32 NuR (2009) 31: 32–40
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
5. Erfahrungsbericht 2011 130 Der nächste Erfahrungsbericht ist von der Bundesregierung bis zum 31. 12. 2011 dem Bundestag vorzulegen. Die hohen Degressionssätze der solaren Strahlungsenergie werden dazu führen, dass in absehbarer Zeit die Bioenergie der so-
laren Strahlungsenergie als „teuerste“ erneuerbare Energie den Rang ablaufen wird. Für die Biomasseanlagen wird es dann schwierig sein, wesentliche Vergütungserhöhungen durchzusetzen. 130) § 65 EEG 09.
DOI 10.1007/s10357-008-1599-5
Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht – Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Tierschutzgesetzes und der Fischereigesetzgebung1 Konstantin Klingenberg
© Springer-Verlag 2008
Mit Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes(BNatSchG)2 ist „Bildung“ als Ausnahmetatbestand in § 43 Abs. 8 Nr. 3 aufgenommen worden. Schulen wird dadurch die unmittelbare Arbeit mit heimischen geschützten Tieren erleichtert.3 Neben dem BNatSchG, dem primär zu berücksichtigenden Schutzstatus gemäß Bundesartenschutzverordnung4 (BArtSchV), sind dabei auch das Tierschutzgesetz (TierSchG) sowie die Fischereigesetzgebung von Bedeutung.5 Nach der Einführung (I) werden ausgehend von einem kurzen Rückblick auf das Thema „Wildlebende Tiere in der Schule“ (II) zunächst diejenigen Natur- und Artenschutzaspekte erörtert, die sich aus der Novelle insbesondere in Bezug auf Entnahme und Schulein satz geschützter wildlebender Tiere ergeben (III). Nachfolgend wird der grundsätzliche Handlungsrahmen gemäß TierSchG im Schulkontext beleuchtet (IV). Schließlich werden die landesspezifischen Belange der Fischereigesetzgebung im bundesweiten Vergleich erarbeitet, da sie bei Gewässerexkursionen6 relevant werden können und auch aus naturschutzfachlicher Sicht bedeutsam sind (V). I. Einführung Über die Möglichkeiten des Einsatzes wildlebender geschützter Tiere im Schulunterricht bestehen vielfach Unsicherheiten;7 hierfür kommen mehrere Ursachen in Betracht: Neben lediglich vager Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Regelungen in Schule bzw. Schulaufsicht tragen auch Fehlinformationen sowie Fehleinschätzungen der Bedeutung von Vorschriften wesentlich dazu bei. Daher werden in der Schulpraxis nationale Vorschriften (BNatSchG, BArtSchV), Erlasse der Schulbehörden8 hierzu sowie das TierSchG inzwischen als ein Vorschriftengeflecht angesehen, das den schulischen Einsatz heimischer Tiere insgesamt eher verhindert, als ihn in angemessenem Rahmen zu unterstützen. Gleichwohl besteht grundsätzlich Konsens darüber, dass geschützte, häufig vorkommende Tierarten durchaus im Unterricht eingesetzt werden können.9 Die gesetzlichen Regelungen zum Artenschutz waren in der Vergangenheit umfassenden Entwicklungsprozessen unterworfen. So sah das RNatSchG10, das bis 1976 als Landesrecht weitergalt, in § 12 Abs. 1 nur das Verbot vor, Vögel der geschützten „einheimischen nicht jagdbaren wildlebenden Vogelarten nachzustellen oder sie mutwillig zu beunruhiDipl.-Biol. Konstantin Klingenberg, Umwelt-Ing. Gewässerschutz (Zertifikat). Der Verfasser ist als wiss. Mitarbeiter der Abt. Biologie und Biologiedidaktik, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, an der TU Braunschweig tätig. Braunschweig, Deutschland.
gen, insbesondere sie zu fangen und zu töten“, sowie „Eier, Nester oder andere Brutstätten geschützter Vögel zu beschädigen oder wegzunehmen“. Ausgenommen vom Vogelschutz waren gemäß § 15 Abs. 1 RNatschG Krähenvögel und Sperlinge. Einen Schutz für andere Arten als Vögel kannte das RNatSchG nicht. Das BNatSchG von 1976 regelte den Artenschutz durch rahmenrechtliche Vorschriften. Initiativen der Länder, den Artenschutz zu regeln,11 war infolge fraglicher Regelungsinhalte wenig Erfolg beschieden.12 Seit 1) Für die kritische Durchsicht dieses Beitrags und die sehr hilfreichen Kommentare dankt der Autor Herrn FischR Lutz Meyer vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Dez. Binnenfischerei (Hannover) und Herrn Prof. Dr. Hans Walter Louis. 2) Erstes Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. 12. 2007, BGBl. I S. 2873. 3) Entwurfsbegründung, BT-Drs. 16/5100, S. 10. Allerdings wird der „Rahmen von schulischer Erziehung“ kaum spezifiziert. „Bildung“ kann nach h. M. umfassender zu verstehen sein, z. B. auch auf Vorschulen bezogen. 4) Bundesartenschutzverordnung v. 16. 2. 2005 BGBl. I S. 258, 896, geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. 12. 2007 BGBl. I S. 2873. 5) Weitere Rechtsgebiete, insbes. das BJagdG und die Landesjagdgesetze, können hingegen vernachlässigt werden; dort genannte Tiere sind für unmittelbare und eigenständige schulische Arbeit faktisch nicht relevant (s. Kap. III 2). 6) Gewässerexkursionen nehmen aus rechtlicher Sicht durch die Fischereigesetzgebung eine Sonderstellung ein, für Aktivitäten in terrestrischen Lebensräumen gibt es keine vergleichbar bedeutsame Vorschriften (siehe Waldgesetze). 7) Siehe Kap. II, insbes. Nr. 2; detailliert: Klingenberg, Lebende Tiere im Unterricht – Rechtliche Aspekte, Schutzbestimmungen und Anregungen zur schulischen Arbeit mit heimischen Arten. In ders./Schrenk (Hrsg.) 2009: Aquarien- und Terrarientiere in der Schule, Aulis, Deubner (in Vorbereitung, als Manuskript beim Autor erhältlich). 8) Etwa. Erl. d. Nds. MK. v. 25. 4. 1986, SVBl. S. 108 zu Einhaltung der Naturschutzbestimmungen […], (wieder aufgehoben). Wie in weiteren Erlassen werden lediglich Schutzfragen, nicht aber mögliche Ausnahmen thematisiert. 9) Einschlägige Fachzeitschriften thematisieren ebenso wie Schulbücher Unterrichtsanregungen zur Beobachtung von Kaulquappen (Erdkröten, Grasfrosch), Großlibellenlarven (Blaugrüne Mosaikjungfer), Weinbergschnecken usw. 10) Das RNatSchG v. 26. 6. 1935 (RGBl. I. S. 821) war bis zum Inkrafttreten des BNatSchG Naturschutzgrundlage. 11) Vorl. HEArtSchV v. 16. 5. 1984, GVBl. I S. 166, aufgehoben: GVBl. 2006 I S. 619; GVBl. II 881-47 § 61. 12) Vgl. Kap. II, 2 a.
