(Aus dcr Abteilmtg fiir cxperimentellc Pathologic des Sta~tlichen psychoneurologischen Institutes und aus der Forschungsanstalt liir Physiologie in Charkow.)
Weitere Untersuchungen zum Entziindungsbegriff. (Zugleich Mitteilung V I I I zur Arbeit: Das viscerale N e r v e n s y s t e m als Regulator des Gewebsstoffwechsels. 1) Von 1). E. Alpern and L. M. T u t k e w i t s e h . Mit 4 T e x t a b b i l d u n g e n . (Eingegangen am 20. Mai 1929.)
Die experimentellen Beobuchtungen, die wir in einer unserer frfiheren Arbeiten fiber die Entziindung gemaeht haben, lieBen uns unter anderem zu dem prinzipiellen Sehlusse kommen, dug mun sieh den Entstehungsmechanismus der entzfindliehen Gewebsreaktion folgendermaBen vorzustellen hat : DaB schi~dliehe Agens ruff vor allem, entweder unmittelbar, oder mi~tels der reflektorisehen Leitu~lg der Reizung dutch das sensible Nervensystem des betreffenden Bezirkes, eine H e m n n m g oder Dysfm~ktion des symputhisehen Nervensystems hervor ; die herabgesetzte oder ulterierte Funktion den Symputhieus be~drkt sehon an und Ifir sieh eine Anderung des elektrolyt.isehen Gleichgewiehtes an der Oberfliiehe der Zelhnembran und veri~ndert somit in erster Linie die Durehl~ssigkeit des Gewebes (durin besteht abet die erste Etuppe des Wirkungsmeehunismus des symputhisehen Nervensystems im Mlgemeinen). DeE weiteren setzt eine Reihe yon St6rungen des Stoffweehsels ein, welehe man als vollstiindiges Analogon zu den yon Schade besehriebenen Erseheinungen unsehen darf und die yon unserem Standpunkte aus als Kausalmoment der entztindliehen Reuktion ungesehen werden dfirfen. Es versteht sieh yon selbst, dab es sieh bier um den Nuehweis den Entstehungsmeehunismus der ersten Momente jener Reaktion handelt, die sich im weiteren Verlauf als hSehst verwiekelter Komplex versehiedenurtiger Vorg~nge uufrollt, welehe in der Klinilc mit dem Namen Entziindung bezeiehnet werden. Wit gluuben, es sei hier nieht fiberfliissig, noehmuls den Umstand hervorzuheben, dal~ wit im Lichte unserer Experimente betreffs der Nolle des symputhisehen Nervensystems im 1 Mitteil. I und II: Pfliigers Arch. 209, H. 5/6; Mitteil. III: Pfliigers Arch. 215, H. 1/5; Mit~eil. IV" Bioehem. Z. 176, H. 1/3; Mitteil. V: Z. exper. Ned. g6, H..I/2; Mitteil. VI u. VII: Z. exper. Med; zur Zeit in Druck.
Alporn u. Tutkewitsch: Weitere Untersuchungen zum Entziindungsbogriff. 431 Gewebsstoffwechsel iiberhaupt, und in der Entwiclclung der entztindlichen l~eaktion im besonderen, die prim/~re Bedeutung den nutritiven Eigenschaften des sympathischen Nervensystems zusprechen, ohne jedoch den Versuch zu machen die ganze Summe der komplizierten Entztindungserscheintmgen auf die Ver~nderlichkeit (Labilit/it) der Funktion der Vasomotoren zuriickzufiihren naeh der Konzep%ion Rickets, wobei die Bedeutung der Chemot~xis, der physik~lisch-ehemischen Eigenschaften der Zellmembran und die Bewegtmg der Leukocyten aul~er acht gelassen werden und namentlich die Ft~fl~tion der Vasomotoren als diejenige Achse ,~ngesehen wird, um die sich der Entziindungsproze!