FORSCHUNG
Verbrennung
VerbrennungsmotorProzess mit Porenbrennraum In letzter Zeit macht die Möglichkeit der Verbrennung bei konstanter Temperatur in einem Verbrennungsmotor mit einer Keramik-Matrix, dem so genannten Porenbrennraum, von sich reden, die sensationell tiefe Schadstoffwerte für Stickoxid, Kohlenwasserstoffe und Ruß verspricht. Der klassische thermodynamische Vergleich eines solchen idealen theoretischen Kreisprozesses mit demjenigen eines Dieselmotors zeigt aber auf einleuchtende Weise, dass dann Wirkungsgrad und Leistung untragbar stark absinken und Versuche sich somit nicht lohnen.
1 Gleichungen und Annahmen für das perfekte Arbeitsgas
Die idealisierte Berechnung und Darstellung im Temperatur-Entropie-Diagramm als Kreisprozess wird für ein einheitliches, perfektes Gas mit konstanter spezifischer Wärme gemacht. Dem Prozess wird nur Wärme und Arbeit zu- und abgeführt. Die im Zylinder eingeschlossene Gasmasse wird konstant gehalten, was bei Motoren mit Brennstoffeinspritzung in den Zylinder nicht ganz erfüllt ist. Im Folgenden sind die aus der Thermodynamik bekannten einfachen Ausgangsgleichungen zusammengestellt.
Der Autor Dr. Masch.ing. ETH Hansulrich Hörler ist pensionierter wissenschaftlicher Mitarbeiter des Laboratoriums für Verbrennungsmotoren und Verbrennungstechnik an der ETH Zürich (Leitung Prof. Dr. Meinrad K. Eberle. Ab 1. 10. 02: Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme, Leitung Prof. Dr. Konstantinos Boulouchos).
122
Gasgleichung: p⋅V = m⋅R⋅T. (Druck p, Volumen V, Masse m, absolute Temperatur T). Die spezifische Gaskonstante R ist 287 J/kgK für Luft oder zirka Diesel-Abgas (für auf die Masseneinheit bezogene spezifische Werte werden im Übrigen Kleinbuchstaben verwendet). Spezifische Wärmen: cp – cV = R, cp/cV ≡ κ = 1,35 (ist zirka Mittelwert für Dieselabgas), → cp = 1107 J/kgK. Innere Energie u = cV⋅T, Enthalpie h ≡ u + p⋅v = cp⋅T.
Die Kombination des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik (Erhaltung der Energie) mit der Definition der Entropie liefert die differentielle Gleichung für die spezifische Entropie s, mit q als zugeführter spezifischer Wärmemenge: dq = T⋅ds = du + p⋅dv = dh - v⋅dp, oder integriert: s - s0 = cV⋅ln(T/T0) + R⋅ln (v/v0) = cp⋅ln(T/T0) – R⋅ln(p/p0). (Der Bezugspunkt 0 ist willkürlich, zum Beispiel bei p0 = 1 bar, T0 = 300 K). Daraus folgt für die Isentrope: T/T 0 = (p/p0)(κ-1)/κ = (v/v0)κ-1. Aus diesen Grundgleichungen lassen sich alle gewünschten Werte sowie das T-s-Diagramm für die beiden verglichenen Prozesse berechnen und die Wärmemengen und Arbeiten explizit integrieren. Diese Beziehungen alle hier anzugeben würde aber zu weit führen. 2 Annahmen für die Prozessrechnungen
Für die vereinfachte Darstellung eines idealen Kreisprozesses im T-s Diagramm für m = 1 kg Gas mit nur einer einzigen Zone muss beachtet werden, dass bei
MTZ 2/2003 Jahrgang 64
effektiv zwei verschiedenen Temperaturzonen h und k, die in einem abgeschlossenen Volumen unter dem gleichen Druck p stehen, die Mischtemperatur T = Th⋅mh/m + Tk⋅mk/m für die Gesamtmasse m = mh + mk einzusetzen ist. Die Entropie der Mischung wird dann größer als die Summenentropie der beiden Zonen, was den Verlust an Arbeitsfähigkeit anzeigt, der durch den Verzicht auf die Ausnützung des Temperaturgefälles (durch CarnotMaschinen mit Wärmetauschern) zwischen den zwei Zonen entsteht. Die Gasgleichung zeigt, dass sich der Druck und damit die aus dem gemeinsamen Volumen gewinnbare Ausdehnungsarbeit durch die Vermischung der Temperaturzonen bei perfekten Gasen mit gleichem κ nicht ändert. Die theoretische spezifische Arbeit w des Prozesses ist damit im T-sDiagramm wie bekannt aus der Flächendifferenz zwischen zugeführter und abgeführter Wärme (erster Hauptsatz) ersichtlich. Die Verbrennung wird nur als Wärmezufuhr aufgefasst. Für Dieselöl oder Benzin (Brennstoff B) gilt bei vollständiger Verbrennung mit Luft L (Luftverhältnis λV > 1): 1 kg B + 14,7⋅λV kg L = (1 + 14,7⋅λV) kg A + Hu.