123
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
1987 regelt der Bund den Artenschutz durch unmittelbar geltende Vorschriften der §§ 20e bis 23 BNatSchG13. Die jüngste Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wurde inzwischen mehrfach besprochen.14 Eine für Bildungseinrichtungen – lt. Begründung15 ist namentlich von allgemeinbildenden Schulen auszugehen – wichtige Änderung ist bislang jedoch nicht thematisiert worden: Durch die Neufassung des § 43 Abs. 8 Nr. 3 BNatSchG wurde „Bildung“ in die Ausnahmetatbestände der Zugriffs- und Besitzverbote geschützter Tier- und Pflanzenarten des § 42 eingefügt. Während § 43 Abs. 8 Nr. 3 a. F. neben „Wiederansiedlung“ lediglich „Forschung und Lehre“16 als Ausnahmegründe nannte, stellt diese Änderung eine wesentliche Erleichterung für Schulen dar, Ausnahmegenehmigungen zu erlangen. Aus kritischer Sicht könnte hinterfragt werden, warum die Liste der Ausnahmetatbestände verlängert worden ist, da BNatSchG und BArtSchV schließlich den Schutz von Natur, Landschaft und Arten regeln sollen – erscheint eine Ausweitung nicht kontraproduktiv? Ohne zukünftigen Entwicklungen vorgreifen zu wollen, ist in Folge dieser Änderung in Schulen ein positiver Trend für die Belange des Arten- und Naturschutzes zu erwarten, da bei sachkundiger Umsetzung Lehrkräfte aus der bisher unklaren bzw. unverständlichen Rechtssituation17 heraus geführt werden und geschützte häufige Arten in Bildungsaktivitäten integriert werden können. II. Wildlebende Tiere der schützten Arten in der Schule: ein zunehmend komplexer werdendes (Rechts-)Gebiet Die Forderung, Tiere im Unterricht einzusetzen, reicht weit zurück: Obwohl auch ältere Quellen existieren, wird Comenius18 zumeist als Mentor genannt, wenn Realien zur Anschauung in den Unterricht einbezogen werden sollen. Diese Forderungen wurden und werden i. d. R. allgemein begrüßt.19 Dem widerspricht Cirsovius,20 wobei er „nichtwissenschaftliche Lehre“ in Schulen jedoch nur marginal und auch nicht rückblickend behandelt. Ein knapper, zeitlich begrenzter Rückblick soll die Verbindung von Rechtsvorschriften, gesellschaftlichem Wandel sowie deren Einfluss auf die Schulpraxis verdeutlichen. 1. Rückblick auf die jüngste Historie von Natur-, Arten- und Tierschutzfragen aus Schulsicht a) Von der frühen Nachkriegsphase bis in die 1960er und 1970er Jahre Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab die schulische Arbeit mit wildlebenden geschützten Tieren kaum Anlass zur Diskussion, weder in Bezug auf artenund naturschutzrechtliche Fragen, noch in Bezug auf Tierschutz,21 ganz im Gegensatz zur aktuellen Tierschutzdebatte. z. B. Schröter,22 Frost23. Lehrkräfte oder Schüler brachten in dieser Zeit Tiere zumeist sorglos mit in den Unterricht. Spezielle Rechtsaspekte wurden – abgesehen von üblichen Hygienevorschriften – kaum explizit thematisiert oder beachtet. Dies ist auch daran ablesbar, dass dieses Thema in der Fachdidaktik Biologie im damaligen Zeitraum faktisch nicht diskutiert wurde.24 Natur- und Artenschutz25 waren aber entgegen verbreiteter Vorstellung durchaus existent, denn mit dem Reichsnaturschutzgesetz (RNatSchG) war ein direkter Vorläufer des heutigen BNatSchG vorhanden. Der Gesetzentwurf aus der Zeit der Weimarer Republik ist von den Nationalsozialisten nahezu 1:1 umgesetzt worden und wurde in den 50er Jahren mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Urteile. Nachdem das BVerwG befunden hatte, dass das Gesetz bis auf wenige Ausnahmen nicht zwingend nationalsozialistisches Gedankengut wiedergibt,26 hatte es nach Entscheid des BVerfG v. 14. 10. 1958 weiterhin Bestand und galt als Landesrecht fort.27 Doch
NuR (2009) 31: 32–40 33
weder die breite Öffentlichkeit noch die bis dato eher rudimentär entwickelte Fachdidaktik schenkte diesem Regelwerk offenbar besondere Aufmerksamkeit,28 obwohl – aus heutiger Sicht recht pauschal – § 1 a) RNatSchG „Pflanzen und nichtjagdbare Tiere“ unter Naturschutz stellte, Verbote aber nur für Vögel aussprach.29 Das Desinteresse an einem weitergehenden Naturschutz erscheint aus mehreren Gründen verständlich: Angesichts dringlicher Probleme in den frühen Auf baujahren, der prosperierenden Stimmung der 60er und der sich dann abzeichnenden Krisen gegen Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre spielte dieses Rechtsgebiet im Alltag eine untergeordnete Rolle. Weiterhin mögen auch personelle 13) Gesetz über Naturschutz und Landespflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) in der Fassung vom 12. 3. 1987, BGBl. I S. 889. 14) Vgl. Gellermann, Die „Kleine Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz“, NuR 2007, 783 ff.; Louis, Die kleine Novelle zur Anpassung des BNatSchG an das europäische Recht, NuR 2008, 65 ff.; Möckel, Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes zum europäischen Gebiets- und Artenschutz – Darstellung und Bewertung, ZUR 2008, 57 ff. 15) Vgl. Fn. 3. 16) Zum Begriff „Lehre“ schon Louis, Kommentar zum BNatSchG, § 20g, Rdnr. 62, Braunschweig 1994, wonach unter Lehre nur die Lehre an Universitäten, Fachhochschulen und Unterricht in der Sek. II zu verstehen ist, jedoch nicht der Unterricht an allgemein bildenden Schulen im Primar- bzw. Sekundarbereich I; ebenso Schmidt-Räntsch in Gassner/Bendomir-Kohla/SchmidtRäntsch, Kommentar zum BNatSchG, München 2003, § 43, Rdnr. 33; großzügiger zunächst Lorz/Müller/Stöckel, Kommentar zum BNatSchG, § 43, Rdnr. 26, die auch Schule allgemein unter Lehre einstufen, dann aber auf Filme und Bilder verweisen; uneingeschränkt ordnen nur Schumacher/Fischer-Hüftle, Kommentar zum BNatSchG, § 43, Rdnr. 32, Stuttgart 2003, die allgemeinbildenden Schulen der Lehre zu. 17) Vgl. Fn. 7–9, 11, 16 u. Kap. III 1 c: Es wird kaum – in Schule und Verwaltung – bekannt gewesen sein, dass „Lehre“ nur Studium und S II umfasst. So wurden z. B. auch für Grundschulen Genehmigungen nach § 43 a. F. erteilt, obwohl dieses streng genommen rechtlich nicht korrekt war (vgl. Fn. 16). Neben der S II wären für alle übrigen Schulformen nur Befreiungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 a. F. gemäß „überwiegender Gründe des Gemeinwohls“ zulässig gewesen. 18) Z. B. UNESCO (Int. Bureau of Education), http://www.ibe. unesco.org/publications/ThinkersPdf/comeniuse.PDF, Jean Piaget über Johann Amos Comenius. Sein Werk wird als erste systematische Didaktik der Neuzeit angesehen. 19) Vgl. Fn. 9. 20) Cirsovius, Die Verwendung von Tieren zu Lehrzwecken, Nomos, Baden-Baden, 2001. 21) Rupprecht, Das Tierschutzgesetz, Unterricht Biologie (30) 1979, 25 ff. Er weist u. a. nach, dass z. B. im Handbuch des Biologieunterrichts (Hrsg: Falkenhan, 1971–1978) das Stichwort „Tierschutz“ nicht vorkommt. 22) Schröter, Tierschutzrecht in der Diskussion, NuR 2007, 468 ff. 23) Frost, Besprechung des Kommentars zum Tierschutzgesetzes von Hirt/Maisack/Moritz, NJW 7/2008, 426. Er gibt neben Weiterentwicklung des Tierschutzrechts insbesondere das gestiegene öffentliche Interesse an Tierschutzfragen als Begründung für die binnen vier Jahren um 50 % (!) angewachsene Kommentierung an. 24) Fn. 19, 20; diese Tatsache verfestigt sich bei Durchsicht zeitgenössischer Lehrbücher der Fachdidaktik Biologie: weder Naturund Artenschutz noch Tierschutz werden (adäquat) thematisiert, auch aktuell bestehen hier Defizite. 25) Sowie Tierschutz, vgl. Kap. IV. 26) BVerwG, Urt. v. 12. 7. 1956, BVerwGE 4, 57 ff. 27) BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 1958, BVerfGE 8, 186 ff.; Vgl.. dazu auch Lorz, Naturschutz-, Tierschutz- und Jagdrecht, 2. Aufl. 1967, Vorbem. 2. B. 28) Inwiefern die zuvor dafür verantwortlich zeichnenden Fachdisziplinen der Biologie die Natur- und Artenschutzvorschriften wahrgenommen haben, erscheint sehr fraglich; bzgl. Tierschutzrecht s. Cirsovius (Fn. 20). 29) Vgl. oben unter I.
123
34 NuR (2009) 31: 32–40
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
und fachliche Kontinuitäten aus NS-Zeiten30 dazu geführt haben, dieses Gebiet schulisch nicht zu thematisieren. Die Zahl privat bzw. institutionell im Naturschutz engagierter Personen war vergleichsweise klein, ihre Ziele und Intentionen, als statischer, konservierender Naturschutz, stießen in der Bevölkerung auf geringe Resonanz bzw. im ländlichen Raum oft auf heftigen Widerstand. Spätestens seit dem Umdenken zugunsten dynamischer Entwicklungsprozesse in Ökosystemen waren sie zudem fachlich überholt. In der Tierhaltung überwogen bäuerliche deutlich gegenüber industriellen Strukturen, deren negative Auswüchse die aktuelle Debatte um unser Verhältnis zu den Tieren stark beeinflussen. Die Forschung allgemein, insbesondere aber die pharmakologische, wurde gesellschaftlich noch weitgehend unkritisch gesehen, dazugehörige Tierversuche als notwendig und sinnvoll erachtet.31 b) Der Paradigmenwechsel durch Umweltbelastung, Artenschwund und Tierethikdebatte Parallel begann allerdings durch lokalen und globalen32 Artenschwund, Umweltverschmutzung usw. ein Sensibilisierungsprozess der Öffentlichkeit für Umweltfragen.33 Diese Entwicklung wird mit dem Werk „Der stumme Frühling“ von Rachel Carson34 zum unreflektierten Chemikaliengebrauch und Beiträgen des Club of Rome zu Problemen unkontrollierten Wachstums in Verbindung gesetzt. Die zersplittert tätigen Naturschutzverbände bündelten und politisierten ihre Aktivitäten.35 Einen wichtigen Popularitätsschub erhielt der Natur- und Artenschutz auch in Folge der Gründung des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) im Jahr 1975 durch prominente Umweltschützer, wie z. B. H. Stern, B. Grzimek und andere. 1976 machte der Bund von seiner naturschutzrechtlichen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch,36 so dass gemeinsam mit dem seit 1972 gültigen TierSchG dem gesellschaftlich gesteigerten Schutzbewusstsein im Hinblick auf die Verantwortung der Natur und den Tieren gegenüber Rechnung getragen wurde. Die via Medien verbreiteten Bilder von Tierversuchen schärften das öffentliche Bewusstsein zusätzlich. So ist es einerseits Ursache und andererseits zugleich Wirkung, dass Wahrnehmung und Praxis der schulischen Arbeit mit Tieren sich seitdem stark geändert haben. Dieser Wandlungsprozess ist grundsätzlich nicht abgeschlossen, vielmehr werden Rechtsgrundlagen, gesellschaftliche Strömungen37 und Wechselwirkungen – aktuell z. B. die stark emotionalisierte Tierschutz- bzw. Tierethikdebatte38 – Einfluss auf Umfang und Praxis des Tiereinsatzes in den Schulen haben. 2. Die Vereinfachungserfordernisse von Ausnahmetatbeständen für Bildungseinrichtungen: Unklare Vorschriften, Fehlinterpretation und -information Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollten für Schulen gültige Vorschriften und ihre Auslegung klar erkennbar bzw. verständlich dargestellt sein. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigen nachfolgende Beispiele. a) Fragliche Ausnahmeregelungen des Artenschutzes auf Länderebene Solange der Artenschutz durch rahmenrechtliche Vorgaben geregelt war,39 haben Hessen40 und andere Bundesländer abweichende Regelungen in Form von Ergänzungsgesetzen und Verordnungen geschaffen. Diese sahen z. B. im Falle der HEArtSchV41 vor, unter bestimmten Voraussetzungen eine zeitlich befristete Naturentnahme von geschützten Tierarten wie z. B. Amphibien zu gestatten. Solche Regelungen waren nach dem Inkrafttreten des § 43 Abs. 8 S. 4 BNatSchG a. F. im Jahre 1987 unzulässig, soweit es sich um Tiere der streng geschützten Arten gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG handelte. § 43 Abs. 8 S. 4 a. F. BNatSchG
