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Journal für Rechtspolitik 20, 397–409 (2012) © Verlag Österreich 2012
Stefan Storr
Wohnungsgemeinnützigkeit im Binnenmarkt I. Gemeinnützige Bauvereinigungen in Österreich A. Wohnungsgemeinnützigkeit in Österreich als „Dritter Weg“ B. „Social Housing“ in Österreich und in der EU C. Die Anerkennung als gemeinnützige Bauver einigung D. Bedarfsprüfung E. Steuervorteile und Wohnförderung 1. Gemeinnützige Bauvereinigungen und Steuerprivilegien 2. Gemeinnützige Bauvereinigungen als pri vilegierte Förderwerber in den Wohnbau förderungsgesetzen der Länder II. Gemeinnützige Bauvereinigungen im Binnen markt A. Gemeinnützige Bauvereinigungen: wirtschaft liche Angelegenheit und Unternehmenseigen schaft 1. Wohnungsgemeinnützigkeit als System so zialer Sicherheit? 2. Gemeinnützige Bauvereinigungen als Un ternehmen B. Gemeinnützige Bauvereinigungen als Erbrin ger von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse? 1. Gemeinnützige Bauvereinigungen im An wendungsbereich des Art 106 AEUV 2. Freistellung von der Notifizierungspflicht nach Maßgabe der „Altmark-Rechtspre chung“ des EuGH a. Die „Altmark-Rechtsprechung“ b. „Social housing“ als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Inte resse aa. Neuorientierung der Unionskompe tenzen im Bereich der Daseinsvor sorge durch den Vertrag von Lissabon bb. Der neue Maßstab der Kommission für „social housing“ cc. Die Übertragung der „Altmark“-Kri terien auf das System des gemein nützigen Wohnungsbaus 3. Rechtfertigung einer Förderung gemein nütziger Bauvereinigungen unmittelbar aufgrund Art 106 Abs 2 AEUV
C. Rechtfertigung einer Förderung gemeinnützi ger Bauvereinigungen nach Maßgabe des Art 107 Abs 2 und 3 AEUV III. Abschließende Überlegung Abstract: Das österreichische Wohnungsgemein nützigkeitswesen ist ein eigener Weg sozialer Woh nungspolitik, der von Bund und Ländern durch Steuervorteile und Wohnbauhilfen gefördert wird. Im Beitrag wird untersucht, inwiefern diese Förde rung als Beihilfe iSd Art 107 AEUV zu qualifizieren ist und ob sie – unter Berücksichtigung aktueller Rechtsentwicklungen – mit den Regeln des Binnen markts vereinbar ist. Deskriptoren: Bauvereinigungen, gemeinnützige; Be darfsprüfung; Beihilfe;·Dienstleistung von allgemei nem wirtschaftlichem Interesse; „social housing“; Steuervorteil; Unternehmen; Wohnbauförderung; Wohnungswirtschaft, gemeinnützige. Rechtsquellen: §§ 1, 2, 3, 7, 10, 13, 27, 29 WGG; §§ 5, 6 KStG; § 10 UStG; Wohnbauförderungsge setze der Länder; Art 106 und 107 AEUV; Beschluss 2012/21/EU der Kommission. I. Gemeinnützige Bauvereinigungen in Österreich A. Wohnungsgemeinnützigkeit in Österreich als „Dritter Weg“ Staatliche Wohnungspolitik ist ein Spiegel der herr schenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung: Zwischen staatlicher Wohnungswirtschaft, wie es sie in den früheren kommunistischen Staaten gab, und staatlicher Zurückhaltung im sozialen Wohn bau wie in den USA1 erscheint das „österreichische * Mein besonderer Dank geht an Frau Mag.a Doris Fabschitz, Abteilung Wohnbauförderung des Amts der Steiermärkischen Landesregierung, und Frau Stud.-Ass. Timna Kronawetter, Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Karl-Franzens-Universität Graz. 1 Stöger, Das System des österreichischen sozialen Wohnungswesens im europäischen Vergleich, in: Puch ebner-FS (2008) 28.
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System“2 der Wohnungsgemeinnützigkeit als ein „Dritter Weg“, um eine Formulierung Michael Holoubeks in einem Beitrag zusammen mit Karl Korinek aufzugreifen.3 In der Tat ist der soziale Wohnbau im Allgemeinen und die gemeinnützige Wohnungs wirtschaft im Besonderen im Land mit Hammer und Sichel im Staatswappen und dem Grundsatz vom unverfälschten Wettbewerb verpflichtet4 keiner die ser beiden Richtungen zuzuordnen, sondern „liegt irgendwo dazwischen“. Heute wird von einem Sozialstaat erwartet, dass er die Versorgung der Bevölkerung mit hochwerti gem und leistbarem Wohnraum sicherstellt. Soziale Wohnungspolitik gilt als ein Aspekt der Daseinsvor sorge.5 Auch in Österreich gibt es diese Erwartung; eine Gewährleistungsverantwortung des Staates 6 als Verfassungsverpflichtung gibt es aber nicht. Kein Verfassungsgesetz verpflichtet die Republik zu einer bestimmten Wohnungsversorgung. Insbesondere die gemeinnützige Wohnungswirtschaft als eigener Wirtschaftssektor liegt nicht in der Gewährleis tungsverantwortung des Staates. Eine angemessene Wohnungsvorsorge liegt auch nicht in staatlicher Erfüllungsverantwortung, je denfalls nicht in ausschließlicher, denn das öster reichische System der Wohnungswirtschaft setzt nicht allein – und noch nicht einmal überwiegend – auf öffentliche Unternehmen, also Unternehmen, die von Bund, Länder oder Gemeinden beherrscht werden.7 Die Bereitstellung von Wohnraum erfolgt auch durch private gewinnorientierte, gewerbliche8 Wohnungsunternehmen und durch gemeinnützige Bauvereinigungen und wird durch Förderungen von Bund, Länder und Gemeinden unterstützt. Dabei kommt den gemeinnützigen Bauvereini gungen eine Schlüsselrolle zu, weil sie in „staat licher Mitverantwortung“ für die Wohnungsver sorgung der Bevölkerung gemeinwohlorientiertes
Ludl, Gemeinnützige Bauvereinigungen in Österreich (2007) 2. 3 Korinek/Holoubek, Wohnungsgemeinnützigkeit als Modell staatlicher Daseinsvorsorge, in: Puchebner-FS (2008) 53, 60; auch Kahl, Die Kommissionspraxis im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, in: Jaeger/Rumersdorfer, Jahrbuch Beihilferecht 2011 (2011) 329, 342. 4 Art 3 Abs 3 EUV, Protokoll Nr 27. 5 Holoubek, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Wohnrechts, wobl 2000, 345, 346, 347. 6 Reinprecht, Social Housing in Austria, in: Scanlon/ Whitehead, Social Housing in Europe (2007) 35, 41. 7 ISv Art 2 lit b Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen, ABl 2006 L 318/17 v 17.11.2006. 8 Die GewO findet auf gemeinnützige Bauvereinigungen keine Anwendung: § 1 Abs 2 S 2 WGG. 2
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Privatkapital mobilisieren9 und „aus unmittelbare rer Verantwortung für die Daseinsvorsorgeleistung „Volkswohnungswesen“10 den erforderlichen Wohn raum bereitstellen sollen. Nur mit gewissen Vorbe halten kann insofern von einer „privaten Erfüllungs verantwortung“ gesprochen werden. Das System der gemeinnützigen Bauvereinigungen war ursprüng lich mit keinem staatlichen Auftrag verbunden. Al lerdings müssen gemeinnützige Bauvereinigungen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um in den Ge nuss von Steuervorteilen und Wohnbauförderungen zu kommen. Insofern nehmen die gemeinnützigen Bauvereinigungen öffentliche Aufgaben wahr: nicht weil ihnen ein Auftrag durch Gesetz zugewiesen ist, sondern freiwillig, um als gemeinnützig zu gelten und Förderbedingungen zu erfüllen. Die gemein nützigen Bauvereinigungen werden funktionell für Zwecke des Gemeinwohls in die Pflicht genommen und werden so zu Verwaltungshelfern des Staates.11 B. „Social Housing“ in Österreich und in der EU Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist in Öster reich ein tragender Pfeiler und stabilisierender Fak tor: als wirtschaftliche Größe für den Wohnungs markt und für die gesellschaftliche Akzeptanz. Nach dem zweiten Weltkrieg hat die gemeinnützige Woh nungswirtschaft einen „ungeheuren“ Aufschwung 12 genommen, bis 1976 wurde rund ein Viertel des gesamten österreichischen Wohnbauvolumens ge meinnützig errichtet. Heute liegt der Anteil an Neu bauten13 sowie des gesamten Mietwohnungsbestan des14 gemeinnütziger Bauvereinigungen bei 30%. Die österreichische Wohnungspolitik gilt als au ßerordentlich beständig. In den letzten zwanzig Jahren haben viele europäische Staaten ihre Wohn bausektoren privatisiert.15 Ein beeindruckendes Beispiel jüngeren Datums ist die deutsche Groß stadt Dresden, die im Jahr 2006 den gesamten Be stand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBA von etwa 48.000 Wohnungen für € 1,7 Mrd Korinek/ Holoubek (FN 3) 53. Korinek/ Holoubek (FN 3) 53, 59. 11 Holoubek, Stellungnahme zur Frage der gesetzli chen Aufhebung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Be schränkungen für gemeinnützige Bauvereinigungen, die sich im Alleineigentum von Gebietskörperschaften befin den, in: Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen, Förderung des Wohnungswesens in Österreich Teil 2 – Wohnungsgemeinnützigkeit und Wohnbauförde rung, FGW-Schriftenreihe 139, 67, 69. 12 GP XIV RV 760, 14. 13 Ludl (FN 2) 7. 14 Bauer, Gemeinnütziger Wohnbau in Österreich, Kurswechsel 2006, 20. 15 Oberhuber/Schuster, Wohnbauförderung als Instrument zur Sicherung des Wohnstandortes Österreich, Gutachten der Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (2012) 8. 9
