Mitteilungen des BDI Berufsverband Deutscher Internisten e. V. Schöne Aussicht 5 D-65193 Wiesbaden Tel. 06 11/181 33 0 Fax 06 11/181 33 50
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Internist 2006 · 47:M211–M218 DOI 10.1007/s00108-006-1711-y © Springer Medizin Verlag 2006 Redaktion W. Wesiack, Hamburg
Inhalt Man könnte ja vielleicht darüber lachen ...
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Allianz deutscher Ärzteverbände: Wo bleibt die versprochene Freiheit?
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DMP: Die Barmer überschreitet ihre Befugnisse
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Bundesgerichtshof: Gericht verschärft ärztliche Aufklärungspflicht
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eCard – Innovation in Schritten Fachtagung zeigt: Es gibt noch viele Unbekannte in der Rechnung
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Stationäre Versorgung: Ethikberatung in Kliniken
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Klinische Studien: Online-Suche wird erleichtert
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Rationierung medizinischer Leistungen durch Schwellenwerte?: Novartis-Kolloquium setzt brisantes Thema auf die Agenda Seite M215 Begrüßung neuer Mitglieder
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Editorial
Man könnte ja vielleicht darüber lachen … und und und…. Seid umschlungen, ihr Millionen! Der Bürger und Wähler lässt sich aber nicht unbegrenzt für dumm verkaufen. Eins und eins ist eben nicht wie bei dieser Regierung drei sondern zwei, und zwei bleibt zwei auch nach Adam Riese. Wir, Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis, müssen wachsamer denn je jeden Schritt von Politik und Kassen verfolgen, uns nicht einlullen lassen sondern kritisch uns einmischen und uns zu Wort melden. Der BDI, der Berufsverband Deutscher Internisten, hat sich dies auf seine Fahnen geschrieben.
... wenn es nicht zum weinen wäre! Nun sind sie also da, die Eckpunkte der großen Reform, die das Gesundheitswesen Zukunftsicher machen sollen. Hart wurde gerungen, zufrieden stellen sich Frau Merkel und Herr Beck der Öffentlichkeit und loben sich selber. Von einem Merkelschen „Durchbruch“ ist die Rede und Herr Beck preist sich und die Sozialdemokratie, die sich fast überall durchgesetzt habe. Nur der nachdenkliche Leser, der Bürger, also Sie und ich, wir halten betroffen inne. So also ist das Holz, aus dem Ihr diese Koalition die Reformen Dr. med. Wolfgang Wesiack schnitzt. Mutig verständigt man Präsident sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Beitragserhö- Gründungs- und Vorstandshungen zum 1. Januar 2007 um mitglied der Allianz Deutscher 0,5, Einrichtung eines Büro- Ärzteverbände kratiemonsters namens Gesundheitsfonds und Steuerfinanzierung der Kinder ohne Steuererhöhungen in einer unbestimmten Zukunft. 0,5 Prozentpunkte Beitragserhöhung bringen der GKV Mehreinnahmen von ca. 5 Mrd. €. Das Finanzdefizit beträgt aber ca. 15 Mrd. €. Allein der ambulante Bereich ist mit 7,9 Mrd. € unterfinanziert. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Medikamente kostet ca. 900 Mill., der Bundeszuschuss beträgt 2007 nur noch 2,7 Mrd. €, der Tarifabschluss bei den Klinikärzten ist noch nicht berücksichtigt Der Internist 9 · 2006
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Allianz Deutscher Ärzteverbände Wo bleibt die versprochene Freiheit? Mit Enttäuschung und Unverständnis reagiert die Allianz Deutscher Ärzteverbände auf die Vorlage der Eckpunkte zur Reform des Gesundheitssystems. Nach monatelangem Tauziehen entpuppt sich der Reformansatz als fauler Kompromiss, der die Probleme nicht lösen wird, weil offenbar der Wille zu einer mutigen Kurskorrektur fehlt. Stattdessen wird an bestehenden schlechten Strukturen manipuliert, ohne damit das System grundlegend zu verändern. In einem falschen System bleibt jeder richtige Teilschritt dennoch ein Fehler, weil er das Grundübel fortschreibt. Die Elemente der Gesundheitsreform, die in den Eckpunkten vorgestellt wurden, werden die eklatante Unterfinanzierung des Gesundheitswesens weiter verschärfen und führen in die Staatsmedizin, anstatt Wettbewerb zu fördern, erklärt die Allianz Deutscher Ärzteverbände. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in Ihrer Regierungserklärung bei Übernahme der Regierungsgeschäfte davon, dass die Deutschen „mehr Freiheit wagen“ sollten. In der Koalitionsvereinbarung ist ausdrücklich von einer „freiheitlichen Ausrichtung des Gesundheitswesens“ die Rede. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände stellt fest, dass sich der zentrale Ansatz der Freiheit, insbesondere der freiheitlichen Eigenverantwortung der Patienten und Bürger in den Eckpunkten nicht wieder findet. Statt mehr Freiheit für Patienten, Ärzte, Kliniken und andere Akteure im System, wie Krankenkassen, weist die Tendenz des Eckpunktepapiers eindeutig in Richtung Staatsmedizin und noch mehr Bürokratie. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die Eckpunkte mit