beschränkte die Ausnahmemöglichkeiten der Länder auf die Arten, die gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG besonders geschützt sind. Auch in der Neufassung des § 43 BNatSchG sind diese Regelungsmöglichkeiten für die Länder wiederum eröffnet und sogar auf streng geschützte Arten ausgedehnt. Sinnstiftend sind solche Regelungen aus Schulperspektive kaum, denn ein solches Vorgehen führt zu einem Nebeneinander verschiedenster Vorschriften, an welchen in der Schullandschaft bekanntlich kein Mangel herrscht. b) Die Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht (RiSU): Fehlinterpretation von Rechtszusammenhängen mit Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK) Der Bundesverband der Unfallkassen e. V. (GUV) zeichnet auf Empfehlung der KMK (Beschl. v. 9. 9. 1994) verantwortlich für die RiSU.42 Diese sind keine Rechtsinstrumente wie z. B. Erlasse, für die Unterrichtspraxis besitzen sie aber eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, da es kein weiteres Regelwerk bzw. Kompendium dieser Art gibt; wie GUV bzw. KMK implizieren, gelten die Regelungen bundesweit. Im Kapitel „Umgang mit Tieren“ unter 2.2.3.4 „Tierarten in der Schule“ wird in der RiSU ausgeführt, dass keine lebenden, giftigen Tiere mitzubringen sind, was fraglos sinnvoll ist. Unsinnig ist hingegen die Fußnote zum Begriff „giftig“. Dazu wird ausgeführt: „Dies betrifft vor allem Schlangen und andere Reptilien sowie Amphibien. Ähnliches trifft für die außereuropäischen Arten zu, die in das Washingtoner Artenschutzabkommen einbezogen sind. Vgl. Verordnung zum Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten, (Bundesartenschutzverordnung – BArtSchV)“. Es wird dort nicht ansatzweise spezifiziert, welche Tiere „giftige Tiere“ i. S. d. RiSU wären. Spezifikationen in der Anlage („Tabellen zur Biologie“) enthalten lediglich Angaben zu giftigen Pflanzen, die bereits diskussionswürdig sind. Spätestens aber die kausalen Bezüge verwirren völlig: Das Washingtoner Artenschutzabkommen (WA) und die BArtSchV dienen dem Schutz der Tiere (und Pflanzen) vor dem Menschen und nicht umgekehrt! Darüber hinaus treffen diese Regelwerke zur Giftigkeit von Organismen wenig brauchbare Aussagen. In der aktuell gültigen RiSU43 wurde zwar in Kapitel I – 9 „Regelung für die Tätigkeit mit Lebewesen“ immerhin klargestellt: „Der Umgang mit Tieren in der Schule ist grundsätzlich erlaubt“. Dennoch ist 30) Trittin, Rede anlässlich des Kongress „Naturschutz und Nationalsozialismus“, Umweltforum Berlin, 4. 7. 2002. 31) Instruktiv: Cirsovius (Fn. 19), vgl. etwa die zu dieser Zeit weitgehend fehlende Debatte zu Tierversuchen. 32) Die Verwendung nicht heimischer Tiere im Unterricht wird erst mit Kommerzialisierung des int. Tierhandels relevant. Dieser Aspekt wird nicht besprochen, da er nicht im Zentrum steht und den Umfang des Beitrags übersteigt. 33) Vgl. z. B. http://www.naturschutzgeschichte.de. 34) Original: Rachel Carson, The Silent Spring, Bosten 1962; deutsch: Biederstein, München, 1963; das Werk wurde jedoch erst in den 1970er Jahren von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen; 2007 anlässlich ihres 100. Geburtsjahres bei Beck, München als Neuauflage ersch.; R. Carson zählt lt. Time-Magazin zu den 100 wichtigsten Personen des vergangenen Milleniums (http:// www.time.com/time/time100/scientist/profile/carson.html). 35) Fn. 33. 36) BNatSchG i. d. F. v. 20. 12. 1976, BGBl. I S. 3574. 37) Vgl. Forderungen div. Tierschutzorganisationen, z. B. PETA – People for the Ethical Treatment of Animals usw. 38) Fn. 22, 23. 39) Vgl. oben unter I sowie Gospodar, Amphibienschutz und Schulbiologie, Unterricht Biologie 78, 1983, S. 60 ff. 40) Fn. 12. 41) Fn. 12. 42) GUV 57. 1. 29, Richtlinien zur Sicherheit im naturwissenschaftlichen Unterricht, Januar 1995. 43) GUV SI 8070 v. 28. 3. 2003.
123
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
auf die wenig erhellenden Ausführungen, die bereits oben besprochen wurden, nicht verzichtet worden; sie sind nun in Kap. II – 2 „Fachbezogene Hinweise und Ratschläge – Biologie“ zu finden und tragen dort zur Verwirrung der Lehrkräfte bei. Dieses Beispiel verdeutlicht in Zusammenhang mit dem folgenden Unterkapitel die Rezitierung und Tradierung von Fehlinformationen, da eher abgeschrieben als nachgeprüft wird. c) Fachdidaktik als Fehlerquelle Auch Fachdidaktiker44 haben zur Verunsicherung in Bezug auf Natur-, Arten- und Tierschutzrecht beigetragen, indem inhaltsleere Formulierungen tradiert werden, u. a. „Die Vorschriften müssen eingehalten werden“. Welche Vorschriften gemeint sind, geht aus dieser vollkommen beliebigen Aussage nicht hervor. Die juristischen Fehlbzw. Desinformationen haben die Wahrnehmung stark beeinflusst, da sie plakativ, wenig differenziert und leider einprägsam sind: „Einheimische freilebende Tiere dürfen nur unter strikter Einhaltung der Tierschutzbestimmungen gefangen und gehalten werden z. B. Asseln, Regenwürmer, Schnecken, Insekten, Spinnen“. Dieses Zitat mag stellvertretend für Verirrungen bzgl. Natur- und Artenschutz stehen. Mit Natur-, Arten oder Tierschutz Befasste werden anmerken, dass diese Formulierungen weder logisch noch zutreffend sein können. Welche Vorschriften gemeint sind, bleibt im Dunkeln. Das BNatSchG kommt nicht in Betracht, da es den Artenschutz und nicht den Tierschutz regelt,45 insofern ist bereits der Begriff „Tierschutzbestimmungen“ fehl am Platz. Gemeint ist vermutlich die BArtSchV, da „einheimische freilebende Tiere“ hervorgehoben werden. Allerdings sind weder Asseln noch Regenwürmer Gegenstand der BArtSchV und auch Schnecken und Spinnen werden lediglich mit einzelnen Arten genannt.46 So bleibt denn das TierSchG, welches aber – zumal in diesem Artenkontext – nur grundsätzlich in Betracht gezogen werden kann. Es regelt zwar dem Anspruch nach einen umfassenden, ethisch begründeten Schutz der Tiere in § 1, doch ist in der Schule regelmäßig davon auszugehen, dass dieser erfüllt wird: Tiere werden entsprechend ihren Bedürfnissen artgerecht gehalten und nicht zum Zwecke der Tierquälerei im Unterricht verwendet – zumal dies im öffentlichen Schulraum umgehend angezeigt werden würde. Weiterhin ist zu kritisieren, dass das TierSchG grundsätzlich und für alle Tiere, also nicht nur für „einheimische freilebende“ Arten gilt. III. Natur- und Artenschutzvorschriften in der Schulpraxis 1. Allgemeines a) Die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 BNatSchG (Nachstellen und Fangen) Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es untersagt, „wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören“. In Rahmen einer Exkursion wird niemand Tiere verletzen oder töten, ebensowenig ihre Entwicklungsformen der Natur entnehmen, beschädigen oder zerstören wollen. Hinsichtlich der Entwicklungsformen wie z. B. Kaulquappen ist ein Nachstellen und Fangen nicht verboten, sondern nur die Entnahme aus der Natur, die Beschädigung und die Zerstörung. Das überrascht, denn in die Definition von „Tieren“ nach § 10 Abs. 2 Nr. 11 b) BNatSchG sind Entwicklungsformen integriert. Insofern ist die besondere Erwähnung der Entwicklungsformen wenig sinnvoll, weil sie ohnehin „Tiere“ im Sinne der Vorschrift sind. Weiterhin sind die Regelungen eher verwirrend, denn die „Naturentnahme“ wird durch „Nachstellen und Fangen“ und die „Beschädigung und Zerstörung“ durch „Ver-
NuR (2009) 31: 32–40 35
letzen und Töten“ abgedeckt. Zudem dürfen dem Wortlaut nach Entwicklungsformen von Tieren gefangen werden, was sicherlich dem Sinne der Regelung vollständig entgegenliefe. Die Regelung zu den Entwicklungsformen ist daher nicht abschließend. Vielmehr werden Regelungslücken dadurch aufgefangen, dass Entwicklungsformen auch „Tiere“ sind. Nachzuvollziehen sind solche Regelungen für den Anwender jedenfalls nicht. Im Regelfall werden bei einer schulischen Exkursion die Tatbestandsmerkmale des „Nachstellens“ oder „Fangens“ erfüllt. Soll den Schülern ein Tier gezeigt werden soll, muss es bei kleineren Exemplaren zumeist aufgenommen werden. Fraglich ist schon, ob darin ein „Fangen“ liegt. „Fangen“ setzt zunächst voraus, dass dem Tier die Bewegungsfreiheit entzogen wird. Wird sie ihm aber nach relativ kurzer Zeit wieder zurückgegeben, könnte ein „Fangen“ zu verneinen sein, weil keine Sachherrschaft über das Tier erlangt werden soll.47 Somit erfüllen die meisten Schulexkursionen nicht einmal den Tatbestand des „Fangens“. Ein „Nachstellen“ liegt ohnehin nicht vor, denn dies setzt eine vorbereitende Handlung für das Fangen voraus, wie z. B. Anschleichen oder Auflauern.48 Zudem ist das Nachstellen nicht verboten, wenn eine kurze Inbesitznahme zulässig ist. b) Der Verbotstatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (Störung) Nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG ist es verboten, „wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören“. Das Störungsverbot ist auf bestimmte Zeiten beschränkt, außerhalb dieser Zeiten sind Störungen durch schulische Exkursionen zulässig, wenn sie nicht mutwillig sind. Es kann allerdings sein, dass nicht die zu beobachtenden oder zu untersuchenden Arten gestört werden, sondern andere Tiere der streng geschützten Arten oder europäische Vogelarten. Dann ist die Störung verboten. Eine Störung ist aber nur verboten, wenn sie erheblich ist. Eine Erheblichkeit nimmt der Gesetzgeber an, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Bei einer solchen Situation würde ein verantwortungsvoller Lehrer auch keine Exkursion durchführen. Treten keine Nachteile für die lokale Population ein, liegt kein Verstoß gegen § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG vor.
