Rechtsmedizin 2002 · 12 : 255–316 DOI 10.1007/s00194-002-160-8
Abstracts
81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin 24.–28. September 2002 in Rostock-Warnemünde
Vorträge Festvorträge V-1 DER „JAHRHUNDERTFALL“ OJ SIMPSON – PROBLEME UND PERSPEKTIVEN DER RECHTSMEDIZINISCHEN DIAGNOSTIK IN DEN USA Spitz WU Medical Examiner, Prof. of Pathology and Toxikology, Michigan, USA In den Vereinigten Staaten fällt die Rechtsmedizin unter die Zuständigkeit staatlicher oder lokaler Behörden. Die große Zahl von Strafund Zivilprozessen, wobei jede Seite ihre eigenen Experten bestellt, hat dazu geführt, dass zunehmend auch private forensische Pathologen beigezogen werden. Damit vollzieht sich eine nicht immer begrüßenswerte Entwicklung. Im scharfen Kontrast dazu steht das europäischen Konzept der Rechtsmedizin, insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In diesen Ländern sind die Experten an der Universität beschäftigt und können folglich eine neutrale Position einnehmen. Der Autor war in den vergangen 40 Jahren an der Untersuchung oder Begutachtung von Fällen mit großer Publizität beteiligt (u. v. a. Präsident John F. Kennedy, Martin Luther King). Anhand der eigenen Gutachtertätigkeit im Rahmen der zivilrechtlichen Schadensersatzklage gegen OJ Simpson werden Probleme und neue Trends der rechtsmedizinischen Expertise in den Vereinigten Staaten von Amerika aufgezeigt.
V-2 DER NICHT RECHTSKRÄFTIG SCHULDIG GESPROCHENE SERIENTÄTER JOHANN UNTERWEGER – INDIZIEN UND LEHREN AN DEN SCHNITTSTELLEN DER FORENSISCHEN WISSENSCHAFTEN Dirnhofer R Institut für Rechtsmedizin, Bern Der nicht rechtskräftig schuldig gesprochene Serientäter Johann Unterweger stand im Verdacht, nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Strafhaft im Zeitraum vom September 1990 bis Juli 1991 in Prag, Graz, Wien, Bregenz und Los Angeles 11 Frauen ermordet zu haben.
Unterweger legte nie ein Geständnis ab, auch kein Teilgeständnis bezüglich einzelner Tötungsdelikte. Der Geschworenenprozess basierte daher im wesentlichen auf Zeugenaussagen und Indizien, die von verschiedenen Zweigen der forensischen Wissenschaften, wie forensische Pathologie, forensische Genetik, forensische Haar- und Faseranalytik, forensische Anthropologie und Odontologie erarbeitet wurden. Da es sich dabei nicht nur um grenz- sondern auch kontinentalüberschreitende Fälle handelte, waren erhebliche Anforderungen an die jeweiligen forensischen Schnittstellen hinsichtlich Chain of Custody und spurenstrategischen Entscheiden gestellt. Der Fall Johann Unterweger bestätigt die Auffassung, wonach kriminalistisches Arbeiten die „Freude am Überflüssigen“ ist und welche Bedeutung die „Umstände des Falles“ haben. Da in der Causa Unterweger erstmals die forensische DNA-Analytik an einem Einzelhaar ein wichtiges Indiz darstellte, wird auf das Problem gänzlich neuer naturwissenschaftlicher Beweismöglichkeiten und deren Akzeptanz durch die Rechtspflege eingegangen.Auch soll die Bedeutung der rechtsmedizinischen Befunde für die Erarbeitung des „Modus operandi“ von Serientätern kritisch beleuchtet werden.
V-3 DER FALL GRAMS (BAD KLEINEN) Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universität Münster
V-4 DER TERRORANSCHLAG AUF DAS WORLD TRADE CENTER UND DIE RESULTIERENDEN RECHTSMEDIZINISCHEN AUFGABEN Prinz M, Shaler R Dept. Forensic Biology, Office of Chief Medical Examiner, New York Unmittelbar nach den Flugzeugattentaten auf das World Trade Center war klar, dass in den Tagen danach das Amt des Chief Medical Examiners (OCME) eine Schlüsselrolle spielen würde. Die Obduktion und Identifikation der Leichen, die Erfassung und Identifikation der Leichenteile, und die Ausstellung der Totenscheine für die Vermissten fallen in den rechtsmedizinischen Aufgabenbereich. Obwohl die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, lassen sich erste Schlussfolgerungen ziehen. Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts Ein bestehender Katastrophenplan und regelmäßige Übungen mit allen wichtigen Dienststellen waren ein großer Vorteil. Ebenso hilfreich war die Existenz von DMORT (Disaster Mortuary Operation Response Team) einer aus Freiwilligen bestehenden Organisation, die mit ihren mobilen Obduktionseinrichtungen dafür sorgte, das sofort genügend Material zur Verfügung stand, und auch zusätzliches Personal bereit stellte. Alle Leichen und Leichenteile wurden durch drei parallel stattfindende Prozesse geschleust: Obduktion mit Beschreibung und Probenentnahme für DNA, Röntgenuntersuchung, und wenn möglich Zahnstatuserfassung. Die Datenerfassung- und -verwaltung war ein schwieriger personalintensiver Prozess, der erst nach und nach optimiert wurde. Ebenso wie die Zahl der Opfer wurde auch die Anzahl der zu erwartenden Leichenteile anfänglich überschätzt. Unter anderem durch Eliminierung der Doppelmeldungen sank die Zahl der Vermistgemeldeten von über 7000 auf 2824. Bis zum Mai hatte das Institut 289 „intakte“ Leichen, 20,000 Leichenteile und 12,000 Referenzproben erhalten. Das DNA Labor war auf diese Mengen nicht vorbereitet. Außerdem musste ein späterer Rückstand in der Routinefallarbeit vermieden werden. Daher wurde die Aufgabe der DNA Typisierung mit dem Polizeilabor des Staates New York und mehreren Privatlaboren geteilt.Alle DNA-Daten kommen dann im OCME DNA Labor wieder zusammen um auf identische Profilen und Verwandtschaftsverbindungen untersucht zu werden. STR Typisierung war nur in ca. 50% der Proben erfolgreich, mtDNA und SNPs werden hoffentlich die fehlenden Daten liefern. Wie einzelne Beispiele zeigen, erschweren Fehler beim Ausfüllen der verschiedenen Erfassungsbögen für die Familienproben und persönlichen Gegenstände die Identifikationen und verursachen zusätzlichen Personalbedarf.
DNA-Analytik, Spuren V-5 DIE DNA-ANALYSE-DATEI IN DEUTSCHLAND Schmitter H Bundeskriminalamt, Wiesbaden Auf der Grundlage des BKA-Gesetzes wurde durch Errichtungsanordnung vom April 1998 im Bundeskriminalamt eine zentrale DNAAnalyse-Datei (DAD) als Bund-Länder-Verbunddatei eingerichtet. Die Bedingungen für die erforderlichen Analysen waren durch das Strafverfahrensänderungsgesetz Genomanalyse (§§ 81 a Abs. 3, 81 e und 81 f StPO) geregelt. Mit dem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom September 1998 (§ 81 g StPO) wurden die Kriterien für einzustellende Personen, die nicht in einem konkreten Fall als Tatverdächtige einbezogen sind, festgelegt. Die Datensätze, die zunächst die Genorte SE 33,VWA, TH01, FGA und D21S11 enthielten, wurden um D3S1358, D8S1179 und D18S51 erweitert, nachdem die Empfehlung der EU-Arbeitsgruppe Polizeiliche Zusammenarbeit sieben Loci als „European Standard Set of Loci“ (ESS) empfohlen hatte, die in allen europäischen nationalen Datenbanken erfasst sein sollten, um deren Kompatibilität zu gewährleisten. Über die sieben Genorte des ESS hinaus wird in der DAD der Locus SE 33 beibehalten. In die Erstellung der Datensätze (Analysen) sind neben Kriminaltechnischen Instituten und Instituten für Rechtsmedizin auch in steigendem Maße Privatlabors eingebunden, insbesondere um die Masse der gemäß § 81 g entnommenen Proben zu bewältigen. Für die Vergabe der Analysenaufträge gelten Mindestanforderungen an die sich bewerbenden Labors. Diese enthalten u.a. den Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an den von der Gemeinsamen Spurenkommission Rechtsmedizin/ Kriminalämter veranstalteten Ringversuchen, die unter dem inzwischen etablierten Begriff GeDNAP bekannt sind. Als Hilfsmittel für die Ermittlung hat sich die DAD bereits als sehr erfolgreich erwiesen. Bei derzeit etwa 170000 eingestellten Datensätzen wurden in mehr als 4000 „Unbekannt-Fällen“ Zusammenhänge gefunden und die entsprechenden Straftaten aufgeklärt.
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V-6 DNA UNTERSUCHUNGSTRATEGIEN IN NEW YORK CITY, ERFOLGE UND EINFLUSS DER DNA DATENBANK Prinz M Dept. Forensic Biology, Office of Chief Medical Examiner, New York Die Detektive der Spurensicherung der New Yorker Polizei sind die Ersten die den jeweiligen Tatort bearbeiten und Spuren für die DNA-Typisierung asservieren. Das Amt des „Chief Medical Examiners“ hat ein wissenschaftliches Team für Tatortrekonstruktionen, das in Spezialfällen hinzugezogen wird. Eine besonders interessante Kasuistik zeigt, wie eine Kombination von Spritzmusteranalyse, STR-Typisierung und mtDNA Untersuchung den Verdächtigen belastete. Für die meisten Fälle wird die DNA Strategie im Gespräch mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft bestimmt. Auch wenn der Täter gefasst zu sein scheint, werden Spuren untersucht und ein weiteres Fallbeispiel wird illustrieren, wie trotz Augenzeugen und eines Geständnisses nur durch DNA die richtige Antwort ermittelt wurde. Sowohl die lokale als auch die bundesweite DNA-Datenbank haben sich bei der Fallaufklärung bewährt. Wegen der Datenbanken wurde in 1999 die Untersuchungsstrategie für Vergewaltigungen auf alle Fälle auch ohne Verdächtigen ausgeweitet. Zur Zeit werden alle noch nicht bearbeiteten Vergewaltigungen von vor 1999 nachuntersucht. Die resultierenden Fallassoziationen sind oft dramatisch und helfen den Opfern. Ein besonders brutaler Vergewaltiger war schon inhaftiert aber fast am Ende seiner Strafe, als seine DNA in einem zweiten lange zurückliegenden Fall identifiziert wurde. Dieser Fall wurde von der Staatsanwaltschaft benutzt, um die Verjährungsfrist für Vergewaltigungen anzufechten.
V-7 NEUE PERSPEKTIVEN DER MT-DNA-ANALYTIK IN DER FORENSIK Parson W Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck Die Analyse der mitochondrialen DNA (mtDNA) gewann vor allem aufgrund der hervorragenden Sensitivität der Methodik Bedeutung in der forensischen Spurenkunde. Die direkte Sequenzierung amplifizierter Abschnitte der mtDNA Kontrollregion war bislang die am häufigsten angewandte Methode, obwohl sie aufwendig und teuer ist. MtDNA Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) stellen eine attraktive Alternative dar, da sie methodisch einfacher und schneller untersucht werden können, außerdem eignen sie sich aufgrund der kleinen Fragmentlängen (<100 bp) hervorragend zur Typisierung stark degradierter DNA. Die Real-Time-PCR bietet Vorteile für die SNP Typisierung, vor allem, weil das Ergebnis unmittelbar nach der PCR vorliegt. Damit entfällt jegliches post-PCR handling mit dem potentiell Kontaminationsgefahr verbunden sein kann. Real-Time-PCR zeichnet sich durch ein äußerst großes dynamisches Spektrum aus und ermöglicht – im Gegensatz zu allen Endpunktmethoden – objektive Beurteilung der in der Probe vorhandenen DNA Menge. Damit kann nicht nur eine seriöse quantitative Aussage über den DNA-Gehalt in einer Probe gemacht werden, sondern auch Kontamination von probenspezifischem Signal unterschieden werden. Dies ist unter anderem für die Untersuchung von Heteroplasmie entscheidend, da auch Mischungen im quantitativen Ansatz besser beurteilt werden können. Die Untersuchung von SNPs außerhalb der mitochondrialen Kontrollregion mittels Real-Time-PCR hat den bedeutenden Vorteil, dass nur Ergebnisse des typisierten SNPs, nicht aber codierende Information ermittelt wird, die im Zusammenhang mit der forensischen Untersuchung unerwünscht ist. In der gegenständlichen Studie wird Real-Time Detektion anhand des mtDNA SNPs 16519 C/T beschrieben, sowie die Performance und die Limitierung der Methodik vorgestellt.
V-8 Y-CHROMOSOMALE ANALYSE VON TATORTSPUREN Roewer L, Nagy M, Willuweit S, Krüger C, Otremba P, Geserick G Institut für Rechtsmedizin, Humboldt-Universität zu Berlin, Hannoversche Straße 6, D-10115 Berlin Biologische Tatortspuren nach den Regeln der Kunst – in diesem Fall der forensischen Genetik – zu analysieren, setzt strategische Überlegungen voraus, die über die Wahl der Labormethoden entscheiden. Ermittler und Labor sind in Zeiten schnellen wissenschaftlichen Fortschritts gehalten, methodischen Selbstbeschränkungen (z. B. die ausschließliche Beschränkung auf Ermittlung des sog.„DNA-Identifizierungsmuster“) entgegenzuwirken und eine Analytik anzufordern und einzusetzen, die im spezifischen Fall den höchstmöglichen Informationsgewinn versprechen. Im Vortrag soll an drei Fallgruppen – Geschlechtsbestimmung, Identifizierung, Sexualdelikt – illustriert werden, wann die Y-chromosomale STR-Analyse erforderlich ist, und zwar sowohl als Erstanalyse, als Ergänzungsuntersuchung als auch zur Verifikation. 1. Der Amelogenin-Locus auf dem Y-Chromosom (AMELY), ein Bestandteil kommerzieller Kits, kann deletiert sein. Die Verifizierung der Geschlechtsbestimmung mit Y-STR Systemen ist eine einfache und sichere Methode. 2. Linear vererbte DNA-Marker wie Y-chromosomale STR-Haplotypen, kommen bei Identifizierungen unbekannter Toter oder von Leichenteilen beispielsweise bei Massenkatastrophen zum Einsatz. Erste Fallbeispiele zur Eingrenzung der ethnischen Abstammung unbekannter Spurenleger oder Opfer durch Abgleich von Y-STRProfilen mit globalen Haplotyp-Datenbanken weisen einen Ermittlungsweg neuer Qualität. 3. Die Untersuchung von Mischspuren in Sexualdelikten ist eine der bekanntesten Anwendungen der Y-STR Haplotypisierung. Systematische Untersuchungen (Sibille et al. 2002, Dekairelle und Hoste 2001) zeigen, dass die Empfindlichkeit von Y-STR Multiplex-Systemen für die männliche Komponente in der Mischung oft höher ist als diejenige autosomaler STR-Systeme. Die DNA-Profile von Spuren aus Sexualstraftaten oder von Sexualstraftätern, die in nationale Datenbanken eingestellt werden, sollten daher auch informative Y-STR Systeme enthalten. Die Anwendung empfindlicher Multiplex-Protokolle, der Zugang zu Referenzdatenbanken und der Einsatz geeigneter biostatistischer Methoden („surveying method“) zur Berechnung von Nichtausschlusswahrscheinlichkeiten sind Voraussetzungen für die qualifizierte Anwendung der Y-STR Haplotypisierungsmethode in der Fallarbeit. Die Teilnahme des untersuchenden Labors an Qualitätssicherungsprogrammen, die die Y-STR Haplotypisierung evaluieren (z. B. GEDNAP), ist obligat.
V-9 SPURENVIELFALT FÜHRT ZUR WAHRHEIT Brüschweiler W Wissenschaftlicher Dienst der Stadtpolizei Zürich/Schweiz Die Kriminaltechnik kennt auf allen ihren Einsatzgebieten ausgefeilte Untersuchungsmethoden. Die Untersuchungsergebnisse geben daher – fachkundige Untersuchungsausführungen vorausgesetzt – kaum je Anlass zu Diskussionen um Fehlerhaftigkeit bei den Analysenergebnissen. Umstritten können aber die Wertungen sein, die der Experte aufgrund der Laborergebnisse abgibt. Dies bezieht sich im besonderen auf jene Untersuchungen, deren Ergebnisse nicht in Zahlenwerten angegeben werden können. Es ist daher sehr wesentlich, dass bezüglich der Spuren, intradisziplinär – innerhalb der Kriminaltechnik – wie interdisziplinär – gegenüber anderen forensischen Wissenschaften, wie die Rechtsmedizin –, nicht einseitig untersucht wird. Nur die Beachtung des ganzen Spektrums an Spuren und die gemeinsame Wertung der Einzelbefunde führt zur lückenlosen Fallaufklärung.
Dies bedingt jedoch von allem Anfang an eine umfassende Spurensicherung. Gerade im Hinblick auf die Erfolge, die in vielen Fällen mit der Auswertung von DNA-Spuren erzielt wurden, ist mancher Einsatzleiter am Tatort – aus zeitlichen und finanziellen Überlegungen – versucht, auf aufwändige Spurensicherungen zu verzichten. Dies rächt sich aber spätestens dann, wenn anhand des einzig und alleine gesicherten biologischen Spurenmaterials kein klares Ergebnis erzielt werden kann; sei dies aufgrund des „schlechten“ Spurenmaterials oder bei guten Ergebnissen aufgrund der Sachlage. Anhand eines Tötungsdeliktes, bei dem von allem Anfang an intra- wie interdisziplinär Hand in Hand und breitfächerig gearbeitet wurde, wird aufgezeigt, wie die Gesamtbewertung von mehreren klassischen Spurenbefunden zur Identifizierung der Täterschaft führte.
V-10 GRIFFSPUREN – DNA-ANALYSE VON ABRIEBEN Banaschak S, Michael M, Klein A Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena Untersuchungen von Abrieben, die zur Sicherung potentiell DNAfähigen Materials angefertigt wurden, nehmen bei den Spurenuntersuchungen des Institutes zu. Dabei werden die Abriebe häufig vor Ort von der Polizei angefertigt. Zumeist handelt es sich um Diebstahlshandlungen, bei denen unterstellt wird, dass der Täter einen bestimmten Gegenstand angefasst hat. Die Abriebe werden von den unterschiedlichsten Trägermaterialien angefertigt; z. B. Fenstergriffe, Stecker, aber auch von am Tatort aufgefundenen Werkzeugen. Die DNA-Ausbeute ist sehr unterschiedlich; teilweise ist kaum DNA nachweisbar, teilweise finden sich Mischspuren. Experimentell wurden unterschiedliche Griffspuren (an Türklinken und Lenkrädern) untersucht. Handelt es sich um einen von vielen Personen benutzten Gegenstand (Türklinken) waren in den meisten DNA-Systemen mehr als zwei, maximal sechs Allele nachweisbar. Eine Person, die als berechtigter Spurenleger häufig die Klinke benutzt, war eindeutig zu identifizieren. Eine Person, die die Türklinke nur einmal benutzt hat („Täter“), konnte nicht nachgewiesen werden. In Abrieben von Gegenständen, die sicher seit einem halben Jahr nur von zwei Personen benutzt werden (Lenkrad) fanden sich bei der DNAAnalyse Merkmale, die einem Benutzer sicher sowie Merkmale, die nicht zu zuordnen waren. Reproduzierbare Unterschiede ergab erwartungsgemäß die Anwendung höheren Drucks bei der Abriebentnahme (Rollen verglichen mit Reiben). Nach kräftigem Abreiben waren in mehr DNA-Systemen Merkmale nachweisbar. Schlussfolgerungen: Soll an alltäglich benutzten Gegenständen DNA nachgewiesen werden, muss, wenn keine sichtbaren biologischen Anhaftungen erkennbar sind (z. B. Blut) kräftig abgerieben werden, um ein Ergebnis zu erzielen. Dies ist auch in den Spurenfällen zu beobachten, bei denen die Werkzeuge überbracht werden und die Abriebe im Institut angefertigt werden. In diesen Abrieben sind regelmäßig Mischspuren nachweisbar. Die Auswertung der Mischspuren unterliegt den bekannten Einschränkungen.Vergleichsmaterial wird, wenn überhaupt, zumeist nur von Tatverdächtigen übersandt, kaum jemals von berechtigten Spurenlegern. Dies schränkt die Aussagekraft weiter ein.
V-11 MT-DNA-SEQUENZIERUNG AN EINZELNEN EPITHELZELLEN Verhoff MA, Abel MM, Weiler G, Heidorn F Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Gießen Liegt sehr wenig Spurenmaterial zur Untersuchung vor, kann im Extremfall nur eine einzelne Zelle für eine DNA-Typisierung zur Verfügung stehen. Dann ist aufgrund der für eine PCR nur singulär vorliegenden Ausgangsmenge der nucleären DNA eine STR-Typisierung Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts nicht möglich.Von der mitochondrialen DNA (mt-DNA) existieren in einer Zelle jedoch je nach Zelltyp eine Vielzahl von Templates. Deshalb sollte in der vorliegenden Untersuchung geprüft werden, ob an einzelnen Epithelzellen eine Sequenzierung der HV1-Region der mt-DNA möglich ist. Von Ausstrichpräparaten wurde unter Verwendung eines Mikromanipulators ein „single-cell-picking“ durchgeführt. Die einzelnen Zellen wurden in Aqua dest. überführt und zunächst gefroren. Nach einer PCR-Reaktion mit 38 Zyklen folgte die Sequenzierung mit dem BigDye Terminator Cycle-Sequencing Kit und anschließend die kapillarelektrophoretische Auswertung (ABI Prism 310). Eine Sequenzierung der HV1-Region und Individualtypisierung an einer einzelnen Epithelzelle konnte sowohl aus Ausstrichpräparaten von frischen Mundschleimhautabstrichen als auch von Zigarettenkippen erreicht werden. Die Entwicklung der speziellen Methode und deren Anwendung bei wenig Spurenmaterial und Mischspuren werden vorgestellt.
V-12 SHORT PENTAPLEX-PCR ZUR TYPISIERUNG VON SCHWIERIGEN SPUREN Meißner C, Bruse P, Oehmichen M Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Lübeck Aufgrund einer stetigen Verbesserung der Spurenanalyse durch Untersuchung von STR-Genorten werden Landeskriminalämter und rechtsmedizinische Institute mit einer Vielzahl von Altfällen überhäuft, die mit immer besser werdenden Methoden nun bearbeitet und heutzutage möglicherweise geklärt werden können. Ein Problem ist sicher häufig das noch zur Verfügung stehende Material, das teilweise jahrelang und unter schlechten Bedingungen gelagert wurde und eine DNA-Typisierung erschwert. Beim BKA wurde in jüngster Zeit eine Methode entwickelt, die die Typisierung sogar von telogenen Haaren erlaubt. Kennzeichnend für diese PCR ist die Verwendung neuer Primerpaare, die sehr kleine Fragmente erzeugen. Eigene systematische Untersuchungen an paraffineingebettetem Material konnten bestätigen, dass der Einsatz von Primerpaaren, die besonders kleine Fragmente generieren, am ehesten erfolgsversprechend ist. Das Ziel unserer Untersuchung bestand darin eine PCR zu entwickeln, bei der zeitgleich möglichst viele Genorte der deutschen Genanalysedatei amplifiziert werden und die Größe der detektierten Allele möglichst 150 bp nicht überschreitet. Mit dem Programm Primer3 und GeneFisher wurden die entsprechenden Primerpaare für die Genorte Amelogenin, D3S1358, D8S1179, TH01 und vWA herausgesucht, von zwei verschiedenen Anbietern synthetisiert und mit drei verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen zur Analyse im ABI Prism Genetic Analyzer 310 markiert. Danach wurden die PCR-Bedingungen unter Zuhilfenahme des Programms Oligo Analyzer empirisch ausgetestet, wobei insbesondere Primermengen, Magnesiumkonzentration und Additiva variiert wurden. Bei dem Vergleich zwischen herkömmlichen Kits und der Short Pentaplex PCR (ShoP) zeigten sich an 32 Tage in Formalin fixiertem, paraffineingebettetem Material deutlich höhere Signale. Mit der ShoP kann in einem Amplifikationsansatz einfach und besser eine Typisierung von sehr geringen und schlecht erhaltenen DNA-Mengen für vier Genorte der deutschen DNA-Analyse-Datei und des Genortes Amelogenin erfolgen.
V-13 MULTIPLEX-PCR FÜR „PROBLEMSPUREN“ Wiegand P, Klein R, Miltner E Abt. Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Ulm Mit der Etablierung der DNA-Analyse-Datei erfolgte die Festlegung der DNA-Typisierung auf zunächst fünf STRs (SE33, D21S11, VWA,
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TH01, FIBRA), etwa 2 Jahre später wurden drei weitere STRs (D3S1358, D8S1179, D18S51) ergänzt. Die Entwicklung von Multiplex-Kits folgte diesen Systemvorgaben, sodass seit Jahren forensisch validierte STRKits kommerziell verfügbar sind, mit denen sich die o. g acht STRs coamplifizieren lassen. Vergleichsproben (i.d.R. Mundschleimhautabstriche) lassen sich mit diesen Kits ebenso verlässlich typisieren wie Standardspuren, die ausreichend intakte DNA enthalten. Immer häufiger kommen in den letzten Jahren aber auch biologische Spuren zur Untersuchung, die nur sehr wenige kernhaltige Zellen (z. B. Hautkontaktspuren) und erheblich degradierte DNA aufweisen. Derartige Spuren lassen sich mit STR-Kits, die 8 oder mehr Systeme coamplifizieren häufig nur sehr eingeschränkt analysieren. STRs mit längeren Amplicons sind dann nicht mehr detektierbar, Artefaktrisiken wie unspezifische PCR-Produkte und intensive „Stutter bands“ treten gehäuft auf. Die Zielsetzung unserer Studie bestand darin, einen Multiplex-Kit – basierend auf ausgewählten DNA-Datei-Systemen – zu entwickeln, mit dem sich insbesondere „Problemspuren“ (z. B. Hautepithelzellantragungen, Mischspuren mit wenigen Zellen) erfolgreicher typisieren lassen.Wir wählten die vier STRs TH01,VWA, D3S1358, FIBRA und das Amelogenin-System aus, da sich für diese Systeme die Ampliconlängen auf < 200 Bp eingrenzen lassen. Die Amplicon-Längenbereiche der vier STRs wurden so abgestimmt, dass die beiden sensitiven Fluoreszenzfarbstoffe FAM und NED für die Primermarkierung verwendet werden konnten; dies war möglich, indem das TH01-System auf < 100 Bp verkürzt wurde. Die Nachweissensitivität dieses 4-STRKits konnte gegenüber kommerziellen Kits wie MPX2 (Serac), SGMPlus (ABI) und Blue-Kit (ABI) gesteigert werden. Auch ließen sich problematische Spuren erfolgreicher typisieren als mit den kommerziellen Kits.
V-14 VARIATIONEN IN DEN PRIMERBINDUNGSREGIONEN IM STR-SYSTEM SE33 – VERMEIDUNG VON FEHLTYPISIERUNGEN Hering S1, Edelmann J2, Dreßler J1 1 Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden 2 Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig Für mehrere forensisch genutzte STR-Systeme existieren Berichte über einzelne Fälle mit abweichenden Ergebnissen bei der Anwendung verschiedener Primerkombinationen. Variationen in den Primerbindungsregionen können unter hochspezifischen PCR-Bedingungen ein Annealing völlig verhindern und zu scheinbaren Null-Allelen führen. In Abstammungsfällen gibt eine entgegengesetzte Homozygotie zwischen Kind und Elternteil einen Hinweis für mögliche Sequenzvariationen. In Multiplex-PCR-Reaktionen wird mit Annealing-Temperaturen gearbeitet, die für einzelne STR-Systeme unter den spezifischen Temperaturen liegen. Bei Variationen in der Primerbindungsregion kann unter Umständen eine schwache Primerbindung erfolgen und damit ein vermindertes Produkt erhalten werden. Proben mit vermuteten Sequenzvariationen im System SE33 wurden bei verschiedenen Annealing-Temperaturen retypisiert.Während unter hochspezifischen Bedingungen bei 61 bzw. 63°C Annealing nur ein Allel nachweisbar war, führte eine Verringerung des Annealings auf 56 bzw. 50°C zur partiellen bzw. vollständigen Amplifikation eines zweiten Alleles. Eine Sequenzanalyse konnte bisher in sieben Proben Variationen an verschiedenen Positionen der Primerbindungsregionen nachweisen. Um Fehlbestimmungen von STR-Markern aufgrund von Variationen in den Primerbindungsregionen zu vermeiden wäre es günstig, die Doppelbestimmungen mit vollständig versetzten Primern durchzuführen. Mit den verfügbaren Multiplex-Kits ist dies erst teilweise möglich. Die relativ häufigen Variationen im System SE33 können durch eine Retypisierung der Homozygoten bei erniedrigter Annealing-Tem-
peratur auf einfache Art erkannt werden. Bei Datenbankrecherchen ist die Möglichkeit von scheinbaren Null-Allelen zu beachten.
V-15 PERSISTIERENDER FETALER MIKROCHIMERISMUS – EIN PROBLEM FÜR DIE FORENSISCHE DNA ANALYSE? Klintschar M, Schwaiger P, Kleiber M Institut für Rechtsmedizin der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Während der Schwangerschaft kommt es zu einem regen Austausch von Zellen zwischen Mutter und Fetus. Das daraus resultierende Vorkommen fetaler Zellen, in der Regel CD34+ oder CD34+/CD38+ Stammzellen, im Körper schwangerer Frauen wird als fetaler Mikrochimerismus bezeichnet. Dieses Phänomen beeinflusst das Immunsystem der Schwangeren und trägt offensichtlich dazu bei, die Abstoßung des Feten zu verhindern. Normalerweise verschwinden die fetalen (Stamm)zellen nach der Entbindung wieder aus dem Körper der Mutter. Unter gewissen Umständen können sie jedoch jahrzehntelang im mütterlichen Körper persisitieren. Betroffen sind insbesondere Frauen, die an Autoimmunerkrankungen wie Sklerodermie oder Hashimoto Thyreoiditis leiden, bei denen in den betroffenen Organen und im Blut in bis zu 50% aller Fälle fetale Zellen nachgewiesen werden können. Wie man heute weiß, ist persistierender fetaler Mikrochimerismus jedoch auch bei gesunden Müttern möglich. Diese neueren klinischen Ergebnisse weisen also darauf hin, dass im Körper einer Mutter von Söhnen Zellen mit männlichem Karyotyp angetroffen werden können (wenn auch in einem sehr geringen Prozentsatz). Es stellt sich daher die Frage, ob durch dieses Phänomen irreführende Ergebnisse bei einer Spurenuntersuchung Y-chromosomaler Marker resultieren können. Es wurden 20 Vaginalabstriche von Frauen ohne Geschlechtsverkehr in der Woche vor der Untersuchung und Blut von 30 Müttern, die vor 6–8 Monaten einen Sohn geboren hatten, mit einer PCR für das Amelogenin-System und einen Abschnitt des SRY-Gens untersucht. Dabei konnten bei forensisch üblichen Bedingungen (30 Zyklen, weniger als 10 ng DNA) keine Y-chromosomalen Sequenzen detektiert werden. Hingegen führte eine Erhöhung der eingesetzten Zahl der PCR-Zyklen auf 45 zur Detektion von y-chromosomalen Fragmenten auch bei weiblichen Individuen. Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass persistierender fetaler Mikrochimerismus nicht mit der forensischen DNA Analyse interferiert sofern die Zahl der Zyklen auf 30 begrenzt wird.
V-16 HETEROPLASMIE IN DER MT-DNA BEI EINEM ZWEIEIIGEN ZWILLINGSPAAR Verhoff MA, Kramer N, Weiler G, Heidorn F Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Gießen Die maternal vererbte mitochondriale DNA (mt-DNA) sollte theoretisch bei einer Frau und ihren leiblichen Kindern sowie in allen Organen eines Individuums mit identischer Sequenz vorliegen. Dagegen sind bei derartigen Verwandtschaftsverhältnissen in unterschiedlicher Häufigkeit Sequenzabweichungen oder Heteroplasmien beschrieben worden. Weiterhin wurden intraindividuell in unterschiedlichen Geweben Heteroplasmien gefunden, wobei eine Altersabhängigkeit diskutiert wird. In der rechtsmedizinischen Praxis wird eine Untersuchung der mt-DNA u.a. zur Individualtypisierung bei sehr wenig oder schlecht erhaltenem Spurenmaterial oder für die Beurteilung maternaler Abstammungslinien durchgeführt. Im Rahmen einer Studie zur Frage der intraindividuellen Heteroplasmierate wurden von 35 Obduktionsfällen Proben aus Herz, Leber, Niere, Gehirn und M. Psoas untersucht. Bei einem Zwillingspaar, welches von den Eltern immer als eineiig eingestuft worden war, belegte eine STR-Typisierung die Zweieiigkeit. Die Untersuchung der mt-DNA er-
brachte gemäß der maternalen Vererbung in der HV1-Region vier und in der HV2-Region fünf jeweils identische Abweichungen gegenüber der Cambridge-Sequenz in allen untersuchten Organen. Bei einem der Zwillinge zeigte sich in der HV2-Region an Position 204 in Herz und Gehirn eine T-C-Heteroplasmie, welche in den übrigen Geweben und den Organen der Zwillingsschwester nicht nachweisbar war. Entstehung und forensischer Aussagewert der gefundenen Heteroplasmie werden diskutiert.
V-17 UNTERSCHIEDLICHE FRAGMENTLÄNGEN-HETEROPLASMIEN IM HOMOPOLYMEREN C-TRAKT DER HV II BEI ZWILLINGEN Michael M, Voith K, Klein A Institut für Rechtsmedizin der Friedrich-Schiller-Universität Jena Die Sequenz der mitochondrialen DNA innerhalb der mütterlichen Linie ist im Allgemeinen konstant. Gelegentlich finden sich dennoch auch innerhalb einer mütterlichen Linie Unterschiede. Insbesondere im homopolymeren C-Trakt der HV II kommt es häufig zur Ausbildung einer Längenheteroplasmie. Mit dem Ziel derartige Sequenzunterschiede zu finden, wurden von 60 Zwillingspaaren (davon n=40 eineiige Zwillingspaare) die hypervariablen Regionen I und II sequenziert und auf potentielle Heteroplasmien im Bereich des C-Traktes der HV II geprüft. Bei 30 Zwillingspaaren (davon n=20 eineiige Zwillingspaare) fanden sich Sequenzauffälligkeiten im Bereich des C-Traktes. Allerdings war die Interpretation des scheinbaren heteroplasmischen Zustandes auf Grund der Signalüberlagerung zum Teil schwierig. Durch Fragmentlängenanalyse eines Dye-markierten PCR-Produktes der hypervariablen Region II wurde es jedoch möglich, zwischen Sequenzierungsartefakten und tatsächlich vorhandener Heteroplasmie zu unterscheiden. Für alle 30 Paare konnte die Längen-Heteroplasmie bestätigt werden. Bei 3 Paaren (davon n= 2 eineiige Zwillingspaare) zeigten sich Unterschiede in der Verteilung der einzelnen Längenvarianten bei den Zwillingspaaren. Somit konnte gezeigt werden, dass, zumindest gelegentlich, eineiige Zwillinge unterscheidbar sind, was im konkreten Spurenfall von Bedeutung sein könnte.
V-18 VERSTORBEN ODER UNTERGETAUCHT? – EIN VERWIRRSPIEL UM EINEN STASI-OFFIZIER UND DAS ERGEBNIS EINES ABSTAMMUNGSGUTACHTENS Szibor R, Plate I, Wittig H, Krause D Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen verstarb im Alter von 41 Jahren plötzlich und unerwartet. Es gab keinen Hinweis auf einen unnatürlichen Tod, trotzdem wurde eine Autopsie veranlasst, die einen natürlichen Tod bescheinigte. Zehn Tage nach dem Tode erfolgte die Kremation. Kurz darauf enttarnte die GAUCK-Behörde den Konsistorialpräsidenten als ranghohen Mitarbeiter der STASI. Er war gezielt in die Kirchenleitung eingeschleust worden. Wenig später behauptete der Bruder des Spions, dass dieser untergetaucht sei und statt seiner irgend eine Leiche kremiert worden wäre. Die Reihe der Ungereimtheiten im Umfeld des Verstorbenen war so umfangreich, dass Unsicherheiten aufkamen. Diese reichten bis hin zu dem Verdacht, alles, auch die medizinischen Befunde, könnten möglicherweise von der STASI manipuliert worden sein. Wir erhielten paraffinisierte Proben von 7 Organen aus dem Sektionsfall und wurden mit der Identifizierung des Materials beauftragt. Vergleichsblute vom fraglichen Bruder und der Tochter des fraglich Verstorbenen standen zur Verfügung. Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts Die Resultate der STR-Typisierung und der mtDNA-Analyse der Präparate von Herz, Leber und Lunge waren alarmierend. Alle Proben stammten von unterschiedlichen Leichen, in keinem Falle waren die Muster mit der Vaterschaft eines der Verstorbenen zu der jungen Frau bzw. mit einer geschwisterlichen Verwandtschaft zum fraglichen Bruder kompatibel. Darauf screenten wir alle 27 Paraffinblöckchen des Sektionsfalles sowie alle anderen Paraffinblöcke, die in der Sektionwoche in dem Inst. f. Pathologie angefallen waren. Eine seltene L16209 T / C Transition, die bei dem Bruder das fraglich Verstorbenen auftrat, induzierte einen Cac8 I Restrictionsort (GC N2 GC) und ermöglichte einen Vorsreening. Positive Proben wurden dann umfangreicher untersucht. Obwohl die Frage der Identität auf diese Weise geklärt werden konnte, bleibt der Fall weiterhin teilweise rätselhaft.
Forensische Traumatologie I V-19 SCHUSSSPURENUNTERSUCHUNG – STAND AKTUELLER METHODENENTWICKLUNG Wenz W Bundeskriminalamt, Kriminaltechnisches Institut Die ständige Fortentwicklung kriminaltechnischer Untersuchungsmethoden versetzt die Gutachter in die Lage, die Qualität der Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Bewertungen zunehmend präziser zu gestalten. Dabei kann im speziellen Einzelfall der Untersuchungsaufwand mehrere Mitarbeiter-Monate betragen, bis es möglich ist, aus Einzelergebnissen die komplette Ablaufrekonstruktion einer Schusswaffenstraftat zusammenzustellen. Gerade komplexe Schussfälle bedingen die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligter Stellen und setzen die Kenntnisse praktizierter Untersuchungsmethoden voraus, inklusive der dazu erforderlichen Asservierungstechniken. Die Schussentfernungsbestimmung erfordert seit dem vermehrten Auftreten schadstoffreduzierter Munition modifizierte Vorgehensweisen, was anhand von Fallbeispielen systematisch vorgestellt wird. Schmauch der Munition mit dem traditionellen „Blei/ Barium/ Antimon“-Anzündsatz gestaltet die Untersuchungen einfach, Schmauch des „Sintox“-Anzündsatzes mit den Elementen Zink und Titan ist über das Element Zink chemographisch darzustellen, aber die Methoden versagen, wenn nur noch die anorganischen Elemente Kalium bzw. Natrium und Bor oder deren Verbindungen im Anzündsatz enthalten sind. Dies kann bei Untersuchungen zu fehlerhaften Ergebnissen und zur Zerstörung der Spuren führen, wenn es nicht erkannt wird. Schusshand-Untersuchungen geben gerade bei Selbsttötung mittels Schusswaffe geeignete Hinweise, um fragliche Fremdeinwirkung auszuschließen. Hier kommen Untersuchungsmethoden zur Anwendung, die auf der weitgehend unbeeinflussten Verteilung des Schmauchs basieren. Für beide Untersuchungsbereiche gibt es durch die Fortentwicklung der Untersuchungsmethoden auch neue Asservierungstechniken. Wichtig ist auch die Reihenfolge der Untersuchungen, wenn Asservate zwangsläufig bei der Untersuchung verändert werden. Teilergebnisse können den Untersuchungsgang maßgeblich beeinflussen, bedingen aber methodische Wartezeiten. Nur durch die Kenntnis der Untersuchungsmethoden ist es möglich, ein Optimum an Spurensicherung zu erreichen. Anhand von Fallbeispielen unter Einsatz von Röntgenfluoreszenz (RFA), Chemografie (CG) und analytischer Rasterelektronenmikroskopie (REM/EDX), den wichtigsten Methoden bei Schussspurenuntersuchungen, werden die kriminaltechnischen Untersuchungstechniken erläutert.
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V-20 OBDUKTIONSBEFUNDE ZUR DIFFERENZIERUNG VON SUIZIDALEN UND HOMIZIDALEN SCHUSSVERLETZUNGEN – ANALYSE VON 577 FÄLLEN MIT BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DES SCHUSSKANALVERLAUFES Karger B1, Billeb E1, Koops E2, Brinkmann B1 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 2 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg In Münster (1967–1997) und Hamburg (1985–1997) wurden retrospektiv 284 Suizide und 293 Fremdtötungen durch Schuss (n=577) untersucht. Der Anteil der weiblichen Opfer betrug 10,6% bei Suiziden und 26,3% bei Tötungen. Kurzwaffen wurden im Vergleich zu Langwaffen bei Fremdtötungen 6 mal häufiger und bei Suiziden doppelt so oft eingesetzt. Mehr als eine Schussverletzung lag bei 5,6% der Suizide und bei 53,9% der Homizide vor. Bei Suiziden wurden in 89% aufgesetzte oder fast aufgesetzte Schüsse abgegeben, bei Tötungen nur in 7,5%. Die typischen suizidalen Einschusslokalisationen waren Schläfe (36%), Mund (20%), Stirn (11%) und linke Brust (15%), ungewöhnliche Lokalisationen wie Auge, Ohr, Hinterkopf und Nacken wurden jedoch ebenfalls gewählt. Unter 107 suizidalen Einschüssen an der rechten Schläfe zeigten lediglich 6% der Schusskanäle einen absteigenden und nur 4% einen von hinten nach vorne gerichteten Verlauf. Der Vergleich mit Tötungen ergibt für die frontale Ebene einen signifikanten Unterschied (p=0,02). Bei Einschuss an der linken Brustseite (n=130) lagen Schusskanalverläufe von rechts nach links oder parallel zur Saggitalebene in 75% der Suizide, aber nur in 19% der Fremdtötungen vor (p=0,001). Nur einer von 61 suizidalen Mundschüssen wurde in absteigender Richtung abgegeben. Absteigende und von hinten nach vorne verlaufende Schusskanäle an der rechten Schläfe, von links nach rechts verlaufende Schusskanäle an der linken Brust und absteigende Mundschüsse können deshalb trotz typischer Einschusslokalisation nicht als typisch für Suizid angesehen werden. Die einzelnen Obduktionsbefunde inklusive Schussentfernung und Schusskanalverlauf stellen somit lediglich Indikatoren für Suizid oder Homizid dar. Die Kombination mehrerer übereinstimmender Indikatoren kann jedoch zu einer hohe Wahrscheinlichkeit führen.
V-21 FORENSISCHE SCHUSSREKONSTRUKTION MIT DREIDIMENSIONALEN ANIMIERBAREN INDIVIDUELL ANGEPASSTEN OPFER- UND TÄTERMODELLEN IM DREIDIMENSIONALEN CAD-GENERIERTEN TATORT Subke J, Kruse J, Moisa A, Wehner HD, Wehner F Universität Tübingen, Institut für Gerichtliche Medizin Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung der forensischen Rekonstruktion von Schussverletzungen unter der Fragestellung der Fremdbringung mittels computergestützten dreidimensionalen Animationsmodellen unter Berücksichtigung individueller Opfer-, Täter-,Waffen- und Tatortdaten. Voraussetzung für eine genaue dreidimensionale computergestützte Schussrekonstruktion ist die maßgetreue 3-d Dokumentation des Opfers mitsamt Verletzungen. Ebenso sind der Täter, die Waffe, die Spuren und der Tatort zu dokumentieren. Dazu wird weitgehend die Methode der Streifenlichttopometrie (SLT) eingesetzt. Aus den auf diese Weise dokumentierten Daten werden die dreidimensionalen Modelle des Opfers, des Täters und des Tatorts mit Hilfe von CAD-Programmen aufgebaut. Aus der dreidimensional dokumentierten Körperoberfläche des Opfers, auf der die Schussverletzungen maßgetreu abgebildet sind, wird unter Berücksichtigung der anatomischen Gelenke ein 3-D Animationsmodell für die Rekonstruktion aufgebaut. Anhand der Schussverletzungen und der am Tatort dokumentierten Spuren werden die
durch den Körper gehenden Schusskanäle sowie die durch den Raum verlaufenden Schussbahnen rekonstruiert. Dieselbe Vorgehensweise ist für die dreidimensionale Dokumentation des Täters denkbar. Ist dies nicht möglich, werden die Täterdaten über eine klassische Maßbandvermessung ermittelt und ein Animationsmodell des Täters mit Hilfe eines parametrisierbaren Modells aufgebaut. Die Tatortumgebung, in der die beiden Modelle (Opfer, Täter) positioniert werden, wird mit geometrischen Primitiven dreidimensional maßgetreu aufgebaut. Schusstechnische Spuren und die SLT-dokumentierten Schussrichtungen werden ebenfalls in das Tatortmodell integriert. Durch die Superposition der am Opfer festgestellten Schusskanäle mit den SLT-dokumentierten Schussbahnen im Raum und durch die Variation der Körperhaltungen von Opfermodell und Tätermodell wird eine komplexe 3-dimensionale Schussrekonstruktion durchgeführt, mit deren Hilfe der Bewegungsraum des Täters bestimmt wird. Mit Hilfe dieser Rekonstruktion ist es möglich, biomechanisch begründete Rückschlüsse auf den Tathergang zu ziehen.
V-22 ERWEITERTE SUIZIDDIAGNOSTIK: ENDOSKOPIE DER TATWAFFE Schyma C, Claßen UG, Wilske J Institut für Rechtsmedizin, 66421 Homburg/Saar Die Aufklärung von Suiziden mit Schusswaffe erfordert die Bestimmung der Schusshand und der Schussentfernung. Insbesondere in Fällen, in denen eine Schussentfernungsbestimmung nicht durchgeführt wurde bzw. werden konnte, kann die Verteilung biologischer Spuren an der Tatwaffe eine Rekonstruktion der Schussposition ermöglichen. Neben eventuellen Antragungen von Blut und Gewebe an der Waffenoberfläche, können mitunter auch Spuren im Inneren des Waffenlaufes nachgewiesen werden. Bisherige Methoden beschränkten sich auf die Inspektion und Abriebe im Mündungsbereich. Die im Laufinneren lokalisierten Spuren sind im Gegensatz zu denen an der Waffenoberfläche jedoch gegen Überlagerung oder vor Verlust geschützt. Im Rahmen einer prospektiven Feldstudie wird nun mit optischen Hilfsmitteln die Art und Ausdehnung von biologischen Spuren im Laufinneren dargestellt. Zur zerstörungsfreien Spurenuntersuchung werden ein Endoskop (Fa. Storz) mit Kaltlichtquelle und eine Digitalkamera zur Dokumentation verwendet. Hierbei zeigte sich hinsichtlich Verteilung und Intensität der Blutantragungen ein polymorphes Bild. Insgesamt wurden in Suizidfällen mit Faustfeuerwaffen bis Kaliber 9 mm ¥ 19 (Parabellum) Blutantragungen bis in eine Tiefe von 3 cm im Laufinneren gefunden.
V-23 SYSTEMATISCHE UNTERSUCHUNGEN ZUR ZIELBALLISTIK BEI VARIATION DER EIGENSCHAFTEN DES ZIELMATERIALS, DER GESCHOSSGESCHWINDIGKEIT UND DER FESTIGKEIT DER GESCHOSSE – KONSEQUENZEN FÜR DIE BEGUTACHTUNG Siegmund B, Mettin R, Kegel D, Kijewski H IFR Göttingen, Windausweg 2, D-37073 Göttingen In Anlehnung an frühere Untersuchungen wurde der Wassergehalt von Zielmaterialien, die Geschoss-geschwindigkeit und die Festigkeit der Geschosse in weiten Grenzen variiert. Die Geschossenergie vor und nach Durchschlagen des Zieles wurde bestimmt. Die Bedeutung dieser Untersuchungen für die forensische Praxis wird an beispielhaften Fällen demonstriert und diskutiert. Zusätzlich wurden verschiedene beschossene Materialien bei Variation der genannten Parameter mittels einer Hochgeschwindigkeitskamera untersucht. Diese Untersuchungen sollten insbesondere dem Studium erosiver Effekte von Kavitationserscheinungen dienen.
V-24 PEP; EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN MIT DER NEUEN POLIZEIEINSATZPATRONE Wagner T1, Mattern R1, Bauer G2, Ain St3, Stein KM1 1 Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg 2 Polizeidirektion Heidelberg 3 KTU der Landespolizeidirektion Karlsruhe Die Diskussion um eine neue Munition für die Polizei, die das alte Vollmantelprojektil ablösen soll, beschäftigte Politik und Behörden in Deutschland seit den 70er Jahren gleichermaßen. Im Laufe des letzten Jahres wurde schließlich in der Mehrzahl der Bundesländer die Polizei mit einer neuen Munitionssorte ausgerüstet. Vorgestellt und eingeführt wurde ein Deformationsgeschoss mit dem Namen QD Pep (Quick Defense Polizeieinsatzpatrone) der Firma MEN. Der Hersteller verspricht beim Einsatz dieses Geschosses im Gegensatz zur herkömmlichen Vollmantelmunition eine höhere „Mannstoppwirkung“ bei reduzierter Gefahr für Unbeteiligte durch Querschläger und Durchschüsse. Dies soll erreicht werden durch ein definiertes Aufpilzen des Projektils auf einen Durchmesser von max. 12 mm, ohne dass hierbei wie bei herkömmlicher Deformationsmunition eine unkontrollierte Verformung oder ein „Fähnchenabriss“ stattfinden kann. Dies gab Anlass für eine Untersuchung, bei der unter praxisnahen Bedingungen die Unterschiede zur Vollmantelmunition beim Beschuss biologischen Materials getestet wurden. Anhand dieser Versuchsreihen, bei denen vornehmlich tote Schweine als Weichziele dienten, wurden das Verletzungsbild (verändertes Wundbild der Einschusswunde, des Wundkanals sowie Kavitationszonen und das Knochenbruchmuster), das Querschlägerverhalten, der direkte Beschuss (Nahund Fernschuss), sowie das Verhalten des Projektils unter erweiterten Versuchsbedingungen (Eindringen in das Weichziel nach dem Durchschlagen von Holz, Glas, Leder, usw.) untersucht. Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit einer Statistik über Schusswaffeneinsatz bei der deutschen Polizei betrachtet, die nicht zuletzt auch Aufschlüsse darüber geben soll, ob sich die erhebliche Erhöhung der Verletzungsschwere durch Deformationsgeschosse rechtfertigt. Als Fazit wird erläutert, ob der Einsatz der neuen Munition QD Pep verhältnismässig erscheint und die lang ersehnte revolutionäre Verbesserung der Problematik um das Thema der Mannstoppwirkung und Reduzierung der Fremdgefährdung liefert.
V-25 PEP – EIN DEFORMATIONSGESCHOSS IM POLIZEILICHEN EINSATZ: ERSTE ERFAHRUNGEN Peschel O1, Eichner S2, Tatschner T3, Betz P4, Eisenmenger W1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität München 2 Bayerisches Landeskriminalamt, Sachgebiet 207 3 Institut für Rechtsmedizin der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg 4 Institut für Rechtsmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Von einem Geschoss, das im polizeilichen Einsatz Verwendung findet, wird eine zuverlässige, „mannstoppende“ Wirkung erwartet, gleichzeitig sollten aber nicht unverhältnismäßig gravierende Verletzungsfolgen resultieren und das Risiko für umstehende Personen sollte gering sein. Diesen Anspruch konnte die bisher eingesetzte Vollmantelmunition im Kaliber 9 mm Luger nur unvollständig erfüllen. Seit dem Jahr 2000 wird deshalb in Bayern ein Deformationsgeschoss verwendet, das im Vergleich zu der bisher üblichen Vollmantellaborierung ein geringeres Geschossgewicht (6g) bei höherer Vo (420 m/s) und damit eine vergleichbare Geschossenergie (Eo) um 500 J aufweist. Durch eine von einer Kunststoffkugel geschützte Hohlspitze deformiert sich Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts das Projektil beim Auftreffen auf sog. Weichziele mit einer Querschnittsvergrößerung auf ca. 11 mm Durchmesser. Beim primären Auftreffen auf harte Ziele unterbleibt die Querschnittsvergrößerung, so dass die Durchschlagswirkung relativ erhöht wird, jedoch nicht ganz die Wirkung des Vollmantelprojektils erreicht. Erste Erfahrungen im polizeilichen Schusswaffengebrauch werden vorgestellt, wobei es in 2 Fällen zum Tode, in 2 weiteren Fällen zu Verletzungen des Getroffenen kam. Weiterhin wurden 6 Suicide, eine akzidentelle Verletzung und ein Tötungsdelikt beobachtet.Aufgrund der problematischen Quantifizierbarkeit und der vergleichsweise geringen Fallzahlen sind statistische Aussagen derzeit noch nicht möglich. Aus den Einzelfällen lässt sich jedoch zumindest eine Tendenz zu einer verbesserten Mannstoppwirkung bei geringerer Umgebungsgefährdung und ohne vergleichsweise übermäßig gravierende Verletzungsfolgen (bzgl. Vollmantel) erkennen.
V-26 UND DANN GING UNS EIN LICHT AUF ... Wyler D 1, Fischer H1, Kneubuehl B2, Kilchoer T3, Marty W4, Bieri H5, Dittmann V1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel, Pestalozzistr. 22, CH-4004 Basel Schweiz 2 Gruppe für Rüstung der Schweizer Armee, Feuerwerkstrasse 39, CH-3600 Thun, Schweiz 3 Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Bühlstr. 20, CH-3012 Bern, Schweiz 4 Abteilung für Rechtsmedizin, Kantonsspital Chur, Loestrassse 170, CH-7000 Chur, Schweiz 5 Kriminalkommisariat des Kantons Basel-Stadt, Kriminaltechnische Abteilung, Binningerstr. 21, CH-4051 Basel, Schweiz Bei einer Schiesserei in einer Bar wurde eine Person durch mehrere Schüsse getötet.Anlässlich eines Lokalaugenscheins wurden am Leichnam Befunde erhoben, die für eine Schussabgabe aus kurzer Distanz sprachen. Bei der nachfolgenden Obduktion traten immer grössere Zweifel am Vorliegen eines relativen Nahschusses auf. Vorerst war nicht eindeutig klar, welches Material in die Haut des Opfers beim Ereignis eingesprengt wurde und diese eindrückliche morphologische Mimikry hinterliess. Die von Rechtsmedizin und Kriminaltechnik erhobenen Befunde, die Ergebnisse ballistischer Schussversuche sowie rasterelektronenmikroskopische Analysen der Hautläsionen zeigten, dass es sich um Fernschüsse handelte und die Hauteinsprengungen nicht durch Pulverbestandteile zustande kamen. Dies hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Interpretation der Befunde und damit auf die rechtsmedizinische Stellungnahme bei der Rekonstruktion sowie letztlich auch auf die juristische Beurteilung der Tat.
Forensische Traumatologie II V-27 DIE BEDEUTUNG DER RECHTSMEDIZINISCHEN BEFUNDE FÜR DIE FALLANALYTISCHE BEARBEITUNG VON UNGELÖSTEN TÖTUNGSDELIKTEN Baurmann MC, Frönd R, Trautmann K Bundeskriminalamt Wiesbaden, KI 13 – OFA Seit Ende der achtziger Jahre werden bei der deutschen Polizei Fallanalysen bei Tötungsdelikten durchgeführt. Die Vorgehensweise bei der Durchführung von Fallanalysen basiert auf kriminalistischem und kriminologischem Hintergrundwissen über den Deliktsbereich und auf den konkreten Fallinformationen (insbesondere Tatortbefund, Opferprofil und Obduktionsergebnisse),
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die mit Hilfe von explizit für diesen Zweck entwickelten Methoden zu einer ganzheitlichen Fallanalyse aggregiert werden. Das konkrete Ziel einer operativen Fallanalyse ist das Herausarbeiten von Ermittlungshinweisen. Dabei kommt den Obduktionsergebnissen und den daraus gewonnenen Ableitungen zu den Bedeutungen des Verletzungsbildes eine besondere Rolle zu. Diese sind unabdingbar für das zentrale Element der Fallanalyse, die minutiöse zeitliche und räumliche Rekonstruktion des Falles, und den sich anschließenden weiteren Schlußfolgerungen (u.a. Täterziele, geplante / ungeplante Tatkomponenten, Eskalation). Bei der Rekonstruktion können Probleme auftreten, wenn die im Obduktionsprotokoll beschriebenen Verletzungen nicht in den Gesamtzusammenhang des Tatgeschehens eingebunden werden können (Reihenfolge der Verletzungen, Beschaffenheit von verwendeten Tatwerkzeugen, Wundcharakteristik vital / postmortal etc.). Der Zielkonflikt des Rechtsmediziners hinsichtlich seiner Rolle als unabhängiger Gutachter vor Gericht einerseits und der erforderlichen Einbindung der bei der Obduktion festgestellten Befunde in den fallanalytischen Gesamtzusammenhang andererseits ist bekannt, könnte aber im jeweiligen Einzelfall durch eine zielgruppenorientierte Entflechtung von Befunderhebung und Interpretation der Befunde aufgehoben werden.