~ als G~nzes dreht. Zwischen dem schi~dlichen Moment und der sog. lokalen Reaktion steht vor allem die Barri~re-Funktion des sympathischen Nervensystems, der wir die F/~higkeit zuspreehen, die Prozesse des Gewebsstoffwechsels zu regeln. Daraus ergibt sich abet aueh der Umstand, dal~ die Fragestellung im Sinne einer Anteihlahme des sympathisehen Nervensystems (als kausalen Moments) an der Entstehung der entziindlichen Reaktion noch starker die eigentliche nutritive Rolle des sympathisehen Nervensystems hervorhebt, das in dieser sehmr Funktion ~utonom und yon der unmittelbaren Beteiligung des Gef/~l~systems frei erscheint. Die Arbeit von Schimura aus dem L~boratorium yon Lubarsch stellt die Rolle des Nervensystems bei der Entstehung des Entz/indungsprozesses iiberhaupt in Abrede, sie enth/~lt abet uuch die n/~mlichen Experimente, wie wit sie ~ngefiihrt haben. Lubarsch eraehtet es jedoch ffir m6glieh, den Sehlu8 zu ziehen, cl~l~ das Nervensystem iiberhaupt und das sympathische speziell in der Entwickhulg der entziindlichen Reaktion keine besonders wichtige t~olle spielt. Wit hatten schon frfiher die Gelegenheit den Hinweis zu machen, dab wir die En~stehung der Lok~lreaktion (des ersten Momentes der Entziindung) als Resultat einer Funktionshemmtulg oder Dysfunktion des sympathischen Nervensystems betrachten und im wesentlichen dem Gewebe einen Automatismus seiner reaktiven F/ihigkeit zusprechen und d~bei keinen Widerspruch zwischen unserer Anschauung und den Ergebnissen Schimuras erblicken, denen zufolge das des sympathischen Nervensystems beraubte Gewebe die Fghigkeit dem EntzfindungsprozeB zu unterliegen beibeh~lt. Abgesehen davon, daI~ m~n iiberhaupt nicht annehmen kann, dai~ Schimura eine vollst~ndige Desympathisation des Gewebes erreicht h~tte, mtissen wir unserer Deutung des Entziindungsprozesses gem~8 sogar beim Vorhandensein einer vollkommenen Desympathisation die M6glichkeit der Entstehung des Entziindungsprozesses unter solchen Bedingungen anerkennen, da ja die Gewebsdesympathisation an und ftir sich, besonders bei S/iugern, dem biochemisehen Status nach, dem entziindeten Gewebe nahesteht. Wenn die entziindliehe Reaktion ira Gegenteil damit einsetzt, dal~ unter Einwirkung des sch/~dlichenAgens in erster Linie eine Hemmung oder Perversion in der Funktion des Sympathieus des entsprechenden
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D . E . Alpern und L. M. Tutkewitsch:
Bezirkes u n d , weiterhin, dadurch eine Stfrung der physikalischchemischen Permeabilitiitseigenschaften des Gewebes daselbst zustgndekommt, so sind wir dazu berechtigt zu erwarten, da6 bei gesteigert~r FuI~ktion das eine oder das andere sch~digende Agens dem Eintritt der entzfindlichen Reaktionen vorbeugen werde. Soweit uns bekannt, sind derartige Versuche gar nicht vorgenommen worden, wenigstens nicht bei einem Experiment yon bedeutender Dauer, wie es zum Zustandebringen einer Entzfindung erforderlieh ist. Deshalb maehten wir in vorliegender Arbeit den Versuch, eine solche P~eizung des sympathisehen Nervensystems an der Peripherie zu bewirken, die yon unserem Standpunkte aus a priori die Entwicklung einer entzfindlichen Gewebsreaktion hintanhalten mfiSte. Wh" kSnnten die Ziele und Aufgaben der vorliegenden Untersuchung folgendermaSen nochmals formulieren: Ffir die Anerkennung der vermittehlden Rolle des sympathischen Nervensystems in der entzfindlichen Reaktion (auf Grund der Forsehungsergebnisse fiber die physiologische Bedeutung des sympathisehen Nervensystems fiberhaupt und der