Mitteilungen Rechtsmedizin Rechtsmedizin 2005 · 15:499–511 DOI 10.1007/s00194-005-0360-0 © Springer Medizin Verlag 2005
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin 6/2005 6th International Symposium on Advances in Legal Medicine (ISALM), 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (Hamburg, 19.–24.09.2005)
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DGRM-Mitteilungen Verantwortlich für den Inhalt der Mitteilungsseiten der DGRM Prof. Dr. Stefanie Ritz-Timme Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf Fax: 0211/8119366 E-Mail:
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ie diesjährige Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin war eingebettet in das sechste International Symposium on Advances in Legal Medicine (ISALM), das traditionell durch die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin gemeinsam mit der Japanischen Gesellschaft für Rechtsmedizin organisiert wurde, in diesem Jahr zusätzlich in Kooperation mit der Deutsch-Japanischen Juristenvereinigung. Dieses Konzept ebnete den Boden für einen regen Austausch zwischen deutschen Rechtsmedizinern bzw. anderen forensisch tätigen Wissenschaftlern und ihren Kollegen aus insgesamt 31 anderen Nationen. Das Interesse an internationalen Kontakten, das interessante Programm mit gut ausgewählten Key Topics sowie Hamburg als attraktiver Tagungsort zogen insgesamt 550 Teilnehmer, darunter 105 japanische Kollegen in die Hansestadt, die sich bei strahlendem Sonnenschein von ihrer besten Seite zeigte. Mit 184 Vorträgen und 186 Postern war das wissenschaftliche Programm sehr umfangreich. Auf einzelne Beiträge kann hier nicht eingegangen werden; es sei auf die im vorigen Heft Rechtsmedizin publizierten Abstracts verwiesen (Rechtsmedizin 15: 259-347). Veranstaltungsort war das Hauptgebäude der Universität, das mit seinem großzügigen Raumangebot optimale Rahmenbedingungen bot. Dies galt auch für die Get Together Party, die am Abend des 19.09. im lichtdurchfluteten Westflügel des Hauptge-
bäudes stattfand und durch Jazz-Musik untermalt wurde. Die Opening Ceremony des sechsten ISALM fand am Morgen des 20.09. statt; sie wurde musikalisch durch klassische Musik (Richard von Lossow, Piano) untermalt. Der Tagungspräsident, Herr Prof. Püschel, hieß die Tagungsteilnehmer, insbesondere die japanischen Kollegen, willkommen. Er sprach die im Rahmen der bisherigen ISALM Veranstaltungen gewachsenen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den japanischen und deutschen Kollegen an und erinnerte an den im November 2002 plötzlich verstorbenen Prinzen Norihito Takamado. Nach Hinweis auf die Hauptthemen der Tagung wünschte er dem Symposium viel Erfolg. Herr Staatsrat Dr. Roland Salchow (Behörde für Wissenschaft und Gesundheit, Hamburg) betonte in seinen Grußworten die Notwendigkeit eines hohen wissenschaftlichen Standards im Fach, insbesondere im Hinblick auf immer neue Aufgaben und Anforderungen. Der sich anschließende Überblick über die wissenschaftliche und kulturelle Landschaft Hamburgs war nicht nur für die ausländischen Tagungsteilnehmer interessant. Dies gilt auch für die Ausführungen des Prodekans der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg, Herrn Prof. Dr. Hendrik van den Bussche, der das Auditorium durch die Geschichte der Universität Hamburg führte. Er schloss seine Grußworte mit der Feststellung, dass die Rechtsmedizin 6 · 2005
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Fakultät stolz auf ihr „dynamisches“ Institut für Rechtsmedizin mit hervorragend bewerteten Lehrleistungen sei. Prof. Shigeyuki Tsunenari begrüßte die Tagungsteilnehmer als Vertreter des ISALM 2005 Councils, er gab eine Übersicht über die Geschichte des Symposiums und würdigte die mittlerweile hohe Reputation der Veranstaltung. Der Präsident der Japanischen Gesellschaft für Rechtsmedizin, Herr Prof. Yoshinao Katsumata, betonte den Wert der ISALM Tagungen für den wissenschaftlichen Austausch. Dies sei gerade in Zeiten wichtig, in denen die Anforderungen an das Fach steigen. Prof. Pollak, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, dankte den deutschen und japanischen Organisatoren. Auch er betonte die große Bedeutung der ISALM Tagungen als Forum einer internationalen Kommunikation im Fach; vor diesem Hintergrund begrüße er die Integration der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in das sechste ISALM. Nach einem Überblick über die lange Tradition deutsch-japanischer Kontakte im Fach Rechtsmedizin leitete Prof. Pollak zur Verleihung der Fritz Strassmann Medaille an Herrn Prof. Taizo Nagano über. Die Laudatio wurde von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Volkmar Schneider gehalten, sie ist in diesen Mitteilungen abgedruckt. Prof. Taizo Nagano nahm die Medaille sichtlich gerührt entgegen und verlieh seinem Dank eindrucksvoll in deutscher Sprache Ausdruck. Im Mittelpunkt des sich anschließenden wissenschaftlichen Programmes am 20.09. standen die Themenkomplexe „Imaging Techniques“ und „Child abuse, SIDS“. Interessant waren außerdem ein Vortrag zur Situation der Rechtsmedizin in den USA (T.T. Noguchi, L. Sathyavagiswaran) sowie ein „special course on offender profiling“ (M. Safarik, FBI). Am Abend wurden die Tagungsteilnehmer vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg in den repräsentativen Räumen des Rathauses empfangen. Justizsenator Dr. Roger Kusch begrüßte die Tagungsgesellschaft und würdigte die Rechtsmedizin als eine für die Justiz unverzichtbare Disziplin. Als „eigenen Beitrag zur Tagung“ riss er die Frage der Rechtmäßigkeit der flächendeckenden Erfassung und Speicherung genetischer Identitätsmerkmale der Bevölkerung an. Aus seiner Sicht sei die Diskussion dieser Frage in Zeiten, in denen der Rechts-
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staat bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terror an seine Grenzen stoße, zulässig. Der Tagungspräsident (Prof. Püschel) sowie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (Prof. Pollak) wiesen auf die Qualitäten und die Schönheit Hamburgs hin und wünschten der Tagung und ihren Teilnehmern viel Erfolg. Der nächste Tag (21.09.) war der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin vorbehalten. Zu Beginn der wiederum durch klassische Musik (Piano) eingerahmten Eröffnungsveranstaltung wurden die Teilnehmer der deutschen Jahrestagung durch den Tagungspräsidenten (Prof. Püschel) sowie den Präsidenten der Universität Hamburg, Herrn Dr. Dr. h.c. Jürgen Lüthje, begrüßt. Danach richtete Herr Generalbundesanwalt Kay Nehm, dem wenig später die Fritz-StrassmannMedaille verliehen wurde, das Wort an das Auditorium. Er bedankte sich für die Auszeichnung und betonte, dass er sich in besonderer Weise mit der Rechtsmedizin verbunden fühle. Seit Jahren singe er als Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin „unverdrossen das hohe Lied der Rechtsmedizin“, um dem Fach den steten Zuspruch „aus den hohen Etagen der Justiz“ zu sichern. Die Bedeutung rechtsmedizinischer Sachkunde für die Justiz machte der Generalbundesanwalt u.a. an der „Grenzwertfrage“ (§24a Abs.2 StVG) deutlich; die Justiz werde sich hier den „Argumenten der Naturwissenschaftler nicht verschließen“. Schließlich wurde die 84. Jahrestagung offiziell durch den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, Herrn Prof. Pollak, eröffnet. Nach Würdigung der durch den Tagungspräsidenten und dessen Mitarbeiter bei der Organisation der Tagung geleisteten Arbeit bezog er Stellung zur aktuellen Situation des Faches Rechtsmedizin in Deutschland. Der Präsident skizzierte die schwierige Lage des Faches in Zeiten sinkender Landeszuschüsse, Profilbildungen der Fakultäten und „Selektion“ über das Instrument der leistungsorientierten Mittelvergabe. Dieser zunehmende Druck zwinge dazu, die wissenschaftliche Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. Wissenschaft müsse als verbindliche Dienstpflicht gesehen werden, natürlich in ausgewogenem Verhältnis zu den Dienstleistungen. Nur eine forschungsstarke Rechtmedizin ha-
be im universitären Umfeld eine Zukunft. Die Distanzierung von dem in den Medien verzerrt dargestellten Berufsbild sei nicht nur unser Recht, sondern unsere Pflicht. Das Fach brauche jetzt, in Zeiten äußerer Angriffe, Geschlossenheit, Kollegialität, Vernetzungen zu Forschungsverbünden und eine Zusammenarbeit auch im Dienstleistungsbereich. Ganz wesentlich sei auch die Nachwuchsförderung; das Fach benötige jetzt „die Besten“. Es sei dafür zu sorgen, dass junge Leute genügend Freiräume haben, und die Möglichkeit, in leistungsstarke Forschergruppen integriert zu werden. Die durch die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin an junge Wissenschaftler verliehenen Preise seien als Ansporn für den wissenschaftlichen Nachwuchs gedacht; das Fach könne es sich nicht leisten, Begabungen ungenutzt zu lassen. Im Rahmen der Eröffnungssitzung der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin wurde die FritzStrassmann-Medaille an Herrn Generalbundesanwalt Kay Nehm verliehen; durch die von Prof. Pollak gehaltene Laudatio wurde die enge Verbundenheit des Geehrten mit dem Fach Rechtsmedizin noch einmal deutlich. Auch der Wissenschaftspreis sowie zwei Promotionspreise der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, außerdem der Konrad-Händel-Preis 2005 wurden im Rahmen der Eröffnungssitzung verliehen. Der Wissenschaftspreis ging an Herrn PD Dr. med. Michael Thali (Bern). Nach der Laudatio durch Prof. Pollak gab der Geehrte in einem Kurzreferat eine Übersicht über sein Forschungsgebiet (Bildgebende Verfahren in der Rechtsmedizin, Virtopsy®); er schloss seinen Vortrag mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit einer nachhaltigen Nachwuchsförderung. Promotionspreise der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin wurden an Frau Dr. med. Lucy Forster (früher Münster, jetzt Cambridge) sowie an Herrn Dr. med. Sven Hartwig (Berlin) verliehen. Die Titel der ausgezeichneten Promotionsarbeiten lauten: „Natürliche Radioaktivität und mtDNA Mutationen in Kerala, Indien“ (Dr. Forster) sowie „Fettsäureethylester im Haar von Abstinenzlern, Normaltrinkern, bei Todesfällen nach Alkoholexzess und nach kosmetischer Haarbehandlung“ (Dr. Hartwig). Mit dem Konrad-HändelPreis 2005 wurden Herr Dipl.-Biol. Dr. rer. nat. Jens Amendt und Herr Herr Dipl.-Biol.