44) Staeck, Praktisches Arbeiten im Biologieunterricht Teil 4: Halten und Pflegen von Lebewesen, Biologie in der Schule 47, 1998, 195. 45) Auch ein Verweis auf die nationale Besonderheit des allgem. Artenschutzes (§ 41 BNatSchG) macht im Kontext keinen Sinn, da dieser kaum als Basis eines Verbots taugt, Asseln usw. zu fangen und im Unterricht einzusetzen. 46) Bsp. Araneida (Spinnen): Etwa 880 Arten sind in Deutschland bekannt (ca. 1,8 % der heim. Fauna), gemäß BArtSchV (Fn. 4) sind fünf Spinnenarten geschützt (ca. 0,57 %). Es kann folglich nicht von „allen Arten“ gesprochen werden. Eine solche Aussage wäre allenfalls in Bezug auf andere Gruppen zulässig (z. B. Amphibien, Libellen). 47) So für Beringen, A. Schmidt-Räntsch (Fn. 17), § 41, Rdnr. 6; ebenso Schumacher/Fischer-Hüftle (Fn. 17), § 42, Rdnr. 11, die auch das Einfangen eines Tieres in einer Wohnung, um es draußen freizusetzen, nicht als „Fangen“ ansehen; ebenso Lortz/Müller/Stöckel (Fn. 17), § 42, Rdnr. 5, die ein „Fangen“ nur annehmen, wenn „dem Tier nicht alsbald (= auf gewisse Dauer) und am Ort des Zugriffs die Freiheit“ wiedergegeben werden soll; ebenso Louis (Fn. 17), § 20f, Rdnr. 4, der kein „Fangen“ annimmt, wenn z. B. „ein Aufnehmen für kurze Zeit und ein darauffolgendes sofortiges Freilassen“ erfolgt., 48) Einheitliche Auffassung, vgl. statt aller Louis (Fn. 17), § 20f, Rdnr. 3; Schumacher/Fischer-Hüftle (Fn. 17), § 42, Rdnr. 10.
123
36 NuR (2009) 31: 32–40
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
c) Die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 8 Nr. 3 BNatSchG Selbst wenn schulische Exkursionen üblicherweise die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 BNatSchG nicht erfüllen, sind doch Fälle denkbar, in denen es zu verbotenen Handlungen kommt. Es kann auch sein, dass Naturschutzbehörden die Tatbestandsmerkmale enger beschreiben wie die zitierte Wissenschaft,49 so dass dennoch eine Ausnahme eingeholt werden muss.50 Wie bereits anhand spezieller Rechtsvorschriften (z. B. HEArtSchV) sowie schulischer Realität thematisiert, werden sowohl auf juristischer als auch auf schulischer Seite die grundsätzlichen Erfordernisse einer schulischen Verwendung von geschützten Arten nicht in Frage gestellt,51 insofern war die Erweiterung von Ausnahmetatbeständen des § 43 Abs. 8 Nr. 3 BNatSchG folgerichtig. Im Gegensatz zu früher für allgemeinbildende Schulen in Betracht gezogenen Anträgen auf Befreiung,52 deren Genehmigung unter dem Ermessensspielraum der „überwiegenden Gründe des Gemeinwohls“ nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a. F. zu beurteilen war, ist nun davon auszugehen, dass entsprechende Anträge gemäß § 43 problemlos genehmigt werden. Im Übrigen kann dies gemäß Art. 22 Abs. c FFH-RL auch als „erzieherische Maßnahme […] zum Schutz der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten“ angesehen werden. In Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 d) FFH-RL („Unterricht“) ist dieser Ansatz sogar als wichtiges Implementierungselement der Richtlinie zu verstehen. Konkret bieten sich dabei für Schulen Ausnahmen von längerer Dauer unter Nennung von Fachlehrkräften (und Schulleitung) mit Berichtspflichten an.53 So können Vorhaben im Rahmen von Exkursionen oder Beobachtungen von Tieren in der Klasse etc. mit (kurzzeitigem) Fang bzw. (längerfristiger) Entnahme geschützter Arten verwirklicht werden; dies ist ausdrückliche Absicht des Gesetzgebers gewesen.54 2. Spezifische Fragen bei der Auswahl von Arten Grundsätzlich gilt es zu prüfen, ob für die unterrichtlichen Zwecke nicht Arten zur Verfügung stehen, die nicht unter den speziellen Artenschutz fallen. Eine Bewertung dieser Frage ist jedoch eher aus didaktischer denn aus naturschutzoder verwaltungsrechtlicher Sicht möglich, da z. B. zwar die Lurchmetamorphose auch anhand exotischer Arten beobachtet werden könnte, die Verknüpfung mit Umweltund Artenschutz vor Ort den Schülern dann aber keineswegs unmittelbar einsichtig sein wird. Auch der Verbleib der adulten Tiere bleibt bei exotischen Arten offen, sofern keine Dauerhaltung angestrebt wird. Die Haltung geschützter heimischer Säuger oder Vögel ist allerdings meist schon auf Grund praktischer und fachlicher Aspekte zweifelhaft. Somit wird die Praxis insbesondere Arten betreffen, deren artgerechte Haltung und Pflege – i. d. R. über einen gewissen Zeitraum – leicht realisierbar ist und deren Taxa ohne Differenzierung vollständig unter Schutz des BNatSchG fallen.55 Hier sind etwa häufige Lurche (z. B. Erdkröte Bufo bufo) und Libellenarten (z. B. Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) im aquatischen Bereich, Mauereidechsen (Podarcis muralis) oder Weinbergschnecken (Helix pomatia) im terrestrischen Bereich zu nennen. Bevorzugt bieten sich Arten an, mit deren Hilfe exemplarische Inhalte bzw. biologische Phänomene erarbeitet werden können, z. B. Lebensraumansprüche, Anpassungen, Gefährdung, Entwicklung/Metamorphose, Beutefangverhalten, Fortbewegungsweisen usw. Der Gefährdungsstatus der ausgewählten Arten sollte auf der jeweiligen lokalen Roten Liste in der Kategorie „nicht gefährdet“ eingestuft sein. So kann eine Beeinträchtigung von Rand- oder Einzelpopulationen, z. B. lediglich sporadisch vorkommender Arten, durch Schulaktivitäten von vornherein ausgeschlossen werden.