Der spezifische Heizwert Hu beträgt etwa 43 MJ. Für die beiden verglichenen Prozesse wird je kg „angesaugte Frischluft“ (ebenfalls als Abgas A interpretiert) eine zugeführte Wärmemenge von 1370 kJ angenommen, was etwa λV = 2,07 entspricht. Infolge der Wandwärmeverluste wäre bei einem realen Dieselmotor für diese Wärmezufuhr λV etwas tiefer und entspräche fast der Volllast. Bei beiden verglichenen Prozessen werden keine Wärme-, Druck-, Reibungs- oder Gaswechselverluste vorausgesetzt, die Ventile öffnen und schließen plötzlich, und Einlass- und Auslassdruck sind gleich. Ausgegangen wird von der in Bild 1 gezeigten Situation 1 nach dem Ansaugen. (Im realen Porenbrennraum-Motor würde die Matrix allerdings eher im Zylinderkopf angeordnet statt im Kolben). Im Hubvolumen VH befindet sich Gas vom Druck p1 (zum Beispiel 3 bar bei Aufladung) und der Temperatur Th1 = 320 K und im Kompressionsraum VK heißes Gas vom letzten Zyklus her. Der Höchstdruck beider Prozesse soll gleich sein (zum Beispiel 150 bar). Der thermische Wirkungsgrad eines Prozesses ist definiert als η ≡ w/q, wobei q die spezifisch zugeführter Wärme (resp.
den entsprechenden Heizwert) bedeutet. Eine weitere wichtige Definition bei Verbrennungsmotoren ist der mittlere indizierte Druck pmi ≡ w/VH. 3 Idealer Dieselprozess
Die Kompression auf den Druck p2 erfolgt für die Haupt-Gasmasse mh1 im Arbeitsraum h auf der gepunkteten Isentropen, Bild 2, für die kleine, im Kompressionsraum VK verbliebene, nicht ausgespülte heiße Abgasmasse mk1 aber auf der Isentropen 4s-2a. Für den gemittelten gesamten Zylinderinhalt ergibt sich dann die gestrichelte Isentrope 1-2. Das Kompressionsverhältnis (VK+VH)/VK ist 18,1. Die Wärmezufuhr q erfolgt bei konstantem Höchstdruck p2 und bereits wieder vergrößertem Volumen bis auf die Temperatur T2a = 2119 K (effektiv existieren bei der Dieselverbrennung kurzzeitig lokale Zonen mit λV = 1 und einer mit den gleichen Voraussetzungen gerechneten Temperatur von 3356 K, was den hohen Stickoxidausstoß erklärt). Die isentrope Entspannung des nun homogenen Zylinderinhalts erfolgt bis zum Anfangsvolumen v3 = v1. Hier im
2 Annahmen für die Prozessrechnungen
Bild 1: Schema eines Verbrennungsmotors mit Dieselprozess (a) und mit Porenbrennraumprozess (b). Gezeichnet ist der Anfangszustand 1 des Zyklus. Das Hubvolumen VH ist mit Frischgas des Drucks p1 und der Temperatur Th1 gefüllt, die Mischtemperatur des Zylinderinhalts ist dann T1. Die zugeführte Verbrennungswärme q je kg des Zylinderinhalts entspricht etwa einem Luftverhältnis λV = 2,07, falls von Wärmeverlusten abgesehen wird Figure 1: Scheme of an internal combustion engine with Diesel process (a) and porous combustion chamber process (b). The drawing shows the beginning of the process. The displacement volume VH is filled with fresh gas of pressure p1 and temperature Th1; the mixing temperature of the whole cylinder content is T1. The heat input q per kg total gas mass by combustion corresponds about to an air excess ratio of λV = 2,07, if heat losses are neglected
MTZ 2/2003 Jahrgang 64
123
FORSCHUNG
Verbrennung
3 Idealer Dieselprozess