V-28 ZUR HISTOMORPHOLOGIE BEIM ERTRINKEN Pfeiffer H, Bajanowski T, Vennemann B, Du Chesne A, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 36 Ertrinkungsfälle aus dem Obduktionsgut des Institutes für Rechtsmedizin Münster wurden histomorphologisch ausgewertet. Als Kontrolle dienten Todesfälle infolge Strangulation sowie natürliche Todesfälle. Je 2 Präparate aus jedem Lungenlappen sowie je mindestens 2 Präparate von Herz, Leber, Nieren, Milz und Gehirn wurden in die Untersuchungen einbezogen. Neben konventionellen histologischen Färbungen wurden die Präparate immunhistochemisch mit Rabbit Anti-Human Hemoglobin (DAKO) sowie mit Anti-Blood Group Antigen H (DAKO) und Monoklonal Anti-A und Anti-B (Royce-Laboratories England) aufbereitet. Im Zentrum der Untersuchung standen die Lungen. Das Emphysema aquosum mit seinen klassischen Komponenten wurde semiquantitativ charakterisiert. Besonderes Augenmerk galt den Gefäßveränderungen, dem azinären Wechsel sowie der Ausprägung von Hämorrhagie, Hämolyse, Paltauf`schen Blutungen und vitalen Reaktionen wie Erythrophagie und Makrophagenaktivierung. Je nach Ablauf des Ertrinkungsvorganges (typisch oder atypisch) lassen sich unterschiedliche Reaktionsmuster im Lungenparenchym beschreiben. Die übrigen parenchymatösen Organe zeigen weniger typische Befunde. Auch insoweit wurde besonderes Augenmerk auf vitale Reaktionen gerichtet. In einem Mordfall wurde ein Ertrinkungsvorgang zunächst überlebt. Hier gelang der Nachweis eines besonderen Reaktionsmusters, auch an den parenchymatösen Organen. Die Untersuchungen zeigen, dass eine Unterscheidung in typisches und atypisches Ertrinken möglich ist, ferner, dass Ertrinken ein spezifisches histomorphologisches Korrelat aufweist.
V-29 ZUR PATHOGENESE KONJUNCTIVALER STAUUNGSBLUTUNGEN Lasczkowski G1, Riße M1, Gamerdinger U2, Bohle R M2, Weiler G1 1 Institut für Rechtsmedizin, Justus-Liebig-Universität Gießen 2 Institut für Pathologie, Justus-Liebig-Universität Gießen Die Herkunft sog. Stauungsblutungen an den Augenbindehäuten, welche bei unterschiedlichen Todesursachen auftreten, ist bislang nicht
ausreichend gesichert. Ursächlich werden Sauerstoffmangel oder rein mechanische und strukturgebundene Faktoren sowie Kombinationen hieraus angesprochen. Nunmehr wurde die bereits vorgestellte konfokale Laser Scanning Mikroskopie eingesetzt, um über die Darstellung des morphologischen Korrelats solcher Blutungen,Aufschluss über deren Genese zu erlangen. Die Darstellung der Endothelien erfolgte mit dem FITC markierten Endothelmarker CD 31 (ex: 488 nm, em: 500 – 550 nm). Die Erythrozyten präsentierten sich durch Autofluoreszenz (ex: 568 nm, em: 580 – 630 nm). Es kamen 15 Fälle zur Untersuchung, bei denen makroskopisch sog. Stauungsblutungen festgestellt wurden. Bei 7 Fällen handelte es sich um primär cardiale Todesfälle, in weiteren Fällen um eine Herzbeuteltamponade bei Aortendissektion, eine Vergiftung, einen epileptischen Anfall und um ein stumpfes Thoraxtrauma. In 4 Fällen war eine mechanische Gewalteinwirkung gegen den Hals gegeben. In Fällen mit stecknadelspitzgroßen Blutungen waren kleinere Erythrozytenextravasate um auffällig prall gefüllte Gefäße feststellbar, wobei hier die Wandungen zerrissen waren. In den Fällen, wo klassische petechiale Blutungen beschrieben waren, fanden sich in der Umgebung und in der Blutung Gefäßabschnitte mit praller Füllung, wobei hier die Endothelien sehr flach anmuteten und immer wieder auch breitere Risse aufwiesen, sowie deutlich dilatierte kaum mehr gefüllte Kapillaren mit zerrissener Wandung. Zudem waren oftmals lediglich Bruckstücke von Gefäßenwänden zu finden. Es ergaben sich keine morphologischen Unterschiede bei den unterschiedlichen Todesursachen. Das beschriebene Bild entspricht dem einer Rhexisblutung. Wenngleich es sich hier um die Untersuchung einer kleinen Fallzahl handelt, so zeichnet sich jedoch ab, dass es sich bei dem Zustandekommen der sog. Stauungsblutungen um eine primär mechanische und strukturgebundene Genese handelt.
V-30 HYPOMOCHLIONFRAKTUR DES SCHILDKNORPELOBERHORNS Saternus KS1, Koebke J2 1 Institut für Rechtsmedizin Universität Göttingen 2 Anatomisches Institut Universität zu Köln In Fortführung eigener früherer Untersuchungen zum Geschlechtsdimorphismus und zur Frage der Stabilität durch Kongruenz von Kehlkopfeingang und Zungenbein wird ein typischer Frakturmechanismus des Schildknorpeloberhorns dargestellt. Dazu wird das Bruchverhalten bei zwei verschiedenen Oberhorntypen betrachtet, die als integrativer und als Komponententyp bezeichnet werden. Die Frakturen dieser beiden Typen werden auf das Ossifikationsmuster des Kehlkopfrahmens (Äquidensitenbild) bezogen. Bei der Verknöcherung des Schildknorpelrahmens werden unter mechanischen Aspekten eine biegefeste, (ovaläre oder doppelovaläre) und eine Form mit elastischem Schildknorpeloberrand voneinander abgegrenzt. Bei Ventralflexion eines langen Oberhorns kann dieses ein Hypomochlion auf dem druckfesten, knöchernen Schildknorpelrahmen finden. Damit wird Zug über einen langen Hebelarm aufgebracht. Entsprechend reißt der basale Teil des Horns, also der kurze Hebelarm, am Ort von Materialinhomogenitäten (Knorpel/Knochen) aus.
V-31 DIE ABKNICKFRAKTUR UND DIE IMPRESSIONSFRAKTUR DER KNOEPFCHEN DER GROSSEN ZUNGENBEINHOERNER Saternus KS1, Kernbach-Wighton G1, Fischer U2, Koebke J3 1 Institut für Rechtsmedizin Universität Göttingen 2 Röntgendiagnostik I Universitätsklinikum Göttingen 3 Anatomisches Institut Universität zu Köln Zwei seltene Frakturen der großen Zungenbeinhörner, nämlich die Abknickung der Knöpfchen im Gegensatz zu der häufigen Querfrak-
tur des Horns im Grenzbereich mittleres/äußeres Drittel und die Impressionsfraktur der zarten Kompakta der Knöpfchen selber, sollen präparativ und über Feinfocusaufnahmen dargestellt werden. Im Hinblick auf den Frakturmechanismus wird im Spannungsoptischen Versuch unter Variationen der Knöpfchenform die Spannungsverteilung bei verschiedenen Winkelstellungen der Krafteinleitung (Variation der Richtung des Vektors) im Übergang zum Horn untersucht. Diese technischen Modellversuche werden durch Bruchversuche an Präparaten unter Einsatz der von uns früher unter mechanischen Aspekten klassifizierten Zungenbeintypen ergänzt.
V-32 FORM UND QUELLE RAUMFORDERNDER SUBDURALBLUTUNGEN: EINE MORPHOMETRISCHE ANALYSE Maxeiner H, Ehrlich E, Wolf M Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin Bereits vor 20 Jahren stellte Krauland die Beobachtung vor, dass es zwischen raumfordernden Subduralblutungen aus arterieller bzw. venöser Quelle einen Unterschied der Form der Blutung am Horizontalschnitt zu geben scheint, schränkte die Bedeutung dieser Beobachtung wegen geringer Fallzahl jedoch ein. Wir haben diese Beobachtung erneut aufgegriffen und haben Subduralblutungen infolge venöser Brückenvenen solchen aus rupturierten Rindenarterien gegenübergestellt (je 23 Fälle); Fälle mit relevanten Verletzungen der Hirnsubstanz selbst blieben unberücksichtigt. In allen Fällen erfolgte eine zweifelsfreie Diagnose der Blutungsquelle, sei es durch eine postmortale Röntgenkontrastmitteluntersuchung, sei es durch eine histologische Untersuchung. Die Fotos der in der Horizontalebene eröffneten Schädel samt enthaltenem Gehirn und Subduralblutungen wurden digitalisiert. Morphometrisch vermessen wurden u.a. die Flächenanteile der Subduralblutung, die Ausdehnung der Mittellinienverlagerung sowie vor allem die Längenausdehnung der Subduralblutung und ihre Breite kontinuierlich über ihre gesamte Länge. Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass Subduralblutungen dann, wenn sie ein raumforderndes Ausmaß angenommen haben auch in unserem Untersuchungsgut je nach Blutungsquelle eine deutlich unterschiedliche Form hatten. Venöse Blutungen haben über ihre gesamte Länge eine wenig vom Mittelwert abweichende Breite (sind also verhältnismäßig gleichmäßig in ihrer Breite), während arterielle in ihrem mittleren Drittel eine deutliche Breitenzunahme aufweisen. Dies wird dadurch erklärt, dass sich venöse Blutungen aus zumeist parasagittaler Quelle offenbar verhältnismäßig gleichmäßig von der Mantelkante aus über die Hemisphäre ausbreiten, während bei den in aller Regel an der lateralen Hirnoberfläche gelegenen Rindenarterienrupturen hier ein deutliches Blutungsmaximum entsteht.
V-33 ZUR APOPTOSE IN HIRNVERLETZUNGEN Dreßler J, Gabriel A, Müller E Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden Rezente Studien zeigten, dass die Apoptose zu neuronalem und glialem Zellverlust sowohl nach akuten neurologischen Erkrankungen als auch Schädel-Hirn-Traumata (SHT), beiträgt. Neuere Daten weisen darauf hin, dass durch die Aktivierung von Cystein-Proteinasen, als Caspasen bezeichnet, der apoptotische Zelltod vermittelt wird. In einer prospektiven immunhistochemischen Studie wurden Hirnkontusionen mit bekanntem Verletzungsalter mit der modifizierten TUNEL-Technik untersucht. Hirnverletzungen mit einer Überlebenszeit von 3 Stunden bis 4 Tagen wiesen einen signifikanten Anstieg apoptotischer Zellen auf, danach trat eine Abnahme der Anzahl APOPDETECT-positiver Zellen auf. Die Caspase-3 wurde sowohl in den NeuRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts ronen als auch in Gliazellen der primären corticalen Kontusionszone aktiviert. Die bisherigen Ergebnisse weisen auf einen Zusammenhang zwischen dem Alter vitaler Verletzungen des Großhirns und dem apoptotischen Status der Ganglien-und Gliazellen hin.
V-34 KRANIALE STICHVERLETZUNGEN – BEFUNDKONSTELLATIONEN UND TATMERKMALE Bauer M, Patzelt D Institut für Rechtsmedizin der Universität Würzburg Stichverletzungen des Kraniums mit oder ohne intrakranieller Penetration sind in westlichen Ländern relativ selten, stellen aber z. B. in Südafrika einen erheblichen Anteil aller Fälle mit scharfer Gewalteinwirkung dar. Es stellt sich aus kriminalistischer Sicht die Frage, ob diese Form der Verletzung hinsichtlich Opfer- und Tätereigenschaften, Motiv oder Tatausführung Besonderheiten aufweist, die eine Unterscheidung von Fällen ohne Mitbeteiligung des Kraniums ermöglichen und somit für eine Täterprofilerstellung Aussagekraft besitzt. Bei einer Analyse eigener Fälle haben sich, obwohl die geringen Fallzahlen statistische Aussagen nicht zulassen, einige Tendenzen ergeben. So sind z. B. die Täter ausnahmslos männlich und standen überwiegend bei der Tatausführung unter erheblicher Alkoholbeeinflussung bzw. litten an einer manifesten psychotischen Erkrankung. Intrakraniale Stichverletzungen waren praktisch immer mit multiplen Stichverletzungen im Bereich von Thorax und Abdomen assoziiert. Im Gegensatz zur Lehrmeinung bestand keine Bevorzugung der Lokalisationen mit relativ dünner Knochenschicht (Orbita, Temporalregion). Befundkonstellationen und Merkmale von Opfern und Tätern sollen in dieser Präsentation analysiert und Fällen mit Stichverletzungen ohne Beteiligung des Kopfes gegenübergestellt werden.
Biomechanik, Unfallforschung V-35 BELASTUNGEN DER FÜSSE UND UNTEREN GLIEDMASSEN BEI FUSSRAUMINTRUSION – EINE EXPERIMENTELLE FRONTALAUFPRALLSTUDIE – Kalieris D, Riedl H, Mattern R Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg Auf die Prävention von Verletzungen der unteren Extremitäten bei Frontinsassen in Pkws wird in den letzten Jahren vermehrt geachtet, da insbesondere Sprung- und Fußgelenksverletzungen oft langwierige Heilungsprozesse oder sogar bleibende Behinderungen hervorrufen können. Um Grundlagen zur Verbesserung des Verletzungsschutzes zu schaffen, ist die Ermittlung der Verletzungsmechanik, sowie der Belastungen der unteren Extremitäten bei Frontalkollisionen mit kontrollierten Versuchsparametern und -bedingungen erforderlich. Dafür sind Aufprallversuche mit Simulationen der strukturellen Intrusion des Fußraumes geeignet. Es wird über Belastungsparameter der Füße und der unteren Gliedmaßen von Leichen (im Alter von 30 bis 62 Jahren), Hybrid-III- sowie THOR-Dummies unter gleichen Testbedingungen bei Frontalkollisionen mit 50 km/h berichtet. Die an der Fußstütze gemessenen Fußbelastungskräfte lagen zwischen 14 und 47 kN, die entsprechenden Axialkräfte in der Tibia variierten zwischen 3.4 und 7.6 kN; es wurden stets höhere Kräfte beim Dummyversuch als bei der Leiche gemessen, was für eine höhere Steifheit des Dummyfusses im Vergleich zur Leiche spricht. Die Dorsalflexion im Fußgelenksbereich betrug 40° – 80° und zeigte keine nennenswerten Unterschiede zwischen Dummy und Leiche. Bei den Leichen wurde als häufigste Verletzung die Malleolarfraktur beobachtet; diese Verletzungsart wird bei Realunfällen bei ei-
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ner EES von 25–75 km/h beschrieben. Ferner wurden Verletzungen wie: Abbruch der ventralen Tibiaknorpelkante, Kompressionsfraktur der Tibiavorderkante, Kantenabbruch des Talusfortsatzes, Knorpelabscherung und Knorpelkontusionen festgestellt. Da Pronation oder Supination bei der gewählten Versuchanordnung nicht vorkamen, sind alle Fußverletzungen der Leichen durch Dorsalflexion und Kompression der Fußgelenksregion zu erklären; die Dorsalflexion wurde durch das Aufstützen des Fußes auf den Bremspedalaufbau verstärkt. Art und Schwere der festgestellten Verletzungen werden mit denen bei Realunfällen verglichen, weiter wird zum Grad der Biofidelität der beiden Dummies Stellung genommen.
V-36 GRUNDLEGENDE ASPEKTE DER STRUKTURBESCHREIBUNG VON FASERGEWEBEN FÜR DIE FORENSISCH-BIOMECHANISCHE MODELLIERUNG Mall G, Hubig M, Büttner A, Eisenmenger W Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München Der Rückschluss von Gewebsverletzungen auf die verursachenden Kräfte ist eine zentrale Fragestellung der forensischen Traumatologie. Mit Hilfe biomechanischer Modelle können bei Vorgabe bestimmter Kräfte die resultierenden Gewebsdeformationen berechnet werden und umgekehrt. Allerdings hängt die Validität solcher Modelle ganz wesentlich davon ab, wie genau das Materialverhalten des zu modellierenden Gewebes beschrieben wurde. In der Beschreibung ihres Materialverhaltens erweisen sich jedoch gerade faserige Weichgewebe, wie z. B. die Lederhaut, aufgrund ihrer Nichtlinearität und Anisotropie als besonders problematisch. Für die differenzierte Modellierung nichtlinearen und anisotropen Materialverhaltens biologischer Gewebe haben in letzter Zeit mikrostrukturelle Ansätze an Bedeutung gewonnen. Grundlage dieser Modellansätze ist eine Quantifizierung der Faserrichtungen im Gewebe. Nach der experimentellen Ermittlung der absoluten Häufigkeiten der Faserrichtungen in einem Zählbereich einer Gewebeprobe, empfiehlt sich die Ermittlung der Faserrichtungsdichten (absolute Häufigkeit / Inhalt des Zählbereichs). Die bisher in der Literatur vorhandenen Modelle definieren ihre Faserrichtungsdichten ausschließlich für volumenbezogen. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass diese Definition abhängig von der Form und Orientierung der volumenbezogenen Zählbereiche und damit nicht eindeutig ist. Statt dessen wird ein flächenbezogener Ansatz vorgestellt, der eine Unabhängigkeit von der Form der flächenbezogenen Zählbereiche gewährleistet und mit Hilfe einer Transformationsformel eine systematische Umrechnung der Faserrichtungsdichten je nach der Orientierung der Bezugsflächen ermöglicht. Der Ansatz ist Grundlage eines biomechanischen Modells des nichtlinearen und anisotropen Materialverhaltens von Haut.
V-37 SUBMARINING ALS ERKLÄRUNG FÜR LWK-KOMPRESSIONSFRAKTUR ANLÄSSLICH EINES VERKEHRSUNFALLES Seifert D1, Püschel K1, Weber M2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2 Institut für Unfallanalysen ifu, Hamburg Ein junger Mann verursachte an einem Novembernachmittag mit einem Austin Martin Mini einen Verkehrsunfall. Das Auto geriet in einer Rechtskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Straßenbaum. Beide Insassen wurden erheblich verletzt. Der Beifahrer erlitt u. a. eine LWK-I-Kompressionsfraktur mit Hinterkantenbeteiligung und eine LWK-III-Fraktur sowie Schürfungen am linken Unterschenkel.
Die Haftpflichtversicherung des Fahrers geht davon aus, dass der Beifahrer z. Z. des Unfalls nicht angeschnallt war, und begründet das mit seinen Wirbelkörperverletzungen. Um den Fall zu klären, wurde vom Zivilgericht ein interdisziplinäres Gutachten in Auftrag gegeben. Die seitens des technischen Sachverständigen vorgenommene Unfallrekonstruktion konnte nach Auswertung der Krankengeschichte auch aus rechtsmedizinischer Sicht bestätigt werden. Die im Krankenhaus festgestellten Verletzungen waren mit den Deformationen des Wageninneren in Einklang zu bringen. Die Wirbelkörperverletzungen lassen sich durch Submarining des Beifahrers erklären. Der Rückschluss der Versicherung, dass die Verletzungen dafür sprechen, dass der Beifahrer nicht angeschnallt war, konnten nicht bestätigt werden.
V-38 WIRKUNG VON FUSSTRITTEN GEGEN LIEGENDE PERSONEN Glißmann C, Philipp KP, May C Institut für Rechtsmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Im Versorgungsgebiet des Instituts für Rechtsmedizin Greifswald wurden zwischen 1990 – 2000 von insgesamt 216 vorsätzlichen Tötungsdelikten 79 (= 36,6 %) unter Einsatz von Fußtritten begangen. Bei der Beurteilung der Straftatschwere nichttödlicher Körperverletzungsdelikte werden Tritte mit schweren Schuhen, insbesondere Springerstiefel noch in der Regel als gefährliche Körperverletzungen eingestuft, während Fußtritte mit Sport- und Freizeitschuhen als nicht so gefährlich betrachtet werden, obwohl die Praxis zeigt, dass deutlich mehr Opfer durch gewöhnliches Schuhwerk als mit Stahlkappenschuhen zu Tode getreten werden. Es wird über Ergebnisse von 56 experimentellen Fußtritten gegen den Kopf und den Thorax eines liegenden Dummy berichtet. In der Hauptbewegungsrichtung des Kopfes sind dabei Beschleunigungen im Mittel von 55,7 g mit Spitzenwerten bei 100 g gemessen worden, d. h. es wurden am Kopf maximale Beschleunigungswerte erzielt, wie sie auch bei einem Frontalcrash mit 50 km/h am Kopf des Fahrers auftreten können. Die Beschleunigungswerte wurden in maximal 0,019 s erreicht. Fünf der 22 Testpersonen traten jeweils mit Arbeits- und Straßenschuhen zu. Obwohl im Durchschnitt mit Arbeitsschuhen höhere Messwerte erreicht wurden, gab es breite Überlappungsbereiche. Einzelne Maximalwerte sind mit Straßenschuhen erzielt worden. Die Halsdrehmomentwerte beim Tritt gegen den Kopf liegen hier sogar um 2,9 % höher. 50 % der gemessenen Halsdrehmomente lagen zwischen 16,3 und 40 Newtonmeter, bei einem Maximalwert von 125 Nm. Bei Tritten gegen den Brustkorb wurde die Eindringtiefe gemessen. Hier lagen die Werte für beide Schuharten noch näher beisammen. Dabei stellt die hervorgerufene Gesamtbeschleunigung des Thorax keine herausragende Rolle für das Entstehen von Verletzungen dar. Die Gefährlichkeit liegt hier vielmehr in der relativ kleinen Auftrefffläche des Schuhes und die dadurch entstehenden Belastungsspitzen für die betroffenen Rippen. Sportlich aktive Testpersonen erzielten gegenüber Untrainierten höhere Beschleunigungswerte, während Alter, Körpergröße und Gewicht der Probanden keinen Einfluss auf die Messwerte hatten. Die Ergebnisse belegen, dass die Gefährlichkeit des Fußtrittes vor allem von der Intensität und der Ausführung des Trittes, weniger von den körperlichen Voraussetzungen des Tretenden bzw. der Schuhart abhängt. Auch ein einziger, kräftig ausgeführter Fußtritt mit einem Sport- oder Straßenschuh gegen einen am Boden liegenden Menschen kann für das Opfer lebensbedrohliche Folgen haben.
Bildgebende Verfahren, EDV V-39 INDIVIDUALISIERUNG DIGITALER ANATOMISCHER MODELLE MITTELS CT-AUFNAHMEN Tank M, Mattern R, Stein KM Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg Individualisierte digitale anatomische Modelle bilden die Basis vieler Anwendungen in der Grundlagenforschung und in der klinischen Praxis. So können aus einem individualisierten Modell eine Vielzahl anthropometrischer Maße entnommen werden und aus dem Vergleich des CT-Datensatzes mit dem Modell lassen sich Normabweichungen erkennen. Auch die Anpassung biomechanischer Modelle auf der Basis von finiten Elementen an einen Patientendatensatz ist möglich. Unser Ziel war die Entwicklung eines vollautomatischen Verfahrens um im Stapelbetrieb CT-Aufnahmen reproduzierbar auswerten zu können. Als Voraussetzung benötigt der Algorithmus ein trianguliertes anatomisches Modell, welches mit einem 3D-Konstruktionsprogramm erstellt werden kann. Durch Angabe eines Schwellwertes wird das Zielvolumen des CT-Datensatzes bestimmt. Jedem Eckpunkt eines Dreiecks des Modells kann eine Abweichung zum Zielvolumen zugeordnet werden. Das Minimum der Summe der Abweichungsquadrate definiert die optimale Übereinstimmung. In einem mehrstufigen Verfahren wird dazu die Geometrie des Modells so lange verändert, bis das Minimum erreicht ist. Zuerst wird die Position, Orientierung und Skalierung bestimmt. Danach werden markante anatomische Strukturen angepasst und abschließend eine allgemeine Volumentransformation durchgeführt. Wir testeten das Verfahren an 20 CT-Datensätzen des Schädels, welche zum überwiegenden Teil Schussverletzungen aufwiesen. In allen Fällen zeigte sich eine Konvergenz des Verfahrens mit einer durchschnittlichen Abweichung der Eckpunkte im Millimeterbereich. Durch Definition markanter anatomischer Strukturen im Modell ergaben sich auch anthropometrische Maße wie Schädelbreite, -höhe, -tiefe, Mastoidabstand, Orbitadistanz und andere. Durch Auswertung der Eckpunktsabweichungen konnten größere Knochendefekte automatisch im individualisierten Modell grafisch markiert werden.
V-40 COMPUTERTOMOGRAFIE VON SCHÄDELBERSTUNGSFRAKTUREN: VERBESSERTE DETEKTION DURCH FARBKODIERTE VOLUMENREKONSTRUKTION. Schweitzer W1, Wildermuth S2, Lanz C1, Marincek B2, Bär W1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Winterthurerstrasse 190, 8057 Zürich, Schweiz 2 Institut für Diagnostische Radiologie, Universitätsspital Zürich, Rämistrasse 100, 8091 Zürich Computertomografische Aufnahmen des menschlichen Körpers sind aus der klinischen Diagnostik in der Medizin nicht wegzudenken. Schwer beurteilbar in Vorhandensein oder Ausdehnung bleibt der Befund der nicht dislozierten Berstungsfraktur wie er insbesondere an der Schädelkalotte vorkommt, die sog.„Hairline Fracture“. Dieses Problem ist besonders von rechtsmedizinischem Interesse. An 15 Schafsköpfen (Tod durch Bolzenschuss, Schlachthof Zürich) wurden Berstungsfrakturen hergestellt (5 ¥ stumpfe Gewalt durch Hydraulikpresse, 5 ¥ Schuss, 5 ¥ geformte stumpfe Gewalt). Anschliessend wurde ein für 3D Rekonstruktionen optimierter isotroper Datensatz (Voxelgrösse von 0.43mm) akquiriert mit einem 4-Zeilen Multidetektor-CT-Scanner (Siemens, VolumeZoom) bei einer Kollimation von 1mm. Die für verschiedene Kleinstvolumina (intakter Knochen, Bruchspalten, Fragmente) an verschiedenen Messstellen in den CT-Daten erRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts haltenen Dichtemessungs-Ergebnisse zeigen, dass das Substrat dünner Berstungsfrakturausläufer eine deutlich höhere CT-Dichte aufweist als das Substrat der Bruchspalten bei verschobenen Brüchen und sich teilweise mit Dichtewerten an anderen Stellen des intakten Knochens deckt. Die Technik der „klassischen“ Oberflächenrekonstruktion (auch bekannt als Shaded Surface Display, SSD oder Isosurface-Rekonstruktion) von CT-Daten trägt diesen Messergebnissen keine Rechnung. Daher haben wir die Volumenrekonstruktion mittels messwertgestützter, automatischer Farbkodierung umgesetzt (Software: IDL; Interactive Data Language, www.rsinc.com). Danach erfolgte der Vergleich der mazerierten Schädelfrakturen in Form und Ausdehnung mit Oberflächenrekonstruktionen und farbkodierten Volumenrekonstruktionen. Die farbkodierte Volumenrekonstruktion ist der Oberflächenrekonstruktion in der Visualisierung dünner Bruchspalten innerhalb der Auflösung der CT-Daten in der Detektion überlegen. Methodik, Ergebnisse der Vergleiche und deren Interpretation werden an typischen Beispielen dargelegt.
V-41 VIRTOPSY: POSTMORTALE CT- UND MRT-UNTERSUCHUNGEN AM ISOLIERTEN LEICHENHERZEN IN KORRELATION ZUR AUTOPSIE – ERSTE ERGEBNISSE Jachau K1, Jackowski C1, Beck N1, Krause D1, Kuchheuser W1, Schöning R1, Wittig H1, Heinrichs T2 1 Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg 2 Klinik für Diagnostische Radiologie, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Ziel: Einbeziehung der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) als moderne Schnittbildverfahren der Diagnostischen Radiologie in die postmortale Diagnostik.Wegen der geringeren Artefaktanfälligkeit sowie der genaueren Beurteilung erwiesen sich isolierte Organuntersuchungen als besonders günstig zur Verifizierung pathologisch-anatomischer Details. Material und Methoden: 28 Leichenherzen, die nach Abbinden der großen Gefäße so eventeriert wurden, dass keine Luft in Gefäße und Herzhöhlen gelangen konnte, erhielten eine Spiral-CT (Somatom Plus4, Fa. Siemens) und eine MRT (Magnetom Vision, Fa. Siemens) in T1- und T2-Wichtung. Anschließend wurden die Herzen formalinfixiert und entsprechend der Schichtführung im CT und MRT von der Herzspitze bis zur Klappenebene in 5 mm Scheiben geschnitten. Die CT und MRT wurden mit den makroskopischen und mikroskopischen Organbefunden verglichen. Ergebnisse: Die MRT in Verbindung mit der CT zeigen eine sehr gute Korrelation mit den makroskopischen und mikroskopischen Autopsieergebnissen. So konnten neben allgemeinen Autolyseveränderungen in der CT vor allem die Ausdehnung von Verkalkungen an den Klappen und in den Koronarien, in der MRT Myokardnarben und subakute Infarktareale visualisiert werden. Schlussfolgerungen: Die Untersuchungen am isolierten Leichenherzen können zum Teil zusätzliche Informationen ergeben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Ergebnisse an isolierten Organen auf Organpakete und auf die unsezierte Leiche zu übertragen sind.
V-42 FROM VIRTOPSY TO MICRO-VIRTOPSY: VIRTUAL FORENSIC HISTOLOGY Thali M1,2, Potter K3, Dirnhofer R2 1 Armed Forces Institute of Pathology, Office of the Armed Forces Medical Examiner, Washington DC/ Rockville USA 2 Institute of Forensic Medicine, University of Berne, Switzerland 3 Armed Forces Institute of Pathology, Cellular Pathology, Washington DC / Rockville USA The main conclusion of the Virtopsy Project was that the routine use of Multi-Slice Computed Tomography (MS-CT) and Magnetic Resonance Imaging (MRI) for a virtual and minimally invasive autopsy is possible and useful for forensic pathology studies. In many cases, however, the resolution of the clinical CT and MRI scanners was not sufficient to answer all questions relevant to forensic medicine. This led to the idea of using microradiologic methods with their much higher resolution to visualize the forensic specimens. We already demonstrated the possibilities using Micro-CT for the examination of „hard tissue“ like bone at the meeting in Interlaken 2001. The purpose of this study is the examination of traumatized soft tissue by Magnetic Resonance Microscopy (MRM).Without non-invasive and non-destructive radiological microscopy techniques, data are typically collected by destroying the specimen and performing histological examination (embedding and cutting tissues into thin slices to view under a microscope).While standard histology displays only the plane of tissue physically sectioned, MR microscopy can be used to create images of any plane of tissue through the specimen, and images are not distorted by the dehydration or shrinkage that accompanies normal histology and requires no staining. Non-destructive 3D microscopy yields submillimeter resolution of the 3D microstructure of specimens without physical slicing. Using computer methods 2D slice data from any arbitrary plane can be extracted from the 3D data set. Using a ‘digital virtual knife,’ the researcher can interactively section the sample: structures can be digitally isolated, and volumes and surface areas can be measured. Because the data are inherently digital, they are eminently suited for telemedicine and teaching purposes.We will present the technique and the first results of the project „MicroVirtopsy“. Our goal will be to create the „Visible virtual forensic histology “ – an atlas of high-resolution microradiology images that will document the findings relevant to forensic medicine with comparative histology.
V-43 VIRTOPSY: BEFUNDERHEBUNG BEI VERLETZUNGEN DES UNTERHAUTFETTGEWEBES MITTELS POSTMORTALER MULTISLICE-COMPUTERTOMOGRAPHIE (MSCT) UND MAGNETRESONANZTOMOGRAPHIE (MRT) Yen K1, Ender B1, Thali M1, Scheurer E1, Wiltgen M2, Vock P3, Dirnhofer R1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Bühlstr. 20, 3012 Bern, Schweiz 2 Institut für Medizinische Informatik der Universität Graz, 8036 Graz, Österreich 3 Institut für Diagnostische Radiologie des Inselspitals Bern, 3010 Bern, Schweiz Ziel: Vergleich der radiologischen Schnittbildverfahren MSCT und MRT mit autoptischen Methoden bezüglich der Detektion von Unterhautfettgewebsverletzungen. Material/Methode: Bei 17 Verstorbenen wurden im Rahmen des Virtopsy – Projekts Ganzkörper – MSCT und MRT – Untersuchungen durchgeführt, wobei teilweise auch Oberflächenspulen zum Einsatz kamen. Anschliessend erfolgte jeweils eine Autopsie. Die Befundung der MSCT – und MRT – Aufnahmen wurde durch Radiologen vorge-
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nommen. Vorgängig waren aufgrund von Autopsiebefunden morphologische Kriterien erstellt worden, die eine Einteilung in fünf je nach Art und Heftigkeit verschiedene Stadien der Fettgewebsverletzung ermöglichen. Resultate: In den untersuchten Fällen konnten Verletzungen des Unterhautfettgewebes mit den radiologischen Techniken erkannt werden, wobei die MRT der MSCT deutlich überlegen war und sogar eine morphologische Differenzierung entsprechend den vorgängig festgelegten Stadien erlaubte. Eine genaue Lokalisation der Verletzungsbefunde anhand der MRT – Untersuchung bereitete im Gegensatz zur Autopsie Schwierigkeiten, wenn Oberflächenspulen verwendet worden waren. Diskussion: Vor allem die MRT ist zur Diagnostik von Fettgewebsverletzungen geeignet; eine Einschränkung besteht gegenüber der konventionellen Sektionstechnik im Hinblick auf die Lokalisation der Befunde. Die radiologische Befunderhebung erfolgt nicht-destruktiv und lässt sich auch beim Lebenden anwenden.Aus diesen Vorteilen ergibt sich für die Zukunft ein neues Spektrum für die Anwendung der bildgebenden Verfahren MRT und MSCT in der klinischen und forensischen Medizin.
V-44 VIRTOPSY – NEUE METHODEN DER BEFUNDERHEBUNG UND BEFUNDDOKUMENTATION AM BEISPIEL EINES TÖDLICHEN DEKOMPRESSIONSTRAUMAS BEI EINEM TAUCHER Plattner T, Yen K, Dirnhofer R Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Bühlstrasse 20, CH-3012 Bern, Schweiz Anhand des Falles eines 44-jähriger Mannes, der nach einem Tauchgang verstarb, werden die postmortalen radiologischen Schnittbildverfahren (Magnetic Resonance Imaging (MRI) und Multislice Computed Tomography (MSCT)) der klassischen forensischen Obduktion hinsichtlich Befunderhebung und Befunddokumentation gegenübergestellt. Zudem sollen grundsätzliche pathophysiologische Überlegungen zum Dekompressionstrauma diskutiert werden. Radiologische und autoptische Befunde werden anhand von Bildmaterial demonstriert. Die postmortalen CT und MRT Untersuchungen zeigten Gaseinschlüsse in Weichteilen, intraartikulär, in Herz und Gefässen sowie in den parenchymatösen Organen des Bauchraumes und im Gehirn. Ferner wurden eine Magenruptur festgestellt. Die Obduktion zeigte zudem deutlich geblähte Lungen mit Paltauf ’schen Flecken ähnlichen herdförmigen Rotverfärbungen an der Oberfläche. Histologisch wurde mittels Doppelmesser-Schnitttechnik eine mittelgradige Fettembolie nachgewiesen. Das aus dem Herz asservierte Gas entsprach in seiner Zusammensetzung dem verwendeten Tauchgasgemisch.Weder im peripheren Lungenabstrichsaft noch in den Organen konnten Diatomeen nachgewiesen werden. Es wurde ein Dekompressionstrauma mit letaler Gasembolie diagnostiziert. Differentialdiagnostisch konnten ein Ertrinkungstod und eine postmortale Entperlung von Stickstoff („Bergungscaisson“) ausgeschlossen werden.Vorbestehende krankhafte Organveränderungen lagen nicht vor. Der Fall zeigt die Überlegenheit der Kombination von radiologischen Schnittbildverfahren mit konventionellen forensischen Untersuchungsmethoden gegenüber einer klassischen Obduktion hinsichtlich Befunderhebung und -dokumentation.
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MAGNETRESONANZ SPEKTROSKOPIE DES GEHIRNS IN SITU ZUR SCHÄTZUNG DES POSTMORTALEN INTERVALLS Scheurer E1, Ith M2, Kreis R2, Bigler P3, Boesch C2, Dirnhofer R1 1 Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern 2 Universität Bern, Departement klinische Forschung, Abteilung für MR-Spektroskopie und -Methodologie 3 Universität Bern, Departement Chemie und Biochemie Die Schätzung des postmortalen Intervalls bei Leichen mit einer Liegedauer von mehreren Tagen oder Wochen ist schwierig und für den Rechtsmediziner häufig unbefriedigend. Mit der Bestimmung der chemischen Zusammensetzung des Gehirns kann – falls die Abbauprozesse nach dem Tod eindeutige und reproduzierbare Verläufe zeigen – das postmortale Intervall (PMI) abgeschätzt werden. Die 1H-Magnetresonanzspektroskopie (1H-MRS) ist eine nicht-invasive Methode zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung, die eng mit der in der Klinik bekannteren MR-Bildgebung (Kernspintomographie) verwandt ist und im Prinzip auf denselben Geräten durchgeführt werden kann. Für diese Machbarkeitsstudie wurden Köpfe von Schafen aus dem Schlachthof als Tiermodell verwendet, die während max. 18 Tagen mindestens jeden zweiten Tag mittels MRS untersucht wurden. In einem dabei gemessenen MR-Spektrum können simultan die Konzentrationen von ca. 30 Stoffwechselprodukten gemessen werden. 19 dieser Konzentrationsverläufe sind reproduzierbar und haben zumindest für gewisse PMI-Bereiche einen eindeutigen zeitlichen Verlauf. So fällt z. B. das auch als Neuronenmarker bezeichnete N-Acetylaspartat innerhalb von ca. 100 Stunden auf etwa 20% des Wertes in vivo ab, während ein Stoffwechselprodukt wie z. B. Propionat, welches eher dem bakteriellen Stoffwechsel zugeschrieben wird, nach etwa 30 Stunden linear zunimmt. Die bisherigen Resultate der Studie deuten darauf hin, dass Kombinationen dieser Indikatoren für die Schätzung des PMI verwendet werden können. In Ergänzung zum Tiermodell wurde das Gehirn ausgewählter Leichen des Instituts für Rechtsmedizin in situ mittels MRS einmalig untersucht. Das aus den gemessenen Konzentrationen der Stoffwechselprodukte errechnete PMI wurde mit kriminalistischen Angaben verglichen. Dieser Vergleich ergab eine gute Korrelation für Leichenliegezeiten bis zu 10 Tagen. Die 1H-MRS des Gehirns in situ ist aufgrund ihrer Objektivität grundsätzlich geeignet, das postmortale Intervall auch bei Leichen mit längerer Liegezeit abzuschätzen.
V-46 POSTMORTALE ULTRASCHALLDIAGNOSTIK IN DER RECHTSMEDIZIN Uchigasaki S1,2,3, Oesterhelweg L1, Gehl A1, Sperhake J1, Püschel K1, Oshida S2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2 Department of Legal Medicine, Nihon University, School of Medicine, Tokyo, Japan 3 Tokyo Medical Examiners Office, Tokyo Metropolitain Government, Tokyo, Japan Bei der Inspektion eines Leichnams werden zur Beurteilung von Todesursache und Todesart neben den Befunden am Leichnam selbst die Gegebenheiten des Fundortes sowie – soweit bekannt – Angaben zur Anamnese des Verstorbenen berücksichtigt. Bei im Krankenhaus verstorbenen Patienten sind weitergehende Informationen wie Laborwerte, Röntgenaufnahmen, etc und klinische Befunde vorhanden. Rückschlüsse von äußeren Befunden auf Erkrankungen und Verletzungen innerer Organe sind häufig nicht möglich. Nicht invasive Maßnahmen kommen aufgrund des damit verbundenen räumlichen und zeitlichen Aufwandes nur selten zum Einsatz (z. B. Röntgenaufnahmen, CT, MRI, etc). Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts Seit kurzer Zeit ist das tragbare Ultraschallgerät SonoSiteTM 180 (Maße: 6,4 ¥ 19 ¥ 33,8 cm, Gewicht: 2,4 kg, SonoSite, USA) auf dem Markt. Dieses Gerät ermöglicht eine Ultraschalluntersuchung an jedem Ort. Berichtet wird über Ultraschalluntersuchungsergebnisse, die an 100 Verstorbenen erhoben wurden. Trotz leichter Fäulnis war eine differenzierte Darstellung der Organe und ihrer Veränderungen möglich. Folgende Befunde kamen zur Darstellung: Fettleber, intrahepatischer Gallengangsstein, Pleuraergüsse, Aszites und Myokardhypertrophie. Zwar eignen sich andere bildgebende Verfahren (CT, MRI, etc) besser für eine differenzierte Befunddarstellung. Die vorgestellte Methode der „ambulanten„ Sonographie ermöglicht – soweit bis jetzt untersucht – unverzüglich zumindestens eine Orientierung über Erkrankungen und anatomische Besonderheiten ohne Durchführung invasiver Maßnahmen und unabhängig vom Ort der Leichenschau.
V-47 COMPUTERASSISTIERTE AUSWERTUNG VON OBDUKTIONSPROTOKOLLEN DURCH ABLEITUNG VON ATTRIBUT-WERTE-STRUKTUREN AUS PHRASALEN MUSTERN Kuchheuser W1, Kunze M2, Krötzsch S2, Rösner D2, Krause D1 1 Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 2 Institut für Wissens- und Sprachverarbeitung, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Die umfangreichen Dateien der originären Obduktionsprotokolle sind mit kommerziellen Mitteln kaum effizient auszuwerten. Die Anwendung computerlinguistischer Verfahren ermöglicht eine inhaltliche Aufbereitung über phrasale Mustererkennung, die es gestattet, in einem großen Dokumentenbestand nach bestimmten Kriterien zu selektieren. In Zusammenarbeit von Rechtsmedizinern und Informatikern wurde eine Machbarkeitsstudie mit über 50 Obduktionsprotokollen durchgeführt und anhand von 19 Strangulationsfällen evaluiert. Zu den untersuchten Fragestellungen gehörten dabei: - Analyse der Subsprache in Obduktionsprotokollen - Anpassung der Analysegrammatik an die Eigenschaften der Subsprache - Häufigkeitsanalyse der vorgefundenen Attribut-Werte-Strukturen - Ableitung einer initialen Gebietsmodellierung Im Rahmen eines DFG-Projektes soll mit Hilfe dieses Methodenspektrums eine wissenschaftliche Auswertung einer großen Anzahl von Obduktionsprotokollen auch institutsübergreifend ermöglicht werden.
V-48 EXHUMATION DATABASE – (UN)VERGÄNGLICHE BEFUNDE Stachetzki U1, Stachetzki C2, Kreutz K3, Verhoff MA4 1 Institut für Pathologie der BG-Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik in Bochum 2 Medizinische Informatik, Fachbereich Informatik, Fachhochschule Dortmund 3 Anthropologisches Institut der Universität Gießen 4 Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Gießen Die Ergebnisse von Obduktionen nach Exhumierungen sind in über 130 Kasuistiken und Fallsammlungen publiziert. Diese bilden eine Erfahrungsgrundlage für die Bewertung, welche Befunde nach einer bestimmten Zeit bei Erdlagerung durch eine Obduktion noch erhoben werden können. Zur besseren Übersicht und praktischen Anwendung haben einige Autoren sogenannte Erwartungskataloge zusammengestellt, in denen für einzelne morphologische Befunde die bisherige maximale postmortale Nachweisbarkeitsdauer aufgeführt ist. Paläo-
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pathologische und forensisch-osteologische Publikationen beschreiben Befunde, die selbst noch bei fragmentiert vorliegenden Skelettresten zu erkennen sind. Bei einer konkreten Fragestellung hinsichtlich der Erfolgsaussicht, ob eine zu erwartende Diagnose durch eine mögliche Exhumierung überhaupt oder unter welchen Umständen gestellt werden kann, ist man gezwungen, die insgesamt drei bisher publizierten Erwartungskataloge zu überprüfen. Dann würde ein Zugriff auf die Kasuistiken oder Fallsammlungen ohne Erwartungskatalog allerdings genau so fehlen wie eine Berücksichtigung der paläopathologischen und forensischosteologischen Literatur. Zudem resultieren aus der täglichen Arbeit Erfahrungen, die nicht publiziert wurden und sich somit dem allgemeinen Zugriff entziehen. Es wird ein Projekt zum Aufbau eines elektronischen per Internet zugänglichen Erwartungskataloges vorgestellt, in den alle bisher publizierten Ergebnisse aufgenommen werden. Zudem soll es ermöglicht werden, interaktiv weitere Fallberichte mit den dazugehörigen Befunden in die Datenbank aufzunehmen. Die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der „Exhumation Database“ werden demonstriert und diskutiert.
Forensische Pathologie V-49 RAUCHEN UND PLÖTZLICHER KINDSTOD Bajanowski T, Beike J, Vennemann M, Kleemann WJ, Sperhake J, Sauerland C, Köpcke W, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin und Institut für Medizinische Informatik und Biomathematik, Universitätsklinikum Münster Institute für Rechtsmedizin Hamburg und Hannover Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft und Rauchen der Eltern nach der Geburt des Kindes (Passivrauchen des Kindes) wurden weltweit übereinstimmend in epidemiologischen Studien als Risikofaktoren für den plötzlichen Säuglingstod identifiziert. In neueren Studien gelang es auch, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung nachzuweisen, d.h., je höher der tägliche Zigarettenkonsum desto grösser das Kindstodrisiko. Da in retrospektiven Studien die Informationen zum Rauchverhalten durch ein Elterninterview zeitnah zum Todesfall erhoben werden, ist grundsätzlich die Gefahr der Datenverzerrung gegeben. Um diese Unsicherheiten zu charakterisieren und das Rauchverhalten der Eltern zumindest zeitnah zum Todeseintritt zu objektivieren, wurden deshalb in einem Teilkollektiv der BMBF-Studie (n=200) Cotininkonzentrationen in Perikardflüssigkeit und Liquor mittels einer speziell adaptierten GC-MS-Methode im SIM-mode nach Festphasenextraktion bestimmt. 1. Durch Vergleich mit dem Rauchverhalten von Eltern lebender Kontrollkinder wird das Risiko „Rauchen“ dosisabhängig für die ausgewählten Fälle der BMBF-Studie ermittelt. 2. Die Korrelation der chemischen Untersuchungsergebnisse und der anamnestischen Daten zum Rauchverhalten erlaubt es, Normwerte für Cotininkonzentrationen in den Körperflüssigkeiten „nicht berauchter Säuglinge“ zu definieren. 3. Die analytisch bestimmten Cotininkonzentrationen „berauchter Säuglinge“ können zum täglichen Zigarettenkonsum korreliert werden. Das Kindstodrisiko wird in Bezug auf Cotininkonzentrationen ermittelt. 4. Durch Vergleich der Konzentrationen in Liquor und Perikardflüssigkeit wird geprüft, ob sich Hinweise darauf ergeben, welche Organsysteme (ZNS, Herz-Kreislauf-System) vorrangig beeinflusst/beeinträchtigt werden könnten.
V-50 ZUR FRAGE DER TOXISCHEN WIRKUNG DES ZIGARETTENRAUCHES IM FALLE DES PLÖTZLICHEN SÄUGLINGSTODES Bouska I Institut für Rechtsmedizin, Karls-Universität, 2.Med. Fakultät Prag Die sinkende Kindstod-Inzidenz während der vergangenen Jahre ist wohl zumindest zum Teil durch eine verminderte Prävalenz bestimmter Risikofaktoren in der Bevölkerung zu erklären. Die SIDS-Inzidenz beträgt in der Tschechischen Republik gegenwärtig 0,3/1000 Lebendgeborene. Bei der Untersuchung der Kindstodsfälle in Prag und Umgebung analysierten wir u.a. das Rauchverhalten der Eltern. Der Zigarettenrauch enthält Stickstoffoxide (NO,NO2, ONOO-) in hoher Konzentration, ähnlich wie andere in der Außenwelt vorkommende Schadstoffe, z. B. die Auspuffgase. In experimentellen Studien ist die toxische Wirkung der Stickoxide beschrieben. Bekannt ist, vor allem eine Schädigung des Lungeninterstitiums durch diese Schadstoffe. Zielstellung: Wir wollten feststellen, ob durch Stickoxide verursachte Lungenschäden bei verstorbenen Säuglingen nachweisbar sind. Material: Es wurden die Lungen von 6 verstorbenen Säuglingen untersucht – Todesursachen: SIDS (n=3), perakute Sepsis als WF-Syndrom diagnostiziert (n=1) und Tod durch stumpfe Gewalt (Kopfverletzungen bei Verkehrsunfall, n=2). Das Gewebe war innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod bearbeitet und untersucht worden. Neben der histologischen Diagostik wurde die immunhistochemische Untersuchung zum Nachweis der Matrixine, der proteolytischen, in Pneumozyten und Lungenmakrophagen aktivierten Enzyme (MMP-1, MMP-3, MMP-9, MMP-13) durchgeführt. Ergebnisse: In den Lungen der durch Gewalt Gestorbenen war keine Aktivität dieser Enzyme nachweisbar, auch der Befund bei WF-Syndrom war negativ. In den Lungen der SIDS-Fälle war der Befund in Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen positiv, wobei eine besonders hohe Aktivität der kollagenolytischen Enzyme (MPP-1, MPP-13) bei zwei Kindern aus den Raucher-Familien nachgewiesen werden konnte. Zusammenfassung: Die chronische Hypoxie ist nicht die einzige Ursache einer Matrixin-Expression in den Lungen. Nicht zu unterschätzen ist auch der stimulierende Effekt der Stickoxide, besonders der Peroxynitrate. Die erhöhte Bildung der kollagenolytisch wirkenden Matrixine infolge „passiv Rauchens“ der Säuglinge könnte zur Entstehung des Lungenödems mit nachfolgender respiratorischer Insuffizienz führen oder zumindest dazu beitragen.
V-51 IMMUNHISTOCHEMISCHE UNTERSUCHUNGEN VON MYOKARDNEKROSEN BEIM SIDS Fieguth A, Albrecht UV, Tröger HD Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover Die Angaben in der Literatur zu morphologischen Befunden am Herzmuskel beim plötzlichen Säuglingstod sind kontrovers. Wenngleich Nekrosen oder Kontraktionsbanden von einigen Autoren beobachtet wurden, konnte ein immunhistochemischer Nachweis von Myokardnekrosen beim SIDS durch eine C5b-9(m) Darstellung bisher nicht geführt werden. C5b-9 ist jedoch erst 30–40 Minuten nach einer Schädigung im reperfundiertem Gewebe nachzuweisen. Zum immunhistochemischen Nachweis terminal entstandener Herzmuskelzellschäden mit kürzerer Überlebenszeit ist der Einsatz weiterer Antikörper erforderlich. Antikörper gegen Myoglobin, Fibronectin und Troponin C erlauben den Nachweis von Muskelschäden, die weniger als 30 Minuten überlebt wurden. Untersucht wurde Herzmuskelgewebe von SIDS Fällen und von Kindern, die im ersten Lebensjahr an aufgeklärten Todesursachen (z. B. Ertrinken,Aspiration, Sepsis, Trauma) verstorben sind. Gering ausgeprägte, fokal begrenzte subendokardiale Herzmuskelschädigungen
ließen sich immunhistochemisch jeweils in mehr als 50 % bei den SIDS Fällen wie auch in der Kontrollgruppe nachweisen. Entsprechende Herzmuskelschäden fanden sich bei den SIDS Fällen überrepräsentativ häufig bei der Bauchlage bzw. bei Bedeckung der Atemwege. In der Kontrollgruppe zeigten sich entsprechende Herzmuskelschäden vorwiegend bei Todesursachen mit einhergehendem Sauerstoffmangel. Zusammenhänge zwischen den Myokardbefunden und einer kardiopulmonalen Reanimation fanden sich nicht. Insgesamt ist festzustellen, dass geringe subendokardiale Herzmuskelschäden bei SIDS Todesfällen häufig nachzuweisen und somit relativ unspezifisch sind. Obwohl ein Zusammenhang zwischen den Herzbefunden und Sauerstoffmangelsituationen beobachtet werden kann, lassen sich daher Erstickungstodesfälle mit dieser Untersuchung nicht sicher von SIDS Fällen abgrenzen.
V-52 FORENSISCHER BEWEISWERT PULMONALER HÄMOSIDERIN-ABLAGERUNGEN FÜR DIE DIFFERENTIALDIAGNOSE SIDS / NON-SIDS Riße M, Verhoff MA, Bartsch C, Weiler G Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Gießen Im Rahmen der SIDS-Forschung wurde dem Nachweis pulmonaler Hämosiderin-Ablagerungen insbesondere im Zusammenhang mit ALTE-Fällen (Apparently life-threatening events) besondere Beachtung zuteil. Ein erhöhtes Vorkommen positiver Hämosiderinbefunde wurde unter non-SIDS-Fällen bei chronischer Kindesmisshandlung (Battered-Child-Syndrome) und beim Münchhausen-Syndrom by proxy beschrieben. Wir haben dies zum Anlass genommen, bei 92 Todesfällen (19 ¥ Totund Neugeborene, 18 ¥ non-SIDS, 55 ¥ SIDS) die Lunge histologisch mit der Berliner-Blau-Reaktion auf eventuelle Hämosiderin-Ablagerungen zu überprüfen. Ein positiver Nachweis konnte insgesamt in 39 % (n=36) geführt werden, wobei es sich meist jedoch um altersabhängige und diskrete, vorwiegend intrapleural sowie septal und perivasal gelegene Eisenablagerungen gehandelt hat. Abweichend von diesen Normbefunden fanden sich unter diesen 36 positiven Fällen insgesamt vier Fälle aus beiden Gruppen mit deutlich vermehrtem Hämosideringehalt der Lunge.Anhand dieser Fälle mit unterschiedlicher Ausprägung und Verteilung der Hämosiderin-Ablagerungen (herdförmig, diffus, intraalveolär, interstitiell) sowie den in der Literatur dokumentierten Erfahrungen wird der diagnostische und forensische Aussagewert positiver pulmonaler Hämosiderin-Befunde diskutiert.
V-53 EINFLUSS DER OPIATE AUF DIE ENTWICKLUNG VON HIV INFEKTIONEN DES NERVENSYSTEMS BEI AIDS Sell M3, Gosztonyi G2, Martínez AJ4, Schneider V1 1 Institut für Rechtsmedizin, Freie Universität Berlin 2 Abteilung für Neuropathologie, UKBF, Freie Universität Berlin 3 Institut für Pathologie, Auguste-Viktoria-Klinikum, Berlin 4 Dept. of Pathology (Neuropathology), University of Pittsburgh, USA Nach Homosexuellen bilden die i.v.-Drogenabhängigen die größte Risikogruppe bei AIDS in Europa und Nordamerika. Um den Einfluss der Opiate auf die Entwicklung der neuropathologischen Syndrome zu prüfen, haben wir das Zentralnervensystem (ZNS) von 450 AIDS Fällen histologisch und immunhistochemisch untersucht. Die direkte HIV-Invasion des Gehirns wird durch perivaskuläre Infiltration, hauptsächlich des Marklagers, von HIV-infizierten Makrophagen und mehrkernigen Riesenzellen charakterisiert. Dieses Krankheitsbild wurde HIV Encephalitis (HIV-E) genannt. Neben der HIV-E kommen bei AIDS weitere ZNS-Komplikationen vor, wie Lymphome, und die Folgen der sog. opportunistischen Infektionen, wie Gliaknötchenencephalitis, subpiale und subependymale Nekrosen, progressive multiRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts fokale Leukoencephalopathie (PML), Toxoplasma- und Pilzencephalitiden. Der markanteste Unterschied zwischen den zwei größten Risikogruppen zeigte sich in der Prävalenz der HIV-E. Das typische Bild der HIV-E war in 51% der i.v.-Drogenabhängigen, aber nur in 30% der homosexuellen AIDS-Patienten vorhanden. Eine entgegengesetzte Tendenz war bei Gliaknötchenencephalitis, die auf CMV- und Toxoplasma-Infektionen zurückzuführen ist, und bei den CMV-bedingten subpialen und subependymalen Nekrosen bemerkbar. Bei diesen zwei Syndromen war die Beteiligung der i.v.-Drogenabhängigen wesentlich niedriger als die der Homosexuellen. Bei den weiteren neuropathologischen Syndromen waren die Unterschiede in der Beteiligung der beiden Risikogruppen nicht so markant. Zwischen den AIDS Fällen mit und ohne antiretrovirale Therapie waren keine wesentlichen Unterschiede in der Häufigkeit der o.g. Syndrome feststellbar. Der Mittelwert des Krankheitsverlaufs bei den HIV-E-Fällen war kürzer in den Drogenabhängigen als in den Homosexuellen bei beinahe gleichem durchschnittlichem Lebensalter. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die immunosuppressive Wirkung des HIV durch Opiate potenziert wird, so dass die drogenabhängigen AIDS Patienten doppelt gefährdet sind.