Daten der biochemischen Untersuchungen der Gewebsreaktion bei herabgesetzter Funktion dieses Abteiles des Viseeralnervensystems im besonderen) bedurf es eines Gegenbeweises; letzterer muI~ dutch experiment elle Daten begriindet sein und zwar (lurch die kfinstliehe Vorbeugung der Entwicklung einer Entzfindungsreak~ion in den Verh~l~nissen einer Hyperfm~ktion des der Ehlwirkung des sch~dliehen Agens ausgesetzten Abschnittes des sympathischen Nervensystems. Gleichzeitig ist es aueh hfehst wichtig nachzuweisen, inwieweit diese kfinstlieh geschaffene sozusagen Barrifre-Funk~ion des sympathischen Nervensystems autonom, ohne Abh~ngigkeit yon den parallel dazu verlaufenden Vergnderlmgen der Gef~tSbahn des betreffenden Bezirks, verwirklicht wird. Uns standen Kaainchen zur Verfiigung, deren Ohren mit CrotonS1 oder heiSem Wasser (53--54 °) in den Zustand der Entziirtdung versetzt waren. In der ersten Versuchsreihe wurde auch noch die entziindliehe Reaktion an der Haut der Bauchwand bei Ratten gepriift. Der gewfhnliehe standardm~13ige Verlauf des entziindlichen Prozesses wurde allstiindlieh yon dem Augenbliek an registriert, da das sch~dliche Agens zu wirken begann. Als ein die Fmxktion des sympathischen Nervensystems steigemdes Mittel wurde Tetrahydro-//-naph~hylamin angewandt, welchesbekanntlich eine deutlich sympathikotrope Substanz ist, welche die entsprechenden vegetativen Zentren und die peripheren Endungen des Sympathicus beeinfluBt. Dieses Gift ruft nach einer gewissen Zeitspanne, je nach der Dosis, Fieber rtaeh der Injektion hervor und diese Tatsache bestgtigt die Bedeutung des sympathischen Nervensystems fiir die Prozesse der ehemischen Thermoregulation. Gewfhnlich wurde auf der HShe des durch das Gift bewirktea fieberhaften Prozesses eine Entziindung des Ohres bewirk% worauf man die Anderungen in der V~skularisation dieses Organs und die Entwicklung der entziindlichen geaktion verfolgte. AuSerdem wurde in eiaem Tell der Versuche noeh vor dem Hervorrufen des Fiebers zuerst eiae einseitige Durchtrennung des Sympathicus vorgenommen, worauf in verschie
Weitere Untersuehungen zum Entz/indungsbegriff.
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einer geringen Streeke mittels feiner Pinzetten bloBgelegt wurde; auBerdem wurde dieselbe Stelle mit Alkohol bepinselt. In einigen Versuehen wurde die Durehtrelmung des Halssympathieus ausgef/ihrt, wghrend die Entz/indung ~un stgrksten war. Alle Pglle, welehe am ansehauliehsten waren, wurden histologiseh untersueht, mn den Charakter der Gewebsreaktion eingehender kennen zu lernen. Ein Teil der Mikrophotographien wird beigelegt. Die Dosen des eingefiihrten Tetrahydro-/J-naphthylamin und die Anordnung der Beobaehtungen sind aus einigen unten angefiihrten Versuchsprotokollen ersiehtlieh. E r s t e Versuchsreihe.
I n dieser Gruppe der Versuche ~alrde der EinfluB des sch/~dlichen Agens auf das Gewebe n a c h voraufgegangener P r o d u k t i o n eines entziindlichen Prozesses geprtift. Gleichzeitig darnit wurde auf demselben Wege bei einem n o r m a l e n K o n t r o l l t i e r e eine E n t z i i n d u n g hervorgerufen; (lie S y m p t o m e der Gewebsreaktion w u r d e n stiindlich vermerkt. Als Beispiel seien zwei solche Versuche in toto angefiihr~. Kaninc[~en 3.
Kaninchen 3 a (Kontrolle).