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an eine amerikanische Investorengruppe verkauft hat. Dieser Verkauf war für die Einen die Preisgabe einer sozialen Errungenschaft an „Heuschrecken“, für die Anderen ein Mittel, durch das der städtische Haushalt mit einem Schlag schuldenfrei wurde. So ziale Missstände mussten dadurch nicht erwartet werden. Die Stadt konnte den Käufer verpflichten, eine „Sozialcharta“ einzuhalten.16 Es ist schwierig, die Bedeutung der gemeinnüt zigen Wohnungswirtschaft in Österreich mit der Wohnungspolitik in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu vergleichen, weil Woh nungswirtschaft und Wohnungspolitik in den Mit gliedstaaten sehr heterogen sind. Eine im Jahr 2007 verfasste Statistik zu „social housing“ in den Mit gliedstaaten der Europäischen Union weist zB aus, dass in den Niederlanden 35 % der Wohnungen als Sozialwohnungen gelten, gefolgt von Österreich mit 25 %, während es in Deutschland nur 6 % und in Ungarn – nach einer Massenprivatisierung in den 1990er-Jahren – nur 4 % 17 sein sollen. Diese Sta tistik darf aber nicht überbewertet werden, weil es einen unionsübergreifenden Begriff des „social housing“ nicht gibt und die Wohnungspolitik der Mitgliedstaaten sehr verschieden ist: Während in einigen Mitgliedstaaten nur die „ganz Armen“ ge fördert werden oder Familien mit geringem Ein kommen, fördern andere Mitgliedstaaten auch die „Mittelklasse“.18 In Ungarn, Irland und Deutschland sollen nur sehr wenige bis 20 % der Bevölkerung Zugang zu Sozialwohnungen haben, in Österreich hingegen 80 bis 90 %.19 C. Die Anerkennung als gemeinnützige Bauvereinigung Eine Besonderheit in Österreich ist das System der Wohnungsgemeinnützigkeit, das es in anderen Ländern in dieser Form nicht gibt. Dieses System ist maßgeblich im Wohngemeinnützigkeitsgesetz 197920 geregelt. Die Anerkennung einer Bauvereinigung als ge meinnützig iSd des WGG ist von der zuständigen Landesregierung auszusprechen.21 Dafür müssen die im WGG angeführten Voraussetzungen rechtlich und tatsächlich, insbesondere durch eine Veranke Um die aber später ein Rechtsstreit anhängig wurde. Scanlon/Whitehead, Social Housing in Europe, in: Scanlon/Whitehead, Social Housing in Europe (2007) 8. 18 Reinprecht (FN 6) 39. 19 Wobei die eigentlichen Sozialwohnungen für die „sehr Armen und die Immigranten“ durch Privatvermietungen bereit gestellt werden sollen, Reinprecht (FN 18) 35, 39. 20 BGBl 1979/139; zuvor: Gesetz über die Gemeinnüt zigkeit im Wohnungswesen 1940, RGBl I S 438. 21 § 31 WGG. 16
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rung im Genossenschaftsvertrag bzw Gesellschafts vertrag oder Satzung, gewährleistet sein. Die Bauvereinigung muss als Genossenschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Ak tiengesellschaft organisiert sein und ihren Sitz im Inland haben. Sie hat ihre Tätigkeit unmittelbar auf die Erfüllung dem Gemeinwohl dienender Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens zu richten, ihr Vermögen der Erfüllung solcher Aufgaben zu wid men und ihren Geschäftsbetrieb regelmäßig prüfen und überwachen zu lassen (§ 1 WGG). Sie muss sich verpflichten, nur innerhalb eines bestimmten Geschäftskreises tätig zu werden, der in Haupt-, Ne ben- und konnexe Zusatzgeschäfte unterschieden werden kann. Ihr Hauptgeschäft ist die Marktver sorgung, dh Errichtung und Verwaltung mit Woh nungen in „normaler Ausstattung“ (§ 2 Z 2 WGG) sowie von Eigenheimen, Heimen und anderen Im mobilien. Nebengeschäfte dürfen niemals der allei nige oder überwiegende Inhalt der Geschäftstätig keit sein, konnexe Zusatzgeschäfte bedürfen einer Genehmigung der Landesregierung.22 Die gemein nützige Bauvereinigung darf nur ein angemessenes Entgelt einfordern und muss Bau- und Erhaltungs maßnahmen vornehmen. Zu Recht hat Bernd-Christian Funk die Anerkennung als gemeinnützige Bauvereinigung als statusbegründenden Hoheitsakt qualifiziert, als eine Konzession.23 D. Bedarfsprüfung Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Bau vereinigung ist von einer Bedarfsprüfung abhängig, die Bauvereinigung muss einem Bedarf entspre chen. Ein Bedarf ist als gegeben anzunehmen – so § 3 Abs 2 S 1 WGG – „wenn in dem örtlichen Geschäftsbereich der Bauvereinigung eine Nachfrage nach Wohnungen besteht und diese Nachfrage nicht durch bestehende gemeinnützige Bauvereinigungen befriedigt werden kann.“ Diese Bedarfsprüfung wird in der Literatur als objektive Erwerbsantrittsschranke gesehen.24 Das erscheint aber zu streng,25 denn die eigentliche Tä tigkeit der gemeinnützigen Bauvereinigungen, die Errichtung, der Verkauf und die Vermietung von 22 § 7 Abs 4 WGG; dazu Holoubek, Die Geschäftskreisregelung als Kernstück des WGG, in: Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 345, 346 f. 23 Funk, Grundprinzipien des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts, in: Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 329, 336; krit zu diesem Rechtsinstitut Storr, Konfusion um die Konstruktion der Konzession, in: Stober-FS (2008) 417 ff. 24 Raschauer, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, in: Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 315, 322. 25 Holoubek (FN 22) 345, 347.
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Immobilien, ist gemeinnützig anerkannten Bauun ternehmen nicht vorbehalten. Richtig ist aber, dass die Nicht-Anerkennung der Gemeinnützigkeit erheblich in die Erwerbsfreiheit und den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz eingreifen kann. Nicht weil der Zugang zu einem Markt begrenzt würde,26 sondern weil die Gemein nützigkeit mit bestimmten Rechten (und Pflichten) verbunden ist und deshalb einen Wettbewerbsvor teil zur Folge haben kann.27 Wachstumstenden zen sind gemeinnützigen Bauvereinigungen nicht fremd.28 Zunächst ist festzustellen, ob eine Nachfrage nach Wohnungen besteht. Das Gesetz lässt jedoch offen, wie dieser Bedarf festgestellt werden soll. In der Re gierungsvorlage 1977 wird nur darauf hingewiesen, dass weder der quantitative Wohnungsbedarf noch der qualitative Wohnungsfehlbestand allein hinrei chende Kriterien für die Frage der Zulassung einer gemeinnützigen Bauvereinigung sein können. Es sei auch denkbar, dass in einer Gemeinde mit quan titativem Wohnungsbedarf und qualitativem Woh nungsfehlbestand aus wirtschaftlichen Gründen keine Nachfrage nach Wohnungen besteht. Möglich sei auch, dass in einer Gemeinde ohne quantitati vem Wohnungsbedarf oder qualitativem Wohnungs fehlbestand eine Nachfrage nach Wohnungen ge geben ist, die von bestehenden Bauvereinigungen nicht befriedigt werden kann.29 Aus der Regierungsvorlage kann jedenfalls ent nommen werden, dass der Gesetzgeber eine umfas sende Marktanalyse erwartet, dh es ist die tatsächli che Marktversorgung mit Wohnungen in „normaler Ausstattung“ bzw anderen Immobilien, deren Er richtung und Verwaltung zum Hauptgeschäftskreis gemeinnütziger Bauvereinigungen gehören, festzu stellen. Zu berücksichtigen ist also auch das Angebot gewerblicher Wohnungsunternehmen, denn worauf es ankommen muss ist, ob ein Marktversagen vor liegt.30 Das Gesetz stellt auf „bestehende Wohnungs unternehmen“ ab, die nach ihrem Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, insbesondere ihrer Eigenkapitalausstattung, als geeignet erschei nen, einen entsprechenden Beitrag zur Befriedigung dieser Nachfrage zu leisten (§ 3 Abs 2 S 2 WGG). Nur wenn dieser Bedarf nicht gedeckt werden kann, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob die Nachfrage nicht durch bestehende gemeinnützi ge Bauvereinigungen befriedigt werden kann. Die Be darfsprüfung ist also auch eine Schutzklausel bereits bestehender gemeinnütziger Bauvereinigungen. 26 27 28 29 30
So aber Funk (FN 23) 329, 337. Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz (2008) 607. Plakativ VwGH 81/05/0121. RV zu § 3: GP XIV RV 760 S 16. Ludl (FN 2) 8.