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den Worten verteidigt, es hänge bei der Gesundheitsreform „alles mit allem zusammen“, dann muss man auch folgende Zusammenhänge festhalten: Dem ambulanten Bereich fehlen nach wie vor mindestens 7,9 Milliarden Euro, durch das Haushaltsbegleitgesetz werden im nächsten Jahr die Umsatzsteuer um drei Prozentpunkte erhöht und die gesetzlichen Krankenkassen damit um etwa 1 Milliarde Euro belastet. Gleichzeitig werden die Krankenversicherungsbeiträge für Bezieher von Arbeitslosengeld II durch das Haushaltsbegleitgesetz reduziert. Mit der Streichung der Tabaksteuer werden dem Gesundheitssystem weitere 4,2 Milliarden Euro entzogen. Die über eine Beitragserhöhung von 0,5 Prozentpunkten generierten rund 5 Milliarden Euro Mehreinnahmen werden nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Die Krankenkassen sprechen heute bereits von Beitragssatzsteigerungen von bis zu einem Prozentpunkt. Der zentrale Fehler, nämlich die fehlende Steuerung in der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen über die Patienten in Form einer direkten Vertragsbeziehung zwischen Patient und Arzt, wird nicht korrigiert, eine sinnvolle Mittelverwendung ist aber nur so gewährleistet. Solange dieser Fehler nicht behoben ist, spielt es letztlich nur eine untergeordnete Rolle, auf welche Weise die notwendigen Gelder für den neu zu schaffenden Gesundheitsfonds akquiriert werden. Mit den strukturellen Veränderungen im Bereich der Privaten Krankenversicherung wird die Axt an dieses bis dato funktionierende und erfolgreiche Geschäftsmodell gelegt. Durch eine
vereinheitlichte Gebührenordnung für den Bereich der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung und der Implementierung von Bestandteilen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung, wie Kontrahierungszwang, Standard- und Basistarif wird die Private Krankenversicherung auf kurz oder lang gleichgeschaltet. Mit der Vertragsgebührenordnung wird zwar eine zentrale Forderung der Ärzteschaft nach einer Gebührenordnung mit festen Preisen erfüllt, doch im Kern bleibt es bei einer Budgetierung durch die Hintertür, nämlich über ein Mengen-Budget. Es ist verlogen, zu behaupten, die Forderungen der Ärzteschaft nach festen Preisen seien erfüllt, wenn gleichzeitig nur ein Teil der Leistungen im Sinne eines Zwangsrabatts bezahlt werden soll. Es muss der Grundsatz gelten: was geleistet wird, muss auch angemessen vergütet werden. In einem falschen System ist und bleibt die Vertragsgebührenordnung ein falsches Konzept. Bei den strukturellen Veränderungen erkennt die Allianz durchaus auch positive Ansätze. Da die Eckpunkte jedoch nur eine politische Rahmenvorgabe sind, wird hierzu das weitere Gesetzgebungsverfahren und die Konkretisierung der Eckpunkte durch die Ministerialbürokratie abgewartet werden müssen.
Die Ärzte sind eindeutig keine Gewinner dieser Reform. Letztlich verlieren alle, insbesondere aber die mündigen Bürger, weil diesen nach wie vor jede freie Entscheidungsmöglichkeit in der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen vorenthalten wird. Bevormundung ist ein klassisches Merkmal von Staatsdirigismus, nicht anders sind die Eckpunkte zu bewerten. Daher ist die Allianz nach wie vor fest entschlossen, die von ihr formulierten Grundsätze und Forderungen in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen und ihren Vorstellungen mit geeigneten Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. In diesem Zusammenhang haben der nächste nationale Protesttag am 22. September 2006 in Berlin sowie die weiteren Aktionen nach wie vor ihre Berechtigung und werden entsprechend umgesetzt werden. Allianz Deutscher Ärzteverbände Chausseestr. 119b, 10115 Berlin, Telefon: (030) 28 87 74 22, Telefax: (030) 28 87 74 15 BDI – Berufsverband Deutscher Internisten e.V. Postfach 15 66, D-65005 Wiesbaden Tel.: (0611) 181 33-0, Fax: (0611) 181 33-50
DMP Die Barmer überschreitet ihre Befugnisse Berlin (pag) – Dass Krankenkassen hinter DMP-Einschreibungen her sind wie der Teufel hinter der armen Seele, ist bekannt. Immer öfter klagen Niedergelassene, dass ihren Patienten von Sachbearbeitern einer Krankenkasse ein Arztwechsel nahe gelegt werde, wenn der behandelnde Doktor nicht an Chronikerprogrammen teilnimmt. Medi Deutschland hat einen aktuellen Fall der Barmer Ersatzkasse zum Anlass genom-
men, eine Expertise einzuholen. Die freie Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1 SGB V) ist ein hohes Gut. Das beweisen alle Patienten-Umfragen immer wieder. Deshalb war der Gesetzgeber gut beraten, als er die Teilnahme an einem DMPProgramm in § 137 Abs. 3 S. 1 SGB V unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit der Patienten stellte. Das setzt allen Ärzten, aber auch allen Krankenkassen rechtliche Grenzen, auch wenn die Kassen gem. Satz 2 dieser Vor-
Mitteilungen des BDI schrift das Recht haben, die Ärzte in Sachen DMPs „umfassend zu informieren“. Diese Information hat ausschließlich der Entscheidungsfreiheit der Patienten zu dienen, nämlich deren Wissen im Hinblick auf die im Rahmen der DMPs datenschutzrechtlich erforderlichen Einwilligungen möglichst zu vervollständigen. Zu Eingriffen in die freie Arztwahl legitimiert diese Vorschrift nicht.