10 Uhr morg. Temp. 38,4 o Temp. 38,50 Subcuta,ne Infektion yon 0,15 Tetrahydro-fl-naphthylamin 11 Uhr morg. Temp. 38,4 ° Temp. 38,5 ° 12 . . . . 39,5 ° ,, 38,5 o Einreiben yon je 4 Tropfen Croton61 in die Oberfl~che des 1. Ohres des Kaninchens 12a° Uhr morg. Temp. 39,5 o keine Reakt. Deutliehe HyperS.mie 1 . . . . 39,40 noeh keine Ileak- Scharf ausgepr~gte Hyperi~mie tion bemerkbar 2 . . . . 39,2° D. Ohr etwas hy- Scharfe Hyper~mie, beginnendes per/~miert im VerOdem gleieh z. norm.r. Ohr 3 . . . . 39,00 Ohr hyper~miert, Ohr stark 6demat6s, h/~ngt herab. kein Odem bemerkAlle Entzfindungsmerkmale bar sind vorhanden. I n diesem Versuehe, wie in a n d e r e n i b m analogen, erreichte eine auf der H6he des T e m p e m t u r a n s t i e g e s hervorgerufene I~eizung n i c h t den Grad einer entziindlichen R e a k t i o n wie es in den Kontxollversuehen der Fall war, sondern besehr~nkte sieh blog auf eine GefgBreaktion. I m K o n t r o l l v e r s u e h ling die E n t z f i n d u n g a n sieh eine Sttmde naeh B e g i n n der R e i z a p p l i k a t i o n k u n d z u g e b e n u n d liefeite naeh drei weiteren S t u n d e n das typisehe Bild einer E n t z i i n d u n g . Kani~cl~en 4.
Kanin,~hen 4 a (Kontrolle).
10 Uhr morg. Temp. 38,60 Temp. 38,40 Subeutane Infektion yon 0,15 Tetrahydro-fl-naphthylamin l l ~° Uhr Temp. 39,70 Temp. 38,50 Einreiben yon je 3 Tropfen Croton61 l Uhr Temp. 39,60 keine merkbare Hyper~mie Reaktion, das Ohr ist blab 2 ,, ,, 39,60 dasselbe Merklieh gesteigerte Hyper~mie 2a° ,, kaum merkliche Hyper~mie Hyperi~mie und (}dem.
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D . E . Aipom und L. M. Tutkewitseh:
Beide Ohren wurden 3 Stunden nach der Provokation des entziindlichen Prozesses abgesehnitten, fixiert und einer histologisehen Untersuehung unterworfen. W/~hrend im Kontrollohre (s. Mikrophotographie 1) eine starlce Entziindung sieh entwiekelt hatte, wies das Ohr des fiebernden
A b b . 1.
Kaninehens fast gar keine en~ztindliche Reaktion auf (s. Mikrophotographie 2). Bei anderen Tieren fing die auf der HShe des fieberhaften Prozesses gehemmte entz/indliche Reaktion nach Abklingen der Temperaturerh6hung an sieh mit einiger Versp~tung zu entfalten, ohne jedoch eine so typische Entz~ndung darzustellen, wie sie bei normaIen Kontrolltieren zu beobachten war. Versuche, in denen als Reiz heiges Wasser angewandt ~mrde, lielerten Ergebnisse gleieh dem gesehilde~ten. Eine Hemmung der entztindliehen Reaktion war auch nach der Injektion voil Tetrahydro@naphthylamin trod Einwirkung des sch~digenden Agens auf die Bauchhaut vgn Ratten bemerkbar.
Weitere Untersuchungen zum Entziindungsbegriff.
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Zweite Versuchsreihe. In dieser Versuchsreihe wurde zuvor eine Durchschneidtmg des Halssympathieus einerseits ausgeftihrt, nach der Operation wurde bei dem Tier (1--8 Tage sparer) in der gleiehen Weise Fieber provoziert und,
A b b . 2.
w~thrend letzteres seine HOhe erreicht hatte, eine Entziindung der Operationsseite und der Kontrollseite bewirkt. In dieser Versuchsreihe diente folglieh das in norm~ler Weise innervierte Ohr des n~mlichen Tieres als Kontrolle. Die Entziindungsre~ktion wurde w~hrend der ganzen D~uer des fieberhaften Prozesses und am Tage nach der Provokation der entziindlichen Resktion verfolgt. Auf Grund dieser Untersuchungen 1 l~fJt sich sagen, dab in der Entwicklung des entzfindlichen In Anbetracht des Ausbleibens eiaes merklichcn Effekts der besagten Operation (ira Sinne einer Beeinflussung der Entwicklung der Entztindung) werden die Versuchsprotokolle weggelassen.