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Dieser Interpretation folgend liegt der Bedarfs prüfung eine doppelte Subsidiaritätsprüfung zugrun de: Erstens die Feststellung, ob unter Einbeziehung des gesamten Marktes überhaupt eine Nachfrage besteht, die nicht durch Wohnungsunternehmen befriedigt werden kann, und zweitens, ob bestehen de gemeinnützige Bauvereinigungen eine allfällige Nachfrage nicht befriedigen können. E. Steuervorteile und Wohnförderung Mit dem Status der Gemeinnützigkeit sind bestimmte Vorteile verbunden, insbesondere Steuervorteile und die Möglichkeit, staatliche Förderungen zu erhalten. 1. Gemeinnützige Bauvereinigungen und Steuerpri vilegien Früher gab es noch eine Reihe von Steuerprivilegien wie die Befreiung von Gerichtsgebühren, die Befrei ung von der Grunderwerbssteuer und die Befreiung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer.31 Heute kennt das Körperschaftssteuergesetz eine Befreiung von der unbeschränkten Körperschaftssteuerpflicht für Bauvereinigungen, wenn diese nach dem Woh nungsgemeinnützigkeitsgesetz als gemeinnützig an erkannt sind und wenn sich ihre Tätigkeit auf ihren Geschäftskreis, dh die in § 7 Abs 1 bis 3 des WGG genannten Geschäfte und die Vermögensverwaltung, beschränkt.32 Es besteht auch die Möglichkeit, Ein künfte einer steuerfreien Rücklage zuzuführen. Die Steuerpflicht lebt wieder auf, wenn eine Tätigkeit außerhalb dieses Geschäftsbereichs wahrgenom men wird.33 Allerdings kann die Bauvereinigung die Steuerpflicht auf Geschäfte außerhalb des Ge schäftsbereichs beschränken lassen. Eine umsatzsteuerrechtliche Privilegierung regelt § 10 Abs 2 Z 7 UStG. Die Vorschrift erstreckt den er mäßigten Umsatzsteuersatz von 10% auf gemeinnüt zige Bauvereinigungen. Landesgesetze regeln ferner Grundsteuerbefreiungen.34 2. Gemeinnützige Bauvereinigungen als privilegierte Förderwerber in den Wohnbauförderungsgesetzen der Länder Ein weiterer Vorteil gemeinnütziger Bauvereini gungen kann ihre Sonderstellung als Förderwerber nach den Wohnbauförderungsgesetzen der Länder sein. Die Wohnbauförderungsgesetze der Länder35 31 Arnold, Entwicklung der Steuerbefreiungen im Wohnungsgemeinnützigkeitsbereich, in: Puchebner-FS (2008) 115, 116. 32 § 5 Z 10 KStG. 33 Ie § 6a Abs 1 und Abs 4 und 5 KStG. 34 ZB § 1 Abs 2 Steiermärkisches Grundsteuerbefreiungsgesetz 1976. 35 Vgl zur Entwicklung Cede, Wohnbauförderung, in: Pürgy, Das Recht der Länder, Band II/1 (2012) 861 ff.
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unterscheiden sich stark in der Frage der Förder fähigkeit, insbesondere ob neben gemeinnützigen Bauvereinigungen auch gewerbliche Bauunterneh men förderfähig sind. Das steiermärkische Wohnbauförderungsgesetz beispielsweise bestimmt, dass eine Förderung für die Errichtung von Eigentumswohnungen in Bau vorhaben mit mindestens drei Wohnungen und für die Errichtung von Mietwohnungen nur Gemeinden bzw Gemeindeverbänden und gemeinnützigen Bau vereinigungen gemäß dem Wohnungsgemeinnützig keitsgesetz gewährt werden darf. Eine Förderung für die Errichtung von Wohnheimen kann außer den Gemeinden und gemeinnützigen Bauvereinigun gen auch Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die nach Satzung, Stiftung oder sonstiger Verfassung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittel bar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, zukommen.36 Gewerbliche Bau unternehmen sind nicht förderfähig. Ähnlich be grenzt ist die Förderfähigkeit in Kärnten geregelt.37 Im Salzburger Wohnbauförderungsgesetz wer den einerseits die Gemeinden und gemeinnützigen Bauvereinigungen als förderfähig genannt, nicht jedoch die gewerblichen Bauunternehmen. Ander seits sind im Salzburger Sonder-Mietwohnbauförde rungsgesetz nur natürliche Personen, Baugewerbe treibende, Immobilienmakler und Bauträger nach der GewO förderfähig.38 Auch in Vorarlberg wird für die Förderfähigkeit zwischen gemeinnützigen Bauervereinigungen und (anderen) Unternehmen unterschieden.39 In Wien sind gemeinnützige Bau vereinigungen, Körperschaften, Personenvereini gungen und Vermögensmassen, die gemeinnützi gen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen und ihren Sitz im Inland haben, die Stadt Wien sowie juristische Personen mit Sitz im Inland für bestimmte Heimbauten förderfähig.40 In Tirol sind Förderungen auf gemeinnützige Bauvereinigungen und Bauträger mit Sitz oder Zweigniederlassung in Tirol beschränkt.41 Eine besondere Stellung der gemeinnützigen Bauvereinigungen gibt es nur in Niederösterreich, im Burgenland und Oberösterreich nicht: In Nie derösterreich ist zwar geregelt, dass Gemeinden und anerkannte gemeinnützige Bauvereinigungen für die Errichtung von Wohnungen, Wohnheimen und Einrichtungen, die der Gesundheitsversorgung dienen, gefördert werden können; andere Bauver § 7 Stmk WBFG. § 12 Abs 3 lit b K WBFG. 38 § 31 und 39 S WBFG, § 5 Abs 1 Salzburger Sonderwohnbauförderungsgesetz 2010. 39 § 3 Vorarl WBFG. 40 § 9 Abs 1 WWFSG. 41 § 17 Abs 2 lit c T WBFG. 36
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einigungen mit Sitz im Europäischen Wirtschafts raum sind für dieselben Zwecke den anerkannten gemeinnützigen Bauvereinigungen aber gleichzu halten, wenn sie eine gleichartige Aufgabenstellung aufweisen und einer gleichwertigen Beaufsichtigung unterliegen.42 Noch weiter geht das Wohnbauförde rungsgesetz in Oberösterreich: Dort kann gemein nützigen Bauvereinigungen, Gemeinden oder pri vaten Bauträgern für die Errichtung (einschließlich der Fertigstellung) von Wohnungen, Wohnhäusern, Eigenheimen, Reihenhäusern und Wohnheimen eine Förderung gewährt werden, wobei geförderte Woh nungen, Wohnhäuser, Eigenheime und Reihenhäu ser nur an förderbare Personen überlassen werden dürfen.43 Einer Gleichhaltung in Aufgabenstellung und Beaufsichtigung bedarf es nicht. Die steuerrechtlichen Begünstigungen und staat lichen Subventionen für gemeinnützige Bauverei nigungen dürfen nicht unterschätzt werden. Sie werden damit begründet, dass in der Vergangen heit allein die genossenschaftliche Organisation der Bauvereinigungen nicht geeignet war, die nö tige finanzielle Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Erst diese beiden Unterstützungsinstrumente sol len den Aufschwung des gemeinwirtschaftlichen Wohnungswesens ermöglicht haben.44 Damit wird die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch eine Landesregierung nach § 1 Abs 1 WGG zur zentralen Voraussetzung, um diese Privilegien – das Steuer privileg und das Privileg der Wohnbauförderung – nutzen zu können. Steuerprivilegien und Wohnbauförderung kom men aber nicht allen Bauunternehmen zu, insbe sondere gewerbliche Bauunternehmen sind – in un terschiedlichem Maße – davon ausgeschlossen. Und gemeinnützig können nur solche Bauvereinigungen werden, die ihren Sitz im Inland haben und auch nur dann, wenn ein Bedarf besteht. Nur in wenigen Bundesländern sind auch Bauvereinigungen aus dem EU-Ausland förderfähig. Die Maßnahmen sind also selektiv, was die Frage aufwirft, ob diese Son derstellung der gemeinnützigen Bauvereinigungen mit den Binnenmarktvorschriften des Unionsrechts vereinbar ist. II. Gemeinnützige Bauvereinigungen im Binnenmarkt A. Gemeinnützige Bauvereinigungen: wirtschaftliche Angelegenheit und Unternehmenseigenschaft Die Europäische Union hat keine wohnungspoliti sche Kompetenz. Daraus allein darf aber noch nicht
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§ 3 Abs 1 Z 2 und Abs 2 NÖ WBFG; vgl auch § 9 Abs 3 Bgl WBFG. 43 § 7 Abs 1 Z 2 OÖ WBFG. 44 Funk (FN 23) 330. 42
