, m6glicherweise in Verbindung mit Kr/iften, die durch subkrustale Konvektionsstr6me oder durch Erdrotation und Polfluchtkr/ifte entstehen. Nicht aus einer Kontraktion, sondern einer E x p a n s i o n bezog v. BOLOW (1958/59, 1959), der bereits auf tektonisehe Parallelen zwischen Erde und Mond hinwies, die ffir seine Fundamentaltektonik ben6tigten Kr~ifte. Phase transition ist naeh EGYED (1957) und DE SITTER (1960) der Motor fiir eine solche Expansion. Die derart pro Jahr freigesetzten Kr~ifte betragen naeh EGYED (1957) 2 X 10 ~9 erg (zum Vergleieh: Summe der E r d b e b e n pro Jahr = 10 ~5 erg). Kontraktions- und Expansionstheorie werden aber als Hypothesen nieht voll akzeptiert, d a zwar die Kontraktionstheorie die Faltengebirge, nicht aber die gro6en Grabensysteme, die Expansionstheorie zwar Grabensysteme und sea-floor spreading, nieht aber Faltengebirge und Deckenfibersehiebungen erkl/irt. Zur Erkl~irung yon Kontinentalversehiebungen zog HOLMES (1928, 1965) als erster K o n v e k t i o n s s t r 6 m e heran. VENING MEINESZ (1948) deutete Sehwereanomalien in Indonesien als Hinabfaltungen von Krustenmaterial, wobei die horizontal wirkenden Kr/ifte dutch Konvektionsstr6me hervorgerufen wurden. HAFNER (1951) untersuehte u. a. den Einflui3 von Konvektionszellen im Substratum auf die Erdkruste. Neben Vertikalbewegungen mit beiderlei Vorzeiehen sind vorwiegend Horizontalbewegungen (sowohl Kompression als aueh Dilatation) zu erwarten. Die Konvektionszellen-Theorie kann aber weder als bewiesen noch als widerlegt betraehtet werden ( W U N D E R L I G H , 1966). Vor allem miiBte gekl~irt sein, wie orts- und zeitbest~indig die Zellen sind und wie ihre genaue Gr613e und Verteilung im Substratum ist, ehe man sie zur Erkl/irung eines globalen tektonisehen Netzes heranziehen kann.
- - Als weitere m6gliehe Ursaehe fiir global auftretende Spannungen in der Erdkruste wird die Erdrotation bzw. die durch die Rotation hervorgerufene P o l f l u c h t k r a f t (E6Tv6s, 1918) angesehen, die abet nach PnEY (1986) (siehe SCHEIDEGGEn, 1968) trotz analytischer Ableitung nieht bewiesen ist. -KNETSCtt (1965) best~itigte jedoeh irn Experiment, dab sich symmetrische Bruchmuster - - entsprechend einem ,,globalen Sehw/iehefl~iehennetz" (HIEGENBERG, 1949; K N E T S C H , 1965) - - an einer rotierenden, mit einer Tonhaut iiberzogenen Sehaumstoffkugel dureh R o t a t i o n hervorrufen lassen. Richtungen, die in einem Winkel yon ca. 45 ~ zum jeweiligen Meridian lagen, also den STILLEschen ,,D-Lineamenten" entspreehen wiirden, waren dabei h~ufig. - - Neben einer gleichfSrmigen Rotation, die zu einem Gleichgewiehtszustand des ErdkSrpers ffihren und damit die globale Tektonik zum Erliegen bringen wfirde, ist die Anderung, vor allem die A b n a h m e der Rotat i o n s g e s e h w i n d i g k e i t , die inzwischen selbst dureh pal~iontologisehe Daten naehgewiesen sein dfirfte (WELLS, 1968) und ca. 1 msee/Jahrhundert betr~igt, yon grSl3erer Bedeutung. Sie kann 9 7