V-54 PLÖTZLICHER TOD INFOLGE EINER HÄMOGLOBINVARIANTE Bock H, Seidl S, Betz P Institut für Rechtsmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Ein 35-jähriger, türkisch-stämmiger LKW-Fahrer wurde in seinem verschlossenen Lkw tot aufgefunden. Zuvor hatte der Mann über grippeähnliche Beschwerden geklagt und verschiedene Medikamente eingenommen. Wesentliche Vorerkrankungen waren nicht bekannt, ein Hausarzt konnte nicht ermittelt werden. Bei der Obduktion ergaben sich im Wesentlichen unspezifische Befunde wie eine akute Stauung der parenchymatösen Organe, Hirnund Lungenödem, kleinere Erosionen der Magenschleimhaut und eine Bissverletzung an der Unterlippe. Daneben fanden sich eine chronische Blutstauung von Leber und Milz und eine geringe Endokardfibrose des rechten Herzens. Die chemisch-toxikologischen Untersuchungen ergaben weder Hinweise auf eine Alkoholisierung, noch auf eine Intoxikation zum Todeszeitpunkt. Die festgestellten, geringen Mengen an Paracetamol, Codein, Diclofenac und Abbauprodukten von Carbamazepin lagen unterhalb der jeweiligen therapeutischen Bereiche und ließen sich mit den aufgefundenen Medikamenten erklären. Auffällig war bei der histologischen Untersuchung – neben ansonst unspezifischen Befunden – eine ausgeprägte Formveränderung eines Großteils der Erythrozyten, welche die Lichtungen v.a. kleinerer Blutgefäße teilweise fast vollständig ausfüllten. Die Verdachtsdiagnose „Sichelzellkrankheit“ konnte endgültig nur durch eine molekulargenetische Untersuchung gesichert werden. Hierbei wurde eine „Anlageträgerschaft für die Sichelzellenanämie“ nachgewiesen. Der Tod des Betroffenen erklärt sich nach Durchführung sämtlicher Untersuchungen somit als Folge einer Hypoxie im Rahmen der bei ihm bisher offensichtlich nicht bekannten Sichelzellkrankheit.
V-55 SICHELZELLKRISE UNTER ALLGEMEINANAESTHESIE? Hammer U 1, Wöhlke G2, Kruse C2, Wegener R1 1 Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock 2 Institut für Pathologie des Medizinischen Zentrums der Landeshauptstadt Schwerin Bei einer 20jährigen Frau aus Togo kam es in der Aufwachphase aus einer Allgemeinanaesthesie nach Abruptio in der 6. SSW zu einem Herz-
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stillstand, der behoben werden konnte. Nach Entwicklung eines apallischen Syndroms trat der Tod nach 1 Jahr und 9 Monaten unter schweren Hirnfunktionsstörungen ein. Vor dem Eingriff wurde bei der klinisch unauffälligen Patientin ein Hb-Wert von 9,0 mmol/l festgestellt. Nach dem Eingriff erfolgte der elektrophoretische Nachweis einer Sichelzellhämoglobinopathie (Hb S/S). Die Diagnose konnte im Rahmen histologischer, elektronenmikroskopischer und molekulargenetischer Untersuchungen bestätigt werden. Neben den pathomorphologischen und genetischen Aspekten wird der juristische Hintergrund des Falles diskutiert.
V-56 EINE STUDIE ÜBER DIE TODESURSACHEN VON HERZSCHRITTMACHERTRÄGERN Junge M1, Stepp K1, Bandholz J1, Bartsch C2, Tomforde A1, Wischhusen F1, Püschel K1 1 Institut für Rechtsmedizin, Hamburg 2 Institut für Rechtsmedizin, Giessen Der primäre Therapieansatz einer Herzschrittmachertherapie ist kurativ und resultiert, wie in einer vorhergehenden Studie gezeigt werden konnte, im Vergleich zur Normalbevölkerung, in einer Lebensverlängerung. Dieser Befund sowie die Befürchtung vieler Schrittmacher-Patienten, aufgrund des Implantates nicht mehr sterben zu können, führte uns zu der Frage, woran Schrittmacherträger konkret versterben. In einer zweiteilig angelegten Studie wurden sowohl die Todesursachen der in den letzten 20 Jahren im Institut für Rechtsmedizin obduzierten Herzschrittmacherträger retrospektiv ausgewertet, als auch prospektiv die im Krematorium Hamburg-Öjendorf im Rahmen der routinemäßig durchgeführten, postmortalen Schrittmacherüberprüfung obduzierten Fälle. Bei den retrospektiv ausgewerteten Sektionen von Herzschrittmacherträgern (N=103) bestand ein breites Spektrum an Todesursachen, kardiale Ursachen fanden sich in unter 40%. Bei den KrematoriumsSektionen (N=65) wurde in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (>80%) ein kardiales Geschehen als todesursächlich diagnostiziert. Der deutliche Unterschied der Befunde der Sektionen im Institut zu denen im Krematorium ist ein Hinweis auf die Verzerrung der Stichproben: Zum einen lassen sich mehr alte Menschen als jüngere kremieren, zum anderen war die Zustimmung zur Sektion durch die Angehörigen nicht gleichmäßig über die Verstorbenen verteilt. Das Alter der im Institut obduzierten Verstorbenen war signifikant geringer als das der im Krematorium untersuchten. Es konnte gezeigt werden, dass auch Patienten mit einem Herzschrittmacher eines kardialen Todes sterben können, dies ist im Vergleich zur Normalbevölkerung überdurchschnittlich häufig der Fall. Der kardiale Tod eines Schrittmacherträgers ist um so wahrscheinlicher, je älter der Patient ist und je unregelmäßiger die SchrittmacherNachsorge durchgeführt wurde.
V-57 POSTMORTALE HERZSCHRITTMACHERFUNKTIONSDIAGNOSTIK UND IHRE FORENSISCHE RELEVANZ Bartsch C1, Irnich W1, Junge M2, Riße M1, Stertmann WA3, Püschel K2, Weiler G1 1 Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Giessen 2 Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg 3 Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Giessen In einer multizentrischen Studie zur postmortalen in situ-Messung von Herzschrittmachern und deren Elektroden sollen Dysfunktionen detektiert und analysiert werden. Die Stichprobe rekrutiert sich über-
wiegend aus Schrittmacherträgern, die im Rahmen der zweiten äußeren Leichenschau vor Kremierung begutachtet werden. Das entwickelte Messverfahren vor Ort beinhaltet: 1. Ableitung der Schrittmacherimpulse von der Körperoberfläche, 2. Synchronisation mit einem Testschrittmacher, 3. Elektrodenfunktionsprüfung. Im Anschluss an die Messung werden die Schrittmacher explantiert und im Labor einer weitergehenden Untersuchung unterzogen. Bei in situ erkannten Dysfunktionen erfolgt eine zusätzliche autoptische Klärung der Todesursache. Nach einer Einführung in die entwickelte praxisgerechte Messmethode wird eine Darstellung erster Ergebnisse zeigen, dass solche Dysfunktionen in etwa 10% aller Fälle zu beobachten sind, wobei auf etwa 1/4 eine defekte Elektrode entfällt. Die forensische Relevanz des Themas sowie rechtliche Aspekte für vital nicht erkannte und nicht behobene Fehlfunktionen werden angesprochen. Besondere Bedeutung kommt hierbei hochbetagten oder schwerkranken und multimorbiden Patienten zu, bei denen die Schrittmacherkontrolle oftmals vernachlässigt wird.
V-58 URSACHENZUSAMMENHÄNGE DER DEKUBITUSENTSTEHUNG: EINE FALL-KONTROLL-STUDIE Cordes O1, Heinemann A1, Krause T2, Meier-Baumgartner HP2, Püschel K1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg 2 Albertinen Haus, Zentrum für Geriatrie, Hamburg Der Kausalität von höhergradigen Dekubitus kommt in strafrechtlichen Fragestellungen häufig eine Bedeutung zu. In vielen Fällen können durch Zusammentreffen von individuellen Risikofaktoren und Behandlungsfehlern seitens des Pflegepersonals oder der Ärzte hochgradige Dekubitus entstehen. Derzeit existieren keine Untersuchungen, die die Bedeutung von protektiven Faktoren in Kontrollgruppen herausstellen. Bislang blieb die Frage unbeantwortet, warum Personen mit einem hohen Risiko einen Dekubitus zu entwickeln auch in ihren letzten Lebensmonaten davon nicht betroffen wurden. Wir haben 120 Fälle mit dritt- oder viertgradigem Dekubitus untersucht, die im Rahmen der amtsärztlichen Leichenschau vor Kremierung in und um Hamburg im Jahre 2001 offenkundig wurden. Diese Fälle wurden hinsichtlich der klassischen Risikofaktoren und der dekubitusbezogenen Pflegequalität mit einer altersentsprechenden Kontrollgruppe verglichen, in der keine Dekubitalulzera bekannt waren. Die Kontrollen wurden aus einer Gruppe immobiler Personen ausgesucht, die in den letzten 6 Monaten vor dem Tode einem hohen Risiko zur Dekubitusentstehung ausgesetzt waren. Fälle, in denen der Dekubitus in den letzten 2 Wochen vor dem Tode entstand, wurden, um eventuelle Einflüsse einer extremen Agonie auszuschließen, nicht mit einbezogen. Unseres Wissens ist dies die erste Studie, die den Einfluss von Behandlungsfaktoren und dem individuellen Risikoprofil in einer nicht ausgewählten Stichprobe in Form einer retrospektiven Fall-KontrollStudie analysiert. In der Studie wurde zwischen Pflege im Krankenhaus, in einem Heim oder durch einen ambulanten Dienst oder Angehörige unterschieden. Die Studie wurde unterstützt durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Robert-Bosch-Stiftung.
Allgemeine Toxikologie V-59 EINFLÜSSE AUF FREMDSTOFFKONZENTRATIONEN IM LEICHENBLUT Skopp G Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin, Ruprecht-Karls Universität, Voßstr. 2, 69115 Heidelberg Die „Ausmittelung von Giften“, die durch das Verfahren von Jean Servais Stas eine erste Optimierung erfuhr, ist eine der Domänen der forensischen Toxikologie. Während die analytischen Möglichkeiten inzwischen sehr viel effizienter geworden sind, ist die Bewertung von Messgrößen weiterhin ein multifaktorielles Problem, bei dem zahlreiche Einfluss- und Störgrößen mit berücksichtigt werden müssen. Die Interpretation von Analysenergebnissen aus Leichenblutproben bedeutet eine besondere Herausforderung, da im Vergleich zu Blutproben lebender Personen zusätzliche Einflussfaktoren vorliegen. Anhand der wenigen Publikationen, die sich seit etwa 10 Jahren mit Änderungen postmortaler Messgrößen eingehender befassen, kann vermutet werden, dass der Körper auch nach Todeseintritt nicht als ein statisches, abgeschlossenes Einzelkompartiment gesehen werden kann. Für viele körperfremde Substanzen wurde eine Variabilität der Konzentration in Abhängigkeit von der Entnahmestelle, teilweise auch von der Zeit bis zur Probennahme und – in vitro – bis zur Analyse beobachtet. Konzentrationsänderungen resultierten aus einer Vielzahl von Faktoren, die bereits vor Todeseintritt auftreten können und sich während der Leichenliegezeit und der Probenlagerung dynamisch weiter ändern. In diesem Zusammenhang kommt der physikalischen, chemischen und metabolischen Stabilität von Fremdstoffen im Leichenblut eine wichtige Bedeutung zu. Bei Leichenblut handelt es sich im Gegensatz zu Blutproben lebender Personen immer um ein primär nicht definiertes, inhomogenes Material, dessen Zusammensetzung ständigen Veränderungen unterworfen ist. Chemische Instabilität lässt sich von Enzym-katalysierten Prozessen oft nicht unterscheiden. Es ist bekannt, dass z. B. Esteraseaktivitäten sehr lange erhalten bleiben und neben einer in situ Zersetzung mit einem weiteren hydrolytischen Abbau nach der Probennahme im Röhrchen gerechnet werden muss. Eine bakterielle Besiedelung des Blutes kann zur Spaltung von Estern und Glucuroniden, Bildung von Sulfonen und Sulfoxiden aus Schwefel-haltigen Verbindungen und Umwandlung von Nitro- in Aminogruppen führen. Die Zersetzungsraten sind nicht nur von der Zeit und der Temperatur, sondern auch von der biologischen Matrix abhängig. Daher ist es wichtig, neben der Ausgangssubstanz auch mögliche Zersetzungsprodukte im Blut zu bestimmen und in die Interpretation mit einzubeziehen. Dies setzt Stabilitätsdaten sowie Kenntnisse der Zersetzungsmechanismen und begünstigender Faktoren voraus, die derzeit erst marginal zur Verfügung stehen bzw. untersucht sind. Diese Daten werden in einer Übersicht präsentiert und die verschiedenen Einflussgrößen dargelegt. Problemfelder und Fallstricke bei der Interpretation werden an ausgewählten Beispielen verdeutlicht.
V-60 INTOXIKATIONEN DURCH PFLANZENGIFTE – ÜBERSICHT UND KASUISTIK Lignitz E1, Pragst F2, Weise M3, Henn V3 1 Institut für Rechtsmedizin Greifswald 2 Institut für Rechtsmedizin der Humboldt-Universität Berlin 3 Institut für Rechtsmedizin Halle Der Reichtum von Giftpflanzen in der Natur und die Vielfalt von Pflanzengiften spiegelt sich im Todesursachengefüge des gerichtmedizinischen Sektionsgutes und bei der Untersuchung von toxikologischem Einsendematerial kaum adaequat wider. Indessen gibt es immer wieRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts der Einzelfälle tödlicher Vergiftungen und saisonale bzw. von Modeströmungen (halluzinogene Rauschdrogen) bestimmte Häufungen von klinisch relevanten Intoxikationen durch Pflanzengifte. Soweit pflanzliche Gifte definierte Schäden auslösen, ist deren Ätiologie bereits anhand der morphologischen Folgen mit großer Sicherheit zu erkennen. In anderen Fällen haben bestimmte morphologische Einzelbefunde allenfalls hinweisenden Charakter auf eine mögliche Intoxikation. Es werden Todesfälle durch Pflanzengifte vorgestellt, die in Mittel- und Ostdeutschland wiederholt vorgekommen sind und mit den Fällen von Pflanzengiftintoxikationen im Einsendematerial von Kliniken und Polizei verglichen.
V-61 ZUFÄLLIG ENTDECKTE TÖDLICHE KOHLENMONOXID-INTOXIKATIONEN – RETROSPEKTIVE ANALYSE EINES 5-JAHRES-ZEITRAUMS Dahlmann F, Mall G, Penning R, Eisenmenger W Institut für Rechtsmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München In den Jahren 1997 bis 2002 wurden anlässlich von Sektionen gut 300 CO-Bestimmungen im Institut für Rechtsmedizin der Universität München vorgenommen. Bei der weit überwiegenden Zahl der Fälle handelte es sich um Rauchgaseinatmung bei Bränden und in geringerer Zahl um Abgaseinatmung in suizidaler Absicht. Vergleichsweise selten waren CO-Intoxikationen aufgrund von CO-Quellen in geschlossenen Räumen; in der Mehrzahl dieser Fälle wurde die CO-Vergiftung im Rahmen der Fundortbesichtigung bzw. der Leichenschau erkannt. In 4 Fällen konnte jedoch entweder die Quelle zunächst nicht festgestellt werden oder die CO-Intoxikation wurde nur zufällig im Rahmen einer zweiten rechtsmedizinischen Leichenschau bzw. bei der Sektion entdeckt. In den ersten beiden Fällen handelte es sich um eine Mutter und ihren Sohn, die morgens tot in ihrem Schlafzimmer aufgefunden worden waren.Aufgrund der Färbung der Leichenflecke bestand der Verdacht auf eine CO-Intoxikation, was Anlass für die Sektion war. Als COQuelle konnte ein Dehnfugenbrand eruiert werden, bei dem das CO durch eine Zimmerdecke diffundiert war. Bei dem dritten Fall handelte es sich um einen tot in seiner Wohnung liegenden herzkranken Mann. Weder bei der kriminalpolizeilichen Fundort- und Leichenbesichtigung, noch bei der ärztlichen Leichenschau war der Verdacht auf eine CO-Intoxikation geäußert worden. Die Leiche wurde bei ungeklärter Todesart ins Institut für Rechtsmedizin verbracht, dann aber von der Staatsanwaltschaft freigegeben. Eine CO-Intoxikation wurde erst bei einer routinemäßig vorgenommenen zweiten Leichenschau im Institut vermutet und durch eine CO-Hb-Bestimmung bestätigt.Als CO-Quelle konnte ein manipulierter Umlaufwasserheizer ermittelt werden. Beim vierten Fall handelte es sich um einen jungen Mann, der nach einem Auslandsaufenthalt tot in seiner Wohnung aufgefunden worden war. Die ursprünglich aus seuchenpolizeilichen Gründen angeordnete Obduktion erbrachte eine tödliche CO-Intoxikation. Zum CO-Anstieg in der Raumluft war es über ein Verbundsystem von Kaminen dreier Wohnungen bei Heizen unter Verschluss aller Fenster und gleichzeitiger Nutzung einer Dusche durch Sogentstehung in einem der Kamine gekommen.
V-62 ZWEI ATYPISCHE KOHLENMONOXYDINTOXIKATIONEN Rygol K, Kobek M, Chowaniec M Institut für Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Akademie, Katowice, Polen In der gerichtsärztlichen Praxis sind bei den Suiziden die Kohlenmonoxidintoxikationen nach Vergiftungen durch Arzneimittel und Stürzen aus der Höhe eine häufige Todesursache.
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Seltener sind solche Fälle, bei denen zusätzlich zur Kohlenmonoxidaufnahme noch andere körperfremde Stoffe aufgenommen worden sind. In der Arbeit werden zwei, atypische Vergiftungsfälle durch Kohlenmonoxyd dargestellt, wobei Autoabgase die Kohlenmonoxydquelle darstellte. Zusätzlich fand sich eine Beeinflussung durch Alkohol und Medikamente. Der erste Fall betrifft einen Mann, bei dem eine tödliche Konzentration von CO-Hb und zusätzlich Zopiclon (aus der Gruppe der Schlafmittel) nachgewiesen wurde. Dagegen war im zweiten Falle die Konzentration des CO-Hb im entnommenen Leichenblut sehr niedrig aber die Konzentration des Neuroleptikums Perazin und die Äthylalkohol – Konzentration hoch. Die beschriebenen Fälle weisen auf die Notwendigkeit einer umfassenden toxikologischen Analyse hin, wodurch zusätzliche Hinweise auf den suizidalen Charakter des Todes erhalten werden konnten.
V-63 BESTIMMUNG VON METHADON UND EDDP IM KNOCHENMARK Rochholz G, Yang LY, Schütz HW, Ritz-Timme S Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Kiel Knochenmark ist ein zellreiches, gut durchblutetes Gewebe, in welchem die Blutbildung (Hämatopoese) stattfindet. Man unterscheidet zwischen dem roten blutreichen und dem gelben fettreichen Mark. Toxikologisch findet dieses Material bislang wenig Beachtung, obgleich dessen Analyse aufgrund der geschützten Lage in der Markhöhle der Röhrenknochen besonders bei langen Liegezeiten möglicherweise wertvolle Informationen zum Status bei Todeseintritt liefern könnte. Ein Flüssig-flüssig-Extraktionsverfahren zur Bestimmung von Methadon und EDDP im Serum wurde mit einem Waschschritt optimiert und an aufgestockten Knochenmarksproben mit einem Festphasen-Extraktionsverfahren verglichen. Die qualitative und quantitative Bestimmung erfolgte mittels EI-GC/MS underivatisiert im Selected-Ion-Modus (SIM).Als interne Standards wurden d9-Methadon und d3-EDDP eingesetzt. Die optimierte Flüssig-flüssig-Extraktion lieferte die saubereren Extrakte bei höheren Ausbeuten für Methadon (77,8 ± 4,5%). Das Verfahren wurde bisher bei fünf Methadon-Todesfällen angewandt. In drei Fällen wurde das aus dem Femur entnommene Knochenmark ungeachtet seiner genauen Herkunft homogenisiert und den Konzentrationen im Blut gegenübergestellt. In zwei Fällen wurde das Knochenmark als rotes und gelbes Knochenmark getrennt analysiert und mit den Blutkonzentrationen verglichen. In beiden Fällen enthielt das rote etwas höhere Methadon-Konzentrationen als das gelbe Knochenmark. Mit Ausnahme eines Falles lagen die Konzentrationen im Knochenmark deutlich über denen des Blutes.
V-64 NACHWEIS VON ALKALOIDEN DER EIBE PER LC-MS IN FÄLLEN VON TÖDLICHEN INTOXIKATIONEN Beike J, Meiners T, Karger B, Köhler H Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Institut für pharmazeutische und medizinische Chemie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Die Einnahme von Pflanzenteilen der Eibe (Taxus baccata L.), eines über weite Bereiche Europas verbreiteten Nadelbaums, kann sowohl bei Menschen als auch bei Nutztieren (z. B. Pferden, Rindern und Schafen) zu schweren Vergiftungen, teilweise mit tödlichem Ausgang führen. Für die Toxizität der Eibe ist eine Vielzahl von Polyhydroxy-Diterpenalkoloiden verantwortlich, die in den Blättern, den Samen und der Rinde des Baums vorkommen. Lediglich der scharlachrote, süßlich schmeckende Arillus (Samenmantel) ist praktisch ungiftig. Der Nach-
weis von Intoxikationen wird üblicherweise durch Identifikation von Pflanzenpartikeln im Mageninhalt geführt. Dieser Nachweis gelingt nicht immer. Die Gaschromatographie ist zum direkten Nachweis der toxischen Inhaltsstoffe in Körperflüssigkeiten auf Grund des hohen Molekulargewichts der Substanzen ungeeignet. Zum Nachweis von Taxin B und iso-Taxin B, den Hauptalkaloiden der Fraktion der Taxin-Alkaloide aus Körperflüssigkeiten wurde ein hochleistungsflüssigkeitschromatographisches Verfahren mit massenspektrometrischer Detektion entwickelt. Das Untersuchungsgut wurde durch Festphasenextraktion an C18-Material extrahiert und an einer RP8-Säule chromatographisch getrennt. Die massenspektrometrische Detektion erfolgte nach Elektrospray-Ionisation unter Atmosphärendruck im MS- und MS-MS-Modus. Als Referenzsubstanz wurden Extrakte aus Eibenblättern eingesetzt. Mit dieser Methode gelang der Nachweis von Taxin B und iso-Taxin B im Mageninhalt, Blut und Leber eines 43-jährigen Mannes, der einige Stunden nach dem Konsum einer Dekoktion aus Eibenblättern verstarb. Im Mageninhalt befanden sich keine Pflanzenreste. Außerdem wurde die Methode erfolgreich zur Bestätigung des Verdachts auf Eibenintoxikation eines Pferdes eingesetzt, in dessen Mageninhalt ebenfalls keine Eibenbestandteile gefunden werden konnten.
treten, deren Kenntnis für den Anwender unerlässlich sind. In systematischen Untersuchungen wurden u. a. an ?9-Tetrahydrocannabinol und Perfluortributylamin die Eigenschaften und Effekte der Ion Trap studiert. Es konnten bei Variation der Messparameter Veränderungen der Massenspektren beobachtet werden, die eine Identifikation der Substanzen erschwerten oder zum Teil unmöglich machten. Darüber hinaus konnten Molekülreaktionen festgestellt werden, die bei klassischen Massenspektrometern nicht zu erwarten sind. Es wird deshalb vor einem unkritischen Umgang mit Befunden und Messergebnissen, die mit der Ion Trap gewonnen werden, gewarnt. Eine neue Methode wurde für die Analyse von Gasen entwickelt. Bei dem häufig problematischen Nachweis von kleinen Molekülen eröffnet insbesondere die Ion Trap MS/MS-Massenspektrometrie neue Perspektiven. Es konnten MS- und MS/MS-Methoden erarbeitet werden, mit denen ein Nachweis und eine Identifikation von Gasen gelingt. Dabei wurden auch besondere Effekte der Ion Trap, wie z. B. Molekülreaktionen, genutzt. Untersuchungen wurden exemplarisch am Phosphin durchgeführt. In zwei Todesfällen, die auf eine Inhalation von Butangas zurückzuführen waren, gelang die Identifikation des Gases und die Befundsicherung mit der erarbeiteten Methode.
V-65 ENTWICKLUNG VON CHROMATOGRAPHISCHEN VERFAHREN ZUR BESTIMMUNG VON ALKALOIDEN AUS EISENHUT Köhler H, von Rüden J, Bajanowski T, Beike J Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster Der blaue Eisenhut (Aconitum napellus L.), eine Pflanze aus der Familie der Ranunculaceen, wird als die giftigste Pflanze Europas angesehen. Die hohe Toxizität beruht auf dem Gehalt an Diterpen- und Nor-Diterpenalkaloiden, darunter die Hauptalkaloide Aconitin und Mesaconitin, die in praktisch allen Pflanzenteilen vorkommen. Da Aconitum aus dem Arzneischatz fast vollständig verschwunden ist und nur noch zur Herstellung homöopathischer Mittel zur äußerlichen Anwendung eingesetzt wird, wurden in der westlichen Welt medizinale Vergiftungsfälle durch Überdosierung in den letzten Jahrzehnten nicht bekannt. Durch die Verwendung von Eisenhut in der asiatischen Medizin, aber auch durch akzidentelle Aufnahme von Pflanzenteilen kommt es aber gelegentlich zu Intoxikationen mit tödlichem Ausgang. Zur Identifizierung von Eisenhutalkaloiden in fraglichem Pflanzenmaterial und pflanzlichen Zubereitungen wurde ein hochleistungsflüssigkeitschromatographisches Verfahren mit massenspektrometrischer Detektion im einfachen MS- und MS-MS-Modus entwickelt. Zur empfindlichen quantitativen Bestimmung von Aconitin in Körperflüssigkeiten wurde ein GC-MS-Verfahren nach Festphasenextraktion entwickelt. Die Verfahren wurden in einem Fall von akzidenteller Intoxikation durch Eisenhut mit tödlichem Ausgang angewandt. Die qualitativen und quantitativen Ergebnisse des Falls werden dargestellt.
V-66 MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DES EINSATZES DER ION TRAP MASSENSPEKTROMETRIE IN DER FORENSISCHEN CHEMIE – EIN METHODISCHER UND KASUISTISCHER BEITRAG Jungheim M, Kijewski H Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen, Windausweg 2, 37073 Göttingen Die Ion Trap Massenspektrometrie eröffnet in der forensischen und toxikologischen Chemie zahlreiche neue Anwendungsmöglichkeiten und ist vielseitig für die ständig wechselnden Fragestellungen der Rechtsmedizin einsetzbar. Bei Analysen können aber Phänomene auf-
Drogen, Alkohol V-67 PRÄDIKTOREN DER DROGENMORTALITÄT IN HAMBURG: NETZWERKANALYSE DER JAHRE 1990–2001 Heinemann A1, Raschke P2, Püschel K1 1 Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg, Butenfeld 34, 22529 Hamburg 2 Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg, Allende Platz 1, 20146 Hamburg Die Darstellung der Rauschgiftmortalität fußt oftmals auf ungenauen Vorstellungen über die Struktur und Größe der zugrundeliegenden Risikopopulation. In Hamburg haben wir ein umfangreiches Netzwerk aus Datenquellen mit Bezug zu Ereignissen in der Drogenkarriere opiatabhängiger Personen erstellt, um über rechtsmedizinisch üblicherweise über die Polizei verfügbare Informationen hinaus longitudinale Verlaufsbetrachtungen zu ermöglichen. In eine pseudonymisierte Datenbank gingen die Therapiedaten der Hamburger kassenärztlichen Substitution, Daten der Evaluationsforschung zur Hamburger Methadonsubstitution, die Melde- und Behandlungsdaten in der zentralen Hamburger Entzugsklinik im Klinikum Nord, drogenfreie ambulante Therapie, polizeiliche Erfassung von Konsumenten harter Drogen, Labordaten der Untersuchungshaftanstalt (Urinscreening, Serologie), Drogennotfalldaten aller Einsätze mit notarztbesetzten Rettungsmitteln sowie rechtsmedizinische Analyseergebnisse aller polizeilich registrierten Drogentodesfälle ein. Mittels Capture-Recapture-Verfahren sowie pro- und retroskriptiver Fortschreibung der Drogenkarriere lässt sich zunächst die Entwicklung der Zahl riskant Konsumierender schätzen (10–11000). Die Mortalitätsentwicklung Substituierter verlief im letzten Jahrzehnt deutlich günstiger als die der Personen außerhalb Substitution. In und außerhalb der Substitution Verstorbene zeigen ähnliche Morphinkonzentrationen im Haar. Personen mit einem intoxikationsbedingten Notfallereignis haben keine schlechtere Prognose als solche ohne, sie verschlechtert sich erst bei 3 und mehr anamnestischen Notfällen deutlich. Es gibt eine signifikante Häufung von Notfällen vor tödlichen Intoxikationen. Männer zeigen kurz nach Beginn der Opiatkarriere in der Altersgruppe der Heranwachsenden das höchste Mortalitätsrisiko, bei Frauen verlagert sich das höchste Risiko zu den 21–25 jährigen. Insgesamt erscheint die Methodik in einem Stadtstaat wie Hamburg geeignet, Mortalitätsentwicklungen therapiegruppenspezifisch zu analysieren, ohne den Aufwand eines aktiven Follow–ups zu betreiben. Rechtsmedizin 4•2002
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MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DER RECHNERISCHEN SIMULATION DER PHARMAKOKINETIK DES HEROINS IM MENSCHLICHEN KÖRPER Wirasuta I M.A.G.1, Thoben M2, Duchstein HJ3, Saternus KS1, Kijewski H1 1 IFR Göttingen, Windausweg 2, D-37073 Göttingen 2 IFR Bremen, ZKH Sankt-Jürgen-Strasse, D-28205 Bremen 3 Inst. Pharmazie Hamburg, Bundestrasse 45, D-20146 Hamburg
NACHWEIS VON CRACK-KONSUM IN POST-MORTEM UNTERSUCHUNGSMATERIALIEN Toennes SW, Fandiño AS, Kauert G Institut für Forensische Toxikologie, Zentrum der Rechtsmedizin, Frankfurt/Main
Wegen der raschen Elimination des Heroins und Monoacetylmorphins aus dem Blut wird bei der Beurteilung der Opiatbefunde meistens die freie, gebundene oder gesamte Morphinkonzentration gewählt. Nach der Literatur findet sich eine hohe Variabilität aller pharmakokinetischen Parameter des Morphins und seiner Glucuronide. Auf der Grundlage der Laplacetransformation wurde ein pharmakokinetisches Modell im Hinblick auf Opiatbefunde angewandt. Hierbei wurde ein pharmakokinetisches Modell nach Heroininjektion erprobt. Die pharmakokinetischen Parameter des Heroins und seiner Metaboliten wurden aus publizierten Daten entnommen bzw. aus publizierten graphischen Darstellungen abgeschätzt. Die abgeschätzten Plasmakonzentrationsprofile wurden mit Hilfe der MicroMath Scientific Software 2.0 angepasst. Daraus ergaben sich die Dispositionsparameter des Heroins und seiner Metaboliten. Weiterhin wurden die Dispositionsparameter zur rechnerischen Simulation der Plasmakonzentrationsprofile ermittelt. Bei der Simulation wurden die Eliminationsparameter des Heroins und seiner Metaboliten variiert und aus den simulierten Konzentrationen wurde der Quotient von Morphinglucuroniden zum Morphin (QMGM) berechnet. Diese rechnerische Simulation wurde sowohl bezüglich gesunder Probanden als auch bei Patienten mit Nieren- und Leberinsuffizienz durchgeführt. Hierbei wurden die QMGM der Opiatbefunde am IFR Göttingen im Zeitraum von Januar 1997 bis Dezember 2001 erfasst, geordnet und nach statistischen Methoden ausgewertet. Der QMGM hängt wesentlich von den Dispositionsparametern des Morphins und seiner Glucuronide ab.
V-69 CHARAKTERISIERUNG DER MDMA-AUFNAHME DURCH DEN SEROTONIN TRANSPORTER Andresen H, Schmoldt A Institut für Rechtsmedizin, 22529 Hamburg Fragestellung: Im Rahmen der Untersuchungen zur Neurotoxizität von Ecstasy sollte überprüft werden, ob MDMA über den SerotoninTransporter aufgenommen wird. Bisher konnte dies nur indirekt anhand der Inhibition der Serotonin(5-HT)-Aufnahme bestimmt werden. Mit radioaktiv markiertem MDMA wurde nun direkt die Aufnahme gemessen und eine Kinetik erstellt. Methode: Die Aufnahme über den Serotonin-Transporter wurde an humanen Thrombozyten untersucht. Es wurde der Transport von [3H]-MDMA und von [3H]-Serotonin als Vergleich bestimmt. Die Selektivität wurde durch Hemmung des Transporters durch den selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitor Paroxetin sichergestellt. Ergebnisse: MDMA wird selektiv nur über den 5-HT-Transporter aufgenommen. Der km-Wert lag bei 2,3 μMol/L. Der Transport von MDMA verlief über ca. 20 sec. mit etwa konstanter Geschwindigkeit, danach nahm die Aufnahme nicht weiter zu. Für Serotonin betrug der km-Wert 0,6 μMol/L, die 5-HT-Aufnahme verlief über 120 sec. linear und näherte sich dann einem Plateau. Der Vmax -Wert für Serotonin betrug 4 pmol/min/500x104 Thrombozyten, für MDMA ergab sich ein ca. fünffach höherer Wert. Es stellt sich die Frage, warum der Transport für MDMA nur so kurz andauert.
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Einleitung: Die Qualität und der Verlauf der Kokainwirkung hängt in relevanter Weise von der Konsumform ab. Daher kann es auch bei Todesermittlungen sinnvoll sein, Crackrauchen und Kokainschnupfen zu differenzieren. Das Kokain-Pyrolyseprodukt Anhydroecgoninmethylester (AEME) und dessen Stoffwechselprodukt Anhydroecgonin (AE) sind etablierte Marker für inhaliertes Kokain, wurden aber in der post-mortem Toxikologie bisher kaum beachtet. Methode: In 6 Todesfällen von bekannten Crack-Konsumenten wurden, soweit vorhanden, in den Asservaten Blut (n=5), Urin (n=5), Gallenblaseninhalt (n=4) und Proben von Gehirn (n=6), Lunge (n=6), Leber (n=5) und Niere (n=6) AEME und AE neben Cocain, Benzoylecgonin und Ecgoninmethylester bestimmt. Die artefaktische Bildung von AEME aus Cocain und von AE aus Benzoylecgonin wurde durch externe Kalibration korrigiert. Ergebnisse: AEME und/oder AE waren in nur einer von 5 Blutproben nachweisbar, in 4 von 6 Gehirn- und Nierenproben, in 4 von 5 Urinproben, in allen Galle-, Leber- und Lungenproben. Die höchsten Konzentrationen fanden sich in den positiven Urinproben (AEME 1217 ng/g und AE 18463 ng/g), gefolgt von Lunge und Leber. In Gehirn und Blut fanden sich nur sehr geringe Konzentrationen (<53 ng/g). In Leber und Niere war AEME nur in sehr geringen Mengen enthalten während in Urin, Galle und Lunge vergleichsweise hohe Konzentrationen vorlagen. Für die Relation von AEME zu AE gab es deutliche Unterschiede: in Urin, Leber, Lunge und Niere waren die AE-Konzentrationen deutlich höher als die korrespondierenden AEME-Konzentrationen während in der Galle vornehmlich AEME nachweisbar war (nur in 1 von den 4 Fällen auch AE). Diskussion: AEME und/oder AE können zwar grundsätzlich in allen Körperflüssigkeiten oder Geweben vorkommen, aber es hat sich gezeigt, dass nur einige Gewebe eine ausreichende Verlässlichkeit für einen Nachweis bieten. Lungengewebe ist hier die erste Wahl, da beide Analyten in relativ hohen Konzentrationen vertreten waren, möglicherweise aufgrund der primär hohen Exposition. Bei der Untersuchung von Galle sollte vor allem auf AEME fokussiert werden, bei Urin und Leber vor allem auf AE. Blut-, Niere- und Gehirnuntersuchungen alleine können falsch-negative Befunde liefern.
V-71 VERGLEICHENDE UNTERSUCHUNGEN ZUR UNTERSCHEIDUNG DER AMPHETAMINDERIVATE VON AUSGEWÄHLTEN AMINDERIVATEN MITTELS HPLC Schulz K, Felscher D, Dreßler J Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden Körperflüssigkeiten von Leichen können im fortgeschrittenen Fäulnisstadium zu falsch-positiven bzw. falsch-negativen immunochemischen Testergebnissen führen. Auch eine Bestätigung mit einer chromatographischen Zweitmethode auf Amphetaminderivate bereitet oft Schwierigkeiten. Wir prüften mit dem Flüssigkeitschromatograph HP 1100 eine Zorbax XDB-C8- (150 mm ¥ 4,6 mm ¥ 5 μm) und eine in den letzten Jahren entwickelte CAPCELL PAK MF–C8 (100 mm ¥ 4,6 mm ¥ 5 μm) – Säule, die eine direkte Injektion von Flüssigkeiten ermöglicht, auf ihre Eignung für die eindeutige Auftrennung von Amphetaminen (z. B. Amphetamin, Methamphetamin, MDMA und MDA) und Aminderivaten, wie 2-Phenylethylamin, Tryptamin, Tyramin und Tyrosin aus. Es kamen zwei Elutionsmittel E1 (Acetonitril/Phosphatpuffer pH=2,3) und E2 (Acetonitril/ Phosphatpuffer pH= 7) zur Anwendung (Fluss
1,5 ml/min, 30°C). Die Untersuchungen erfolgten einerseits direkt mit den obigen Testsubstanzen, wobei UV-HPLC-Bibliotheken zur Identifizierung benutzt wurden und andererseits nach vorheriger Derivatisierung mit dem Waters AccQ-FluorTM-Reagenz. Die entstehenden Derivate sind für Wochen stabil und erlauben Konzentrationen durch Fluoreszenzdetektion bis in den ng-Bereich zu erfassen. Das UV-Signal der Derivate ist zur Bibliothekssuche bei begrenzter Aufgabenstellung, wie im vorliegenden Fall, geeignet. Es ergaben sich folgende Ergebnisse bei den angewandten Bedingungen: 1. Zorbax-Säule XDB-C8 mit E1 bzw. E2: Es konnte keine ausreichende Differenzierung der underivatisierten Testsubstanzen erreicht werden, da die Retentionszeitunterschiede zu gering waren. Durch die Derivatisierung konnte für beide Elutionsmittel eine eindeutige Identifizierung vorgenommen werden. Dies gelang, da die Kapazitätsfaktoren von 0 – 1 auf 1 – 6 (E1) bzw. von 0 – 3 auf 4 – 32 (E2) und auch die Signalintensitäten deutlich anstiegen. 2. CAPCELL PAK MF – C8-Säule mit E2: Eine zur Identifizierung ausreichende Auftrennung gelang auch hier nur nach Derivatisierung der Testsubstanzen. Durch die Derivatisierung konnten die Retentionszeitunterschiede zwischen den einzelnen Stoffen vergrößert und die Nachweisgrenzen mit Fluoreszenzdetektion bis in den ngBereich verschoben werden.
V-72 ENTWICKLUNG EINES IMMUNOLOGISCHEN NACHWEISES FÜR PSILOCIN Albers C, Lehr M, Beike J, Köhler H, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Institut für pharmazeutische und medizinische Chemie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Beitrag zurückgezogen.
V-73 ISOLATION VON SALVINORIN A AUS SALVIA DIVINORUM UND QUANTITATIVE BESTIMMUNG IN BIOLOGISCHEN PROBEN Zörntlein S, Schneider O, Röhrich J, Becker J Institut für Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Der Handel und damit auch der Konsum bislang nur regional genutzter psychoaktiver Pflanzen gewinnt in der gesamten westlichen Welt an Bedeutung. Eine aktuelle und besonders interessante Entwicklung ist die zunehmende Verbreitung des Lippenblütlers Salvia divinorum. Hierbei handelt es sich um eine stark halluzinogene Salbeiart, deren endemisches Vorkommen sich auf Nebelwälder der mexikanischen Sierra Madre Oriental beschränkt. Die Pflanze gehört wegen ihrer geringen ursprünglichen Verbreitung zu den seltensten psychoaktiven Pflanzen. Seit Mitte der neunziger Jahre wird die Pflanze aber zunehmend gartenbaulich kultiviert und gelangt als Frischpflanze, Blattdroge oder Pflanzenauszug in den Handel. Der Konsum von Salvia divinorum kann zu extremen Persönlichkeitsveränderungen bis hin zum völligen Identitätsverlust führen. Daneben wird über optische Halluzinationen und veränderte Raumgeometrie berichtet. Bei berauschten Konsumenten, die im Zustand völliger Desorientierung umherirren, besteht eine ernstzunehmende Eigen- und Fremdgefährdung. Als „Saver Use“-Empfehlung wird daher unbedingt ein Aufpasser (sogenannter „Tripsitter“) angeraten. Für die psychotomimetischen Eigenschaften wird das Diterpen Salvinorin A verantwortlich gemacht. Zentraler Bestandteil der hier vorgestellten Arbeit ist die Etablierung geeigneter Analysetechniken zur quantitativen Bestimmung dieses Halluzinogens. Da der Wirkstoff als Analysestandard gewerblich nicht erhältlich ist, musste Salvinorin A zunächst aus Pflanzenmaterial isoliert und in kristalliner Reinform dargestellt werden. Über die Ergebnisse einer Untersuchung zum Wirkstoffgehalt kommerziell erhältlicher Salvia divinorum-Präparationen sowie dem Nachweis in Körperflüssigkeiten wird berichtet.
V-74 ARTERIELLE, ZENTRALUND PERIPHERVENÖSE ALKOHOLDISTRIBUTION NACH PERKUTANER ETHANOLINSTILLATION (PEI) Breitmeier D1, Panning B1, Gebel M1, Geerlings H2, Tröger HD1 1 Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover 2 Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Die PEI, bei der 96%iger Alkohol direkt fraktioniert in den Tumor eingespritzt wird, kommt klinisch unter Vollnarkose zur Behandlung fortgeschrittener hepatozellulärer Carcinome zur Anwendung. Es wurde untersucht, wie sich der instillierte Alkohol, unter Umgehung des first-pass Effektes sowie ohne Resorptionsdefizit, in den verschiedenen Blutkompartimenten (arteriell, zentral-, periphervenös) verteilt. Unter Vollnarkose wurden, neben umfangreichem Monitoring, ein arterieller und ein peripherer Zugang sowie ein zentralvenöser Katheter gelegt. Vor (Nullwertbestimmung), während und unmittelbar nach der Ethanolinstillation wurden Blutproben bei insgesamt 20 Patienten aus allen drei Kompartimenten nahezu zeitgleich zu verschiedenen Zeitpunkten entnommen. Die Blutalkoholkonzentration (BAK) wurde gaschromatographisch und nach dem ADH-Verfahren jeweils doppelt bestimmt. Die instillierten Alkoholmengen lagen zwischen 14,0 und 95,0 ml. Die höchste arterielle BAK betrug 1,47‰, die höchste zentralvenöse 1,54‰ und die höchste periphervenöse 1,34‰. Der T-Test bei gepaarten Stichproben zeigte z. B. beim Vergleich der arteriellen und der periphervenösen BAK’s bis zum erreichen des Maximums deutliche Konzentrationsunterschiede (Signifikanz zwischen 0,000–0,008), wohingegen in der Eliminationsphase derartige Konzentrationsunterschiede nicht festzustellen waren (Signifikanz zwischen 0,090 – 0,423). Insgesamt zeigen die erhobenen Daten unter anderem, dass in der Verteilungsphase bis zum erreichen der maximalen BAK signifikante Konzentrationsunterschiede im Vergleich sowohl zwischen dem arteriellen und periphervenösen als auch tendenziell zwischen dem arteriellen und zentralvenösen Blutkompartiment eruierbar waren.
V-75 GLUCURONIDIERUNG ALIPHATISCHER ALKOHOLE DURCH UDP-GLUCURONYLTRANSFERASEN IN VITRO Jurowich S, Sticht G, Käferstein H Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln, Melatengürtel 60–62, D-50823 Köln Die Glucuronidierung von Trinkalkohol spielt im Ethanolstoffwechsel nur eine ganz untergeordnete Rolle. Dies gilt jedoch nicht für die längerkettigen Begleitalkohole alkoholischer Getränke, die z.T. im Urin in höherer Konzentration als Ethylglucuronid nachweisbar sind. Daraus ist zu schließen, dass die Amylalkohole wesentlich besser als Ethanol glucuronidiert werden können. Die Glucuronidierung findet in erster Linie in Leberzellmikrosomen statt. Iwersen und Schmoldt (1998) haben die In-vitro-Glucuronidierung aliphatischer Alkohole durch Rattenmikrosomen bearbeitet. Entsprechende Untersuchungen mit menschlichen Leberzellmikrosomen in vitro sind bislang allerdings nicht publiziert. Wir haben die Glucuronidierung aliphatischer Alkohole (C1 bis C5) durch kommerziell verfügbare menschliche Mikrosome untersucht. Die Affinität der Alkohole zu den mikrosomalen UDP-Glucuronyltransferasen nimmt mit wachsender Kettenlänge stark zu. Der Km-Wert sinkt von Ethanol zu Isopentanol um den Faktor 28. Die Rolle einer Verzweigung zeigt sich beispielhaft bei den Butanolen. Die Affinität der primären Alkohole n-Butanol und Isobutanol unterscheidet sich allerdings nicht wesentlich. Die beiden 2-Butanole haben dagegen als sekundäre Alkohole eine um den Faktor 4 geringere Affinität als n-Butanol zum Enzym. Die maximalen Umsatzgeschwindigkeiten nehmen analog zur Affinität zum Enzym mit steigender KetRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts tenlänge stark zu. n-Pentanol und Isopentanol werden 36mal so rasch wie Ethanol umgesetzt. Unterschiedliche Mikrosomenchargen weisen bei gleichen Proteinmengen zwar verschiedene Maximalgeschwindigkeiten auf, dies hat jedoch keinen Einfluss auf die relativen Umsätze der Alkohole untereinander oder auf die Affinität zum Enzym. Untersucht wurde auch der Umsatz von zwei verschiedenen Alkoholen in einem Ansatz. Es zeigt sich eine kompetitive Hemmung. Daraus ist zu schließen, dass Ethanol und die Begleitalkohole von dem selben Enzym umgesetzt werden. Hohe Ethanolkonzentrationen hemmen den Umsatz von Isopentanol nur wenig, dagegen hemmt Isopentanol bereits in niedriger Konzentration die Glucuronidierung von Ethanol stark. Dies vermag die in vivo festgestellten sehr hohen Anteile höherer Begleitalkoholglucuronide im Urin zu erklären.
V-76 BESTIMMUNG VON DOPAMIN UND DEN DOPAMIN-KONDENSATIONSPRODUKTEN R-/S-SALSOLINOL UND NORSALSOLINOL IN DEN BASALGANGLIEN VON ALKOHOLKRANKEN UND GESUNDEN Mußhoff F1, Schmidt P1, Dettmeyer R1, Priemer F2, Jachau K3, Madea B1 1 Institut für Rechtsmedizin Bonn 2 Institut für Rechtsmedizin München 3 Institut für Rechtsmedizin Magdeburg Salsolinol und Norsalsolinol werden als endogen entstehende Alkaloide diskutiert, die im Zuge von chronischem Alkoholkonsum aus Dopamin und Alkoholoxidationsprodukten (Acetaldehyd, Formaldehyd) gebildet werden und möglicherweise an der Biologie der Sucht beteiligt sind. Für eine systematische Untersuchung verschiedener Gehirnregionen aus den Basalganglien bei Alkoholkranken und Gesunden wurde ein Verfahren entwickelt, bei dem Gehirngewebe nach Festphasenextraktion mit Phenylboronsäure als Absorbens mittels GC/MS bei Mitführung deuterierter interner Standards quantitativ vermessen wurde. Nach einer Zweischritt-Derivatisierung mit N-Methyl-N-trimethylsilyltrifluoracetamid (MSTFA) and (R)-(-)-2-Phenyl-buturylchlorid konnten die beiden Enantiomere von Salsolinol als Diastereomere auf einer achiralen Kapillarsäule getrennt werden. Die Konzentrationen von Dopamin wie auch von Salsolinol und Norsalsolinol nehmen mit steigendem Lebensalter ab („Aging“). Beide Salsolinol-Enantiomere sind in den Basalganglien nachweisbar, was gegen eine rein enzymatische Bildung spricht. R-Salsolinol dominiert gegenüber dem S-Enantiomer, welches vornehmlich bei Alkoholkranken aufgefunden wurde. Die Ergebnisse werden diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung von Salsolinol auf das dopaminerge Reward-System.
der BHBA hinsichtlich der Diagnostik der alkoholischen Ketoazidose erhöhen. Die Bestimmung von HbA1C und Laktat sind für die Ausschlussdiagnose von Bedeutung, zeigen aber sonst keinen diagnostischen Zugewinn. Die Glaskörperflüssigkeit bildet aufgrund einer offenbar geringeren Anfälligkeit gegenüber postmortalen Substanzveränderungen im Vergleich zum Leichenblut ein wahrscheinlich günstigeres Analysemedium und gestattet die Messung von Ethanol, BHBA und Glukose gleichermaßen. Die enzymatische Fluorometrie erweist sich trotz seines Fehlerpotentials infolge hämolytischer Leichenblutproben als ein praktikables Analyseverfahren.
V-78 ENDOGENE SYNTHESE VON ETHANOL IM BLUT EINER INTENSIVMEDIZINISCH BEHANDELTEN PATIENTIN DURCH METABOLISIERUNG VON HYDROXYETHYLSTÄRKE (HES) Maksymowicz K, Jaz˙wi´nska-Tarnawska E, Hurkacz M, Drela E, S´wia˛tek B, Jurek T Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wroclaw Anstalt für klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Wroclaw Die Untersuchung der Blut- und Urinproben, welche anlässlich der gerichtsmedizinischen Obduktion eines 14-jährigen Mädchens entnommen wurden, ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,9‰ bei gleichzeitigem Fehlen von Ethylalkohol im Urin. Die Materialentnahme erfolgte nach 24stündiger postmortaler Leichenlagerung in der Kühlzelle. Leichenfäulnis als mögliche Erklärung für den ungewöhnlichen Befund – über den bekannten Mechanismus der postmortalen Ethanolsynthese – fand sich bei der Sektion nicht.Auch die nachfolgenden kriminalpolizeilichen Ermittlungen ergaben keinerlei Hinweise auf einen Alkoholkonsum kurz vor dem Tode. Es war jedoch bekannt, dass das Mädchen unmittelbar vor dem Tode wegen eines Schädelhirntraumas über einen Zeitraum von 12 Stunden intensivmedizinisch behandelt wurde. Bei Analyse der Therapieverfahren fanden die Autoren, dass im Rahmen der dem Tode unmittelbar vorangegangenen medizinischen Behandlungsmaßnahmen Hydroxyethylstärke (HES) verabreicht wurde. HES wird aus Amylopektin durch Hydroxyethylierung hergestellt und als sog. Plasmaexpander in der Intensivmedizin eingesetzt. Bei der Metabolisierung von HES entsteht Ethanol. Dieser Mechanismus könnte die nachgewiesene BAK erklären.
Verkehrstoxikologie,Verkehrsmedizin V-77
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BETAHYDROXYBUTTERSÄURE – EIN INDIKATOR DER ALKOHOLISCHEN KETOAZIDOSE ALS TODESURSACHE BEI UNERWARTET VERSTORBENEN ALKOHOLIKERN Erfurt C, Hauswald V, Dreßler J Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
DROGENKONSUM UND VERKEHRSUNFALLVERURSACHUNG Kauert G, Iwersen-Bergmann S Institut für Forensische Toxikologie, Uniklinikum Frankfurt/M.
Die alkoholische Ketoazidose beim chronischen Ethanolabusus stellt eine Stoffwechselpathologie mit tödlicher Potenz dar. Der Betahydroxybuttersäure-(BHBA-)Spiegel erweist sich als ein geeigneter Parameter für den Nachweis einer alkoholischen Ketoazidose. Die Höhe des BHBA-Spiegels und dessen differentialdiagnostische Wertigkeit sowohl bei chronischen Alkoholikern als auch bei verschiedenen Todesursachen einer Kontrollgruppe werden aufgezeigt. Die Bestimmung der Osmolalitätslücke könnte den prädiktiven Wert
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Die deutliche Zunahme erkannter Fälle von Fahren unter Drogeneinfluss in den vergangenen Jahren ist in das Bewusstsein aller damit befassten Institutionen gerückt. Ebenso unstreitig ist, dass die Wirkungen und Nachwirkungen von Rauschdrogen aller Art die Fahrsicherheit von Kraftfahrern aufheben können, wobei auf die juristische Definition der Fahruntüchtigkeit durch den BGH hinzuweisen ist: Fahruntüchtig ist, wer den Anforderungen schwieriger Verkehrslagen, wie sie jederzeit eintreten können, nicht mehr gewachsen ist, bzw., wenn Funktionsstörungen eintreten, die durch Willensanspannung nicht mehr ausgeglichen werden können (BGHst 19, 243, 244, 1986).
Der Deutsche Verkehrsgerichtstag 2002 hat in einem erneut stattgefundenen Arbeitskreis Drogen im Straßenverkehr die Schaffung von Grenzwerten zur absoluten Fahruntüchtigkeit bei Rauschdrogen gefordert und hat festgestellt, dass die Datenlage zur Erfassung des von Drogenkonsum ausgehenden Verkehrsunfallrisikos derzeit in Deutschland noch unzureichend sei. Er hat gefordert, dass der Gesetzgeber die rechtlichen und materiellen Voraussetzungen für die systematische Erfassung von Drogenbefunden bei Unfallverursachern schaffen muß.
V-80 METHADONSUBSTITUTION – RECHTSMEDIZINISCHE ASPEKTE Mußhoff F, Lachenmeier DW, Madea B Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Mit der gestiegenen Zahl der Methadon-substituierten Patienten ist in den letzten Jahren in Deutschland auch ein Anstieg in der Zahl von rechtsmedizinisch untersuchten Fällen mit Methadonbeteiligung zu verzeichnen. Eine große Zahl von Personen verstirbt nach einer medizinisch nicht immer indizierten Methadonsubstitution. Durch die Lockerung der sogenannten Take-Home-Verschreibungspraxis taucht Methadon vermehrt auf dem Drogen-Schwarzmarkt auf und in einigen Städten überwiegen Methadon-assoziierte Todesfälle bereits gegenüber solchen, die einem Heroin-Abusus zuzuschreiben sind. Die Verschreibung eines zur Substitution zugelassenen Betäubungsmittels ist in Deutschland nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs.1 BtMG, insbesondere die Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst, eingehalten werden. Ein unzulässiges Aushändigen von Verordnungen an Patienten mit dem Risiko einer unkontrollierten und unbeaufsichtigten Einnahme oder Weitergabe gelten als Indiz dafür, dass es sich nicht um eine zulässige Behandlung, sondern eher um ein strafbares Verschaffen handelt. Beispiele von arztstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Ärzte, wegen eines Verstoßes gegen die BtMVV werden exemplarisch dargestellt. Mit der gestiegenen Zahl von Methadon-substituierten Personen stieg auch die Häufigkeit der Teilnahme am Straßenverkehr unter dem akuten Einfluss dieses Mittels. In den Jahren 1997 bis Juni 2001 wurden im Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn 125 Fälle festgestellt. In nur 5 Fällen wurde Methadon als einziges berauschendes Mittel aufgefunden, in der Mehrzahl der Fälle wurde der Konsum einer weiteren oder gar bis zu 5 weiterer Substanzen nachgewiesen. Am häufigsten wurden Benzodiazepine (in 60 % der Fälle) detektiert, gefolgt von Morphin (40 %),Alkohol (37 %), Cannabinoiden (31 %), Cocain (30 %), Antidepressiva (4 %) und Amphetaminen (1 %). Es stellt sich die Frage, inwieweit den „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung“ gefolgt wird.