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der Schluss gezogen werden, dass die nationale Wohnungspolitik vom Recht der Europäischen Uni on freigestellt ist. Soweit eine Angelegenheit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, muss eine staatliche Regelung mit Unionsrecht vereinbar sein, insbesondere mit dem Diskriminierungsverbot, den Grundfreiheiten und den anderen Wettbewerbsvor schriften des Binnenmarkts.45 1. Wohnungsgemeinnützigkeit als System sozialer Sicherheit? Der gemeinnützige Wohnungssektor ist von den Binnenmarktregeln nicht schon deshalb ausgenom men, weil es sich um eine „soziale Angelegenheit“ handelt. Zunächst war der EuGH zurückhaltend was die Einbeziehung sozialer Angelegenheiten in das Binnenmarktsystem betraf. In „Sodemare“ im Jahr 1997 hatte er noch entschieden, dass eine staatliche Regelung, die eine Beteiligung an einem System der Sozialhilfe – i.c. den Bau für Wohnheime für Senioren – auf private Wirtschaftsunternehmen beschränkt, die keinen Erwerbszweck verfolgen, von den Binnenmarktvorschriften freigestellt ist. Der EuGH hatte auf die Befugnis der Mitgliedstaa ten verwiesen, ihre Systeme der sozialen Sicher heit auszugestalten sowie darauf, dass das dem Fall zugrundeliegende System auf dem Grundsatz der Solidarität beruhte. Das System sollte vorrangig denjenigen beistehen, „die wegen unzureichender Familieneinkünfte, der vollständigen oder teilweisen Unmöglichkeit, sich selbst zu versorgen, oder der Gefahr der Marginalisierung bedürftig sind, und nur in den Grenzen, die sich aus der Kapazität der Einrichtung und verfügbaren Mittel ergeben, auch anderen Personen, die aber nach Maßgabe ihrer finanziellen Situation entstehenden Kosten gemäß Tarifen zu tragen haben, die sich nach ihren Familieneinkünften richten“. Maßgebend für den EuGH war auch der „gegenwärtige Stand des Gemeinschaftsrechts“.46 Der österreichische gemeinnützige Wohnungs bau ist aber kein „System der Sozialhilfe“ in diesem Sinne. Er zielt nicht vorrangig auf Bedürftige ab. Vor allem hat sich der „Stand des Gemeinschaftsrechts“ inzwischen fortentwickelt. Eine soziale Angelegen heit ist nicht grundsätzlich von den Binnenmarkt regeln ausgenommen. Die unionsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften Art 106, 107 ff AEUV finden auf gemeinnützige Bau vereinigungen Anwendung, wenn es sich bei ihnen um Unternehmen handelt. Im Unionsrecht ist ein Unternehmen jede eine wirtschaftliche Tätigkeit 45 Grundlegend etwa EuGH v 2.2.1989, Rs 186/87 (Cowan) Rn 19 zu Angelegenheiten des Strafrechts. 46 EuGH v 17.6.1997, Rs C-70/95 (Sodemare) Rn 29.
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ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechts form und der Art ihrer Finanzierung.47 Nach stän diger Rechtsprechung ist eine wirtschaftliche Tä tigkeit jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt an zubieten.48 Eine gemeinnützige Bauvereinigung iSd § 1 Abs 1 WGG ist ein Unternehmen iSd Unions rechts, weil sie wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt. Es werden Wohnungen und Häuser errichtet und auf dem Wohnungsmarkt angeboten. Nicht-wirtschaftliche Angelegenheiten sind vor allem solche, die per se dem Staat vorbehalten sind, insbesondere staatliche Kernaufgaben. Auch soziale Angelegenheiten können darunter fallen. Der EuGH hat diese Fallgruppe für Versicherungsanstalten ent wickelt und bestimmte Voraussetzungen aufgestellt: Die betreffende Einrichtung muss auf dem Grund satz der Solidarität beruhen, mit Zwangsmitglied schaft verbunden sein und es darf keine Gewinner zielungsabsicht bestehen.49 Weitere Kriterien sind, ob das System rein soziale Zwecke verfolgt,50 ob Leistungen unabhängig von abgeführten Beiträgen gewährt werden,51 ob sich die Leistungen proportio nal zu den Einkünften des Versicherten verhalten52 und ob das System vom Staat kontrolliert wird.53 Entscheidend ist die Beurteilung, ob die betreffen de Einrichtung nach dem Solidaritätsprinzip oder nach dem Kapitalisierungsprinzip organisiert ist.54 Das Solidaritätsprinzip beherrscht das Woh nungsgemeinnützigkeitsrecht nicht, jedenfalls nicht durchgehend. Zwar können bei der Verwaltung be stimmter Objekte Überschüsse erzielt werden, die für die Finanzierung in strukturschwachen Regio nen verwendet werden können,55 keine gemein nützige Bauvereinigung ist aber zu einer solchen Querfinanzierung verpflichtet. Und auch der Preis für eine Immobilie wird individuell nach ihrem Wert berechnet,56 eine besondere Solidarität – sofern sie überhaut nicht nur ethisch besteht57 – zwischen EuGH v 23 4.1991, Rs C-41/90 (Höfner & Elser) Rn 21. 48 EuGH v 12.9.2000, Rs C-180/98 (Pavlov) Rn 75. 49 EuGH v 17.2.1993, Rs C-159/91 (Poucet und Pistre) Rn 8 50 EuGH v 22.1.2002, Rs C-218/00 (INAIL) Rn 45. 51 EuGH v 17.2.1993, Rs C-159/91 (Poucet und Pistre) Rn 15 f. 52 EuGH v 22.1.2002, Rs C-218/00 (INAIL) Rn 40. 53 EuGH v 17.2.1993, Rs C-159/91 (Poucet und Pistre) Rn 14. 54 EuGH v 12.9.2000, Rs C-180/98 (Pavlov) Rn 114. 55 Vgl KPMG Austria, Studie über die wirtschaftliche Situation der Gemeinnützigen Bauvereinigungen in Öster reich (2010) 3 zur Rechtfertigung von Pauschal sätzen. 56 Vgl § 13 Abs 1 WGG. 57 So Ludl, Die österreichische Wohnbaugenossenschaft, in: Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 264. 47
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den Kunden, die denen sozialer Versicherungssys teme vergleichbar ist, gibt es nicht. Insofern ist es konsequent, dass eine gemeinnützige Bauverei nigung nicht genossenschaftlich organisiert sein muss – ob die genossenschaftlichen Prinzipien bei den großen Wohngenossenschaften überhaupt noch zur Geltung kommen, lässt sich zudem bezweifeln58 –, altruistisch jedenfalls sind die Ziele der gemein nützigen Bauvereinigungen nicht. Zweck dieser Un ternehmensform ist der „schlichte wirtschaftliche Vorteil der Genossenschaftsmitglieder“.59 Deshalb schließt allein die Gemeinnützigkeit einer Bauverei nigung ihren wirtschaftlichen Charakter noch nicht aus.60 2. Gemeinnützige Bauvereinigungen als Unternehmen Worauf es ankommt ist, ob die Tätigkeiten einer gemeinnützigen Bauvereinigung auch von anderen Unternehmen erbracht werden können. Ein Indiz dafür ist, ob die betreffende Einrichtung funktional im Wettbewerb mit anderen Unternehmen steht.61 Das ist bei gemeinnützigen Bauvereinigungen der Fall. Sie stehen in unmittelbarer Konkurrenz zu pri vaten Wohnungsbauunternehmen, Baugesellschaf ten, anderen Immobilienunternehmen und auch Privatpersonen, die Immobilien, errichten, verkau fen, vermieten oder sanieren.62 Das Kostendeckungsprinzip, wie es das Wohnungs gemeinnützigkeitsrecht prägt, steht der Unterneh menseigenschaft der gemeinnützigen Bauvereini gungen nicht entgegen. Für die Anwendbarkeit der Binnenmarktregeln kommt es nicht darauf an, ob die gemeinnützigen Bauvereinigungen gegründet wurden, um Gewinne zu erzielen.63 Gemeinnützi ge Bauvereinigungen haben nach § 13 Abs 1 WGG für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung etc ein angemessenes Entgelt zu vereinbaren, das nicht höher, aber auch nicht niedriger angesetzt werden darf, als es zur Deckung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung ihrer Baulichkeiten und un ter Berücksichtigung eines gerechtfertigten Kosten deckungsbetrags, der für die Wirtschaftsführung sowie für eine ordnungsgemäße Bildung von Rück Bauer (FN 14) 20, 25. Ludl (FN 57) 263, 265 in Bezug auf Wohngenossenschaften. 60 Europäische Kommission, State aid No E 2/2005 and N 642/2009 – The Netherlands Existing and special project aid to housing corporations, rec 12. 61 Storr, in: Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht 3 (2011) 362. 62 Vgl auch Europäische Kommission (FN 60) rec 12. 63 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleis tungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, ABl 2012 C 8/4 Rn 9 v 11.1.2012. 58