Aufs~itze 1. als stetige Abnahme, 2. als jahrliche Schwankung, 8. als irregulare Schwankung (Fluktuation) und eventuell 4. als pl6tzliche Zu- oder Abnahme beobachtet bzw. postuliert werden. Die stetige Abnahme wurde vorwiegend in Verbindung mit der Gezeitenreibung diskutiert, deren Einflul3 aber noeh umstritten und ffir die Erdvergangenheit sehwer zu ermitteln ist (SiiNDERMANN, 1974). Nach EcYEo (1957) resultiert aul3erdem aus der phase transition, die mit einer jahrlichen Zunahme des Erdradius yon 0,5 mm verbunden ware, eine Drehmomentanderung und damit eine ~mderung der Drehgeschwindigkeit. Die j~ihrlichen Schwankungen werden mit Luftmassenverlagerungen und einem Wechsel in der Belaubung (ToPERCZER, 1960), abet auch mit Gezeiten, Meeresstr6mungen und Grundwasserverschiebungen in Zusammenhang gebracht (KElaTZ, 1969). Unregelmal3ige Schwankungen kSnnen durch epirogenetische und orogenetische Veranderungen der Erdkruste, aber auch durch Abschmelzen oder Neubilden yon Inlandeis (KERTZ, 1969) hervorgerufen werden. SchlieBlich wurden von JuNc (s. KERTZ, 1969) und DACHILL• (S. ST6FFLE~, 1978) 13berlegungen angestellt, in welchem Mal3e Meteoriteneinschlage eine pl6tzliche )knderung der Drehgeschwindigkeit der Erde bewirken k6nnen. - - Auch die seit 1911 diskutierte und beim Erdbeben in Chile am 22. Mai 1960 erstmaIs nachgewiesene E i g e n s c h w i n g u n g d e r E r d e, die nach dem chilenischen Beben mehr als 10 Tage anhielt (KEI~TZ,1969), kann eventuell durch spharoidale und torsionale Schwingungen zu einer Strel3akkumulation - - oder auch durch Ausl/Ssen weiterer Beben zu einer Entspannung - - ffihren. Ungeklart ist, ob torsionale Sehwingungen eventuell fiir die yon KN~TSCn (1965), KANE (1972) und TANNER (1968) angesproehene und auch auf dem Mars beobaehtete starke tektonisehe Beanspruehung der )i,quatorzone verantwortlieh sin& -- MSglieherweise gibt es ffir diese Erseheinung noeh eine andere Erklarung: GILLILAND (1964, 1978) postulierte - - wie bereits JARDETZI
N. W. ROLAND- - Tektonische Standardnetze und BeanspruchungspNne ffir Erde und Mars
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Abb. 5. Aus den prim~ir SSE und NNE gerichteten Hauptstrel3richtungen und den entsprechenden Richtungen der Gegenkr~ifte ist ein globaler Beanspruchungsplan herzuleiten, aus dem die an dem Standardnetz verzeichneten und auf der Erde zu beobachtenden Druck-, Zug- und Scherkdifte resultieren.
4.4. D e r g l o b a l e B e a n s p r u c h u n g s p l a n Ber/icksichtigt man z.B. eine ostw~irts gerichtete Kraftkomponente, so kommt statt einer N - - S verlaufenden HauptstreBrichtung, wie sie MOODY & HILL (1956) annahmen, nur eine SSE gerichtete Kraft als HauptstreBrichtung in Frage. Dies gilt f/Jr die Nordhalbkugel. Spiegelbildlich zum }~quator miiBte demnach fiir die S/idhalbkugel eine NNE weisende StreBrichtung auftreten. Konstruiert man mit jenen Richtungen einen globalen Beanspruchungsplan, so ergibt sich das in Abb. 5 dargestellte System aus dem 1. Druckkdifte in der 0~ 2. Zugkr~ifte in der 90~ und 8. Scherkr~ifte l~ings der 50 ~ und 140~ resultieren. Ein tektonisches Standardnetz - - in Verbindung mit dem dargelegten globalen Beanspruchungsplan - - k6nnte einige geologische Ph~inomene ohne komplizierte Hypothesen verst~indlich machen. So sind in der Nord-Sfid-Richtung zwar zahlreiche Klfifte und Verwerfungen zu erwarten, sie d/irften jedoch allenfalls geringe laterale Verschiebungsbetr~ige aufweisen, verglichen mit denen, die in der 50 ~ und 140~ zu postuiieren und mit gleichem