V-81 ZUM DROGENKONSUM VERUNFALLTER JUGENDLICHER KRAFTFAHRER IN MECKLENBURG-VORPOMMERN – EIN BEITRAG ZUR DUNKELFELDFORSCHUNG Rentsch D1, Marschner P1, Below E2, Wegener R1 1 Institut für Rechtsmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock 2 Institut für Rechtsmedizin, Universität Greifswald, Kuhstraße 30, 17487 Greifswald Der Gebrauch illegaler Drogen in den neuen Bundesländern hat inzwischen fast die Größenordnung des alten Bundesgebietes erreicht. Dies betrifft insbesondere den Konsum von Cannabisprodukten und der Modedroge Ecstasy. Zur Prävalenz von Drogen bei alkoholverdächtigen Kraftfahrern wurden an unserem Institut nach der Wiedervereinigung bereits mehrphasige epidemiologische Studien durchgeführt. Bisher konnte ein stetiger Anstieg des Gebrauchs psychotroper Substanzen festgestellt werden.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie (November 2000 bis August 2001) werden vorgestellt. Erstmals konnte in die Erhebung ganz Mecklenburg-Vorpommern einbezogen werden. Aus den Probenaufkommen der Blutalkoholuntersuchungsstellen in Greifswald und Rostock wurden Blutproben verunfallter Jugendlicher (bis 25 Jahre; kein Drogenverdacht von Seiten der Polizei) selektiert, anonymisiert und auf Betäubungsmittel reanalysiert (n = 675). Auf ein Screening mittels Immunoassays wurde verzichtet und so dessen verfahrensimmanente Problematik (potenziell falsch negative bzw. falsch positive Resultate) umgangen. Die Entwicklung und Anwendung einer GC/MS-Kombinationsmethode mit vorgeschalteter automatisierter Probenaufarbeitung erlaubte ausgehend von 0,75 ml Serum die simultane Erfassung sämtlicher relevanter Drogen sowie wichtiger Ausweich- und Substitutionsmittel (THC, THCOH, THCCOOH, MDA, MDMA, MDEA,Amphetamin, Methamphetamin, Cocain, BZE, EME, Methadon, Morphin, DHC und Codein). 23 % der Proben waren cannabinoidpositiv (THC: 11,7 %;„cut off“ 2 ng/ mg). In 10,2 % der Blute wurden Designerdrogen bzw. synthetische BtM vom Amphetamintyp nachgewiesen. MDMA war in dieser Population die dominierende Substanz. Benzoylecgonin war in 4,6 % der Blutproben anwesend. Opiate und Opioide spielten im Untersuchungsgut keine Rolle. Insgesamt wurden 27,9 % der Blutproben drogenpositiv getestet. Substanzkombinationen insbesondere mit Alkohol waren der Regelfall. In der Gruppe der „moderat“ alkoholisierten Jugendlichen (0,8–1,1 ‰) war der Positivanteil mit 36,9 % am größten. Der Vergleich mit epidemiologischen Daten aus 1997/98 für die Region Rostock/Schwerin zeigt einen dramatischen Anstieg der Positivrate (14,6 % vs. 28,8 %). Dies betraf insbesondere den Konsum von Designerdrogen (2,3 % vs. 11,3 %).
V-82 MEDIZINISCHE ERFAHRUNGEN BEI BLUTENTNAHMEN AN EINER GROSSKONTROLLSTELLE Stein KM, Lutz B, Mattern R Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg Ziel einer retrospektiven Analyse medizinischer Untersuchungsprotokolle anlässlich von Blutentnahmen war es, weitere, auch von Beamten auf der Straße erkennbare drogenbedingte Ausfallerscheinungen neben den bekannten Parametern wie z. B. Pupillenweite und -reaktion zu beschreiben. Hierbei lag das Augenmerk nicht auf der Dosisabhängigkeit eines Befundes, sondern auf dem Nutzen für die Verdachtsgewinnung einer Rauschmittelbeeinflussung. Anlässlich einer Großkontrolle nach der Musikveranstaltung „Time Warp 2002“ am 07.04.2002 wurden an der Kontrollstelle A 656 (Mannheim/Heidelberg) insgesamt 45 Blutproben von 3 Ärzten entnommen. Nach Vorselektion der kontrollierten Verkehrsteilnehmer durch die Polizei und Durchführung eines freiwilligen Urintests wurden Blutentnahmen angeordnet. In 43 der 45 Fällen war ein Verstoß gegen §24a Grund der Blutentnahme, lediglich in zwei Fällen war Alkohol im Spiel. Im Zusammenhang mit der Blutentnahme wurden bei den Beschuldigten, unter gleichen örtlichen Bedingungen im Sinne eines „realen Feldversuchs“, standardisierte ärztliche Untersuchungen durchgeführt. Die Bedingungen waren somit für alle Probanden nicht nur äußerlich einheitlich, sondern sie hatten physisch und psychisch einen realen Charakter („durchtanzte Nacht“, „Konfrontation mit der Polizei“,„Angst vor Geldstrafen bzw. vor Verlust des Führerscheins“). Kopien des medizinischen Teils der Blutentnahmeprotokolle ab Ziffer III wurden angefertigt und die Ergebnisse der Serumscreenings bzw. soweit vorhanden auch der Bestätigungsanalysen mittels einer Codenummer den anonymen Bögen zugeordnet. Zur Abgrenzung der pathologischen Befunde von reinen Übermüdungseffekten wurden Vergleichspersonen nach Schlafentzug untersucht, des weiteren wurden die Ergebnisse mit Protokollen nach polizeilich angeordneten alkoholbedingten Blutentnahmen verglichen.
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Abstracts V-83 BEEINTRÄCHTIGUNG DER SICHERHEIT IM SCHIFFSVERKEHR UNTER ALKOHOLEINFLUSS Kaatsch HJ, Ritz-Timme S, Thome M Institut für Rechtsmedizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Die Frage des Alkoholeinflusses in der Schifffahrt ist bereits des öfteren erörtert worden. Die bislang vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen mündeten aber nicht in der juristischen Festlegung eines Grenzwertes für die absolute Fahruntüchtigkeit am Ruder. Ziel unserer Untersuchungen war das Erarbeiten eines umfangreichen Datenmaterials zur Frage der Beeinträchtigung von Teilnehmern am Schiffsverkehr durch Alkoholeinfluss bei ca. 1,0‰ sowie die Erarbeitung von Vorschlägen für einen Grenzwert für die absolute Untüchtigkeit zum Führen eines Wasserfahrzeuges. Insgesamt wurden n=21 (1 w; 20 m) gesunde Kapitäne bzw. Nautische Offiziere im Alter von durchschnittlich 38,6 (27–62) Jahren untersucht. Die Untersuchungen fanden in einem modernen Schiffssimulator der Fachhochschule Hamburg, Bereich Nautik statt. Dieser besteht aus einem in allen Ebenen hydraulisch bewegbaren Brückenhaus mit Rundumprojektion. Jeder Proband war im Rahmen seiner Ausbildung mit dem Fahrsimulator vertraut und musste am Versuchstag nach einem genau festgelegten Zeitablauf nüchtern sowie nach definierter Alkoholaufnahme eine 45 Minuten dauernde Simulationsfahrt durchführen. Drei Blutentnahmen dokumentierten die tatsächlich erreichten Blutalkoholkonzentrationen. Zusätzlich wurden internistische, augenärztliche und testpsychologische Daten erhoben. Die seemännische Bewertung wurde von einem Nautiker und einem seeerfahrenen Rechtsmediziner nach vorgegebenen Kriterien durchgeführt. Im Vergleich zur Nüchternfahrt verschlechterte sich die Leistung der Probanden fast ausnahmslos während der Alkoholfahrt. 18 von 21 Kapitänen zeigten massive Leistungsausfälle unter Alkohol. Besonders auffällig waren Beeinträchtigungen des Konzentrationsvermögens und der seemännischen Sorgfalt sowie eine gesteigerte Risikobereitschaft. Nach den Ergebnissen des Versuchs stellt eine Blutalkoholkonzentration des Schiffsführers von 1,0 ‰ eine ganz erhebliche Gefährdung der Schifffahrt dar. Die Festlegung eines Grenzwertes von 1,0 ‰ BAK für die absolute Fahruntüchtigkeit am Ruder erscheint somit aus rechtsmedizinischer Sicht zwingend geboten.
V-84 ZUR ABHÄNGIGKEIT DER ATEMALKOHOLKONZENTRATION VON LUNGENVOLUMINA UND LUNGENFUNKTION Jachau K1, Warnecke I1, Krause D1, Bartels H1, Wittig H1, Welte T2 1 Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg 2 Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pulmologie, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Das „beweissichere“ Atemalkoholmessgerät Alcotest 7110 Evidential MK III berücksichtigt in begrenztem Umfang die respiratorische Variationsbreite der Probanden, indem alters- und geschlechts-korrelierte Daten für die Toleranzen des Ausatemvolumens und der Ausatemzeit aquiriert werden, um ggf. den Messvorgang abzubrechen. Diese grobe Fehlerbegrenzung führt schon bei Routinekontrollen nicht selten zum Versuchsabbruch. Es sollte anhand von standardisierten Trinkversuchen überprüft werden, welchen Einfluss Atemzugvolumen, inspiratorisches und exspiratorisches Reservevolumen sowie das Residualvolumen auf die Höhe der AAK haben. 30 Versuchspersonen erhielten 0,5 g, 0,8 g oder 1,0 g Ethanol pro Kilogramm Körpergewicht innerhalb von 10 Minuten in Form von Ethanol in Fruchtsaft.AAK- und zeitgleiche BAK-Werte wurden im üblichen Ver-
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fahren bestimmt. Als Lungenfunktionsteste erfolgten Spirometrie, Bodyplethysmografie, Diffusionskapazität, und eine arterielle Blutgasbestimmung. Korrelation und Regression der Werte in der Resorptions- und Eliminationsphase werden vorgestellt und atemphysiologisch diskutiert.
V-85 DETEKTION VON ALKOHOLBEDINGTEN GANGSTÖRUNGEN MITTELS AUTOMATISIERTER GANGANALYSE Ortmann C1, Conradi S2, Smolenski UC2, Klein A1 1 Institut für Rechtsmedizin, FSU Jena 2 Institut für Physiotherapie, FSU Jena Alkoholbedingte Gangstörungen werden zur Einschätzung des Trunkenheitsgrades herangezogen. Die zur Prüfung üblicherweise herangezogenen Tests sind nicht standardisiert, eignen sich nur für grobe Gangstörungen und zeigen bei der Beurteilung verschiedener Untersucher große interindividuelle Schwankungen. Wir untersuchten die akute Wirkung einer gering- bis mäßiggradigen alkoholischen Beeinflussung auf die Gangfertigkeit bei 14 gesunden durchschnittlich alkoholgewöhnten sportlichen Versuchspersonen mittels einer automatisierten Messung. Zur Analyse des Gangbildes wurde ein 3D-Ultraschallanalyse-System der Firma Zebris verwandt. Ultraschallsender wurden auf die unteren Extremitäten des Probanden positioniert. Die Winkel- und Streckenreproduktion erfolgte durch Weg-Zeitberechnung der Signale bis zu den Aufnahmemikrophonen. Elf Winkel (u.a. Hüfte, Knie, Sprunggelenke) zur Kennzeichnung des Ganges wurden neben den Schrittlängen und den Doppelstandzeiten auf durchschnittlich 120 Schritte pro Ganganalyse kontinuierlich gemessen. Zwei Gehgeschwindigkeiten wurden untersucht, eine individuell unterschiedliche Wohlfühlgeschwindigkeit (3,5–,5 km/h) und 2,5 km/h. Die Ganganalyse erfolgte im Vergleich vor und nach Alkoholaufnahme. Maximale Alkoholaufnahme 0,8g/kg Körpergewicht, Trinkzeit 1h. Die Blutalkoholkonzentration betrug zwischen 0,34 bis 1,28 ‰. Mit bloßem Auge waren unter Alkoholeinfluss bei keinem Probanden Gangstörungen erkennbar. Die gemessenen Winkel lagen dem entsprechend im Normbereich. Die Standartweichungen jedoch – als Maß der Variabilität der Winkel – waren unter Alkoholeinfluss deutlich höher. Die Zeit des Doppelstandes beider Beine und die Doppelschrittlänge blieb insgesamt zwar insgesamt gleich lang, jedoch variierte unter Alkoholeinfluss die Relation zwischen linker und rechter Seite.
V-86 AUSWIRKUNGEN EINER NACHTDIENSTBELASTUNG AUF DIE FAHRTÜCHTIGKEIT VON MEDIZINISCHEM PFLEGEPERSONAL Grellner W1, Kruchten U1, Georg T2, Wilske J1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes, Gebäude 42, 66421 Homburg/Saar, 2 Institut für Medizinische Biometrie der Universität des Saarlandes In der vorliegenden Studie sollte geprüft werden, inwieweit die Fahrtüchtigkeit am Morgen nach einer Nachtschichtbelastung eingeschränkt sein könnte. Das Untersuchungskollektiv bestand aus 40 Schwestern und Pflegern einer Universitätsklinik (14 Männer, 26 Frauen, Durchschnittsalter: 33,9 ± 9,2 Jahre). Das Pflegepersonal arbeitete meist in 4- bis 7-Tagesschichten und wurde entweder am ersten oder vierten Schichttag getestet. Die Probanden durchliefen am frühen Abend vor Schichtbeginn und am frühen Morgen nach Schichtende eine verkehrspsychologische Testbatterie nach dem Wiener Testsystem, die von einem pupillographischen Schläfrigkeitstest (PST) umrahmt wurde. Die objektive Erfassung der Einschlafneigung mit Hilfe des Leitparameters Pupillenunruhe-Index (PUI) ergab kontinuierlich anstei-
gende Werte mit signifikant erhöhtem PUI nach der Nachtschicht. Der Anteil der Pflegeleistenden mit auffälligen Schläfrigkeitsparametern stieg von 31 % auf 70 % an. Das Schläfrigkeitsniveau war am ersten Schichttag höher als am vierten, was auf eine zunehmende Adaptation hindeutet. Im Wiener Testsystem wurden dagegen trotz objektiv deutlich höherer Einschlafneigung nach Schichtende in zahlreichen Einzeltests zur psychophysischen Leistungsfähigkeit signifikant bessere Ergebnisse erzielt als vor Schichtbeginn, was auf einen Lern- und Übungseffekt zurückzuführen sein dürfte, da ein eventueller Bezug zum Schichttag fehlte. Die besonders verkehrsrelevante Reaktionszeit verschlechterte sich allerdings signifikant, insbesondere unter Monotoniebedingungen. Zusammenfassend weisen die Resultate auf ein erhöhtes Risiko für den gefährlichen Sekundenschlaf am Steuer nach einer Nachtdienstbelastung hin. Es besteht jedoch keine durchgehende Korrelation zwischen einer objektivierbaren Müdigkeit und einem verminderten Leistungsvermögen. Einfache und routinemäßig zu erledigende Handlungen können noch gut durchgeführt werden, während bei komplizierteren oder monotonen Verkehrsanforderungen eher mit Ausfällen zu rechnen ist.
Tatort, Kriminologie, Suizidologie V-87 FORENSIK: WARUM ICH IMMER ZUM LEICHENFUNDORT GEHE Benecke M International Forensic Research & Consulting, Postfach 250411, 50520 Köln;
[email protected] Das aus dem angloamerikanischen System bekannte Fachgebiet der „Forensik“ als direkte und enge Verknüpfung von naturwissenschaftlicher Spurenkunde, Kriminaltechnik und Rechtsmedizin ist im deutschsprachigen (vor allem in deutschen) Raum noch ausbaufähig. Besonders bei der Fall-Gesamtschau, etwa bei Tatort-Rekonstruktionen von Handlungs-Abläufen, erbringt die Verknüpfung der verschiedenen Denk- und Arbeits-Methoden aber oft erheblichen Zusatz-Nutzen. Drei Fall-Beispiele aus den Jahren 2001 und 2002 sollen das belegen. Fall 1: Vor Gericht wurden folgende Fragen wichtig: (a) Welche von zwei nun toten Personen (Frau, Kind) hat der weitgehend geständige Täter zuerst getötet? (b) Hatte der Täter die (misslungene) Absicht, eine dritte, überlebende Person (zweites Kind) in einem anderen Stockwerk zu töten? – Klärung durch Kombination aus rechtsmedizinischem Befund, DNA-Typisierung, Blutspurenbild-Auswertung, insektenkundlicher Untersuchung. Fall 2: Ein Mann behauptete, seine Frau habe sich erstochen. Es sollte anhand von Tatort-Spuren geprüft werden, ob der Mann als Täter in Frage kam. Probleme: „Closed room scenario“ ohne Zeugen, massive Einwirkung auf Fundort/sterbende Person durch RTW/NEF-Besatzung. Ein am Tatort befindlicher Spiegel half, das ansonsten unverstehbare Blutspurenbild zu erklären. Techniken: Kombinatorik, experimentelle Blutspurenbild-Auswertung, Tatort-Begehung, Tatort-Simulation mit Versuchspersonen, rechtsmedizinischer Befund. Fall 3: Der Bewegungs-Ablauf zweier handelnder Personen (Opfer, Täter) in einem geschlossenen Raum sollte geklärt werden. Probleme: Großflächige, scheinbar unstrukturierte Beblutungen des Raumes, rascher Abtransport der Leiche, schwere Spuren-Zerstörung am Boden durch Betreten des Fundortes. Rekonstruktion mittels verbleibendem Blutspuren-Bild, DNA-Typisierung und umfangreicher Digital-Bearbeitung von Fundort-Fotografien des ersten Angriffs. Die drei Fälle konnten durch von Beginn vernetzte, gemeinsame Arbeit umfangreich und „synergetisch“ bearbeitet werden. Die gestellten Fragen wären durch die isolierte Arbeit der Einzeldisziplinen nicht beantwortbar gewesen.
V-88 CHRYSOMYA ALBICEPS: EINE FÜR DEUTSCHLAND NEUE FLIEGENART UND IHRE FORENSISCHE RELEVANZ Amendt J1, Zehner R1, Krettek R2, Niess C1 1 Zentrum der Rechtsmedizin, Kennedyallee 104 – 60596 Frankfurt/Main 2 Gesamthochschule Kassel, FG Ökosystemforschung, Heinrich Plett Str. 40, 34132 Kassel Im Rahmen der insektenkundlichen Begutachtung diverser Leichenfunde am Zentrum der Rechtsmedizin konnte erstmals eine ursprünglich in Afrika und dem südlichen bzw. südöstlichen Europa verbreitete Schmeissfliegenart nachgewiesen werden. Ihre Biologie ist bemerkenswert, da sie sich nach anfänglicher Beschränkung auf das Leichengewebe bereits nach kurzer Zeit als aggressiver Räuber anderer Schmeissfliegenmaden auf der Leiche betätigt. Im November 2001 wurden auf dem ehemaligen Bundesgartenschau-Gelände in Frankfurt am Main in einem kleinen Baumbestand zwei teilskelettierte, männliche Leichen gefunden. Die Körper lagen jeweils in Schlafsäcken und waren mit T-Shirt und Unterhose bekleidet. Die Schädel wiesen Zertrümmerungen des Gesichts- bzw. Stirnbereichs auf, so dass von einem Tötungsdelikt auszugehen war. Sowohl an den Leichen als auch am Fundort konnten Larven und Puppen verschiedener Fliegenfamilien nachgewiesen werden. Ungewöhnlich war, dass sich trotz offensichtlich fortgeschrittener Verwesung nur wenige Schmeissfliegen der sonst an Leichen häufig auftretenden Gattungen Calliphora und Lucilia an der Leiche entwickelt hatten. Dominiert wurde die Frühbesiedlerfauna dagegen durch oben erwähnte C. albiceps, die durch leere Puparien im Erdreich und in den Schlafsäcken repräsentiert war. Des weiteren fanden sich Maden des letzten Larvenstadiums verschiedener spätbesiedelnder Fliegenfamilien. Diese hatten die Leichen offensichtlich zu einem Zeitpunkt besiedelt, der ihnen das Durchlaufen eines kompletten Entwicklungszyklus im Sommer bzw. Frühherbst nicht mehr gestattete. Der Vortrag diskutiert den möglichen Einfluss von C. albiceps auf das vorgestellte Besiedlungsmuster und erläutert die forensische Relevanz dieser ungewöhnlichen Fliegenart.
V-89 BEDEUTUNG VERSCHIEDENER UMGEBUNGSPARAMETER AUF DIE BESIEDLUNG VON WOHNUNGSLEICHEN DURCH INSEKTEN Schröder H, Klotzbach H, Püschel K Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die Einfluss auf die Besiedlung von menschlichen Leichnamen durch Insekten haben. Bisher sind nur wenige dieser Parameter systematisch auf Zusammenhänge mit der Art der besiedelnden Insekten untersucht worden. Zum Zwecke der Untersuchung dieser Zusammenhänge wurden anhand von etwa 100 Fällen von „Wohnungsleichen“ in den Auffindungs-Örtlichkeiten die folgenden Parameter aufgenommen: Temperatur, Beleuchtung (ein- oder ausgeschaltet) und sonstige Lichtquellen (z. B. Fernseher), Heizung (ein- oder ausgeschaltet), Fenster (geöffnet oder geschlossen) Unterlage des Leichnams (mit Hinweis auf das jeweilige Zimmer), Raumzustand (von aufgeräumt bis „verdreckt“), Exposition des Leichnams, Bekleidung und Bedeckungszustand des Leichnams.Außerdem wurde der Zustand der Leichen (Fäulnis- bzw. Mumifizierungsgrad) notiert und von allen Leichen die besiedelnden Insekten abgesammelt, zu adulten Tieren gezüchtet und (soweit durchführbar) zur Art determiniert. Mit Hilfe von Statistikprogrammen wird nach Relationen zwischen den verschiedenen Parametern und der Artenzahl bzw. der Art der besiedelnden Insekten gesucht. Erste Ergebnisse zeigen eine Abhängigkeit der Artenzahl vom Bekleidungszustand der Leiche und von der Zugänglichkeit der Wohnungen durch geöffnete Fenster. Unterschiede in der Artzusammensetzung sind abhängig vom Zustand der LeiRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts che und der Wohnung. Lebensmittelreste haben auf einige Arten eine zusätzliche anlockende Wirkung, während für andere Arten diese völlig unattraktiv sind und nur der Leichenzustand von Bedeutung ist. Im Vortrag werden die verschiedenen Faktoren in ihrer Wirkung auf unterschiedliche Insektenarten vorgestellt und eine mögliche Relevanz der Nutzung der forensischen Entomologie für kriminalistische Untersuchungen dargestellt.
V-90 EINZEITIGE MEHRFACHTÖTUNGSDELIKTE Madea B, Passinger C, Schmidt P Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Rechtsmedizinisch erhobene Befunde und ihre sachkundige Interpretation sind bei Gewaltdelikten unverzichtbare Grundlage sowohl eines Täterprofilings als auch einer operativen Fallanalyse. Das Konzept des Täterprofilings wurde vor allem an seriellen Tötungsdelikten erarbeitet, die in Deutschland im Vergleich zu den USA eher selten zu sein scheinen. Daher wurde am Beispiel einzeitiger multipler Tötungsdelikte der Frage einer Perseveranz bzw. Gleichförmigkeit der Tathandlungen nachgegangen. Daneben sollen im folgenden Beitrag anhand von 5 einzeitigen Mehrfachtötungsdelikten mit 16 Opfern weitere Charakteristika dieser Homizide herausgearbeitet werden (OpferTäterbeziehung, Motivation,Art der Tötung,Wechsel der Tötungsmethode). Fall 1: 4-faches Tötungsdelikt durch Erstechen, Zufallsopfer; der Täter war bereits Jahre zuvor wegen eines Tötungsdeliktes abgeurteilt worden.Völlig homogenes Befundmuster hinsichtlich der Verletzungsbefunde. Fall 2: 3-faches Tötungsdelikt an Eltern und Schwester; homogenes Befundmuster bei Eltern (scharfe und halbscharfe Gewalteinwirkung durch Beilhiebe), Schwester wurde erdrosselt; anschließende Leichenzerstückelung. Fall 3: Tötung von 5 Opfern im Gerichtssaal durch Erschießen und Auslösung einer Explosion; Zufallsopfer, Tat durch aktuelle Verurteilung ausgelöst; weitgehend homogenes Befundmuster. Fall 4: Beziehungstat; Tötung der Ehefrau durch Erschlagen und Ertränken des Säuglings, anschließend Einbetonieren der Leichen. Fall 5: 2-facher Raubmord, medikamentöse Betäubung der Opfer, anschließend Erdrosseln. Neben einer weitgehend gleichartigen Art der Tötung auch bei motivational und von der Persönlichkeit des Täters gegenüber Serientötungsdelikten ganz anders gelagerten einzeitigen Mehrfachtötungsdelikten (sterotype Tatbegehung vor allem in Fall 1 auch bei Berücksichtigung des bereits abgeurteilten Falles) zeigt sich ein Wechsel der Tötungshandlungen nur in Fall 1 und 4 gegenüber den körperlich völlig unterlegenen Opfern (Erdrosseln, Ertränken statt Erschlagen). Darstellung vor allem des Stellenwertes rechtsmedizinischer Befunde für die Rekonstruktion des Tatablaufs.
V-91 TÖTUNGSDELIKTE IN MECKLENBURG VORPOMMERN – EINE ANALYSE AUS RECHTSMEDIZINISCHER, KRIMINOLOGISCHER, JURISTISCHER UND PSYCHOLOGISCHER PERSPEKTIVE Bornewasser M, Philipp KP, von der Heide F, Reichel K Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Sozialpsychologie/ Arbeits- und Organisationspsychologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Inhalt des Vortrages sind die Ergebnisse einer Analyse von Tötungsdelikten aus dem Raum Mecklenburg-Vorpommern. Grundlage der Analyse bilden sämtliche Strafakten aus den Jahren 1997 bis 1999, die von einer interdisziplinären Forschungsgruppe bestehend aus Rechts-
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medizinern, Kriminalisten, Juristen und Psychologen anhand eines eigenen Auswertungsinstruments aufgearbeitet werden. Ziel der Untersuchung ist es, die Bearbeitung des Verfahrens auf einem Zeitstrahl detailliert zu erfassen, zu bewerten und daraus Schlussfolgerungen für Möglichkeiten zur Verbesserung der Verfahrensabläufe zu ziehen. Die Ergebnisse werden sowohl mit Vertretern der zuständigen Polizeibehörden, als auch mit der Staatsanwaltschaft erörtert, um daraus Ansatzpunkte für praxisnahe Verbesserungsmöglichkeiten zu gewinnen. Besondere Beachtung finden dabei aus rechtsmedizinischer Sicht Aspekte der Beweisaufnahme, Befunddokumentation und Schuldfähigkeitsbeurteilung. Hierbei geht es besonders um die Zusammenarbeit von Polizei und Rechtsmedizin sowie um die Frage der Würdigung objektiven Beweismaterials im Strafverfahren.Aus juristischer Perspektive wird untersucht, wie und nach welchen Kriterien Veränderungen der Qualifizierung der Straftat vom PKS-Eintrag bis zum Gerichtsurteil erfolgen.Aus dem Blickwinkel von Kriminologie und Psychologie stehen vor allem Aspekte der Täter-Opfer-Beziehung, der Dynamik der Tat, der Eskalation des Konfliktes sowie die Bedeutung von Alkohol und gruppendynamischen Vorgängen für die Tatbegehung im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Ergebnisdarstellung wird sich allein auf Akten der StA Rostock beziehen.
V-92 KINDER ALS OPFER VON VOLLENDETEN TÖTUNGSDELIKTEN MIT SEXUELLEM HINTERGRUND: FORENSISCH-MEDIZINISCHE UND FALLANALYTISCHE ASPEKTE Schröer J, Sperhake J, Püschel K Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg Bei Tötungsdelikten mit sexuellem Bezug sind die kindlichen Opfer als Sondergruppe herauszugreifen. In einer Hamburger Studie wurden 129 Tötungsdelikte für die Jahre 1974–1998 festgestellt, darunter waren 13 (10%) kindliche Opfer (Alter bis 14 Jahre). Hinsichtlich Geschlechterverteilung, Verletzungsmustern, Tätermotivation etc. waren zahlreiche Unterschiede gegenüber dem Gesamtkollektiv festzustellen. Während die Gesamtopfergruppe ganz überwiegend weiblich war (85%), waren es bei den kindlichen Opfern nur noch 54 %. In nahezu allen Fällen war die Todesursache Erdrosseln, gelegentlich in Kombination mit Erwürgen. In der Regel fand sich ein gegenüber dem Gesamtkollektiv niedrigeres Gewaltniveau. Bemerkenswert im Hinblick auf die Tätermotivation war eine verhältnismäßig große Gruppe sexuell unerfahrener jugendlicher Täter. Pädophile Motive wurden deutlich seltener festgestellt. Bezogen auf den Gesamtzeitraum zeigten sich rückläufige Fallzahlen, dies wird durch die bundesdeutschen Fallzahlen, bei denen seit den 50er Jahren ein ständiger Rückgang zu verzeichnen ist, bestätigt. Anhand von Fallbeispielen werden forensichmedizinische und fallanalytisch relevante Aspekte aufgezeigt.
V-93 BRANDASSOZIIERTE TÖTUNGSDELIKTE Anders S1, Ringleben E1, Bauer R2, Püschel K1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg 2 Landeskriminalamt Hamburg, Abteilung 41 Im Falle von Tötungsdelikten in Verbindung mit Brandlegung sind aus rechtsmedizinischer Sicht u.a. sogenannter „Mordbrand“ sowie Brandlegungen zur Verdeckung von andersartigen Tötungsdelikten zu unterscheiden. Wir berichten über 37 brandassoziierte Tötungsdelikte, die sich in einem 21-Jahres-Zeitraum (1981–2001) im Hamburger Raum ereignet haben. In 17 Fällen verstarben die Opfer an den Folgen einer Brandeinwirkung, wobei in 4 dieser Fälle eine reine CO-Intoxikation vorlag. In 15 Fällen wurde der Brand zum Zwecke der Verdeckung eines bereits vollendeten Tötungsdeliktes gelegt, in einem Fall fand sich eine Kombination. 4 Personen fielen absichtlich herbeigeführten Explosionen zum Opfer. Die festgestellten CO-Hb-Werte wer-
den unter Berücksichtigung des bekannten Sachverhaltes sowie der Sektionsergebnisse hinsichtlich ihres Aussagewertes dargestellt. Ferner werden die Täter-Opfer-Beziehungen in den Fällen mit bekannten Tatverdächtigen dargestellt sowie rechtsmedizinisch interessante Fälle kurz kasuistisch dargestellt.
V-94 SUIZIDALE SELBSTVERBRENNUNG IM VERGLEICH ZWEIER KULTURKREISE Mahfoud B, Almohammad B, Heinemann A, Püschel K Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg, Butenfeld 34, 22529 Hamburg Suizidalität ist eine bedeutsame gesundheitspolitische Größe. 1999 starben in Deutschland 11.157 Menschen durch Suizid. Wir haben anhand polizeilich registrierter Fälle von Selbstverbrennung sowie aus rechtsmedizinischer Dokumentation des Hamburger Institutes dieses für politisch demonstrative Akte bekannte Phänomen im deutschen Kulturraum analysiert und ziehen einen Vergleich zur Charakteristik dieser Suizidform in islamischen Ländern. Es wurden im Zeitraum von 1991 bis 2000 23 Fälle dokumentiert, davon 46% Frauen und 54% Männer (Durchschnittalter 40,5 Jahre, Altersspanne 16 bis 87 Jahre). Die meisten wiesen Verbrennungen Grad III und IV mit über 80 % der Körperoberfläche auf. Als Brandbeschleuniger diente Vergaserkraftstoff, in den meisten Fällen Benzingemisch, in einem Fall Strohrum (80 Vol%). Die Blutalkoholkonzentration schwankte zwischen 0,0 und 2,99 ‰. Die Fundorte befanden sich häufiger in der eigenen Wohnung oder in unmittelbarer Nähe (z. B. Kellerabgang) als auf Freiflächen. Ein Patient verbrannte sich nahe eines Krankenhausgeländes. Über drei Viertel der Opfer verstarben unmittelbar am Ereignisort. Ein 16 jähriger, der auf einer Freifläche mit einer Gesichtsverbrennung (10% Körperoberfläche) aufgefunden wurde, starb 8 Tage nach Krankenhauseinlieferung an einer Pneumonie. In den meisten Fällen lag eine psychiatrische Anamnese, teils mit vorausgehendem Suizidversuch oder Alkoholismus vor. Als Motive stellten sich Liebes-, Partner-, Familienkonflikte, Trennung, Scheidung oder Tod in einer Partnerbeziehung dar, politisch– demonstrative Motive fehlten. Im Vergleich fanden wir in Damaskus im Zeitraum 1996–2000 drei Fälle von Selbstverbrennung (ca. 1% aller registrierten Suizide). Es handelte sich um Frauen unter 30 Jahre, als Motive waren Zwangheirat oder Liebesprobleme bekannt. Es gibt viele Suizidversuche vor allem in syrischen Dörfern und in den ärmer besiedelten Stadtteilen, aber diese bleiben unregistriert. In Absprache mit dem medizinischen Behandlungsteam werden diese Versuche von der Familie als Brandunfall dargestellt, um im religiösen und strafrechtlichen Kontext die Strafe für den Suizidenten sowie für sein evtl. mitverantwortlich gemachtes Umfeld zu vermeiden.
V-95 DER AUSSERGEWÖHNLICHE FALL EINES MISSGLÜCKTEN ERWEITERTEN SUIZIDS AUS MITLEID Albrecht K, Fieguth A, Günther D, Schroeder G Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Berichtet wird über den Fall eines missglückten erweiterten Suizids eines 78-jährigen Mannes und seiner 74 Jahre alt gewordenen Ehefrau. Wegen eines jahrelang bestehenden gynäkologisch metastasierten Tumorleidens war die Frau seit geraumer Zeit bettlägerig und pflegebedürftig. Die Pflege wurde durch den noch rüstigen Ehemann allein zu Hause durchgeführt.Aufgrund des zunehmend körperlichen und geistigen Verfalls der Frau entschloss sich der Ehemann, dem Leiden seiner Lebenspartnerin, allerdings ohne ausdrücklichen Wunsch der Frau, ein Ende zu setzen, indem er die abisolierten Enden einer elektrischen 220 V Zuleitung eines auseinandergebauten Bügeleisens, so
lange an beide Schläfen der Frau hielt, bis eine Regungslosigkeit des Körpers eintrat. Danach wollte sich der Ehemann auf ähnliche Weise suizidieren, indem er die beiden elektrischen Leitungsenden jeweils in seine Hände legte. Dieses aber misslang, da ein Schutzschalter des Hausstromkreises die Stromzufuhr unterbrach. Kurz danach versuchte sich der Mann nun mittels einer präparierten sogenannten „Schussfalle gegen Wühlmäuse“, welche er sich in den Mund einführte, zu töten. Aufgrund der unzulänglichen Wirkung dieses Gerätes überlebte der Mann schwerverletzt. Bei der Obduktion fanden sich an beiden Schläfenregionen der Frau strommarkenartige Hautvertrocknungen sowie eine deutliche Hirnvolumenzunahme bei einem Organgewicht von 1540 g. Todesursächlich wurde unter Einbeziehung der Zusatzuntersuchungsergebnisse von einer zentralen Lähmung basierend auf einem cerebralen Krampf mit deutlichem Hirnoedem als Folge einer externen Stromeinwirkung ausgegangen. Bei der körperlichen Untersuchung des Mannes zeigte sich neben Schmauchantragungen auf der Zunge, auf den koronargeschichteten CCT-Aufnahmen ein kleines Metallstück, welches in den Halsweichteilen kurz vor dem Clivus steckte. Anhand dieser Kasuistik soll zum einen der Stromtod der Ehefrau, ausgelöst durch einen Stromdurchfluss durch den Kopf ohne unmittelbare Herzbeteiligung, als auch der Suizidversuch des Ehemannes mittels eines ungewöhnlichen Tiertötungsapparates diskutiert werden.
V-96 SOZIALE RANDGRUPPEN IM FOKUS DER RECHTSMEDIZIN: MORBIDITÄT UND MORTALITÄT IM WOHNUNGSLOSENMILIEU IN KÖLN Graß H1, Kimont HG2, Reitz E1, Staak M1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln 2 Gesundheitsamt der Stadt Köln Der Gesundheitszustand wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Insbesondere für Noxen wie Alkohol und andere Drogen ist dies in der Rechtsmedizin ein relevantes Thema. Auch äußere Umstände wie Armut und Wohnungslosigkeit machen krank. Daher ist neben der Gruppe der Drogenkonsumenten auch der Personenkreis von Wohnungslosen bezüglich der Aspekte Gesundheit, Krankheit und Sterben forensisch und gesellschaftlich relevant. In Kooperation mit dem wesentlichen Träger der Gesundheitsfürsorge für soziale Randgruppen haben wir diese spezielle Klientel im Hinblick auf Gesundheitsstörungen, Todesumstände und Todesursachen untersucht. Aus den Jahren 1989 bis 2000 lagen zu 331 Sterbefällen Angaben vor, die eine Zuordnung in die Gruppe der Wohnungslosen (gemäß Definition der BAG) ergab. Im Mittel verstarben pro Jahr 28 Wohnungslose. Erwartungsgemäß waren mehr Männer (88%) betroffen. 41% waren zusätzlich drogenabhängig. Hinweise auf einen missbräuchlichen Alkoholkonsum fanden sich für 40% in der Anamnese, aber in 94% der Blutproben wurde Alkohol nachgewiesen. Der Altersgipfel lag für Frauen bei 20 – 30 Jahren, für Männer bei 30 – 40 Jahren. 50% hatten zu Lebzeiten Kontakt mit dem medizinischen Dienst des Gesundheitsamtes. In der Gruppe der Drogenkonsumenten ohne Wohnungslosigkeit hatten nur 20% einen entsprechenden Kontakt. Eine Übersterblichkeit für die Wintermonate wurde nicht festgestellt, auch wenn 28% der Toten unter freiem Himmel aufgefunden wurden. Vor dem Hintergrund einer geringen Sektionsquote von 33% war bei der Bewertung der Todesursache Zurückhaltung geboten. Soweit Bewertungskriterien vorlagen, fand sich für ca. 1/3 der Fälle eine Intoxikation (mit Drogen), für über 1/3 der Fälle konnte aber keine eindeutige Todesursache festgelegt werden. Die sterbefallbezogenen Erkenntnisse werden vor dem Hintergrund der Datenlage aus der Population der lebenden Personen und anderer Untersuchungen zum Thema der Wohnungslosigkeit reflektiert. Die Auswertung wurde durch Köln Fortune (Projekt Nr 172/98 und 75/99) unterstützt. Rechtsmedizin 4•2002
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SCHLAFEN SIE GUT? – VERLETZUNGSBILD UND PSYCHODYNAMIK EINES ELTERNMORDES Denk W1, Friedrich M2 1 Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien, Sensengasse 2, A-1090 Wien 2 Univ. Klinik f. Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien
DER MORD IM WALD Schillaci DR, Morini O Cattedra di Medicina Legale, Università degli Studi di Milano – Bicocca; Monza (Mailand); Italien
Im März 2001 wurde ein Lehrerehepaar mit multiplen Stich- und Hiebwunden tot im Schlafzimmer aufgefunden. Der 21jährige Sohn, Student der pädagogischen Akademie gestand, das Tötungsdelikt begangen zu haben, nachdem bereits zwei Mordversuche gescheitert waren. Zunächst sollte ein Killer aus dem Osten gedungen werden, wofür an einen Mittelsmann eine Anzahlung geleistet worden war. Der nächste Versuch wurde durch Beimischen eines, in einer Diskothek als Gift gekauften Pulvers zu einem alkoholischen Getränk unternommen. Das Elternpaar und der Sohn, der ebenfalls etwas von der Flüssigkeit getrunken hatte, mussten wegen Übelkeit ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, blieben ansonsten aber unbeschadet. Die Eltern schöpften nunmehr bereits Verdacht auf eine Vergiftung durch den Sohn, drohten mit Enterbung. In der folgenden Nacht drangen der Sohn und ein Freund mit einem Hammer und einem Messer bewaffnet in das Elternschlafzimmer ein und töteten das Ehepaar.Anschließend versuchten sie, einen Raub vorzutäuschen. Die Leichen wiesen eine Vielzahl von Hieb- und Stichwunden auf, wobei eine Häufung der Stichwunden im Gesichts- und Augenbereich bei beiden Leichen auffiel. Bei den Vernehmungen beschreibt der Haupttäter zunächst ein gutes Einvernehmen mit den Eltern, nennt die Strenge des Vaters, finanzielle Beschränkungen bei an sich überdurchschnittlichen, finanziellen Möglichkeiten und die wiederholte Ablehnung seiner Freundinnen durch die Eltern als Motive für die Tat. Im Rahmen der psychiatrischen Untersuchung kann neben einer neurotischen Persönlichkeitsentwicklungsstörung bei einem lebensunsicheren, gedemütigten und ängstlichen Charakter auch der negative, die Gewissensbildung herabsetzende Einfluss des Freundeskreises herausgekehrt werden. Während der Wochen vor der Tat ist eine Persönlichkeitsentwicklung zu erkennen, die der Ringel’schen Trias des präsuizidalen Syndroms adäquat erscheint. Das Verletzungsbild und die Entwicklung zur entschlossenen Tat werden dargestellt und diskutiert.
Am einen warmen Juli Morgen (2.7.00 – 9.30 Uhr) wurde eine Leiche (männlichen Geschlecht, kaukasischer Rasse; Scheinalter 30/35 Jahren) an der Grenze eines Waldes außerhalb einer Kleinstadt (Cavenago Brianza) in der Nähe von Monza (Mailand) von einem Spaziergänger aufgefunden. Auffällig in der Leichenschau (um 12.30 Uhr) eine ausgedehnte Verkohlung der unteren Glieder bis zur quere Nabellinie und des rechten Arm, an der Brust und Haupt oberflächige Brandschwärzung und Verhärtung der Haut. Am Haupt stellten sich mehrere Verletzungen mit unregelmäßigen Rändern hervor, an den Armen und an der Brust waren mehrere breite Hämatomen zu bemerken, das Gesicht war geschwollen und zyanotisch; auf der Wangenhaut, insbesonders auf der linken Seite, waren gelbliche Firnissreste zu beobachten. Eine Metallkette mit Hängeschloß fesselte die Füße und ein Draht eingehüllt in schwarzer Plastik fesselte den Hals mit einem festen Knoten auf der linken Halsseite. Die Leiche war auf den Rücken gelegt und braune Kartonteile (Reste von Zigarettenkartons) lagen zwischen Beine und Erde und einige davon zeigten Brandzeichen, einen ungefähr 10x15cm großen Plastikrest von einem schwarzen Plastik-Müllsackteil lag unter dem Kopf und grauweiße akrylische Textilreste lagen um den Füßen und auf einem Busch nebenan. Die Haare, teilweise mit unregelmässigen Hitzschaden, verbargten eine kleine Masse gelblicher Eier mit rumherumfliegende Smaragdfliegen. Neben der Leiche lag ein gelblicher Schlauch (ungefähr 60cm lang) mit geschmolzenen Enden. Die Obduktion ließ verschiedenen Arten von Verletzungen hervorheben, ausführlich fanden wir an der vorderen Halsregion Zeichen eines vitalen Druck; am Schädel, Gesicht, Schulter und Brust waren traumatische, vitale Verletzungen zu beobachten und Brandbefunde von verschiedener Intensität, insbesonders Verkohlung der Füsse, interessierten die unteren Glieder und den Rücken und Ruß wurde bis zu den kleinen Unterteilungen der Atemwege makroscopisch gefunden. Das Gutachten hatte folgende Punkte aufzuklären: Todesursache, Zeitpunkt des Todes und Rekonstruktion der Tat mit Hinsicht auf vitale oder non vitalen Verletzungen.
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TÖDLICHER MUTTER-SOHN KONFLIKT Friedrich E Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien
LEBEN MIT TOTEN Klotzbach H, Püschel K Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg
Der Konflikt endete makaber. Der abgetrennte Kopf einer Boutiquenbesitzerin war im März 1993 in der Auslage ihres Geschäftes zu besichtigen. M.T. hatte seine Mutter mit einem Jagdmesser durch mehrere Stiche getötet und nach Art eines erlegten Wildes „aufgebrochen“. Danach hatte er den Kopf mit dem Messer und einem Gewürzhacker abgetrennt und in einem Plastiksack in die Boutique seiner Mutter getragen. Bei M.T. wurde vom psychiatrischen Sachverständigen eine schizophrene Psychose festgestellt, im Zuge derer, die Tötung der Mutter in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand erfolgt sein soll. M.T wurde daher in den Maßnahmenvollzug gemäß § 21/1 StGB eingewiesen. Nach seiner bedingten Entlassung aus der Anstaltsunterbringung im Juni 1999 wurde M. T. im November 2000 wieder straffällig. Bei der neuerlichen psychiatrischen Untersuchung und Begutachtung wurden die Tathandlungen im Rahmen der Tötung der Mutter von M.T. interpretiert.
Das Phänomen des Zusammenlebens mit Toten beinhaltet kriminalistische, rechtsmedizinische, psychiatrische, sozialmedizinische sowie versicherungsrechtliche Aspekte. Auch in Romanen sowie in der darstellenden Kunst erfährt dieses Thema Beachtung. Über einen 7-Jahres-Zeitraum der Jahre 1995 – 2001 wurden anhand unseres Obduktionsgutes (n = 8562) insgesamt 24 Fälle festgestellt, in denen sich Personen zusammen mit einer menschlichen Leiche über einen längeren Zeitraum (2 Tage bis 1 3⁄4 Jahre) im häuslichen Umfeld aufgehalten hatten. Die Mehrzahl der Betroffenen (n = 12) stellten Personen mit Wahrnehmungsstörungen dar, hierunter fanden sich ältere, verwirrte Menschen, Personen mit niedrigem Intelligenzquotienten sowie Individuen in fortgeschrittenem Stadium von Suchtmittelerkankungen. In 4 Fällen wurden Kleinkinder mit dem Leichnam ihrer Mutter, bzw. ihrer Eltern, in der Wohnung angetroffen. Eine Straftat sollte in 3 Fällen verdeckt werden, hierunter 2 Tötungsdelikte sowie ein Fall von Verbergen einer Drogentoten. 4 weitere Fälle beinhalteten das Phänomen des „nicht-Abschied-nehmen-könnens“. Ferner wurde ein Fall von Bereicherungsabsicht festgestellt.
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Die Komplexität dieses Phänomens sowie die Relevanz einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit von Kriminalisten,Angehörigen sozialer Berufe sowie von Medizinern unterschiedlicher Fachgebiete wird anhand ausgewählter Fallbeispiele dargestellt.
Identifikation, Altersschätzung V-101 DIE ALTERBESTIMMUNG AM ZAHNZEMENT – ERGEBNISSE DER VALIDIERUNGSSTUDIE Wittwer-Backofen U1,2, Gampe J1, Vaupel JW1 1 Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock 2 Institut für Humangenetik und Anthropologie der Universität Freiburg Biologische Altersmarker unterliegen der individuellen Variabilität und Umweltmodifikation und sind daher nur mit hohen Fehlerspannen für eine Altersbestimmung einsetzbar. Deutliche Verbesserungen verspricht die TCA-Methode (Tooth Cementum Annulations), der die Untersuchung der jährlichen Zuwachsringe im Zahnzement zugrunde liegt. Sie liefert eine quasi-chronologische Altersbestimmung durch die Summe von Eruptionsalter des zugrunde liegende Zahnes und seiner ausgebildeten Zementringe. Bisher lagen allerdings noch keine Daten zur Bestimmungssicherheit vor.An 433 altersbekannten Zähnen wurde eine Blindstudie durchgeführt, die zum Ziel hatte, Konfidenzintervalle für alle Altersgruppen zu entwickeln. Weiterhin wurde der Einfluss des Zahntypus, des Geschlechts sowie parodontaler Erkrankungen auf die Aussagesicherheit der TCA-Bestimmung getestet. Es zeigt sich, dass die quantitative Anlagerung von Zahnzement unabhängig von allen diesen Faktoren geschieht. Legt man ein 95%-Konfidenzband zugrunde, ist eine Altersbestimmung mit einer Präzision von +/-2,5 Jahren möglich. Die Einhaltung diese Standards erfordert allerdings einerseits eine hochwertige technische Ausrüstung zur Präparation und Dokumentation der Zementringe sowie ein intensives Beobachtertraining. Lediglich wenige Ausreißer (2,2 %) bleiben weiterhin erklärungsbedürftig, können aber mit Hilfe der Lamendin-Methode und anderer Altersmarker eliminiert werden. Über die reine quantitative Auswertung der Zementlinien zur Altersbestimmung hinaus kann deren qualitative Ausbildung als Indikator für durchlebte physiologische Stressphasen angesehen werden, die im Lebenslauf zeitlich zugeordnet werden können. Das Projekt wurde vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung durchgeführt.
V-102 BIOCHEMISCHE LEBENSALTERSSCHÄTZUNG AN DEN LIGAMENTA FLAVA Ritz-Timme S, Laumeier I, Rochholz G Institut für Rechtsmedizin im Uniklinikum Kiel Bei der Identifizierung unbekannter Leichen ist die Qualität der Lebensaltersschätzung von großer Bedeutung. Insbesondere wenn auf internationaler Ebene in Vermisstendateien recherchiert werden soll, wird eine möglichst weitgehende Einengung des infrage kommenden Altersintervalls gefordert. Dann ist eine möglichst präzise Altersdiagnostik notwendig, oft auch unter Einsatz aufwendiger Laborverfahren. Im Erwachsenenalter stützen sich die derzeit genauesten Verfahren auf die Untersuchung von Zähnen, die aber nicht immer zur Verfügung stehen. Deshalb wurde geprüft, ob der Razemisierungsgrad von Asparaginsäure (AAR) in Ligamenta flava zur biochemischen Altersschätzung genutzt werden kann. Die Arbeitshypothese einer Eignung der Ligamenta flava zur Altersschätzung stützte sich auf deren besondere biochemische Struktur; sie bestehen zu ca. 80% aus Elastin, einem permanenten Strukturprotein.
Ligamenta flava von Individuen bekannten Alters wurden präpariert. Die Qualität der Präparation sowie der Zustand der Bänder wurden histologisch kontrolliert. Nach definierten Waschschritten und Entnahme von Gesamtgewebsproben wurde Elastin weiter aufgereinigt. Die Qualität der Aufreinigung wurde histologisch und über die Aminosäurenkomposition kontrolliert. AAR wurde in den Gesamtgewebsproben und den Elastinpräparationen bestimmt. Der Zusammenhang zwischen AAR und Lebensalter wurde jeweils geprüft. Der Einfluss von Fäulnis wurde durch Lagerungsversuche untersucht. Der Zusammenhang zwischen AAR und Lebensalter erwies sich sowohl in den Gesamtgewebsproben als auch in den Elastinpräparationen als eng. Die AAR Werte änderten sich unter dem Einfluss von Fäulnis nicht relevant. Mögliche Einflüsse degenerativer Veränderungen können durch histologische Kontrolle der Gewebsproben und eine Elastinpräparation erfasst werden. Grundsätzlich sind biochemische Lebensaltersschätzungen an Ligamenta flava mit einer ähnlich hohen Genauigkeit wie an Dentin möglich. Damit steht eine wertvolle Ergänzung der diagnostischen Möglichkeiten zur Altersschätzung an der Leiche zur Verfügung.
V-103 RADIOLOGISCHE UND MORPHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN DER KLAVIKULA ZUR ALTERSUND GESCHLECHTSBESTIMMUNG Falk J1, Zähringer M2, Koebke J3, Coburger S4, Riepert T1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln 2 Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik 3 Zentrum Anatomie 4 Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie Die Alters- und Geschlechtsbestimmung an menschlichen Einzelknochen ist zur Identifizierung unbekannter Toter und zur Einschätzung historischer Skelettfunde von Bedeutung und erfolgt in der Regel über morphologische Untersuchungen. Bei der Beurteilung des Alters lebender Personen sind Röntgenaufnahmen des Sterno-Klavikulargelenkes in den Mittelpunkt des Interesses gerückt (K.-F.Kreitner et al., European Radiology 8, 1116–1122, 1998). Unsere Untersuchungen galten der Frage, ob und inwieweit die Klavikula einen Beitrag dazu leisten kann. An 72 mazerierten Klavikula-Paaren und einer Kontrollstichprobe wurden 7 anthropometrische Parameter erhoben und die Epiphysensowie die Arthrosestadien radiologisch bestimmt.Aus den vorläufigen Ergebnissen ergeben sich Hinweise darauf, dass die Klavikula sowohl zur Bestimmung des Alters als auch des Geschlechtes geeignet ist.
V-104 DIFFERENZIERUNG VON PERSONEN MITTELS COMPUTERGESTÜTZTER BILDANALYSE Bellmann D1, Buhmann D1, Georg T2, Wilske J1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes, Gebäude 42, 66421 Homburg/Saar 2 Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Medizinische Informatik der Universität des Saarlandes, Gebäude 86, 66421 Homburg/Saar Zunehmend werden rechtsmedizinische Institute um Bildvergleiche zur Identitätsfeststellung zwischen vermuteten Personen und Vergleichsbildern gebeten. Es sollte nun überprüft werden, mit welcher Vorgehensweise eine Differenzierung von 36 zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten männlichen Personen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren unter Verwendung bildanalytischer Methoden möglich ist. Die Probanden wurden in standardisierter Kopfhaltung aus der frontalen Perspektive fotografiert und die Bilder in ein bildverarbeitendes Programm mit integriertem Koordinatensystem eingelesen. In den Gesichtern wurden ausgewählte Punkte markiert und einer davon als Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts Nullpunkt definiert. Damit konnten die x- und y-Koordinaten aller übrigen Punkte ermittelt werden. Sodann wurden die Gesichter anhand einer vorher definierten Strecke in ihrer Größe angeglichen. Die Position der jeweils zugehörigen Punkte wurde auf der x- bzw. y-Koordinate für alle Probanden ermittelt und für deren Abweichungen unter Verwendung verschiedener biometrischer Methoden eine Häufigkeitsverteilung erstellt. Durch eine Perzentilendarstellung ergab sich, dass die methodenbedingte Fehlerquote durch die jeweilige Kopfhaltung bei der Aufnahme sowie bei Festlegung der Markierungspunkte unter dem 1. Perzentil der Unterschiede lagen, die durch morphologische Unterschiede verursacht wurden. Nach den ermittelten Ergebnissen handelt es sich eine objektivierbare Methode für eine Identitätsbeurteilung. Gleichzeitig wird aufgezeigt, welche Maße wesentlich zur Diskriminierung beitragen können und welche nur eine untergeordnete Bedeutung besitzen.