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lagen erforderlich ist. Aber Kostendeckung bedeutet nicht Gewinnverzicht64, Gewinne dürfen und müs sen auch erzielt werden, damit Rücklagen gebildet werden können. Das Gesetz beschränkt nur die Ge winnausschüttung (§ 10 WGG). Deshalb trennt auch das Prinzip der Vermögens bindung die gemeinnützigen Bauvereinigungen nicht vom Binnenmarkt. Es mag schon sein, dass die Gewinnmaximierung der Eigentümer durch einen Teilverzicht am erwirtschafteten Vermögen außer Kraft gesetzt ist, die Erbringung einer wirt schaftlichen Leistung ist damit aber nicht unter geordnet. Im System der gemeinnützigen Bauver einigungen gelten nur in einem untergeordneten Umfang „kapitalistische Verteilungs- und Organi sationsprinzipien“, „jenseits staatlicher Sozial- und Vorsorgepolitik“65 stehen sie nicht. Und auch als „System“ kann das österreichische Wohngemeinnützigkeitswesen nicht von unions rechtlichen Wettbewerbsregeln abgeschottet wer den.66 Gemeinnützige Bauvereinigungen und andere Bauunternehmen stehen im Wettbewerb miteinan der.67 Selbst die Monopolisierung eines Wirtschafts sektors schließt die Binnenmarktregeln nicht aus, im Gegenteil ist dies vielmehr ein erheblicher Ein griff in den Binnenmarkt.68 Insofern ist die Formu lierung eines „dritten Weges“ der Wohngemeinnüt zigkeitswirtschaft für das nationale Vorstellungsbild greifbar, für die unionsrechtliche Rahmenordnung ist die „Gemeinschaft im sozialen Sinn“ auch ein „wirtschaftliches Unternehmen“.69 Die genannten Privilegierungen, Steuervortei le und Wohnbauförderung, können auf den inner gemeinschaftlichen Handel Auswirkungen haben. Gemeinnützige Bauvereinigungen sind nicht auf die örtliche Ebene beschränkt. Die Kommission hat die Förderung von Unternehmen nur in Ausnahmefäl len auf die lokale Ebene beschränkt gesehen, wie bei Schwimmbädern, örtlichen Krankenhäusern, örtlichen Museen oder lokalen Kulturveranstaltun gen, wenn diese Einrichtungen im wesentlichen durch die örtliche Bevölkerung genutzt werden.70 Mit diesen Fallgruppen sind gemeinnützige Bauver einigungen aber nicht vergleichbar. Erstens ist der Geschäftskreis der gemeinnützigen Bauvereinigun gen nicht auf die lokale Ebene beschränkt, sondern
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Vgl aber Funk (FN 23) 329, 339. Bauer (FN 14) 20, 22. 66 Weshalb gemeinnützige Bauunternehmen nicht mit Unternehmen des gewerblichen Sektors der Bauwirtschaft in Konkurrenz treten sollen, Holoubek (FN 22) 345, 350. 67 Holoubek, Verfassungsrechtliche Grundlage des Wohnrechts, wobl 2000, 345, 349. 68 Storr, Der Staat als Unternehmer (2001) 303. 69 Ludl (FN 57) 263, 264. 70 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften (FN 63) Rn 40. 64 65
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kann das Landes-, sogar das gesamte Bundesgebiet einbeziehen. Zweitens besteht deshalb mehr als bei den genannten örtlichen Einrichtungen die Gefahr, dass Zuwendungen für Quersubventionierungen verwendet werden können. Und schließlich stehen gemeinnützige Bauvereinigungen im unmittelbaren Wettbewerb mit international tätigen Immobilien unternehmen. B. Gemeinnützige Bauvereinigungen als Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse? 1. Gemeinnützige Bauvereinigungen im Anwen dungsbereich des Art 106 AEUV Art 106 AEUV untersagt den Mitgliedstaaten in Be zug auf öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den europäischen Verträgen, ins besondere Art 18, 101 bis 109 AEUV widerspre chende Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Gemeinnützige Bauvereinigungen können öf fentliche Unternehmen sein, nämlich dann, wenn sie von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Durch die konzessionsgleiche Anerkennung der Gemeinnützigkeit können gemeinnützige Bauver einigungen auch als Unternehmen mit ausschließ lichen, jedenfalls mit besonderen Rechten qualifi ziert werden. Besondere Rechte sind Rechte, die ein Mitgliedstaat durch Rechts- oder Verwaltungs vorschriften einer begrenzten Zahl von Unterneh men in einem bestimmten Gebiet gewährt, wenn der Staat entweder − die Zahl dieser Unternehmen auf zwei oder meh rere Unternehmen begrenzt, ohne sich dabei an objektive, angemessene und nicht diskriminie rende Kriterien zu halten, um eine Leistung zu erbringen oder eine Tätigkeit zu betreiben, oder − mehrere konkurrierende Unternehmen nach an deren als solchen Kriterien bestimmt, um eine Leistung zu erbringen oder eine Tätigkeit zu be treiben, oder − einem oder mehreren Unternehmen nach an deren als solchen Kriterien durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften besondere Vorteile ein räumt, die die Fähigkeit anderer Unternehmen, die gleiche Tätigkeit in demselben Gebiet unter gleichen Bedingungen zu leisten, wesentlich be einträchtigen.71 Bei gemeinnützigen Bauunternehmen können alle drei Alternativen vorliegen. Insbesondere im pliziert eine Bedarfsprüfung eine Beschränkung der Zahl der Unternehmen auf einem Markt, wobei das Erfordernis eines Sitzes im Inland grundsätzlich 71
Art 2 lit g Richtlinie 2006/111/EG (FN 7).
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eine diskriminierende Voraussetzung ist. Steuerpri vileg und Wohnbauförderung stellen grundsätzlich eine Beihilfe iSv Art 107 AEUV dar und sind geeig net, den Wettbewerb mit anderen Wohnbauunter nehmen zu verfälschen. Das kann sich anders darstellen, wenn die Zu wendung eine sog de minimis-Beihilfe ist – was im konkreten Einzelfall festgestellt werden muss – oder wenn eine Zuwendung lediglich eine ange messene Gegenleistung für eine von den gemein nützigen Bauvereinigungen erbrachte Leistung ist. In vielen Fällen ist eine Förderung einer gemein nützigen Bauvereinigung mit Auflagen verbunden, durch deren Einhaltung der wirtschaftliche Vorteil für die Bauvereinigung wieder kompensiert wird.72 Zuschüsse können auch nach Art 106 Abs 2 AEUV gerechtfertigt sein, wenn die gemeinnützigen Bau unternehmen beauftragt sind, eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu er bringen. 2. Freistellung von der Notifizierungspflicht nach Maßgabe der „Altmark-Rechtsprechung“ des EuGH a. Die „Altmark-Rechtsprechung“ Nach Maßgabe der EuGH Entscheidung „Altmark“ sind öffentliche Zuschüsse nicht als Beihilfe zu qua lifizieren, soweit sie als Ausgleich anzusehen sind, die die Gegenleistung für Leistungen darstellt, die von den begünstigten Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden. Für die Anwendung dieses Kriteriums müs sen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: − Erstens ist das begünstigte Unternehmen tat sächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftli cher Verpflichtungen betraut worden, und diese Verpflichtungen sind klar definiert worden; − zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden; − drittens geht der Ausgleich nicht über das hi naus, was erforderlich ist, um die Kosten der Er füllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtun gen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken; − viertens ist die Höhe des erforderlichen Aus gleichs, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Ver pflichtungen betraut werden soll, nicht im Rah men eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher 72 KPMG Austria, Studie über die wirtschaftliche Situation der Gemeinnützigen Bauvereinigungen in Österreich (2010) 7.