Mitteilungen Rechtsmedizin Dr. rer. med Richard Zehner (beide Frankfurt) für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Forensischen Entomologie geehrt. Das wissenschaftliche Programm des „deutschen Tages“ deckte alle Themengebiete der Rechtsmedizin ab. So standen Sitzungen mit den Titeln „Tsunami, Identifizierung“, „Forensische Pathologie“, „Toxikologie, Alkohologie, Medizinrecht“, „Bildgebung, DNA, Qualitätssicherung“ sowie „Traumatologie, Viktimologie, Verschiedenes“ auf dem Programm, außerdem Posterbegehungen. Am Abend des 21.09. fanden die Mitgliederversammlungen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, des Berufsverbandes Deutscher Rechtsmediziner und des Osteuropavereins statt, außerdem die Herausgebersitzungen der Zeitschriften Rechtsmedizin und International Journal of Legal Medicine. Am 22.09. wurde ISALM mit den Sitzungen „Medical Law, Euthanasia, and Gerontology“, Toxicology“, „Identification, Tsunami“, Forensic Pathology Part I“, „Alcohology, Traffic Accidents“ sowie „Suicide“ sowie Posterbegehungen fortgesetzt. Weiter fand ein Satellite Meeting for Young Scientists statt, bei dem in sechs halbstündigen Vorträgen Übersichten zum Schütteltrauma, zur Pathologie des SID, der Sepsis, der Lungenfettembolie und der Altersbestimmung von Hirnverletzungen gegeben wurden. Der Tag endete im Institut für Rechtsmedizin, wo den Tagungsteilnehmern beim „Coroner‘s Barbecue“ ein reichlich gedeckter Tisch präsentiert wurde, die Mitarbeiter des Instituts die Gäste mit einem professionellen Jazz-Band-Auftritt überraschten und der Gastgeber, Herr Professor Püschel, seine Visionen über die Weiterentwicklung der Hamburger Rechtsmedizin nach dem Motto „think big“ präsentierte. Ebenfalls in ISALM eingebettet, fand am 23.09. die Juristentagung statt. Im Rahmen der Eröffnungszeremonie wurden die Teilnehmer vom Tagungspräsidenten (Prof. Püschel), außerdem durch Herrn Ichiro Shimogaite (Konsul von Japan in Hamburg) sowie durch Herrn Dr. Jan Grotheer (Präsident der Deutsch-Japanischen Juristenvereinigung) begrüßt. Im Zentrum der Juristentagung standen die Themen häusliche Gewalt sowie Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt. Der Nachmittag des 23.09. gehörte wieder dem ISALM mit einer Sitzung „Vic-
timology“ sowie Posterbegehungen am Nachmittag. Danach freuten sich die Teilnehmer auf das Banquet, welches in der alten Dressurhalle in Hagenbecks Tierpark stattfand. Der Tagungspräsident, Herr Prof. Püschel, unterstrich in seiner Begrüßungsansprache die langjährigen und engen Beziehungen der Freien und Hansestadt Hamburg zu Japan, insbesondere aber auch von Hagenbecks Tierpark, deren Höhepunkt zweifellos der Besuch des Tenos im traditionsreichen Zoo war. Eingerahmt von einer sehenswerten Tigerdressur und einer Dressurnummer mit Reptilien wurde das Menü auch den Ansprüchen des verwöhntesten Gaumens gerecht. Einen weiteren Höhepunkt des zirzensischen Programms gestaltete der Präsident der Deutschen Gesellschaft, Herr Professor Pollak, mit, der nach einem stunt auf der „Spinnenfrau“ nicht zögerte, deren Wange zu küssen, über die kurz zuvor eine Vogelspinne gelaufen war. Am Abschlusstag standen die Sitzungen „Forensic Pathology Part II“, „DNA, Forensic Biology“, „Histology, Immunhistochemistry“ sowie „Miscellaneous“ auf dem Programm. Während der Abschlusszeremonie schließlich beleuchtete Herr Prof. Schmiedebach, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Hamburg, die Historie der deutsch-japanischen Beziehungen in den Fächern Pathologie und Rechtsmedizin im 19. und 20. Jahrhundert. In ihren Schlussworten zogen Herr Prof. Pollak und Herr Prof. Püschel eine positive Bilanz der 5-tägigen Veranstaltung, die
vom Geist der freundschaftlichen Zusammenarbeit deutscher und japanischer Wissenschaftlicher geprägt war und auf großes Interesse bei der internationalen Fachöffentlichkeit stieß, was sich nicht zuletzt an der Teilnahme einer großen Anzahl von Gästen aus anderen Staaten Europas, Australiens und Kanadas zeigte. Durch den Präsidenten der DGRM wurden die Posterpreise an E. V. Abdulina und A. E. Malzev (Kirov/Russland; Postertitel: Experimentelle Untersuchung von Haarfragmenten in Kopfwunden zur Differenzierung zwischen metallischen und hölzernen Schlagwerkzeugen), an M. Iino, A. Tanaka, Q.-H. Yuan, H. Goto, T. Tsuruyam und K. Tamaki (Kyoto/Japan; Postertitel: Evolution of hypervariable minisatellite B 6.7 in man and primates) sowie an U. Kuepper, F. Musshoff, H. Wollersen und B. Madea (Bonn; Postertitel: Extraction of succinylcholine and succinylmonocholine from paraoxonized blood and subsequent quantitation using validated HPLC-MS-MS method) überreicht. Schließlich übergab der Tagungspräsident die ISALM-Präsidentschaft an Herrn Professor Maeda, der im Jahre 2008 das 7th International Symposium on Advances in Legal Medicine in Osaka organisieren wird. Nach der in jeder Hinsicht gelungenen Veranstaltung in Hamburg, die den Wert der ISALM-Tagungen als Forum internationaler wissenschaftlicher Kommunikation erneut eindrucksvoll belegt hat, kann der Besuch des siebten ISALM in Osaka 2008 nur empfohlen werden. S. Ritz-Timme (Düsseldorf) T. Bajanowski (Essen)
Laudatio für Prof. Taizo Nagano (Osaka/Japan) anlässlich der Verleihung der Fritz-Strassmann-Medaille, gehalten durch Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c Schneider (Berlin) im Rahmen des 6th International Symposium on Advances in Legal Medicine (ISALM) und der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (Hamburg, 19.–24.09.2005)
Vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin bin ich, damals noch in meiner Eigenschaft als Vizepräsident unserer Fachgesellschaft, gebeten worden, die Laudatio auf Herrn Prof. Nagano, langjähriges Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für RechtsmediRechtsmedizin 6 · 2005
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zin, zu halten. Dieser Bitte komme ich gerne nach. Um es vor weg zu sagen: Herr Prof. Nagano hat sich um die deutsch-japanische Zusammenarbeit außerordentlich verdient gemacht. Zusammen mit den Professoren Staak (Köln) und Schewe (Kiel) hat er ISALM aus der Taufe gehoben. Das erste deutsch-japanische Symposium ,,Advances in Legal Medicine“ hat er 1990 in Kanazawa abgehalten, und es wurde ein großer Erfolg. Einige von uns werden sich noch an diese Veranstaltung im Beisein seiner kaiserlichen Hoheit Prinz Takamado erinnern. Die nächst folgende Veranstaltung haben wir dann in Berlin ausgerichtet, genauer gesagt im damaligen Japanisch-Deutschen Zentrum, das jetzt wieder Sitz der japanischen Botschaft ist. Die nächsten Orte waren 1996 Osaka, 1999 Mainz und 2002 Takayama. Diesjähriger Tagungspräsident ist Herr Prof. Püschel. Die Fritz-Strassmann-Medaille ist im vergangenen Jahr von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin gestiftet worden. Mit ihr sollen herausragende Persönlichkeiten geehrt werden. Erste Preisträgerin war Frau Prof. Limbach, ehemals Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Viele werden sich noch an ihren Fest-vortrag anlässlich der 100-Jahr-Feier unserer Fachgesellschaft in Berlin im vergangenen Jahr erinnern. Gestaltet wurde die Medaille von dem im Oderbruch lebenden Künstler Rainer Radack. Nun aber zurück zu dem heute zu Ehrenden, Herrn Prof. Nagano, geb. 1931, Studium der Medizin von 1949 – 1955, danach wissenschaftlicher Assistent u. a. in Kyoto und Osaka, Promotion zum Dr. med. 1960, seit dieser Zeit Medical Examiner für den Osaka-Distrikt, 1961 – 1962 University Lecturer, anschließend Associate Professor und von 1966 – 1979 Direktor und Professor am Department of Legal Medicine Wakayama Medical College. Als Stipendiat der Alexander-von-HumboldtStiftung Gastprofessor am Institut für gerichtliche und soziale Medizin in Kiel und ab 1979 Direktor und Professor am Department of Legal Medicine der Kanazawa University School of Medicine. Nach seiner Gastprofessur in Deutschland hat er immer wieder, zumeist mit seiner Gattin, unsere Kongresse besucht. Be-
