Themenschwerpunkt: ,,Neue Trends in der Therapie der portalen Hypertonie"
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Heft 3 / 1993, Jahrgang 25
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Pathophysiologie Aus der Medizinischen Klinik des Kantonsspitals Olten (Vorstand: PD Dr. M. Pirovino), Schweiz
Ursachen und Folgen der portalen Hypertonie M. Pirovino
Schliisselw6rter: Portale Hypertonie - Osophagusvarizen- ,,Backward flow"-Theorie der portalen Hypertonie - ,,Forward flow"Theorie derportalen Hypertonie-EDRF und portale Hypertonie.
Key-words: Portal hypertension - esophageal varices - backward flow theory of portal hypertension -folward flow theory of portal hypertension - EDRF and portal hypertension.
Die portale Hypertonie ist das Resultat einer Zunahme des portalen Gef~il3widerstandes und/oder des portalen Blutflusses. Je nach anatomischer Lokalisation der Widerstandserh6hung wird zwischen pr~i-, intra- und posthepatischen Formen unterschieden. Eine exakte Unterteilung der intrahepatischen portalen Hypertonie in die pr~isinusoidale, sinusoidale und postsinusoidale Form und deren Zuordnung zu den verschiedenen Erkrankungen des Leberparenchyms ist oft schwierig. Die Leberzirrhose ist durch eine Widerstandserh6hung auf vorwiegend pr~isinusoidaler und sinusoidaler Ebene charakterisiert; dafQr sind bei der alkoholischen Zirrhose vor allem eine Zunahme der Leberzellgr613e und eine Bindegewebsvermehrung im Disseschen Raum verantwortlich. Untersuchungen am Menschen und im Tierexperiment weisen auf die Bedeutung der hyperdynamischen splanchnischen Zirkulation hin. AIs Mediatoren des erh6hten splanchnischen Blutflusses werden einerseits erh6hte Konzentrationen zirkulierender Vasodilatatoren, anderseits eine verminderte Sensitivit~it des splanchnischen Gef~0bettes auf endogene Vasokonstriktoren angenommen. Ein besseres Verst~indnis der Funktion der Endothelzellen, insbesondere in bezug auf endogene vasoaktive Substanzen wie NO und Endotheline, wird in Zukunft weitere Fortschritte in der Therapie der portalen Hypertonie erm6glichen. (Acta Chir. Austriaca1993;25:132-135)
Etiology a n d C o n s e q u e n c e s Hypertension
of Portal
Summary: Portal hypertension results from an increase in portal vascular resistance and/or an increase in portal blood flow. The distinction between pre-, intraand posthepatic portal hypertension depends from the site of increased resistance, Further classification of the intrahepatic forms of portal hypertension into the presinusoidal, sinusoidal and postsinusoidal forms and their correlation with the different forms of parenchymal liver disease may be difficult. Liver cirrhosis is characterized by a mainly presinusoidal and sinusoidal increase in vascular resistance; in alcoholic cirrhosis, this is mainly due to an increased hepatocellular volume and collagenization of the space of Disse. Human and experimental animal studies have demonstrated the importance of hyperdynamic splanchnic circulation which seems to be mediated by increased concentrations Korrespondenzanschrift: PD Dr. M. Pirovino, Medizinische Klinik, Kantonsspital, CH-4600 Olten.
of circulating vasodilators and a reduced sensitivity of the splanchnic vascular bed to endogenous vasoconstrictors. Better understandig of sinusoidal cell function mainly in relation to endogenous vasoactive substances such as NO and the endothelins will have implications for the therapy of portal hypertension in the future.