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Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analy se der Kosten bestimmt worden, die ein durch schnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestat tet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaft lichen Anforderungen genügen kann, bei der Er füllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.73 Erst jüngst hat die Kommission im Beschluss 2012/21/EU über die Anwendung von Artikel 106 Abs 2 AEUV auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Un ternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleis tungen von allgemeinem wirtschaftlichem Inter esse betraut sind, diese Voraussetzungen näher bestimmt. Danach besteht für die Mitgliedstaaten bei der Vergütung einer Erbringung bestimmter Sozialdienstleistungen – insbesondere auch für die Bereitstellung von sozialem Wohnraum – keine An meldepflicht iSv Art 108 Abs 3 AEUV. Nach Art 4 dieses Beschlusses muss in dem Übertragungsakt aber Folgendes festgelegt sein: a) Gegenstand und Dauer der gemeinwirtschaftli chen Verpflichtungen; b) das Unternehmen und gegebenenfalls das betref fende Gebiet; c) Art etwaiger dem Unternehmen durch die Bewil ligungsbehörde gewährter ausschließlicher oder besonderer Rechte; d) Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, e) Überwachung und Änderung der Ausgleichsleis tungen; f) Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforde rung von Überkompensationszahlungen und g) ein Verweis auf den Beschluss 2012/21/EU. b. „Social housing“ als eine Dienstleistung von allge meinem wirtschaftlichem Interesse Es ist unbestritten, dass sozialer Wohnbau („social housing“) eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sein kann.74 Keineswegs geklärt ist aber, wie sozialer Wohnbau zu definieren ist und wer und in welchem Umfang die Defintions macht hat.75 73 EuGH v 24.7.2003, Rs C-280/00 (Altmark Trans) Rn 95. 74 Kahl (FN 3) 329, 334. 75 Grundlegend zu dieser Frage Storr, Europäische Wirtschaftsverfassung und Daseinsvorsorge, in: Fastenrath/Nowak, Der Lissabonner Reformvertrag (2009) 219 ff; Schorkopf, Das Protokoll über die Dienste von allgemeinem Interesse und seine Auswirkungen auf das öffentliche Wettbewerbsrecht, in: Bungenberg/Huber/
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Zurückhaltend ist in der Europäischen Grund rechtecharta geregelt:76 „Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.“ Das heißt aber nicht, dass Wohnungspolitik in der Union auf „ein Dach über dem Kopf“ begrenzt sein muss.77 Die Grundrechtecharta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeit der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union und sie ändert auch nichts in den von den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.78 „Nach wie vor“ – so die Kommission jüngst79 (und vielleicht auch süffisant) – verfügen die Mit gliedstaaten über einen Ermessensspielraum, wie sie Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftli chem Interesse definieren, organisieren und finan zieren wollen. Bislang überwachte die Kommission lediglich, ob keine offenkundigen Fehler vorlagen sowie ob wettbewerbsbeeinträchtigende Maßnah men erforderlich waren.80 aa. Neuorientierung der Unionskompetenzen im Bereich der Daseinsvorsorge durch den Vertrag von Lissabon Mit dem Vertrag von Lissabon ist die Sozialstaat lichkeit der EU gestärkt worden. Der Binnenmarkt ist nicht mehr „nur“ und vordringlich einer „offe nen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Art 4 Abs 1 EG) verpflichtet, sondern wirkt auf eine „so ziale Marktwirtschaft“ hin (Art 3 Abs 3 EUV), die auch auf „sozialen Fortschritt“ abzielt. Dem ent spricht auch eine staatliche Wohnungspolitik, die „leistbaren“ Wohnraum für alle ermöglichen soll. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden durch Art 14 AEUV und das Protokoll Nr 26 über Dienste von Streinz, Daseinsvorsorge und öffentliches Beschaffungswesen nach dem Lissabonner Vertrag (2011) 35 ff; vor dem Lissabonner Vertrag Storr, Zwischen überkommender Daseinsvorsorge und Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, DÖV 2002, 357 ff. 76 Art 34 Abs 3 EUGrCh. 77 Ein „Recht“ auf Wohnung gibt es in einigen deutschen Landesverfassungen; zurückhaltender Art 16 Thüringer Verfassung: „Das Land und seine Gebietskörperschaften sichern allen im Notfall ein Obdach.“ 78 Art 51 Abs 2 EUGrCh. 79 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften (FN 63) Rn 37. 80 Storr , DÖV (FN 75) 364 f.
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allgemeinem Interesse die Kompetenzen von Uni on und Mitgliedstaaten neu abgestimmt. Union und Mitgliedstaaten tragen im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich der Verträge dafür Sorge, dass Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher und finanzieller Art, für das Funktionieren dieser Dienste so gestal tet sind, dass diese ihren Aufgaben nachkommen können. Obgleich Parlament und Rat diese Grundsät ze und Bedingungen durch Verordnungen festle gen sollen, hat die Kommission beschlossen, sich künftig „verstärkt um die Förderung der Qualität im Bereich der Sozialdienstleistungen“ zu bemü hen.81 Zwar gehört ein „hohes Niveau in Bezug auf Qualität“82 zu den gemeinsamen Werten der Union, wenn es aber die Kommission ist, die die Qualität der Dienstleistungen definiert, ist es auch sie, die den Inhalt einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse festlegen kann. bb. Der neue Maßstab der Kommission für „social housing“ Genau das scheint künftig der Fall zu sein. In einer Mitteilung vom 20. Dezember 2011 propagiert die Europäische Kommission einen „Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“.83 Art 14 AEUV freilich spricht eher dafür, dass die Kommission konkrete Qualitätsanforderungen nicht stellen kann.84 Dennoch wird jedenfalls der politische Druck auf die Mitgliedstaaten erhöht: In einem vom Social Protection Committee ausgear beiteten „Voluntary European Quality Framework for Social Services“,85 auf das die Kommission in der genannten Mitteilung ausdrücklich verweist,86 wird „social housing“ als eine Sozialleistung bezeichnet, „provided… for disadvantaged citizens or socially less advantaged groups“, die aber „directly to the person“ („person-centered“) zu gewähren ist. Vo rausgesetzt wird eine „vulnerable position“.87 Tatsächlich sind diese Anforderungen keineswegs „freiwillig“: Bereits in einer Entscheidung betref
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fend Beihilfen zugunsten niederländischer Wohn bauunternehmen im Jahr 2009 führte die Kommis sion aus, dass sie genau diese Anforderungen für angezeigt hält: „Limitation of social housing to a clearly defined target group of disadvantaged citi zens or socially less advantaged groups“.88 In dem schon genannten Beschluss 2012/21/EU bezieht die Kommission die Befreiung von der Anmeldepflicht auf Unternehmen, die mit der Erbringung von So zialdienstleistungen betraut sind und „Wohnraum für benachteiligte Bürger oder sozial schwächere Bevölkerungsgruppen bereitstellen, die nicht die Mittel haben, sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Unterkunft zu beschaffen…“.89 cc. Die Übertragung der „Altmark“-Kriterien auf das System des gemeinnützigen Wohnungsbaus Überträgt man diese Anforderungen auf gemeinnüt zige Bauvereinigungen, wird schnell deutlich, dass sie nicht erfüllt werden. Zunächst ist die Zurverfü gungstellung von Wohnraum durch gemeinnützige Bauvereinigungen nicht auf „benachteiligte Bür ger“ oder „sozial schwächere Personenkreise“90 beschränkt, sondern soll auch dem „durchschnitt lichen Wohnungssuchenden“ und der „Durch schnittsfamilie“91 offen stehen, ist sozusagen „mittel standsgerichtet“.92 Außerdem sind die besonderen Dienstleistun gen nicht, wie mit dem ersten Kriterium gefor dert, „klar“ definiert. Die gemeinnützigen Bauver einigungen sind zwar durch § 1 Abs 2 WGG „final programmiert“93 und diese gesetzliche Aufgaben umschreibung sowie die Geschäftskreisregelung des § 7 WGG können „strukturell wie Leistungsdefini tionen“ gelesen werden, weshalb die gemeinnützi gen Bauvereinigungen Erfüllungsverantwortung wahrnehmen,94 für eine Betrauung mit einer ge meinwirtschaftlichen Verpflichtung iSd „AltmarkDoktrin“ reicht das jedoch nicht aus. Der Gesetzge ber sieht eine Erfüllungsverpflichtung hinsichtlich Europäische Kommission (FN 60) rec 40. Tz 11 Beschluss der Kommission v 20.12.2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, K(2011) 9380 endg, 4. 90 Vgl Gutknecht, Grundprinzipien und Wohnbauförderungsrecht, in: Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 439, 454 zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nach Maßgabe des bundesverfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. 91 Ludl (FN 2) 2. 92 Kahl (FN 3) 329, 343 mit deutlicher Kritik. 93 Holoubek (FN 22) 345. 94 Korinek/Holoubek (FN 1) 53, 59. 88 89
81 Mitteilung der Kommission, Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Eu ropa v 20.12.2011, KOM(2011) 900 endg, 3. 82 Art 1, 3. SprStr Protokoll Nr 26 über Dienste von allgemeinem Interesse. 83 Mitteilung der Kommission, Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen (FN 81). 84 Vgl dazu Storr, Europäische Wirtschaftsverfassung (FN 75) 231 f. 85 Social Protection Committee, A Voluntary European Quality Framework für Social Services, SPC/2010/10/8 final. 86 Mitteilung der Kommission, Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen (FN 81) 15. 87 Social Protection Committee (FN 85) 3, 4, 6.