Punkt 3 öffnet sich das Auslassventil, und danach wird das Gas im Hubraum mit dem Druck p4 = p1 ausgeschoben. Die Energiebetrachtung (erster Hauptsatz) liefert für die mittlere Abgastemperatur in der Leitung T4 = 852 K, was wichtig ist für den Turbolader. Für diesen theoretischen Kreisprozess wird kein Gaswechsel angenommen, sondern zwischen 3 und 1 Wärme abgeführt, was energetisch gleichbedeutend ist. Das Ergebnis ist: η = 0,569, pmi = 8,48 · p1. 4 Idealer Porenbrennraumprozess
Bild 2: T-s- Diagramm des idealen Dieselprozesses (gestrichelt) respektive des idealen Porenbrennraumprozesses (ausgezogen) für 1 kg Gas im Zylinder. Als T wurde die Mischtemperatur der beiden Gaszonen h und k eingesetzt. Die Fläche 1-2-2a-3-1 respektive 1-2-3-1 entspricht der theoretisch nutzbaren Arbeit (w = 761 respektive 552 kJ/kg), während die Fläche unterhalb 2-2a respektive 1-2-3-4a bis zu T = 0 hinunter die zugeführte Wärme darstellt (q = 1337 respektive 1342 kJ/kg) Figure 2: T-s- diagram of the ideal Diesel process (dashed) respectively the ideal porous combustion chamber process (solid) for 1 kg of gas in the cylinder. T is the resulting mixing temperature of the two gas zones h and k. The area 1-2-2a-3-1 respectively 1-2-3-1 represents the theoretical usefull work (w = 761 respectively 552 kJ/kg), the area below 2-2a respectively 1-2-3-4a, down to T = 0, the heat input (q = 1337 respectively 1342 kJ/kg)
124
Die Struktur des Porenbrennraums mit dem Gasvolumen VK (= Kompressionsvolumen) wird als unendlich wärmeträg und -leitfähig, engmaschig und trotzdem ohne Strömungswiderstand angenommen. Die Matrix und das Gas dort haben dann immer die konstante Temperatur TK, die so zu legen ist, dass die vorgegebene Wärmemenge in das Gas eingebracht wird. Der Brennstoffeintrag kann mittels Einspritzung in die durchlässige Matrix oder durch Ansaugen eines mageren, nicht klopfenden Gemisches erfolgen. Vom Prozesspunkt 1 aus durchläuft das Gas mh im Arbeitsraum Vh die gleiche isentrope Kompression zwischen p1 und p2 wie beim Dieselprozess, Bild 2, gepunktet. Es wird dabei allmählich in den Porenbrennraum geschoben, wo sich der Gaszustand für mk auf der gepunkteten Horizontalen bewegt. Im Durchschnitt wird das Gas also bereits während der Kompression stark beheizt (ausgezogener Prozess), was Nutzarbeit kostet. Im oberen Totpunkt 2 ist alles Gas auf der hohen Temperatur TK = 1946 K, so dass das Kompressionsverhältnis nur 9,06 sein darf, um den Höchstdruck nicht zu überschreiten. Bei der Expansion kann sich nur das aus dem Porenbrennraum ausgetretene Gas isentrop abkühlen; an das in der Matrix verbleibende Gas wird weiter Wärme zugeführt. Sogar im unteren Totpunkt 3, wo das Auslassventil öffnet, geht die nun völlig nutzlose Wärmezufuhr während des Druckabfalls noch etwas weiter von Punkt 3 nach 4a. Da die Wärmezufuhr im Mittel bei tieferer und die Abfuhr bei höherer Temperatur erfolgt als beim Dieselmotor, ist das Ergebnis entsprechend schlecht: η = 0,411, pmi = 6,12⋅p1. Die mittlere Temperatur T4 vor der Turbine ist mit 1049 K viel höher als beim Dieselprozess, was neben dem Turbolader eine Nutzturbine ermöglichte. Dies würde aber das Ergebnis nicht sehr stark verbessern.