Anatomie und Physiologie des Pfortadersystems Das Pfortadersystem dehnt sich zwischen den Kapillaren des Gastrointestinaltraktes, der Milz, des Pankreas und den Sinusoiden der Leber aus. Dadurch, dab es zwischen 2 Kapillarbetten eingelagert ist, erm6glicht es eine besonders intensive funktionelle Beziehung zwischen Gastrointestinaltrakt, Pankreas, Milz und der Leber. Die Pfortader selber weist eine L:,inge yon 6 bis 8 cm und einen Durchmesser yon 1-1,4 cm auf und entsteht aus der Vereinigung der oberen Mesenterialvene und der Milzvene. Zus:,itzlich fliegt ihr Blut aus den Venen des Magens, der Gallenblase und des Pankreas zu. Die Leber wird von etwa 1500 ml Blur pro Minute
durchstr6mt, davon stammen 60 bis 70% aus der Pfortader; das portale Blut gew~ihrleistet 40 bis 60% der hepatischen Sauerstoffversorg ung. Das sinusoidale System der Leber erzeugt einen sehr geringen Flugwiderstand; der in den Sinusoiden gemessene Druck liegt nur wenige Millimeter Hg (< 5 mm Hg) fiber dem Druck der unteren Hohlvehe. Die Venen des Pfortadersystems verffigen fiber keine Klappen, so dab sich ein erh6hter Pfortaderdruck auf alle ven6sen Anteile des zufiihrenden, darmwfirts gelegenen GefgBsystems auswirkt.
Definition d e r p o r t a l e n Hypertonie und Methoden zur Bestimmung des Pfortaderdruckes Die portale Hypertonie ist durch eine andauemde Erh6hung des Drucks in der Pfortader oder in einem in die Pfortader mfindenden Teil dieses ven6sen Gef/:igsystems charakterisiert. Die Erh6hung des Pfortaderdrucks ist auf denjenigen Abschnitt des Pfortadersystems beschrSnkt, der dem Ort des erh6hten Gef/igwiderstandes vorgelagert ist. Der Druck im portalen Gef~iF;system ist iihnlich dem peripheren arteriellen Druck gr6geren Schwankungen unterworfen. Im Unterschied zum arteriellen Druck, kann der portale Druck nur mit aufwendigen Methoden gemessen werden, die zudem ffir den Patienten eine Gefahr darstellen k6nnen. Die alleinige Angabe eines abso]uteri Dmckwertes in der Pfortader kann zu klinischer Fehlinterpretation ffihren, er sollte deshalb in bezug auf einen reproduzierbaren Referenzwert ausgedrfickt werden. Am zuverl~issigsten geschieht dies durch Angabe eines ,,inneren" Referenzwertes, in tier Regel des Druckes in der V. cava inferior oder des freien, nichtgeblockten Druckes in den Lebervenen. Der normale Pfortaderdruck, ausgedrfickt als Unterschied zwischen dem absoluten Portalvenendruck und dem Druck in der unteren Hohlvene und am liegenden Phtienten in Ruhe gemessen, betrfigt zwischen 3 und 6 mm Hg. Faktoren, welche den absoluten Pfortaderdruck beeinflussen, sind z. B. das Vorhandensein oder Fehlen yon Aszites oder Meteorisnms, der Funktionszustand des Herzens, eine Kompression der V. cava inferior' bzw. das Ausmag der Adipositas. Diese Schwierig-
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keiten ergeben sich vor allem bei Versuchen, den Pfortaderdruck direkt zu messen, wie z. B. dutch die operative Messung in einer der grogen Mesenterialvenen anlriBlich einer Laparotomie, bei der operatiyen Druckmessung in der Umbilikalvene und bei der perkutanen transhepatischen Druckmessung in der Pfortader. Die perkutane Messung des geblockten Lebervenendruckes erlaubt die gleichzeitige Messung eines idealen ReferenzDruckwertes, nSmlich die Bestimmung des freien Lebervenendruckes oder des Druckes in der V. cava inferior. In Zukunft dtirften neuere Methoden an Bedeutung gewinnen, mit denen der BlutfluB in gastro6sophagealen Kollateralen und der Druck in den Osophagusvarizen gemessen werden k6nnen (9, 25).