Lehnt der Arzt DMP ab, muss er Patienten nicht schlechter versorgen Das Recht der Kassen zu einer umfassenden Information der Versicherten wird auch durch eine dem Prinzip der Sachgerech-
tigkeit geschuldete Wahrheitspflicht ergänzt: nur wahre Tatsachen dürfen Gegenstand der Information sein. Letzteres schränkt die Möglichkeit der Krankenkassen, Ärzte unter dem Gesichtspunkt der Qualität der Behandlung allein deshalb gegenüber Versicherten zu kritisieren, weil sie an einem DMP-Programm nicht teilnehmen, erheblich ein. Das Gleiche gilt für eine hierauf fußende Empfehlung oder gar Aufforderung zu einem Wechsel zu einem an den Chronikerprogrammen teilnehmenden Arzt. So steht es keineswegs fest, dass ein Arzt seine Patienten schlechter versorgt, nur weil er den mit der Teilnahme an den DMP verbundenen bürokratischen Mehraufwand scheut. Viele Ärzte be-
trachten die medizinischen In- rig erfolgen, geeignet sind, das halte der DMPs ohnehin als ein für eine erfolgreiche BehandMinimalprogramm, an das sie im lung so wichtige VertrauensverEinzelfall rechtlich nicht gebun- hältnis zwischen Arzt und Patiden sind (§ 28b RSA-VO). Das ent erheblich zu belasten. Insobedeutet nicht, dass die Kassen weit steht auch den Ärzten ein unter gar keinen Umständen das Abwehrrecht gegen solch rechtsRecht haben, einem Versicher- widriges Verhalten einer Kranten einen Wechsel des Arztes zu kenkasse zu, wobei es trotz alempfehlen. Dieses Recht kann ler Rechtsfremdheit der Ärzte sich aber nur aus individuellen möglichst bald auf der GrundlaBehandlungsdefiziten ergeben ge sorgfältig gesicherter Beweise und die Nichtteilnahme an einem zu entsprechenden WiderrufsDMP-Programm begründet für und Unterlassungsklagen komsich keineswegs solche Defizite. men sollte.
Arzt-Patienten-Beziehung ist nicht Kassensache Hinzu kommt, dass derartige Empfehlungen oder gar Aufforderungen, wenn sie sachwid-
Bundesgerichtshof Gericht verschärft ärztliche Aufklärungspflicht Berlin (pag) – Werden Patienten mit neuen und noch nicht allgemein eingeführten Methoden behandelt, muss der Arzt sie auch auf die Möglichkeit bisher unbekannter Risiken hinweisen. Das entschied der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Grundsatzurteil. Die Anwendung neuer Verfahren sei für den medizinischen Fortschritt unerlässlich. Die Richter betonen jedoch auch, dass neue Methoden nur dann angewandt werden dürften, wenn dem Patienten unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass die Möglichkeit unbekannter Risiken bestehe. Der Patient müsse in die Lage versetzt werden, für sich sorgfältig abzuwägen, „ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen möchte oder nach der neuen unter Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren.“
Revision blieb ohne Erfolg In dem Prozess hatte die Klägerin Schadensersatz aufgrund ei-
ner computergestützten (Robodoc) Hüftoperation verlangt. Bei dem Eingriff war ein Nerv der Frau verletzt worden. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgelehnt, auch die Revision vor dem VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung der Richter hätten es zwar die Ärzte versäumt, die Patientin auf noch nicht allgemein bekannte Risiken hinzuweisen. Dieser Aufklärungsmangel wirke sich auf den Streitfall jedoch nicht aus, weil sich mit der Nervschädigung ein Risiko verwirklicht hätte, dass auch bei der herkömmlichen Methode bestehe und über das die Klägerin aufgeklärt worden sei. Der Rechtsprechung des Senats zufolge können sich Patienten nicht auf einen Aufklärungsfehler berufen, wenn Behandlungsfolgen eintreten, über die sie in Kenntnis gesetzt wurden (Aktenzeichen: VI ZR 323/04).
eCard – Innovation in Schritten Fachtagung zeigt: Es gibt noch viele Unbekannte in der Rechnung Berlin (pag) – Nur eines ist im Moment klar: Es bleibt eine schwere Geburt mit der elektronischen Gesundheitskarte. Dass der ambitionierte Zeitplan nicht zu halten ist, überrascht niemanden. Zu hören ist, dass manche Experten mit einer flächendeckenden Einführung der eCard nicht vor Ende 2008 rechnen. Eben weil die neue Technologie nicht nur eine Frage der Technik ist, sondern für die Beteiligten auch ein Politikum, wird die Entwicklungszeit unkalkulierbar wie eine Fachtagung zur Gesundheitskarte zeigte. Festlegen will sich keiner so recht. Zurzeit laufen innerhalb der verschiedenen Erprobungsstufen die so genannten 10.000er Tests, bei denen in ausgewählten Regionen die Karte unter realen Einsatzbedingungen und mit Echtdaten getestet wird. Die gematik, Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, schließt Verträge ab. Die ers-
ten fünf (Bochum-Essen/Nordrhein-Westfalen, Heilbronn/Baden-Württemberg, Ingolstadt/ Bayern, Löbau-Zittau/Sachsen, Trier/Rheinland-Pfalz) sind unterzeichnet, in Vorbereitung sind Flensburg (Schleswig-Holstein), Wolfsburg (Niedersachsen) sowie Bremen. Konkreter wird gematik-Geschäftsführer Dirk Drees zu Terminen nicht. Zu einem Detail des TelematikGebäudes, der Einführung des e-Arztausweises, ist dann (folgerichtig) auch nichts zu erfahren. Diese sei von den Ergebnissen der Tests der Gesundheitskarte abhängig, sagt Philipp Stachwitz, bei der Bundesärztekammer mit dem Thema beschäftigt.
Priorität für Ärzte: Kostenneutralität und zuverlässige Technik Verschiedene Gründe führen dazu, dass es bei der Gesundheitskarte hakt: so gibt es nach wie vor jede Menge technische DeDer Internist 9 · 2006
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tails, die zu klären sind. Eine andere „Baustelle“: Niedergelassene Ärzte fühlen sich unzureichend vertreten, wenn es um die Einführung der eCard geht. Eine Umfrage unter Ärzten in Trier, vorgestellt von Dr. Jürgen Faltin vom Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz macht das deutlich. 45 Prozent von knapp 300 befragten Ärzten gaben an, dass sie ihre Interessen bei der Einführung der eCard nicht ausreichend berücksichtigt finden. Die Befürchtung der Mediziner: „Vertreter von Politik und Technik reden mir in meinen Praxisalltag hinein.“ Höchste Priorität bei diesem neuen Zukunftsprojekt haben für die Ärzte eine zuverlässige und unproblematische Technik sowie Kostenneutralität. Faltin räumt ein, dass eine eher kleine, nichtrepräsentative Gruppe befragt wurde, die Diskussion bestätigt jedoch seine Einschätzung.