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sonders lag ihm natürlich ISALM am Herzen, und so überrascht es natürlich auch nicht, dass Herr Prof. Nagano – wie auch Herr Prof. Staak – Ehrenpräsident des deutsch-japanischen Symposiums ist. Ich möchte ihm an dieser Stelle und im Namen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin für seinen ganz persönlichen Einsatz danken. Mit ISALM 1990 hat er damals Maßstäbe gesetzt, an denen sich alle folgenden Tagungspräsidenten messen lassen mussten, und für den diesjährigen Tagungspräsidenten wird es nicht anders sein. Diejenigen, die sich mit der Untersuchung von Brandleichen zu beschäftigen haben, werden sicher seine Monografie ,,Burned Bodies – from the Aspect of Medico-legal Investigation“ kennen. Das Buch ist seinerzeit im Zentralblatt unserer Fachgesellschaft von unserem Senior, Herrn Prof. Georg Schmidt (Heidelberg), ausführlich besprochen worden. Einleitend heißt es dort: „Prof. Nagano ist in Deutschland kein Unbekannter, er war ein Jahr als Gastprofessor bei Hallermann und Pribilla und hat sich auch sonst viel in Deutschland aufgehalten. Für einen Japaner verfügt er über beneidenswert gute Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch. 1990 hat er in Kanazawa das erste Internationale Symposium ,,Advances in Legal Medicine“ organisiert, das ein voller Erfolg war“. Herr Prof. Nagano hat aber auch in Deutsch publiziert. Die letzte mir bekann-
te Arbeit trug den Titel ,,Über das Verhältnis zwischen Knochendichte und Oberschenkelfrakturen beim älteren Menschen nach Sturz in Pflegeheimen“, eine darin angesprochene Thematik, die auch hierzulande hochaktuell ist. Die Arbeit erschien in diesem Jahr. Die deutsch-japanischen Kontakte innerhalb der Medizin reichen sehr weit zurück, und wenn so etwas so weit zurückreicht, dann braucht es immer wieder eine neue Belebung. In der Rechtsmedizin bzw. gerichtlichen Medizin war dies auf japanischer Seite insbesondere eine Belebung durch Herrn Prof. Nagano. Dies hat erfreulicherweise dazu geführt, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen auf beiden Seiten ermutigt fühlten es ihm nachzumachen, wobei ich an dieser Stelle nicht uner wähnt lassen möchte, dass auch zu Zeiten, als die DDR noch bestand, Herr Prof. Prokop mit vielen japanischen Kollegen im Austausch stand. Und ich selbst verdanke Herrn Prof. Nagano einen Empfang beim japanischen Kaiserpaar im Jahr 1999 anlässlich des internationalen Symposiums ,,Future Prospect of Police Science in the 21st Century“. Ich wünsche Herrn Prof. Nagano und uns noch viele Begegnungen bzw. gemeinsame Veranstaltungen sowohl in Deutschland wie auch in Japan. Lieber Herr Professor Nagano, wir haben Ihnen sehr zu danken. V. Schneider, Berlin
Preis der DGRM 2005
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ie Verleihung des Wissenschaftspreises der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin erfolgte im Rahmen der Eröffnungssitzung der 84. Jahrestagung am 21.9.2005 in Hamburg. Erstmalig war diese Auszeichnung 1997 bei der Jahrestagung in Hannover verliehen worden. Die Federführung im Preiskomitee oblag bis 2004 Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Volkmar Schneider. 2005 hat sich die aus 7 Personen bestehende Preiskommission einhellig für Herrn PD Dr. med. Michael Thali aus Bern/Schweiz entschieden. Damit wurde das bisherige Gesamtwerk von Herrn Thali, speziell
auf dem Gebiet der Anwendung radiologischer Verfahren in der Rechtsmedizin, gewürdigt. Diesem Thema waren am ersten Tag von ISALM VI (20.9.2005) zwei eigene Sitzungen gewidmet („Imaging Techniques Part I & II“), in denen PD Dr. Thali und Mitglieder seiner Berner Arbeitsgruppe in mehreren Vorträgen die faszinierenden Möglichkeiten der CT- und MRT-Diagnostik vor Augen führten. Michael Thali wurde am 4.10.1967 in Luzern geboren. Er hat an der Universität Bern sein Medizinstudium absolviert. 1999 wurde er mit einer Arbeit über bila-
Mitteilungen Rechtsmedizin terale Hüftgelenksendoprothetik promoviert. Im Jahr 2000 hat er die Facharztprüfung abgelegt. Ergänzend zur rechtsmedizinischen Ausbildung am IRM Bern bei Herrn Prof. Dirnhofer war er ein Jahr lang Fellow am „Armed Forces Institute of Pathology“ in Washington. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit am Virtopsy-Projekt (http://www.virtopsy.com) unterzog sich Herr Thali einer 2-jährigen radiologischen Ausbildung am Berner Inselspital. Hervorzuheben ist auch seine Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Kneubuehl aus Thun über synthetische Körpermodelle und mit dem Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich. Für das transdisziplinäre Virtopsy-Projekt hat Herr Thali umfangreiche Drittmittel eingeworben. Er hat sich 2003 mit einer Schrift über moderne forensische Bildgebungsmethoden habilitiert. Schon 2002 ist er mit dem Wissenschaftspreis der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin ausgezeichnet worden. Herr Thali hat über 50 wissenschaftliche Publikationen verfasst, die meisten davon in renommierten internationalen Zeitschriften. Im Rahmen des Verfahrens zur Neubesetzung des Berner Lehrstuhls für Rechtsmedizin wurde Herr PD Dr. med. Michael Thali von der Berufungskommission primo loco platziert. Nach der Überreichung der Urkunde durch den Präsidenten der DGRM stellte Herr PD Thali in einem beeindruckenden Kurzvortrag seine wichtigsten Forschungsgebiete (Haut-Schädel-Gehirnmo dell, Photogrammetrie/3D Scan, Forensische Radiologie) vor. S. Pollak (Freiburg/Brsg.)
Konrad-Händel-Preise 2005
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in bereits traditioneller Fixpunkt in der Eröffnungssitzung der Jahrestagungen ist die Verleihung der Konrad-Händel-Preise. Herr Ltd. OStA i. R. Konrad Händel, der seit 1980 Ehrenmitglied der DGRM war (s. Rechtsmedizin 14: 69-71, 2004), hat 1997 eine nach ihm benannte Stiftung zur Förderung der rechtsmedizinischen Wissenschaft eingerichtet. Seither wird alle Jahre ein Preis für herausragende Leistungen ausgelobt, die entweder unmittelbare Bedeutung für die Rechtspflege haben oder die geeignet sind, die Verkehrssicherheit zu fördern bzw. Unfallursachen aufzuklären. Bei der 81. Jahrestagung in Rostock-Warnemünde hat Konrad Händel, der damals bereits im 93. Lebensjahr stand, die Urkunden noch selbst überreichen können. Bis ins hohe Alter war Konrad Händel der wohl treueste Besucher von rechtsmedizinischen Tagungen und Kongressen, über die er auch regelmäßig in verschiedenen Fachzeitschriften wie „Kriminalistik“ oder „Blutalkohol“ berichtete – zum ersten Mal 1966 über den 45. Kongress bei Günther Weyrich in Freiburg und von da an in beispielloser Kontinuität 35 Jahre lang. Mit vielen Mitgliedern der DGRM war Konrad Händel bis zu seinem Tod am 11. November 2003 in herzlicher Freundschaft verbunden. Als echter Mäzen hat er mit seiner Stiftung dafür gesorgt, dass die rechtsmedizinische Forschung über seinen Tod hinaus nachhaltig unterstützt wird. Aus seinem Nachlass ist der Stiftung erneut ein namhafter Betrag zugewachsen, so dass in Zukunft eine noch großzügigere Dotierung der Konrad-Händel-Preise möglich sein wird. Die Wahl des Stiftungskuratoriums fiel diesmal auf die Herren Dipl.-Biol. Dr. rer. nat. Jens Amendt und Dipl.-Biol. Dr. rer. med. Richard Zehner aus Frankfurt. Das Kuratorium würdigt damit die großen Verdienste, die sich Dr. Amendt und Dr. Zehner um die Etablierung der forensischen Entomologie innerhalb der deutschsprachigen Rechtsmedizin erworben haben. Besonders die entomologische Liegezeitbestimmung ist eine wertvolle Bereicherung der rechtsmedizinischen Diagnostik und von unmittelbarer Bedeu-
tung für die Rechtspflege. Die Übergabe der Urkunden nahm Frau Margarete Basler, Direktorin des Amtsgerichts Schopfheim und seit dem Vorjahr korrespondierendes Mitglied der DGRM, in ihrer Funktion als Vorsitzende des Stiftungskuratoriums vor. Jens Amendt wurde am 4.11.1965 in Hanau geboren. Er hat an der Universität Frankfurt Biologie mit dem Hauptfach Zoologie und den Nebenfächern Botanik und Pharmakologie studiert. Am Forschungsinstitut Senckenberg verfasste er seine Dissertation über Taxonomie, Biologie und Parasitoide ausgewählter Gallmücken-Arten auf Weiden. Seit Januar 2000 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Frankfurter Zentrum für Rechtsmedizin. Er ist dort Leiter des Bereichs Forensische Entomologie und zuständig für die Erstellung von insektenkundlichen Gutachten zur Leichenliegezeit. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Insektensukzession, der Altersbestimmung von Fliegenpuppen und der genetischen Identifikation forensisch wichtiger Insektenarten. Dazu hat er zahlreiche Originalarbeiten und Übersichtsartikel in renommierten deutsch- und englischsprachigen Zeitschriften verfasst. Richard Zehner wurde am 17.2.1965 in Frankfurt geboren und hat – so wie Herr Amendt – an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Biologie studiert. Seine Dissertation entstand in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Institut für Medizinische Virologie und befasste sich mit der zellulären Resistenz gegenüber antiretroviralen und antitumorösen Nukleosidanaloga. Seit 1991 arbeitet er am Frankfurter Zentrum der Rechtsmedizin. Er hat dort den Bereich Forensische Molekularbiologie aufgebaut und ist für die spurenkundliche DNA-Analytik und für die Abstammungsbegutachtung zuständig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen neben der forensischen Spurenkunde vor allem die Insektengenetik und phylogenetische Fragestellungen. Dazu hat er, oft gemeinsam mit Herrn Amendt, fast 40 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. S. Pollak (Freiburg/Brsg.) Rechtsmedizin 6 · 2005