V-105 EIN BEITRAG ZUR PROBLEMATIK VON KNOCHENFUNDEN MIT SPUREN VON GEWALTEINWIRKUNG Verhoff MA1, Kreutz K2 1 Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Gießen 2 Anthropologisches Institut der Universität Gießen Bei Zufallsfunden menschlicher Skelettteile sind Straftaten nicht auszuschließen. Finden sich bei der forensisch-osteologischen Untersuchung Hinweise auf eine äußere Gewalteinwirkung wie zum Beispiel Schnittränder, ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine intravitale bzw. perimortale Entstehung vorliegen. Die wichtigsten Kriterien dafür sind Färbung und Oberflächenbeschaffenheit der verdächtigen Absetzungsränder. Zur Untersuchung gelangte das Fragment einer Kalotte, welches im Rahmen von archäologischen Ausgrabungen aus etwa 1,5 – 2 m Tiefe zu Tage gefördert worden sei. Der Knochen war relativ schwer bei gut erhaltenen Oberflächen. Die Begrenzungsränder der Kalotte waren weitgehend glatt gestaltet mit insgesamt drei Zacken und einer Stufe im Verlauf, sowie Bruchflächen und Bruchspalten. Die glatten Knochenbegrenzungen und die Bruchflächen besaßen eine einheitliche Färbung. Unter der Stereolupe waren keine Spuren von reaktiven Knochenumbauten (bone remodeling) zu erkennen. Nach den Untersuchungsbefunden wurden zunächst einerseits eine Schwert- bzw. Hiebverletzung und anderseits ein Eröffnen des Schädels mittels einer oszillierenden Säge im Rahmen einer Obduktion in Betracht gezogen. Nachfragen bei dem Finder ergaben, dass dieser das Schädelfragment bereits vor 27 Jahren zusammen mit anderem Material an der Oberfläche eines neu erschlossenen und gerade gepflügten Ackers gefunden, eingesammelt und seitdem zusammen mit anderem, auch metallhaltigem, Fundmaterial in einer Plastiktüte in der Garage verwahrt hatte. In der Literatur existieren viele Fälle unterschiedlichster Genese, bei denen grundlegende, allgemeingültige Charakteristika für ante-, perioder postmortale Spuren von Gewalteinwirkung festgelegt und/oder angewandt worden sind. Diese Charakteristika sind aufgrund der Vielfältigkeit der Erscheinungsformen noch nicht genügend standardisiert oder standardisierbar. Der vorliegende Fall verdeutlicht, welcher Stellenwert bei der forensisch-osteologischen Beurteilung den Fundumständen und der Vorgeschichte zukommt, nicht nur bezüglich der Liegezeit, sondern auch hinsichtlich der Einordnung von Spuren der Gewalt als ante-, perioder postmortalen Ursprungs.
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Rechtsfragen, Begutachtung V-106 „EXIT DEUTSCHE SCHWEIZ“: 748 ASSISTIERTE SUIZIDE ZWISCHEN 1990 UND 2000 Bosshard G, Ulrich E, Bär W Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, 8057 Zürich In der Schweiz leisten Sterbehilfeorganisationen „unheilbar schwerstkranken“ oder „unzumutbar behinderten“ Mitgliedern auf legale Weise Suizidbeihilfe. Die Sterbewilligen werden bei Vorbereitung und Durchführung des Suizids mit Einnahme einer ärztlich verschriebenen, letalen Barbituratdosis von mehrheitlich nicht medizinisch geschulten Mitarbeitern der Organisation begleitet. Unsere retrospektive Analyse stützt sich auf sämtliche von der Sterbehilfeorganisation „Exit Deutsche Schweiz“ angelegten Akten der zwischen 1990 und 2000 assistierten Suizide. Die Fälle aus der Stadt Zürich konnten mit den Akten im Institut für Rechtsmedizin Zürich verglichen werden. Zwischen 1990 und 2000 assistierte „Exit Deutsche Schweiz“ bei 748 Suiziden, das sind 0.1 Prozent aller Sterbefälle oder 4.8 % aller Suizide der Schweizer Wohnbevölkerung. Innerhalb der Beobachtungsperiode verdreifachte sich die Anzahl der jährlichen Fälle. Mit einem Anteil von insgesamt 54.4 % war das weibliche Geschlecht bei den assistierten Suiziden sowohl verglichen mit sämtlichen Sterbefällen (p=0.03) als auch verglichen mit sämtlichen Suiziden (p<0.0001) in der Schweiz signifikant übervertreten. Von den 331 im Kanton Zürich in diesem Zeitraum durch assistierten Suizid Verstorbenen litten 47% an Malignomen, 12% an Erkrankungen des Herzens, der Kreislauf- oder Atmungsorgane, 12% an Erkrankungen des Nervensystems, 7% an HIV/AIDS und 21% an anderen Krankheiten. In der Beobachtungsperiode nahm der Frauenanteil unter diesen Fällen insgesamt von 35% auf 51% zu (p=0.08). Der Anteil der an einem Malignom erkrankten Personen nahm bei den Frauen von 61% auf 36% (p=0.08), bei den Männer von 58% auf 54% (p=0.86) ab. 1997 finden sich erstmals assistierte Suizide, bei welchen die tödliche Substanz vermittels Infusionen oder Sonden zugeführt wurde. Bei den 22 Suizidfällen mittels parenteral zugeführtem Natriumpentobarbital betrug die Dauer bis zum Todeseintritt median 16 Minuten (4–45 Minuten), bei der oralen NAP-Einnahme median 23 Minuten (7–1075 Minuten). Die 147 im Archiv von „Exit Deutsche Schweiz“ einsehbaren Fälle aus der Stadt Zürich waren alle der Polizei als aussergewöhnliche Todesfälle gemeldet und amtsärztlich abgeklärt worden.
V-107 DOKUMENTATION VON SCHÄDEN UND TODESFÄLLEN DURCH UNKONVENTIONELLE HEILMETHODEN BEI ÄRZTEN UND HEILPRAKTIKERN Hansen F Arzt und Journalist, Hamburg Die wachsende Beliebtheit der unkonventionellen Heilmethoden beruht zum größten Teil darauf, dass sie als vollkommen unschädlich gelten. Doch diese Annahme ist in aller Regel nicht haltbar. Schäden entstehen ebenso häufig durch Unterlassen einer wirksamen wissenschaftlichen Therapie wie durch fatale Nebenwirkungen der unkonventionellen Therapien selber. Schuld an dem Vorurteil über die Harmlosigkeit der sogenannten Naturheilverfahren trägt die ungenügende Aufklärung über schwerwiegende und nicht selten tödliche Nebenwirkungen dieser Heilmethoden. Es mangelt aber nicht nur an Aufklärung und Transparenz, sondern es fehlen vor allem grundlegende Daten und Standards, ohne die eine qualifizierte Information der Patienten schlicht nicht möglich ist. Was ist bekannt? Bislang gibt es hierzulande keine Stelle für die Dokumentation von fatalen Nebenwirkungen der anderen Medizin. Allenfalls für Phyto-
pharmaka werden solche Nebenwirkungen in den Datensammlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft bzw. der zuständigen Bundesbehörde BfArm neben denjenigen der chemisch definierten Medikamenten erfasst. Für alle anderen unkonventionellen Verfahren gibt es lediglich Fallbeschreibungen in der wissenschaftlichen Literatur. Was bleibt zu tun? Ein systematische Erforschung dieser Methoden in randomisierten, kontrollierten Studien liegt nur für wenige Verfahren wie einzelne Pharmaka,Akupunktur und einzelne homöopathische Therapien vor. Solche Studien sind sehr teuer und unterbleiben deswegen meist aus Kostengründen. Als möglicher Ausweg erscheint deswegen das hier anvisierte Vorhaben, die vorhandenen Daten systematisch aufzubereiten, um daraus eine Datenbank zu erstellen, die eine brauchbare Grundlage für die Patientenaufklärung abgeben könnte. Die dafür zur Verfügung stehenden Quellen werden aufgelistet. Zudem wird eine erste Übersicht über die Art und Häufung der Schadensfälle vorgestellt.
V-108 MÖGLICHER MISSBRAUCH DER DNA-TYPISIERUNG – RECHTLICHE ASPEKTE IN DEUTSCHLAND Gabriel P, Gabriel F, Barz J, Huckenbeck W Institut für Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Laut Neufassung des § 81 Strafprozessordnung muss die DNA-Typisierung im Strafverfahren richterlich angeordnet werden.Auch im zivilrechtlichen Bereich, z. B. bei Vaterschaftstests, ist eine richterliche Anordnung erforderlich, es sei denn, alle beteiligten Personen stimmen der Begutachtung zu. Bei öffentlichen Auftraggebern ist die Zulässigkeit einer DNA-Typisierung also eindeutig geregelt. Probleme können jedoch bei Privatgutachten auftreten, insbesondere, wenn die Zustimmung aller beteiligten Personen nicht gewährleistet ist. Der technische Fortschritt im Bereich der DNA macht eine fortwährende Anpassung der Gesetzgebung erforderlich. In den meisten Fällen ist heute ein Vaterschaftsnachweis oder -ausschluss ohne materne DNATypisierung möglich. In Deutschland versuchen inzwischen einige Laboratorien, auch über das Internet, neue Kunden zu gewinnen, indem sie die Typisierung kindlicher DNA anhand von Schnullern, Zahnbürsten oder Haaren anbieten. So ist es leicht möglich, ein Vaterschaftsgutachten ohne Wissen der Mutter zu erstellen. Inzwischen sind auch die Datenschutzbeauftragten auf dieses Problem aufmerksam geworden. Der Deutsche Ärztetag hat bereits eine Resolution zu diesem Thema verabschiedet, in der solche Gutachten als unvereinbar mit der ärztlichen Berufsethik verurteilt werden. Ärzten droht bei Erstellung solcher Gutachten auch die Strafverfolgung. Nicht ärztliche Gutachter können hingegen nur auf zivilrechtlichem Wege durch Schadenersatzforderungen zur Verantwortung gezogen werden. Manche Privatlaboratorien haben ihre Aktivitäten sogar noch mehr erweitert: sie bieten Spurenuntersuchungen für jedermann durch DNA-Typisierung an. Es steht zu befürchten, dass auf diesem Wege private DNADatenbanken aufgebaut werden können oder vielleicht sogar schon existieren. Eine missbräuchliche Nutzung solcher Datenbanken, z. B. durch private Detekteien, lässt sich leicht vorstellen.
V-109 MEDIZINISCHE UND RECHTLICHE ASPEKTE DES POLIZEIGEWAHRSAMS, ERFAHRUNGEN MIT EINEM STANDARTISIERTEN UNTERSUCHUNGSPROTOKOLL Weber B, Mattern R, Stein KM Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg Gewahrsamsunfähigkeit besteht, wenn eine Person infolge einer chronischen oder akuten Krankheit sich selbst oder andere gefährdet und sich diese Gefährdung durch den Aufenthalt in einer polizeilichen Gewahrsamszelle nicht ausreichend minimieren lässt. Diese Definition ist Ergebnis unserer Studie und nicht rechtsverbindlich, da es bislang
keine allgemein gültige Definition der Gewahrsamsunfähigkeit analog zur Haftunfähigkeit gibt. Formell wird vom Arzt nach der Gewahrsamsuntersuchung die Haftfähigkeit attestiert. Um Ärzten einen Leitfaden zur Entscheidungsfindung zu geben, wurde ein standardisiertes Untersuchungsprotokoll entwickelt und ein Jahr im Einzugsbereich der PD Heidelberg und Mannheim getestet. Aus medizinischer Sicht hängt die Gewahrsamsfähigkeit von folgenden Fragen ab: 1. Welches Krankheitsbild liegt vor? 2. Ist eine umgehende ambulante od. stationäre Behandlung erforderlich? 3. Wie wird der Spontanverlauf der Krankheit sein, bzw. welche Faktoren wirken sich günstig oder ungünstig auf diesen Krankheitsverlauf aus? 4. Liegt krankheitsbedingt Eigen- und/oder Fremdgefährdung vor? 5. Wenn ja, kann sie durch den polizeilichen Gewahrsam ausreichend minimiert werden? Bundesweite Erhebungen zur Häufigkeit von Gewahrsamnahmen und ärztlichen Untersuchungen wurden für die Jahre 1998–2000 durchgeführt. Konkrete Zahlen ließen sich trotz zahlreicher Antworten von Polizei und Ministerien nicht ermitteln. Einheitlich war jedoch, dass die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas auf beiden Seiten auf großes Interesse stieß. Die Unterschiede der einzelnen Bundesländer sowie die Auswertung der 407 eingegangenen Protokolle werden ebenso wie ein Schema zur Gewahrsamsdiagnostik vor bzw. zur Diskussion gestellt.
V-110 ZUR BEURTEILUNG TRAUMATISCH BEDINGTER FINGERAMPUTATIONEN Pfeiffer H, Bajanowski T, Kersting C, Du Chesne A, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Röntgenstr. 23, 48149 Münster Die Beurteilung von Fingeramputationsverletzungen ist von versicherungsrechtlicher Relevanz. Ziel rechtsmedizinischer Untersuchungen ist die Charakterisierung der einwirkenden Gewalt einschließlich des Tatwerkzeuges und die Rekonstruktion des Verletzungsmechanismus. Amputationsstümpfe nach Huf-, Beil- und Sägeverletzungen wurden bezüglich der Fragestellung untersucht, ob Veränderungen der Mikrotextur des Knochens mit den auf Kompacta und Spongiosa – durch den Verletzungsmechanismus bedingten – einwirkenden Kräften korrelieren. Kortikalis- und Spongiosastrukturen wurden mit Hilfe herkömmlicher Röntgentechnik, mittels direktradiographischer Vergrößerungstechnik sowie im Multislice-CT (SOMATOM plus4 Volume Zoom, SIEMENS) untersucht. Die 3 Methoden werden bezüglich ihrer Aussagekraft bei der Rekonstruktion des Verletzungsmechanismus traumatischer Fingeramputationen miteinander verglichen.
V-111 ÜBER GEFAHREN DER KLINISCHEN UND RECHTSMEDIZINISCHEN VERLETZUNGSBEGUTACHTUNG BEI FRAGLICHER KINDESMISSHANDLUNG – AM BEISPIEL EINES ZWILLINGSPÄRCHENS Grellner W, Wagner HJ Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes, Gebäude 42, 66421 Homburg/Saar Schwache und wehrlose Personen wie alte Menschen und Kinder sind der Gefahr einer Misshandlung in besonderem Maße ausgesetzt. Andererseits muss jedoch auch vor einer Fehlbeurteilung von Verletzungsbefunden und einer ungerechtfertigten Inkriminierung von eventuellen Verdächtigen gewarnt werden. Demonstriert wird dies an dem Fall eines 4 Monate alten Zwillingspaares. Die beiden weiblichen Säuglinge wurden in kurzem zeitlichen Abstand nacheinander in eiRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts ne Kinderklinik eingewiesen. Es wurden zahlreiche, unterschiedlich alte Knochenbrüche und Absprengungen im Metaphysenbereich nachgewiesen (Alter: ca. einige Tage bis 8–12 Wochen), während äußerliche Verletzungsspuren fehlten. Eine Systemerkrankung des Skeletts lag nicht vor. Es folgten mehrere klinische und rechtsmedizinische Gutachten, deren Aussagen im Endergebnis zur Anklageerhebung gegen die betroffenen Eltern führten, denen zudem das Sorgerecht entzogen wurde. Die nochmalige rechtsmedizinische Begutachtung wies schließlich erstmals darauf hin, dass ein nahezu symmetrisches Verletzungsbild bei den Säuglingen bestand (u.a. Schädel, Unterarme, Unterschenkel) und somit von einer zumindest teilweise vergleichbaren, mehrfachen Gewaltexposition auszugehen war. Diese ließ sich in erster Linie durch stärkere Abbremsvorgänge im elterlichen PKW beim Transport in falsch eingebauten Babysitzen (Sitze in Fahrtrichtung) erklären. Daneben konnte eventuell auch einer krankengymnastischen Behandlung eine Teilrolle zukommen. Das zuständige Landgericht sah nach der Gutachtenerstattung von einer Verfahrenseröffnung gegen die beschuldigten Eltern ab. Das Sorgerecht wurde wiedererteilt, die weitere soziale Entwicklung war unauffällig. Der Fall zeigt auf, dass mangelnde Fachkenntnisse, die fehlende Einbeziehung von noch ausstehenden diagnostischen Maßnahmen und insbesondere eine gewisse Voreingenommenheit zu einer voreiligen Weichenstellung und zum Beschreiten des falschen Weges bei Verdachtsfällen einer Misshandlung führen können.
V-112 KINDLICHER URETHRALPROLAPS ALS DIFFERENTIALDIAGNOSE ZUM SEXUELLEN MISSBRAUCH Seifert D1, Sperhake J1, Conrad S2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2 Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Eine Mutter stellte beim Ausziehen ihrer vierjährigen Tochter fest, dass das Unterhöschen des Kindes mit Blut beschmiert war. Das Mädchen hielt sich tags zuvor mit anderen z. T. älteren Kindern aus einem Asylantenheim, in dem sie mit ihren Eltern in Hamburg wohnt, unbeaufsichtigt auf einem Spielplatz auf. Besorgt brachte die Mutter ihre Tochter sofort zum Kinderarzt und schilderte ihre Beobachtungen. Nach erfolgter Untersuchung äußerte der Kinderarzt den Verdacht auf sexuellen Missbrauch und verwies die Mutter in die Kinderklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Aufgrund der Verdachtsdiagnose baten uns die Kinderärzte um eine konsiliarische Untersuchung. Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch konnten wir nicht finden, es bestand der Verdacht auf eine Missbildung. Die hinzugezogenen Gynäkologen waren ebenfalls unsicher. Erst die Untersuchung durch einen Kinderurologen ergab die endgültige Klärung. Die Mutter konnte beruhigt werden. Ihre Tochter leidet an einer extrem seltenen, aber heilbaren Krankheit, einem Urethralprolaps.
V-113 NOTARZTEINSATZ MIT FATALER FOLGE Heide S, Romanowski U, Kleiber M Institut für Rechtsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Bei dem bewusstseinsklaren und ansprechbaren 26-jährigen Insassen eines verunfallten PKW meinte die Notärztin ein offenes SchädelHirn-Trauma zu diagnostizieren. Die stark blutende Verletzung der Kopfschwarte versorgte sie mit einem unter dem Kinn entlang geführten Druckverband, den sie mehrmals verstärkte. Sie hielt auch einen Hubschraubertransport für notwendig. Dieser sollte in Intubationsnarkose erfolgen, wozu der Verletzte selbst noch seine Einwilligung gab. Nach Narkoseeinleitung und Relaxation mittels Etomidat
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und Norcuron gelang erst der dritte Intubationsversuch. Noch vor Eintreffen des Rettungshubschraubers verstarb der Patient. Bei der Obduktion imponierte ein strangulationsähnlich fest anliegender Verband, der vom Kinn zum Oberkopf geführt war. An unfallbedingten Verletzungen konnten lediglich eine Skalpierungsverletzung der Kopfschwarte und eine Oberschenkelfraktur festgestellt werden. Todesursächlich war ein Ersticken, welches durch eine Kombination aus iatrogenen Erdrosseln, medikamentöser Lähmung der Atemmuskulatur und fehlerhafter Intubation erklärbar ist.
V-114 SCHÄDEL-HIRN-TRAUMA ALS RISIKOFAKTOR DES MORBUS ALZHEIMER Matschke J1, 2, Laas R1, Püschel K2 1 Abteilung für Neuropathologie, Universität Hamburg 2 Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg Der Morbus Alzheimer ist in industrialisierten Ländern die häufigste Ursache einer Demenz. Die Diagnose ist mit Sicherheit erst am autoptischen Material durch den morphologischen Nachweis von Alzheimerschen Neurofibrillen (tangles) und senilen Plaques möglich. Die Ätiologie des Morbus Alzheimer ist nach wie vor nicht bekannt. Seit Beginn des letzten Jahrhunderts wurde in vereinzelten Fallstudien über den möglichen Zusammenhang zwischen einem Schädel-HirnTrauma in der Vorgeschichte und der späteren Entwicklung eines Morbus Alzheimer berichtet. Erst in jüngster Zeit allerdings wurde der mögliche Zusammenhang in größeren Studien untersucht. Trotz verbleibender Unsicherheiten scheint insbesondere für Männer ein Zusammenhang zwischen mittlerem und schweren Schädel-Hirn-Trauma in jüngerem Alter und einem erhöhten Risiko eines Morbus Alzheimers wie auch anderer Demenzformen zu bestehen. Wir berichten über einen im Alter von 77 Jahren verstorbenen Mann, der 53 Jahre vor seinem Tod als Soldat im zweiten Weltkrieg ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Seit diesem Zeitpunkt bestand eine fokal motorische Epilepsie mit sekundärer Generalisierung. Etwa 1 Jahr vor seinem Tod begann der Mann Symptome einer Demenz zu entwickeln. Sein Zustand verschlechterte sich rasch bis zur Bettlägerigkeit und er verstarb schließlich an einer fulminanten Pulmonalarterienthrombembolie. Seitens des Versorgungswerks wurde gebeten, einen möglichen Zusammenhang zwischen der alten Kriegsverletzung und dem Tod des Patienten zu überprüfen. Die standardmorphologischen und immunhistochemischen Befunde und die gutachterliche Stellungnahme, die einen Zusammenhang aufgrund der jüngsten Erkenntnisse zumindest nicht ausschließen konnte, werden diskutiert.
V-115 DIE HANDLUNGSFÄHIGKEIT NACH MASSIVER HALBSCHARFER GEWALTEINWIRKUNG GEGEN DEN KOPF DURCH SELBSTBEIBRINGUNG Albrecht K Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Berichtet wird über den Fall eines 41-jährigen Mannes, welcher in seinem häuslichen Umfeld auf dem Bett liegend, zunächst noch somnolent, aufgefunden wurde. Der Mann wies bei sehr dichtem, blutverklebtem und langem Haar offensichtliche Kopfverletzungen auf. Desweiteren war ein Brillenhämatom erkennbar. In einem benachbarten Raum war ein Holzhackklotz mit einem daneben befindlichen Beil gefunden worden. Dieses Werkzeug wies ebenso wie der Fußboden Blutantragungen auf. Es erfolgte die Akuteinlieferung in eine Neurochirurgische Fachklinik, in der eine offene hochfrontoparietale Kalottenimpressionsfraktur röntgenologisch diagnostiziert wurde. Nach einer Kopfhaarrasur stellten sich in einem 10 ¥ 8 cm messenden Areal zehn bis zu 8 cm lange Kopfschwartendurchsetzungen mit mehreren Durch-
setzungen der Schädelkalotte dar, so dass primär der Verdacht auf ein Fremdverschulden geäußert wurde. Auffällig war, dass der Patient schon auf dem Rettungsflug in das Krankenhaus als dann auch präoperativ wach, ansprechbar, kooperativ und situativ orientiert erschien. Es lag jedoch eine retrograde Amnesie für den Zeitraum einer Woche vor. Bei der präoperativen Anamnese berichtete der Patient über einen gelegentlichen Rauschmittelkonsum (Marihuana). Intraoperativ zeigte sich neben der Fraktur ein epiduraler Blutfilm bei oberflächlicher Mazeration des Sinus sagittalis superior aber intakter Dura mater. Nach 15 Tagen stationären Aufenthaltes wurde der Patient in die Rehabilitation entlassen. Durch weitere polizeiliche Ermittlungen wurde der initiale Verdacht auf ein Fremdverschulden entkräftet. Selbstbeibringungsverletzungen durch halbscharfe Gegenstände (z. B. Beil oder Axt) sind in der Fachliteratur weniger oft beschrieben und fallen häufiger in den Bereich der scharfen Gewalteinwirkung.Auffällig bei der Untersuchung war der präoperativ wache Zustand des Patienten bei einer festgestellten Vielzahl von penetrierenden Schädelverletzungen, welcher sogar die Erhebung einer Befragung bzw. Anamnese zuließ. Anhand dieser Kasuistik soll die Möglichkeit des Bestehens der Handlungsfähigkeit nach erfolgter massiver halbscharfer Gewalteinwirkung gegen den Kopf, sowie die Einordnung in den Komplex der Unterscheidung einer Fremd- oder Selbstbeibringung unter Berücksichtigung der psychopathologischen Disposition des Betroffenen erläutert werden.
matischen und umfassenden Arbeiten.Aus rechtsmedizinischer Sicht könnte die Quantifizierung der RNA-Degradation dazu benutzt werden, Aussagen zur Leichenliegezeit und zum Alter von biologischen zellhaltigen Spuren zu treffen.Aus diesem Grund wurde mit dem Aufbau einer systematischen Probenbibliothek, die Autopsiematerial sowie auch in-vitro-Versuche an Blut, das Lebenden entnommen wurde umfasst, begonnen. Verschiedene komplexe Methoden wie competitive RT-PCR, semi-quantitative PCR und one step-duplex RT-PCR ebenso wie die spektrophotometrische Quantifizierung von RNA und die gelphotometrische Quantifizierung der 28S-rRNA/18S-rRNA ratio wurden als Untersuchungsmethoden eingesetzt. Erste Ergebnisse sollen mit diesem Poster präsentiert werden. Dabei konnte bei den invitro-Versuchen ein Bereich von 1–5 Tagen eingegrenzt werden, an dem ein offenbar exponentieller Abfall der Menge an amplifizierbarer RNA eintritt. Bei Leichenblut zeigte sich, dass bedingt durch die starke postmortale Hämokonzentration Probleme bei der RNA-Isolierung und bei der Standardisierung der Befunde auftreten können. Es ergibt sich jedoch auch hier ein Fenster von 1–4 Tagen, in dem eine wahrscheinlich exponentielle RNA-Degradation abläuft, ohne dass mit dem vorhandenen Datenmaterial bereits eine genauere Zuordnung getroffen werden kann. Insgesamt ist festzuhalten, dass diese Methode die Aussicht bietet, Liegezeitbestimmungen im mittleren postmortalen Intervall durchführen zu können. Darüber hinaus könnten sich auch für die klinische und experimentelle Molekularmedizin neue Ansatzpunkte für den Umgang mit und die Bewertung von RNAanalytischen Verfahren ergeben.
Poster
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DNA-Analytik, Spuren, Abstammung P-1 DNA-ANALYSE AN MISCHSPUREN Basler M, Rink M Institut für Rechtsmedizin Universität Göttingen Bei der DNA-Analyse von Spurenmaterial liegen häufig Mischspuren vor. Daher sollten künstlich angelegte Mischspuren in einem Mischungsverhälntnis 1:2, 1:5 und 1:10 mit ausgewählten Genotypkonstellationen aufzeigen, ob alle DNA-Merkmale sicher ablesbar sind. Die DNA-Isolierung an den gealterten Mischspuren erfolgte mit verschiedenen Extraktionsmethoden. Die Systeme FGA,VWA und TH01 wurden einzeln amplifiziert, in einem horizontalen Polyacrylamidgel aufgetrennt und anschließend mittels Silberfärbung dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die DNA-Extraktion mit der Quiagen-Methode die besten Resultate erbrachte, allerdings waren bei einem Mischungsverhältnis von 1:10 die anteilig geringeren DNA-Konzentrationen nicht mehr sicher nachweisbar.
P-2 QUANTIFIZIERUNG DER POSTMORTALEN RNA-DEGRADATION ALS PARAMETER ZUR TODESZEITBESTIMMUNG Bauer M, Gramlich I, Patzelt D Institut für Rechtsmedizin der Universität Würzburg RNA unterliegt bedingt durch ubiquitär vorhandene Ribonukleasen einer relativ raschen postmortalen Degradation. Dies ist vor allem auch für die molekularmedizinische Forschung und Diagnostik von Bedeutung, da die Untersuchung von Genexpressionsmustern heute zu Laborstandardverfahren zählt und es z. B. bei Autopsiematerial, aber auch bei Blutproben zu Verzögerungen im Untersuchungsablauf kommen kann. Es existieren eine Reihe von Veröffentlichungen, die sich punktuell mit der Frage des postmortalen RNA-Abbaus bzw. der RNA-Integrität von klinischem Material befassen, jedoch keine syste-
QUANTITATIVE ANALYSE ARTIFIZIELLER mtDNA HETEROPLASMIEN Toprak K, Hohoff C, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin Münster Das Phänomen ’Heteroplasmie’ kann bei der molekulargenetischen Untersuchung mancher mtDNA-Proben beobachtet werden. Typischerweise ist diese Heteroplasmie in einem Individuum an einer einzelnen Position manifestiert, an der zwei unterschiedliche Nukleobasen nebeneinander auftreten. Zur quantitativen Angabe des Heteroplasmie-Spiegels werden häufig die Peakhöhen der beiden Nukleobasen in den Sequenzier-Elektropherogrammen in Relation zueinander gesetzt. Unser experimenteller Ansatz zur Überprüfung, ob dieser Rückschluss auf den tatsächlichen Heteroplasmie-Grad erlaubt ist, bestand darin, Heteroplasmien artifiziell zu generieren, indem drei heteroplasmiefreie mtDNA-Proben, die sich in verschiedenen Positionen in der hypervariablen Region (HVI) unterscheiden gemischt wurden. Die Konzentrationen der einzelnen HVI-Sequenzen in den Extrakten wurden mit Hilfe kompetitiver, quantitativer PCR spezifisch bestimmt. Der dafür speziell generierte interne Standard entsprach in der Länge dem PCR-Produkt, das zur Sequenzierung eingesetzt wurde. Der HVIBereich der Mischungen wurde amplifiziert und mit BigDye- und DYEnamic-Technologie sequenziert.An den Positionen, in denen sich die eingesetzten Sequenzen unterschieden, überlagerten sich die beiden Nucleotid-Peaks in den Sequenz-Elektropherogrammen wie bei heteroplasmischen Individuen. Dabei konnte keine einfache Korrelation zwischen eingesetztem DNAVerhältnis und dem beobachteten Peakverhältnis festgestellt werden. Vielmehr spielen die Natur der Nukleobasen, die vorausgehende Basenfolge sowie die angewandte Sequenzierchemie eine entscheidende Rolle.
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Abstracts P-4 HOCHAUFGELÖSTE WESTFÄLISCHE Y-HAPLOTYPEN Hohoff C1, Dewa K2, de la Grandmaison GL3, Brinkmann B2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster 2 Department of Legal Medicine Niigata University School of Medicine, Japan 3 Dept. of Pathology and Forensic Medicine, Raymond Poincare Hospital, Garches, Frankreich Die Untersuchung von Y-chromosomalen STR-Polymorphismen hat in letzter Zeit in der forensischen Molekulargenetik in Abstammungsbegutachtung und Spurenkunde immer größere Bedeutung erlangt. Für die biostatistische Anwendung ist die Etablierung regionaler Datenbanken essentiell. Wir stellen die Allelfrequenz-Verteilungen von 15 Y-STR Loci (DYS19, DXYS156, DYS385, DYS389 I und II, DYS390, DYS391, DYS392, DYS393, DYS437, DYS438, DYS439 und YCAII) und die Häufigkeiten iher Kombination zu Haplotypen in einer westfälischen Bevölkerungsstichprobe (402 unverwandte Männer) vor. Humane genomische DNA wurde mit Hilfe der Proteinase K/Chelex Methode aus Blutflecken oder Mundschleimhautabrieben extrahiert. Die Y-STRs wurde in drei Multiplexen amplifiziert: DYS19, DYS389I und II, DYS390, DYS393 (YMPX I), DYS385, DYS437, DYS438, DYS439 (YMPX II), DXYS156, DYS391, DYS392,YCAII and Amelogenin (YMPX III), wobei für YMPX III einige Primerpaare neu entworfen wurden. Die Typisierung erfolgte mit Hilfe des ABI PRISM 310 Genetic Analyzer (Applied Biosystems) unter Benutzung von Allel-Leitern mit sequenzierten Allelen. Bei den 402 Westfalen wurden 336 unterschiedliche Haplotypen beobachtet, von denen 304 Haplotypen einmalig waren. Einige distinkte Haplotypen wurden von bis zu 9 Männern geteilt, während die meisten der nicht-einzigartigen Haplotypen von 2 bis 3 Männern geteilt wurden. Der informativste Locus in Westfalen ist DYS385 (Locusdiversität 0.95), wobei die Allelkombination 11/14 am Häufigsten auftrat (ca. 25%). Die Kombination der vorgestellten 15 Y-STR-Loci stellt also ein informatives, hoch-diskriminitatives Werkzeug für die rechtsmedizinischmolekulargenetische Fallarbeit dar.
P-5 DIE X-CHROMOSOMALEN MIKROSATELLITEN DXS7130 UND DXS6803 Edelmann J1, Lessig R1, Richter K1, Szibor R2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig 2 Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Erst seit einigen Jahren wird die Anwendung X-chromosomaler (ChrX) Mikrosatelliten als eine effektive Ergänzung der autosomalen und Y-chromosomalen STR-Analyse genutzt. Der Gebrauch dieser Marker ist zur Lösung spezieller Aufgaben wie z. B. Defizienzgutachten vorgesehen. Das Gesamtprojekt hat zum Ziel, zunächst zahlreiche Einzelmarker zu charakterisieren, von denen dann auch eng gekoppelte Markercluster ausgewählt und für die Haplotypisierung eingesetzt werden können. Das Spektrum der z. Z. verfügbaren ChrX-Marker soll mit der Validierung der beiden hier vorgestellten STRs DXS7130 und DXS6803 erweitert werden. Bei der Typisierung von 306 Frauen und 192 Männern fanden wir für DXS7130 und DXS6803 10 bzw. 9 Allele. Die PIC-Werte lassen sich mit 0,739 für DXS7130 und 0,801 für DXS6803 angeben. Die MEC-Werte betrugen 0,726 für DXS7130 und 0,788 für DXS6803. Der reguläre X-chromosomale Erbgang wurde durch Familienuntersuchungen bestätigt. Die bisherige Überprüfung von 270 Meiosen ließ keine Mutationen erkennen. Die Resultate des durchgeführten RH-Mapping korrelieren mit den verfügbaren Genbankinformationen. Die Distanz zwischen den genannten Markern beträgt etwa 80 cM. DXS7130 ist in
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die Kopplungsgruppe DXS6807, DXS9895, DXS8378 einzuordnen. Diese ist in der Region Xp22-21 lokalisiert. DXS6803 bildet gemeinsam mit ARA, DXS6800 und DXS7132 eine Kopplungsgruppe in der Region Xq11-13. Für jedes bisher gefundene Allel wurden korrespondierende PCRFragmente sequenziert. Beide Marker weisen eine Tetranukleotidrepeatstruktur mit einigen Strukturvariationen auf. Aus den dazu vorliegenden Ergebnissen resultieren die Allelbezeichnungen 10 bis 17.3 für DXS7130 und 9 bis 14.3 für DXS6803. Außerhalb der Repeatregion konnte keine zusätzliche Variabilität festgestellt werden. Bei DXS7130 ergaben sich innerhalb der nichtpolymorphen Nukleotide nach der Repeatregion mehrere Abweichungen von der Genbank-Sequenz. Die vorgestellte Untersuchung erweitert das verfügbare Spektrum forensisch validierter ChrX-Marker um die beiden beschriebenen polymorphen Systeme.
P-6 STR-ANALYSE VON HAUTKONTAKTSPUREN AN POTENTIELLEN TATWERKZEUGEN Belsö Zs, Egyed B, K lnay A, Kormos Z, Füredi S, Woller J, P d r Zs Institut für Forensische Wissenschaften, Budapest, Ungarn Für die Aufklärung von Straftaten spielt eine DNA-Analyse von Hautepithelzellenantragungen, die von der Tatwaffe gesichert worden sind, eine immer größere Rolle. Solche Spuren enthalten oft nur wenige und teilweise degradierte Hautzellen. Durch DNA-Typisierung dieser Zellen lässt sich ggf. feststellen, welche Person die Waffe benutzt haben kann. Die Untersuchungsserie zur STR-Analyse minimaler DNA-Spuren erfolgte mit der Fragestellung, ob sich Hautkontaktspuren, die nach simulierten Tathandlungen von der Tatwaffe gesichert wurden, erfolgreich typisieren lassen. Im ersten Teil der Serie war es unser Ziel, festzustellen, ob von verschiedenen Messergriffen (Holz, Metall, Kunststoff) genügend zelluläres Material für die STR-Analyse gesichert werden kann. Zehn Personen wurden gebeten, mit drei verschiedenen Messern jeweils dreimal in eine Puppe zu stechen. Die Aktionen wurden zehnmal wiederholt; nach jeder Stichhandlung wurden Spurenproben für die DNA-Analyse gesichert. Nach den DNAExtraktionen wurden die Spuren mittels ProfilerPlus-PCR amplifiziert. Etwa 90% der gesicherten Spuren zeigten auswertbare PCR-Produkte; es gab keine wesentlichen Unterschiede zwischen den drei Messergrifftypen. Im zweiten Teil der Studie wurden gemischte biologische Spuren (von zwei Personen) von den Messergriffen analysiert. Dabei wurde von der Hypothese ausgegangen, dass der Täter die Tatwaffe mit wesentlich größerer Kraft umfasst als der vorherige Benutzer. Deshalb dürften mehr kernhaltige Hautzellen des Täters auf den Messergriff übertragen werden und somit müßten seine DNA-Merkmale als intensiver dargestellte Komponente im Mischmuster nachweisbar sein, was sich durch unsere Untersuchungen bestätigen ließ.
P-7 MOLEKULARBIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN AN ÜBERTRAGENEN HAUTPARTIKELCHEN NACH THERMOELEKTRISCHER EINWIRKUNG Graw M1, Knoblich A2, König HG2 1 Institut für Rechtsmedizin, München 2 Institut für Gerichtliche Medizin, Tübingen DNA-Typisierungen an Oberhautanteilen sind aus der kriminalistischen Rekonstruktionsarbeit heute nicht mehr wegzudenken. Auch sehr kleine Hautpartikelchen sind typisierbar, wenn die DNA nicht durch äußere Einflüsse degradiert ist. Eine 43jährige Frau gab an, ihr Ehemann habe versucht, sie mittels eines vieradrigen unter Spannung stehenden Kabels zu töten. Sie wies zwei eng benachbarte, offensichtlich thermisch bedingte Verletzungen
im Gesichtsbereich auf. An einer Kupferlitze des Kabels wurde ein kleines Hautpartikelchen mit eingebackenen Körperhärchen gefunden. Bei der molekularbiologischen Untersuchung dieser Spur und einer Speichelprobe des Opfers (MPX2, ProfilerPlus) ergab sich ein in allen Merkmalen übereinstimmendes Muster. Der Vorfall wurde spuren- und elektrotechnisch rekonstruiert. Zwischen den beiden kontaktierten Litzen lag eine Wechselspannung von 380 Volt (220V gegen Erde). Die beiden thermischen Verletzungen waren von unterschiedlicher Intensität. Dieser Befund war durch Unterschiede in Kontaktzeit und Anpressdruck plausibel zu erklären.
P-8 Y-STR HAPLOTYPING EINER ÄGYPTISCHEN POPULATION (KAIRO) Immel UD1, Reichenpfader B2, Klintschar M1, Kleiber M1 1 Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Franzosenweg 1, 06112 Halle 2 Universität Graz, Institut für Gerichtsmedizin, Universitätsplatz 4, 8010 Graz In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Y-chromosomale STRSysteme für populationsgenetische und forensische Untersuchungen etabliert. In der Literatur liegen derzeit zahlreiche Daten aus dem europäischen, amerikanischen und asiatischen Raum vor, jedoch kaum über Araber. In der vorliegenden Studie wurde ein Set von Y-chromosomalen STR Loci (DYS19, DYS389-I, DYS389-II, DYS390, DYS 391, DYS392,DYS393, DYS385) für eine Populationsstudie aus Ägypten herangezogen. Es wurden 85 nichtverwandte, männliche Individuen aus dem Großraum Kairo analysiert. Die Ergebnisse wurden mit den Haplotypen der europäischen Y-STR Datenbank verglichen, welche am Berliner Institut der Humboldt-Universität geführt wird. Fünf der insgesamt 85 Haplotypen traten jeweils zweimal auf, sodass 80 unterschiedliche ägyptische Haplotypen typisiert wurden. Insgesamt wurden 177 Treffer bei der Suche in der Europäischen Y-STR Datenbank mit fast 9685 Eintragungen erzielt. Diese sind über 72 europäischen Populationen verteilt und zeigen ein Nordost-Südwest-Gefälle.
P-9 AB0-TYPISIERUNG MIT SNPS (SINGLE NUCLEOTIDE POLYMORPHISMS) Klein R, Miltner E, Wiegand P Abt. Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Prittwitzstraße 6, 89073 Ulm Als Beitrag zur Identifizierung einer im Wald aufgefundenen, bekleideten und weitgehend skelettierten Leiche wurde u.a. die Blutgruppe im AB0-System bestimmt, da sich in der Kleidung ein noch relativ gut erhaltener Ausweis mit Angabe der Blutgruppe „0“ fand. Als etablierte Methoden standen eine Restriktionsanalyse mit KpnI/AluI oder eine allelspefizische PCR zur Verfügung. Mit beiden Methoden werden bereits bekannte SNPs analysiert, durch die sich die Allele A, B, 0 und weitere Varianten voneinander unterscheiden lassen. Als weitere Untersuchungsmethode wurde der SNaPshot-Kit von ABI (Weiterstadt) verwendet. Gegenüber den bisher etablierten Methoden bestand hier die Möglichkeit, durch Kombination zweier PCR-Produkte von Exon 6 und 7 des ABO-Gens und anschließender Oligohybridisierung, mehrere SNPs in einer Reaktion zu untersuchen und damit den Genotyp zu ermitteln. Um den Kit für die AB0-Typisierung zu etablieren, wurden zuvor Mundschleimhautabstriche sowie künstlich hergestellte Spuren (Zigarettenkippen, Trockenblutspuren) typisiert. Desweiteren konnte auch degradierte DNA aus Knochen, wie bei dem oben geschilderten Fall, erfolgreich typisiert werden. Allerdings wurden dazu verkürzte Primer verwendet, die PCR-Produkte mit Ampli-
konlängen von 130 bp (für Exon 6 des AB0-Gens) bzw. 350 bp (für Exon 7 des AB0-Gens) erzeugen. Dies ermöglichte, die entsprechenden PCRProdukte in ausreichenden Mengen für eine SNaPshot-Analyse zu amplifizieren. Somit kann diese Methode der SNP-Analyse als relativ sensitives und schnelles Verfahren zur AB0-Typisierung von unterschiedlichen menschlichen Geweben/biologischen Spuren eingesetzt werden.
P-10 ERFAHRUNGEN MIT DER SPURENKUNDLICHEN ANWENDUNG VON Y-STR’S Lessig R, Bagans A, Edelmann J Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig Die Y-chromosomalen STR’s sind seit einigen Jahren bekannt und werden für forensische Zwecke wie Paternitätsbegutachtungen, speziell in Defizienzfällen und Spurenuntersuchungen eingesetzt. Auf Grund ihrer Genetik sind für statistische Auswertungen der Ergebnisse erheblich größere Datenmengen aus verschiedenen Populationen notwendig. Für diese Zwecke stehen ausreichend große Datenbanken zur biostatistischen Auswertung online in der Y-STR Haplotype Reference Database, welche am Institut für Rechtsmedizin der Humboldt-Universität etabliert wurde, zur Verfügung. Die für Populationen der verschiedenen Kontinente gesammelten Haplotypen sind für Europa, Amerika und Asien separat zur Recherche abrufbar. Die Vorteile der Y-chromosomalen STR’s werden in Fällen zur Verfolgung männlicher Erblinien und insbesondere in der Spurenanalyse deutlich, wenn es sich Mischspuren handelt, welche für die Analyse mit autosomalen STR’s ungünstige Mischungsverhältnisse aufweisen. Die überwiegende Zahl – >90% – der in den Untersuchungen zu erfassenden Straftäter sind männlich. Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass in einigen Fällen ohne Anhaltspunkte für Mischspuren nach Analyse der autosomalen STR’s männliche Haplotypen nachweisbar waren. Auf Grund der Begehungsart, es handelte sich um Sexualdelikte, waren Mischspuren zu erwarten. In derartigen Fällen werden routinemäßig, auch bei negativem Ausgang der Vortests auf Sperma, Y-chromosmale STR’s eingesetzt, um eventuell vorhandene geringe männliche Anteile der Spur zu erfassen. Im Fall des sexuellen Missbrauchs von zwei Kindern gelang die Überführung der Tatverdächtigen nur mit Hilfe der Y-chromosomalen STR’s. Die autosomalen Datenbanksysteme einschließlich des Amelogenin ergaben keinen Anhalt für das Vorliegen von Mischspuren. In einem zweiten Fall von sexuellem Missbrauch fanden sich teilweise spärliche Hinweise auf das Vorliegen von Mischspuren. Der gefundene männliche Haplotyp war in der Datenbank bisher nicht verzeichnet. Auf Grund der Möglichkeit zur biostatistischen Berechnung mit Hilfe der von M. Krawczak entwickelten Extrapolationsmethode von bisher in der Datenbank nicht verzeichneten Haplotypen konnte die Aussage der autosomalen STR’s zur Spurenlegerschaft entscheidend verbessert werden.
P-11 Y-STR-DATEN AUS VORPOMMERN Lignitz E, Poetsch M Institut für Rechtsmedizin, Universität Greifswald Y-chromosomale STR-Systeme nehmen unter den DNA-Systemen eine Ausnahmestellung ein, da sie nur vom Vater zum Sohn – unverändert – weitervererbt werden. Daher werden sie häufig in Vaterschaftsdefizienzfällen genutzt, wenn der potentielle Vater verstorben ist, aber auf weitere männliche Verwandte zurückgegriffen werden kann. Außerdem kommt den Y-STR-Systemen in der Untersuchung von Mischspuren nach potentiellen Vergewaltigungen eine große Bedeutung zu. Da aus dem Raum Vorpommern noch keine Daten für Y-STR-Systeme erhoben worden sind, wurden in dieser Studie 150 unverwandte männRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts liche Personen in den folgenden Genorten untersucht: DYS19, DYS385, DYS389I und II, DYS390, DYS391, DYS392, DYS393 und YCAII. Die Analyse erfolgte in drei Multiplexansätzen mit FAM, JOE und NED markierten Primern und die Detektion wurde auf einem ABIPrism310 mittels automatischer Fragmentanalyse mit Hilfe selbst erstellter Allelleitern durchgeführt. 132 verschiedene Haplotypen wurden unter den 150 Männern dieser Studie gefunden, wobei 61 dieser Haplotypen in der Y-STR Haplotype Reference Database nicht vertreten waren. Es sollen die verwendeten Versuchsprotokolle und die Häufigkeitsverteilungen der einzelnen Allele in den verschiedenen Y-STRs in unserer Bevölkerungsstichprobe dargestellt werden.
P-12 PREFERENTIELLE LYSE VERSUS Y-SPEZIFISCHE MARKER BEI DER ANALYSE VON SAMEN- UND SEKRETMISCHUNGEN Dmochowska G, Jonkisz A, Bartnik B, Lebioda A, Zoledziowska M, Dobosz T, Maksymowicz K Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wroclaw, Polen In der Arbeit werden die DNA Untersuchungsergebnisse von Samenund anderen Körpersekretgemischen dargestellt. Das Ziel der Arbeit war die Festlegung optimaler Verfahren mit Samen- und anderen Körpersekretgemischen bei Opfern von Sexualstraftaten. Die Wirksamkeit folgender methodischer Verfahren wurde verglichen: 3. Untersuchung Y-spezifischer STR Systeme 4. Untersuchung autosomaler STR Systeme nach präferentieller Lyse 5. Untersuchung Y-spezifischer STR Systeme nach präferentieller Lyse Untersucht wurde ein experimentell angefertigtes Gemisch aus Samen,Vaginalsekret und Speichel. Die DNA wurde mittels der Chelexmethode, Chelexmethode mit präferentieller Lyse und Phenol – Chloroformmethode mit präferentieller Lyse isoliert. Ausgeführt wurden Bestimmungen folgender Systeme: DYS 390, DYS 19, DYS 391, DYS 3891/II, LDLR, GYPA,HBGG, D7S8, GC. Es wurde festgestellt, dass die Präferenzlyse die geeignetste Methode bei Gemischuntersuchungen darstellt. Auch bei der Untersuchung Y-spezifischer Marker ist ihre Anwendung vollauf begründet, weil dadurch Artefakte vermindert werden können.
P-13 ANWENDUNGSMÖGLICHKEITEN VON Y-CHROMOSOMALEN STRS BEI DER UNTERSUCHUNG VON ABRASIONSMATERIAL Schmidt U1, Weisser HJ1, Knoblich A2, Graw M3 1 Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg 2 Institut für Gerichtliche Medizin der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen 3 Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität, München Nicht nur an Blutproben und Wangenschleimhautabrieben, auch an Abrasionsmaterial muss in der Routine gelegentlich eine Abstammungsbegutachtung vorgenommen werden (z. B. beim Schwangerschaftsabbruch aus sog. kriminologischer Indikation). Anhand mehrerer Fallbeispiele werden die Anwendungsmöglichkeiten Y-chromosomaler STRs bei der Untersuchung von Abrasionsmaterial dargestellt. Diese Methodik kann die Bearbeitung eines solchen Materials insbesondere dann erleichtern, wenn die Trennung von mütterlichem und embryonalem bzw. fetalem Gewebe makroskopisch nicht gelingt (z. B. nach Tiefkühllagerung).Vor- und Nachteile gegenüber der Untersuchung mit autosomalen STRs werden diskutiert. Vaterschaftsbegutachtung mittels Serologie, RFLP- und STR-Analyse in Fällen mit Inzest und anderen „besonderen“ Verwandtschaftsverhältnissen
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P-14 VATERSCHAFTSBEGUTACHTUNG MITTELS SEROLOGIE, RFLP- UND STR-ANALYSE IN FÄLLEN MIT INZEST UND ANDEREN „BESONDEREN“ VERWANDTSCHAFTSVERHÄLTNISSEN Simeoni E, von Wurmb-Schwark N, Wessel I, Bachmann C, Oehmichen M Institut für Rechtsmedizin Kiel Es werden vier Abstammungsfälle vorgestellt, die im Rahmen einer methodischen Studie mittels Serologie, STR- und RFLP-Analyse untersucht wurden und sich durch besondere Verwandtschaftsverhältnisse oder aber Typisierungsergebnisse auszeichnen. Fall 1: Der Putativvater des Kindes ist gleichzeitig der leibliche Vater der Kindesmutter. Mit einer von fünf Sonden konnte er ausgeschlossen werden, während alle anderen untersuchten Systeme (Serologie und vier weitere Single Locus Sonden) zu keinem Ausschluss führten. Weitere Untersuchungen (15 Genorte mittels PCR) bestätigten die Vaterschaft, so dass der Ausschluss als Mutation gewertet werden kann. Die biostatistische Berechnung erfolgte durch Prof. Dr. Baur unter Berücksichtigung des Verwandtschaftsverhältnisses und der Mutationshäufigkeit der Sonde YNH 24 . Fall 2: Der Putativvater (PV1) ist der leibliche Vater des biologischen Vaters (PV2) des Kindes. Der zuerst untersuchte Putativvater (PV1) erreicht mittels RFLP-Analyse eine höhere Wahrscheinlichkeit als der wirkliche Vater (der nachträglich untersuchte PV2). Erst bei erweitertem Untersuchungsumfang in zwei Single-locus Sonden und zwei serologischen Systemen (MNSs und Gc) sowie 4 STR-Systemen konnte er ausgeschlossen werden. Fall 3: In diesem Fall wurde in 12 serologischen Systemen, vier Singlelocus Sonden und 15 STR-Systemen kein Ausschluss erzielt, lediglich bei MS 31 ergab sich eine Unverträglichkeit. Insofern konnte von einer paternalen Mutation ausgegangen werden. Die Vaterschaftswahrscheinlichkeit ergab mehr als 99,99%. Fall 4: Es wurden in 12 serologischen Systemen und vier Single-locus Sonden keine Ausschlüsse erzielt. Bei der Sonde MS 31 ergab sich eine paternale Mutation, bei dem PCR-Genort D21S11 wurde eine maternale Mutation festgestellt. Die DNA-Single-Locus Sonden sind besonders aussagekräftig in Fällen, bei denen eine Verwandtschaft bei Putativvätern vorliegt. Die Befunde können auf derartige Verhältnisse hindeuten, selbst wenn sich aus der Vorgeschichte kein Hinweis ergibt. Die Kombination von Single locus Sonden mit der Darstellung der STR-Systeme bringt wichtige Aufschlüsse darüber, ob eine Mutation angenommen werden kann, oder ob es sich um echte Ausschlüsse handelt.
P-15 VALIDIERUND DES X-CHROMOSOMALEN MIKROSATELLITEN DXS6809 Käser M1, Kasulke D1, Plate I2, Beck N2, Szibor R2 1 Labor für Haemogenetik, Lange Straße 112, Baden-Baden 2 Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Die Validierung weiterer X-chromosomaler Mikrosatelliten ordnet sich in ein Gesamtprojekt ein, dessen Ziel es ist, für das gesamte X-Chromosom (ChrX) eine dichte Folge von forensisch nutzbaren Einzelmarkern zu etablieren. Ausgewählte enggekoppelte Markercluster können dann für die Haplotypisierung eingesetzt werden, um komplizierte Abstammungsfragen lösen. Das Spektrum der z. Z. verfügbaren ChrX-Marker soll mit der Validierung des hier vorgestellten STRs DXS6809 erweitert werden. DXS6809 ist von dem bereits evaluierten STR DXS6789 nur etwa 1cM entfernt und bildet somit mit diesem Marker ein relativ stabiles Kopplungspaar, das in einer Distanz von 102–103 cM vom p-Telomer des ChrX lokalisiert ist. Bezogen auf die Längenmessung wurden bisher in
einer Stichprobe aus Süd- und Mitteldeutschland 10 Allele gefunden. Ein komplexer Polymorphismus aus zwei variable TCTA Blöcken sorgt jedoch für Strukturvariabilität innerhalb der nach Fragmentlängen definierten Allele. Der DXS6809 STR hat mit den Werten PIC = 0,77 und MEC = 0,76 gute forensische Gebrauchseigenschaften. Der besondere Wert wird jedoch durch die Nutzung im Haplotypenverbund erwartet. Die dazu erforderlichen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
P-16 DNA – ANALYSE AN EINER KÖRPERBESTATTUNG AUS DER KULTUR DER SCHNURKERAMIK Thiele K1, Bruchhaus H2, Birkenbeil S2, Uerlings H1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig, Außenstelle Chemnitz 2 Institut für Humangenetik und Anthropologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena In den Jahren 1995 und 1996 führten Mitarbeiter des Museums für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha in der Nähe von Gräfentonna auf dem Gelände des neu entstehenden Wohngebietes „An der Fasanerie“ Untersuchungen an einem urgeschichtlichen Bestattungsplatz durch (Th. Huck 1996; Th. Huck u. E. Speitel 2001). In diesem Zusammenhang entdeckte man im August 1995 am Südostrand des Gräberfeldes eine schnurkeramische Bestattung (Th. Huck 2001/2002). Das Knochenmaterial dieser schnurkeramischen Bestattung, die aufwendig mit Zahnschmuck, Muschelscheiben, einer Bernsteinperle und einem Silexartefakt ausgestattet war, kam zusammen mit den Skeletten des spätbronzezeitlichen Gräberfeldes (S. Birkenbeil u. H. Bruchhaus 2001) zur Bearbeitung. Zur Absicherung der rein anthropologischen Geschlechtsbestimmung wurden Proben aus den Diaphysen vom linken Humerus, vom linken Femur, der linken Tibia und vom rechten unteren zweiten Molar (47) entnommen. Die DNA-Analysen der Knochenproben weisen auf ein weibliches Individuum hin. Molekulargenetische Abstammungsgutachten mit dem Identifiler Plus Kit und den Single-locus Sonden MS31, MS43A und YNH24
P-17 MOLEKULARGENETISCHE ABSTAMMUNGSGUTACHTEN MIT DEM IDENTIFILER PLUS KIT UND DEN SINGLE-LOCUS SONDEN MS31, MS43A UND YNH24 von Wurmb-Schwark N, Simeoni E, Wessel I, Matthiesen M, Oehmichen M Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Kiel Wir stellen die Kombination von Restriktionsfragmentlängenpolymorphismen-Analysen (RFLP) und short tandem repeat-Analyse (STR) mittels Polymerasenkettenreaktion (PCR) zur Abstammungsbegutachtung vor und vergleichen beide Methoden anhand von 80 parallel untersuchten Abstammungsfällen. Die RFLP-Analyse wurde mit den Single Locus Sonden MS31, MS43A und YNH24 durchgeführt. Zur Untersuchung mittels PCR wurde der Identifiler Plus Kit der Firma Applera eingesetzt, mit dem 15 Genorte parallel amplifiziert werden. Zum Ausschluss falsch homozygoter Typisierungen und zwecks zusätzlicher Doppelbestimmung wurden die Proben außerdem mit dem Nonaplex Twin Kit der Firma Biotype analysiert. Die Detektion und automatische Analyse der Amplifikate erfolgte auf dem AbiPrism310 (Applera) unter Einsatz der Genscan Software und dem Abgleich mit Allelleitern. In keinem Fall wurde mit den beiden verschiedenen Methoden ein anderes Ergebnis (=Ausschluss oder Einschluss) erzielt. Die geringste mittels RFLP-Analyse erzielte Vaterschaftswahrscheinlichkeit lag bei 99,33998 % und bei 99,9985 % für die PCR-Untersuchungen. Die höchste Wahrscheinlichkeit lag bei 99,9985 (RFLP) bzw. >99,999999%
(PCR). In 27% der Fälle konnte mit einer reinen RFLP-Analyse bei einem Einsatz von drei Single locus Sonden nicht die empfohlene Wahrscheinlichkeit von mindestens 99,9% erzielt werden, so dass hier Zusatzuntersuchungen nötig waren. In 31 % der untersuchten Fälle wurde die Vaterschaft ausgeschlossen. Mittels PCR wurde dies mit mindestens fünf und maximal 11 Ausschlüssen bestätigt; bei der RFLP-Analyse wurden minimal zwei und maximal, entsprechend dem Untersuchungsvolumen, drei Ausschlüsse beobachtet. Im Hinblick auf die neuen Richtlinien zur Abstammungsbegutachtung soll gezeigt werden, wie die beiden Methoden sich ergänzen, bzw. wie aussagekräftig sie alleine sind, inwiefern Mutationen (insbesondere bei der STR-Analyse) die Untersuchungen erschweren, und ob die DNA-Analysen mit weiteren Methoden kombiniert werden sollten.