Akzeptanz nicht unbedingt besser geworden Immer wieder fällt das Wort Akzeptanz. Dr. med. Siegfried Jedamzik, niedergelassener Allgemeinmediziner und Leiter des bayerischen Modellprojektes zur eCard: „Ich predige seit Jahren, dass in Sachen Akzeptanz etwas getan werden muss. Die Ärzte müssen endlich erfahren, was auf sie zukommt.“ Der Kernbereich spiele sich schließlich in der Arzt-Patienten-Beziehung ab. Es könne nicht sein, dass sie der Dinge harren müssten, die aus Berlin kämen. Als Stichworte nennt er Kosten und Refinanzierung – bislang vollkommen ungeklärt. Dr. Jürgen Büttner, der die bayerischen Hausärzte vertritt, gibt zu bedenken, „dass gerade mal 20 Prozent aller niedergelassenen Hausärzte über elektronische Praxissysteme verfügen, die mit der Gesundheitskarte kompatibel sind.“
Schulung – eines von unterschätzten Problemen Andere Probleme kommen in einer Gesprächsrunde mit Vertre-
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tern der ersten Testregionen zur Sprache, die die Dimension des Projektes deutlich machen. Dr. med. Eckehard Meissner, der in der Arbeitsgemeinschaft Gesundheitskarte Schleswig-Holstein mitarbeitet, macht auf folgendes aufmerksam. „Selbst wenn in der Region 1.200 Gesundheitskarten ausgegeben sind, ist damit lange nicht klar, ob die Patienten auch mit der Karte in der Praxis auftauchen. Und auch 10.000 helfen da nur bedingt.“ Meissner nennt einige Fakten zum aktuellen Stand in der Testregion: 50 Heilberufsausweise sind ausgegeben, 30 Arzt-Praxen sind bislang in der Lage, mit den Karten zu arbeiten. Komplett untertrieben werden nach Meinung des niedergelassenen Lungenfacharztes die Kosten für die einzelne Praxis. So werde der Schulungsaufwand unterschätzt. „Anfangs geschah das durch die Kassenärztliche Vereinigung, aber das bleibt ja nicht so.“ Zu wenig thematisiert würden außerdem die jährlichen Fixkosten, die an der Praxis hängen blieben.
Die meisten Versicherten haben von eCard „schon etwas gehört“ Nicht um die Testregionen, sondern um die Versichertenperspektive bundesweit ging es in einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung, die Jan Böcken vorstellte. Befragt wurden innerhalb des Gesundheitsmonitors etwa 1.500 Versicherte zum Thema elektronische Gesundheitskarte. Wichtige Ergebnisse: 72 Prozent hatten schon etwas von der elektronischen Gesundheitskarte gehört, generell befürworten zwei Drittel die eCard. Bei der Bereitschaft zur Speicherung von Daten gab es die größte Zustimmung bei den medizinischen Notfalldaten (86 Prozent), danach folgten verordnete Arzneimittel (66 Prozent), mit Abstand elektronischer Arztbrief (50 Prozent) und elektronische Patientenakte (42 Prozent). Ein Kompliment für die Ärzte gab es bei der Frage nach dem Datenzugriff; bei allen Unterpunk-
ten (Notfalldaten, Arztbrief, Patientenakte, verordnete Arzneimittel) lagen die Mediziner klar vorn. Angst vor unbefugtem Zugriff z.B. durch Krankenkassen oder private Krankenversicherungen haben 31 Prozent „sehr“, 42 Prozent „etwas“. 19 Prozent haben in diesem Punkt keine Befürchtungen. Allerdings, räumt Bertelsmann-Vertreter Böcken ein, könne die Zustimmung sehr schnell abnehmen, wenn etwas schief gehe. Nicht allzu viel gibt Jürgen Faltin vom Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz auf die Befragung: das sei ihm alles zu allgemein gefragt.
An der Karte führt kein Weg vorbei Dennoch sind sich die Teilnehmer des Forums über eines einig: an der Gesundheitskarte führt kein Weg vorbei. Claus Moldenhauer von der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) plädiert beispielsweise für eine PR-Kampagne, die aber sehr zeitnah aufklären müsse. „Wir müssen an einem Strang ziehen“, so Moldenhauer. Und zwar in eine Richtung statt in entgegengesetzte Richtungen, betont Ministeriumsvertreter Faltin. Leichter gesagt als getan.
Stationäre Versorgung Ethikberatung in Kliniken Berlin (pag) – In den USA gibt es sie seit den 70er Jahren, in Deutschlands Krankenhäusern sind sie noch immer die Ausnahme: Klinische Ethikkomitees. In schwierigen Situationen sollen sie den Behandelnden eine Hilfestellung liefern und damit zu einer besseren Patientenversorgung beitragen. Denn im Gegensatz zu Ethikkommissionen, die grundsätzliche Stellungnahmen zu medizinischen Forschungsvorhaben am Menschen abgeben, beraten die Komitees bei ethischen Problemen, die sich aus der alltäglichen Behandlung und Pflege ergeben. Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing sitzt im Ethikkomitee des Universitätsklinikums Tübingen. „Am häufigsten werden wir angesprochen, wenn es um Therapiebegrenzungen oder Spätabtreibungen geht“, sagt er auf einer Veranstaltung der Zentralen Ethikkommission (ZEKO). Auch niedergelassene Ärzte fragen bei ihm gelegentlich nach. Zum Beispiel ein Kollege, dessen Patient an einer Muskeldystrophie (Muskelschwund) litt. Der Mediziner
war sich unsicher, wie er auf den Wunsch seines Patienten, das Beatmungsgerät auszustellen, reagieren sollte.