IV. Das Tierschutzgesetz im Kontext Schule 1. Grundsätzliches zum Verhältnis Schule und Tierschutz Schule hat gemäß ihres staatlichen Auftrags Bildung- und Erziehungsarbeit zu leisten,56 zu der im Biologie- bzw. Sachunterr icht unstrittig die Vermittlung biologischer aber auch ethischer Inhalte zählt.57 Beachtlich ist allerdings, dass Schulgesetze die Verpflichtung zur Arbeit mit Tieren in jüngster Zeit nicht mehr vorschreiben,58 während andererseits in den Landesverfassungen der Tierschutz eine bedeutende Rolle einnehmen kann;59 im GG ist er seit 1. 8. 2002 verankert.60 Sicherlich ist es fragwürdig, Lehrkräfte per Gesetz zur Arbeit mit Tieren verpflichten zu wollen,61 dennoch kann ein Verständnis von Tieren und Tierschutz wohl kaum allein anhand von Medien oder Besuchen außerschulischer Lernorte vermittelt werden. Der Tierschutz gilt für alle Tiere, unmittelbar und ohne Rücksicht auf evolutionäre oder ontogenetische Entwicklungsstufen; § 1 TierSchG normiert „… aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.“ (Satz 1). Weiterhin ergänzt Satz 2: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“62 Eine Definition des Begriffs „Tier“ ist indes weder in der Begründung noch im Kommentar von Hirt/Maisack/Moritz63 verfügbar – was bei dem Umfang des Werkes verwundern mag. Aus dem Naturschutzrecht steht eine Definition zur Verfügung, die weitgehend dem allgemein akzeptierten biologischen Tierbegriff entspricht: „Tiere sind Lebewesen, die im Gegensatz zu Pflanzen nicht f ähig sind, aus anorganischen Verbindungen organische
49) Etwa entgegen den Auffassungen in Fn. 47 bzw. oben unter III; die Behörde müsste dies schlüssig begründen. 50) Denkbar bei temporärer Haltung von Tieren in der Schule; bzgl. Fischereigesetzgebung s. Kap. V 1, Fn. 76 u. 77. 51) Das Erfordernis von naturschutzrechtlichen Ausnahmen beruht u. a. auf der Unterschutzstellung gesamter Taxa in der BArtSchV. Es können daher auch geschützte häufige Arten, z. B. aus dem Schulteich, nicht ohne Genehmigung im Unterricht eingesetzt werden, was in Anbetracht des Zweckes durchaus als fragwürdig angesehen werden kann. 52) Klingenberg, Praxis der Naturwissenschaften 2007 (3/56), S. 37 ff. 53) Ausnahmen müssen personalisiert sein. Andererseits ergibt sich bei nur einer Person, dass bei Schulwechsel usw. jeweils ein Neuantrag erforderlich wäre. Das steht dem Ziel einer Ausnahme auf längere Dauer entgegen. 54) Fn. 3. 55) Siehe Fn. 4 in Verbindung mit Fn. 2. 56) Art. 7 GG in Verb. m. Regelungen der Länder; teils in Verfassungen, i. d. R. aber in Schulgesetzen spezifiziert. 57) KMK-Bildungsstandards: http://www.kmk.org/schul/Bildungs standards/bildungsstandards.htm. 58) Schulgesetze aller Länder (06/2008, KMK): http://www. kmk.org/doc/beschl/SchulgesetzeInternet.pdf. 59) Etwa Nds. Verf. v. 19. 5. 1993, Nds. GVBl. S. 107, zul. geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. 1. 2006, Nds. GVBl. S. 58; Art. 6b, Tierschutz, „Tiere werden als Lebewesen geachtet und geschützt“. 60) Ausführlich Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, Bonn 2003. 61) Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Schulamt/Schulbiologiezentrum, Juni/2001: Rechtliche Fragen zur Tierhaltung in der Schule: Auf S. 10 wird mit Verweis auf das Nds. Schulgesetz von 1995 ebensolches belegt: „§ 2 Umgang mit Tieren und Tierhaltung gehört zum Bildungsauftrag der Schule“, online verfügbar unter: http://www.hannover.de/data/download/umwelt_bauen/ 1/14_5_rechtliche_fragen_tierhaltung.pdf. 62) Tierschutzgesetz v. 24. 7. 1972, BGBl. I, 1277; zul. geändert durch g. v. 18. 12. 2007 I 3001; 2008, 47. 63) Hirt/Maisack/Moritz, Das Tierschutzgesetz (Kommentar), Vahlen, München, 2007.
123
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
aufzubauen …“.64 Damit beginnt – in Abgrenzung zu Mikroorganismen – ein Tier definitorisch bei einzelligen Lebensformen mit Zellkern, wie etwa den Pantoffeltierchen (Paramecium – Stamm: Protozoa) und reicht über in Moosen lebenden Bärtierchen (Tardigrada), diversen Vertretern aus Wirbellosenstämmen bis zu den Wirbeltieren und schließlich zu unseren engsten Verwandten, den Menschenaffen. In Anbetracht der vielfältigen tierischen Lebensformen, die bereits bei einer Exkursion beeinträchtigt oder verletzt, bei Betrachtung der Organismen eines Heuaufgusses 65 geschädigt oder gar getötet werden (können), verdeutlicht aus schulpraktischer Sicht mehrere Problemdimensionen: – inwieweit können oder sollten Tiere vom Unterrichtsgeschehen betroffen sein? – werden Tiere während des Unterrichts „beeinträchtigt“? (Schäden/Leiden/Wohlbefinden?) – bedingt eine fachlich adäquate Durchführung des Unterrichts bereits eine Beeinträchtigung? (z. B. von Vertretern einzelner Tiergruppen, etwa Protozoen, Wirbellosen etc.?) – welche Vorschriften müssen im Einzelnen beachtet werden? (TierSchG, BNatSchG, usw.) Diese Liste ließe sich verlängern und spezifizieren, wobei in Ergänzung zu den von Schröter66 genannten Hauptfragen des ethischen Tierschutzes („Schöpfungsverantwortung“) und des vernünftigen Grundes67 („Gretchenfrage des Tierschutzes“) – vgl. § 1 TierSchG – in der Schule zwangsläufig auch die konkrete biologische Frage zu beantworten wäre: Wo hört z. B. Wohlbefinden auf, wo beginnen Schäden, Leiden, Schmerzen, etwa bei Wirbellosen? Es kann hier keine Beantwortung erfolgen, da keine Daten verfügbar sind und eine Antwort nicht universell, sondern allenfalls tiergruppenspezifisch möglich sein wird.68 Anthropozentrische Bewertungen sowie potentiell „naturalistische Fehlschlüsse“ dürften Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet zusätzlich erschweren. 2. Spezielle Regelungen des Tierschutzes – keine Tiere mehr in der Schule Dass „Tiere“ in der Regelungslogik der besonderen Normen des TierSchG offenbar auch bei warm- bzw. kaltblütigen Wirbeltieren, allenfalls jedoch bei dekapoden Krebsen „auf hören“, unterstreicht erneut die Problematik in der Schulpraxis: Selbstverständlich sollen Wirbellose, wie etwa Spinnen, Asseln, Heuschrecken usw. auch geschützt werden, etwa gemäß des ethischen Tierschutzes, allerdings werden viele Vertreter dieser Tiergruppen gesellschaftlich eher als Ungeziefer angesehen. Hierin ist wiederum die Problematik der doppelten Anforderungen des schulischen Bildungsauftrages zu erkennen, einerseits neutrale biologische Sachinformationen, andererseits ethische Inhalte zu vermitteln. Würde jedoch analog zur Forderung in § 10 Abs. 1 S. 2 TierSchG die Vermittlung von tierischen Lebensvorgängen ausschließlich anhand „filmischer Darstellungen“ erfolgen,69 so würden zukünftig Schüler die Schule verlassen, ohne je Einzeller unter dem Mikroskop, Insekten im natürlichen Lebensraum oder Terrarium und Fische etc. im Schulaquarium gesehen bzw. betreut zu haben.70 Es dürfte nicht nur angesichts der schulischen Vorgaben fraglich sein, ob dies gewollt und sachgerecht praktikabel ist. Weiterhin belegen Studien, dass direkter Kontakt sowohl Wissen über als auch Einstellung zu Tieren positiv beeinflusst.71 Somit bildet der Anspruch des TierSchG in § 1 und 2 zwar allgemeinen Konsens ab, ist jedoch gleichsam auch Wurzel der Differenzen: Radikale Ansichten wollen gar in der Haltung oder Beobachtung von Tieren in der Schule eine Einschränkung des Wohlbefindens erkennen, in der Durchführung von nachweislich unschädlichen Versuchen mit Wirbellosen, etwa zur Habitat- oder Temperaturpräferenz, ohnehin. Aus rechtlicher Sicht ist dabei weitgehend Konsens,
NuR (2009) 31: 32–40 37
dass es sich weder um Forschungen noch um Tierversuche im Sinne des TierSchG handelt bzw. handeln kann,72 da die sie lediglich beobachtenden bzw. nachvollziehenden Charakter besitzen. Dennoch dürfte der Prozess der Erkenntnisgewinnung aus Schülerperspektive identisch sein, unabhängig davon, ob das TierSchG „neue“ Erkenntnis bringende Tierversuche in der Schule kennt bzw. g estattet.73 Befinden sich Tiere in der Schule also in einem rechtsfreien Raum? Mitnichten, aber allein die Ausgestaltung der speziellen Normen des TierSchG zeigt, dass der Gesetzgeber für schulische Belange keine besondere Regelungserfordernis gesehen hat, die dahingehenden Auslegungen der §§ 7 und 10 erscheinen daher gewagt, ebenso wie die generelle Verneinung des Anspruchs auf Verwendung von Tieren im Unterricht.74 Anzumerken ist weiterhin, dass nach wie vor eine immanente Abstufung der „Tierwertigkeit“75 besteht, die auf taxonomischen, menschlich-subjektiven aber auch irrationalen Kriterien beruht bzw. beruhen kann (z. B. Schutz von Protozoen < Wirbellosen < Wirbeltieren < Warmblütern < Hunden/Katzen < Primaten). Diese grundsätzlich bestehende „Problematik“, wird allseits gern verschwiegen und unter dem Generalvorbehalt „Tierschutz gemäß Eigenwert“ abgehandelt, ohne hier detailliert den „vernünftigen Grund“ zu thematisieren: Wer z. B. carnivore Organismen hält, muss diese biologisch begründet mit anderen Tieren füttern – ein nicht auflösbares Dilemma, da die Fürsorgepflicht gem. § 2 TierSchG dies erfordert. 64) So Louis, (Fn. 17), § 20a Rdnr. 2. Besonderheiten der biol. Reiche (Abgrenzung zu pilzähnl. Protista, Pilzen etc.) gemäß einer biol. „korrekteren“ Tierdefinition können hier nicht besprochen werden. 65) Verbreiteter Anschauungsversuch in der Schule und Universität zur Demonstration von Protozoen. 66) Fn. 22. 67) Maisack, Zum Begriff des vernünftigen Grundes im Tierschutzrecht, Nomos, Baden-Baden, 2006: Dieser Aspekt sollte im Rahmen einer gesonderten Ausarbeitung vertieft auch aus biologischer bzw. didaktischer Sicht bewertet werden, vgl. dazu auch die Auffassung von Cirsovius (Fn. 20). U. a. dürfen dort vorgenommene Wertungen (Nutzen-Schaden-Abwägung; „vitale Interessen der Tiere vs. vitale menschliche Interessen“) im Hinblick auf Tiere und Unterricht nicht unbesprochen bleiben. Dabei sind konkrete Aspekte, z. B. Beobachtungen, nicht schädigende physiologische Versuche, aber auch die Zulässigkeit einer Tiersektion – in der Fachdidaktik z. B. eines Fisches – diskussionswürdig. Da geschützte Tiere im schulischen Rahmen hiervon aber grundsätzlich ausgenommen bleiben, ist dies an dieser Stelle kein Thema. 68) Übersicht z. B.: 21. IGN-Tagung „Leiden und Wohlbefinden bei Tieren“, Int. Symposium zum Stand der Wissenschaft, Universität Gießen, 2007; online: http://www.uni-giessen.de/vettierschutz/IGN/2_Ankuendigung.pdf. 69) Es vielmehr davon auszugehen, dass §§ 7, 10 des TierSchG nicht für Schule gelten; instruktiv für Tierversuche: Heimerich Unterricht Biologie (231) 1999, 50 ff. 70) Selbstverständlich können im schulischen Rahmen nur bestimmte geschützte Tiere verwendet werden, manche Arten sind auszuschließen, z. B. da auch kurzzeitige Haltung nicht artgerecht erfolgen kann. Hierüber ist im Einzelfall zu befinden. Einige Schulen besitzen allerdings auch vorbildliche „Schulzoos“; zum Thema vgl. auch Gebhard, Kind und Natur, Die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung. Westdeutscher, Opladen 2001. 71) Klingenberg, Effects of „Primärerfahrung” on Interests, Learning Climate and Attitudes: A comparative study with living animals and educational videos, ESERA-Summerschool 2008, York, GB. 72) Fn. 69. 73) Vgl. TierSchG: Forschungsexperimente sind demnach nicht zulässig. Es ist i. d. R. auch nicht davon auszugehen, dass es – sei es in der Grundschule, SI o. SII – zu neuen „Entdeckungen“ kommt, auszuschließen ist es aber nicht. 74) Vgl. Cirsovius, Fn. 20 vs. Heimerich, Fn. 69. 75) Klingenberg, Fn. 7. (nach einem Konzept von Würbel, Vorlesungsskript „Tierschutz“, Universität Gießen, 2003).