Klassifdmfionder portalen Hypertonie Eine andauemde Erh6hung des Pfortaderdruckes kann aus einer Vielzahl verschiedener Erkrankungen mit sehr unterschiedlichen klinischen Manifestationen resultieren. Die traditionelle Klassifikation orientiert sich am Verhalten des geblockten Lebervenendruckes und teilt die portale Hypertonie in die makroskopischen Kategorien der prfi-, intra- und posthepatischen Form, die intrahepatische portale Hypertonie in die mikroskopischen Kategorien der prfi- und postsinusoidalen sowie der sinusoidalen Fore1 ein (Tab. 1). Vom therapeutischen Standpunkt aus gesehen, ist diese anatomische Einteilung nfitzlich, doch vermag sie der pathophysiologischen Komplexit~t dieser Zust~dnde nicht zu gentigen. Einerseits gilt es zu bedenken, dab Mischformen hf.ufig sind. und anderseits geht dieses Konzept v o n d e r Vorstellung aus, dab die portale Hypertonie pathophysiologisch hauptsrchlich oder aus-
Tab. 1. Klassifikation der portalen Hypertonie. prfihepatisch: [] ven6seThrombose: Milzvene,Pfortader [] vermehrter BlutfluB: arterioven6se Fistel, Splenomegalie intrahepatiscb: [] prf.sinusoidal: kongenitale Leberfibrose Schistosomiasis nodulfire regenerativeHyperplasie Sarkoidose idiopathische portale Hypertonie (z. B. nach Arsen. Vinylchlorid~ [] sinusoidal alkoholische Zirrhose [] postsinusoidal venookklusiveErkrankung der Leber alkoholische Zenmdvenensklerose posthepatisch: [] Budd-Chiari-Syndrom [] konstriktive Pcrikarditis
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Tab. 2. Folgen der portalen H2ypertonie. Portosystemi~he Kollateralenbildung: [] gastro-6sophagealeund andere intestinale Varizen, H~imorrhoiden [] portosystemischeEnzephalopathie Aszites [] spontane bakteriellePeritonitis [] abdominelleHemien [] respiratorischeFolgen: Atelektasen, Hypoxfimie [] Kompressionder V. cava inferior
Hypersplenismus hepatorenales Syndrom
schlieNich die Folge einer Widerstandserh6hung im portalen System darstellt (32). Die klinischen Folgen der portalen Hypertonie sind riuBerst vielf~ltig. Die wichtigsten Gruppen sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Auf einige dieser Folgezustrinde wird in anderen Beitrrigen dieses Heftes ausftihrlich eingegangen.
Pathogenese tier portalen Hypertonie Der in einem Gefiigsystem herrschende Druck (p) stellt das Produkt aus FIuB (Q) und Widerstand (R) dar (p = Q x R). Eine Druckerh6hung in einem gegebenen GeffiBsystem wird sich somit als Folge einer Widerstandserh6hung und/oder einer Zunahme des Blutflusses ergeben. An der Pathogenese der portalen Hypertonie sind beide Faktomn, je nach Gmnderkrankung in unterschiedlichem AusmaB, beteiligt (Tab. 3). Wfihrend sich die WiderstandserhBhung bei den prfi- und posthepatischen Formen der portalen Hypertonie in der Regel leicht lokalisieren lrigt, ist eine klare Unterscheidung zwischen prfi-, postsinusoidaler bzw. sinusoidaler portaler Hypertonie oft nicht m6glich. Dies gilt insbesondere fiir die bei uns h~iufigste Ursache der portalen Hypertonie, die Leberzirrhose. Bei Patienten mit primrirer bilirirer Zirrhose besteht in der frfihen Erkrankungsphase eine prfisinusoidale WiderstandserhBhung, die im spriteten Vertauf in eine vorwiegend sinusoidale Form fibergeht (11). Die fehlende Ubereinstimmung zwischen dem Pfortaderund dem geblockten Lebervenendruck lassen bei der chronisch-aktiven Hepatitis eine prrisinusoidale Komponente der WiderstandserhBhung annehmen (6). Die Lebererkrankung im Rahmen des Morbus Wilson geht ffir gewisse Autoren mit einer prfisinusoidalen, ffir m~dere mit einer sinusoidalen Widerstandserh6hung einher (26, 27). Bei der alkoholischen Leberzirrhose sind der geblockte Lebervenen- und der Pfortaderdruck gleichernmBen erh6ht, so dab die Widerstandserh6hung vorwiegend auf sinusoidaler Ebene postuliert wird (6, 9). Bei einzelnen Patienlen mit alkoholi-