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D.E. Alpern und L. M. Tutkewitseh:
Prozesses an den beiden Ohren kein scharf ausgepr/~gter Unterschied bemerkbar war; nur in einigen F/~llen lieg sich eine stgrkere Entzfindung der desinnervierten Seite naehweisen. Sogar diese Versuche gestatten jedoch nieht, zu einem bestimmten Sehlusse fiber die Bedeutung der Resektion des Sympathicus mid die Entwicklung der entziindliehen Reaktion zu gelangen. Diese Versuehe weisen aber gleichzeitig darauf hin, dab eine Ver/~ndermlg des Gef~6tonus an der Peripherie, wie sie in mehr oder minder starkem Grade naeh Durchtrennung des Halssympathieus beobaehtet wird, an und fiir sich noch keinen Unterschied in der Entwicklung der Entziindung im betreffenden Bezirk, im Vergleich zu den Kontrollen, hervorbringt. Diese Annahme wird besonders durch jene Versuehe best~tigt, in denen die Durehschneidung des Halssympathieus sehon nacla der Einwirkung des seh~dliehen Agens auf das Gewebe erfolgte. Als Beleg hierzu sei ein derartiger Versueh angefiihrt. Koninchen 9.
10 Uhr morg. Temp. 38,4° Injektion yon 0,1 Tetrahydro-,~-naphthylamin ll . . . . 38,8° 12 . . . . 38,90 Injektion yon 0,07 Tetrahydro-~-naphthytamin 14 . . . . 39,80 15 . . . . 40,1° je 4 Tropfen Croton01werden in j edes Ohr eingerieben. 1530 ,, ,, Linksseitige Durchschneidung des Halssympathicus 17 . . . . 39,00 Injektion von 0,05 Tetrahydro-p-naphthylamin 1830 . . . . 39,00 Das liltke Ohr ist etwas ger6tet und fiihlt sieh wgrmer an. In den beiden Ohren hat sich in gleicher Weise keine Entziindung entwickelt. In diesem Versuch liegt also eine Best~tigung des Umstandes, dab ein Unterschied in der Entwicklung der entzfindlichen Reaktion nach Verlauf einiger Stunden naeh Einwirkung des sehgdliehen Agens nieht dureh eine Versehiedenheit in der Gefggreaktion des Gewebes allein bewirkt wird. Dritte Versuchsreihe.
In dieser Serie yon Versuchen strebten wir danach eine vollkommene Desympathisation dadurch zu bewirken, dab nicht nur der Halssympathicus durchschnitten, sondern auch eine Operation naeh Leriche an der Ohrenarterie vorgenommen und letztere mit Alkohol bepinselt wurde. 7--8 Tage naeh der Operation wurde die Entziindung hervorgerufen. Nachstehend sollen zwei Protokolle aus dieser Versuehsserie angefiihrt werden : Kaninchen 14.
Operation der Durchtrennung des Halssympathieus links und Operation naeh Leriche an der Arterie des linken Ohres. 8 Tage darauf, zu Beginn des Versuches, wurde an der operierten Seite eine scharf ausgepri~gte Hyper~mie beobachtet.
Weitere Untersuehungen zum Entziindungsbegriff. l0 U h r morg. Temp. 37,3 ° 104° . . . . 37,30 11 a° . . . . 38,30 121° 13 14 19
. . . . . . ,,
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. . .
487
Injektiort vor~ 0,12 Tetrahydro-~-naphthylamin
In beide Ohren wurdea je 4 Tropfen CrotonS1 eingerieben 38,8 ° Keine entziindliche Reaktion t r i t t ein 38,6 ° Injektion yon 0,08 Tetrahydro-fl-naphthylamin 39,0 ° Eine Entzfindung ist ausgeblieben.