Drehsinn auch auf der Erde anzutreffen slEd. Auch die von KANE (1972), KNETSCH (1965), TANNER (1978) U.a. erwkkhnte /iquatorparallele, tektonisch sti~rker beanspruchte Zone wird verstiindlich, ebenso die Nord--Sfid (bzw. Sfid--Nord) gerichtete Kompression (siehe MOODY & HILL, 1956) und die West--Ost gerichtete Dilatation (siehe MEYERHOFF & MEYERHOFF, 1972; NELSON & TEMPLE, 1972; TANNER, 1963). Nach dem Beanspruchungsplan bzw. den hieraus resultierenden KrSften und Bewegungen mfissen die gro/3en Grabensysteme der Erde vorwiegend N - - S streichen. Da abet auf einer Kugel Dehnungen an einer Stelle zu Stauchungen an anderer Stelle f/ihren miissen, ist das Auftreten yon N - - S gestreekten Faltengebirgen kein Widerspruch. Durch die N--S-Kompression wfiren aul3erdem E - - W gestreckte Faltengebirgsgfirtel zu erwarten (und Each TANNER, 1971: 848, lagen 29
Aufs~itze aueh die heute N E - - S W streiehenden Appalaehen im Palaozoikum ,,n/iher und mehr parallel zum Aquator" und gerieten erst durch eine Rotation der Nordamerikanisehen Platte in ihre heutige Lage). Die Auffaltung mug dabei nicht zwangsl~iufig am Xquator stattfinden, sie kann ebenso an den Grenzen zweier Platten beginnen, die durch die ~iquatorwiirts gerichteten Kr~ifte aufeinanderstol3en. Gegenargumente gegen ein weltweites, tektonisches Standardnetz k6nnten mit Hinweis auf Plattentektonik, Schollenrotation, Polverlagerungen etc. vorgebraeht werden. Diese Argumente sind jedoch gegenstandslos, wenn die mel3- und kartierbaren Kluft- und St6rungssysteme subrezent bis rezent angelegt sind (siehe auch Kap. 4.1). Hierffir gibt es nach THAMM (1969) diverse Hinweise. So wie im TibestiGebirge in 3 unterschiedlichen tektonischen Stockwerken die gleichen Richtungen gefunden wurden, so beobachtete TI~AMM, dab sich selbst in den alten Graniten und den kaum verfestigten Sanden an den Ufern der Nebenfliisse des Olifants River (Eastern Transvaal) dieselben Richtungen wiederfinden, und zwar in diesem Falle die beiden Scherrichtungen (ca. 50 ~ und 140 ~ und die 0~ tung. Als weiteres Beispiel erw~ihnt THAMM (1969) die Insel Odinsholm (Ostsee), die wahrend des Pleistoz~ins durch den Eisdruck yon ihrer Basis abgeschert und um 17,5 ~ rotiert wurde. Neben den alten Kluftsystemen sind inzwischen, der heutigen L a g e entspreehend, neue entstanden. W~ihrend sich die alten Kliifte schlieBen werden, kommen die neuen immer sthrker zum Tragen. Altes und neues Kluftsystem weisen jeweils zwei diagonale und zwei orthogonale Riehtungen, wie THA~M sie nennt, auf, die um jene 17,5 ~ gegeneinander versehoben sind. Dies sprieht dafiir, dab zwar das Gestein aus seiner urspriingliehen Lage gedreht wurde, der Beanspruehungsplan aber der gleiehe geblieben ist und sieh mithin aueh die gleiehen Standardnetze ausgebildet haben. M6glieherweise bedarf das Standardnetz jedoeh noeh einer Modifizierung. So liegen die Lineamente naeh BOTAKOFF (1952), BROCr: (1972) und TtIAMM (1969) auf GroBkreisen der Erde, die eine Abh~ingigkeit der Seherkraft-Riehtungen von der geographisehen Breite mit sieh bringen wiirde. Bei entspreehenden Untersuehungen an Mars-Lineamenten wurden von BINDER & McCABTUY (1972) Beziehungen zwisehen der Breitenlage und dem von den Seherfliiehen gebildeten Winkel beobaehtet.