123
38 NuR (2009) 31: 32–40
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
Selbst der Wortlaut der weiteren Paragraphen des TierSchG zeugt denn von einer willkürlichen Differenzierung (s. o.), die pragmatischen und wohl auch praktischen Aspekten geschuldet ist. Im Ergebnis bleibt aus Schulperspektive festzuhalten, dass die §§ 1 und 2 TierSchG Leitbild unserer Handlungen – insbesondere im Unterricht – sein sollen, aber dennoch folgt daraus nicht, dass die Arbeit mit Tieren oder ihre Haltung deshalb in Schulen verboten wäre.76 V. Die Bedeutung landesspezifischen Fischerei gesetzgebung bei Gewässerexkursionen, Tierfang und -entnahme Im Gegensatz zum grundsätzlich geltenden und einheitlich besprochenem TierSchG kann dies bzgl. landesspezifischer Fischereigesetzgebung so nicht erfolgen. Es sei aber vor den detaillierten Ausführungen zunächst noch das Verhältnis von Naturschutz- und Fischereigesetz besprochen. 1. Zum Verhältnis von Naturschutz- und Fischereigesetz bei Ausnahmegenehmigungen gem. § 43 Auch wenn die Formel „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (GG Art. 31) bei Ausnahmen nach § 43 Abs. 8 Nr. 3 BNatSchG naheliegend sein mag, muss jeweils anhand der Detailvorschriften geprüft werden, welches Recht ggf. vorrangig zu berücksichtigen ist. Innerhalb des BNatSchG finden sich spezifische Regelungen im § 39 Abs. 2 Satz 1, welcher das Verhältnis zur Fischereigesetzgebung regelt.77 Als Kernaussagen lassen sich folgende Punkte festhalten: – Fischereirechtsvorschriften bleiben unberührt, – Fischereiberechtigte dürfen ihre Rechte vorrangig ausüben sowie – die Vorschriften dieses Abschnitts des BNatSchG kommen immer dann nicht zur Anwendung, wenn fischereirechtliche Vorschriften detailliertere Bestimmungen enthalten. Daher können zusätzlich zu den Vorschriften des BNatSchG in den Bundesländern verschiedene fischereirechtliche Vorschriften zu beachten sein, die bei Gewässerexkursionen zum Zweck der Tierkunde (Tierfang oder -entnahme) relevant werden. Diese Regelungen gelten für offene Gewässer (Fließgewässer jeder Ordnung). Bei stehenden Gewässern, die nicht dem Gemeingebrauch unterliegen, muss darüber hinaus eine privatrechtliche Erlaubnis eingeholt werden, da der Gewässereigentümer Dritten nach § 902 BGB den Fang von Wassertieren verbieten kann. Bei stehenden Gewässern im öffentlichen Bereich, z. B. innerhalb von Parks, sowie bei Regenrückhaltebecken usw. ist hiervon regelmäßig nicht auszugehen, im Zweifelsfall kann es aber sinnvoll sein, eine Klärung mit der zuständigen Umweltbzw. Wasserbehörde vorab vorzunehmen. Diese dürfte in diesem Zusammenhang auch auf Besonderheiten von Landesgesetzen hinweisen, sofern dort wiederum speziellere und damit verbindliche Regelungen vorhanden sein sollten. 2. Die relevanten Regelungen der Fischereigesetze im Detail Es ist grundsätzlich zu beachten, dass die Regelungen der Fischereigesetze nicht nur Fische und größere wirbellosen Tiere (dekapode Krebse, Muscheln) betreffen, sondern vielfach alle Fischnährtiere eingeschlossen sind bzw. sein können. Zum Teil erheben die fischereirechtlichen Regelungen den Anspruch der Ausschließlichkeit, etwa sofern Fischnährtiere betroffen sind. Dieser Anspruch dürfte bei strikter Handhabung dazu führen, dass nahezu alle kleineren Wirbellosen, wie etwa häufige Mollusken oder auch Wasserasseln sowie Insektenlarven usw. zu den Fischnährtieren zu zählen wären.78 Inwieweit dies allerdings in der Praxis von Belang bzw. realistisch ist, wird im Anschluss an die detaillierte Darstellung der Vorschriften erörtert und bewertet werden.
a) Baden-Württemberg Zehnfüßige Krebse und Muscheln der Gattungen Margaritifera, Unio, Anodonta und Pseudoanodonta unterliegen gem. LFischVO v. 3. 4. 1998 dem Fischereigesetz. Weiterhin erstreckt sich dies auch auf Fischnährtiere, soweit das Gewässer zur Fischerei genutzt wird (§ 3 Abs. 3 FischG v. 14. 11. 1979). Gem. § 1 LFischVO sind für Fluss- und Steinkrebs das gesetzliche Mindestmaß und Schonzeiten zu beachten, die Muscheln der genannten Gattungen sind ganzjährig geschützt. Befreiungen von den Fangbeschränkungen des § 1 erteilt nach § 22 LFischVO die Fischereibehörde. b) Bayern Krebse sowie Fluss-, Teich- und Perlmuscheln der Gattungen Margaritifera, Unio, Anodonta und Pseudoanodonta unterliegen dem Fischereigesetz (AVFiG v. 10. 5. 2004). Nach Art. 1 Abs. 1 des Fischereigesetzes v. 23. 11. 2001 bezieht sich das Fischereigesetz auch auf Fischnährtiere. § 9 Abs. 3 der AVFiG schreibt ein gesetzliches Mindestmaß und Schonzeiten für Fluss- und Steinkrebs vor, die o. g. Muschelgattungen sind ganzjährig geschützt. Befreiungen für Lehrzwecke finden sich in § 9 Abs. 8 AVFiG, zuständig sind die Kreisverwaltungsbehörden. c) Berlin Das Fischereigesetz gibt die ausschließliche Befugnis, Krebse, Muscheln und Fischnährtiere zu fangen und sich anzueignen (§ 3 Abs. 1 LFischG v. 16. 7. 2001). Speziell werden die Gattungen Unio, Anodonta und Pseudoanodonta in der LFischO v. 12. 12. 2001 genannt. Ein gesetzliches Mindestmaß gilt für den Kamberkrebs (Anl. 1 zu § 8 Abs. 1 LFischO). Flusskrebs und Muscheln der o. g. Gattungen sind ganzjährig geschützt. Die untere Fischereibehörde kann zu Lehrzwecken Ausnahmen von den Bestimmungen erlassen (Mindestmaß, Schonzeit: § 8 Abs. 3 LFischO). d) Brandenburg Das brandenburgische Fischereigesetz normiert in § 3 Abs. 1 die ausschließliche Befugnis, Krebse, Muscheln und Fischnährtiere zu fangen und sich anzueignen (BbgFischG v. 13. 5. 1993). Die Fischereiordnung des Landes (BbgFischO v. 14. 11. 1997, zuletzt geändert am 16. 7. 2003) erwähnt die Gattungen Unio, Anodonta, Pseudoanodonta explizit. Der Flusskrebs und die erwähnten Muschelgattungen sind ganzjährig geschützt. Es sind zu Lehrzwecken Ausnahmen im Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde zulässig (§ 1 Abs. 3 BbgFischO). 76) Im Gegenteil, wie ja die GUV-SI 8070 v. 28. 3. 2003 (Fn. 43) eindeutig formulieren, vgl. Kap. II 2 b. 77) Es ist nach § 39 Abs. 2 S. 1 u. 2 BNatSchG davon auszugehen, dass nur im Falle weniger differenzierterer Regelungen der jagdund fischereirechtlichen Vorschriften sowie vorbehaltlich dieser Rechte die Regelungen des Abschnitts 5 zur Anwendung kommen; vgl. hierzu Wortlaut des § 39 BNatSchG: „Die Vorschriften des Pflanzenschutzrechts, des Tierschutzrechts, des Seuchenrechts sowie des Forst-, Jagd- und Fischereirechts bleiben von den Vorschriften dieses Abschnitts und den auf Grund und im Rahmen dieses Abschnitts erlassenen Rechtsvorschriften unberührt. Soweit in jagd- oder fischereirechtlichen Vorschriften keine besonderen Bestimmungen zum Schutz und zur Pflege der betreffenden Arten bestehen oder erlassen werden, sind vorbehaltlich der Rechte der Jagdausübungs- oder Fischereiberechtigten die Vorschriften dieses Abschnitts und die auf Grund und im Rahmen dieses Abschnitts erlassenen Rechtsvorschriften anzuwenden.“. 78) Dies dürfte immer dann der Fall sein, wenn die fischereirechtlichen Regelungen differenzierter sind als die naturschutzrechtlichen (vgl. z. B. Fn. 77 sowie im Detail Kap. V 2 a–p). In solchen Fällen wären Ausnahmen ggf. auch mit der zuständigen Fischereibehörde abzustimmen bzw. die Zuständigkeit läge evtl. sogar in diesem Bereich.