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Laudatio für Frau Prof. Dr. hab. med. Barbara Maria Swiatek (Breslau/Wroclaw – Polen) anlässlich der Ernennung zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, gehalten durch Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c. Schneider (Berlin) im Rahmen der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin am 21.09.2005 in Hamburg
Vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin bin ich, damals noch in meiner Eigenschaft als Vizepräsident unserer Fachgesellschaft, gebeten worden, die Laudatio für Frau Prof. Swiatek zu halten. Dieser Bitte komme ich gerne nach. In Breslau, heute Wroclaw, fing alles an, genauer gesagt, am 20. September 1904. Damals stellte Puppe (Königsberg) in der Sektionssitzung ,,Gerichtliche Medizin“ den Antrag zur Bildung einer ständigen gerichtsärztlichen Vereinigung. Dieser Antrag fand allgemeine Zustimmung. Alsbald trat man zur Gründung der ,,Deutschen Gesellschaft für gerichtliche Medizin“ zusammen. Puppe war in Breslau der Nachfolger von Lesser. Es folgten die Professoren Ziemke, Reuter, Buhtz und Mueller. In der von Madea (Bonn) herausgegebenen Festschrift heißt es: ,,Die gerichtliche Medizin hatte an der Universität Breslau dank ihrer bedeutenden Ordinarien einen glänzenden Einfluss auf die Gerichtsmedizin in Deutschland“. Mit Professor Popielski, dem ersten Direktor nach dem Kriege, brach eine neue Zeit an. Nur mit solchen herausragenden Persönlichkeiten war es möglich, ein gemeinsames Europa aufzubauen, so hatte ich mich schon einmal geäußert. Die jetzige Lehrstuhlinhaberin, Frau Prof. Swiatek steht ganz in dieser Tradition. Alle, die an der Festveranstaltung am 31. Oktober 2004 in der Aula Leopoldina anlässlich des Gründungsbeschlusses vor 100 Jahren teilgenommen haben, werden mir sicher zustimmen können. In ihrer Begrüßungsansprache hat Frau Prof. Swiatek uns zugerufen: ,,Ich heiße alle deutschen
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Kollegen herzlich willkommen. Wir sind der EU beigetreten. Uns trennt gegenwärtig nur die scheinbare Grenze. Uns verbinden gemeinsame Interessen und Charaktereigenschaften.“ Den Festvortrag hielt damals Prof. Raszeja (Danzig), seit vielen Jahren ebenfalls Ehrenmitglied unserer Fach-gesellschaft. Frau Prof. Swiatek, ich möchte es heute und an dieser Stelle noch einmal wiederholen, gebührt großer Dank, nicht nur für die Ausrichtung der Festveranstaltung in der ehrwürdigen Breslauer Universität, sondern auch dafür, dass sie damit auch einen Beitrag geleistet hat für die deutsch-polnische Freundschaft, der, wie ich meine, eine gleich große Bedeutung zukommt wie der deutsch-französischen Freundschaft. Jetzt, 60 Jahre nach Kriegsende, sollten zwar diese Überlegungen Allgemeingut sein, sind sie aber nicht. Nun aber zur Person, um die es geht: Es ist guter Brauch, bei einer Dame das Geburtsjahr nicht zu nennen. Nur so viel darf ich in diesem Kreise sagen, dass ich nicht ganz zwei Jahre älter bin. Von 1959-1965 studierte Frau Prof. Swiatek an der Medizinischen Akademie in Breslau. Schon während des Studiums arbeitete sie als Volontär am Institut für Rechtsmedizin. Die weiteren Stationen waren: Assistenzarzt, Oberassistenzarzt Adjunkt, außerordentlicher Professor, ordentlicher Professor. Seit 1992 ist sie Lehrstuhlinhaberin und Leiterin des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Akademie in Breslau. Ihr Schriftenverzeichnis umfasst mehr als 200 Positionen. Preise und Auszeichnungen blieben natürlich nicht aus. Genannt sei an dieser Stelle das Goldene Verdienstkreuz, das Ritterkreuz des Ordens Polonia Restituta, die Mikulicz-RadeckiMedaille und die Akademia-Medica-VratislaviensisPolonica-Medaille. Frau Prof. Swiatek wird vielen von uns auch von ihren Kongressbesuchen in Deutschland bekannt sein.
Die Jahrestagung hier in Hamburg ist aber auch vom Zeitpunkt gut gewählt, um Frau Prof. Swiatek die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin anzutragen, befinden wir uns doch derzeit im deutsch-polnischen Jahr. Unser Bundespräsident, Horst Köhler, hat zusammen mit seinem polnischen Kollegen Aleksander Kwasniewski dieses besondere Jahr mit einem Festakt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt — manche sagen, der Gendarmenmarkt sei der schönste Platz Europas — eröffnet. Er hat sich dabei auf den alten Papst berufen, als er von den ,,von Gott gegebenen Nachbarn“ sprach. Laut Pressenotiz heißt es dazu weiter: Doch weil sich die Deutschen in der Vergangenheit oft gar nicht nachbarschaftlich benommen habe, grenze es ,,an ein Wunder“, dass sich die beiden Länder ,,noch nie so nahe waren wie heute“. Eigentlich gehörte Polen ja zu den Siegern des Zweiten Weltkrieges — aber da es der stalinistischen Einflusssphäre zugeschlagen wurde, ging es ihm bald schon schlechter als uns, die wir den Krieg verloren haben. Mit der Ost-Er weiterung der europäischen Union ist aber, wie ich denke, ein neues Kapitel aufgeschlagen. Und für die weitere Entwicklung tragen Deutschland und Polen, eine besondere Verantwortung. Aber auch im Kleinen kann jeder zum Gelingen der Vision von Europa beitragen, so auch wir Rechtsmediziner bzw. Rechtsmedizinerinnen Und so empfinde ich auch eine große Freude, dass der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin im vergangenen Jahr beschlossen hat, Frau Prof. Swiatek mit der Ehrenmitgliedschaft unserer Gesellschaft auszuzeichnen. Ich könnte mir vorstellen, dass auch gemeinsame Tagungen bzw. Symposien ähnlich wie das deutschjapanische Symposium nützlich wären, nützlich für beide Seiten. Bei einer Mitgliederversammlung geht es ja zumeist sehr ernst zu, ich denke aber, dass wir bei dem Festabend Gelegenheit haben werden, kräftig auf die deutsch-polnische Freundschaft anzustoßen. V. Schneider (Berlin)
Mitteilungen Rechtsmedizin
Gründungssitzung der Arbeitsgemeinschaft „Forensisch-pädiatrische Diagnostik“
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m Rande des sechsten ISALM sowie der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Hamburg trafen sich am 22. September 2005 21 interessierte Kolleginnen und Kollegen aus 17 rechtsmedizinischen Instituten Deutschlands und der Schweiz mit Unterstützung des Präsidiums der DGRM zur Gründungssitzung der Arbeitgemeinschaft „Forensisch-pädiatrische Diagnostik“. In Anbetracht einer wachsenden Zahl von rechtsmedizinischen Untersuchungen im Zusammenhang mit körperlicher und sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, aber auch im Hinblick auf spezi-
elle Probleme bei Obduktionen von Säuglingen und Kleinkindern mit immer umfangreicher werdenden Möglichkeiten der molekulargenetischen Diagnostik seltener Erkrankungen, ergibt sich ein wachsender Bedarf zur Abstimmung der Arbeit innerhalb der Rechtsmedizin und auch zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Erste Ziele der Arbeitsgemeinschaft bestehen demzufolge in einer Bündelung und auch Abgrenzung rechtsmedizinischer Kompetenzen, der Erarbeitung von Empfehlungen/Minimalstandards für die Durchführung bestimmter Untersuchungen bzw. für die Untersuchung bestimmter
III.rd Congress of the Balkan Academy of Forensic Sciences Constanta, Rumänien (02.–05.06.2005)
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er 3. Kongress der Balkanakademie der Rechtsmedizin fand vom 02. – 05.06.2005 in Constanta (Rumänien) statt. Es handelte sich um die erste internationale rechtsmedizinische Tagung in Rumänien seit 1992. Die Balkanakademie existiert seit 2003 und wurde von Prof. Iscan (Türkei) und Prof. Michalodimitrakis (Griechenland) gegründet. Die vorherigen Treffen fanden in Istanbul (2003) und Serres/Griechenland (2004) statt.