P-18 MUTTER-KIND AUSSCHLUSS DURCH PATERNALE UNIPARENTALE DISOMIE 6 Wegener R1, Weirich V1, Krüger G2, Dauber EM3, Fischer G3, Mayr WR3 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock 2 Kinder- und Jugendklinik der Universität Rostock 3 Klinische Abteilung für Blutgruppenserologie der Universität Wien Anlässlich einer Abstammungsbegutachtung im Rostocker Institut fiel auf, dass das einjährige Kind von seiner Mutter im HLA System auszuschließen war. Beim Präsumtivvater ergab sich hingegen mit dem Kind eine genetische Kompatibilität: Kind HLA-A3; B13; Cw6; DR7; DQ2; Mutter: HLA-A2,29; B56,57; Cw1,w6; DR1,7; DQ5,7; Präsumtivvater: HLA-A1,3; B8,13; Cw6,w7; DR 7,15; DQ 2,6. Eine Kindesverwechslung wurde ausgeschlossen.Anamnestisch konnte ein transitorischer Diabetes mellitus des Neugeborenen erhoben werden; eine zytogenetische Analyse ergab einen unauffälligen weiblichen Karyotyp. Zur Abklärung der genetischen Mutter-Kind Inkompatibilität wurden eine Reihe weiterer DNA Systeme analysiert. Dabei fand sich, dass das Kind an den Chromosomen 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 11, 12, 15, 16, 17, 18, 19 und 21 heterozygot und mit der Mutter kompatibel war, während die untersuchten 19 Systeme des Chromosoms 6 durchgängig eine Homozygotie bei 10 weiteren Mutter-Kind-Ausschlusskonstellationen zeigten. Auf Grund dieser Befunde und der klinischen Anamnese muss beim Kind eine – extrem selten beobachtete – paternale uniparentale Disomie des Chromosoms 6 vorliegen, bei der 2 idente Chromosomen 6 vom Vater ererbt wurden. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass auch in dem DNAAnalyse-Datei-System ACTBP2 (SE33) beim Kind eine „Homozygotie“ vorlag (Kind: *14, Mutter: *17,*28.2, Präsumtivvater: *14,*28.2). Dieser Befund beweist, dass der Genort ACTBP2 (SE33) am Chromosom 6 lokalisiert ist und nicht am Chromosom 5, wie mehrfach im Schrifttum angegeben wurde.
P-19 LOKALISATION DES GENS ACTBP2 (SE33) Wenda S1, Dauber EM1, Schwartz DWM1, Weirich V2, Wegener R2, Mayr WR1 1 Klinische Abteilung für Blutgruppenserologie der Universität Wien 2 Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock Mit Hilfe der Befunde eines Kindes mit einer paternalen uniparentalen Disomie des Chromosoms 6 konnte der Genort ACTBP2 (SE33) auf diesem Chromosom lokalisiert werden (Wegener et al, 81. Jahrestagung DGRM 2002). Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts Eine klassische Koppelungsanalyse bei einer großen Familie unter Einschluss von ACTBP2 und 20 DNA Polymorphismen des Chromosoms 6 zeigte, dass die Lokalisation des Genorts ACTBP2 (SE33) höchstwahrscheinlich in der Region der Genorte D6S257 und D6S460 liegt. Dieser chromosomale Abschnitt entspricht den Banden 6q13–6q14. Weiterführende Analysen mit anderen DNA Polymorphismen dieser Banden des Chromosoms 6 und noch nicht untersuchten Angehörigen der Familie laufen, um die exakte chromosmale Lokalisation des Genorts ACTBP2 (SE33) zu definieren.
Forensische Traumatologie P-20 GIBT ES EIN HÄMATOMMODELL? – ERFAHRUNGEN MIT DER HÄMATOMALTERSBESTIMMUNG BEIM LEBENDEN Arnold R1, Rommeiß S1, Klein A1, Fischbacher C2, Jagemann KU3 1 Institut für Rechtsmedizin der Friedrich-Schiller-Universität Jena 2 Analytik Jena AG 3 Brooks Automation GmbH Jena Mittels VIS-Spektrometrie in diffuser Reflexion zur Hämatomaltersbestimmung am Lebenden wurde der Zusammenhang zwischen Art der Gewalteinwirkung und mathematischer Bestimmbarkeit des Hämatomalters beim Lebenden untersucht. Wir stellten fest, nur die Erweiterung des Kalibrationssatzes führt bei der Auswertung von Spektren in multivariaten Kalibrationssytemen zu einer erhöhten Zuverlässigkeit der Altersbestimmung von Hämatomen. In unsere Studie gingen deshalb neben durch stumpfe Gewalt verursachten Hämatomen auch infolge von Injektionen und bei VarizenOperationen entstandene Hautunterblutungen ein. In einer explorativen Datenanalyse war zu überprüfen, ob das tatsächliche Alter aller dieser Hämatome durch ein einheitliches mathematisches Modell bestimmbar ist. Die Auswertung von 4140 Einzelspektren aus insgesamt 207 Hämatommessungen (davon 74 infolge von Varizen-Operationen) mittels Partial-Least-Squares-Regression ergab für die Varizen einen mittleren Vorhersagefehler RMSP (root mean sqare error of prediction) von 18,9 h und bei den durch stumpfe Gewalteinwirkung entstandenen Hautunterblutungen ein RMSP von 55,2 h. Deutliche Unterschiede beider Gruppen zeigten sich auch bei der Gegenüberstellung der Ergebnisse in dem forensisch relevanten Meßzeitraum von 40–50 h nach Hämatomentstehung. Die mittlere Abweichung vom tatsächlichen Alter für Varizen liegt bei –3,4 h und die Standardabweichung bei 14,7 h. Für die durch stumpfe Gewalt verursachten Hämatome beträgt die mittlere Abweichung –29,4 h bei einer Standardabweichung von 37,5 h. Daraus muss geschlussfolgert werden, dass unterschiedliche Entstehungsbedingungen von Hämatomen eine Vereinheitlichung in nur einem Modell nicht zulassen. Ursachen der abweichenden zeitlichen Verläufe des Hämatomabbaus werden dargestellt.
P-21 ZU UNTERSCHEIDUNGSKRITERIEN BEI SUIZIDALEM UND HOMIZIDALEM ERDROSSELN Bockholdt B, Maxeiner H Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin Todesfälle nach suizidalem Erdrosseln gelangen in der rechtsmedizinischen Praxis eher seltener zur Untersuchung; in einem Zeitraum von 20 Jahren wurden in unserem Institut 19 derartige Fälle obduziert. Die Entscheidung, ob es sich um einen Suizid oder um eine Tötung handelt, kann problematisch sein.
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Verglichen werden in dieser Untersuchung die Befunde von 19 Todesfällen durch suizidales Erdrosseln mit 47 Tötungen durch Erdrosseln. In 80% der Tötungen war in der Halshaut eine Drosselmarke partiell oder vollständig nachweisbar, im Gegensatz zu den Suiziden, hier waren es weniger als 10%. 2 von 19 Opfern nach Suizid zeigten eine einzelne Fraktur am Schildknorpel, in 21 Fällen bei den Tötungsdelikten fanden sich Verletzungen am Schildknorpel (in drei Fällen eine isolierte Schildknorpelhornfraktur und in 18 Fällen ausgeprägtere Verletzungen des Kehlkopfes, in 26 Fällen war der Kehlkopf unverletzt). Mehr als ein Horn des Kehlkopfes war in keinem Fall der Suizide frakturiert. Während Blutungen in die Kehlkopfmuskeln bei 25 % der Tötungsdelikte (n = 12) festgestellt wurden, fanden sich derartige Verletzungen in keinem Fall der Suizide. Blutungen in die Halsmuskulatur sind ebenfalls seltene Befunde beim suizidalen Erdrosseln. In 9 Fällen der Suizide zeigten sich Zungenblutungen, in 7 Fällen besonders intensiv; bei den Tötungen waren Zungenblutungen in über 50% der Fälle feststellbar. Resultierend aus diesen Ergebnissen können besonders die Verletzungen des Kehlkopf-Zungenbeinkomplexes bei der Unterscheidung zwischen Suizid und Tötung von Bedeutung sein, wenn mehr als ein einzelnes Horn frakturiert ist oder Weichteilverletzungen des Kehlkopfes vorliegen.
P-22 TOD DURCH NICHT ZUGELASSENE PYROTECHNIK Böhm U1, Dieck D1, Lessig R1, Seidel J2, Hellriegel S2 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig 2 Landeskriminalamt Sachsen, Kriminaltechnisches Institut Unfälle durch Feuerwerkskörper gehören zur traurigen Bilanz eines jeden Jahreswechsels. Häufig werden Hand- und Augenverletzungen berichtet, schwere oder gar tödliche Traumata kommen bei sachgemäßer Anwendung handelsüblicher Silvesterraketen jedoch so gut wie nicht vor. Die meisten Unfälle ereignen sich mit selbstgebastelten Knallkörpern oder durch die Anwendung von Silvester- oder Leuchtfeuerraketen, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Wir berichten über eine tödliche Kopfverletzung durch einen in Deutschland nicht zugelassenen, illegal eingeführten Feuerwerkskörper. Kasuistik: Ein 21 Jahre alter Mann stürzte nach der Detonation eines Silvesterknallers plötzlich zu Boden. Umherstehende Zeugen widersprachen sich in ihren Aussagen erheblich, es wurde jedoch bekannt, dass anlässlich des Neujahrsfeuerwerks in der BRD nicht zugelassene Pyrotechnik im Umlauf war. Der herbeigerufene Notarzt fand einen tief bewusstlosen Patienten mit einer stark blutenden Wunde am Hinterkopf vor. Es erfolgte eine notfallmäßige chirurgische Versorgung. Im Schädel – CT wurde der Nachweis einer Impressionsfraktur am Hinterkopf mit massiver Hirnblutung geführt. Der Patient verstarb am Nachmittag des Neujahrstages. Diskussion und Zusammenfassung: Durch die gerichtsmedizinische Sektion konnten die zu Lebzeiten erhobenen Befunde bestätigt werden. Bei der Untersuchung des Gewebes im Bereich der Hinterkopfwunde wurden Materialien festgestellt, die sich zwanglos der Art von Feuerwerkskörpern zuordnen ließen, welcher die tödliche Verletzung mutmaßlich verursacht hatte. Durch Zusammenführung der klinischen und sektionsmorphologischen Befunde, der spurenkundlichen Untersuchungsergebnisse und der Wirkungsuntersuchung gleichartiger Knallkörper konnte der Unfallhergang lückenlos rekonstruiert werden.
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UNGEWÖHNLICHE PFÄHLUNGSVERLETZUNGEN BEI PKW-LENKERN Darok M1, Jonak R2, Roll P1 1 Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Graz 2 Landeskrankenhaus Bruck/Mur, Abt. für Allgemeine Chirurgie
THORAXSTICH DURCH EINEN GRILLSPIESS MIT VERFORMUNG DES WERKZEUGS Driever F, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn
In den vergangenen Jahrzehnten wurden in Forschung und Entwicklung große Anstrengungen unternommen, um das Verletzungsrisiko von Fahrzeuginsassen bei Verkehrsunfällen zu mindern. Hierdurch ist es zu einem deutlichen Rückgang der Schwere von Unfallfolgen gekommen, früher häufige Verletzungsformen sind fast gar nicht mehr zu beobachten. Demgegenüber treten nunmehr andere Verletzungsmöglichkeiten in den Vordergrund.Wir stellen zwei Fälle von Pfählungsverletzungen bei Pkw-Lenkern vor. Im ersten Fall wurde auf der Autobahn ein stehender Pkw vorgefunden, die Windschutzscheibe wies fahrerseitig eine massive Beschädigung auf. Auf dem Fahrersitz saß ein lebloser Mann mit einer Verletzung im Halsbereich, auf der Rücksitzbank lag eine Metallstange. Die Untersuchung des Fahrzeuges und die durchgeführte Leichenöffnung ergaben, dass die Metallstange zunächst die Windschutzscheibe und dann den Hals des Mannes durchstoßen haben muss. Die Ermittlungen ergaben, dass ein auf der Gegenfahrbahn entgegenkommendes Fahrzeug eine Berührung mit der Leitschiene hatte, bei der sich die Metallstange gelöst hatte und durch die Luft auf die andere Fahrbahnseite geschleudert wurde. Der zweite Fall ereignete sich auf einer Bundesstraße nächst einem Stausee. Ein zufällig vorbeifahrender Rettungswagen wurde auf einen Mann aufmerksam, der sich an der Uferböschung festklammerte. Der Mann war ansprechbar und wies zwei Pfählungsverletzungen im Bauchbereich auf. Durch die schnelle Hilfe und eine mehrstündige Operation konnte sein Leben gerettet werden. Es konnte rekonstruiert werden, dass er mit seinem Pkw ins Schleudern geraten und gegen das Metallgeländer gestoßen war. Dabei durchstieß ein länglicher Metallteil des Geländers den unteren, stählernen Bereich der Fahrertüre und führte zu einer zweifachen Durchspießung der Bauchdecke. Zusammenfassend soll auf die Gefährlichkeit von Metallgeländern und -leitplanken hingewiesen werden. Im Sinne der Verkehrssicherheit sollten Straßenbegrenzungen aus soliden Materialien bestehen, von denen sich keine spitzen oder länglichen Teile ablösen können.
P-24 ZUM NACHWEIS VON TSH UND THYREOGLOBULIN BEIM SCHÄDEL-HIRN-TRAUMA Dreßler J, Klöditz J-U, Müller E Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden Die Regelkreisläufe der Produktion und des Transportes der Schilddrüsenhormone sind gegenwärtig ein viel diskutiertes Thema in der Grundlagenforschung der Rechtsmedizin. Signifikant erhöhte Thyreoglobulin (Tg)-Werte im Serum spielen u.a. sowohl bei der Erkennung der vitalen Gewalteinwirkung auf den Hals als auch beim SchädelHirn-Trauma (SHT) eine bedeutende Rolle. In einer prospektiven immunhistochemischen und immunradiometrischen Studie wurden hochgradige Expressionen von TSH in der Hypophyse, histologische Befunde der entspeicherten Schilddrüse und sehr hohe Tg-Werte im Serum des Herzblutes festgestellt. Dabei zeichnete sich ab, dass mit zunehmendem Verletzungsalter eine ansteigende Aktivierung des Regelkreislaufes der Schilddrüsenhormone zu verzeichnen war. Zur Differenzierung zwischen der vitalen Gewalteinwirkung auf den Hals oder den Schädel können das äußere Verletzungsbild als auch mikroskopische Zusatzbefunde – z. B. intracerebrale Kugel- o. Ringblutungen – herangezogen werden.
Tödliche Verletzungen durch Fleisch- oder Grillspieße werden im rechtsmedizinischen Obduktionsgut nur selten beobachtet, bei Tötungen handelt sich in der Regel um Zufallswerkzeuge im Rahmen von Streitgeschehen. Wesentlich häufiger sind akzidentelle Verletzungen, die dann zumeist – entsprechend der eigentlichen Funktion – intraoder perioral gelegen sind und nur ausnahmsweise todesursächliche Relevanz besitzen. Zur Reduktion der Verletzungsgefahr weisen Grillspieße zwar eine Spitze auf, die aber nicht angeschliffen ist, so dass entsprechende Stichverletzungen auf hohe Kraftaufwendung rückschließen lassen. Berichtet wird über die tödliche Thoraxstichverletzung eines 42 Jahre alt gewordenen Mannes, bei dem es zu einer erheblichen Verformung des Stichwerkzeuges gekommen war. Im Rahmen einer Grillfeier entstand zwischen zwei rußlanddeutschen Männern ein Streit über die korrekte Zubereitungsart des Schaschliks, woraufhin der Täter einen Schlag ins Gesicht erhielt, stürzte, sofort wieder aufsprang, einen fleischbestückten Grillspieß ergriff und zustach. Obduktionsbefunde waren Einstich in Nachbarschaft der linken Mamille, Bruch der 4. Rippe, Stichkanalverlauf transthorakal ansteigend mit Durchstich der linken Brusthöhle ohne Verletzung der Lunge, des Mittelfellraumes mit Eröffnung der Vena cava superior, des rechten Lungenoberlappens und Stichkanalende direkt unterhalb des rechten Schulterblattes. Todesursache war Verbluten nach innen, aus rechtsmedizinischer Sicht war aufgrund des relativ stumpfen Werkzeugs, Rippenbruch und Stichkanallänge von einer erheblichen Kraftaufwendung auszugehen. Dennoch wurde ein materialtechnisches Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem Ergebnis, dass aufgrund der Verformung des Stichwerkzeuges von einer maximalen Druckkraft zwischen 120 und 665 Newton auszugehen war.
P-26 UNGEWÖHNLICHER STROMTOD IN DER HAFTANSTALT Grellner W1, Fischer O2, Wilske J1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes, Gebäude 42, 66421 Homburg/Saar 2 DEKRA, Niederlassung Saarbrücken Stromtodesfälle können bekanntlich beim Fehlen oder Übersehen von Strommarken schwer aufklärbar sein. Nachfolgend soll ein tödlicher Elektrounfall in einer Haftanstalt vorgestellt werden, bei dem insbesondere die Auffindeumstände primär unauffällig erschienen und letztlich eine sehr ungewöhnliche Stromquelle nachgewiesen wurde. Es handelte sich um einen 21 Jahre alt gewordenen Abschiebehäftling, der beim morgendlichen Aufschließen der Zelle unerwartet tot auf seinem Bett aufgefunden wurde. Aufgrund der unauffälligen Zellenumgebung wurde zunächst an einen möglichen Drogentod gedacht. Bei der Obduktion wurden am linken Daumenendglied und an der zugewandten Seite des linken Zeigefingers typische Strommarken festgestellt. Hinweise für eine andersartige Gewalteinwirkung oder einen intravenösen Drogenkonsum lagen nicht vor. Die nochmalige Nachschau in der alleine bewohnten, größeren Drei-Mann-Zelle führte zu der Auffindung von verstreut liegenden Utensilien (zwei Gabeln mit Korrosionsspuren und Verformungen der Zinken, Radiokabel mit Buchsenteil, Wasserbehältnis), aus denen eine Art „Tauchsieder“ zum Erwärmen von Wasser gebaut werden konnte. Die Rekonstruktion zeigte, dass der Betroffene beim Berühren der Gabelzinken einen Stromschlag erhalten haben musste. Ein Stromabfluss über den isolierten Zellenboden war aus technischer Sicht auszuschließen, eine unmittelbare Todesursächlichkeit war auch aufgrund der Auffindeumstände nicht anzunehmen. Letztlich tödliche, in einem Intervall aufgetretene Rhythmusstörungen entweder infolge eines nicht ausRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts schließbaren Stromabflusses über die Gegenhand oder eines erheblichen Schreckereignisses könnten durch vorbestehende degenerative Herzmuskelveränderungen gebahnt worden sein. Der Fall belegt erneut die Tücken bei der Aufdeckung und Begutachtung von möglichen Stromtodesfällen.An ungewöhnliche Stromquellen muss gedacht werden, auch eine scheinbar unauffällige Umgebung schließt insbesondere bei einer ungeklärten Todesursache eine elektrische Einwirkung nicht aus.
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P-29 VERWENDBARKEIT DES „INJURY SEVERITY SCORE“ (ISS) FÜR DIE GERICHTSMEDIZINISCHE ABSCHÄTZUNG DER STERBEWAHRSCHEINLICHKEIT VON TRAUMA-PATIENTEN Maksymowicz K, Piechocki J, Swiatek B, Szleszkowski L Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wroclaw, Polen Anstalt für Notfallmedizin der Medizinischen Universität Wroclaw, Polen
Über Ersticken in ungewöhnlichen Positionen ist immer wieder berichtet worden. Häufig handelt es sich dabei um Fälle, in denen aufsichtspflichtige Personen in ihren Betten durch Gurt fixiert waren. Beim Herausfallen aus dem Bett oder durch unglückliches Drehen blieben sie so im Gurt hängen, dass sie sich strangulierten oder die Atemexkursionen behindert waren. In dieser Kasuistik wird über einen Todesfall durch Einklemmung des Halses zwischen Sitzfläche und Fußteil eines mechanischen Fernsehsessels berichtet. Die Betroffene geriet auf der Suche nach einer Zigarette, die ihr unter den Sessel gefallen war, mit dem Kopf in o.g. Position und konnte sich aus ihrer misslichen Lage nicht befreien, weil sie mit ihrem Körpergewicht das Fußteil in die Senkrechtposition und somit gegen die untere Vorderkante der Sitzfläche drückte. Lokale morphologische Befunde, wie man sie nach Kompression der Halsweichteile erwarten würde, waren auf einer Halsseite mäßiggradig ausgeprägt, auf der anderen Seite fehlten sie. Die Gesamtheit der Befunde belegt einen Erstickungsvorgang.
Bei der gerichtsmedizinischen Begutachtung von notfall- bzw. intensivmedizinisch versorgten, polytraumatisierten Patienten stellt sich oft die Frage nach der Sterbewahrscheinlichkeit. Die Prognose stützt sich sowohl auf die Analyse von Beschaffenheit, Lokalisation und Schweregrad der Verletzungen als auch auf die Auswertung der medizinischen Behandlungsmaßnahmen. Naturgemäß sind derartige Begutachtungen mit einem gewissen Grad an Subjektivität belastet. Um diese auf ein Minimum zu reduzieren und die Objektivität der Bewertung zu erhöhen, prüften die Autoren die Anwendbarkeit des INJURY SEVERITY SCORE (ISS) nach BAKER (1974). Dieser Summenpunktwert, welcher den anatomisch orientierten Score-Systemen zuzuordnen ist, wird seit mehreren Jahren in der Notfall- und Intensivmedizin angewandt und soll einen objektiven Vergleich von polytraumatisierten Patienten mit unterschiedlichen Verletzungsmustern ermöglichen. Derartige Summenpunktwertsysteme dienen in der klinischen Medizin sowohl als Mittel zur Qualitätssicherung der Therapie als auch – ex ante – zur Evaluierung des patientenbezogenen, individuellen Sterberisikos. Bei letalem Verlauf können diese Bewertungssysteme auch – ex post – zur gutachterlichen Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob der Tod aus gerichtsmedizinischer Sicht als „vermeidbar“ einzuschätzen wäre.
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LUNGENGEWICHT UND PLEURATRANSUDAT BEI ERTRINKUNGSTOD IM VERGLEICH ZU ERSTICKUNGSUND AKUTEN HERZTOD Maeda H1, Fujita MQ1, Zhu BL1, Nishi K2, Tsuji T3 1 Institut für Rechtsmedizin der Staedtischen Universität Osaka, 545-8585 Osaka, Japan 2 Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Universität Shiga, Ootsu, 520-2192 Shiga, Japan 3 Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Universität Wakayama, 641-0012 Wakayama, Japan
RETROSPEKTIVE ANALYSE VON 68 KÄLTETODESFÄLLEN Oesterhelweg L, Klotzbach H, Püschel K Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, D-22529 Hamburg
TODESFALLE FERNSEHSESSEL Henn V, Schmidt V Institut für Rechtsmedizin Halle
Zur Diagnose des Ertrinkungstodes wurden Lungengewichte und Pleuratranssudatsmengen bei Tod durch Ertrinken in Suesswasser (N=70) und Salzwasser (N=75), Erstickung (N=85) und akutem Herztod (N=82) vergleichend untersucht. Bei Ertrinkungstod wurden eine allmaelich abnehmende Tendenz des gesamten Lungengewichtes und eine Zunahme des Pleuratranssudates beobachtet, die auf postmortale Transsudation aus den Lungen hinwies. Wenn Lungengewicht und Pleuratranssudat addiert wurden, zeigte der Wert nach Immersion in Salzwasser fuer drei Tage deutlich eine abnehmende Tendenz, was auf einen Verlust des Transsudates aus den Pleurahoehlen durch osmotische Einwirkung des Salzwassers hinwies. Bei relativ frischen Leichen (<3 Tagen nach dem Tod) zeigten die Summen aus Lungengewicht und Pleuratranssudat (geschaeztes gesamtes Lungengewicht bei Eintritt des Todes) von den Todesursachen abhaengig Abweichungen: Der Wert war im Durchschnitt am groessten bei Ertrinken in Salzwasser, gefolgt von Ertrinken in Suesswasser, akutem Herztod und Erstickungstod, variiert jedoch edenfalls stark mit Geschlecht und Alter der Verstorbenen. Dies wies auf einen wesentlichen Einfluss individueller Koerperstaerke bzw.Vitalitaet auf das postmortale Lungengewicht beim Ertrinkungstod hin.
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Im Hinblick auf morphologische Befunde sowie epidemiologische und phänomenologische Merkmale wurden 68 Sektionsfälle des Institutes für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf der Jahre 1986–2000 ausgewertet, in denen ein Zusammenhang des Todeseintrittes mit einer Kälteeinwirkung vorlag. Als morphologische Zeichen des Kältetodes fanden sich in 82% der Fälle Wischnewski-Blutungen der Magenschleimhaut und in 56% der Fälle sog. Frostflecken. Bei 30% der Verstorbenen konnte eine Blutalkohol-Konzentration <1‰ nachgewiesen werden. 69% der Personen verstarben im Freien. Paradoxes Entkleiden wurde bei 53% der unter Kälteeinwirkung verstorbenen Personen beobachtet. Die Ergebnisse konnten sieben Fallgruppen zugeordnet werden, wobei z.T. kombinierte Konstellationen vorlagen: Akute Alkoholisierung (n=21), psychophysische Erkrankung (n=13), Obdachlosigkeit (n=11), Verwirrtheitszustände im Alter (n=9), Suizidalität (n=7) sowie Einwirkung fremder Hand (n=3). In 9 Fällen konnte keine Zuordnung zu diesen Gruppen erfolgen. Die relative Häufung von Kältetodesfällen älterer Menschen sowie von Angehörigen sozialer Randgruppen wirft die Frage der Vermeidbarkeit derartiger Todesfälle bei anders gestalteten Betreuungsmöglichkeiten dieser Personengruppen auf.
P-31 SUIZID DURCH HÖLZERNE „TANDEMPROJEKTILE“ MITTELS ZWEI SCHÜSSEN AUS EINEM MANIPULIERTEN SCHRECKSCHUSSREVOLVER Padosch SA1, Schmidt P1, Modest I2, Milbradt H3, Madea B1 1 Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2 Kriminalpolizei St. Augustin – KK 11, 53757 St. Augustin 3 KTU Bonn, 53113 Bonn Schreckschusswaffen gelten als unterschätzte Waffengattung. Nach Manipulation, in der Regel durch Einbau zusätzlicher Teile, können damit auch Projektile abgefeuert werden. Nachfolgend wird ein Suizid mit einem Schreckschussrevolver vorgestellt, bei dem die Manipulation ausschließlich aus dem Entfernen sämtlicher Sperrvorrichtungen bestand und selbst hergestellte hölzerne Tandemprojektile verfeuert wurden. Ein 77 Jahre alt gewordener Mann wurde in seiner Wohnung im Sessel sitzend aufgefunden. In der auf den Schoß gesunkenen linken Hand lag locker ein Schreckschussrevolver (Reck-Cobra, cal. .380 Knall).Auf dem Tisch stand ein Glas mit Resten des Insektizids „Blattlanex“. An beiden Schläfen wurden 4 cm durchmessende nicht adaptierbare Einschussverletzungen mit lazerierten Wundrändern, Pulverschmauchantragungen und versengten Haaren festgestellt. An dem Revolver waren der Sperrstift sowie der dahinterliegende Stahlkeil in der Laufattrappe entfernt worden . Ein Teil des Rahmens war ausgebrochen worden, um so den Lauf vom Rahmen zu trennen. Danach wurde der Sperrstift ausgefräst und der Stahlkeil ausgedrückt. Der Lauf wies somit einen Durchgang von 7,8 mm auf. Die Laufattrappe wurde wieder eingesetzt und verstiftet. Ebenso wurden die Trommelsperren in den Trommelbohrungen ausgefräst und so ein Innendruchmesser von 7,8 mm geschaffen. Als Projektile wurden aussergewöhnlicherweise 15 mm lange Holzdübel (Ø = 5 mm) verwendet. Diese wurden als „Tandemprojektile“ auf die gebördelten Spitzen von Kartuschen Knall 9 ¥ 17 aufgeklebt und aus dem Revolver verschossen. Der vorgestellte Fall weist folgende Besonderheiten auf: Veränderungen an der Waffe ohne Einbau zusätzlicher Teile, Verwendung selbst hergestellter hölzerner „Tandemprojektile“, suizidale Beibringung von zwei Schädelsteckschüssen.
P-32 HOW ROUTINE INTERPRETATION OF GUNSHOT WOUNDS COULD BE QUITE MISLEADING Piette MHA1, De Durpel EM2, De Letter EA1, Cordonnier JACM3 1 Ghent University, Dept. of Forensic Medicine, J. Kluyskensstraat 29, 9000 Ghent, Belgium 2 Belgian Royal Military Academy, Ballistics Dept, Renaissancelaan 30, 1040 Brussels, Belgium 3 Chemiphar NV – Toxicological Laboratory, L. Bauwensstraat 4, 8200 Bruges, Belgium Objectives: 1. To avoid routine and established ways of thinking in wound ballistic interpretation. 2. To interpret properly the appearance of gunshot wounds originating from high velocity centerfire hunting ammunition. Text: A 37-year-old woman was fatally wounded by two semi-jacketed, .30-30 WIN-soft point Classic HI Shok FEDERAL bullets fired from a MARLIN model 336W lever action centerfire rifle. In the back of the head there was an open multi-fragmentary skull fracture (diameter of about 10 cm), while in the left neck an almost circular hole of 18 mm was seen. In the right thorax, an elliptical wound (11 to 8 mm) and in the left thorax an almost circular hole of 35 mm was seen. The left upper arm showed a wide laceration of about 10 cm in length. Broad
abrasions were noticed at the inner left arm and adjacent thoracic wall. Initially, the entrance wounds were thought to be the smallest ones (in the neck and the right thoracic wall), while the most destructive lesions in the head, the left arm and the thorax were considered as broad exit holes. However, further consideration (autopsy findings, closer inspection of garment, smoke soiling analysis) demonstrated that the shooting directions were definitely reverse. Indeed in the lateral laceration of the left arm, a semi-circular abrasion ring was reconstructed: the huge muscle disruptions were compatible with the radial energy transfer of a high velocity missile (originated by a temporary cavity). The abrasions at the inner arm and thorax were compatible with shored exit and entrance wounds, respectively. Shooting experiments in ballistic (NATO STANAG) gelatine blocks using the retrieved weapon and ammunition were performed.
P-33 SCHUSSVERLETZUNGEN TROTZ KUGELSICHERER WESTE Popov VL, Turin MV Regional Office of Forensic Medicine Examination, St. Petersburg, Russland Es wurden experimentell sowie prospektiv aus dem laufenden Begutachtungsgut Schussverletzungen am durch verschiedene kugelsichere Westen geschützten Rumpf untersucht. Die eine kugelsichere Weste durchgeschlagenen Projektile können zu einer Reihe von polymorphen Verletzungen führen. Diese haben jedoch einige gemeinsame Merkmale. Zu beobachten sind meistens mehrere oberflächliche Hautläsionen, die selten die großen Körperhöhlen öffnen. Die Einschusslücken haben in der Regel einen kleinen Hautdefekt mit einem rundlichen Hämatom von 4 cm bis 5 cm Durchmesser am Rande (nicht mit Kompressionswirkung der Schussgase zu verwechseln!).An den Wundrändern sind auch zahlreiche kleine oberflächliche Epidermisläsionen zu erkennen (nicht mit Pulvereinsprengungen zu verwechseln!). Die röntgenologische Untersuchung der Einschusslücke erlaubt fast immer den Nachweis von Teilen des zerlegten Projektils und der Kugelweste. Manchmal beobachtet man auch Verletzungen der inneren Organe durch Teile des zerlegten Projektils. Der Stahlkern des Projektils kann auch einen eigenen Schusskanal bilden, der selten zu Ausschüssen führt. Neben der experimentellen Untersuchung der Morphologie der Einschusslücken wurden Grenzwerte der Geschossenergie ermittelt, die zum Durchdringen von verschiedenen Kugelwesten erreicht werden müssen.
P-34 VERLETZUNGSBEFUNDE BEI TÖDLICHEN TREPPENSTÜRZEN Preuß J1, Driever F1, Madea B1, Lignitz E2 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2 Institut für Rechtsmedizin der Universität Greifswald, Kuhstr. 30, 17489 Greifswald Neben anderen Stürzen zählen Treppenstürze vor allem im häuslichen Bereich zu den häufigsten Unfällen. Hierbei kommt es meist zu stumpfen Gewalteinwirkungen auf mehrere Regionen des Körpers. Basierend auf einer am Bonner Institut durchgeführten und im Archiv für Kriminologie veröffentlichten retrospektiven Analyse zu den Verletzungsmustern bei 52 tödlichen Treppenstürzen in einem 8-Jahreszeitraum, wurden jetzt weitere Fälle zum Vergleich hinzugezogen. Die Ergebnisse spiegeln jetzt einen Zeitraum von 12 Jahren wieder. Des weiteren wurden 61 Fälle von tödlichen Treppenstürzen aus dem Sektionsgut des Greifswalder Institutes für Rechtsmedizin unter den gleichen Kriterien wie die Bonner Fälle ausgewertet. Hierbei wurden die bereits in Bonn gewonnenen Ergebnisse weitgehend bestätigt. Vor allem im Hinblick auf die Häufigkeit von TrepRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts penstürzen beim männlichen Geschlecht und in höherem Lebensalter zeigten sich keine regionalen Unterschiede zwischen Bonn und Greifswald. Auch die Alkoholisierung als häufigste Ursache der Treppenstürze vor allem bei jüngeren Menschen wurde durch die hinzugezogenen Greifswalder Fälle weiter untermauert, wobei im Greifswalder Institut in den meisten Fällen eine Alkoholbeteiligung in der Vorgeschichte dokumentiert ist, während dieses nur bei etwa 50 % der Bonner Fälle zu finden ist. Auch bei den Greifswalder Fälle war der Tod in der überwiegenden Zahl der Fälle durch Kopfverletzungen bedingt. Oftmals waren mehrere Regionen des Körpers mit unterschiedlicher Häufigkeit betroffen.
P-35 ZUR FORENSISCHEN QUANTIFIZIERUNG DER VERLETZUNGSSCHWERE MITTELS INJURY SEVERITY SCORE (ISS) BEI UNFALLTRAUMEN Schmidt P, Thiesmeyer St, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 1998 haben Wyatt, Beard und Busuttil angeregt, mathematisch definierte Scores zur reproduzierbaren Quantifizierung der Verletzungsschwere bei forensischen Fragestellungen zu nutzen. Ein in der Unfallchirurgie entwickeltes System zur quantitativen Skalierung der Traumaschwere, der ISS war auf Verletzungsmuster bei Tötungsdelikten übertragbar.An einem Sektionsgut von 104 Unfallopfern (32 Frauen, 72 Männer,Alter 9 Monate bis 102 Jahre) wird nun retrospektiv analysiert, ob eine vergleichbare Verletzungsschwerediskriminierung auch bei Unfalltraumen gelingt. Die Unfalltypen wurden klassifiziert als 16x Verkehrsunfall, 29x Sturz, 10x Einklemmen, 27x Brand, 13x Ertrinken, 4x Intoxikation und 5x andere.Todesursächlich waren 33x Schädel-Hirn-Trauma, 10x Thoraxtrauma, 2x Bauchtrauma, 12x Polytrauma, 12x Hitze-und Flammen, 18x Intoxikation, 13x Ertrinken, und 2x Komplikationen. 65 Unfallopfer verstarben sofort am Unfallort, 24 überlebten bis zu 2 Tagen, 15 bis zu 22 Tagen. 26 Verstorbene hatten gravierende Vorerkrankungen. Signifikant hohe ISS-Scores errechneten sich für Verkehrsunfälle, Sturz, Einklemmen und todesursächliche Polytraumen. Signifikant negative Korrelationen ergaben sich mit höherem Lebensalter, Vorerkrankungen und Überlebenszeit. Die forensische Skalierung war problematisch bei Lokalisation mehrerer relevanter Verletzungen in ein- und derselben Körperregion, die durch den AIS angemessener erfasst wurden als durch den für Polytraumen konzipierten ISS. Für Hypothermie, Verbrennungen und CO-Intoxikationen existieren forensisch praktikable AIS-Scores, nicht jedoch für weitere Vergiftungen und Ertrinkungsunfälle. Möglichkeiten einer Objektivierung der Begutachtung sind bei Anwendung des ISS z.B. in Fällen mittelbarer Kausalität oder bei der Abwägung konkurrierend todesursächlicher innerer Erkrankungen zu erwarten.
P-36 MORPHOLOGIE VON SCHÄDELFRAKTUREN NACH EINWIRKUNG VON VERSCHIEDENEN STUMPFEN GEGENSTÄNDEN Shadymov AB Lehrstuhl für gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Altay, Barnaul, Sibirien, Russland Aus dem laufenden Obduktionsgut wurden Fälle mit tödlichen Schädelhirnverletzungen unter geklärten Umständen systematisch untersucht. Dabei lag der Schwerpunkt der Untersuchungen auf der Morphologie der Schädelfrakturen in Abhängigkeit von Art und Form der verursachenden stumpfen Gegenstände. Nach Mazeration wurden alle Schädelfrakturen in vier große Gruppen zusammengefasst: Loch-, Impressionsfrakturen, linienförmige Frakturen sowie Globusbrüche. Linienförmige Frakturen sowie die Globusbrüche boten nur wenig
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Informationen bezüglich der Rekonstruktion der einwirkenden Kontaktfläche. Lochbrüche lieferten naturgemäß immer sehr gute Differenzierungsmerkmale in Bezug auf die eingewirkte Kontaktfläche, wobei diese Merkmale nur dann entstehen, wenn kleinflächige Gegenstände mit hoher Geschwindigkeit (z. B. bei Verkehrsunfällen) auf den Schädel treffen. Impressionsfrakturen waren bei stumpfen Gegenständen mit einer Kante bzw. einem kleinen rundlichen Gegenstand zu beobachten, wobei die tatsächliche Größe bzw. Fläche des Gegenstandes keine Rolle gespielt hat. Entscheidend war die Länge bzw. die Ausprägung der einwirkenden Kante. Auch die anatomischen Gegebenheiten des Schädels haben einen großen Einfluss auf die Morphologie der Schädelfraktur. So wurden z. B. bei Schädeln mit ausgeprägter Spongiosaschicht keine klassischen Lochbrüche beobachtet, da die lokalen Zerstörungen ständig ein größeres Ausmaß als bei vergleichbaren Fällen mit „normalen“ Schädeln hatten. Bei spongiosareichen Schädeln waren oft Impressionsfrakturen unabhängig von der Form des einwirkenden Gegenstandes zu beobachten. Linienförmige Frakturen waren dagegen sehr oft bei Schädeln mit dicken Kompaktschichten fast ohne Spongiosa zu beobachten. Die Globusbrüche waren bei allen Schädelknochentypen zu sehen.
P-37 AUSSERGEWÖHNLICHE TÖDLICHE PENETRIERENDE SCHÄDEL-HIRN-VERLETZUNGEN Sidlo J, Bauerov J Institut für Rechtsmedizin, Krankenhaus des St. Cyril und Metod Petrzalka, Slowakische Postgraduale Akademie der Medizin, Bratislava, Slowakei Gewalttätige Todesfälle gehören zur alltäglichen rechtsmedizinischen Praxis. Im Obduktionsgut des Institutes für Rechtsmedizin des Krankenhauses der St. Cyril und Metod Petrzalka und Slowakischen Postgradualen Akademie der Medizin in Bratislava nehmen sie einen Anteil von ca. zwei Dritteln (d.h. 66 %) aller Todesfälle ein. Mehr als die Hälfte dieser Fälle (52 %) sind Schädel-Hirn-Verletzungen. Am häufigsten handelt es sich um Traumata bei Verkehrsunfällen, Stürzen aus der Höhe und um Schußverletzungen. Es sollen drei außergewöhnliche tödliche penetrierende Schädel-HirnVerletzungen dargestellt werden. Die Verletzungen wurden durch drei verschiedene Fremdkörper verursacht. Fall Nr.1: Ein 26-jähriger Mann führte Arbeiten mit einer Kettensäge aus. Dabei riß die Kette und ein losgelöstes Bruchstück führte zu einer tödlichen penetrierenden Kopfverletzung. Ermöglicht wurde der Unfall erst durch mehrere Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften. Fall Nr. 2: Während einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einem 56-jährigen Mann und seinem Sohn mit einem Regenschirm erlitt der Vater eine Orbitaverletzung. Der tatsächliche Umfang der Schädigung wurde bei der primären Untersuchung nicht festgestellt. In der späteren CT-Untersuchung wurde eine Orbitafraktur und eine Hirnblutung diagnostiziert. Erst bei der Obduktion konnte der genaue Pfählungskanal und der Verletzungsmechanismus geklärt werden. Fall Nr. 3: Ein 59-jähriger, alkoholabhängiger und an einer paranoiden Psychose leidender Diabetiker skalpierte sich stufenweise viermal die Kopfhaut in der Scheitelbeinregion. Schließlich perforierte er mit dem Messer den Schädel und die Dura. Selbstverletzungen durch scharfe Gewalt werden in der Fachliteratur relativ oft beschrieben, dagegen stellen selbstbeigebrachte Schädelperforationen eine Seltenheit dar. In manchen Fällen (z. B. Fall 2 und 3) stand zum Obduktionszeitpunkt nur eine unzureichende Anamnese z. B. aus dem Zeitraum der primären ärztlichen Behandlung zur Verfügung. Deshalb ist für den Obduzenten die Zusammenarbeit bzw. das Gespräch mit der Polizei und den klinischen Kollegen von großer Bedeutung.
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VIRTOPSY: NEUE MÖGLICHKEITEN DER BEFUNDERHEBUNG BEIM WÜRGEN Yen K1, Vock P2, Sonnenschein M2, Zollinger U1, Dirnhofer R1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Bühlstr. 20, 3012 Bern, Schweiz 2 Institut für Diagnostische Radiologie des Inselspitals Bern, 3010 Bern, Schweiz
THYREOGLOBULIN-LEVELS AS A POSSIBLE MARKER FOR NECK INJURIES: PRESENTATION OF PRELIMINARY RESULTS Behrendt N, Vanezis P, Johansen FF Dept. of Pathology, Bispebjerg Hospital, Copenhagen, Denmark Dept. of Forensic Medicine & Science, Univ. of Glasgow, Scotland Neuropathological Laboratory, Univ. of Copenhagen, Denmark
Ziel: Methodenvergleich zwischen den radiologischen bildgebenden Verfahren Magnetresonanztomographie (MRT) und Multislice – Computertomographie (MSCT) und der klassischen forensischen Autopsie im Hinblick auf die Erfassung und Dokumentation von Halsbefunden nach Würgen. Material und Methode: Im Rahmen des „Virtopsy“-Projekts wurden zwei Frauen, die durch Würgen getötet worden waren, mittels MRT und MSCT untersucht und anschliessend obduziert. Der dritte Fall betraf eine lebende Frau, die ein mehrminütiges Würgen überlebt hatte. Mit ihrem Einverständnis wurde zur Erhebung der radiologischen Befunde eine Magnetresonanztomographie des Halses durchgeführt. Resultate: Sowohl bei der Überlebenden als auch bei den Verstorbenen liessen sich relevante traumatologische Halsbefunde nach Würgen mit den radiologischen Methoden feststellen, wobei die MRT zur Beurteilung der Weichteilbefunde besser geeignet war als die MSCT. Hingegen konnte eine bei einem Leichnam vorhandene streifige Stimmbandblutung im MSCT- sowie MR – Bild im Gegensatz zur Autopsie nicht sicher erkannt werden. Diskussion: Die vorliegende Untersuchung bestätigt die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Rechtsmediziner und Radiologen bei der Auswertung der oft sehr diskreten Befunde. Bei den ersten im Rahmen des „Virtopsy“ – Projekts untersuchten Strangulationsfällen zeigten die bildgebenden Methoden eine gute Übereinstimmung mit der Autopsie. Eine Überlegenheit der digitalen Schnittbildverfahren ergab sich bei der Befunderhebung an autoptisch schwerer zugänglichen Regionen wie Nacken und Gesicht oder bei der Darstellung knöcherner Strukturen. Die Anwendung bildgebender Verfahren am Lebenden bietet neue diagnostische Möglichkeiten in der forensischen Medizin.
Violence against the neck region is always potentially or directly lifethreatening. However, it can be difficult to diagnose, as petecciae and/or skin lesions on the neck region are not always present(1). This makes it difficult for police and prosecutors to produce evidence proving strangulation attempts or other violence against the neck region, despite the severity of such an assault. The project presented is based on published Japanese and German research showing, that victims of lethal violence against the neck have high levels of the hormone thyreoglobuline in their blood (2–3). However, unlike other earlier studies this project focuses on raised thyreoglobulin levels in survivors of violence against the neck. In addition, a method for eliminating false positives, and a study of the mechanism behind high hormone levels due to pressure on the neck will be examined. It is assumed, that pressure on the glandula thyreadea increases production of thyreoglobulin for a limited time-period, after which hormone production decreases to normal levels. The project is a multi-center study between clinical and laboratory departments of the Copenhagen Hospital Corp., the Department of Forensic Medicine and Science of University of Glasgow and the Neuropathological Laboratory of the University of Copenhagen. The preliminary results will be presented and discussed. References: 1. Peter Vanezis Pathology of Neck Injury. Butterworths, London, 1989. 2. Müller E. Thyreoglobulin and violent asphyxia. For sci int 90(1997) 165–170. 3. Yada S. Demonstration of thyreoglobulin in the heart blood in fatal cases of strangulation and cut throat. Act crim jpn 39 (1972) 70–71.
P-41 Forensische Pathologie, Biochemische Aspekte P-39 PLÖTZLICHE TODESFÄLLE VON HERZSCHRITTMACHER-PATIENTEN – FORENSISCHE RELEVANZ ÄUSSERER STÖRFAKTOREN Riße M1, Irnich W1, Bartsch C1, Stertmann WA2, Weiler G1 1 Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Gießen 2 Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Gießen Bei plötzlichen Todesfällen von Herzschrittmacher-Patienten stellt sich über die Frage der Todesursache hinaus die eines möglichen kausalen Zusammenhangs zwischen einer etwaig bestehenden Schrittmacher-Dysfunktion oder einer äußeren Beeinflussung der Schrittmacher-Funktion und dem akuten Todeseintritt. Derartige Fälle erfordern daher zum Ausschluss einer konkurrierenden Todesursache eine autoptische Klärung sowie zur Funktionsdiagnostik des Schrittmachersystems eine medizinisch-technische Untersuchung und Stellungnahme. Am Beispiel mehrerer Todesfälle von Schrittmacher-Patienten bei radiologischer Untersuchung im Kernspintomographen werden Möglichkeiten technischer Störfaktoren auf die Schrittmacher-Funktion im medizinischen und außerärztlichen Bereich und die sich daraus ergebenden praktisch-klinischen Konsequenzen aufgezeigt.
MYOKARDVERÄNDERUNGEN BEIM STROMTOD VERSUS ELEKTRISCHE DEFIBRILLATION Dermengiu D1, Dermengiu S1, Buda O1, Trübner K2 1 Institut für Rechtsmedizin „Mina Minovici“, Bukarest, Rumänien 2 Institut für Rechtsmedizin, Universität Essen Ein 20-jähriger Mann erlitt einen Stromschlag, wobei die präkordiale Region die Stromeintrittspforte darstellte. Nach einigen Minuten des Herzstillstandes waren die Wiederbelebungsmaßnahmen erfolgreich. Er überlebte in einem vegetativen Status drei Tage auf der Intensivstation, wobei immer wieder schwere Herzrhythmusstörungen auftraten und verstarb schließlich unter dem klinischen Bild eines Herzstillstandes. Die Sektion ergab eine transmurale Koagulationsnekrose im linken Ventrikel. Obwohl dieser Befund Ähnlichkeiten (sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch) mit einer stattgehabten ischämischen Nekrose aufwies, fanden sich auch charakteristische Merkmale (große Gebiete fehlender Myofibrillen, die durch ein feines Netz von Bindegewebsfasern mit eingestreuter lymphomonocytärer Infiltration ersetzt wurden). Diese Befunde wurden mit denen anderen Fälle nichtkardialer Todesursache verglichen, bei denen eine elektrische Defibrillation durchgeführt wurde. Obwohl die elektrische Defibrillation bestimmte histologische Myokardveränderungen (z. B. subepikardiale Blutungen, myokardiale Blutungen, Fragmentation und Undulation von Myofibrillen) erklären kann, sind sie abgrenzbar von Befunden, die bei tödlichen Stromunfällen entstehen. Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts P-42 MYOKARDITISDIAGNOSTIK BEI PLÖTZLICHEM SÄUGLINGSTOD – UNTERSUCHUNGEN VON 60 FÄLLEN Dettmeyer R1, Baasner A1, Schlamann M1, Winkelmann S1, Haag C2, Graebe M1, Kandolf R3, Madea B1 1 Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2 Institut für Pathologie, Klinikum Solingen, Gotenstr. 1, 42653 Solingen 3 Institut für molekulare Pathologie, Klinikum Tübingen, Liebermeisterstr. 8, 72076 Tübingen Fragestellung: Um zu klären, ob mit immunhistochemischen und molekularpathologischen Methoden eine höhere Inzidenz an Myokarditiden bei vermeintlichen SIDS-Fällen nachweisbar ist als konventionell histologisch, wurden Myokardproben eines größeren Kollektivs von mutmaßlichen SIDS-Fällen entsprechend untersucht. Material: Bei einem Kollektiv von 60 Fällen von mutmaßlichem plötzlichen Säuglingstod wurden vom Myokard jeweils 8 Proben definierter Lokalisation entnommen sowie nach maximal 48-stündiger Fixierung in Paraffin eingebettet. Methode: Die Myokardproben wurden konventionell-histologisch (HE, LFB, Mallory) und immunhistochemisch (LCA – Leukozytenmarker, CD45RO – T-Lymphozyten, CD68 – Makrophagen, MHCKlasse-II-Moleküle, C5b-9-Komplement-Komplex – Nekrosemarker, VP1-Kapsid-Protein der Enteroviren) untersucht. Molekularpathologische Untersuchungen mittels PCR bzw. RT-PCR erfolgten an Leber-, Milz und Myokardproben zum Nachweis von Enteroviren, Adenoviren, Parvovirus B19 und Epstein-Barr-Virus. Zusätzlich wurde die PCR-Erregerdiagnostik an Myokardproben von 30 Säuglingen bzw. Kindern im Alter bis zu 10 Jahren durchgeführt. Ergebnisse: Während konventionell-histologisch lediglich in 1 Fall eine lympho-monozytäre Myokarditis im Sinne der Dallas-Kriterien diagnostiziert werden konnte, zeigten die immunhistochemischen Befunde einschließlich Qualifizierung und Quantifizierung der interstitiellen Leukozyten erhebliche Differenzen in der Intensität der inflammatorischen Aktivität, so dass in weiteren Fällen eine Myokarditis diagnostiziert oder der begründete Verdacht auf eine Myokarditis geäußert werden konnte. In Einzelfällen gelang immunhistochemisch die Darstellung des enteroviralen Hüllproteins VP1 in den Kardiomyozyten ebenso wie der mikrofokale Nachweis von C5b-9-Komplement-Komplex. Molekularpathologisch wurde in 14 Fällen ausschließlich in den Myokardproben enterovirales Genom nachgewiesen werden (davon 4 mal Coxsackievirus B3), in 7 Fällen PVB19, in 2 Fällen Adenoviren, in 3 Fällen Epstein-Barr-Virus und in 1 Fall Humanes Herpes Simplex Virus Typ 6 (HHSV 6).
P-43 UNTERSUCHUNG ZUR NIERENSCHÄDIGUNG BEI DROGENKONSUMENTEN Graß H 1, Schuff A2, Staak M1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln 2 Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin Heidelberg Im Zusammenhang mit der Aufnahme von Suchtmitteln sind organspezifische Schädigungsmuster bekannt und werden in der vitalen und forensischen Diagnostik berücksichtigt. Für langjährig Heroin konsumierende Personen wird u.a. eine glomeruläre Nephropathie beschrieben. Die in diesem Kontext in der Literatur dargestellten Befunde sollten an einem eigenen Untersuchungsgut unter Einbindung einer alters- und geschlechtsangepassten Kontrollgruppe überprüft werden.Aus einer Fallsammlung der Jahre 1999 und 2000 konnten zunächst 20 Nierenpräparate von Drogentoten berücksichtigt werden. Zur feingeweblichen Begutachtung wurden folgende Färbungen aus-
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gewertet: HE, PAS, CD 68 und LCA (zur Methode siehe auch Dettmeyer et a. 1998). Unter Fokusierung auf ein entzündliches Geschehen am Nierengewebe fand sich bei 9 Drogenkonsumenten eine Pyelonephritis (45%), Makrophagen- oder Lymphocytenanreicherung in den Glomeruli fand sich in 8 Fällen oder 40%, davon je 1x in der Ausprägung einer moderaten bzw. schweren Glomerulonephritis. Eine geschlechtsspezifische Analyse weist aus, dass die Mehrzahl der Pyelonephritiden (n=6) den weiblichen Drogentodesfällen (n=7) zuzuordnen sind. In der Kontrollgruppe fand sich hingegen keine Pyeloenphritis und i.w. kein auffälliger glomerulärer Befund. Zusammenfassend war die Gruppe der Drogenkonsumenten häufiger von einer lymphocytären glomerulären Veränderung betroffen als eine Kontrollgruppe und auch als eine andere soziale Rand/Risikogruppe (Vergleichskollektiv Personen ohne festen Wohnsitz). In Verbindung mit dem jeweiligen Hepatitis-Status fiel bei 100% Immunstatusprüfung aber auf, dass 5 Fälle mit positivem LCA-Ergebnis HBV & HVC positiv waren. Unter alleiniger Betrachtung des HCV-Status gingen 7 von 8 auffälligen LCABefunden mit einer HCV einher.Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, Untersuchungen zur Heroin-assoziierten Nephropathie in Kombination mit einer vollständigen Erfassung des Immunstatus für virale Hepatitiden und auch unter Berücksichtigung einer Kontrollgruppe fortzuführen.
P-44 DREI SIDS-TODESFÄLLE IN EINER FAMILIE? Große Perdekamp M, Bohnert M, Pollak S Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg Vorgestellt wird der Fall einer Kindsmutter, bei der es 3-mal in Folge zum plötzlichen Tod ihrer Säuglinge kam. Bei den Geburten ihrer Kinder war die Mutter 20, 24 und 28 Jahre alt. Das erste Kind wurde 11 Wochen alt, das zweite starb nach 7 und das dritte nach 2 Wochen. Zur Klärung der Todesursachen wurden in allen drei Fällen rechtsmedizinische Obduktionen angeordnet. Durch zwischenzeitliche Umzüge der Kindsmutter waren an der Bearbeitung der Fälle drei verschiedene Polizeidienststellen und rechtsmedizinische Institute (Tübingen, Ulm, Freiburg) beteiligt. Anhand der Obduktionsbefunde wird auf die differentialdiagnostischen Schwierigkeiten beim Tod im Säuglingsalter – insbesondere bei der Abgrenzung von SIDS und spurenarmem Ersticken – eingegangen.