123
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
e) Bremen In § 1 Abs. 1 des Bremischen Fischereigesetzes wird geregelt, dass es auch für alle Entwicklungsstadien und -formen der Fischnährtiere gilt (BremFiG v. 17. 9. 1991, zuletzt geändert am 1. 6. 1999). Die Bremische Binnenfischverordnung (LFischO v. 2. 5. 2006) nennt Astacus astacus und Unio crassus in §§ 3 u. 4, die ganzjährig zu schonen sind. Ausnahmegenehmigungen regelt § 6 der Binnenfischverordnung im Benehmen mit der obersten Naturschutzbehörde (für wissenschaftliche Zwecke). Besonders zu beachten ist § 8 Abs. 2 der LFischO: Fischnährtiere geschützter Arten dürfen ohne Erlaubnis der obersten Fischerei- sowie Naturschutzbehörde nicht den Gewässern entnommen werden. Die Entnahme bedarf bei allen Arten der Genehmigung des Fischereiberechtigten (oder das Fischereipächters). f ) Hamburg Das Hamburgische Fischereigesetz v. 22. 5. 1986 regelt in § 1a Abs. 1 die Fischerei auf Muscheln und Krebse in Binnen- und Küstengewässern (zul. geändert durch Gesetz v. 3. 4. 2007). In der Ausführungsbestimmung werden Flusskrebs und alle heimischen Muschelarten der Gattungen Unio und Ano donta ganzjährig geschont (§ 6 Abs. 1 LFischO). Ausnahmegenehmigungen von den Fangbeschränkungen können (für wissenschaftliche Zwecke) nach § 10 erteilt werden. Soweit die Ausübung des Fischereirechts an öffentlichen Gewässern nicht verpachtet ist, ist der „Fischfang“ für jedermann frei (§ 2 Abs. 5 Hamburgisches Fischereigesetz). g) Hessen Das Fischereigesetz gibt die Befugnis, Krebse und Muscheln zu fangen und sich anzueignen (§ 2 Abs. 1 HFischG v. 19. 12. 1990, zuletzt geändert am 17. 10. 2005). Dieses Recht erstreckt sich auch auf Fischnährtiere. In der „Verordnung über die gute fachliche Praxis in der Fischerei und den Schutz der Fische“ (ehem. LFischO) sind in § 1 Flusskrebs, Steinkrebs und Muscheln der Gattungen Unio, Pseudoanodonta, Margaritifera, Anodonta sowie Sphaerium und Pisidium (!) ganzjährig geschützt. Keinen Fangbeschränkungen unterliegen die nicht namentlich genannten Muschel- und Krebsarten (vgl. § 2). Weiterhin ist gem. § 8 Abs. 3 die Entnahme von Fischnährtieren verboten, für saprobielle Gewässeruntersuchungen im Rahmen von Forschung und Lehre ist sie erlaubt. h) Mecklenburg-Vorpommern Fische im Sinne des LFischG M-V. v. 13. 4. 2005 sind zehnfüßige Krebse und lebende Muscheln. Der Flusskrebs ist nach § 3 BiFVO M-V zudem ganzjährig geschützt, für den Sumpf krebs ist gem. § 4 ein Mindestmaß zu beachten. Ausnahmen zur Durchführung von wissenschaftlichen Maßnahmen können gem. § 8 zugelassen werden. i) Niedersachsen Das Nds. FischG v. 1. 2. 1978 (zuletzt geändert am 5. 11. 2004) erteilt in § 1 Abs. 1 die ausschließliche Befugnis, Krebse der wirtschaftlich nutzbaren Arten zu fangen und sich anzueignen. Demnach sind Kleinkrebse und Kleinmuscheln offenbar nicht von dieser Regelung betroffen. Die Binnenfischereiordnung v. 6. 7. 1989 bestimmt in den §§ 3 und 4 Mindestmaß und Schonzeit für den Flusskrebs. Ausnahmegenehmigungen regelt der § 6 (wissenschaftliche Zwecke, Fischereikundlicher Dienst). j) Nordrhein-Westfalen Die ausschließliche Befugnis zehnfüßige Krebse und Muscheln zu fangen und sich anzueignen ist in § 3 Abs. 1 des LFischG v. 22. 6. 1994 geregelt. Die Verordnung zum Landesfischereigesetz (LFischO v. 6. 6. 1993) führt hierzu in § 1 näher aus, dass Flusskrebs und Muscheln der Gattungen
NuR (2009) 31: 32–40 39
Anodonta, Margaritifera, Pseudoanodonta und Unio ganzjährig geschützt sind. Nur in begründeten Einzelfällen können nach § 4 Abs. 2 Ausnahmen erteilt werden, soweit diese dem Fischartenschutz dienen. Der § 20 LFischO stellt klar, dass Fischnährtiere nicht ohne Zustimmung des Fischereiberechtigten dem Wasser entnommen werden dürfen. k) Rheinland-Pfalz Das Landesfischereigesetz umfasst nach § 4 Abs. 1 die Befugnis, zehnfüßige Krebse und Muscheln zu fangen und sich anzueignen (LFischG v. 9. 12. 1974 zuletzt geändert am 1. 3. 2001). Die Landesfischereiordnung regelt in § 17 und § 20 Abs. 1 Mindestmaß und Schonzeit von Signal- und Kamberkrebs. Laut § 20 Abs. 2 sind Fluss- und Steinkrebs sowie Muscheln der Gattungen Margaritifera, Pseudoanodonta, Anodonta und Unio ganzjährig geschützt. Zu wissenschaftlichen Zwecken oder in begründeten Einzelfällen können Ausnahmen nach § 22 der Landesfischereiordnung zugelassen werden. Der § 31 verbietet die Entnahme von Fischnährtieren ohne Erlaubnis des Fischereiberechtigten bzw. Fischereipächters. l) Saarland Der § 4 Abs. 1 SFischG v. 16. 7. 1999 umfasst die Befugnis, zehnfüßige Krebse zu fangen und sich anzueignen. Flussund Steinkrebs sowie Muscheln der Gattungen Margaritifera, Unio Anodonta und Pseudoanodonta sind gem. § 5 der LFO ganzjährig geschützt. Nach § 8 können aus wissenschaftlichen Gründen Ausnahmen von den Verboten zugelassen werden. Als wichtige Anmerkung sei noch der Inhalt des § 22 wiedergegeben: Fischnährtiere dürfen, soweit das BNatSchG und das Saarländische Naturschutzgesetz dies zulassen, nur mit Erlaubnis des Fischereiausübungsberechtigten entnommen werden. Ausnahmen werden in § 23 LFO geregelt (wissenschaftliche Gründe). m) Sachsen Das Fischereigesetz regelt Fischerei und Entnahme von Fischen: Fische im Sinne des Gesetzes sind zehnfüßige Krebse und Muscheln (§ 4 Nr. 1 des SächsFischG v. 9. 7. 2007). Edel- und Steinkrebs, Fluss- und Flussperlmuschel sind gem. § 2 Abs. 1 der SächsFischVO ganzjährig geschützt, die Fischereibehörde kann zum Zwecke wissenschaftlicher Forschung Ausnahmen zulassen (§ 2 Abs. 3 SächsFischVO v. 10. 3. 2008). In § 4 Abs. 3 des SächsFischG wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entnahme von Fischnährtieren als Fischerei i. S. d. Gesetzes gilt, § 19 Abs. 1 sieht ggf. den Abschluss eines Erlaubnisvertrages vor. n) Sachsen-Anhalt Die Vorschriften in § 4 Abs. 1 des FischG v. 31. 8. 1993 stellen klar, dass das Fischereirecht sich auch auf Fischnährtiere erstreckt. In § 2 Nr. 2 werden diese näher spezifiziert: Fischnährtiere i. S. d. Gesetzes sind wirbellose Tiere (Invertebraten) der Gewässer, die als potentielle Nahrungstiere für Fische dienen können, insbesondere Zooplankton, Zoobenthos sowie Aufwuchs der Uferzone (Litoral). Fische i. S. d. Gesetzes sind auch zehnfüßige Krebse und Muscheln in allen Entwicklungsstadien und Formen einschließlich ihrem Laich (vgl. § 2 Nr. 1). Gemäß § 2 Abs. 2 der FischO LSA v. 11. 1. 1994 (zul. geändert am 14. 1. 2002) ist es des Weiteren verboten, Krebsen und Muscheln der besonders geschützten Arten gem. Anlage 1 zu § 1 der BArtSchV nachzustellen, sie absichtlich zu fangen oder zu töten. Der § 13 Abs. 1 FischO LSA erläutert weiterhin zu § 2 Nr. 2, dass die Entnahme von Zooplankton und Fischnährtieren nur in solchem Umfang erfolgen darf, dass die Nahrungsgrundlage des Fischbestandes nicht gefährdet wird. o) Schleswig-Holstein Fische i. S. d. Gesetzes sind zehnfüßige Krebse, Muscheln und Tintenfische (§ 3 Abs. 1 LFischG v. 10. 2. 1992, zu-
123
40 NuR (2009) 31: 32–40
Klingenberg, Wildlebende Tiere der geschützten Arten im Schulunterricht