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Tab. 3. An der Entstehung der portalen Hypertonie beteiligte Faktoren. 1. erhBhterFlul3widerstand(,,backward flow"): [] Lebererkrankungen [] Thrombosen des Pfortadersystems 2. erh6hter splanchnischer BlutfluB (,,forward flow") [] arterioven6se Fistel [] Splenomegalie [] vasodilatatorischwirksame Substanzen scher Leberzirrhose ist der geblockte Lebervenendruck h6her als der Pfortaderdruck, so dab daraus ein hepatofugaler Blutflug in der Pfortader resultiert. Verschiedene Faktoren tragen bei Patienten mit alkoholischer Leberzirrhose zur Widerstandserh6hung auf vorwiegend sinusoidalem Niveau bei: a) Zunahme des hepatozellul~iren Volumens und Verminderung des sinusoidalen Gefrigquerschnitts: Morphometrische Untersuchungen (5, 29) belegen, dab eine Korrelation zwischen Leberzellvolumen einerseits und portalem Druck anderseits besteht, und zwar unabh',ingig vom Ausmab des zirrhotischen Umbaus. Gr6Beres Leberzellvolumen geht mit einer Verminderung des sinusoidalen Gef~iBquerschnittes einher. Die Beobachtung, dab der Pfortaderdruck bei Patienten mit florider alkoholischer Lebererkrankung unter Alkoholabstinenz innerhalb weniger Wochen abnimmt, diirfte eine Folge der Verminderung der Zellgr6Be darstellen (24). b) Kollagenvermehrung im Disseschem Raum: Der alkoholische Leberschaden ist histologisch unter anderem dutch eine Kollagenisierung des Disseschen Raumes charakterisiert. Bei 70 Patienten mit alkoholischer Lebererkrankung konnte eine gute Korrelation zwischen dem AusmaB der elektronenmikroskopisch bestimmten Kollagenisierung des Disseschen Raumes und dem intrahepatischen Druck gefunden werden (19). In Untersuchungen an mit Alkohol gefiitterten Pavianen wiesen Tiere mit der ausgeprfigtesten perivenulfiren Fibrose die h6chsten Portalvenendrucke auf (17). An der Entstehung der intrahepatischen Widerstandserh6hung bei alkoholischer Leberzirrhose dfirften im weiteren eine Kompression hepatischer Venulen durch Regenerationsknoten und die typische perizentrale Fibrose mitbeteiligt sein. Krogsgaard et al. (16) fanden, dab neben diesen Verrinderungen auch das AusmaB der hepatozellulriren Nekrose yon Bedeutung ist. Die, Schistosomiasis ist in der Frfihform dutch ~'ine prfisinusoidale WiderstandserhBhung charakterisiert. Sie ist die Folge einer Obstruktion der kleinen Portalvenen/iste dutch die Ablagerung von Parasiteneiern und durch die granulomat6se Reaktion. In tbrtgeschrittenen Stadien der Erkrankung ist der geblockte Lebervenendruck auch bei Fehlen eines zirrhotischen
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Umbaus erh6ht. Die zus~itzlichesinusoidale Widerstandserh6hung wird durch die Ausbildung einer perisinusoidalen Bindegewebsvermehrung erklS.rt (23). Zu den selteneren Formen der prS.sinusoidalen Hypertonie geh6rt neben der kongenitalen Leberfibrose und der Sarkoidose die sogenannte idiopathische portale Hypertonie, die sich urs~chlich nur selten kl~iren l~3t, gelegentlich aber auf die chronische Einnahme von Arsen oder Vinylchlorid zurtickzuffihren ist. Sie ist hSrnodynamisch durch eine deutlich st~kere Erh6hung des Pfortaderdruckes im Vergleich zum geblockten Lebervenendruck, und damit durch eine vorwiegend oder ausschliel31ich prS.sinusoidale Komponente des intrahepatischen Blockes charakterisiert (4). , , B a c k w a r d flow"- und , , F o r w a r d flow" - Theorie der