150 klinische Ethikkomitees in Deutschland Grundsätzlich gilt: Die Komitees beraten nur, wenn sie von den Beteiligten um Hilfe gebeten werden. Dabei handelt es sich nach Aussage von Wiesing meist um Behandelnde, nur selten um Patienten oder Angehörige. Die Komitees sind meist interdisziplinär besetzt, das heißt Ärzte können ihnen ebenso angehören wie Pflegekräfte, Seelsorger oder Vertreter der Krankenhausverwaltung. Das Ethikgremium schränkt die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis der zuständigen Ärzte nicht ein. Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann von der RuhrUniversität Bochum betont: „Es geht nicht darum, einen Ethiker einzuladen, der dann die Entscheidung fällt.“ Neben der fallbezogenen ethischen Unterstützung erarbeiten die Komitees Empfehlungen zum Umgang mit
wiederkehrenden ethischen Fragen und bieten außerdem Fortund Weiterbildungsveranstaltungen für die Krankenhausmitarbeiter an. In Ländern wie den Vereinigten Staaten gehört eine Ethikberatung zu den verpflichtenden Merkmalen eines jeden Krankenhauses. Anders in Deutschland. Erst 150 Kliniken haben Ethikkomitees ins Leben gerufen, in weiteren 200 Krankenhäusern ist eine andere Form der Beratung implementiert.
Interdisziplinärer Austausch ist wichtige Grundlage An Standards oder Empfehlungen für diese Arbeit mangelte es bisher noch. Die Zentrale Ethikkommission hat jetzt ei-
ne Stellungnahme zu „Ethikberatung in der klinischen Medizin“ veröffentlicht. Darin heißt es: „Zu einer guten klinischen Ethikberatung sind Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der Beteiligten, Unabhängigkeit der Berater, Freiwilligkeit der Beratung, interdisziplinärer Austausch und Einhaltung der Schweigepflicht erforderlich.“ Ein weiterer Punkt: Eine Fallberatung soll das ArztPatienten-Verhältnis nicht stören. Generell ist die ZEKO davon überzeugt, dass durch die Komitees ärztliche Entscheidungen transparenter gemacht würden. Die Stellungnahme gibt es im Internet unter: www.zentrale-ethikkommission. de/10/15Ethikberatung.html
Klinische Studien Online-Suche wird erleichtert
Berlin (pag) – Klinische Studien sind jetzt einfacher im Web zu finden. Patienten, Ärzte und andere Interessierte können die Suchmaschine für klinische Studien des internationalen Pharmaverbandes IFPMA (International Federation of Pharmaceutical Manufacturers & Associations) seit neuestem auch auf Deutsch benutzen. Bereits im Herbst vergangenen Jahres war das Web-Portal in englischer Sprache gestartet. Es enthält zum einen Informationen zu laufenden klinischen Studien. Aufgelistet werden Angaben zum untersuchten Arzneimittel und seiner Indikation sowie Kontaktdaten für Ärzte und Patienten, falls sich diese an der jeweiligen Studien beteiligen wollen. Außerdem umfasst die Webseite Informationen zu bereits abgeschlossenen Studien – inklusive einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
Selbstverpflichtung: Informationen für jedermann zugänglich Das Portal geht auf die Selbstverpflichtung der forschenden Arzneimittelhersteller zurück. Danach sollen Informationen über klinische Studien für jedermann zugänglich sein. Die Arzneimittelhersteller hatten sich deshalb verpflichtet, laufende Studien zu registrieren und darüber hinaus die Resultate von Studien zu publizieren, die es zu zugelassenen Arzneimitteln gibt. Bisher liegen die Publikationen allerdings – wenig nutzerfreundlich – in unterschiedlichen Datenbanken und Internetservern. Das IFPMA-Portal fragt alle Systeme gleichzeitig ab und liefert dem User ein gemeinsames Such-Ergebnis.
Die Suchmaschine Bei der Suche besteht auch die Möglichkeit, nur innerhalb eines
bestimmten Landes laufende Studien zu suchen. Die Suchfunktionen stehen ab sofort auch in Französisch, Spanisch und Japanisch zur Verfügung. Die Er-
gebnisse werden jedoch in der erfassten Originalsprache (meistens Englisch) ausgegeben. http://clinicaltrials-dev.ifpma.org/
Rationierung medizinischer Leistungen durch Schwellenwerte? Novartis-Kolloquium setzt brisantes Thema auf die Agenda
Berlin (pag) – Wie viele Euro soll die – auch überlebensnotwendige – Behandlung einer Krankheit maximal kosten dürfen, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet wird? Diese brisante Frage, die in Deutschland bisher noch nicht systematisch diskutiert wurde, setzte Novartis Deutschland auf die Agenda des 6. Kolloquiums zur Gesundheitsökonomie in Berlin. Überschrift: „Schwellenwerte für die Erstattung von Therapien – wie viel Gesundheit können wir uns leisten?“ Bisher gibt es hier zu Lande zwar bereits zahlreiche Erstattungsgrenzen – beispielsweise durch Arzneimittel-Festbeträge. Aber es gibt weder gesetzlich definiert noch de facto methodenbzw. indikationsbezogene absolute finanzielle Obergrenzen für Diagnose- und Behandlungskosten. Das im Sozialgesetzbuch (SGB) V festgelegte Prinzip, dass jeder Versicherte im Krankheitsfall einen Rechtsanspruch auf notwendige Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erkenntnis hat, gilt demnach uneingeschränkt. Relativiert wird dieses Prinzip bisher nur durch Vorgaben, dass die Erbringung der Leistungen „wirtschaftlich“ zu erfolgen hat, das Maß des „Notwendigen“ nicht überschreiten darf und „zweckmäßig“ sein muss.