Am folgenden Tage - - also 24 Stunden sp/~ter - - h a t t e sieh eine Eutziindung der beiden Ohren eingestellt; an der operierten Seite war die entziindliche Reaktion aber sch~rfer ausgepri~gt: Diffuses I)dem, das Ohr hing herab, ffihlte sich bedeutend w/~rmer an als das rechte. I n d i e s e r n V e r s u c h w a r e i n U n t e r s c h i e d i n d e r I n t e n s i t ~ t d e r En~zfindung am anderen Tage nach Einwirkung des schgdlichen Agens zu konstatieren. I m f o l g e n d e n E x p e r i m e n t g e l a n g es u n s die E n t w i c k h m g d e r I n i t i a l momente der Entziindung zu verfolgen. Kaninehen 15. Durchschneidung des Halssymp~thicus links u n d Leriche a n der Arterie des linken Ohres. Versuch 8 Tage nach der Operation. 10 U h r morg. Temp. 38,90 Injektion yon 0,1 Tetrahydro-fl-naphthylamin 10 a° . . . . 39,7 o l l a° . . . . 40,1 ° Je 4 Tropfen Croton61 in beide Ohren eingerieben 1230 . . . . 40,3 o Entziindliche Reak~ion noch nicht merkbar (blasse Ohren) 13 a° . . . . 39,6 ° Injektion yon 0,05 Tefrahydro-{/-naphthylamin 14 ao . . . . 39,9 o Die Gef~fie des linken Ohres t r e t e n starker hervor als die des reehten 16~° . . . . 39,5 ° Das linke Ohr fiihlt sich heiBer an ats das reehte 17 a° . . . . 39,50 Die Ilyper~mie ist links schi~rfer ausgepr~gt als rechts 24 S t u n d e n s p ~ t e r ,, 38,90 I m liaken Ohr deutliche entziindliehe l~;eaktion, diffuses 0dem. I m rechten Ohr ist bei vorhandener Hyper~mie eine kaum w a h r n e h m b a r e entztindliche Reaktion nachweisbar. Beide Ohren wurden znr histologischen Untersuchung entfernt. D i e E n t z f i n d u n g i s t a n d e r o p e r i e r t e n Seige (s. M i k r o p h o t o g r a m m 3) v i e l s t / i r k e r , als i m K o n t r o l l o h r (s. M i k r o p h o t o g r a m m 4), o b w o h l e i n e Gefiigreakgion an beiden Ohren nachweisbar war. Der Unterschied in d e r e n g z i i n d l i e h e n t ~ e a k g i o n d a r f h i e r also e b e n f a l l s n i c h t n u r a u f e i n e Verschiedenheit der GefgBreaktion zuriickgeffihit wcrden.
Schlugfolgerungen. A n a l y s i e r t m a n d a s m i t g e t e i l t e M a t e r i a l u n d b r i n g t m a n es m i t j e n e n Ergebnissen in Beziehung, welehe wit in unserer frfiheren Arbeit erzielt h a t t e n , so m u 8 m a n v o r a l l e m z u d e m S e h l u s s e g e l a n g e n , d a b es g e l i n g t , z. f. d. g. exp. Ned. LXVII.
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D.E. Alpern und L. M. Tutkewltsch:
dureh Reizung des sympathisehen Nervensystems mittels sympathikotroper Substanzen, eine Entwickhmg einer entztindlichen Reaktion, wenigstens in der n~ehsten muf die Einwirkung des sch~digendes Agens folgenden Periode, zu verhiiten. Entwiekelt siel~ sodann eine entziindliehe geaktion, so ist sie bei weitem nicht so hoehgradig, wie w i r e s
Abb. 3.
meist zu sehen gewohn~ sind. Die Durehtrennung des das entsprechende Gebiet innervierenden Sympathieus findert allein nieht den Gang der Entziindungsentwicklung auf der H6he des Fiebers und naeh derselben im Vergleieh zum Kontrollbezirk, obwobl (lie Hyper/~mie sieh an der Operationsseite stgrker en~wickel~: nur wenn Denudation der Arterie angesehlossen wird, sehen wir, dab das Gewebe der Operationsseite besonders stark wiihrend des iieberhaften Prozesses auf die Einwirkung des sehiLdigenden Agens reagiert, obwohl der eigentliehe ProzeB erst spat anf/~ngt sieh zu entwiekeln und besonders stark 24 Stmlden naeh Einwirkung des sehgdliehen Agens entwickelt ist; es ist nieht anggngig
Weitere Untersuchungen zum Entzfndungsbegriff.