letzt geändert am 15. 2. 2005). Die Binnenfischereiordnung (BiFO) v. 25. 9. 2001 stellt Flusskrebs und Muscheln der Gattungen Pseudoanodonta, Unio, Anodonta unter ganzjährigen Schutz; Kamber-, Signal- und Sumpf krebs sowie Wollhandkrabbe und Wandermuschel sind davon nicht betroffen (§ 2 Abs. 1 BiFO). Ausnahmegenehmigungen erteilt die obere Fischereibehörde (vgl. § 15 Abs. 3), wobei diese ausdrücklich nicht die privatrechtliche Erlaubnis zum Fischfang ersetzt (vgl. dort). Anmerkung: Die Küstenfischereiordnung erlaubt das Aneignen von Wattwürmern für den eigenen Bedarf ausschließlich durch Handstrich oder Handspülverfahren (§ 12 Abs. 1 KüFO v. 17. 2. 2005). p) Thüringen Wie in den meisten Landesgesetzen sind Fische i. S. d. Gesetzes ganz allgemein auch Krebse und Muscheln; das ThürFischG v. 25. 8. 1999, zuletzt geändert am 26. 2. 2004, normiert in § 2 Abs. 1 die Befugnis zum Fang und zur Aneignung von Fischen. Fluss-, Stein- und Galizischer Flusskrebs sowie die Muscheln der Gattungen Pseudoanodonta, Anodonta, Unio, Margaritifera, Pisidium, Sphaerium und Musculium sind lt. § 1 ThürFischVO v. 11. 10. 1994 (zuletzt geändert am 13. 5. 2004) unter ganzjährigen Schutz gestellt. Gemäß § 4 Abs. 1 können Ausnahmen für wissenschaftliche Untersuchungen zugelassen werden, bei nach BArtSchV geschützten Tieren ist das Einvernehmen der zuständigen Naturschutzbehörde erforderlich (§ 4 Abs. 3). Zu beachten ist weiterhin der § 10: „Fischnährtiere dürfen ohne Zustimmung des Fischereiberechtigten nicht aus dem Wasser entnommen werden.“ 3. Bewertung der fischereirechtlichen Regelungen Die landesrechtlichen Regelungen weisen eine erhebliche Spanne auf, welche Tierarten unter das jeweilige Fischereigesetz fallen. In allen Ländern sind neben Fischen auch Großkrebse und „größere“ Muscheln, z. T. nach Gattungen differenziert, unmittelbar dem Fischereigesetz unterstellt. Bei den weiteren Wirbellosen („Fischnährtiere“ – im weitesten Sinne zählen alle Wirbellose dazu) lassen sich zwei größere Tendenzen erkennen: Die Regelungen erstrecken sich nicht explizit auf Fischnährtiere, zumindest dann nicht, wenn keine (fischerei-)wirtschaftliche Gewässernutzung vorliegt: Ländergruppe f, h, i und o. In Niedersachsen wird dies bei den Krebsen sogar durch den Zusatz „der wirtschaftlich nutzbaren Arten“ zum Ausdruck gebracht. Die Regelungen erstrecken sich explizit auf Fischnährtiere: Ländergruppe a–e, g, j–n und p. In dieser Regelungslinie sticht das Land Sachsen-Anhalt hervor (vgl. o.), da faktisch alle Wassertiere incl. Zooplankton und Aufwuchs in der Uferzone (!) dem Fischereigesetz unterstellt werden;79 unklar bleibt diesbezüglich auch der § 13 Abs. 1 FischO LSA.80 Wie auch immer spezielle Aspekte auszulegen sind, so ist doch anzunehmen, dass die jeweilige Absicht der Handlung und die Art der Ausführung bedingen,81 inwieweit Fischereigesetz strikt anzuwenden ist. Allein schon aus Praktikabilitätsgründen sollten schulische Vorhaben nicht zusätzlich mit Erschwernissen belastet werden, sofern nicht wirtschaftlich relevante bzw. gemäß Fischereigesetz besonders geschützte Arten explizites (Teil)Ziel darstellen. Da Schulexkursionen außerdem ein öffentliches Interesse nachweisen können, dürfte die Zustimmung entsprechender Landesbehörden und der Fischereiausübungsberechtigten bei üblicher Entnahme von Plankton- und Wirbellosenproben den Regelfall darstellen; diese Zustimmung muss i. d. R. nicht zwingend schriftlich erfolgen. Anders hingegen dürfte sich der Sachverhalt bei geschützten Arten (Muscheln, Kleinfischen usw.) darstellen, zumal hier die Fischereibehörde für die Bearbeitung des Antrags zuständig ist.
Eine weitere Frage betrifft die Beobachtung von nicht geschützten Kleinfischen, die etwa temporär dem Gewässer entnommen werden. Auch wenn hier das Fischereigesetz zu konsultieren wäre, bleibt dennoch offen, ob im Sinne einer praxisorientierten Arten- und Naturschutzbildung Organisatoren schulischer Gewässerexkursionen, bei denen auch solche Arten gefangen werden könnten, mit übermäßigem Antragsverfahren konfrontiert werden sollen. Ausblick Die Arbeit mit geschützten, heimischen Tieren in der Schule kann als Baustein betrachtet werden, um Ziele des BNatSchG auf ein breiteres Fundament in der Bevölkerung zu stellen. Sie ist insofern eine wichtige und sinnvolle Ergänzung zur Naturschutzbildung in Großschutzgebieten (vgl. zur Naturschutzbildung dort auch die aktuelle Begründung zum § 25 UGB III). Denn nicht nur in Großschutzgebieten, sondern auch in der alltäglichen Unterrichtserfahrung der Kinder und Jugendlichen sollte Naturschutzbildung eine Rolle spielen. Dazu bieten sowohl Exkursionen als auch eine Reihe didaktisch erprobter Unterrichtsmodelle mit geschützten Arten eine ideale Grundlage. Die Akzeptanz für Arten- und Naturschutzmaßnahmen steigt erwiesenermaßen dann, wenn Menschen sich nicht ausgesperrt fühlen, sondern z. B. geschützte Tierarten als faszinierenden und schützenswerten Bestandteil unserer Natur erleben können – hier dürfte ein erhebliches Potential bei Lehrkräften und Schülern vorhanden sein. Dieses wird sich nachhaltiger entfalten, wenn ihnen ein Umgang mit geschützten Teilen der heimischen Fauna in begrenztem Rahmen ermöglicht wird.82 Trotz des aktuell großen Umweltbewusstseins83 ist die Thematisierung der wenig bekannten bzw. akzeptierten Natur- und Artenschutzziele defizitär,84 es besteht Handlungsbedarf. Die Vernetzung von Bildung sowie Natur- und Artenschutz ist letztlich ein Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Dies ist – wie z. B. Haber 85 bereits betonte – kein marginales Randthema im aktuell stark thematisierten Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung, es betrifft vielmehr Kernfragestellungen: Ohne den Erhalt von Arten bzw. Lebensräumen ist die Erhaltung der Biodiversität weder langfristig realisierbar noch als wesentliches Teilziel der Umweltbildung legitimier- und vermittelbar. Naturschutzbildung findet insbesondere im Alltag statt – die praktische Beteiligung der Schulen kann dabei also nur helfen. 79) Vgl. dazu auch Fn. 77 und 78. 80) Es wird nicht deutlich, ob die die Entnahme generell nur in dem Umfang möglich ist, in dem die Nahrungsgrundlage des Fischbestandes nicht gefährdet ist oder ob die Entnahme ohne Einwilligung möglich ist, sofern die Nahrungsgrundlage des Fischbestandes ungefährdet ist. Letztlich dürfte dies wohl nur bei gewerblicher Nutzung relevant sein, worauf jedoch nicht eingegangen wird (vgl. im Gegensatz dazu die Regelungen bzgl. Krebstiere in Niedersachsen, Kap. V 2 i). 81) Schulexkursionen finden meist (allenfalls mit Ausnahme von Amphibienexkursionen) tagsüber statt, so dass die didaktische Absicht für Fischereiausübungsberechtigte zumeist wohl unschwer erkennbar sein wird. 82) Die Unterrichtsvorschläge mit geschützten Tierarten in Periodika und Schulbüchern, die einen teils erheblichen Anteil ausmachen (vgl. Fn. 10), werden nun auf eine rechtlich abgesicherte Basis gestellt. Inwiefern Lehrkräfte die neuen Möglichkeiten verstärkt nutzen, muss untersucht werden. Aktuelle Studien dazu sind derzeit nicht verfügbar. 83) BMU, Umweltbewusstsein in Deutschland 2006, Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, November 2006 http:// www.bmu.de/umweltinformation/downloads/doc/38284.php. 84) Haber, Nachhaltige Entwicklung und Konvention der biologischen Vielfalt, Einführungsvortrag zum Naturschutztag 2002 in Hannover: http://www.bbn-online.de/uploads/media/Einfueh rungsvort rag.pdf. 85) Fn. 84.
123