portalen Hypertonie Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, daI~ die ,,Backward flow"-Theorie, welche die Druckerh6hung im portalen Kreislauf allein auf eine Widerstandserh6hung zuriickftihrt, nicht alle Aspekte der portalen Hypertonie gentigend zu erklfiren vermag (32). Nach diesem traditionellen h~imodynamischen Konzept der portalen Hypertonie gilt die portale Widerstandserh6hung als tier zentrale Faktor, der die portale Hypertonie initiiert, erh~lt und schlieBlich zu einem verminderten portalen Blutfluf~ ffihrt. Sowohl Untersuchungen an Patienten mit alkoholischer Leberzirrhose als auch im Tiermodell haben aber einen vermehrten portalen Blutflul~, und damit eine ,,hyperdynamische" mesenteriale Zirkulation ergeben (1, 30, 31). Dieser hyperdynamische Kreislaufzustand ist beim Menschen durch einen vermehrten BlutfluB durch die Milz (33), eine Verkiirzung der Passagezeit in die splanchnische Zirkulation injizierten markierten Albumins (14), ein erh6htes Herzminutenvolumen und einen verminderten systemischen GeFabwiderstand (13, 15) charakterisiert. Die ,,Forward flow"-Theorie der portalen Hypertonie geht davon aus, dab eine Widerstandserh6hung zunfichst zu einem portalen Druckanstieg ffihrt. Die anschlieBende Entwicklung ven6ser Kollateralen hat eine Dekompression und eine Verminderung der portalen Hypertonie zur Folge. Die hyperdynamische mesenteriale Durchblutung und die Erh6hung des portalen Blutflusses erhalten nach der ,,Forward flow"-Theorie den erh6hten portalen Druck und die Leberdurchblutung. DaB ein vermehrter portal-ven/Sser Blutflul~ auch ohne zus~itzliche Erl~ankung von Leber oder Pfortader zu portaler Hypertonie ffihren kann, belegen klinische Beobachtungen bei Patienten mit ausgedehnter arterioven6ser Fistelbildung zwischen einer intraabdominellen Arterie und
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der Portalvene (10) oder bei Patienten mit ausgepr~igter Splenomegalie ohne gleichzeitiges Vorliegen einer Lebererkrankung (21, 34). Im Rattenmodell der Pfortaderstenose liegen bereits 10 Tage nach operativer Stenosierung der Pfortader sowohl ein erh6hter Pfortaderdruck als auch eine hyperdynamische mesenteriale Zirkulation vor (2). In diesem Modell wurde im Bereich der portosystemischen Kollateralen ein Gefagwiderstand gemessen, der um 40% fiber dem des normalen hepatischen Pfortadersystems lag. Die gleichen Autoren kamen dabei zum SchluB, dab ,,Backward flow"-Mechanismen fiir etwa 60%, ,,Forward flow"-Mechanismen ffir etwa 40% der Zunahme des" Pfortaderdrucks verantwortlich sin& HSrnodynamische Untersuchungen am Modell der CCL4-induzierten Zirrhose bei der Ratte untersttitzen dieses Konzept (31). Ein besseres Verstgndnis der pathophysiologischen Grundlagen dieser h~imodynamischen Verfinderungen k6nnte weitreichende therapeutische Konsequenzen haben. Die beiden wichtigsten Mechanismen far das Zustandekommen der hyperdynamischen splanchnischen Zirkulation scheinen erh6hte Konzentrationen zirkulierender Vasodilatatoren und eine verminderte Sensitivitfit des splanchnischen GeffiBbettes auf endogene Vasokonstriktoren darzustellen. Als Mediatoren dieser zirkulatorischen Verfinderungen werden Prostaglandine, Glukagon, Leukotriene und Endotoxin diskutiert (Tab. 4).