MTZ 2/2003 Jahrgang 64
5 Bewertung
4 Idealer Porenbrennraumprozess Nach dieser theoretischen Rechnung verbraucht der Porenbrennraum-Motor bei Volllast spezifisch also 38 % mehr Brennstoff als der normale Dieselmotor, die Leistung liegt bei gleichem Hubvolumen 28 % tiefer. Bei realen Motoren sind diese Zahlen wegen der absolut gleich bleibenden Reibungs- und Hilfsaggregatsleistung noch schlechter, da sicher nicht anzunehmen ist, dass das Verhältnis zwischen Ideal- und Realmaschine beim Porenbrennraumprozess besser wäre als beim Dieselprozess. Im Teillastfall mit nur 18 % der Volllast-Wärmezufuhr zeigt die Rechnung, dass der theoretische Wirkungsgrad η beim Dieselprozess auf 0,623 steigt, beim Porenbrennraum aber auf 0,336 sinkt, da auch Porentemperatur und Höchstdruck stark sinken auf TK = 800 K, p2/p1 = 21, Bild 3. Es gibt Ideen, den Prozess zu verbessern, indem ein stark vergrößerter und den Höchstdruck haltender, gut isolierter Porenbrennraum durch ein speziell gesteuertes Ventil abgeschlossen wird. Aber auch ohne diese Maßnahme sind die konstruktiven Schwierigkeiten bereits groß genug. Die Matrixtemperatur TK dürfte schwierige thermische Dehnungswechsel- Ermüdungsfestigkeitsprobleme für den Dauerbetrieb mit wechselnden Lasten bewirken. Eine gleichmäßige Brennstoffbeschickung und damit Tempe-
Bild 3: Thermischer Wirkungsgrad η des idealen Diesel- (1) respektive Porenbrennraumprozesses (2) bei Volllast (Luftverhältnis λV = 2,07, a) und bei kleiner Teillast (λV = 12, b) Figure 3: Thermal efficiency η of the ideal Diesel- (1) respectively porous combustion chamber process (2) at full load (air excess ratio λV = 2,07, a) and at small part load (λV = 12, b)
raturverteilung im ganzen Porenbrennraum ist kaum zu erreichen, und besonders bei Teillast wird die Verbrennung unvollständig durch die tiefe Matrixtemperatur. Auch erfordern der Start und das Ansprechverhalten eines derartigen Motors besondere Maßnahmen. Die an sich bestechende Idee des Porenbrennraums ist also, im Gegensatz zu den guten
Ergebnissen bei Gasturbinen, leider kein gangbarer Weg für die Verringerung der Abgasemissionen von Kolbenmotoren. ■ For an English version of this article, see MTZ worldwide For information on subscriptions, just call us or send an email or fax.
MTZ
Vieweg Verlag Postfach 1546 D-65173 Wiesbaden Hotline 06 11/78 78-151 Fax 06 11/78 78-423 email:
[email protected]
Wie moderne Verbrennungsmotoren richtig ausgelegt werden Eduard Köhler
Verbrennungsmotoren Motormechanik, Berechnung und Auslegung 2. Auflage des Hubkolbenmotors
Eduard Köhler Verbrennungsmotoren Motormechanik, Berechnung und Auslegung des Hubkolbenmotors 2., überarb. u. erw. Aufl. 2001. XXIV, 463 Seiten mit 102 Abbildungen (ATZ/MTZ Fachbuch) Geb. DM 122,00 ISBN 3-528-13108-X
ATZ-MTZ-Fachbuch
Aus dem Inhalt: Kriterien bei der Motorauslegung - Berechnung und Auslegung von Bauteilen - Pleuel - Kolben - Kolbenringe - Kurbelgehäuse Zylinderkopf - Ventiltrieb - Motorgeräusch In diesem Buch werden die einzelnen Motorkomponenten mit den dazugehörenden Berechnungsverfahren vorgestellt. Neben zahlreichen praktischen Auslegungshinweisen erläutert das Buch Werkstoffe und Herstellungsverfahren und stellt deren Einfluss auf die konstruktive Auslegung dar. In der 2. Auflage wurde das neue Kapitel Motorakustik aufgenommen. Im Kapitel Motormechanik wurde dem Massenausgleich besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Änderungen vorbehalten. Erhältlich beim Buchhandel oder beim Verlag.
Bestell-Coupon Ja, ich bin interessiert und bestelle Abraham-Lincoln-Straße 46 D-65189 Wiesbaden Fax (0180) 5 78 78-80 www.vieweg.de
Expl. Eduard Köhler Verbrennungsmotoren 2., überarb. u. erw. Aufl. 2001. Geb. DM 122,00 ISBN 3-528-13108-X
Vorname, Name Straße (bitte kein Postfach) PLZ, Ort Datum, Unterschrift