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der dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe des Woh nungs- und Siedlungswesens sowie einen Geschäfts kreis vor, der im Genossenschaftsvertrag, bzw Ge sellschaftsvertrag oder in einer Satzung vereinbart und von der Landesregierung genehmigt werden muss. Das Gesetz verpflichtet die gemeinnützigen Bauvereinigungen aber nicht, einen bestimmten Be darf zu erfüllen. Zudem – und das ist entscheidend – ist dieser Bedarf, der erfüllt werden soll, nicht genau bestimmt. Nichts anderes gilt für die nur abstrakt aufgegebene Baupflicht (§ 7 Abs 5 WGG). Die Parameter für die Ausgleichsberechnung sind nicht transparent geregelt. Es wird keine Finanzie rungslücke definiert, die auszugleichen ist. Die Steu erbefreiungen sind nicht auf ein konkretes Dienst leistungsangebot bezogen. Deshalb kann auch nicht festgestellt werden, ob eine Überkompensation besteht. Das gilt auch für das Wohnbauförderungs recht, weil und soweit die Förderhöhe offen ist. Zwar soll die Anmeldepflicht im Bereich des Sozi alwohnungsbaus selbst dann nicht gelten, wenn die allgemeine Obergrenze für Ausgleichsleistungen an die zu fördernden Bevölkerungsgruppen überschrit ten wird, umso bedeutsamer ist aber, dass die zu er bringende Dienstleistung „klar ausgewiesen“ ist und den Bedarf sozial schwacher Bevölkerungsgruppen deckt.95 Ein besonderes Problem stellt in diesem Zusam menhang die Objektförderung dar, die in Österreich den Regelfall bildet. Gefördert wird also nicht un mittelbar eine natürliche Person durch eine Wohn beihilfe oder eine Eigenheimförderung, sondern ein bestimmtes Bauobjekt. Zwar soll die Objekt förderung mittelbar den Wohnungsnutzern zugute kommen, weshalb geförderte Wohnungen nur an begünstigte Personen verkauft oder vermietet wer den dürfen,96 diese Voraussetzungen müssen aber nur zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Ver trages vorliegen. Spätere Entwicklungen und ver änderte Einkommensverhältnisse haben auf diese Förderung keinen Einfluss. Beim späteren Kauf ei ner Mietwohnung durch den Mieter gilt sogar der Mietvertrag als erster Vertrag.97 Damit ist aber die Voraussetzung, die die Kommission aufgestellt hat, nämlich die Förderung „directly to the person“, die in einer „vulnerable position“ ist, nicht in jedem Fall gegeben. Vor diesen europäischen Vorgaben ist der Ein wand, die österreichische Wohnungspolitik dürfe nicht isoliert und bloß als eine Form staatlicher Förderung gesehen werden, sondern müsse als Ge
samtkonzept von Wohnbauförderung, gemeinnützi ger Wohnungswirtschaft mit Gewinnbeschränkung und Vermögensbindung begriffen werden, damit Immobilienspekulation weitgehend verhindert und Mieten „leistbar“ bleiben,98 schwach: Denn vor der Prämisse eines unverfälschten Wettbewerbs ist es der Staat, der den Wettbewerb verfälscht. Indem er gemeinnützige Bauvereinigungen fördert, verzerrt er den Wettbewerb um die Herstellung „leistbaren Wohnraums“ durch den Markt. Die Förderung kann gerechtfertigt sein, muss aber nach Maßgabe der Binnenmarktregeln erfolgen. Ferner ist nicht gewährleistet, dass eine Über kompensation ausgeschlossen ist.99 Das ist nicht möglich, weil der Auftrag nicht konkret definiert und die Ausgleichsparameter nicht bestimmt sind. Zwar gibt es Vorschriften über eine Aufsicht – so muss die gemeinnützige Bauvereinigung jährlich einen Jahresabschluss und einen Lagebericht der Landesregierung, der Finanzbehörde und dem Revi sionsverband vorlegen und sich Prüfungen unterzie hen (§ 27 WGG), außerdem unterliegt die gesamte Geschäftsführung der behördlichen Überwachung (§ 29 WGG), diese zielt aber nicht darauf, Überkom pensationen festzustellen und ggf. zurückzufordern. Nicht ausreichend ist die Beschränkung der Förderung durch Steuerbefreiung wie sie das Kör perschaftssteuergesetz vorsieht, weil die Steuerbe freiung nicht mehr gilt, wenn die Bauvereinigung Geschäfte außerhalb der in § 7 Abs 1 bis 3 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes bezeichneten Art tätigt, wenn sie also außerhalb ihres genehmig ten Geschäftskreises tätig wird (§ 6a Abs 1 KStG). Rücklagen, die nicht binnen fünf Jahren verwendet werden, sind im fünften Wirtschaftsjahr gewinner höhend aufzulösen (§ 6a Abs 5 KStG). Schließlich müssen die gewährten Ausgleichs leistungen im Sinne des vierten Kriteriums ent weder durch eine öffentliche Ausschreibung be stimmt sein, durch die festgestellt wurde, welcher Dienstleistungserbringer die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringt, oder nach Maßgabe einer Analyse der Kosten, die ein gut geführtes und um den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderun gen zu genügen angemessen mit Mitteln ausgestat tetes Unternehmen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.100 Die Bedarfsprüfung nach § 3 Abs 2 WGG ist aber nicht mit einem öffentlichen Ausschreibungs
Erwägungsgrund 11 und Art 2 Abs 1 lit c Beschluss der Kommission v 20.12.2011 (FN 89); s auch Europäische Kommission, State aid No N 209/2001 – Ireland Guarantee for borrowings of the Housing Finance Agency. 96 § 8 Abs 1 und Abs 3 Stmk WFG. 97 § 8 Abs 5 Stmk WFG.
98 Ludl (FN 2) 10; vgl a Kahl (FN 3) 329, 342, der erheblichen Rechtfertigungsbedarf sieht. 99 Ebenso Kahl (FN 3) 329, 342. 100 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften (FN 63) Rn 62.
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verfahren verbunden und ob ein Kostenanalyse im Sinne der EuGH-Judikatur erfolgt, kann nicht ab schließend beurteilt werden. Eine bloß subjektive Einschätzung der Mitgliedstaaten bzw ihrer Behör den ist jedenfalls nicht geeignet, diese Anforderung zu erfüllen.101
sowie der Zuweisungsbeschränkung nach Maßgabe der Erforderlichkeit fehlt es.