5. Schluflbemerkung Von Beobaehtungen an Lineament-Systemen des Mars ausgehend wurde versueht, ffir gleiehe oder fihnliehe Beobaehtungen auf der Erde eine Erkl~irung zu linden. Kann man abet voraussetzen, dab gleiehe Erseheinungsformen auf gleiehe Ursaehen zuriiekzufiihren sind? hnmerhin hat der Mars yon allen Planeten die der Erde ~ihnliehste Rotationsperiode (Erde: 1; Mars: 1,02). Xnderungen der Rotationsgesehwindigkeit k6nnen aul3erdem dureh die jahreszeitliehen Sehwankungen in der Ausdehnung der Polkappen, dureh Massenverlagerungen (z. B. bei Staubstfirmen) oder dureh Meteoriten- bzw. Kometenkern-Einsehl~ige hervorgerufen werden, s o dab hier sieherlieh Parallelen zwisehen Erde und Mars bestehen. Interessant ist, dab aber trotz der zum Tell lokalen Beziehung der MarsLineationen zu Impaet-Strukturen, z.B. dem Argyrei-Becken - - oder im groBen Rahmen zum Gebiet um Phoenieis Laeus - - die Maxima des Standardnetzes so
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N. W. ROLAND Tektonische Standardnetze und Beanspruchungspliine ftir Erde und Mars -
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deutlieh ausgepr~igt sind und so symmetriseh liegen. W e r d e n die durch lokale Ereignisse hervorgerufenen Bruehstrukturen wiederum l~ings eines Sehwiichefl~iehennetzes (HILOENBEnC, 1949; KNETSCH, 1965) angelegt? Oder ist ihre Zahl nut zu gering, um sieh signifikant auszuwirken? Es sind noeh etliehe Fragen zu kl~iren. Die Untersuehungen werden daher mit Bezug auf die Erde fortgesetzt, wobei in erster Linie Landsat-Aufnahmen ausgewertet werden sollen, da bier beziiglieh eines Standardnetzes die deutliehsten Aussagen zu erwarten sind (siehe Kap. 4.1). Der Diskussion um die Entstehung von globalen Kluft- und Verwerfungssystemen einen neuen AnstoB zu geben, war Ziel dieser Arbeit. Ist es doeh die Bruehtektonik, mit der in der Praxis jeder Geologe konfrontiert wird - - im Gegensatz zur Plattentektonik und Kontinentaldrift, der er meist nur in der Theorie begegnet. Es wiire allerdings wiinsehenswert, wenn aueh von anderen Disziplinen, z.B. der Geophysik, diese angesehnittenen F r a g e n diskutiert wiirden, tangieren sie im Prinzip doeh Geodynamik-Probleme und verlangen sehon deshalb eine Behandlung in griil3erem tlahmen. Sehliel31ieh gewinnen Bruehstrukturen zunehmend an Bedeutung ftir die Fernerkundung von Lagerstiitten, wie erst auf dem Symposium ,,Erderkundung" der D F V L R (Porz-Wahn) iln April 1975 deutlieh wurde (GONTHE~, 1975; MttrILFELD, 1975). Vor allem aus diesem Grunde dtirfte eine weitere Diskussion angebraeht sein. Danksagung Fiir die Bereitstellung von Mariner-9-Aufnahmen sei an dieser Stelle Dr. BENTON C. CI~Aar: (Martin Marietta Aerospace, Denver, Colorado) herzlich gedankt. Mein Dank gilt au/3erdem Dr. ALAN BINDEa sowie Dr.:GEaHArtD NEUKUM (MPI ffir Kernphysik, Heidelberg) fiir Informationen und Kartenmaterial. Die Arbeit wurde am Institut fiir Angewandte Geologie der Freien Universit~it Berlin durchgeffihrt. Hier gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. F. K. LIST ftir Diskussionen, Anregungen und fiir das Versffindnis, das er der Arbeit entgegenbrachte. Frau R. ]'JIM danke ich last not least ftir die saubere Ausftihrung der Zeichnungen. Die Arbeit wurde zum Teil mit Unterstiitzung der Deutsehen Forschungsgemeinschaft durchgefiihrt, der an diesel Stelle ebenfalls gedankt sei. Literatur
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