Tab. 4. ,,Forward flow"-Theorie der portalen Hypertonie. Mi~gliche Mediatoren und Mechanismen. [] Prostaglandine [] Glukagon [] Serotonin
[] EDRF(NO) [] Endotoxin [] verminderteSensitivitStauf endogeneVasokonstriktoren Die Hemmung der Prostaglandinsynthese mit Indomethacin fiihrt bei Patienten mit Leberzirrhose zu einer Verminderung des Herzminutenvolumens und zu einer Erh6hung des peripheren GeffiBwiderstandes mit signifikanter Verminderung des hepatischen Blutflusses (7). Antiserum gegen Glukagon bewirkt bei Ratten mit Portalvenenstenose und konsekutiver portaler Hypertonie eine signifikante Verminderung des splanchnischen Blutflusses und des portalven6sen Blutflusses (3). Verschiedene tierexperimentelle Untersuchungen belegen ein vermindertes Ansprechen des splanchnischen Gef'fgbettes auf zirkulierendes Noradrenalin bei portaler Hypertonie (12). Am Menschen konnte gezeigt werden, dab die [32-adrenergen Rezeptoren an mononukleiiren Zellen des peripheren Btutes bei fortgeschrittener Le-
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berzirrhose eine Down-Regulation erfahren, ein Befund, der ftir Patientenselektion und Dosierung.der Beta-Blocker zur Pr~ivention der Osophagus-Varizenblutung von Bedeutung sein k6nnte (8). Eine Substanz, die in den letzten Jahren vermehrtes Interesse auf sich gezogen hat, ist der Endothelium-Derived Relaxing Factor (EDRF) (18). Chemisch konnte dieser Faktor als NO (Nitric Oxide, Stickstoffmonoxid) oder als ein nahe verwandtes, von L-Arginin abgeleitetes Molekfil identifiziert werden (20). Wird Ratten mit portaler Hypertonie (Portalvenenligatur) ein spezifischer Hemmer der Biosynthese von NO zugeftihrt (LNMMA, NGwnonomethyl-L-arginin), werden in der Folge eine signifikante Erh6hung des systemischen und des splanchnischen GefS.gwiderstandes, eine Verminderung des Herzminutenvolumens und ein verminderter Einstrom in das portalven6se Gef~igsystem festgestellt. Alle diese hgmodynamischen Effekte yon L-NMMA k6nhen dutch Vorbehandlung der Ratten mit der Vorstufe von NO, L-Arginin, aufgehoben werden (22). Die Produktion yon NO im vaskulfiren Endothel kann durch verschiedene Agonisten, wie z. B. die endogenen Endotheline, stimuliert werden, doch sind die Effekte yon kurzer Dauer und auf die Zeitdauer der Infusion des Agonisten beschrfinkt. Im Unterschied dazu weisen Endothelzellen der Schweine-Aorta in der Zellkultur eine fiber l~hagere Zeit anhaltende Induktion der NO-Synthase nach Verabreichung von bakteriellem Lipopolysaccharid-Endotoxin auf (28). Es ist denkbar, dab die Induktion der NO-Synthase ftir den Zustand der Vasodilatation bei Endotoxinfimie verantwortlich ist. NO scheint dabei einen wichtigen Mediator der Gefabwirkungen yon Endotoxin und Zytokinen darzustellen. Patienten mit Leberzirrhose weisen geh~iuft Infektionen mit gramnegativen Organismen auf. Portosystemische Shunts erlauben es diesen vorwiegend intestinalen Mikroorganismen sowie Endotoxin, das retikuloendotheliale System der Leber zu umgehen und so direkt in der systemischen Zirkulation ihre Wirkung auf das GefaBendothel zu entfalten. Es ist zu erwarten, dab vertiefte Kenntnisse der Funktion der sinusoidalen Endothelzelle zu einem besseren Verstfindnis der Regulation der hepatischen Mi~ozirkulation sowie des kollateralen Gef~4Bwiderstandes und fiir die Zukunft zu einer differenzierteren medikament/Ssen Therapie der portalen Hypertonie beitragen werden.