3. Rechtfertigung einer Förderung gemeinnütziger Bauvereinigungen unmittelbar aufgrund Art 106 Abs 2 AEUV
Wenn die Beihilfen nicht über Art 106 Abs 2 AEUV gerechtfertigt werden können, besteht die Möglich keit, sie auf Art 107 Abs 2 und Abs 3 AEUV zu stüt zen. In der Vergangenheit hat die Kommission Bei hilfen zur Wohnbauförderung „problematischer Gebiete“ auf der Grundlage von Art 107 Abs 3 lit a und c AEUV genehmigt, also zur Förderung der wirt schaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder erhebliche Unterbeschäftigung herrscht bzw zur Entwicklung gewisser Wirtschaftsgebiete;103 aber die Voraussetzungen für Regionalbeihilfen liegen in Österreich nicht grundsätzlich vor. Die Förderung zur Errichtung von Wohnungsei gentum hat die Kommission auf der Grundlage von Art 107 Abs 3 lit c AEUV genehmigt und in den kon kreten Fällen ua hervorgehoben, dass Maßnahmen gegen eine Überkompensation geregelt waren und Förderungen nach Maßgabe der Bedürftigkeit zu geteilt und Aufträge nach Wettbewerbsgrundsätzen vergeben wurden.104 Nahe liegt die Genehmigung einer Förderung nach Art 107 Abs 2 lit a AEUV, dh als Beihilfe so zialer Art an einzelne Verbraucher. Es ist zwar um stritten, ob mittelbare Förderungen unter Art 107 Abs 2 lit a AEUV subsumiert werden können,105 doch selbst wenn man davon ausgeht, kann diese Beihilfenausnahme nur einschlägig sein, wenn auch gewährleistet ist, dass eine Förderung nur sozial Be dürftigen zugute kommt. Das ist nicht der Fall bei pauschalierten Zuweisungen an Unternehmen in Form von Steuerprivilegien und Objektförderun gen, bei denen nicht festgestellt werden kann, ob tatsächlich bestimmte Personen unterstützt wer den. Jedenfalls darf eine Beihilfe nicht diskriminie rend vergeben werden. Tatsächlich werden gemein nützige Bauvereinigungen aber besonders gefördert
Der Umstand, dass eine Förderung nach Maßgabe der Altmark-Doktrin und den Beschluss 2012/21/EU nicht legitimiert werden kann, bedeutet noch nicht ihre Unzulässigkeit. In diesem Fall können staatli che Beihilfen von der Kommission (unmittelbar) für mit Art 106 Abs 2 AEUV vereinbar erklärt werden, wenn sie für die Erbringung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erfor derlich sind und die Entwicklung des Handelsver kehrs nicht in einem Maße beeinträchtigt wird, das dem Interesse der EU zuwiderläuft. Aber auch dann muss die betreffende Dienstleis tung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse „echt“ und „genau abgesteckt“ sein, der Bedarf soll te an Hand einer „öffentlichen Konsultation oder anderer angemessener Mittel genau ermittelt“ sein, im Betrauungsakt müssen die Verpflichtungen zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen und die Methoden zur Berechnung der Ausgleichsleis tungen festgelegt sein, der Betrauungszeitraum muss bestimmt sein, die Transparenzrichtlinie 2006/111/EG muss beachtet werden – dh insbeson dere muss die Buchführung strikt getrennt werden, um Quersubventionierungen zwischen geförderten Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und anderen Tätigkeiten zu verhindern –, bei der Betrauung müssen die Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen eingehalten werden, insbesondere die Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung und die Höhe der Ausgleichsleistung darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Netto kosten einschließlich eines angemessenen Gewinns zu decken.102 Insbesondere an der genauen Festlegung der Dienst leistung von allgemeinem wirtschaftlichem Inter esse, der Bedarfsprüfung und Auftragszuweisung nach Maßgabe der Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung
101 Bartosch, Sozialer Wohnungsbau und europäische Beihilfenkontrolle, EuZW 2007, 559, 564. 102 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften (FN 63) Rn 12, 14, 16, 17, 18, 19, 21.
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C. Rechtfertigung einer Förderung gemeinnütziger Bauvereinigungen nach Maßgabe des Art 107 Abs 2 und 3 AEUV
103 ZB Europäische Kommission, State aid No N 342/ 2008 – Czech Republic Housing and Social Programme for problematic districts. 104 Europäische Kommission, State aid No N 239/02 – United Kingdom “Partnership Support for Regeneration”; Europäische Kommission, State aid No N 293/2006 – United Kingdom Partnership Support for Regeneration – Extension of N 239/2002; Europäische Kommission, State aid No N 497/2001 – United Kingdom (Scotland) Grants for Owner Occupation. 105 Storr (FN 61) 431.
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und andere, mit diesen in Wettbewerb stehende Bauunternehmen von einer Förderung ausgeschlos sen. Gemeinnützige Bauvereinigungen müssen ih ren Sitz im Inland haben, weshalb ausländische (ge werbliche oder gemeinnützige) Bauunternehmen nicht, jedenfalls nicht in gleichem Maße gefördert werden. Eine Diskriminierung kann auch darin lie gen, dass andere inländische Bauunternehmen von einer Förderung ausgeschlossen werden. Ein sach licher Differenzierungsgrund für diese Diskriminie rungen ist nicht unmittelbar ersichtlich. III. Abschließende Überlegung Mit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in Österreich ist ein besonderes Wirtschaftssystem entwickelt worden, weil Aufgaben, die auch im In teresse des Staates sind, von privaten, gesellschaft lichen Kräften nach Maßgabe besonderer Prinzipi en wahrgenommen werden. Der Staat macht sich private Initiative zunutze, stellt ihr eine besondere Rechtsordnung zur Verfügung und unterstützt sie. Aber im Unionsrecht gibt es keinen „dritten Sektor“ „zwischen“ Staat und Markt. Was in heutiger Termi nologie als Beispiel gelungener Zivilgesellschaft gel ten kann, muss auch mit Unionsrecht, insbesondere Unionswettbewerbsrecht vereinbar sein. Diese Überlegungen bedeuten nicht, dass das Konzept des gemeinnützigen Wohnungswesens auf gegeben werden muss und das österreichische Mo dell damit gescheitert ist. Im Gegenteil dürfte dieses Konzept grundsätzlich Zukunft haben und ausbau fähig sein, es müsste dazu aber modifiziert werden. Ein Weg könnte darin liegen, die gemeinnützi gen Bauvereinigungen mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu betrau en. Die Zurverfügungstellung von preisgünstigem Wohnraum für bedürftige Personen, dh solchen, die sich auf dem freien Wohnungsmarkt keine Woh nung mit „normaler Ausstattung“ leisten können, kann und darf geschützt und gefördert werden. Die staatliche Förderung und die Verzerrung des Wett bewerbs darf aber nur soweit gehen, wie dies erfor derlich ist, damit diese Dienstleistung von allgemei nem wirtschaftlichem Interesse tatsächlich gewährt werden kann. Liegt der besondere Auftrag darin, preisgünstigen Wohnraum für förderungsbedürftige Personen zu vermieten oder an diese zu verkaufen, dürfen die gemeinnützigen Bauvereinigungen eine besondere Förderung nicht für andere Wohnungs nutzer lukrieren.106 Der Republik kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Festlegung des Personenkreises, der geför 106 Zur Verfassungsmässigkeit einer Änderung von Altverträgen Holoubek, Verfassungsrechtliche Grundlage des Wohnrechts, wobl 2000, 345, 350.
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S. Storr · Wohnungsgemeinnützigkeit im Binnenmarkt
dert werden kann, zu. Ob die Kriterien der Kommis sion den primärrechtlich gewährleisteten Gestal tungsspielraum der Mitgliedstaaten nicht zu sehr schmälern wird noch durch den EuGH entschieden werden müssen. Jedenfalls akzeptierte die Kommis sion in einer Entscheidung zu Beihilfen zugunsten niederländischen Wohnbauunternehmen im Jahr 2009 eine Definition von bedürftigen Personen, de ren Einkommen € 33.000,– nicht überstieg. Diese Voraussetzungen erfüllten ungefähr 43 % der nie derländischen Bevölkerung. Die maximale Förde rung sollte sich auf € 647,53 belaufen und jährlich angepasst werden, 90 % der Wohnungen sollten för derungsbedürftigen Personen zur Verfügung gestellt werden, die anderen 10 % nach Maßgabe objektiver Kriterien und sozialer Priorität.107 Schon aus Gründen der Praktikabilität der Auf sicht liegt es dann auch nahe, die staatliche Objekt förderung aufzugeben und auf eine direkte Förde rung bedürftiger Mieter und Eigentümer umzustellen (Wohnbeihilfe). Nicht finanzierbar, aber auch nicht pragmatisch dürfte es sein, Steuervorteile und Wohn bauförderung auf alle Immobilienunternehmen aus zudehnen. Eine Beauftragung von Bauunternehmen mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaft lichem Interesse muss zudem nach transparenten und nicht-diskriminierenden Kriterien erfolgen, Überkompensationen müssen vermieden werden und der Ausgleichsmechanismus muss nach zuvor bestimmten Kriterien festgelegt sein. Korrespondenz: Univ.-Prof. Dr. Stefan Storr, Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichen des Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Ver waltungslehre an der Universität Graz, Universitäts straße 15, A-8010 Graz;
[email protected]
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Europäische Kommission (FN 60) rec 41.
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