Kosten-Nutzen-Bewertung – ein heikles Thema Die Einführung absoluter Erstattungs-Schwellenwerte in Deutschland hätte zweifellos gravierende Konsequenzen für Patienten, Ärzte, Krankenhäuser und auch für die forschende Pharmaindustrie, stellte Dr. Marion Wohlgemuth, Geschäftsführerin Market Access bei Novartis Pharma, Nürnberg, fest. Jenseits dieser Grenze wäre die Bezahlung der Leistung Privatsache. Falls das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) künftig – wie von der Großen Koalition angedacht – nicht mehr nur vergleichende Nutzenbewertungen, sondern Kosten-Nutzen-Analysen medizinischer Maßnahmen vornähme, dann wäre das Tor in Richtung „Schwellenwert“ zweifellos ein Stück weit geöffnet. Ein zu definierender Nutzen müsste dann monetarisiert werden und auf dieser Grundlage könnte entschieden werden, wie teuer eine medizinische Technologie sein darf, damit sie noch erstattet wird. Diese Rationierungsentscheidung müsste wohl zwingend dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Das Thema ist offensichtlich brisant. So brisant, dass Barmer-Vorstandsmitglied Klaus H. Richter seine zugesagte Teilnahme am Novartis-Kolloquium kurzfristig absagte und auch kein Der Internist 9 · 2006
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Ersatzreferent aus seinem Haus zur Verfügung stand.
Nur eine „extrem hypothetische Diskussion“? Das sei „eine extrem hypothetische Diskussion“, konstatierte die Apothekerin Magda Reiblich, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Verordnungscontrolling beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) BadenWürttemberg. Tatsächlich gibt es weltweit keine gesetzlich oder sonst wie fest definierten Schwellenwerte. Allerdings sind in den USA und in Großbritannien de facto dennoch solche Erstattungs-Höchstgrenzen erkennbar. Sie belaufen sich aktuell auf umgerechnet zirka 40.000 Euro (USA) und etwa 30.000 bis 45.000 Euro (Großbritannien) Jahresbehandlungskosten je gewonnenes „qualitätskorrigiertes Lebensjahr“ (quality adjusted life years = QALYs). So sinkt in Großbritannien de facto die Freigabe der Erstattung durch das NICE-Institut bei umgerechnet 30.000 Euro pro QALY rapide ab.
Lebensverlängerung plus Lebensqualität – das QALY-Konzept Professor Dr. Wolfgang Greiner vom Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement der Universität Bielefeld erläuterte beim Novartis-Kolloquium die Grundelemente des QALY-Konzepts. Bei der KostenNutzwert-Analyse geht demnach hier in die Ermittlung der Effektivität einer medizinischen Maßnahme mehr als ein OutcomeParameter ein. Wenn beispielsweise sowohl Lebensqualität als auch Lebenslänge von einer Behandlung positiv beeinflusst werden, kann eine Aggregation beider Größen zu einem Maß erfolgen. QALY ist eine Methode, beide Parameter zu verbinden. Verlängert eine Behandlung beispielsweise die Restlebensdauer des Patienten durchschnittlich um fünf Jahre, und beträgt
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die Lebensqualität auf einer zwischen Null (= schlechtest möglicher Gesundheitszustand) und eins (= bestmöglicher Gesundheitszustand) normierten Skala 0,5, so beträgt die qualitätskorrigierten Lebensjahre 5 mal 0,5, also gleich 2,5 QALYs.
bleibt demnach scheinbar offen. Offensichtlich will das IQWiG dies nach eigenem Gutdünken beurteilen.
Messinstrument Kosteneffektivität
Nach Einschätzung von Greiner gibt es zwar auch andere Ansätze zur Kosten-Nutzen-Bewertung als das QALY-Konzept, aber keiner habe sich bisher dagegen durchsetzen können. Angesichts knapper Ressourcen gebe es dazu aktuell keine überzeugende Alternative. Für den Gesundheitsökonom ist das QALY-Konzept ein Beitrag „zur Rationierung“ von medizinischen Leistungen „auf einer rationalen Grundlage“. Allerdings müsse QALY nicht monetarisiert werden – zunächst sei es lediglich ein Maß für den Nutzen (Lebensverlängerung plus Lebensqualität). Die finanzielle Quantifizierung und daraus abgeleitete Schwellenwerte sind demnach zwar möglich, aber keineswegs zwingend.
Bei gesundheitspolitischen Entscheidungen sei vor dem Hintergrund „begrenzter finanzieller Ressourcen“ die Bestimmung der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft notwendig, so Greiner. Ein solcher Schwellenwert (Threshold) gibt demnach den Wert desjenigen Kosteneffektivitätsverhältnisses an, das eine medizinische Technologie aufweisen muss, damit diese gerade noch erstattet wird. Dieser Schwellenwert stelle damit die gesellschaftlich maximale Zahlungsbereitschaft für kosteneffektive Technologien dar - Greiner spricht von einem „Schattenpreis“. Allerdings sei dabei zu berücksichtigen, dass neben medizinischen weitere qualitative Entscheidungsparameter wie die Verteilungsgerechtigkeit entscheidungsrelevant sein könnten. Da es keinen funktionsfähigen Markt für Gesundheitsdienstleistungen gebe, lasse sich die Zahlungsbereitschaft jedoch weder empirisch noch normativ bestimmen, betont Greiner. Sie müsste also politisch entschieden und definiert werden. Erste Voraussetzung für die Umsetzung des QALY-Ansatzes ist es demnach, valide Aussagen über die durchschnittliche Lebensverlängerung zu ermitteln. Zweitens muss ein Maß für die Lebensqualität unter dieser Behandlung ermittelt werden. In den meisten Ländern, die dem QALY-Konzept anhängen, versuchen, die Lebensqualität über eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe abzufragen. Das IQWiG lehnt diesen Weg explizit als ungeeignet ab. Wer, wenn nicht Patienten und Ärzte, die Lebensqualität bei einer Behandlung beurteilen soll,
Ein Instrument zur „Rationierung auf rationaler Grundlage“
Kein Thema beim Gemeinsamen Bundesausschuss Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Dr. Rainer Hess, kann bisher mit Schwellenwerten genauso wenig anfangen wie Magda Reiblich vom MDK. Dem Juristen fehlt dafür (zumindest bisher) das rechtliche Instrumentarium. „Das QALY-Konzept ist für uns nicht anwendbar.“ Langfristig gehe es zwar um Antworten auf die Frage „wie viel Morbidität können wir uns künftig noch leisten“, konzedierte Hess. Aktuell aber entscheide der G-BA nicht über Ausgaben, sondern – vergleichend – über den Nutzen. „Wir haben uns bisher mit der Ausgabensituation (in der GKV) nicht beschäftigt“, so der G-BAVorsitzende. Dem Gremium gehe es „immer um Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit“. Rationierung sei nicht der Ansatz des G-BA, sondern die „Weiterentwicklung und Bereini-
gung des Leistungskatalogs nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin“, postulierte Hess. Soweit der Gesetzesauftrag. De facto wirken praktisch alle Entscheidungen des G-BA, ob über Arzneimittel-Festbeträge oder die Konkretisierung des GKVLeistungskataloges in der ambulanten Versorgung, ausgabenbegrenzend. Kosten spielen immer eine Rolle.