350 Teilnehmer aus 16 Ländern repräsentierten vor allem, aber nicht ausschließlich, die südosteuropäischen Länder. 143 Vorträge und 165 Poster aus den Gebieten der Forensischen Pathologie, Toxikologie, Genetik, Kriminalistik, Rechtswissenschaft, Psychiatrie, Odontologie, Anthropologie und klinischen Rechtsmedizin, boten ein interessantes und abwechslungsreiches Programm, das auch Aufschluss über die jeweilige Situation des Faches Rechts-
13. Kongress der Ungarischen Gesellschaft für Gerichtliche Medizin (Szeged, 18.–31.8.2005)
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Jahre nach dem 12. Kongress, der bei Prof. Bajnóczky in Pécs stattgefunden hatte, kamen die ungarischen Rechtsmediziner diesmal auf Einladung von Prof. Varga vom 28.–31.08.2005 in Szeged zusammen. Wer die sprichwörtliche Gastfreundschaft
der ungarischen Kollegen kennt, den verwundert nicht, dass die Veranstalter auch zahlreiche Teilnehmer aus Frankreich, Japan, Österreich, Rumänien, der Slowakei und Deutschland begrüßen konnten. Tagungsort war das erst kurz zuvor fertigge-
Fallgruppen (z.B. Schütteltrauma, Vernachlässigung, SIDS) und der Etablierung dieser Standards in der täglichen Praxis. Darüber hinaus kann die Arbeitsgemeinschaft zu einer Plattform für eine qualifizierte Weiterbildung und eine verstärkte wissenschaftliche Zusammenarbeit werden. Die Mitglieder der AG beschlossen, sich zunächst einmal jährlich zu treffen. Während des nächsten Treffens, am 11. März 2006 in Berlin, soll das Rahmenthema „Minimalstandards bei Obduktion von Säuglingen und Kleinkindern“ diskutiert werden. Dabei wurden die Themen röntgenologische Diagnostik, Asservierung für Toxikologie und molekulargenetische Diagnostik sowie neuropathologische Untersuchung als Schwerpunkte ausgewählt. S. Banaschak (Jena), T. Bajanowski (Essen) für die Mitglieder AG
medizin in den teilnehmenden Ländern sowie länderspezifische Rechtsauffassungen gab. Die Abstracts der Beiträge können in einem Kongressband nachgelesen werden (Herausgeber: Prof. Dermengiu). Der Kongress fand im direkt am Strand des Schwarzen Meeres gelegenen Parkhotel in Mamaia statt, so dass das Ambiente vorzüglich war. Mit hohem persönlichem Engagement und trotz schmalem finanziellen Budget gelang den rumänischen Organisatoren um Prof. Scripcaru aus Iasi und seinem Team eine glänzende kulinarische Versorgung. Die nächste Tagung ist für das Jahr 2006 in Stara Zagora (Bulgarien) geplant. K. Trübner, Essen
stellte, modernst ausgestattete Bibliotheksgebäude der Universität im Zentrum der Stadt. Bei der feierlichen Eröffnung am Morgen des 29.8.2005 ergriffen Prof. Varga als Gastgeber und Direktor des Szegeder Instituts für Gerichtliche Medizin, Prof. Szabó als Rektor, der Emeritus des Budapester Instituts und Altrektor der Semmelweis-Universität Prof. Sótonyi und der Präsident der ungarischen Fachgesellschaft Prof. Bajnóczky das Wort. Im Rahmen dieser Sitzung wurden auch verdiente MitRechtsmedizin 6 · 2005
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glieder (Prof. Buris/Debrecen, Prof. Kosá/ Szeged und Prof. Bajnóczky/Pécs) geehrt. Anschließend wurde von Vertretern der zuständigen Ministerien und aus Sicht der betroffenen Rechtsmediziner sehr engagiert über die aktuelle Situation des Faches und seine Finanzierungsprobleme diskutiert. In einer weiteren Plenarsitzung folgten 6 Vorträge ausländischer Referenten, die in englischer, deutscher oder ungarischer Sprache gehalten wurden. Dabei ergab sich die Gelegenheit, den Organisatoren für die umsichtige Planung und Durchführung des Kongresses zu danken und Grüße der DGRM an die ungarische Schwestergesellschaft zu überbringen. An den drei Veranstaltungstagen wurden insgesamt 73 wissenschaftliche Vorträge aus allen wichtigen Teilbereichen der Rechtsmedizin gehalten. Eigene Sitzungen waren den folgenden Themenblöcken gewidmet: Forensische Molekularbiologie, Verkehrsmedizin, Versicherungsmedizin, Forensische Psychiatrie, Forensische Pathologie. Besondere Er wähnung verdient das reich halti ge Rah menpro gramm, das durch spätsommerlich-sonniges Wetter begünstigt wurde. Am Abend des 28.8.2005 hießen der Kongresspräsident und der Dekan der Medizinischen Fakultät die Besucher im Rahmen einer „Gettogether-Party“ willkommen. Kultureller Höhepunkt war ein Konzert der „Kfar Saba Youth Band“ in der von 1900–1903 erbauten Neuen Synagoge, die durch ihre ge waltige Kuppelkonstruktion und durch die reiche Jugendstildekoration beeindruckt. Auf dem Programm standen mitreißende und besinnliche Werke von der Folklore bis Bernstein und Schostakowitsch. Nach dem Konzert waren die ausländischen Gäste zu einem gemeinsamen Abendessen in einem stimmungsvollen Fisch-Restaurant am Ufer der Theiß eingeladen. Am 30.8.2005 bestand die Möglichkeit, an einer Stadtführung teilzunehmen und die vielen Sehenswürdigkeiten Szegeds (Dom, Rathaus, Nationaltheater, Universität, Paläste aus der Zeit des Klassizismus und des Jugendstils, Klauzál-Platz mit Kossuth-Statue, Ferenc-Morá-Museum u. v. a. m.) kennen zu lernen. An die Mitglieder versammlung der ungarischen Fachgesellschaft schloss sich am Nachmittag des 30.08.2005 ein mehr-
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stündiger Ausflug an, der in den „Nationalen Historischen Gedenkpark“ nach Ópusztaszer führ te. Hier konnten die Teilnehmer den weitläufigen Park mit seinen zahlreichen Attraktionen (ethnographisches Freilichtmuseum, Árpád-Denkmal, Ruinengarten mit heidnischer Friedhofsanlage, Kutschenausstellung, um nur einige zu nennen) unter sachkundiger Führung, auch in englischer Sprache, besichtigen. Der Höhepunkt war zweifellos das eindrucksvolle „Feszty-Panorama“, ein in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts unter der Leitung des Künstlers Árpád Feszty entstandenes, 120 m langes und 15 m hohes Gemälde, das in einem eigens für diesen Zweck erbauten, zylinderförmigen Gebäude von 38 m Durchmesser angebracht ist. Dass dieses Werk mit besonderem Nationalstolz präsentiert wird, verwundert nicht, zeigt es doch verschiedene Episoden der Landnahme der Ungarn gegen Ende des 9. Jahrhunderts in einem beeindruckenden 360-GradPanorama. Nach den vielen, im Gedenkpark zu Fuß zurückgelegten Kilometern war eine Stärkung willkommen, und so klang der Abend mit einem üppigen warmen Mahl in geselliger Runde aus, wobei die Musiker mit ihrem Spiel manch einen Kongressteilnehmer noch zum Tanz animieren konnten. Der Szegeder Kongress war ein eindrucksvoller Beweis für das hohe Leistungsniveau der ungarischen Rechtsmedizin und für ihre internationale Vernetzung. Herrn Prof. Varga und seinen Mitarbeitern kann man zu der in jeder Hinsicht bestens gelungenen Tagung nur aufrichtig gratulieren. M. Darok (Graz), S. Pollak (Freiburg/Br.)
Personalia Herr Prof. Dr. Taizo Nagano (Tokyo), Präsident der 1. ISALM-Tagung (Kanazawa, 1990) und seit 1988 Ehrenmitglied der DGRM, wurde in der Eröffnungssitzung des 6. ISALMMeetings am 20.9.2005 in Hamburg mit der Fritz-Straßmann-Medaille ausgezeichnet. An Herrn Generalbundesanwalt Kay Nehm (Karlsruhe), Präsident der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft und Ehrenmitglied der DGRM, wurde im Rahmen der Eröffnungsfeier der 84. Jahrestagung am 21.9.2005 in Hamburg die Fritz-StraßmannMedaille verliehen. Herr Priv.-Doz. Dr. med. Michael Thali (Bern) erhielt in der Eröffnungssitzung der 84. Jahrestagung am 21.9.2005 den Wissenschaftspreis der DGRM. Die Promotionspreise gingen an Frau Dr. med. Lucy Forster (früher Münster, jetzt Cambridge) und an Herrn Dr. med. Sven Hartwig (Berlin). Mit dem Konrad-Händel-Preis 2005 wurden die Herren Dr. phil. nat. Jens Amendt und Dr. rer. med. Richard Zehner aus Frankfurt geehrt. Anlässlich des 6. ISALM-Meetings (Hamburg, 19.09.-24.09.05) errang die toxikologische Arbeitsgruppe des Institutes für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität mit U. Kuepper, F. Mußhoff, H. Wollersen und B. Madea den Poster Award mit dem Beitrag „Extraction of succinylcholine and succinylmonocholine from paraoxonized blood and subsequent quantitation using a validated HPLC-MS-MS method“ In der Mitgliederversammlung der DGRM am 21.9.2005 wurde Frau Dr. med. Sibylle Banaschak (Jena) als Nachfolgerin von Frau Priv.-Doz. Dr. med. Britta Bockholdt zur Vertreterin der Assistenten/-innen in den Vorstand der Fachgesellschaft gewählt. In der Mitgliederversammlung der DGRM am 21.9.2005 wurden Frau Prof. Dr. med. Barbara Swiatek (Breslau) sowie die Herren Prof. Dr. med. Michael Staak (Köln) und Prof. Dr. med. Dr. h. c. Bernd Brinkmann (Münster) zu Ehrenmitgliedern gewählt. Neue korrespondierende Mitglieder wurden Frau Prof. Dr. Sevil Atasoy (Istanbul) und Herr Dr. med. Yasser Safi Ali (Damaskus). Herrn Priv.-Doz. Dr. Frank Mußhoff aus dem Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität wurde anlässlich des 43rd Meeting der International Association of Forensic Toxicologist (TIAFT) in Seoul (Südkorea; 29.08.-02.09.05) der Mid-Career Achievement Award für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Forensischen Toxikologie verliehen.