P-45 ALARMSUBSTANZEN ALS ANGSTINDIKATOREN Hauser R1, Marczak M2, Gos T1, Karaszewski B1, Luczak N1, Wodniak-Ochocinska L1 1 Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Akademie in Gdansk, Polen 2 Institut für Analytische Chemie, Technische Hochschule in Gdansk, Polen Die durch Tiere abgesonderten Duftstoffe, die sog. Pheromone (secret signals among animals) sind Signalsubstanzen, die im Gemeinschaftsleben große Bedeutung erlangen. Funktionale Relevanz haben sie im Kontext von Territorial- und Sexualverhalten. Darüber hinaus ist ihre Bedeutung in der Mutter-Kind-Beziehung wie auch bei aggressivem Verhalten beträchtlich. Geruchsreize können auch zu starken Angstreaktionen führen. Beobachtet wurden: eine größere Wachsamkeit, das Auftreten von verhaltensabhängigen Angstsignalen sowie eine Änderung der Aktivität des immunologischen Systems bei Nagetieren als Reaktionen auf Duftstoffe, die durch ihre Räuber oder Artgenossen abgesondert worden sind. Diese Substanzen werden als Alarmpheromone bezeichnet. Die Detektion der Pheromone erfolgt hauptsächlich durch Chemorezeptoren des Vomeronasalorgans (VMO), die mittels der Mitralzellen des ipsilateralen AOB (accessory olfactory bulb) die primäre Geruchsrinde sowie das Angstreaktions-
system anregen (das sog. CNS-System mit folgenden Elementen: amygdala, nucleus paraventricularis (PVN-CRH-System) und locus coeruleus (LC-NE-System)). Wie wir durch unsere Forschung zeigen konnten, wird das Kleinhirn ebenfalls durch Geruchsreize aktiviert. Vor kurzem hat man feststellen können, daß Kontakt von Ratten mit Alarmpheromonen, die durch Artgenossen abgesondert werden, zu einem Expressionszuwachs des Schnellreaktionsproteins (Fos) innerhalb der Mitrazellenschicht des AOB führt. Wir konnten zeigen, dass eine Zunahme der Glutaminatkonzentration erfolgt, und zwar im Rhinencephalon sowie in den Hippokampen von Ratten, wenn man die Tiere in einer geschlossenen Atmosphäre mit gleichzeitiger Aversivanregung anderer Ratten gehalten hatte. Bei Ratten, die in offener Atmosphäre gehalten wurden, also bei Luftaustausch, konnten keine Änderungen der Glutaminatkonzentrationen beobachtet werden. Bisher hat man nur wenige Alarmsubstanzen von Insekten, Akarinen und Fischen identifiziert. Es sind bislang keine Alarmpheromone bei Säugetieren nachgewiesen worden. Zu dieser Gruppe gehören vermutlich Fettsäuren sowie Steroid- oder Katecholaminstoffe. Deren Absonderungswege sind ebenfalls unbekannt. Während der bisherigen Forschungen mit Tieren als Modell hat man mittels GC/FID und GC/MSD Kohlenwasserstoffe isolieren können, deren Vorhandensein wahrscheinlich mit einer erhöhten emotionalen Spannung zusammenhängt. Es sind deutliche Angstreaktionen bei den untersuchten Ratten festgestellt worden. Unser Forschungsziel ist die Klärung der folgenden Fragen: Ist eine Beurteilung von starken Emotionen (Angstzuständen) im Kontext von Tötungshandlungen praktisch durchführbar? Sollte dies möglich sein, so könnten sich aus rechtsmedizinischer Sicht wichtige Hinweise auf die Abläufe einer Tötungshandlung ergeben.
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vorgenommen. Es handelte sich um zwei Männer (52 u. 53 J.), die während eines Handgemenges bzw. bei einer Extremitätenfixierung starben und um ein 2-jähriges Kind, das sich mehrstündig in einer Zwangsposition befand. Als Vergleichsfälle dienten u.a. solche von Unterkühlung oder eines akuten Todes anderer Ursache (z. B. Schädel-HirnTraumata). Bestimmt wurden Adrenalin- und NorAdrenalinspiegel in mehreren Kompartimenten (Corpus vitreum, Liquor cerebrospinalis, Serum), weiterhin z.T. Parameter des Kohlenhydratstoffwechsels (Glukose,Laktat). Neben den Obduktionen wurden ergänzend histologische und toxikologische Untersuchungen durchgeführt. In allen Fällen von Tod bei Hocherregung bestanden typischerweise extrem hohe Katecholaminspiegel. Dies stützt die Annahme eines kombinierten Todesmechanismus bei Agitiertheit mit der wesentlichen Rolle einer maximalen Katecholaminausschüttung auf der Grundlage kardialer Vorschäden und einer zusätzlichen Atmungsrestriktion. Diskutiert werden auf der Basis von Literaturdaten Todesumstände, Pathomorphologie und die Relevanz postmortal-biochemischer Untersuchungsbefunde zur Diagnosesicherung. Hierzu können kombinierte Analysen von Adrenalin und NorAdrenalin wesentlich beitragen.Weiterhin wird auf Einflüsse durch evtl. Medika-mentengaben im Rahmen einer Reanimation eingegangen.
P-48 DAS „MÄNNLICHE“ ULLRICH-TURNER-SYNDROM – ÄRZTLICHER DIAGNOSEFEHLER ODER SELTENE VARIANTE Klupp N1, Nussbaumer C1, Streubel B2 1 Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien 2 Klinisches Institut für klinische Pathologie der Universität Wien
Todesfälle mit positiven Botulismus-Befunden bei Erwachsenen können aus rechtsmedizinischer Sicht erhebliche diagnostische Probleme bergen. Auch klinisch wird die korrekte Diagnose oft nicht oder nur verspätet gestellt. Hieraus kann der Vorwurf eines Behandlungsfehlers erwachsen. Ausgehend von einem Literaturrückblick und eigenen rezenten Daten bei Fällen von SID werden besondere Problemkonstellationen von drei Todesfällen Erwachsener mit positivem Botulismusnachweis erläutert. Hauptkriterien sind die oft richtungweisende Anamnese, typische Symptombilder, die Obduktionsmorphologie sowie die Resultate bakteriologischer Untersuchungen (Keim- und Toxinbefunde). Besondere Schwierigkeiten können sich aus einer Diskrepanz zwischen positivem Keimbefund bei fehlendem Toxinnachweis ergeben. Auch der Ort eines Toxinnachweises kann von ausschlaggebender Bedeutung sein. Abschließend wird noch auf die Vorwerfbarkeit eines ärztlichen Behandlungsfehlers auf der Grundlage erforderlicher Differentialdiagnostik und indizierter Therapiemaßnahmen eingegangen.
Beim Ullrich-Turner-Syndrom handelt es sich um eine gonosomale Chromosomenaberration, bei der ein pathologischer Karyotyp 45,X besteht. Die Häufigkeit dieser Erkrankung wird in der Literatur mit etwa 1:3000 Lebendgeborenen angegeben, 95% der 45,X-Feten sollen bereits in utero absterben. Da bei den Geschlechtschromosomen nur ein X-Chromosom vorhanden ist, muss somit ein weiblicher Phänotyp vorliegen. Kasuistik: Bei der Amniocentese einer in der 16. SSW befindlichen, 40-jährige Frau wurde mittels G-Bänderung ein Karyotyp 45,X diagnostiziert, weshalb auf Wunsch des Ehepaares die Schwangerschaft in der 18. SSW abgebrochen wurde. Der entwickelte tote Fetus zeigte eindeutig ein männliches Genital, woraufhin die Frau Anzeige erstattete, da der Verdacht einer Probenvertauschung des Fruchtwassers geäußert wurde. Bei der gerichtlichen Obduktion konnten neben Penis und Scrotum noch zusätzlich Hoden-, Nebenhoden- und Prostatagewebe gefunden werden. Eine durchgeführte Fluorescenz in situ Hybridisierung (FISH) ergab ein Zellmosaik mit unter anderem einem kleinen, Y-spezifische Sequenzen enthaltenden Markerchromosom. Die genauen morphologischen und genetischen Befunde, der Entstehungsmechanismus sowie die Konsequenzen für weitere Schwangerschaften sollen dargestellt und diskutiert werden.
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POSTMORTAL-BIOCHEMISCHE UNTERSUCHUNGEN BEIM TOD IN HOCHERREGUNG Kernbach-Wighton G, Kijewski H, Sprung R, Saternus KS Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen
AKUTE VERBLUTUNG AUS DEM CORPUS LUTEUM BEI EINER ANTIKOAGULIERTEN PATIENTIN L szik A, Szabó L, Hubay M, Sótonyi P Institut für Rechtsmedizin, Semmelweis Universität Budapest, Ungarn
ZUR BEWERTUNG POSITIVER BOTULISMUS-BEFUNDE BEI ERWACHSENEN Kernbach-Wighton G, Sprung R, Kampmann H, Saternus KS Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen
Plötzliche Todesfälle bei extremer Agitiertheit treten ohne und mit mechanische(r) Fixation auf. Hohe psychische und physische Anspannung bergen aufgrund eines maximalen Sympathikotonus vor allem das Risiko einer kardialen Dekompensation. In drei Fällen eines plötzlichen Todes bei Hocherregung wurden im Rahmen der Obduktionen auch post-mortal-biochemische Analysen
Eine 43 Jahre alte Patientin wurde wegen Atemnot, Unterbauchschmerzen und Brechreiz in eine Gynäkologische Abteilung eingeliefert. Wegen einer abgelaufenen Lungenembolie stand sie unter Langzeit-Antikoagulationstherapie. Die durchgeführten Untersuchungen ergaben keine eindeutigen Befunde für das Vorliegen einer gynäkoloRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts gischen Ursache der Beschwerden. Die Patientin wurde dann zunächst in eine Innere, im weiteren Verlauf notfallmäßig in eine Chirurgische Abteilung verlegt. Noch bevor dort die Transfusionen von Blut und Blutprodukten eingeleitet werden konnten, verstarb die Patientin im hämorrhagischen Schock. Bei der Sektion wurden unter anderem 1500 ml teilweise flüssiges Blut in der freien Bauchhöhle sowie ein rupturiertes corpus luteum im rechtseitigen, eingebluteten und vergrösserten Eierstock gefunden. Dieser seltene Fall und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen werden von den Autoren detailliert dargestellt.
Krankenhaus geführt habe. Die Patientin habe das Krankenhaus jedoch kurz danach auf eigenen Wunsch verlassen. Bei der gerichtlichen Obduktion fanden sich unter anderem aetiologisch unklare rezidivierte Milzinfarkte bei ausgedehnten perisplenalen postentzündlichen Verwachsungen. Der größte Milzinfarkt war sekundär eitrig infiziert, im Myokard zeigten sich multifokale septikopyämische Abszesse, ebenso septikopyämische Abszesse in den Nieren sowie Zeichen eines septisch-toxischen Schockgeschehens. Dargestellt werden die Sektionsbefunde einschließlich der Mikrobiologie. Diskussion der Aetiologie des Milzinfarktes (Cocain-bedingt?)
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TUMOREN IM RECHTSMEDIZINISCHEN OBDUKTIONSGUT: EINE RETROSPEKTIVE ANALYSE EINES 5-JAHRESZEITRAUMES. Ostermeier-Hatz D, Merzel E, Mall G, Büttner A Institut für Rechtsmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München, Frauenlobstrasse 7a, 80337 München
PLÖTZLICHER HERZTOD ALS ERSTMANIFESTATION EINER HYPERTROPHISCHEN KARDIOMYOPATHIE (HCM) BEI EINEM 8 JAHRE ALT GEWORDENEN KNABEN Schmidt P1, Dettmeyer R1, Kandolf R2, Madea B1 1 Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2 Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Tübingen
Zur Frage der Inzidenz und Verteilung maligner Tumoren in einem rechtsmedizinischen Obduktionsgut wurde eine retrospektive Studie über einen Zeitraum von 5 Jahren (1995–1999) durchgeführt. Dabei wurde neben einer Auswertung der Obduktionsprotokolle, polizeilichen Ermittlungsunterlagen und den verfügbaren Krankenblattunterlagen, histologische Untersuchungen durchgeführt. Unter 11785 untersuchten Fällen fanden sich 274 Personen (2.3%) mit Tumorleiden. Es waren 103 Frauen im Alter von 26–97 Jahren (Mittelwert 68 Jahre) und 171 Männer im Alter von 24–91 Jahren (Mittelwert 65 Jahre). Es waren sämtliche Organsysteme betroffen, mit einem Gipfel bei Tumoren des Lungen-/Bronchialsystems (n=50), Magen-DarmTrakts (n=43), Urogenitaltrakts (n=35) und des Oropharynx (n=34). In 97 Fällen war das Tumorleiden soweit fortgeschritten, dass es in direktem Zusammenhang mit dem Todeseintritt gesehen wurde. Die Mehrzahl verstarb jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit der Tumorerkrankung.Von diesen starben 82 auf natürliche Weise, wobei kardiovaskuläre Erkrankungen, gefolgt von Lungenerkrankungen und zerebrovaskulären Ereignissen im Vordergrund standen. 88 Fälle verstarben eines nicht-natürlichen Todes, wovon 55 Suizid begingen. Unsere Untersuchung demonstriert, dass die in unserem Obduktionsgut ermittelte Suizidrate von 20% bei Personen mit Tumoren im Gegensatz zu anderen Studien um ein Vielfaches höher liegt.
P-51 SEKUNDÄR INFIZIERTER MILZINFARKT MIT SEPTIKOPYÄMIE BEI EINER MINDERJÄHRIGEN DROGENSÜCHTIGEN Schlamann M, Dettmeyer R, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Berichtet wird über eine 17jährige minderjährige Drogensüchtige, die leblos in der Wohnung eines Bekannten aufgefunden wurde. Dieser habe bemerkt, wie sie in den Tagen zuvor zunehmend verlangsamt und benommen geworden sei. In der Nacht vor dem Tode habe sie unter Herzrasen gelitten, am frühen Morgen habe sie hechelnd geatmet. Der herbeigerufene Notarzt habe nur noch den Tod feststellen können. Anamnestisch wurde ein Schädelhirntrauma mit Betonung der Stirnlappen nach einem Sturz vom Pferd im 10. Lebensjahr mitgeteilt. Nach diesem Sturzgeschehen sei in der Folgezeit eine Wesensveränderung eingetreten. Die junge Frau sei zunehmend sexuell enthemmt gewesen und habe Drogen konsumiert. Mehrfach seien Männer wegen Verführung Minderjähriger verurteilt worden. In der Zeit unmittelbar vor dem Tod habe die Verstorbene wöchentlich ca. 3–4 Gramm Kokain konsumiert, der Drogenkonsum sei mit den Einkünften aus regelmäßiger Prostitution finanziert worden. Kurz vor dem Tod habe sich ein unklares Fieber entwickelt, was zur stationären Aufnahme in einem
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Die HCM ist eine aetiologisch vielgestaltige primäre Myokarderkrankung mit Hypertrophie der linken Kammerwand. Die Häufigkeit wird auf 1:4000 Geburten geschätzt, die Erkrankung beginnt in 10% der Fälle im 1. Lebensjahr, kann im Kindesalter in eine dilatative Kardiomyopathie übergehen und wird in der Regel im 2.–3. Lebensjahrzehnt klinisch manifest. Berichtet wird über den plötzlichen Tod eines 8 Jahre alt gewordenen, sportlich belastbaren Jungen, der beim Spielen im elterlichen Garten tot zusammenbrach.Autoptisch fand sich ein biventrikulär dilatiertes Herz mit einer Kammerwandstärke links von 9mm, einer Hypertrophie der Trabekelmuskulatur (Herzgewicht 270g), ausgeprägter Endokardfibrose und grobfleckiger Vernarbung des Myokards bei zarten Koronarien. Histologisch zeigten sich im Wechsel stark hypertrophierte und auffallend variable Myozyten mit bizarren, hyperchromatischen Zellkernen, Areale mit geflechtartiger Texturstörung sowie Fibrosen mit gelegentlicher Infiltration durch CD68-positive Makrophagen. Durch immunhistochemische Desminfärbungen waren Myozyten mit irregulärer Fibrillenstruktur nachzuweisen. Mittels nested-PCR wurde eine Infiltration mit kardiotropen Viren ausgeschlossen. Zusammengenommen ergab sich die Diagnose einer HCM mit Übergang in eine dilatative Kardiomyopathie. Pathophysiologisch verursachen spontane Arrhythmien den plötzlichen Herztod. Bei akut und unerwartet verstorbenen Kindern und Jugendlichen bis zum 21. Lebensjahr soll in 12% eine HCM gefunden werden. Die rechtsmedizinisch-autoptische Diagnose ist auch von präventiver Bedeutung, da sich in einem Teil der Fälle bei familiärer Häufung und genetischer Determination die Option einer entsprechenden Diagnostik und Beratung eröffnet.
P-53 ZUM ZEREBRALEN AMINOSÄUREMUSTER BEI DIABETES MELLITUS – EINE POSTMORTAL BIOCHEMISCHE UNTERSUCHUNG Schmidt P1, Musshoff F1, Steins N1, Bürrig KF3 Jacob B2, Bonte W2, Daldrup T2, Madea B1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn 2 Institut für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf 3 Institut für Pathologie der Universität Düsseldorf Klinisch-chemisch beschriebene Veränderungen des Plasmaaminosäuremusters bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung oder Niereninsuffizienz konnten postmortal an Hirngewebe nachvollzogen werden und gestatteten die Zuordnung pathobiochemischer Korrelate zu morphologischen Befunden. Bei Diabetikern wurden in der hyperglykämischen Phase erhöhte Konzentrationen verzweigtkettiger Aminosäuren sowie erniedrigte Spiegel an Arginin und Glu-
tamin im Blut nachgewiesen. Tierexperimentell fanden sich im Hirngewebe darüber hinaus erniedrigte Konzentrationen der Neurotransmittervorläufer Tyrosin und Tryptophan.An autoptisch gewonnenem Hirngewebe (Area 4 nach Brodmann) wird überprüft, ob sich diese Veränderungen auch postmortal nachweisen lassen und die morphologische Diagnostik ergänzen. Das Untersuchungsgut bestand aus 23 Diabetespatienten (m = 9, w = 14, Alter 47–90 J, Todesursache: 21 ¥ Herzkreislauferkrankung, 1 ¥ Sepsis bei Glutealulkus, 1 ¥ traumatische Subarachnoidalblutung; Diabetes 13 ¥ Typ II, 2 ¥ Typ I, 8 ¥ unklassifiziert; postmortales Intervall (PMI) < 72 Std.). Die Kontrollgruppe umfaßte 26 Patienten (m =14, w = 12,Alter 44 – 91 J., PMI < 72 Std.) mit todesursächlichen Herz-Kreislauferkrankungen.Ausgewertet wurden Krankenunterlagen, pathologisch anatomische Diagnose und histologische Befunde. Die Konzentrationen der freien Aminosäuren (AS) im Gehirn wurde mit einem Aminosäureanalysator bestimmt. Dabei fanden sich keine signifikanten Konzentrationsunterschiede der tierexperimentell auffälligen Aminosäuren. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass die Patienten zum Zeitpunkt des Todeseintritts adäquat antidiabetisch therapiert waren und keine hyperglykämische Stoffwechsellage aufwiesen.
P-54 NICHTINVASIVE UNTERSUCHUNG DES ERREGUNGSLEITUNGSSYSTEMS DES MENSCHEN – PILOTSTUDIE AN EINEM 17.6-TESLA WIDEBORE MIKRO MR-SCANNER Schweitzer W1, Faber C2, Haase A2, Bär W1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Winterthurerstrasse 190, 8057 Zürich, Schweiz 2 NMR-Gruppe, Experimentelle Physik V, Universität Würzburg, 97074 Würzburg, Deutschland Das ELS (Erregungsleitungssystem) des Menschen kann beim plötzlichen Tod ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Rechtsmediziner rücken. Die aufwendige histologische Aufarbeitung, die zeitraubende Befundung und die damit verbundenen Kosten stellen aus praktischer Sicht oft Hindernisse dar. Wir haben von vier Verstorbenen den Gewebeblock, der AV-Knoten, His'sches Bündel und Bifurkation in linken und rechten Schenkel des ELS enthält, asserviert, formalinfixiert und in einem 17.6-Tesla Widebore Mikro-MR-Scanner der Firma Bruker mit einer Gradientenechosequenz (TE = 8 ms, TR = 20 ms) untersucht. Als Resultat erhielten wir Datensätze, die eine beste Voxelgrösse von 70 ¥ 70 ¥ 70 Mikrometern aufwiesen. Die Datenauswertung der Messdatensätze erfolgte in IDL (Interactive Data Language, www.rsinc.com). Der Vergleich zwischen Scan-Ergebnis und histologischem Stufenschnitt erfolgte anhand von multiplanaren 2D-Rekonstruktionen, die aus den MRI-Datensätzen berechnet wurden. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass mittels MR-Mikroskopie Strukturen des Erregungsleitungssystemsdes Herzens am intakten Gewebeblock dargestellt werden können. Die MR-Mikroskopie ist schneller als das Aufarbeiten des gesamten Gewebeblock (ca. 1.5 ¥ 1 ¥ 2 cm) in histologischen Stufenschnitten; gegenüber der segmentweisen Aufarbeitung in der Histologie ergibt sich der Vorteil, dass die Probe durch diese Untersuchung nicht zerstört wird. Beobachtete Artefakte entstammen einerseits der Birdcage-Geometrie der Probenspule, wo charakteristische Signalabfälle am Rande des Bildfeldes festzustellen waren. Aus diesem Grund musste die Gewebeprobe möglichst genau in die Magnetmitte positioniert werden. Die Ausnützung der gesamten Spulenlänge von 20 mm kann zudem Einfaltungen von Datenwerten sowie Signalabfälle am Ende des Datensatzes in der Z-Achse zur Folge haben, weswegen Gewebeproben von über 15 mm Länge in mehreren Abschnitten untersucht wurden. Aufgrund des beim ersten formalinfixierten Präparat eher tiefen SNR (signal to noise ratio, Signal-zu-Rauschen-Wert) von ca. 3–6 haben wir
die Proben zudem mit paramagnetischem Kontrastmittel versetzt (Magnevist (Schering, Deutschland), Verdünnung 1:40), wonach sich im Zentrum der Spule eine beste SNR von über 80 in einer Messzeit von gut 6 Stunden ergab. Auf dem Poster wird die Methodik erklärt und es werden typische ELS-Strukturen in Mikro-MR-Bildgebung und histologischem Schnittpräparat vergleichend dargestellt.
P-55 EIN PLÖTZLICHER TODESFALL VOR DER ÄRZTLICHEN PRAXIS Trübner K1, Althaus L1, Dirsch O2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universität Essen 2 Institut für Pathologie, Universität Essen Unerwartete Todesfälle im Zusammenhang mit einer diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme implizieren stets den Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler. Eine 34–jährige Frau war seit längerem wegen Rückenbeschwerden, die insbesondere beim Heben von Lasten auftraten, in hausärztlicher und orthopädischer Behandlung. Der Orthopäde veranlaßte eine Überweisung zum Radiologen und dieser diagnostizierte ein Aneurysma der Bauchaorta. Auf dem Rückweg zum Orthopäden brach die Frau vor dessen Praxis zusammen und verstarb. Die gesamte Brust- und auch Bauchaorta war stellenweise exzentrisch erweitert, mit Parietalthromben behaftet und wies multiple unregelmäßig angeordnete Gefäßwandverdünnungen im Sinne von abortiven Dissektionen nach mehrzeitigen Gefäßwandeinrissen auf. Todesursächlich war ein rupturiertes Aneurysma dissecans der Brustund Bauchaorta mit Ausbildung eines Hämatothorax rechts. Histologisch waren kollagene und elastische Fasern in der Media hochgradig vermindert und die Elastica interna fehlte stellenweise völlig. Als Diagnose wurde eine Kollagenose unter dem Bild einer mukoiden Medianekrose vom Typ Erdheim-Gsell gestellt. Auf Nachfrage bei den Angehörigen stellte sich heraus, dass die Mutter der jetzt verstorbenen Frau auch an einer idiopathischen Medianekrose vom Typ Erdheim – Gsell erkrankt und im Alter von 36 Jahren verstorben war. Der Verdacht auf einen evtl. ärztlichen Behandlungsfehler ließ sich durch den eindeutigen Obduktionsbefund dieser schicksalhaften Erkrankung leicht ausräumen.
P-56 PLÖTZLICHER TOD BEI PHÄOCHROMOZYTOM Türk EE1, Sperhake JP1, Saeger W2, Tsokos M1 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf 2 Abteilung für Pathologie, Marienkrankenhaus Hamburg Es wird der Fall eines 50 Jahre alt gewordenen Mannes dargestellt, der im Anschluß an eine arthroskopische Meniskus-Operation plötzlich verstarb. Die Operation verlief komplikationslos, der Patient war nach Ausleitung der Narkose ansprechbar. Als der Patient sich aufsetzte, kam es plötzlich zu einem Kollaps unter dem klinischen Bild eines akuten Herzversagens mit Lungenödem. Der Patient verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus auf der Intensivstation. Bei der gerichtlichen Obduktion fanden sich ein Lungen- und Hirnödem sowie Schockorgane als Zeichen eines kardiogenen Schocks und als pathologisch-anatomischer Hauptbefund ein 4 cm durchmessendes Phäochromozytom der linken Nebenniere. Immunhistochemisch zeigte der Tumor eine Positivität für Synaptophysin, Neuronen-spezifische Enolase (NSE) und Chromogranin A. Laborchemische Untersuchungen einer Herzblutprobe ergaben exzessiv hohe Katecholamin-Konzentrationen im Plasma (Noradrenalin 51265,9 ng/l, Adrenalin 365847,1 ng/l, Dopamin 1370,5 ng/l). Todesursache war ein krisenhafter Blutdruckanstieg mit akutem Linksherzversagen auf dem Boden eines horRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts monproduzierenden Phäochromozytoms. Der Fall illustriert die Bedeutung endokrin aktiver Tumoren als sehr seltene Ursache des plötzlichen Todes.
P-57 VERBLUTUNGSTOD EINES GESUNDEN KINDES AUS NATÜRLICHER URSACHE! Zack F, Rummel J Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, D-18055 Rostock Obwohl eine Insertio velamentosa bei etwa 0,2–1,8 % aller Schwangerschaften zu beobachten ist und Blutungen aus zerrissenen Nabelschnurgefäßen unter der Geburt eine bekannte Komplikation darstellen, kommen Todesfälle durch Verbluten beim häutigen Ansatz der Nabelschnur an der Plazenta extrem selten vor. Dem Statistischen Bundesamt zufolge findet sich in einem Zehnjahreszeitraum (1990–1999) in Deutschland nicht ein Fall mit der Todesursache „Insertio velamentosa / Vasa praevia mit Blutung“. Wir berichten vom neonatalen Tod eines männlichen Zwillingspaares durch Verbluten bei Insertio velamentosa. Die Diagnose war vor der Schnittentbindung nicht gestellt worden, was den behandelnden Ärzten nicht vorzuwerfen ist. Der tragische Krankheitsverlauf wurde durch den Zeitverzug zwischen Blasensprung zu Hause mit nachfolgender erheblicher vaginaler Blutung (Blutung aus eingerissener Nabelschnurvene) und Schnittentbindung in der Klinik wesentlich begünstigt. Dem Zwillingskind mit der regelrecht ansetzenden Nabelschnur wurde die gemeinsame Plazenta zum Verhängnis. Somit diagnostizierten wir den seltenen Fall eines Verblutungstodes eines gesunden Kindes aus natürlicher Ursache.
Toxikologie,Verkehrsmedizin P-58 TRANSPLACENTARER ÜBERGANG VON NICOTIN UND COTININ AUF DAS KIND – ANALYSEN IN PLACENTA UND MECONIUM Celinski R, Albert M, Kulikowska J, Sybirska H Institut für Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Akademie, Katowice, Polen Es wird berichtet über die Identifizierung und optimierte Trennung der Substanzen nach Extraktion aus biologischem Material und Analytik mit Hilfe der LC-MS. Hierzu wurden Placenten von Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht hatten, und Meconium von Neugeborenen, deren Mütter Raucherinnen waren, extrahiert. Die Analysen erfolgten mit einem Gradienten – Laufmittelsystem bestehend aus Ammoniumformiat (pH 3,5)/Acetronil in Kombination mit einem LS-MS-System LCQ Duo (Thermo Finnigan) im ESI-mode und Ion trap.
P-59 BESTIMMUNG VON METFORMIN IM SERUM MITTELS HPLC Kupfermann N, Panzlaff S, Schmoldt A Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg Beim Typ-II-Diabetes, bei welchem die körpereigene Insulinproduktion noch nicht vollständig ausgefallen ist, kommt häufig eine Therapie mit oralen Antidiabetika zur Anwendung. Jahrelang standen hierfür fast nur Sulfonylharnstoff-Derivate zur Verfügung, nachdem die Biguanide wegen der Gefahr der Laktatazidose als nahezu kontraindiziert eingestuft wurden. Heute ist bekannt, dass die Biguanide jedoch die Signaltransduktion des Insulins in der Peripherie verbessern und deshalb in der Anfangsphase des Typs-II-Diabetes, wenn eine
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Hyperinsulinämie besteht, besser geeignet sind. Für dieses Stadium wird deshalb heute das Metformin empfohlen. Unsere Frage war, ob bei Bestehen einer Laktatazidose jetzt auch vermehrt an eine Intoxikation mit Metformin gedacht werden muß. Es wird über vier Fälle von Laktatazidosen in Folge einer Metformin-Intoxikation berichet, die im Laufe der vergangenen sieben Monate zur Untersuchung kamen. Methode: Das Serum wird mit einem Puffer (pH 7,5) verdünnt und auf eine Festphasensäule mit einer Carboxymethylgruppe (CBA) als funktionelle Einheit gegeben. Die primäre Wechselwirkung dieser Phase beruht auf Kationenaustausch. Das stark basische Metformin wird bei einem pH-Wert über 6.8 zurückgehalten und bei einem pH-Wert unter 4.8 eluiert. Anschließend wird Metformin mittels HPLC in Gegenwart einer Alkylsulfonsäure auf einer RP-Phase chromatographiert und bei 234 nm detektiert. Die Kalibrationskurve ist linear (r>0.99) von 1 bis 20μg/ml und die Wiederfindungsrate liegt über 90%. Die Nachweisgrenze liegt bei 0,5μg/ml und die Bestimmungsgrenze beträgt 2,0 μg/ml. Eine massenselektive Bestätigung per GC/MS ist möglich, wenn nach der Festphasenextraktion (CBA) eine Derivatisierung des Metformins mit Pentafluorpropionsäureanhydrid erfolgt. Ergebnisse: In einem Todesfall (> 60μg Metformin/ml Serum) und drei überlebten Fällen (2–5 μg/ml) konnte das Metformin als Ursache der Laktatazidose identifiziert werden.
P-60 DIE VERGIFTUNGEN MIT ANTIDEPRESSIVA DER III. UND IV. GENERATION Kurka P, Stankov M Institut für Rechtsmedizin, FNsP Ostrava, Tschechische Republik Im Poster wird die Analyse der Medikamente Citalopram (Seropram), Olanzapin (Zyprexa), Meclobemid (Aurorix) und Quetiapin (Seroquel) aus biologischem Material vorgestellt. Besondere Aufmerksamkeit ist der Bestimmung dieser Stoffe mit GC-MS und TLC Methoden gewidmet. Vom toxikologischen Gesichtspunkt werden vier Vergiftungsfälle mit diesen Medikamenten vorgestellt. Im ersten Fall handelte es sich um eine Intoxikation mit Moclobemid, Promethazin und Alkohol. Im Blut des verstorbenen Mannes wurden hohe Konzentration von Moclobemid gefunden, in seinem Urin wurden dagegen keine Medikamente festgestellt. Im zweiten Fall geht es um eine Intoxikation mit Citalopram, Levomepromazin, Ketamin und Alkohol. Der Arzt, welcher die Arzneimittel in suizidaler Absicht eingenommen hatte, verstarb an einer an einer Intoxikation mit Hirnödem. Im dritten Fall wird eine die tödliche Vergiftung mit Citalopram, Olanzapin, Clomipramin, Melperon und Diazepam vorgestellt. Eine Frau, die in einer psychiatrische Klinik behandelt wurde, hatte eine Überdosis dieser Medikamente zu sich genommen. Es handelte sich hier um eine Vergiftung mit einer Mischung von Antidepressiva der III. Generation und der früher benutzten Antidepressiva. Im vierten Fall wird über eine überlebte Vergiftung von zwei Mädchen mit Quetiapin und Alkohol berichtet. Quetiapin wurde ihnen ohne ihr Wissen in ein Getränk geschüttet. Mit Quetiapin waren wir bisher in unserer toxikologischen Praxis nur zweimal befasst.
P-61 UNERLAUBTES ENTFERNEN VOM UNFALLORT. DATEN EINER UNAUSGELESENEN FAHRERGRUPPE Lutze J, Miltner E Abt. Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Ulm Fälle von Unfallflucht dienen, soweit sie vor Gericht verhandelt werden, häufig der Verschleierung von Trunkenheitsfahrten. Um eine unausgelesene Fahrergruppe zu erhalten, haben wir alle Fälle von Unfallflucht erfasst, die 1997 im Bereich der Polizeidirektion Ulm bearbeitet worden sind.Wir konnten dabei die Akten von 251 Fahrern einsehen. Im Gegensatz zu einer früheren Studie über Unfallflucht nach
Trunkenheit hatten sich im Stadtgebiet und auf dem Lande mit jeweils 20 Prozent etwa gleich viele Fahrer unerlaubt vom Unfallort entfernt. Die Aufklärungsrate betrug etwa 35 Prozent. Sie wächst mit der Höhe des eingetretenen Schadens an (bei Personenschäden 44 Prozent). Zwei Drittel der Unfälle hatten sich tagsüber ereignet und nur ein Drittel nachts. Während von Trunkenheitsfahrern nur etwa 2 Prozent älter sind als 60 Jahre, waren es bei der Gesamtgruppe der Fahrer mit Unfallflucht ungefähr 20 Prozent. Die meisten Unfälle waren beim Parken, Wenden oder Rangieren passiert. An zweiter Stelle kamen Unfälle auf gerader Strecke (Auffahren, Spur wechseln, Abkommen von der Fahrspur). Dringende Verdachtsmomente auf Alkohol- oder Drogeneinfluss hatten sich bei den ermittelten unfallflüchtigen Fahrern in etwa 15 Prozent ergeben.
P-62 GENERAL UNKNOWN SCREENING MIT LC-DAD UND ON-LINE LC-MS MIT SPEKTRENBIBLIOTHEKSUCHE Müller CA, Schäfer P, Weinmann W Institut für Rechtsmedizin des Klinikums der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br. Für die systematische toxikologische Analyse von Körperflüssigkeiten und Organextrakten (auf Medikamentenwirkstoffe) wurde ein neues Screeningverfahren mit LC/MS entwickelt. Darauf basierend wurde eine umfangreiche Massenspektrenbibliothek, die momentan erweitert wird, mit Elektrosprayionisation (ESI) bei drei verschiedenen OrificeSpannungen aufgenommen (20, 50 und 80 V), um verschiedene Fragmentisierungsgrade der Spektren zu erhalten. Die Reproduzierbarkeit der Fragmentionenbildung in der Ionenquelle konnte mit Referenzsubstanzen sichergestellt werden. Die erhaltenen Massenspektren wurden als Graphik (GIF)-Dateien in die bereits bestehende Pragst – UV-Spektren Bibliothek [3] im AccessFormat eingebunden. Darüber hinaus werden je Substanz bis zu fünf charakteristische m/z – Werte in der Datenbank hinterlegt, welche zur Suche verwendet werden können. Mit der neuen Version der Massenspektrometersoftware „Analyst 1.3“ ist eine herkömmliche Spektrensuche möglich. Anhand von forensischen Fällen (Diltiazem, Verapamil, Flecainid, Amiodaron, Irbesartan, Theophyllin und Lidocain) wird die Funktionsweise dokumentiert. 1. DFG Projekt WE 2571/2-1 „Entwicklung eines Screeningverfahrens für Medikamentenwirkstoffe und Metaboliten mit LC-MS und LCMS-MS 2. Weinmann W. Wiedemann A.., Eppinger B., Renz M., Svoboda M.: Screening for Drugs in Serum by Electrospray Ionization/CollisionInduced Dissociation and Library searching. J.Am. Soc. Mass. Spectrom. 1999, 10, 1028 – 1037 3. Pragst F., Erxleben B.-T., Herre S.: UV-Spektren toxischer Verbindungen. Photodiodenarray-UV-Spektrenbibliothek von Medikamentenwirkstoffen, illegalen Drogen, Pestiziden, Umweltnoxen und anderen Giften. Software und Handbuch.
P-63 INTOXIKATION EINES KINDES MIT DEM a-SYMPATHOMIMETIKUM NAPHAZOLIN Mußhoff F, Madea B Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Ein 7-jähriger Junge sei bis zum Abend unauffällig gewesen. Plötzlich habe er mehrfach erbrochen, anschließend die Augen verdreht und sei für mehrere Minuten bewusstlos gewesen.Anschließend habe er über starke Kopfschmerzen geklagt.An Medikation habe er einmalig Vomex A sowie Nasentropfen erhalten. Bei Klinikaufnahme in reduziertem Allgemeinzustand wurde festgehalten: somnolent; blasses Hautkolorit; verdreht die Augen; Reaktion nur auf starken Schmerzreiz; Eupnoe;
bradykard; Peristaltik leise; Muskulatur hypoton; Pupillen eng. Therapie und Verlauf: Initial Durchführung eines CCT zum Ausschluss einer intercraniellen Blutung. Bei unauffälligem Befund Aufnahme auf Intensivstation und Dauertropfinfusion.Anhaltende Bradykardie um 50/min über die ersten 6 h bei anfänglichen Blutdruckwerten von 148/95 mm Hg; weiterhin nur vermindert erweckbar und reagierend. Aufklaren und adäquate Reaktion auf Ansprache erst nach ca. 6 h bei retrograder Amnesie für die Ereignisse der letzten Stunden. Rasche Normalisierung der Vitalparameter und keine Auffälligkeiten im weiteren Verlauf. Die chemisch-toxikologische Analyse erbrachte den Nachweis von Naphazolin in den verabreichten Nasentropfen, im Erbrochenen und im Urin (Blut nicht asserviert). Naphazolin ist ein a-Sympathomimetikum, welches eine zentralnervöse Dämpfung hervorrufen kann. In stark verdünnter Lösung mit einer Konzentration von 0,5 mg/ml ist Naphazolin als Nasenspray für Kinder rezeptfrei im Handel erhältlich, da es sonst infolge von Resorption zu Atemstörungen und komatösen Zuständen kommen kann. Die von den Eltern verabreichten Nasentropfen waren zuvor in einer Apotheke hergestellt worden. Eine Analyse ergab eine Konzentration von 40 mg/ml, also ein 80faches der adäquaten Dosis für Kinder.
P-64 BESTIMMUNG VON PANCURONIUM IN KÖRPERFLÜSSIGKEITEN UND POSTMORTALEN GEWEBEPROBEN Pufal E1, Sykutera M1, Engelgard P1, Rochholz G2 1 Katedra i Zaklad Medycyny Sadowej, Akademia Medyczna, Bydgoszcz, Polen 2 Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Kiel Pancuronium ist ein langwirkendes nicht-depolarisierendes Muskelrelaxans, das bei Narkosen eingesetzt wird, um die Atemmuskulatur zum Erschlaffen zu bringen und damit eine Intubation und künstliche Beatmung erst möglich zu machen. Es handelt sich um eine quaternäre Ammoniumverbindung, die als Dibromid intravenös normalerweise in Dosen von 0,04 bis 0,10 mg/kg Körpergewicht verabreicht wird. Im Zusammenhang mit einer Serie von Tötungsdelikten und einem Suizid mit Pancuronium wurde eine Methode entwickelt, um Pancuronium in Blut, Urin und Mageninhalt sowie in Leber-, Nieren- und Gehirngewebe bestimmen zu können. Dabei sollte auch der Frage nachgegangen werden, wie lange Pancuronium nach dem Tod noch erfolgreich nachzuweisen ist. Die Verbindung wurde aus dem biologischen Material mittels Ionenpaarextraktion isoliert und mit LC-ESIMS qualitativ und quantitativ nachgewiesen. Es wurde eine C8-Trennsäule eingesetzt. Das Laufmittel bestand aus Acetonitril/TFA (70:30), die Flussrate betrug 0,5 mL/min. Im Falle des Suizids wurden die Proben zwei Monate nach der Sektion dem Institut für Rechtsmedizin in Bydgoszcz zur Analyse übersandt. In diesen Proben konnte Pancuronium in Konzentrationen nachgewiesen werden, die nicht einer letalen Dosis entsprechen, so dass ein Substanzverlust durch die zweimonatige Lagerung bei Kühlung zu diskutieren war. Daher wurden alle aufgearbeiteten Extrakte nach 8 Monaten bei Kühlung erneut analysiert sowie alle gekühlt aufbewahrten Asservate nach dieser Zeit einer zweiten Aufarbeitung und Analyse unterzogen. Zusätzlich wurden Anteile aller Asservate vor der Ionenpaarextraktion lyophilisiert und diese Extrakte nach achtmonatiger Lagerung bei Raumtemperatur nochmals vermessen. In allen Extrakten führte die Lagerung zu gering bis deutlich verminderten Pancuronium-Konzentrationen. In den gekühlt gelagerten Asservaten war der Verlust an Pancuronium beträchtlich.
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Abstracts P-65 SCHWIERIGKEITEN DER BEWERTUNG DER INSULINKONZENTRATION IM LEICHENBLUT Thiele K1, Liebert A2, Uerlings H1 1 Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig, Außenstelle Chemnitz 2 Institut für Laboratoriumsmedizin am Klinikum Chemnitz gGmbH Im Rahmen der toxikologisch-chemischen Untersuchungen zweier Obduktionsfälle wurden zur Abklärung der Todesursache bzw. der möglichen Ursache einer plötzlichen Bewußtseinstrübung mit nachfolgendem Unfallereignis Insulinbestimmungen im Herzblut durchgeführt. Hierbei wurden deutlich erhöhte, eigentlich für eine Insulinintoxikation sprechende Werte festgestellt. Bei den Verstorbenen handelte es sich nicht um insulinpflichtige Diabetiker. Zur Überprüfung der Verwertbarkeit dieser Befunde wurden bei einer kleinen Kontrollgruppe aus dem Obduktionsgut ebenfalls ohne vorliegenden insulinpflichtigen Diabetes mellitus die Insulin- und C-Peptid-Konzentrationen im Herzblut sowie im Oberschenkelvenenblut bestimmt. In zwei Fällen fanden sich gleichfalls hohe Insulinkonzentrationen im Herzblut – hingegen lagen die Insulinkonzentrationen im Oberschenkelvenenblut im Normbereich. Die Konsequenzen zur Diagnostik der Insulinintoxikation werden diskutiert.
Drogen, Alkohol P-66 DIE PRÄZISION VON ATEMALKOHOL(AAK)-MESSUNGEN MIT DEM DRÄGER ALCOTEST 7110 EVIDENTIAL MK III IM VERGLEICH ZUR PRÄZISION DER FORENSISCHEN BLUTALKOHOL(BAK)-BESTIMMUNGEN Haffner HT1, Graw M2, Jeske A1, Schmitt G1, Goll M1, Dietz K3 1 Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin der Universität Heidelberg 2 Institut für Rechtsmedizin der Universität München 3 Institut für Medizinische Biometrie der Universität Tübingen Für vergleichende Untersuchungen der Präzision der Atemalkoholbestimmungen mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III und der Präzision forensischer Blutalkoholbestimmungen wurden 6 Probanden je 2 Mal parenteral mit Ethanol bis zum Erreichen von AAK-Werten von ca. 0,65 mg/l belastet. Nach einer Pause zum Ausschluss von Diffusionsverzögerungen wurden in dichter Folge zeitgleich AAKMessungen und Blutentnahmen zur Blutalkoholbestimmung bis zum Erreichen einer AAK von 0,20 mg/l durchgeführt. Aus den AAK- und den BAK-Messwerten wurden jeweils lineare Eliminationsfunktionen berechnet.Verglichen wurden die Residuen der Messwerte zu den für den gleichen Zeitpunkt berechneten Werten. Eine erste Auswertung über den gesamten beobachteten Konzentrationsbereich (n=344) erbrachte nahezu gleiche Variationskoeffizienten für die AAK-Messungen (VK: 2,86%) und BAK-Messungen (2,58%). Die Variationskoeffizienten waren jedoch in unterschiedlichem Maße konzentrationsabhängig. Im Konzentrationsbereich AAK 0,20 bis 0,30 mg/l (n=101) und 0,35 bis 0,45 mg/l (n=93) zeigten sich weiterhin keine Unterschiede der Variationskoeffizienten (AAK – VK: 3,59% und 2,44%; BAK – VK: 3,53% und 2,29%). Hoch signifikant waren jedoch die Unterschiede im Konzentrationsbereich AAK 0,50 bis 0,60 mg/l (n=96) (AAK – VK: 2,29%; BAK – VK: 1,35%). Daraus leitet sich ab, dass – um unter Aspekten der Messpräzision bei AAK- und BAK-Werten von gleichen Voraussetzungen ausgehen zu können – der AAK-Gefahrengrenzwert von 0,25 mg/l wie auch der BAK-Gefahrengrenzwert von 0,50 ‰ einen Sicherheitszuschlag von 25% der Grundwertes enthalten muss. Für einen AAK-Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit dagegen müsste in Analogie zum Sicherheitszuschlag von 10% des BAK-Grundwertes bei der BAK ein Sicherheitszuschlag von etwa 17%
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eines zu bestimmenden AAK-Grundwertes gewählt werden. Diese Sicherheitszuschläge sind notwendig zum Ausgleich unterschiedlicher Messpräzisionen der Bestimmungsmethoden von AAK und BAK.
P-67 MITTLERES KORPUSKULÄRES VOLUMEN DER ROTEN BLUTKÖRPERCHEN (MCV) UND FAHREN EINES MOTORFAHRZEUGES La Harpe R1, Perret G1, Robert D2, Wahl C2, Beris P2 1 Universitätsinstitut für Rechtsmedizin Genf, 9, av. de Champel, 1211 Genf 4, Schweiz 2 Laboratoire Central d’Hématologie, Dpt de Médecine interne, rue Micheli-du-Crest, 1211 Genf 14 Ziel: Prüfung der Stabilität des MCV-Messers in Bezug auf die Zeitspanne zwischen der Blutentnahme und der Analyse. Es wäre praktisch, das zur Bestimmung der Alkoholämierate (Fahrfähigkeit) entnommene Blut auch zur Bestimmung der Blut-Parameter (gamma-GT, CDT und MCV) eines übertriebenen und chronischen Alkoholkonsums verwenden zu können (Fahrtauglichkeit), was jedoch eine Frist zwischen der Blutentnahme und der Analyse der Parameter zur Folge hat. Methode: Eine Blutentnahme zur Messung der Entwicklungsstufen des MCV-Wertes in Bezug auf die Zeit wurde bei 10 freiwilligen Versuchspersonen vorgenommen. Der MCV-Wert wird durch den Akutomaten Sysmex SF 3000 zur Zeit 0, dann nach 12 Stunden, 24 Stunden, 36 Stunden, 3 Tagen, 4, 7, 8 und 9 Tagen berechnet. Resultate: Nach unseren Beobachtungen ist der MCV-Wert nach der 0-Zeit (Blutentnahme) während der ersten zwei Tage stabil geblieben, was die Resultate absolut zuverlässig machte. Zwischen dem 2. und 3. Tag nahm der MCV ein bisschen zu, die Resultate konnten nur als Orientierungstests verwendet werden. Vom dritten Tag an nahm der MCV-Wert exponentiell zu. Die Resultate können dadurch kaum mehr interpretiert werden.
P-68 DIE ROLLE DES ALKOHOLS UND DER DROGEN BEI TÖDLICHEN VERKEHRSUNFÄLLEN IM KOMITAT CSONGRÁD IN UNGARN (1991–2000) Molnár A1, Tóth A2, Varga T2 1 Polizeipräsidium Komitat Csongrád, Ungarn 2 Institut für Rechtsmedizin der Universität Szeged, Ungarn Einführung: In Ungarn und in Mittelost-Europa verschlechterte sich die Verkehrssicherheit nach 1989 wesentlich und die Zahl der Verkehrsunfälle nahm zu. Die Fachleute verschärften die Verkehrsgesetze im Interesse des Schutzes der Verkehrsteilnehmer seit 1993 mehrmals. Neben dem totalen Alkoholverbot werden die Fahrer seit 1998 sanktioniert, wenn sie unter dem Einfluss von Drogen oder nicht verschriebener Medikamente stehen. Infolge der eingeführten Maßnahmen sank die Zahl der Verletzten um 30 %, und die Zahl der tödlichen Unfälle um 40 %. Methode: Die Angaben der im Komitat Csongr d von 1991 bis 2000 obduzierten Opfer wurden bearbeitet. Die Untersuchung berücksichtigte keine Eisenbahnunfälle. Blutalkoholkonzentrationsbestimmungen und toxikologische Untersuchungen wurden bei den am Unfallort verstorbenen und bei Unfallopfern, die maximal 6 Stunden überlebten, durchgeführt. Ergebnisse: Während der untersuchten 10 Jahre verstarben 884 Personen im Komitat Csongr d infolge von Verkehrsunfällen. Unter den Opfern gab es 251 Fahrer, 203 Beifahrer, 252 Fußgänger und 178 Radfahrer. 75 % der Fußgänger, 82,5 % der Radfahrer und 90 % der Fahrer waren männlich. 135 Fußgänger (53,6%), 79 Radfahrer (44%) und 90 Fahrer (36%) standen unter Alkoholeinfluss. Die durchschnittliche Blutalkoholkonzentration betrug dabei etwa 2,00 Promille. Medi-
kamente in therapeutischer Dosis ohne oder mit Alkohol und Drogen konnten zusammen in 44 Fällen (4,97%) nachgewiesen werden. Weniger als 1 % der Verunglückten stand unter dem Einfluss illegaler Drogen. Schlussfolgerungen: Als Ergebnis der Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Modifikation der Verkehrsgesetze keinen Einfluss auf Fußgänger- und Radfahrerunfälle hatte. Die Anzahl der tödlichen Unfälle nahm ab, aber die Rate der alkoholisierten Verkehrsteilnehmer änderte sich nicht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Alkohol einer der wichtigsten Risikofaktoren bleibt. Die Beeinflussung durch Medikamente oder Drogen spielte dagegen eine geringe Rolle bei diesen Unfällen.
P-69 AUTOMATISIERTE GASCHROMATOGRAPHISCH/ MASSENSPEKTROMETRISCHE BESTIMMUNG VON CANNABINOIDEN IN HAAREN MITTELS FESTPHASEN-MIKROEXTRAKTION ODER DYNAMISCHER FESTPHASEN-EXTRAKTION AUS DEM DAMPFRAUM Mußhoff F, Lachenmeier DW, Kroener L, Madea B Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Eine vollständig automatisierte Methode für die Bestimmung von Cannabinoiden aus Haaren wird beschrieben. Zehn mg einer Haarprobe werden nach einem Waschvorgang und nach alkalischer Hydrolyse mittels Natriumhydroxid-Zusatz direkt einer Festphasen-Mikroextraktion aus dem Dampfraum (HS-SPME) unterzogen. Nach Adsorption der Analyten erfolgt eine Derivatisierung auf der Faser durch Verwendung von N-Methyl-N-trimethylsilyl-trifluoroacetamide (MSTFA) vor einer gaschromatographisch / massenspektrometrischen Analyse (GC/MS). Die Nachweisgrenzen liegen bei 0.05 ng/mg für D9-Tetrahydrocannabinol (THC), 0.08 ng/mg für Cannabidiol (CBD) und 0.14 ng/ mg für Cannabinol (CBN). Die absoluten Wiederfindungeraten liegen zwischen 0.3 and 7.5 %. Die Linearität wurde überprüft über einen Bereich von 0.1 bis 20 ng/mg mit Korrelationskoeffizienten von 0.998 bis 0.999. Präzisionsdaten wurden bestimmt bei zwei unterschiedlichen Konzentrationen und lagen zwischen 1.9 und 7.2 % (intraday) bzw. 3.3 und 12.6 % (interday). Im Vergleich mit konventionellen Methoden der Haaranalyse ist das automatisierte Verfahren einer HS-SPME und GC/MS hinsichtlich der Analysendauer eindeutig überlegen. Die Methode ist einfach durchzuführen, bei minimalem Lösungsmittel- und Probenmaterial-Einsatz, aber mit vergleichbarer Sensitivität und Reproduzierbarkeit. Die Analyse authentischer Proben wird beschrieben. Eine Weiterentwicklung stellt das Verfahren der dynamischen Extraktion dar (Solid-Phase Dynamic Extraction (SPDE)), wobei eine von innen mit Polydimethylsiloxan beschichtete Kapillare als Extraktionsmedium verwendet wird. Im Vergleich zur SPME sind höhere Extraktionsraten und insbesondere eine größere Robustheit festzustellen. Ein Methodenvergleich zwischen SPME und SPDE, ermittelt anlässlich des letzten Workshops der Society of Hair Testing, wird vorgestellt.
P-70 BESTIMMUNG DES CARBOHYDRATE-DEFICIENT-TRANSFERRIN (CDT) IM KINDES- UND JUGENDALTER Neumeister V1, Hirsch T2, Kuhlisch E3, Bergmann S1, Siegert G1 1 Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, TU Dresden 2 Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde, TU Dresden 3 Institut für Medizinische Informatik und Biometrie, TU Dresden Einleitung: Das CDT hat sich in den letzten Jahren als hilfreicher Marker zur Erkennung des Alkoholabusus und zum Monitoring der Alkoholabstinens etabliert. Bestimmt werden die Asialo-, Monosialo-
und Disialo-Isoformen (=CDT) im Verhältnis zum Gesamttransferrinin. Die Angaben erfolgen in %. Die Herstellerfirma des %CDT-Assays Axis-Shield, Oslo, gibt einen Normalwert von <2,6% an. HELANDER empfiehlt einen vorläufigen Grenzwert <3,0% (Erwachsene). Auf Grund der zunehmenden Alkoholproblematik schon im Jugendalter untersuchten wir die %CDT-Verteilung im Kindes- und Jugendalter. Material und Methoden: Untersucht wurden 215 Seren von gesunden Kindern und Jugendlichen im Alter von 0,3 bis 18 Jahren. Die Bestimmung des %CDT erfolgte mit dem %CDT TIA (turbimimetrischer Assay, BIO RAD, München) und dem Analyzer COBAS MIRA S (Roche Diagnostik GmbH). Die Serumwerte ALAT, Fruktosamin, Transferrin, CRP und Ethanol wurden mit Testkits der Firma Roche Diagnostik GmbH bestimmt. Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Softwareprogramm SPSS. Ergebnisse: Die Serumwerte ALAT, Fruktosamin und Transferrin lagen in den altersrelevanten Bereichen, Ethanlol wurde nicht nachgewiesen. In 27 Proben lag der CRP-Wert über 5 mg/l. Diese Proben wurden separat bewertet. Der %CDT-Werte der anderen 188 Proben ergab fogende Resultate: Mittelwert 2,24%; Min. 1,3%; Max. 3,7%; 95.Perzentille 2,96%; 97,5.Perzentille 3,20%. Es gibt keinen signifikanten (p=0,599) Unterschied zwischen den männlichen (n=101) und den weiblichen (n=87) Proben. In der Altersgruppe 6–10 Jahre wurden signifikant höhere %CDT-Werte gemessen gegenüber den Gruppen 0–5Jahre (p< 0,0005), 11–14 Jahren (p=0,049) und 15–18Jahre (p=0,019). In der Altersgruppe 15–18Jahre zeigten sich signifikant höhere %CDT-Werte in der weiblichen gegenüber der männlichen Gruppe (p=0,030). Zwischen den Proben mit normalen und erhöhten CRP-Werten (bis 115,6 mg/l) gibt es keine signifikanten Unterschiede (p=0,927). Zusammenfassung: Die von der Herstellerfirma angegeben Normalwerte für %CDT sollten nicht auf den Kinder- und Jugenbereich angewendet werden, da die 97,5Perzentille in den von uns untersuchten Gruppen deutlich höher liegt: alle Proben 3,20%; männlich 0–18 Jahre 2,94; weiblich 0–18Jahre 3,28%; 0–5Jahre 2,89%; 6–10 Jahre 3,30%; 11– 14 Jahre 2,70%; 15–18Jahre 3,20%.Weiterhin sollte über einen Graubereich zwischen normalen und eindeutig erhöhten Werten diskutiert werden.