Bundesgesundheitsministerium: Schwellenwerte verfassungswidrig Angesichts solcher bemerkenswerten Ausweichmanöver war das Statement von Ulrich Dietz, Referatsleiter Arzneimittelversorgung im Bundesgesundheitsministerium (BMG), erfreulich eindeutig. Leistungsbegrenzungen mit einem finanziellen Limit (Schwellenwert) für die Behandlungskosten seien für gesetzlich Krankenversicherte jedenfalls bei lebensbedrohlichen Erkrankungen verfassungsrechtlich unzulässig, sagte der BMGBeamte. Er verwies dabei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98).
Ministerium: Das „Problem“ Analogpräparate ist praktisch gelöst Ebenso interessant weitete Dietz das Kolloquiums-Thema sodann auf die gesamte Arzneimittelversorgung in der GKV aus. Die meisten Kostendämpfungsmaßnahmen sind nach den Worten des Referatsleiters erfolgreich abgeschlossen. Die Negativlisten 1 und 2 (Erstattungsausschluss verschreibungspflichtiger Arzneimittel gegen Bagatellerkrankungen und von „unwirtschaftlichen“ Präparaten) seien praktisch kein Thema mehr – letzteres, weil die Nachzulassung von Alt-Medikamenten weitgehend abgeschlossen ist. Nicht rezeptpflichtige Medikamente sind bereits seit 2004 weitgehend von der GKV-Erstattung ausgeschlossen. Hinzu kommt: Fest-
Mitteilungen des BDI beträge werden mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) auf das unterste Preisdrittel reduziert. Patentgeschützte Analogpräparate können schon seit zwei Jahren unter das Festbetragsregime gestellt werden. Der G-BA darf mit dem AVWG auch außerhalb von Preisvergleichen verbindliche Therapievorgaben für Ärzte in den Arzneimittel-Richtlinien machen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) steuert (offensichtlich restriktive) Nutzenanalysen bei. Mit dem Tagestherapiekosten-Konzept im AVWG werden auch die verordnenden Ärzte bei Analogpräparaten im Zaum gehalten. Und für (noch) nicht festbetragsgeregelte Arzneimittel gilt weiterhin der 6-prozentige Hersteller-Zwangsrabatt zugunsten der GKV. Damit ist nach Einschätzung von Dietz auch die freie Preisgestaltung bei Analogpräparaten praktisch beseitigt – weitere Maßnahmen sind demnach aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums nicht erforderlich: Die (tatsächlichen oder vorgeblichen) „Scheininnovationen“ sind „komplett“ (Dietz) eingemauert zwischen niedrigen Festbeträgen, Verordnungsbeschränkungen, Preisabschlägen etc.
Letzte Bastion: Teure Spezialpräparate im Visier der Kostendämpfung Nachdem rezeptfreie Arzneimittel, der generikafähige Markt und der Markt für Analogpräparate politisch im Sinne der Kostendämpfung „abgearbeitet“ sind, geht es nach den Worten von Dietz künftig vor allem um die Preisbegrenzung von patentgeschützten, in der Behandlung weitgehend alternativlosen und unbestreitbaren Innovationen – die Spezialpräparate. Jahresbehandlungskosten von 20.000 bis 60.000 Euro pro Patient seien in diesem Segment der biotechnologisch, gentechnisch hergestellten Arzneimittel, vor allem neue Immunthera-
peutika und biologische Krebstherapeutika, der Normalfall. Rund ein Drittel der ausgabentreibenden Strukturkomponente gehe auf das Konto dieser innovativen Präparate zur Behandlung von Krebs, HIV/AIDS, MS, Rheuma etc., sagt Dietz. Bei konservativ geschätzt 150.000 Neuerkrankungen jährlich sei mit mindestens 3 Mrd. Euro zusätzlicher Ausgaben zu rechnen. Die Perspektive der individuell an den Patienten angepassten Arzneitherapie sei dabei noch gar nicht berücksichtigt, ebenso nicht die Gentherapie im engeren Sinne (bei der es allerdings in den letzten Jahren massive Rückschläge gab). Der Markt für diese Spezialpräparate habe 2005 in der GKV ein Umsatzvolumen von rund 5 Mrd. Euro erreicht – das entspricht rund einem Fünftel der GKV-Arzneiausgaben für weniger als 2 Prozent aller erstatteten Verordnungen.