439
unzunehmen, dal~ nur der Grad der Gef~Breaktion des Gewebes an der Entwicklung des Prozesses beteiligt ist. Davon iiberzeugen uns noch mehr die Versuehe mit Durehtrennung des Symp~thicus nuch der Einwirkung des sch~dlichen Agens auf das Gewebe. Wit nehmen an, dal~ es die gesteigerte Funktion des sympathischen Nervensystems der Organe ist,
A b b . 4.
die der Entwieklung des entzii1~dliehen Prozesses hhlderlieh ist. Dies bestgtigen verschiedenal'tige Nachpriifungen, welche zu der Annahme zwingen, dal~ das durch Te~rahydro-/3-naphthy]amin angeregte nutritive Nervensystem der entziindlichen Reaktion nicht gestattet aufzutreten. Deshalb ist es klar, dag ein Versuch der Entwicklung einer Entziindung dutch Desinnervation des Gewebes nach Schimura, dem Sinne der dabei auftretenden Erscheinungen nach, den erwarteten Effekt nicht ergeben kann. Der in unserer voraufgegangenen Arbeit aufgestellte Satz lautete folgendermal~en: das seh~dliche Agens ruf~ unmittelbar oder auf dem 29~
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A1pern u. Tutkewitsch" Weitere Untersuchungen zum Entziindungsbegriff.
Wege der reflektorisehen Leitung der Reizung durch Vermittlung des sensiblen Nervensystems eine Hemmung oder Dysfunktion des sympathischen Nervensystems im betreffenden Bezirke hervor; letzteres bedingg eine VerS,nderung des elektrolytischen Gleichgewichtes an der Oberflgche der Zellmembran und dadurch wird die Gewebspermeabilit/~t gegnde~ (darin besteht die erste Etappe des Wirkungsmechanismus des Sympathieus). Wird jedoch der entgegengesetzte Effekt der tleizung des sympathischen Nervensystems hervorgerufen, so muB die daraufhin auftretende entzfindliche Reaktion gelaemmt werden. Vorliegende Arbeit bringt die Bestgtigung dieser letzten Behauptung und bezeugt ein i~briges M a l die Bedeutung der Funktion des sympathisehen Nervensystems zu Beginn der Entwicklung der sog. entzilndlichen Reaktion, wobei dadurch die Abhi~ngigkeit der Gewebsi~nderungen yon der Funktion des sympathisehen Nervensystems sowohl des Gesamtorganismus a]s des betreffenden, der sehSodlichen Einwirkung ausgesetzten Bezirkes, her¥orgehoben wird. Die al gemeinen Schliisse sind die folgenden: 1. Auf der H6he des Fiebers (welches durch die Beeinflussung des Organismus eines Kaninchens dutch Tetrahydro-~-naphthylamin) hervorgerufen ist, gelingt es nicht nach Auftragung des schi~dliehen Agens auf das Gewebe eine Entziindung der Ohrgewebe zu bewirken. Die Entziindung beginnt sich erst zu entwickeln, naehdem die Temperatur gesunken ist und die Entziindung selbst bedeutemt weniger intensiv ist. 2. DieDurchtrennung des Halssympathicus allein ~tndert den Charakter der entzfindlichen Reaktion an der operierten Seite nicht in merklichem Grade im Vergleich zu dem Kontrollorgan des fiebernden Kaninchens. 3.Wirdeine Denudation der Ohrarterie an diese Operation geschlossen, so entwiekelt sich die Entziindung an der Operationsseite trotz des Vorhandenseins einer Hypergmie beiderseits nach Entfieberung doch deutlicher und ist schgrfer ausgepr~igt als auf der Kontrollseite. 4. Dem Sinne der Prozesse nach, welche in den ersten Augenblicken der Entwicklung einer Entzfindung stattfinden, und der Anteilnahme des sympathischen Nervensystems an dem Zustandekommen der entzfindlichen Operation naeh, ist die Entstehung der eigentlichen Reaktion als ein Resultat der in erster Linie vorhandenen Hemmung oder Perversion in der Funktion dieses Systems des betreffenden Bezirkes zu werten, der der Einwirkung des sch/~dlichen Agens ausgesetzt wird.
Literaturverzeichnis. .~lpern uud T~tfcewit~eh: Z. exper. Med. Mitt. V. 56, H. 1/2. - - Fischer, B.: Der Entz/indungsbegriff. 1924. - - Lubarsch~ 0.: Verh. dtsch. Path.-Ges. 1923. - Ricker: Krankheitsforschung. Bd. l, 1925. - - Schade: Z. exper. Med. 7, 235 und Verh. dtsch, path. Gcs. 1923. - - S~himu~a: Virchows Arch. 251 (1924).