Mitteilungen Rechtsmedizin
17th Meeting of the International Association of Forensic Sciences (IAFS) (Hong-Kong, 21.–26.08.2005)
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as 17. Meeting der International Association of Forensic Sciences fand in diesem Jahr vom 21. – 26.08.2005 unter dem Hauptthema „Justice through science“ in Hong Kong statt. Dass es sich dabei um einen attraktiven Kongressort gehandelt hat, muss an dieser Stelle sicher nicht zusätzlich erwähnt werden. Man war bereits nach der Fahrt vom Flughafen zum Hotel von dieser Stadt mit der dazugehörigen Skyline beeindruckt. Am 21.08.05 fanden vorab zunächst 15 Workshops statt, die wichtige Bereiche der forensischen Wissenschaften abdeckten, so zum Beispiel die Themen Computer Forensics, DNA Statistics, Drug driving und Mass disaster victim identification. Am 22.08.05 begann der Kongress mit der Eröffnungszeremonie und Eröffnung durch den Präsidenten der IAFS Prof. Le Young im Hongkong Convention and Exhibition Center. Es handelt sich um ein sehr großes Gebäude, welches für Tagungen vorgesehen und an Hotels angegliedert ist. Es liegt in unmittelbarer Ufernähe am Victoria Harbor. Der erste Kongresstag war Plenary Lectures gewidmet. Dabei wurden Themen wie „Genomic medicine and pharmacogenetics as molecular autopsy for drug death certification“ oder aber auch „Hong Kongs role in the global and regional fight against drug abuse” behandelt. Die weiteren vier Kongresstage waren durch eine Vielzahl von Parallelveranstaltungen gekennzeichnet. Bis zu 11 Veranstaltungen zu den verschiedenen Themen der forensischen Wissenschaften fanden zur gleichen Zeit statt. Es war daher den Teilnehmern nicht möglich, sich einen Überblick über verschiedene Bereiche der forensischen Wissenschaften zu verschaffen; vielmehr musste man sich entweder auf eine Veranstaltung konzentrieren bzw. während der Veranstaltungen zwischen den einzelnen Vortragsräumen „hin und her wandern“. Da führte natürlich zu einer entsprechenden Fluktuation während der verschiedenen Sitzungen. Die forensische Medizin war dabei mit den Sitzungsthemen Clinical
Forensic Medicine, DNA Profiling and Serology, Drugs of Abuse, Forensic Odontologie, Forensic Pathology, Quality Assurence and Laboratory Management, Toxicology, Forensic Anthropology and Human Identification, Mass disaster victim identification, Sexual assault examination, Forensic Psychiatry, Traffic Medicine, Forensic Entomology und Forensic Nursing vertreten. Da auch diese Themen, wie man an der Anzahl leicht erkennen kann, parallel liefen, konnte man sich teilweise zu den unterschiedlichen Sitzungen nur über den 500 Seiten umfassenden Abstract-Band einen Überblick verschaffen. So umfasste das Thema Clinical Forensic Medicine beispielsweise die Problematik von Kindesmisshandlungen oder den Einsatz von radiologischen Methoden in der forensischen Medizin. Die Sitzungen zu DNA-Profiling and Serology befassten sich erwartungsgemäß mit den Problemen zur DNA-Typisierung bei Spurenmaterialien, aber auch mit der Analyse von codierenden Bereichen, wie z. B. Single-NucleotidPolymorphismen, die mit dem Red-HairPhenotyp assoziiert sind. Selbstverständlich kam auch die DNA-Analyse im Rahmen des Thai Tsunami Victim Identificati-
on Prozesses zur Sprache. Beiträge zur forensischen Odontologie beschäftigten sich mit der Analyse von Bissspuren und der Altersschätzung bei Kindern und Erwachsenen. Themen der forensischen Pathologie betrafen beispielsweise die Frage toxikologischer Untersuchungen bei verschiedenen Todesmechanismen, den Einsatz bildgebender Verfahren zur Diagnostik aber auch den plötzlichem Kindstod und Kindesmisshandlungen. Eine Ganztagssitzung wurde den Ereignissen des 26. 12. 2004 mit dem Tsunami in Südostasien gewidmet. Die Anzahl der Teilnehmer, die zu den verschiedenen Sitzungen zugegen waren, dürfte 1.000 überschritten haben, wenn man sich die Zahl der Abstracts anschaut. Dass davon der über wiegende Teil aus dem asiatischen Raum kam, überrascht natürlich nicht. Insgesamt kann man feststellen, dass es sich trotz der Größe um eine gelungene und hervorragend organisierte Veranstaltung gehandelt hat. Die in den Kongressunterlagen enthaltenen Hinweise zu Verhaltensregeln bei Taifunen mussten glücklicher weise nicht beachtet werden. Das Wetter war, wie für die Jahreszeit in Hongkong üblich, sehr heiß und schwül. Als nächster Tagungsort für das 18. Meeting wurde New Orleans ausgewählt. Bedauerlicherweise wurde dieser Tagungsort für 2008 bekanntermaßen nicht mal eine Woche später vom verheerenden Hurrikan Kathrina heimgesucht. R. Lessig, Leipzig
2. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik (DGfK) (Münster-Hiltrup, 24.–25.8.2005)
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nter dem Thema „Moderne Methoden der Tatortarbeit“ führte die Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik vom 24. bis 25. August an der Polizeiführungsakademie in Münster-Hiltrup ihre zweite Jahrestagung durch. Die Veranstaltung war Ausdruck der zunehmenden Anerkennung der Tätigkeit der DGfK und ihres Bemühens, die Kriminalistik als eine in die polizeiliche Tätigkeit eingeordnete selbständige Fachdisziplin in Praxis und Wissen-
schaft voranzubringen. Dabei ging es im Besonderen um die Unterstützung der kriminalistischen Praxis bei der Erreichung von Qualitätsstandards für die Fallbearbeitung sowie um den fachlichen Austausch. Mehr als 100 Sachbearbeiter, Kriminaltechniker, Mitarbeiter von Tatortdiensten, Führungskräfte, Juristen, Mediziner und Wissenschaftler anderer Disziplinen nahmen an der Jahrestagung teil. Die Vorträge bestätigten erneut, dass die Tatortarbeit Rechtsmedizin 6 · 2005
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unter dem Aspekt neuer und höherer Anforderungen an ihre handwerkliche Qualität eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche kriminalistische Untersuchung und Beweisführung darstellt. Die Konferenz gab ein klares Signal, der teilweise verkümmerten kriminalistischen Tatortarbeit ein größeres Augenmerk zu schenken. Diskutiert wurden zahlreiche Aspekte zur Vorgehensweise, Methoden der Spurensuche und -sicherung, Führungsfragen sowie die neuen Anforderungen, die sich aus Terroranschlägen und großen Schadensereignissen ergeben. Die Diskussionsergebnisse zeigten, dass erfolgreiche Tatortarbeit als Kombination klassischer kriminalistischer Methoden und moderner kriminalistischer Verfahren verstanden werden muss. Sowohl im Plenum als auch in den Workshops nahmen Besonderheiten der kriminalistischen Tatortarbeit zu großen Schadensereignissen breiten Raum ein. In einem einführenden Vortrag nahm Udo Brill (Erfurt) zu den komplizierten Bedingungen der Tatortarbeit bei den Mehrfachtötungen im Erfurter Gutenberg-Gymnasium Stellung, wo 17 Opfer zu beklagen waren. Dabei wurden nicht nur Probleme der Organisation und des Ablaufs der Ereignisortarbeit sichtbar. Allen Tagungsteilnehmern waren noch die Medieninformationen zu diesem Ereignis im Gedächtnis; emotional beeindruckend wurde die Ausgangssituation dargestellt. Der Redner beschrieb den enormen Umfang der Tatortarbeit bei derartigen Ereignissen und erläuterte praktische Vorgehensweisen und Methoden der Beweisdokumentation. Dieser Vortrag zeigte auch, dass die kriminalistische Arbeit und der Informationsbedarf der Medienvertreter nicht immer in einem konfliktfreien Verhältnis zueinander stehen. In den anschließenden Referaten von Prof. Dr. Armin Forker (Leipzig) und Prof. Dr. Rolf Ackermann (Berlin) wurden praktische und theoretische Grundlagen der Tatortarbeit beleuchtet. Prof. Forker beschrieb mentale Voraussetzungen für die Tatortarbeit, stellte das kriminalistische Denken in den Vordergrund und konstatierte, dass die kriminalistische Untersuchung nicht frei von emotionalen Einflüssen ist. Er hob den erforderlichen Teamgeist und die Motivation hervor und be-
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zeichnete in diesem Zusammenhang die Tatortarbeit als einen Kommunikationsprozess. Prof. Ackermann betonte die Einheit von Kriminaltaktik, Kriminaltechnik, Methodik und kriminalistischem Denken und plädierte dafür, neue Wege in der Methodenentwicklung zu gehen, insbesondere vor dem Hintergrund der Gefahr des Eintritts großer Schadensereignisse. Dies ist eine Aufgabe der Wissenschaftsdisziplin Kriminalistik, die unter den gegenwärtigen Bedingungen (keine Universitäts- oder Hochschuldisziplin) ein Schattendasein fristet. Hartmut Olthoff (Rostock) stellte ein Verfahren vor, mit dem latente Blutspuren sichtbar gemacht werden können. Anhand eines praktischen Beispieles erläuterte er die Anwendung von Luminol und zeigte, dass es vor allem durch gründliche Tatortarbeit, zügige Auswertung der Spuren und die darauf abgestimmte Ermittlungstätigkeit gelang, den Täter festzustellen. Alexander Rähm (Dresden) und Mirko Rhein (Eberswalde) machten den Tagungsteilnehmern bewusst, wie schwierig sich die Tatortarbeit und die anschließende Beweisführung gestalten, wenn Spuren durch das Ereignis vernichtet werden. Sie werteten Unfälle im Umgang mit Sprengstoffen aus, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen. Dabei wurde deutlich, welche organisatorischen Anforderungen ein in der räumlichen Ausdehnung über das normale Maß hinausgehender Tatort stellt. Dennoch gelang es, aufgrund materieller Veränderungen die Ereignisse und deren Verursachung zu rekonstruieren. Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages wies Jens-Peter Geuther (Kiel) auf den Zusammenhang zwischen Tatortarbeit und Führungsarbeit hin. Der Grundtenor seines Beitrages war: Es muss polizeilichen Führungskräften bewusst sein oder bewusst gemacht werden, dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Qualität der Tatortarbeit leisten. Anhand seiner eigenen Erfahrungen als Polizeiführer unterstrich der Referent die Notwendigkeit, mehr Verständnis für die fachliche Spezialisierung aufzubringen. Dazu bedarf es einer entsprechenden Ausbildung von Führungskräften. Das bedeutet, dass kriminalistische Führungsarbeit spezielles Fachwissen voraussetzt und nicht nur als allgemeine polizeiliche Managementaufgabe