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Aus der Abteilung ftir Gastroenterologie und Hepatologie (Leiter: Prof. Dr. A. Gangl), Universit~itsklinikftir Innere Medizin IV, Wien
Hepatische Enzephalopathie:PathophysioIogie und BehandlungsmiJglichkeiten P. F e r e n c i
Schliisselw6rter." Hepatische Enzephalopathie - Pathophysiologie - Behandhmg.
Key-words.'Hepatic encephalopathy - pathophysiology - treatment.
Die Pathophysiologie der hepatischen Enzephalopathie ist nach wie vor unbekannt. Die Ursachen fQr die Gehirnfunktionsst6rung bei Leberversagen k6nnte eine .~,nderung der Permeabilit~it der Bluthirnschranke, eine Akkumulation von Neurotoxinen (Ammoniak, Methantiol), eine St6rung der Neurotransmission (.G.amma-Aminobutters~ure, Glutamat, Katecholamine, Serotonin) oder eine Anderung des Energiestoffwechsels des Gehirns sein. Eine spezifische Therapie der hepatischen Enzephalopathie gibt es daher nicht. Therapieans~itze beruhen auf den verschiedenen Hypothesen der Pathogenese der hepatischen Enzephalopathie. Im Vordergrund steht jedoch eine unspezifische supportive Therapie und Beseitigung der pr~izipitierenden Faktoren, die zur hepatischen Enzephalopathie ffihren. Spezifisch-therapeutische MaBnahmen und die Rolle der Lebertransplantation werden diskutiert. (Acta Chir. Austriaca1993;25:135-143) Hepatic Encephalopathy: Pathophysiology and Treatment Summary: The pathophysiology of hepatic encephalopathy is still unknown. Changes in the permeability of the bloodbrain-barrier, accumulation of neurotoxins (ammonia, methantiol), altered central neurotransmission (GABA, glutamate, catecholamines, serotonin) altered brain energy metabolism may contribute to the development of brain dysfunction in liver failure. As specific treatment of hepatic encephalopathy is not available, therapeutic efforts are based on the various hypothesis of the pathogenesis of hepatic encephalopathy. The most important ther Korrespondenzanschrifl: Prof. Dr. P. Ferenci, Abteilung fiir Gastroenterologie und Hepatoto,,ie~., Universitiitsklinikftir [nnere Medizin IV, Wtihrinoer Giirtel 18-20. A- 1090 Wien.
apeutic approaches are the supportive treatment and the elimination of precipitating factors. Specific treatments and the role of liver transplantation are discussed. Pathophysiologie der hepatischen Enzephalopathie Das VerstSndnis der Pathophysiologie der hepatischen Enzephalopathie (HE) setzt detaillierte Studien der Hirnfunktion voraus, die bei Menschen nicht m6glich sind. Adiiquate biochemische, elektrophysiologische und neuropharmakologische Untersuchungen k6nnen nur bei Tiermodellep der HE durchgeftihrt werden. Die wenig~'n verftigbaren Modelle einer akuten HE geben nut Detailaspekte des menschlichen Krankheitsbildes wieder. Es gibt so gut wie keine brauchbaren TiermodeUe fiir eine chronische HE. Daher ist bis heute die genaue Pathogenese der HE nicht bekannt. Es ist auch unbekannt, ob die gleichen pathophysiologischen Mecha-
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