Frühzeitige Preisverhandlungen um Arzneimittelinnovationen „Wir stehen am Beginn einer völlig neuen Ära“, in der Arzneimitteltherapie, hat Dietz erkannt. Nach seinen Worten sieht das BMG darin aber zunächst weniger die Chancen aussichtsreicher Behandlungsmöglichkeiten für schwerstkranke Versicherte, sondern vorrangig ein „Problem“, wie Dietz mehrfach sagte. „Wir können die Schleusen nicht unbegrenzt aufmachen“, warnte er. Als Antwort auf dieses „Problem“ bereite das Ministerium ein Konzept vor, mit den Herstellern für dieses Marktsegment Preisverhandlungen aufzunehmen. Gespräche mit den Produzenten darüber seien im Ministerium geplant. Kurzfristig werde es wahrscheinlich keine gesetzlichen Regelungen dafür geben. Ziel dieser Bemühungen sei es, prinzipiell einen „fairen Preis“ für die hochinnovative Arzneitherapie zu vereinbaren. Vorstellungen, wie das konkret funktionieren könnte, gebe es allerdings noch nicht, so der Arzneiexperte aus dem BMG.
Das Ministerium bzw. die Krankenkassen stünden dabei zudem vor einem strukturellen Dilemma: Es gehe um Preisverhandlungen für Arzneimittel, die in
ihrem jeweiligen Indikationsgebiet praktisch alternativlos seien. Diese Präparate müssten also für die gesetzlich Versicherten „ein-
Begrüßung neuer Mitglieder Baden-Württemberg Frau Dr. med. Sabine Biel 70563 Stuttgart Frau Anne Bodens 78467 Konstanz Herrn Dr. med. Tobias Geiger 68199 Mannheim Frau Dr. med. Monika Muhler 74523 Schwäbisch Hall Frau Martine Ottsatdt 68799 Reilingen Frau Dr. med. Annette Schairer 72076 Tübingen Frau Dr. med. Bettina Simons 74939 Zuzenhausen Frau Dr. med. Ester Szentgyörgyi 88212 Ravensburg Frau Dr. med. Claudia Wilhelm 76332 Bad Herrenalb Bayern Frau Dr. med. Carola Berghaus 81667 München Frau Jennifer Engel 93333 Neustadt Frau Ilinca Ghidau 93444 Bad Kötzing Frau Romana Hubald 91054 Erlangen Frau Dr. med. Inka Hübner 91077 Hetzles Herrn Dr. med. Alexander Jeserski 97082 Würzburg Frau Christina Kügel 90518 Altdorf Frau Kathrin Spetzler 82266 Inning am Ammersee Herrn Dr. med. Christian Thumann 93049 Regensburg Frau Dr. med. Sandra Wagner 84066 Mallersdorf Herrn Dirk Wefelscheid 85598 Baldham
Hessen Frau Dr. med. Suvi Maroto-Järvinen 60385 Frankfurt Frau Karina May 35392 Gießen Frau Dr. med. Kiriaki Metentzidou 61462 Königstein Mecklenburg-Vorpommern Herrn Dr. med. univ. Robert Pölsler 17489 Greifswald Niedersachsen Herrn Dr. med. Axel Brümmer 30457 Hannover Herrn Konrad Gorski 26135 Oldenburg Frau Dr. med. Klaudia Lehmann 38350 Helmstedt Herrn Dr. med. Bernhard Unsöld 37075 Göttingen Nordrhein Herrn Katarzyna Deutrich 47495 Rheinberg Frau Cornelia Diening 40878 Ratingen Frau Andrea Holz 40882 Ratingen Herrn Clemens Huth 42653 Solingen Frau Dr. med. Heike Kukuk 53127 Bonn Rheinland-Pfalz Frau Dr. med. Christine Schaab 67489 Kirrweiler Herrn Dr. med. Stefan Schumann 55128 Mainz Saarland Herrn Dr. med. Volker Windmüller 66424 Homburg
Berlin Herrn Dr. med. Peter Hempel 12559 Berlin Frau Judith Junge 10437 Berlin Herrn Dr. med. Alexander Kühl 10405 Berlin
Westfalen-Lippe Herrn Andreas Engelhardt 44801 Bochum Herrn Tobias Sabelhaus 33098 Paderborn Herrn Dr. med. Helge Walter 33619 Bielefeld
Brandenburg Frau Antje Traberth 14467 Potsdam
Österreich Frau Dr. med. Elisabeth Bischof 1150 Wien Herrn Dr. med. Axel Hiebinger 4020 Linz Frau Dr. med. Gabriele Stranzinger 4952 Weng Frau Dr. med. Daniela Wiendl 5020 Salzburg
Hamburg Herrn Cord Schneuzer 22303 Hamburg
Der Internist 9 · 2006
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Mitglieder des Berufsverbands Deutscher Internisten e.V. (BDI) erhalten bereits jetzt die Organzeitschriften „Der Internist“ ohne Zusatzkosten im Rahmen der Mitgliedschaft. Darüber hinaus hat der BDI mit dem Springer Medizin Verlag weitere Sonderkonditionen für seine Mitglieder ausgehandelt. Diese Sonderkonditionen betreffen die internistischen Schwerpunktzeitschriften von Springer.
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4 „Zeitschrift für Rheumatologie“, Ausgaben/Jahr für nur ,- (statt ,-) zzgl. Versandkosten
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Interessierte Mitglieder des BDI wenden sich bei Rückfragen oder Abonnementwunsch mit ihrer Mitgliedsnummer bzw. Kopie des Mitgliedsausweises bitte an: Springer Distribution Center GmbH, Kundenservice Zeitschriften Haberstraße 7, D-69126 Heidelberg, Telefon +49 (0) 6221) 345-4303 E-Mail:
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Dr. W. Wesiack Präsident des BDI
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Der Internist 9 · 2006
Dr. Georg Ralle Geschäftsführung Springer Medizin Verlag