betrachtet werden darf. Der Beitrag war eine Anregung, das Ausbildungsprofil der zukünftigen Deutschen Hochschule der Polizei wesentlich stärker auf die Vermittlung von fachspezifischem Führungswissen zur Kriminalistik zu gestalten und nicht auf allgemeine polizeiliche Führungsaufgaben zu beschränken. Zieht man ein Fazit des ersten Tages, so wurde deutlich, dass die Tatortarbeit ein sehr komplexes Vorgehen erfordert und nur durch den interdisziplinären Ansatz qualitativ hochwertig durchgeführt werden kann. Die Tatortarbeit, ob nach traditionellen kriminalistischen Methoden oder modernen Verfahrensweisen, ist nach wie vor eines der wichtigsten kriminalistischen Aufgabenfelder für die Täterermittlung und die Beweisführung im Strafverfahren. Die angeregten Diskussionen zeigten, dass die Praktiker großes Interesse daran haben, den Stellenwert der Kriminaltechnik in den Behörden zu erhöhen. Am zweiten Tag der Veranstaltung wurden die Teilnehmer zur aktiven Mitarbeit in verschiedenen Workshops aufgefordert. Im Workshop I stellten Gerhard Müller (Hamburg), Hans-Joachim Dietz (Wiesbaden) und Rainer Hermann (Hannover) neue Methoden der Tatortarbeit vor, die auf reges Interesse stießen. Ein intensiver Erfahrungsaustausch und eine lebhafte Diskussion kennzeichneten den Workshop II zum Thema „Sachverständige am Tatort“. Dr. Klaus-Peter Philipp (Greifswald) als Moderator stellte insbesondere die gerichtsmedizinische Unterstützung der Tatortarbeit in den Vordergrund. Prof. Dr. Christian Koristka (Berlin) referierte zum Thema „Komplexgutachten“ und Frank- Dieter Stolt (Minden) zeigte auf, welche Fragen sich der Sachverständige bei der Bearbeitung von Gutachten im Zusammenhang mit Stromtodesfällen zu stellen hat. Die Diskussion ergab z.T. kontroverse Auffassungen, aber auch das Resümee, dass eine hochwertige Tatortarbeit bei allen Sachverhalten von entscheidender Bedeutung ist. Der Workshop III unter Leitung von Bernhard Bergmann (Wolfenbüttel) beschäftigte sich mit „großen Schadensereignissen“. Auch hier wurden in den Beiträgen von Karl-Josef Milles (Tübingen) und Martina Kriegeskorte (Wiesbaden) die Komplexität der Tatortar-
Mitteilungen Rechtsmedizin beit und die besonderen Anforderungen in Extremsituationen sichtbar. Fasst man die wesentlichen Erkenntnisse der Fachtagung zusammen, lassen sich folgende Forderungen ableiten: Erstens, eine qualifizierte Tatortarbeit bildet die Grundlage für eine erfolgreiche kriminalistische Untersuchung und für eine gerichtsfeste Beweisführung. Es ist erforderlich, alle Möglichkeiten sowohl kriminaltechnischer als auch kriminaltaktischer Art im Rahmen der Tatortarbeit vollständig auszuschöpfen. Das bedeutet auch, dass neue technische Entwicklungen unverzüglich in der Praxis eingesetzt werden sollen. Zweitens, um eine qualifizierte Tatortarbeit leisten zu können, bedarf es gut ausgebildeter Spezialisten. Das trifft auch für spezialisierte Führungskräfte zu. Die Tatortarbeit ist ein sehr komplexes System, das eine entsprechende Qualifikation erfordert. Auf diesem Gebiet müssen neue Aus- und Fortbildungsschwerpunkte gesetzt werden. Eine spezialisierte kriminalistische Aus- und Fortbildung ist in allen Bundesländern voranzutreiben. Drittens gilt es, für die kriminalistische Forschung F neue Verfahren der Spurensuche und -sicherung zu entwickeln, F bestehende Verfahren zu vervollkommnen, F aus anderen Wissenschaftsgebieten für kriminalistische Arbeit einsetzbare Methoden zu adaptieren und dabei den interdisziplinären Ansatz zu nutzen, F die theoretischen Grundlagen sowie die Methodologie der Kriminalistik systematischer als bisher zu erforschen; dazu bedarf es dringend der Einrichtung einer Hochschul- oder Universitätsdisziplin Kriminalistik, die sich sowohl der praxisorientierten als auch der Grundlagenforschung widmet. Vier tens, die Ereignisortarbeit ist bei schweren Straftaten als Führungsprozess zu betrachten. Insbesondere bei großen Schadensereignissen kann erst durch eine gut funktionierende Führung und Organisation eine effektive und qualitativ hochwertige Tatortarbeit gewährleistet werden.
Das bedeutet, dass Führungskräfte der Polizei auch über das notwendige kriminalistische und kriminaltechnische Fachwissen verfügen müssen. Die zweite Jahrestagung der DGfK zeigte so wie die erste im vergangenen Jahr, dass kriminalistische Aufgaben nur mit einem interdisziplinären Ansatz zu bewältigen sind. Die moderne Kriminalistik kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle Disziplinen der Kriminalwissenschaften und der tangierenden Wissenschaftsbereiche mit ihren eigenen oder adaptier-
ten Methoden zur Aufklärung von Straftaten beitragen. Die Straftatenbegehung als immer komplexer werdendes System menschlicher Handlungen bedarf einer ebenso komplexen kriminalistischen Wissenschaft, die ihre Erkenntnisse für die Praxis (Aufdeckung, Aufklärung und Prävention von Straftaten) sowie für die Ausund Fortbildung zu Verfügung stellt. Weitere Informationen zur Tagung und zur Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik e.V. sind unter www.kriminalistik.info zu finden. H. Roll (Güstrow)
TIAFT 2005 (Seoul/Südkorea, 29.8.–02.09. 2005)
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ie 43. Jahrestagung der TIAFT (The International Association of Forensic Toxicologists) fand zusammen mit dem Forensischen Symposium des Koreanischen „National Institute of Scientific Investigations (NISI)“ in Seoul statt und stand unter dem Motto „East meets West in Forensic Toxicology“. Im Lotte-Hotel von Seoul trafen dazu ca. 550 Teilnehmer aus 48 Ländern zusammen. Die größten Delegationen stammten aus Südkorea (184 Teilnehmer inklusive Gastgeber), Japan (68), Deutschland (27) und den USA (24). Aus 18 Ländern war nur je ein Vertreter gekommen, aus ganz Afrika nur drei Teilnehmer (Ägypten, Gambia und Südafrika), aus Süd- und Mittelamerika nur ein einziger Teilnehmer (Argentinien). Die hohe Teilnehmerzahl aus den asiatischen Ländern war diesmal bedingt durch die Lage des Tagungsortes. Das eintägige Symposium des NISI am 29.08.2005 wurde durch die Tagungspräsidentin Dr. Heesun Chung, den Commissioner General of the National Police Agency Joon-Young Huh und die TIAFT-Präsidentin Dr. Marilyn Huestis (NIH/USA) eröffnet. Allgemein gehaltene wissenschaftliche Beiträge befassten sich mit der Minimalausstattung von modernen Labors in Entwicklungsländern (Vortrag von Howard Stead, UNODC), mit der Problematik des Fahrens unter Drogen als globales Gesundheitsproblem (Dr. Huestis, NIH,
USA), chemischen und biologischen Waffen sowie terroristischen Anschlägen und mit pflanzlichen Heilmitteln bzw. Nahrungsergänzungsmitteln, den „Herbal Drugs“. Ein weiterer Teil beinhaltete Übersichtsbeiträge über forensische Toxikologie in Korea, Japan, Taiwan, Malaysia und Singapur. Während die Young Scientists der TIAFT bereits am Vortag über „Superwarfarin-Intoxikationen“ (Dr. Thomas Grobosch, Berlin) und über „Marijuana Abuse in Korea“ (Sooyeun Lee, NISI, Seoul) diskutiert hatten, wurde die TIAFT-Tagung am 30.08.2005 eröffnet. In 74 Vorträgen und 131 Postern wurden neue Entwicklungen in verschiedenen Themenbereichen behandelt: Postmortem Toxicology, Drug Profiling, Alcohol, Drug and Driving, Clinical Toxicology, Analytical Methods Development, Drugs of Abuse und Alternative Specimens. Das Programm ist auf der Webseite der TIAFT (www.tiaft2005.org) einzusehen, die Beiträge werden in Sonderheften von Forensic Sci. Int. und des J. Anal. Toxicol. abgedruckt. Highlights waren nicht nur die Vorträge von hoch angesehenen Wissenschaftlern und Vertretern hochrangiger Arbeitsgruppen, sondern auch die für den Preis der Young Scientists angemeldeten Vorträge, welche entsprechend mit hoher Aufmerksamkeit gehört wurden. Die Preise gingen nach Homburg/Saar (für Vortrag an Denis Theobald: Rechtsmedizin 6 · 2005
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Metabolismus der Designerdroge 2C-E), nach Helsinki (für Publikation an Teemu Gunnar: Fast GC/NCI-MS von Benzodiazepinen in Blut) und nach Prag (Posterpreis für Vilma Habrdová: GC/MS von Buprenorphin und Opiaten in Urin). Der Nachwuchswissenschaftlerpreis wurde an Priv.-Doz. Dr. Frank Mußhoff (Bonn) überreicht, welcher für seine wissenschaftliche Tätigkeit, belegt durch zahlreiche Publikationen (über 80 Arbeiten und Buchartikel), gewürdigt wurde. Die höchste Auszeichnung der TIAFT, der A. S. CurryAward für langjährige herausragende Verdienste in der Forensischen Toxikologie, wurde Herrn Prof. Robert Wennig (Luxemburg) verliehen. Als Rahmenprogramm war ein Ausflug zur IT-Firma Samsung und in ein „Traditional Korean Folk Village“ eingeplant sowie der anschließende Besuch der Little Angels Performance. Für den beschleunigten Transfer der 10 Busse sorgte eine Polizeieskorte; trotzdem blieb während der Busfahrt genügend Zeit, um sich im Stau der 13 Mio. Einwohner zählenden Hauptstadt intensiv mit den Nachbarn über wissenschaftliche Themen zu unterhalten. Darüber hinaus wurde auch die politische Situation in Korea thematisiert: Zwar stand die Tagung unter dem Motto „East meets West“, doch wurde von der Tagungspräsidentin in der Dankesrede der Wunsch „South meets North“ unter großem Beifall ausgesprochen. Zum Abschluss durften sie und der neue Präsident der TIAFT, Dr. Pascal Kintz (Straßburg), die Flagge der TIAFT an die Tagungspräsidentin des kommenden Jahres (Dr. Majda Zorec Karlovsek aus Ljubljana/Slowenien) übergeben. S. Vogt, W. Weinmann (Freiburg/Br.)
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6. Kongress „Facetten der modernen Anthropologie“ der Gesellschaft für Anthropologie (GfA) (München, 13.–16. 09. 2005)
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um 6. Mal seit der Wiedervereinigung hatte die Gesellschaft für Anthropologie zu ihrem „großen“ Kongress eingeladen. Gastgeberin war die derzeitige Vorsitzende der GfA und Leiterin der Münchener Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie Frau Prof. Gisela Grupe. Erfreulicherweise kam es in diesem Jahr nicht zu einer Überschneidung mit der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Auffällig war eine relativ hohe Beteiligung von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studenten. Hier hat sich offenbar die Organisation des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Anthropologie unter dem außergewöhnlichen Engagement von Sabine Aßmann (Hamburg) positiv ausgewirkt. Sie organisiert für den 22. bis 24. September 2006 in Lüneburg bereits den 2. Kongress für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Anthropologie (Kontakt:
[email protected]). Das wissenschaftliche Programm des diesjährigen GfA-Kongresses bestand aus Vorträgen mit einem „komfortablen“ Zeitfenster von 15 Minuten inklusive Diskussion sowie einer Posterausstellung. Ergänzend dazu gab es Postersitzungen, bei denen jedes Poster innerhalb von 5 Minuten kurz vorgestellt und diskutiert wurde. Dieses Vorgehen wurde von einigen Tagungsteilnehmern kritisiert und sogar von Arbeitsgruppenleitern boykottiert. Auch wenn die kritischen Argumente nachvollziehbar waren, wurde durch die Verweigerungshaltung letztlich jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit genommen, ihre Arbeit und nicht zuletzt auch ihre Person im Plenum vorzustellen und die Ergebnisse zu diskutieren. Für die Rechtsmedizin am interessantesten war sicherlich der erste Kongresstag mit den Themen Paläoanthropologie, Prähistorische Anthropologie am Vormittag und insbesondere dem Thema Forensische Anthropologie am Nachmittag.
Am Vormittag stammten mehrere Beiträge von der Arbeitsgruppe um Joachim Burger (Mainz), die sich mit dem Gebiet der Populationsgenetik und in diesem Zusammenhang mit aDNA (ancient DNA) beschäftigt. Hierbei wurden die besonderen Vorteile der mtDNA-Analyse herausgestellt, die eine relativ hohe Erfolgsquote an dem vorliegenden Untersuchungsmaterial (über 50 ) und Verwandtschaftsnachweise in der maternalen Linie über viele Generationen und große geografische Distanzen erreichte. Die nucleäre DNA (STR-Analyse) wies dagegen nur eine Erfolgsquote von knapp über 10 auf und ist zudem (nur) für die Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse am Fundort (z.B. Familiengrab) geeignet. Im Gegensatz dazu konnten an den Knochen aus der Lichtensteinhöhle aufgrund der dort vorherrschenden extrem guten Bedingungen für den DNA-Erhalt deutlich höhere Erfolgsquoten (über 60 ) bei der STR-Analyse erzielt werden, wie später von Felix Schilz (Göttingen) in der Sitzung „Forensische Anthropologie“ berichtet wurde. Für die eingeladenen Vorträge der Sitzung Forensische Anthropologie, die von Kerstin Kreutz (Wettenberg/Hildesheim) moderiert wurde, war es gelungen, William Haglund (Cambridge/Mass.) zu gewinnen. Der angenehm freundliche und offene Umgang dieses „Prominenten“, der an der gesamten Tagung teilnahm, beeindruckte sowohl die jüngeren als auch die gestandenen Teilnehmer. In seinem Vortrag „Forensic Anthropology and the environment of International Human Rights investigations“ beschrieb er eindrucksvoll die Arbeit der von ihm ins Leben gerufenen Gruppe „Physicians for Human Rights“ seit dem Jahre 1990. Didaktisch hervorragend arbeitete er die Unterschiede bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die entsprechenden Anforderungen an die forensi-
Mitteilungen Rechtsmedizin schen Untersuchungen heraus. Ein wichtiges Anliegen war ihm, die Vorteile der Zusammenarbeit in interdisziplinären internationalen Teams und die Notwendigkeit der Anwesenheit von forensischen Anthropologen am Fundort herauszustellen. In diesem Zusammenhang freute er sich, das bislang einzige deutsche Mitglied seiner Teams, Carsten Witzel (Gießen), im Auditorium begrüßen zu können. Abschließend skizzierte er die Voraussetzungen dafür, dass die „Physicians for Human Rights“ überhaupt tätig werden können. In diesem Zusammenhang beleuchtete er die politischen Gegebenheiten eines in Frage kommenden Einsatzlandes, die Sicherheitsaspekte vor Ort und vorausgehende Trainingsprogramme für die Mitarbeiter. Im zweiten eingeladenen Vortrag berichtete Rimantas Jankauskas (Vilnius/ Litauen) über die aktuelle Situation der Forensischen Anthropologie in Osteuropa. Bemerkenswert war das dargestellte Leistungsspektrum, wobei er jedoch in den verschiedenen Ländern z.T. unklare Zuständigkeiten der Behörden, Kostendruck oder auch allgemeine Interessenlosigkeit beklagte. Im Vergleich zu Mitteleuropa war die Verteilung der Fragestellungen an die Forensische Anthropolgie überraschend: Am häufigsten war nach Alter (37 ) und Geschlecht (33 ) gefragt worden. Die Frage nach der Liegezeit nahm mit 9 immerhin noch den 4. Platz hinter der Statur (11 ) ein. Selten waren Speziesdifferenzierung (3 ) und Todesursache (1 ) angefragt. Sehr übersichtlich und vollständig wurde eine Aufstellung der Methoden zur Identifizierung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen präsentiert. Einen Überblick der verschiedenen Methoden zur Gesichtsweichteilrekonstruktion gab Ursula Wittwer-Backofen (Freiburg). Basierend auf dem „Wettbewerb“ anlässlich der „2nd International Conference on Reconstruction of Soft Facial Parts“ in Remagen (siehe Rechtsmedizin 4/2005, Tagungsbericht von Urs Wiesbrock) schloss sie, dass die klassische plastische Gesichtsrekonstruktion in Handarbeit zu aufwendig und teuer sei und bereits jetzt keine Bedeutung mehr habe. Die digitalen 3-D-Rekonstruktionen seien noch nicht ausgereift genug und bedürf-
ten erheblicher Entwicklungsarbeit. Die einzige brauchbare Methode, die auch die modernen Anforderungen wie Schnelligkeit und „low cost“ erfülle, sei die von ihr angewandte 2-D-Rekonstruktion mit Hilfe der Phantombild-Datenbank des Bundeskriminalamtes. Das Gegenteil belegten die Beiträge von Kerstin Kreutz und Sabine Assmann, die sich beide mit der manuellen plastischen Gesichtsrekonstruktion nach der sog. Manchester-Methode beschäftigten. Sabine Assmann hatte im Rahmen ihrer anthropologischen Magisterarbeit am Institut für Rechtsmedizin in Hamburg vier verschiedene Rekonstruktionen an Kopien desselben Schädels eines bereits identifizierten Leichnams durchgeführt. Hierbei wurden die Varianten mittlere Weichteildicke, Kachexie, Fettleibigkeit und Alkoholismus ausmodelliert. Nach Fertigstellung der vier Modelle wurde ihr ein Portraitfoto der Person gezeigt: Die Übereinstimmung mit dem von ihr rekonstruierten fettleibigen Gesicht war offensichtlich. Die Untersuchung unterstreicht die Bedeutung des Allgemein- und Ernährungszustandes der gesuchten Person für die Wiedererkennbarkeit nach Gesichtsrekonstruktion. Kerstin Kreutz berichtete von einem Fall, bei dem sie nach bereits erfolgter digitaler Gesichtsweichteilrekonstruktion beauftragt wurde, eine weitere Rekonstruktion nach der klassischen Methode durchzuführen. Dabei wurde sie mit dem Problem konfrontiert, dass der beim Auffinden des Leichnams mehrfach gebrochene Schädel teilweise anatomisch falsch geklebt war. Außerdem fehlten zwei für die Wiedererkennung relevante Zähne im Frontbereich, die für Untersuchungen wie Zahnzementannulation und Isotopenanalyse verbraucht und nicht durch Kopien ersetzt worden waren. Dieser Fall belegt die Notwendigkeit der anatomischen Kenntnisse des knöchernen Schädels und seiner Weichteile auch für jede Art der digitalen Gesichtsweichteilrekonstruktion. Diese Kenntnisse können jedoch nur beim Erlernen und Anwenden der klassischen Methoden erlangt werden. Somit würde ein Verzicht auf die klassischen Methoden der modernen Gesichtsrekonstruktion in grob fahrlässiger Weise die Grundlagen rauben.
Weitere Beiträge von Seiten der Rechtsmedizin waren die Poster präsentationen von Eilin Jopp (Hamburg) und Matthias Graw (München). Frau Jopp zeigte die Grenzen und Möglichkeiten der Geschlechtsbestimmung am Becken mit Hilfe der Beurteilung des Sulcus praeauricularis auf. Herr Graw wurde durch Stephanie Holley vertreten: Sie referierte über den Geschlechtsdimorphismus des Meatus acusticus internus an juvenilen und adulten Schädeln. Marcel A. Verhoff (Gießen)
Rechtsmedizin 6 · 2005
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