P-71 VERWENDUNGSPOTENZIAL VON APCI-MS/MS BEI DER OPIATANALYSE IM URIN Ondra P, Fryc k P, Smetkov M, Lemr K Institut für Gerichtsmedizin der Palacky Universität, Olomouc, Tschechische Republik Opiate bilden eine der wichtigsten Substanzgruppen, die bei der Screeninguntersuchung von Drogen im Urin analysiert werden. Ein Positivbefund von Opiaten im Urin mittels einer immunochemischen Methode wird meistens mit Hilfe der GC-MS oder HPLC-MS Methode bestätigt. In dem vorgelegten Beitrag haben wir uns auf die Applikationsmöglichkeiten eines Massenspektrometers ohne Verbindung mit der Flüssigkeits-chromatographie bei Opiatanalyse mittels der Direkteinspritzungstechnik konzentriert. Opiate wurden aus dotierten und in Folge aus realen Urinproben mittels der SPE Technik extrahiert. Für die Analyse der gewonnenen Extrakte wurde eine MS Methode optimiert. Der Einfluß des Parameterwechsels der Ionenquelle (arbeitend in einem positiven Modus) auf das Signal für sieben Opiate wurde getestet. Die erreichten Ergebnisse beweisen die Vorteile der Verwendung der APCI Technik (Atmospheric Pressure Chemical Ionisation – chemische Ionisation bei Atmosphärendruck) im Vergleich mit der ESI Technik (Electrospray Ionisation). APCI gewährleistet ein höheres Signal für alle analysierten Opiate, außer dem Morphin. Die einzelnen Opiate wurden durch ihre sogenannten Quasimolekularionen [M+H]+ und durch MS/MS Spektren bewiesen, wobei die Spektren vorteilhaft bei der Identifizierung der Opiate mit gleichem Molargewicht verwendet werden. Die durch Analysen der Realproben gewonnenen Ergebnisse wurden mit den ErRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts gebnissen der GC/MS Analysen verglichen. Es wurde gefunden, dass die APCI-MS/MS Direkteinspritzungstechnik eine geeignete und schnelle Alternative bei der Analyse von Opiaten im Urin darstellt.
P-72 TODESURSACHE HEROIN – UNGEWÖHNLICHE SUIZIDE VON SENIOREN Rießelmann B1, Roscher S1, Tenczer J1, Klug E2 1 Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin 2 Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin Häufig begehen ältere Personen einen Suizid durch gezielte Einnahme einer Medikamentenüberdosis. Jedoch sind Selbsttötungen von Senioren durch Applikation von Betäubungsmitteln sehr ungewöhnlich. Wir hatten in letzter Zeit drei Todesfälle von Personen, die älter als 70 Jahre waren, zu bearbeiten und bei denen aufgrund der Auffindesituation eine Heroininjektion vermutet werden konnte. In den Sektionsasservaten waren u.a. Monoacetylmorphin und relativ hohe MorphinKonzentrationen nachweisbar. Die Ergebnisse der chemisch-toxikologischen Untersuchungen werden vorgestellt und diskutiert.
P-73 SCREENING UND NACHWEIS VON APOMORPHIN, EINEM ALTEN WIRKSTOFF MIT NEUEM ANWENDUNGSPROFIL Schütz H, Erdmann F, Weiler G Institut für Rechtsmedizin der Universität Gießen Seit seiner Erstsynthese durch saure Hydrolyse von Morphin im Jahr 1869 wird Apomorphin erfolgreich als Emetikum und Dopamin-Agonist eingesetzt. Neuerdings dient Apomorphin in Form der Präparate Ixense® und Uprima® in Dosen zwischen 2 und 3 mg auch zur Therapie der erektilen Dysfunktion.Aufgrund zahlreicher Anfragen aus der Praxis im Zusammenhang mit vermuteten falsch-positiven immunchemischen Screeningresultaten wurde zunächst untersucht, ob Apomorphin und seine Metaboliten oder Zersetzungsprodukte die Spezifität immunchemischer Tests (Immunoassays) für Drogen und Medikamente beeinträchtigen. Dabei ergab sich, dass nach der Gabe therapeutischer Dosen von Apomorphin im Rahmen empfohlener cutoff-Werte für Harn keine relevanten falsch-positiven Screeningbefunde mit den in Screening-programmen häufig eingesetzten CEDIAund FPIA-Tests zu beobachten waren. Lediglich extrem hohe und unrealistische Konzentrationen führten zu falsch-positiven Befunden bei LSD und Methadon (CEDIA) bzw. Amphetaminderivaten (FPIA).
P-74 ETHYLGLUCURONID-BESTIMMUNG IN URIN MIT LC/MS/MS FÜR DAS WORKPLACE-DRUG-TESTING Thierauf A1, Schäfer P1, Weinmann W1, Pollak S1, Skipper GE2, Miller MD3, Wurst FM4 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albertstr. 9, D-79104 Freiburg 2 Alabama Physician Health Program, Montgomery, AL, USA 3 American Medical Laboratories Inc. Chantilly, Virginia, USA 4 Psychiatrische Universitätsklinik Basel, CH Im Gegensatz zur GC/MS-Analyse kann beim Nachweis von Ethylglucuronid in biologischen Matrices mit LC/MS/MS mit ElektrosprayIonisation auf eine Derivatisierung verzichtet werden [1, 2]. Die Probenaufarbeitung wird gewöhnlich durch eine Fällung (für Serum und Urin) durchgeführt, aber auch Festphasenextraktion mit einer Aminophase kann zur Aufarbeitung von Gewebeproben sinnvoll eingesetzt werden [3]. In unseren bisherigen Arbeiten wurde bereits darauf hin-
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gewiesen, dass polare Matrixbestandteile in Urinproben bei der LC/MS/MS-Analytik zur Suppression des Analytsignals führen können, wenn diese nicht vollständig chromatographisch abgetrennt wurden [4]. Solche stark Matrix-belasteten Urinproben sind in der Regel sehr hoch konzentrierte Proben, die sich meist auch durch einen hohen Kreatininwert auszeichnen. Für die Routine-Analytik wurde deshalb die bisher verwendete chromatographische Methodik weiterentwickelt und eine Kreatinin-abhängige Verdünnung der Proben vor der Injektion eingeführt. Hiermit wurde die Robustheit der Methode deutlich verbessert. Anwendung findet der Nachweis von Ethylglucuronid mittlerweile in der Therapiekontrolle (Alkoholentwöhnungstherapie) und im Rahmen eines Workplace-Drug-Testing Programms in den USA zur Überprüfung der Alkoholabstinenz. 1. Wurst F, Kempter C, Seidl S,Alt A, Ethylglucuronide – a marker of alcohol consumption and a relapse marker with clinical and forensic implications. Alcohol and Acoholism, 1999, 34: 71–77. 2. Schmitt G, Aderjan R, Keller T, Wu M, Ethyl glucuronide: an unusual ethanol metabolite in humans. Synthesis, analytical data, and determination in serum and urine. J Anal Toxicol 1995, 19: 91–94. 3. Janda I, Alt A, Improvement of ethyl glucuronide-determination in human urine and serum samples by solid-phase extraction. J Chrom B 2001, 758: 229–234. 4. Weinmann W, Kühnle T, Störtzel M, Janda I,Alt A, Post-Column Lösungsmittelzugabe für LC-ESI/MS/MS am Beispiel des Ethylglucuronids, GTFCh-Symposium 2001, Verlag Dr. Dieter Helm, Heppenheim, 2001, 72–75
Tatort, Kriminologie, Suizidologie P-75 KOMBINIERTE SUIZIDE DURCH SELBSTVERBRENNEN Bohnert M1, Rothschild MA2 1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg 2 Zentrum der Rechtsmedizin, Klinikum der Universität Frankfurt/Main Unter den seltenen Fällen des suizidalen Selbstverbrennens sind primär oder sekundär kombinierte Suizide eine Rarität. Entsprechend finden sich auch in der rechtsmedizinischen Literatur nur vereinzelte Mitteilungen. In einer retrospektiven Analyse des Freiburger und Berliner Obduktionsgutes fanden sich innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 10 Jahren 5 Fälle.Weitere 8 Fälle wurden bislang in der Literatur mitgeteilt. Insgesamt überwiegen primäre Kombinationen, vor allem mit Sturz in die Tiefe. Andere Kombinationen beinhalteten Erhängen oder das Zufügen von Stichen, Schnitten oder Schußverletzungen. Die Alters- und Geschlechtsverteilung entspricht derjenigen, wie sie auch beim Suizid durch Selbstverbrennen angetroffen wird.
P-76 UNGEWÖHNLICHE TODESMECHANISMEN BEI AUTOEROTISCHEN UNFÄLLEN Bungardt N, Amberg R, Rittner C Institut für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Am Pulverturm 3, D-55131 Mainz Autoerotische Unfälle lassen sich entsprechend ihrer pathophysiologischen Mechanismen in vier größere Gruppen einteilen: Elektrotodesfälle, Intoxikationen, reine Asphyxiefälle und die durch Erdrosseln und Erhängen. Neue technische Möglichkeiten erweitern das Spektrum der Todesursachen. Es wird über drei Fälle mit ungewöhnlichen Manipulationen berichtet. Ein 41 Jahre alt gewordener Mann wurde von der Ehefrau in einem Segeloverall tot aufgefunden. Die Auffindesituation ließ davon ausgehen,
dass über einen Gummischlauch aus einer 5 l Gasflasche (laut Aufschrift handelsüblicher Sauerstoff für medizinische Zwecke) Gas in den Anzug geleitet und durch eine Gummimaske geatmet wurde. Der Inhalt der Gasflasche konnte analytisch nicht mehr bestimmt werden. Die Obduktionsbefunde waren nach einer Leichenliegezeit von vier Tagen unspezifisch. Bei der Obduktion fiel eine Diskrepanz zwischen geringer äußerer Leichenveränderung und weit fortgeschrittener Fäulnis der inneren Organe auf. Ansonsten waren die makropathologischen Befunde unauffällig. Ein 35jähriger lediger Mann wurde im Dachgeschoß seines Hauses, in dem er ein privates Studio eingerichtet hatte, in Ketten erhängt aufgefunden. Es lagen Befunde eines atypischen Erhängens vor. Vorgefundene Fläschchen, davon eines mit der Aufschrift „Amsterdam Poppers“, führten zur chemisch-toxikologischen Untersuchung auf Amylnitrit und andere stimulierende Mittel. Im dritten Fall lag bei einem 54 Jahre alten Mann eine Verletzung des Corpus spongiosum infolge genitaler Manipulation vor. Es war eine elektrische Aquarienluftpumpe installiert. Im Rahmen der Obduktion wurden CT-Untersuchungen durchgeführt. Dabei ergaben sich Hinweise auf eine Gasverschleppung in den rechten Vorhof, die autoptisch bestätigt wurde.
P-77 TODESFÄLLE DURCH FEUERWAFFEN IN GENF – 1991–2000 Burkhardt S, La Harpe R Institut de Médecine Légale, Genf, Schweiz Wir haben eine retrospektive Studie über sämtliche Todesfälle, die sich in Genf (Schweiz) innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren (1991 bis 2000) durch Feuerwaffen ereignet haben, durchgeführt. Die 180 untersuchten Fälle wurden je nach Todesart klassifiziert, d. h. als Selbstmord (147 Fälle), Totschlag (24 Fälle) und Unfall (9 Fälle). Verschiedene Angaben von der Polizeibehörde sowie der jeweiligen rechtsmedizinischen Untersuchungen wurden analysiert, darunter Alter und Geschlecht der Opfer, Tatort, und Typ der verwendeten Waffe. Es wurde auch berücksichtigt, ob die Opfer unter Einfluss von Drogen (Alkohol und/oder anderen) standen und, was die Selbstmorde betrifft, in welcher Jahreszeit diese erfolgt sind und wo der Einschuss war. Diese verschiedenen Elemente wurden mit Daten aus der Literatur verglichen.
P-78 TODESFÄLLE VON SÄUGLINGEN UND KINDERN IM RECHTSMEDIZINISCHEN OBDUKTIONSGUT – EINE ANALYSE VON 230 FÄLLEN Dettmeyer R, Schmidt P, Knuth C, Stiel M, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Fragestellung: Bislang liegen nur wenige Untersuchungen vor zum Todesursachenspektrum von Säuglingen und Kindern im rechtsmedizinischen Obduktionsgut. Insbesondere sollte geklärt werden, welche Todesursachen sich hinter der Klassifikation der Todesart in diesem Alter verbergen können. Material: Untersucht wurden 230 Todesfälle von Säuglingen und Kindern im Alter bis zu 12 Jahren, die im Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn in den Jahren 1992 bis 2000 obduziert wurden. Methode: Retrospektiv wurden alle Obduktionsprotokolle gesichtet und ausgewertet. Die Schnittpräparate aller in den untersuchten Todesfällen autoptisch entnommenen Organproben wurden erneut durchgemustert. Für einzelne Fragestellungen wurden, soweit dies noch nicht geschehen war, Spezialfärbungen angefertigt, ebenso immunhistochemische Färbungen. Die Ergebnisse durchgeführter postmortal-biochemischer und chemisch-toxikologischer Untersuchun-
gen wurden ebenfalls berücksichtigt. Nach Komplettierung der Untersuchungsergebnisse erfolgte eine Klassifikation der Todesursachen und eine Zuordnung zu den Todesarten „natürlich“,„nicht-natürlich“ und „ungeklärt“. Zugleich wurden die Todesfälle differenzierter klassifiziert. Ergebnisse: Neben der Zuweisung eines bedeutenden Anteils der untersuchten Fälle zum Phänomen des sog. Plötzlichen Kindstodes konnten die Todesfälle klassifiziert werden nach Tötungsdelikten, Suiziden, Unfällen und natürlichen Todesursachen. Bei den Unfallarten dominierten das Ertrinken bzw. Beinahe-Ertrinken und Brandtodesfälle, bei den natürlichen Todesfällen solche infolge Infektion und angeborener Fehlbildungen insbesondere des kardiovaskulären Systems. Die Alters- und Geschlechtsverteilung wird ebenso demonstriert wie Aspekte der jahreszeitlichen Verteilung, die gewählten Suizidformen und die Arten der Gewalteinwirkung bei den nicht-natürlichen Todesfällen, insbesondere bei den Tötungsdelikten.
P-79 GEWALT GEGEN FRAUEN UND KINDER IN BASEL, EIN SOZIO-KULTURELLES PHÄNOMEN? Eiche BE, Gerlach K, Sasse G, Wyler D, Dittmann V Institut für Rechtsmedizin Basel Zwischen Januar 1999 und Dezember 2001 wurde das Institut für Rechtsmedizin Basel beauftragt, 108 Frauen und Kinder hinsichtlich Körperverletzung (darunter 9 Tötungsdelikte) zu untersuchen. Bei der Datenerhebung waren Angaben über die Zugehörigkeit zu Kulturkreisen und Bevölkerungsgruppen, das soziale Umfeld, das Alter der Beteiligten, die Beziehungen der Beteiligten zueinander sowie Tatwerkzeuge und Motiv von Interesse. Anhand der Daten wurden Opfer- und Täterkategorien zusammengestellt und die Begleitumstände der Ereignisse in die Betrachtung einbezogen. Die Resultate werden vorgestellt und insbesondere bezüglich soziokultureller Gesichtspunkte und erkennbarer Trends diskutiert.
P-80 UNTERSUCHUNG ZUR SUIZIDRATE IN KORRELATION ZUR BEVÖLKERUNGSSTRUKTUR EINER GROSSSTADT AM BEISPIEL KÖLN Schillings W, Graß H, Steffen C, Riepert T Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln Mit der Thematik der Selbsttötung beschäftigen sich unterschiedliche wissenschaftliche Bereiche. Auch die Forensik hat sich mit diesem Problem immer wieder befasst. Aktuellere Ansätze, die auch gesellschaftliche Aspekte berücksichtigen, fokussieren insbesondere die Gruppe der Suizide im höheren Lebensalter. Mit Blick auf eine Überalterung der bundesdeutschen Bevölkerung wurden daher auch die Kölner Fälle untersucht. Im Rahmen einer retrospektiven Analyse wurden die als Suizide registrierten Sterbefälle der Jahre 1996 bis 2000 sowie in 5-Jahresschritten die Fälle der Jahre 1975 bis 1995 ausgewertet.Als Datengrundlage wurden Angaben der Leichenschau, chemischtoxikologische Untersuchungen inkl. BAK sowie kriminalpolizeiliche Ermittlungen berücksichtigt. Das Amt für Statistik der Stadt Köln stellte für die jeweiligen Jahrgänge die Daten zur Bevölkerungsstruktur und die Todesursachenstatistik zur Verfügung.Als erste Ergebnisse zeigte die Auswertung folgendes: Die als Suizide erfassten Sterbefälle stimmen zahlenmäßig mit den Angaben der städtischen Todesursachenstatistik überein, somit ist das untersuchte Kollektiv als repräsentativ zu bezeichnen. In der nach Altersgruppen gewichteten Analyse der Daten für das Zeitfenster 1975 bis 1999 war die Suizidrate in den Altergruppen bis 59 Jahre am höchsten, für 2000 war erstmals nur gut die Hälfte der Suizidenten £ 59 Jahre. Die Gruppe der 60-Jährigen und Älteren war bei steigender Tendenz mit 26% – 46% (2000) beteiligt.Wird die Zahl der Suizide in den verschiedenen Altersgruppen an Rechtsmedizin 4•2002
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Abstracts der Bevölkerungszusammensetzung gespiegelt, so ist für Köln zu beobachten, dass die Suizidrate in der Gruppe der ≥ 60-Jährigen deutlich und tendenziell steigend über dem Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt (z.B. 2000 22% Bevölkerungsanteil, 46% der Suizide). Auch ein Bezug zur Suizidrate der Gesamtbevölkerung zeigt dies auf, die Suizidrate im Alter liegt etwa um den Faktor 2 höher. Damit ist ein offensichtlicher bundesweiter Trend (u.a. Erlemeier 2001) zu bestätigen. Dies sollte zur Nachdenklichkeit in der Gesellschaft Anlass geben.
P-81 EIN TÖDLICHER AUTOEROTISCHER UNFALL – ODER SUIZID? Huckenbeck W, Gabriel P, Barz J Institut für Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Im Obduktionsgut der rechtsmedizinischen Institute stellen autoerotische Unfälle keine Seltenheit dar. In aller Regel werden extreme automonosexuale Praktiken nur dann bekannt, wenn sie tödlich enden. Die für die sexuellen Spiele konstruierten Gerätschaften sind oft sehr phantasiereich erdacht, teilweise mit bizarrem Beiwerk ausgeschmückt. Im berichteten Fall wurde ein 40 Jahre alt gewordener Mann tot in seiner Wohnung aufgefunden. Der Leichnam lag auf dem Bett, über den Kopf war eine große transparente Plastiktüte gestülpt. Diese war mit einem Lederband am Hals fixiert. In der Mundhöhle konnte ein Taschentuch gefunden werden, dieser Knebel war mit Hilfe eines Klebebandes zirkulär am Kopf fixiert. An einer Seite war in die Plastiktüte eine Kanüle eingebracht, deren Spitze sich in einer Ether getränkten Damenbinde im Inneren der Tüte befand. Das Etherdepot konnte über einen Plastikschlauch nachgefüllt werden. Die einzige Bekleidung bestand in sechs übereinander getragenen Damenmiederhosen. Darunter trug er einen Latex-Slip mit einer länglichen Ausformung für den Penis. Dieser war mit einem Lederband eng umwickelt. Im Anus steckte ein 10 cm langer Godemiché. Bei dem berichteten Fall handelt es sich nicht um einen autoerotischen Unfall sondern eher um einen Suizid. Es bestand aufgrund der Ether-Narkose keinerlei Möglichkeit, den Erstickungstod in der Plastiktüte zu verhindern.
P-82 ANZAHL VORSÄTZLICHER TÖTUNGEN IN DEUTSCHLAND: ENTWICKLUNG INNERHALB VON 2 JAHRZEHTEN IM VERGLEICH DDR/BRD SOWIE NEUE/ALTE BUNDESLÄNDER Jachau K1, Haupt S2, Gerlach J2, Krause D1 1 Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg 2 Fachhochschule der Polizei Sachsen-Anhalt, Aschersleben Eine gemeinsame statistische Auswertung aller rechtsmedizinischen Institute der neuen Bundesländer (außer Berlin) zeigte das überraschende Ergebnis, dass von 1995–97 fast doppelt so viel Tötungsopfer obduziert wurden als im Zeitraum 1985 – 1987. Es war zu überprüfen, ob das mit den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Übereinstimmung steht. - Die Anzahl der Tötungsdelikte pro Jahr ist im Vergleich eines Jahrzehnts vor und nach der Wende in Westdeutschland um 11 % gesunken, in Ostdeutschland um 71 % gestiegen. - Die vorsätzliche Tötung von Männern stieg nach der Wende in Ostdeutschland auf das Doppelte an. Die wesentlichste Opfergruppe sind Männer zwischen 25 und 50 Jahren. - Tötungsdelikte an Frauen wiesen nach der Wende keinen Anstieg auf und sanken insgesamt in Deutschland. - Die Tötungsraten der Kinder bis 5 Jahre sind überall in Deutschland relativ hoch, was vorrangig auf die Tötung von Säuglingen zurückzuführen ist. Das politisch brisante Ergebnis, das in den neuen Bundesländern wesentlich mehr Tötungsdelikte zu beklagen sind als in den alten Bundesländern, wird bei der Betrachtung über die Zeit entschärft, weil sich die Zahlen in den letzten Jahren wieder annähern. Offen-
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sichtlich töten Männer ihre männlichen Konkurrenten in unruhigen Zeiten des sozialen Umbruchs, der Werteverluste und vermeintlich verminderten Entdeckungschancen häufiger als in längerfristig stabilen sozialen Verhältnissen mit wirtschaftlich günstiger Umgebung. Die Töungsdelinquenz an Frauen und Kindern scheint davon relativ unberührt zu sein.
P-83 ANALYSE DER TÖTUNGSDELIKTE IM VERSORGUNGSGEBIET DES INSTITUTES FÜR RECHTSMEDIZIN DER UNIVERSITÄT BONN 1989 – 1999 Passinger C, Padosch SA, Schmidt P, Madea B Institut für Rechtsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Es werden die Daten einer retrospektiven Studie sämtlicher Tötungsdelikte im Versorgungsgebietes des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Bonn von 1989 bis 1999 vorgestellt. Zur Auswertung standen neben den Institutsunterlagen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten sowie Gerichtsurteile zur Verfügung. Erfasst wurden insgesamt 214 Tötungsdelikte. Es erfolgte eine detaillierte Analyse hinsichtlich folgender Kriterien: Deliktstyp, Tatort, Tatzeit, Begehungsart, Tatwaffe, Todesursache, Täter – Opfer – Beziehung, Motiv, sowie Beruf des Täters. Hinsichtlich der rechtlichen Wertung der Deliktstypen überwogen vorsätzliche Tötungsdelikte. Tatorte waren in der Mehrzahl umschlossene Räumlichkeiten. Bei den Tatzeiten zeigte sich eine Häufung an bestimmten Wochentagen (Mi, Sa, So), es wurde weiters eine Akkumulation der Delikte im Tagesverlauf in den späten Abendstunden festgestellt. Als Begehungsarten prävalierten bei sämtlichen erfassten Tötungsdelikten die Einwirkung von stumpfer bzw. scharfer Gewalt. Erstaunlicherweise wurden Tötungsdelikte durch Vergiften o.ä. kaum beobachtet. In der Mehrheit der untersuchten Fälle stammten die Täter aus dem näheren persönlichen Umfeld des Opfers. Die Ergebnisse hinsichtlich der Täterprofile (männlich, Alter: 20–50 Jahre; vergleichsweise niedriger sozio-ökonomischer Status, häufig in Verbindung mit Alkoholmissbrauch) bestätigten aktuelle nationale und internationale Trends. Bei den Motiven überwogen deutlich private Konfliktsituationen wie Eifersucht, Trennungsängste, etc.; Gewinnsucht wurde annähernd ausschließlich bei Verurteilungen wegen Mordes als Motiv bewertet. Das untersuchte Gebiet repräsentiert sowohl den urbanen Ballungsraum als auch ländliche Bereiche. Insbesondere derartige Unterschiede wurden in der Auswertung und Diskussion der erfassten Daten eingehend berücksichtigt. Die ermittelten deskriptiv – statistischen Ergebnisse wurden darüber hinaus den Daten aus der neueren nationalen und internationalen Literatur vergleichend gegenübergestellt.
P-84 SELBSTTÖTUNGEN DURCH STÜRZE IN GENF VON 1991 BIS 2000 Perret G, La Harpe R Universitätsinstitut für Rechtsmedizin Genf, 9 av. de Champel, 1211 Genf 4, Schweiz Ziel: Bestimmung der Selbsttötungen durch Stürze in einer Zeitspanne von 10 Jahren im Kanton Genf. Methode: Retrospektive Studie auf Basis der Akten des Genfer Instituts für Rechtsmedizin. Alle Suzidfälle des Kantons, welcher eine Bevölkerung von 400.000 Bewohnern umfasst, werden in unserem Institut untersucht. Die Polizei verordnet entweder eine Obduktion oder eine Leichenschau. Alle Fälle, bei welchen ein Suizid durch Sturz festgestellt wurde, sind in diese Studie einbezogen worden. Ergebnisse: Von 1991 bis 2000 gab es 195 Suizide durch Stürze in Genf, d.h. 5 Fälle auf 100.000 Einwohner pro Jahr. Die mittlere Suizidrate in Genf beträgt jährlich 22,52 Fälle auf 100.000 Einwohner.Wir haben be-
obachtet, dass sich die Fälle zwischen November und März mehren, 50% der gesamten Fälle kommen in dieser Zeitspanne vor. 64% der Stürze finden während des Tages statt. 56% der Fälle betreffen Frauen und 59% der Opfer sind zwischen 20 und 65 Jahre alt. Bei 65 Leichen (33%) wurde eine Obduktion durchgeführt, bei 130 Fällen (67%) nur eine Leichenschau. 169 (87%) der Opfer sind aus einem Wohngebäude gesprungen, 26 (13%) von einer Brücke. Bei den Wohngebäuden handelte es sich bei 121 Opfern um ihren Wohnort, bei 16 um ein Spital, bei 4 um den Arbeitsort und bei 28 um Stürze aus einem sonstigen Gebäude. 90% der Opfer sind am Ort gestorben, nur 10% haben den Sturz einige Tage überlebt. 73 (37%) der Akten erwähnten eine psychiatrische Vergangenheit, die Diagnose wurde dabei nur für 51 Personen erwähnt. 46 von ihnen litten an Depressionen, 9 davon zusätzlich an Alkohol- und Drogenabhängigkeit. 5 Personen litten an psychotischen Störungen, eine davon mit Alkoholabhängigkeit und 12 Fälle hatten mindestens einen Selbstmordversuch hinter sich. Auf die 195 Stürze wurden 48 Fälle (25%) toxikologisch geprüft : 33 davon waren positiv. 68 Fälle (35%) wurden auf Alkohol untersucht, 26 davon waren positiv. Die am häufigsten vorkommende Droge waren Benzodiazepine (11 Fälle) und Cannabis (5 Fälle).Von den Fällen mit Obduktion wiesen 98% Verletzungen am Thorax, 81% im Bauchraum, 78% am Schädel, 65% an den Gliedern, 58% an der Wirbelsäule und 55% am Becken auf.
P-87 ATYPISCHES ERHÄNGEN DURCH DEN MUND Szabó A, Kiss L Institut für Rechtsmedizin der Universität Szeged, Ungarn Es wird über einen Suizid berichtet, bei dem das Strangwerkzeug ungewöhnlicherweise nicht um den Hals sondern durch den Mund verlief. Ein 56-jähriger Mann wurde freihängend in seinem Gewächshaus an einem Spannrohr aufgefunden. Unter ihm am Boden befand sich eine Stehleiter. Der Strang verlief durch den Mund und beidseits symmetrisch über die Ohren und der Knotenabdruck befand sich am Nacken. Die linke Hand war unter dem Strang an der Wange im Sinne eines offensichtlichen Selbstrettungsversuches eingeklemmt. Die polizeiliche Untersuchung konnte keinen Nachweis eines Fremdverschuldens liefern. Hier stellte sich die Frage, ob ein solcher Erhängungsmechanismus als Todesursache in Frage kommen kann? Die Obduktionsbefunde, die histologischen und die toxikologischen Untersuchungen werden im Zusammenhang mit der Literatur diskutiert.
Identifikation,Todeszeit, Alterschätzung P-85 DIE TÖTUNG DES KINDES DURCH DIE JUNGE MUTTER Darok M, Gatternig R, Grabuschnigg P, Roll P Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Graz Wie in den Rechtsordnungen anderer Länder, ist auch im österreichischen Strafrecht eine Mutter, die das Kind während der Geburt oder solange sie noch unter der Einwirkung des Geburtsvorganges steht, tötet, gegenüber dem Mord privilegiert, was das Strafmaß betrifft (§79 StGB). Damit soll dem Umstand des psychischen Ausnahmezustandes der Mutter und einer damit verbundenen verminderten Zurechnungsfähigkeit Rechnung getragen werden. Aus der Statistik geht eindeutig hervor, dass bei derartigen Kindestötungen die jungen Mütter (Alter bis 20 Jahre) deutlich überrepräsentiert sind. Der Hauptgrund hierfür dürfte darin liegen, dass der Anteil ungewollter Schwangerschaften, die infolge Verdrängung bzw. mangels Erfahrung lange Zeit unbemerkt bleiben und verheimlicht werden, in dieser Altersgruppe am höchsten ist. Die scheinbare Ausweglosigkeit und die Überforderung der jungen Mutter mit dieser Situation können sich dann in Handlungen gegen das Leben des Kindes manifestieren. Neben der Vorstellung unserer statistischen Auswertung von Kindstötungen der letzten 20 Jahre für Gesamt-Österreich werden auch einige exemplarische Fälle aus unserem Fallgut präsentiert. Die weitere Verbreitung von sog. „Babyklappen“ wäre wünschenswert, um den Frauen einen alternativen, legalen Ausweg aus ihrer Situation zu bieten.
P-86 TODESFALL DURCH UNFALLMÄSSIGES ERHÄNGEN? Schmidt U, Rost T, Bohnert M Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg Ein 67 Jahre alt gewordener Mann wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden. Die Lage des Leichnams mit Einklemmung von Kopf und Hals zwischen einem Heizkörper und einem Kleiderschrank in halbsitzender Körperhaltung ließ zunächst an einen Tod durch unfallmäßiges, atypisches Erhängen denken. Todesursächlich war jedoch ein 15 ¥ 6 ¥ 2,5 cm großes und 85 g schweres, kaum zerkautes Fleischstück, das den Kehlkopf, den Rachen und den oberen Anteil der Speiseröhre verlegt hatte.
P-88 ZUVERLÄSSIGKEIT DER ALTERSBESTIMMUNG MIT DEN VERFAHREN VON LAMENDIN UND MEINDL-LOVEJOY IM FALL EINER ZUNÄCHST UNBEKANNTEN PERSON Bednarek J, Engelgard P, Pufal E, Sliwka K Institut für Rechtsmedizin, Bydgoszcz, Polen Ziel der Arbeit war die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Altersschätzung mit den Verfahren von Lamendin und Meindl-Lovejoy im Fall eines zunächst unbekannten verstorbenen Mannes. An zwei einwurzligen Zähnen des Unterkiefers wurden definierte Parameter (Wurzellänge, Wurzeldentintransparenz und periodontales Attachment) bestimmt.Außerdem wurde der Obliterationszustand der Schädelnähte an 10 diagnostischen Stellen beurteilt. Nach Identifizierung des Verstorbenen wurde das mit diesen Methoden bestimmte Alter mit dem tatsächlichen Alter verglichen. Im Falle eines der untersuchten Zähne stimmte das bestimmte Alter mit dem tatsächlichen Alter überein. Bei den übrigen Altersschätzungen lagen die Differenzen zwischen dem bestimmten und dem tatsächlichen Alter unter +/– 5 Jahren. Diese Ergebnisse bestätigen die Beobachtungen anderer Autoren, nach denen die eingesetzten Verfahren zur Altersschätzung brauchbare Ergebnisse liefern.
P-89 FINGERABDRÜCKE BEI FAULENDEN LEICHEN: EINE TECHNISCHE ANMERKUNG Gabriel P1, Heidemeyer S2, Thiel W2, Huckenbeck W1 1 Institut für Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf 2 Polizeipräsidium Wuppertal Verwertbare Fingerabdrücke sind bei faulenden Leichen nur schwer zu nehmen. Durch die Mazeration der Haut ist das Hautleistenbild oft für die Daktyloskopie unbrauchbar. In einigen Fällen kann man jedoch das Hautleistenbild durch spezielle Präparationstechnik wieder darstellen. In dem berichteten Fall wurden die Überreste eines männlichen Leichnams in einem großen Plastiksack aufgefunden. Die Liegezeit betrug etwa ein Jahr. Bei der Identifizierung trat das bekannte Problem auf: die Fingerbeeren waren stark fäulnisverändert. Es wurde in unserer Region erstmals eine vom BKA beschriebene Technik angewandt. Hierzu wurden die Hände entfernt und tiefgefroren. SpäRechtsmedizin 4•2002
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Abstracts ter erfolgte ein langsames Auftauen in lauwarmem Wasser über Nacht. Die Finger wurden einzeln entfernt, zunächst unter fließendem Wasser gereinigt und dann in 1,5 %ige Kalilauge gelegt. Nach 90 Minuten waren die Fingerbeeren weich und das Hautleistenbild sichtbar. Noch anhaftende Reste der Epidermis wurden entfernt. Nach erneutem Spülen mit Wasser und Trocknung wurden die Fingerbeeren mit Isomark®-Abformmasse überzogen. Nach einer Trockenzeit von 7 Minuten konnte die Masse problemlos abgezogen werden. Nach Umstülpen konnten die erhaltenen Abformungen geschwärzt und abgerollt werden. Die erhaltenen Papillarlinienbilder mussten dann noch fototechnisch invertiert werden. Die erhaltenen Papillarlinienbilder waren von so hoher Qualität, dass sich die Anwendung der Methode sowohl für die Personenidentifizierung als auch für den Spurenvergleich empfiehlt.
P-90 DAS IDENTIFIZIERUNGSGUTACHTEN – EIN RESULTAT INTERDISZIPLINÄRER ZUSAMMENARBEIT. FALLBEISPIEL Grundmann C1, Springer E1, Rötzscher K2 1 Institut für Rechtsmedizin der Stadt Duisburg 2 Arbeitskreis für Forensische Odonto-Stomatologie, Speyer Das Ziel der Untersuchung bestand in der Identifizierung einer unbekannten weiblichen, bereits im Zustand der Verwesung befindlichen Wasserleiche. Soll ein komplizierter Fall abgeklärt werden, so ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen kriminalpolizeilichen, medizinischen und zahnärztlichen Experten unumgänglich. An der Identifizierung der aus dem Rhein geborgenen Toten war – wie in ähnlich gelagerten Fällen auch – ein forensisch-odontologischer Sachverständiger beteiligt. Zusätzlich wurden vor der Sektion Röntgenaufnahmen des gesamten Sklettsystems angefertigt. Routinemäßig durchgeführte daktyloskopische und serologische Maßnahmen führten zu keinem positiven Vergleichsergebnis. Die Kiefer wurden bei der Sektion entnommen, mazeriert und fotografisch dokumentiert. Es fanden sich vier Brånemark-Implantate im Unterkieferfrontbereich. Eine radiologisch diagnostizierte Endoprothese des linken Hüftgelenkes wurde bei der Sektion entnommen. Es gelang der Nachweis des Herstellers und der Seriennummer. Hierüber konnte die implantierende Klinik für Orthopädie ermittelt werden. Es erfolgte die Kontaktaufnahme zu den behandelnden Orthopäden bzw. Zahnärzten. Als Ergebnis der interdisziplinären Identifizierungsmaßnahmen kann festgehalten werden, dass die unbekannte Leiche auf Grund der Zahnimplantate und der mit einer Registriernummer versehenen Endoprothese im linken Hüftgelenk beim Abgleich mit den Vermisstendateien eindeutig identifiziert werden konnte. Es handelte sich um eine 69-jährige Frau, die zuletzt mehr als 300 Kilometer vom Auffindeort entfernt polizeilich gemeldet war und – nach kriminalpolizeilichen Ermittlungen – ihre Wohnung in suizidaler Absicht verlassen hatte.
P-91 KANN DIE SYSTEMATISCHE TOXIKOLOGISCHE ANALYSE (STA) EINEN BEITRAG ZUR TODESZEITBESTIMMUNG LEISTEN? Schellhorn J, Demme U, Klein A Institut für Rechtsmedizin, Friedrich-Schiller-Universität Jena Bei der STA (d. h. der systematischen chemisch-analytischen Suche nach unbekannten Giftstoffen in biologischem Material) traten in Chromatogrammen von Extrakten aus Leichenmaterial (Blut u.a.) immer wieder drei Peaks auf, die bei entsprechenden Untersuchungen am biologischen Material lebender Personen nicht bzw. wesentlich schwächer auftraten.
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In Übereinstimmung mit früheren Arbeiten von KEMPE [1] konnten die diesen Peaks zugrungeliegenden Substanzen als Nikotinamid, Thymin und Uracil identifiziert werden. In fäulnisverändertem Material waren sie meist nicht mehr nachzuweisen, hier dominierten Hydroxyphenylverbindungen mit ihren charakteristischen UV-Spektren. Diese Beobachtung war für uns Anlass, die Abhängigkeit der Konzentrationen dieser drei Substanzen im Leichenblut von der seit Todeseintritt verstrichenen Zeit zu prüfen. Voraussetzung für diese Untersuchungen war die Erarbeitung eines Analysenverfahrens (Flüssig-Flüssig-Extraktion mit anschließender chromatographischer Trennung mittels HPTLC, Nachweis und Bestimmung mittels UV-Detektion) und die Prüfung der in vitro-Stabilität der drei Verbindungen in biologischem Material bei verschiedenen Temperaturen. Es zeigte sich, dass die Konzentrationen während der Lagerung bei –18°C konstant blieben. Insgesamt wurden 71 Herzblute Verstorbener mit gesicherter Todeszeit im postmortalen Intervall zwischen 10,25 und 1163 Stunden untersucht. Es fand sich nur eine geringe Korrelation zwischen den Konzentrationen von Nicotinamid, Thymin und Uracil und der Leichenliegezeit. Die Hauptursache der nicht unbeträchtlichen interindividuellen Unterschiede dürfte in der Vielzahl der im Einzelfall unbekannten Einflussfaktoren auf den postmortalen Stoffwechsel liegen. Die durchgeführten Analysen bestätigen die Vermutung, dass die systematische toxikologische Analyse mit Hilfe dieser drei Marker – trotz ihres regelmäßigen Auftretens im Obduktionsmaterial – keinen Beitrag zur Todeszeitbestimmung leisten kann. 1. Kempe, B.: Interfering substances in the determination of popisons in autopsy material. In: Acta pharmacol. et toxicol. 25 (1967), S. 249– 257
P-92 3-DIMENSIONALE GESICHTSREKONSTRUKTION UNBEKANNTER TOTER Niess C, Bratzke H Zentrum der Rechtsmedizin, Frankfurt am Main Die Rekonstruktion des Gesichtes ist eine Methode, die zur Identitätssuche eines unbekannten Toten eingesetzt wird. Sie kann vor allem dann Anwendung finden, wenn die Möglichkeiten der Identifizierung durch Lebensalter, Geschlecht, Größe, Zahnstatus, DNA, individuelle Merkmale etc. nicht zum Erfolg führen konnten. Die Rekonstruktion hat zum Ziel dem Verstorbenen ein „Gesicht“ zu verleihen, welches den Ermittlungsbehörden erlaubt beispielsweise über mediale Verbreitung die Bevölkerung anzusprechen und über das Wiedererkennen zu weiteren Anknüpfungspunkten zu gelangen, die in eine Identitätssicherung münden.Anhand eines Beispieles, einem ca. 15–17-jährigen Mädchen das einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war und im Sommer 2001 aus dem Main geborgen wurde, wird die Methode dargestellt. Der knöcherne Schädel wird an definierten Stellen mit Markern versehen, welche die Weichteildicke anzeigen. Diese werden in der sogenannte technischen Phase mit Modelliermasse verbunden und ausgefüllt und in der kreativen Phase als menschliche Gesichtszüge modelliert. Der Vorteil der Methode liegt darin, dass der Schädel allseits (3-dimensional) rekonstruiert wird und entsprechend fotografiert werden kann. Bei vorhandenem Frontzahngebiss wird zur Darstellung des individuellen Merkmals Zähne die Rekonstruktion mit lächelndem Gesichtsausdruck wie auch mit geschlossenem Mund bzw. neutralem Gesichtsausdruck modelliert. Daneben können unterschiedliche Lebensaltersstufen dargestellt werden. Die Rekonstruktion des knöchernen Schädels nimmt nur wenige Arbeitstage in Anspruch und erlaubt hierdurch eine rasche Weiterbearbeitung des Falles.
P-93 EINGRENZUNG DER LEICHENLIEGEZEIT MITTELS IMMUNHISTOCHEMISCHEN NACHWEISES VON CYSTATIN-C Wehner F, Wehner HD, Claßen I Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Tübingen Die Eingrenzung der Leichenliegezeit gestaltet sich mit zunehmender Dauer schwieriger und ergibt somit ungenauere Resultate. Zur Verbesserung dieser wurde von Leichen, deren Liegezeit kriminalpolizeilich auf eine Spanne zwischen 1 Tag und 22 Tagen ± 1 Tag eingegrenzt werden konnte, Nebennierengewebe mittels eines Anti-Cystatin-C Antikörpers immunhistochemisch angefärbt und die Immunreaktion des Nebennierenmarkes ausgewertet. Nach Mikrowellenvorbehandlung der Gewebeschnitte wurde zum Nachweis von Cystatin-C ein polyklonaler Anti-Cystatin-C Antikörper vom Kaninchen als Primärantikörper verwendet, als Sekundärantikörper diente biotinyliertes Anti-Kaninchen-F(ab`)2-Fragment. Der Nachweis der spezifischen Antigenbindung erfolgte mittels der Avidin-Biotin Komplex Methode. Parallel wurde Cystatin-C im Nebennierenmark von Mäusekadavern, welche einen bekannten Todeszeitpunkt und Liegezeit, sowie erfassbare äußere Einflüsse (Temperatur, Feuchtigkeit etc.) aufwiesen, immunhistochemisch angefärbt und die Resultate mit den Ergebnissen der Untersuchungen der Leichen verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Nebennierenmark von Leichen mit einer Liegezeit bis zu zwei Tagen in allen Fällen eine positive Immunreaktion gegenüber Cystatin-C aufweist, was bei einer Leichenliegezeit von mehr als 12 Tagen in keinem Fall zu verzeichnen ist. Dies bedeutet, dass bei einer negativen Immunreaktion davon auszugehen ist, dass der Tod mehr als zwei Tage vor der Obduktion eingetreten ist. Die Tatsache, dass eine negative Immunreaktion regelmäßig nach einer Leichenliegezeit von mehr als 12 Tagen zu verzeichnen ist, lässt den Schluß zu, dass bei gegebener Anfärbbarkeit von Cystatin-C der Tod maximal 12 Tage zurückliegt.
Begutachtung, Organisationsfragen P-94 ORGANISATIONSSTRUKTUR UND LEISTUNGEN DES RECHTSMEDIZINSICHEN DIENSTES IN SCHWEDEN Giebe W, Dawidson I, Giebe B, Csatlos M Rättsmedicinska Avdelningen, Retzius väg 5, S-17165 Solna, Schweden Nach Neuorganisation der Rechtsmedizin in Schweden im Jahre 1991 hat sich die neue Organisationsstruktur in den vergangenen 10 Jahren bewährt. Die Leitung des rechtsmedizinischen Dienstes erfolgt zentral (Rättsmedicinalverket), die Versorgung des Landes wird durch 6 rechtsmedizinische, 2 rechtspsychiatrische und jeweils eine rechtsgenetische und rechtschemische Abteilung gewährleistet. Die rechtsmedizinischen Einrichtungen sind teilweise an Universitäten angebunden. Die Leitung der Abteilung und die Vertretung des Faches in der Lehre erfolgt mehrheitlich in Personalunion, wobei die Anstellungen personell getrennt bzw. prozentual aufgeteilt sind. Der größte Teil der Arbeit wird von der Obduktionstätigkeit eingenommen. So wurden in den Jahren 1995 bis 2000 jährlich durchschnittlich 5153 Verstorbene obduziert. Dies entspricht etwa 6% aller in einem Jahr Verstorbenen. In diese Zahlen gehen praktisch alle Tötungsdelikte und Selbstmorde sowie ca 90 % aller Vekehrsunfallopfer ein. Identifizierung unbekannter Toter durch rechtsodontologische Untersuchungen, Untersuchungen lebender Personen (Täter, Geschädigte), Besichtigungen von Ereignisorten und Vertretung der Gutachten vor Gericht sind weitere Aufgabenbereiche, wobei aufgrund der strafprozessualen Gesetzgebung die Gerichtstätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist.
Die Untersuchung einbehaltener Organmaterialien auf Arzneimittel und andere exogene Gifte, Drogen und Alkohol erfolgt zentral in der Rechtschemischen Abteilung und die Klärung strittiger Vaterschaften in der rechtsgenetischen Abteilung, beide lokalisiert in Linköping. Das Rättsmedicinalverket stellt sich somit als ein in erster Linie auf alle Zweige der rechtsmedizinischen Betreuungstätigkeit ausgerichteter, effektiv arbeitender Dienst dar, dessen Aufgabenbereich klar abgesteckt und hinsichtlich der universitären Ausbildungsaufgaben und der Forschungsaufgaben abgegrenzt ist.
P-95 EIN ORGANISATIONSVORSCHLAG ZUR IDENTIFIZIERUNG VON MASSENUNGLÜCKSOPFERN Hauser R Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Akademie Gdansk, Polen Die immer häufigeren Katastrophen mit internationalen Auswirkungen, wobei Terrorangriffe (z. B. in letzter Zeit diejenigen vom 11. September 2001 innerhalb der Vereinigten Staaten) an Bedeutung gewinnen, erzwingen baldige Organisationsmaßnahmen zwecks Identifizierung von Unglücksopfern. Es bedarf dies einer Vereinheitlichung, die weder auf innerstaatlichem noch auf internationalem Niveau vorhanden ist. Das Problem wurde mehrmals auf Kongressen und Symposien von Gerichtsärzten besprochen. Vorgeschlagen worden ist ein Komitee, das die Tätigkeit internationaler Identifizierungsteams bei Massenunglücken koordinieren könnte. Die real bestehende und ständige Gefahr von Katastrophen mit Landes – bzw. Regionalausmaß erzwingt auch hinsichtlich dessen baldige Organisationsmaßnahmen. Angesichts der häufig vorkommenden Multinationalität der Opfer von jetzigen Katastrophen ist darüber hinaus eine Vereinheitlichung des Organisationssystems angebracht. Eben damit befasst sich diese Bearbeitung. In einer schematischen Darstellung sind hier Lösungen vorgeschlagen worden, die Organisationsmaßnahmen innerhalb von Ländern und Regionen wie auch auf internationalem Niveau betreffen, wobei das Problem der Identifizierung von Unglücksopfern weitreichend aufgefasst wird.
P-96 TODESERMITTLUNGSVERFAHREN IM RAUM DÜSSELDORF – EINE VERGLEICHENDE UND RETROSPEKTIVE STUDIE Huckenbeck W1, Niederschelp R2, Barz J1, Gabriel P1 1 Institut für Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf 2 Polizeipräsidium Düsseldorf Für die vorliegende Studie wurden die Todesermittlungsverfahren der letzten fünf Jahre im Einzugsbereich des Düsseldorfer Instituts ausgewertet. Es erfolgte eine Einteilung in Suizide, Homizide, Unfälle und natürliche Todesfälle. Hierbei zeigte sich, dass die Obduktionsfrequenz bei insgesamt leicht fallender Tendenz zwischen einzelnen Polizeibezirken stark variiert. Hierfür gibt es mehrere Erklärungen: aufgrund des Einflusses des zweiten Weltkrieges ist die Sterbeziffer in Deutschland in den letzten Jahren gesunken, somit ist auch die Gesamtzahl der Todesermittlungsverfahren gesunken.Aber auch vordergründige ökonomische Gesichtspunkte könnten Polizei und Staatsanwaltschaften zu einer Verringerung der Obduktionsquote veranlassen. Dabei hat sich die Obduktion immer als effizienter und schneller Bestandteil des Todesermittlungsverfahrens erwiesen. Im Gegensatz zur sinkenden Sterbeziffer ist jedoch die Zahl der Feuerbestattungen und damit auch der Feuerbestattungsleichenschauen deutlich angestiegen. Wie unsere Studie zeigt, hat sich auch die Feuerbestattungsleichenschau als effiziente Qualitätskontrolle erwiesen. Die Zahlen aus dem Düsseldorfer Raum wurden mit den Daten für Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik verglichen.
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Abstracts P-97 ZUR FORENSISCHEN RELEVANZ DER SPORADISCHEN CEREBROVASCULÄREN AMYLOIDOSE („KONGOPHILE ANGIOPATHIE“) BEI TRAUMATISCHEN INTRAKRANIELLEN BLUTUNGEN Matejic D1, Haffner HT2, Schmitt HP1 1 Pathologisches Institut, Abteilung Neuropathologie, Heidelberg 2 Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin, Heidelberg Die cerebro-vaskuläre Amyloidose (CVA), auch kongophile Angiopathie oder Amyloidangiopathie genannt, ist charakterisiert durch Gefässwanddegeneration im Bereiche der arteriellen Endstrecke (Kapillaren,Arteriolen und kleine Arterienäste) des Subarachnoidalraumes und der Grosshirnrinde, mit Einlagerung von bA4-Amyloidprotein (Ab). Im Hirnkortex treten häufig perivaskuläre Ansammlung von Ab („drusige Entartung der Hirnarterien und Kapillaren“, Scholz, 1938) hinzu. Die schon in der Kongorot-Färbung erkennbaren Amyloideinlagerungen lassen sich heute noch besser durch Markierung des AbProtein mit polyklonalen Antikörpern darstellen. Die CVA ist vor dem 60. Lebensjahr selten; jenseits dieser Altersgrenze nimmt ihre Häufigkeit jedoch stetig zu. Im Rahmen der Demenz vom Alzheimer-Typ ist sie ein konstantes, wenngleich in der Ausprägung variables Phänomen. Selten kommt sie in bestimmten Regionen als familiäres Leiden mit und ohne Demenz vor. Die „kongophile“ Degeneration führt zu einer erheblichen Resistenzminderung der Gefässwände und hat nicht selten die Entstehung arterieller Mikroaneurysmen zur Folge, aus denen es häufig Mikroblutungen setzt. Die Resistenzminderung erhöht jedoch auch die Gefahr von „atypischen“, oberflächennah im Kortex und Subarachnoidalraum lokalisierten Hirnmassenblutungen, die bei der reinen CVA zwar selten (um 1–3% aller Hirnmassenblutungen jenseits des 60. Lebensjahre) sind, deren Inzidenz jedoch bei zusätzlichen Faktoren wie arterieller Hypertonie und/oder traumatischen Einwirkungen rapide ansteigt. In Fällen mit ausgeprägter CVA können bereits Bagatelltraumen atypische intrakraniellen Blutung auslösen. An drei Beispielfällen traumatischer Blutungen bei sporadischer CVA aus dem Begutachtungsbereich soll die forensische Relevanz der Amyloidangiopathie als schicksalhaftes Leiden verdeutlicht werden. Fälle: (1) w 85a, (2) w 59a, (3) w 88a
P-98 RECHTSMEDIZIN IN SYRIEN Saleh A1,2, Safi Ali Y2, Püschel K1 1 Institut für Rechtsmedizin – Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2 Institut für Rechtsmedizin – Syrisches Gesundheitsministerium Die Syrische Rechtsmedizin hat eine lange Tradition im letzten Jahrhundert. Zunächst gab es allerdings nur wenige Rechtsmediziner. Die meisten von ihnen waren keine Spezialisten auf diesem Gebiet. Einzelne Fachärzte wurden zum Beispiel in der ehemaligen DDR, in Rumänien und in der Sowjetunion ausgebildet. Die Rechtsmedizin wird erst seit fünf Jahren an der Universität und im Gesundheitsministerium gelehrt. Dabei arbeiten diese beiden Institutionen zusammen. Einzelheiten der Weiterbildung in Syrien werden auf dem Poster dargestellt. Die praktische Arbeit in der Rechtsmedizin wird in Instituten des syrischen Gesundheitsministeriums in verschiedenen größeren Städten ausgeübt. Sektionen werden sehr selten durchgeführt. Die Hauptaufgaben bestehen in der körperlichen Untersuchung und Begutachtung von verletzten Personen, äußerer Leichenschau und Gerichtsgutachten. Zwischen den Universitäten in Damaskus und Hamburg wurde ein Abkommen zur Zusammenarbeit geschlossen. Derzeit arbeiten vier Syrer im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg – Eppendorf. 12 Syrer haben hier bereits ein mehrmonatiges Praktikum absolviert.
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Vor drei Jahren entstand die „Vereinigung syrischer Rechtsmediziner“. Diese verfolgte mehrere Aktivitäten. Zu den ersten gehörte die Durchführung eines ersten Internationalen Kongresses für Rechtsmediziner. Dieser wurde in der Zeit vom 03.–05. April 2000 in Damaskus in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin ausgerichtet. Der 2. Internationale Kongress der Rechtsmediziner hat inzwischen mit noch größerer Resonanz aus arabischen Ländern wiederum in Damaskus vom 02.–04. April 2002 stattgefunden. Während dieses Treffens wurde die „Vereinigung der arabischen Rechtsmediziner„ gegründet. Diese hat ihren Hauptsitz in Damaskus.
P-99 STATISTISCHE AUSWERTUNG DES OBDUKTIONSGUTES DER MEDIZINISCHEN HOCHSCHULE HANNOVER (MHH) DER JAHRE 1978–1982 SOWIE 1994–1998 Schulz Y1, Breitmeier D1, Kleemann WJ2 1 Institut für Rechtsmedizin Hannover 2 Institut für Rechtsmedizin Leipzig Die Obduktionen des Institutes für Rechtsmedizin der MHH (inklusive des Außeninstitutes Oldenburg) für die Jahre 1978–1982 und 1994– 1998 wurden unter rechtsmedizinisch relevanten Aspekten ausgewertet. Veränderungen und eventuelle Entwicklungstendenzen u.a. hinsichtlich der Obduktionsfrequenz, der Todesursachen sowie der Gewalteinwirkungen auch unter dem Aspekt alters- und geschlechtsspezifischer Verteilungen sollen aufgezeigt werden. Als Quellen dienten: Obduktionsprotokolle und -akten, Microfishes, Leicheneingangsbücher, Obduktionsjahrgangsbücher, Sektionserfassungsbögen, Eintragungen in der Sektionsdatenbank des Institutes. Innerhalb des angegebenen Zeitraumes wurden 6099 Obduktionen durchgeführt, deren Anzahl sich vom ersten Untersuchungszeitraum von 1978–1982 bis zum zweiten Untersuchungszeitraum 1994–1998 mehr als verfünffachte. In 5242 Fällen (85,9%) handelte es sich um gerichtliche Obduktionen. Demgegenüber wurden in dem Zeitraum lediglich 857 (14,1%) außergerichtliche Obduktionen veranlaßt. Auffallend war diesbezüglich die gegenläufige Entwicklungstendenz in beiden Untersuchungszeiträumen: Gerichtliche Obduktionen 1978–1982= 53,2%, 1994–1998=92,3%; außergerichtliche Obduktionen 1978–1982= 46,8%, 1994–1998=7,7%. In 6024 Fällen (98,8%) konnte ein vorläufiges Obduktionsergebnis benannt werden. Es handelte sich in 3177 Fällen (52,1%) um „nicht natürliche“, in 2098 Fällen (34,4%) um „natürliche“ und in 749 Fällen (12,3%) um „ungeklärte“ Todesfälle. Das Geschlechterverhältnis bezogen auf die Gesamtzahl der Obduktionen betrug 2:1 (웧 68,0%, 웨 31,8%). Die meisten Leichen wiesen zum Zeitpunkt der Obduktion ein Lebensalter zwischen 50–59 Jahren auf (1000; 16,4%). Bei den Gewalteinwirkungen dominierte die stumpfe Gewalt (1835; 30,1% aller Obduktionen). Ein Tötungsdelikt lag in 1036 Fällen (17,0%) vor.
P-100 DER ABSOLVENT DER BERLINER UNIVERSITÄT GEORGIJ BLOSSFELD – LEITER DES LEHRSTUHLS FÜR GERICHTSMEDIZIN AN DER KASANER IMPERATORISCHEN UNIVERSITÄT (1839–1864) Spiridonov VA Institut für Rechtsmedizin Republik Tatarstan, Kasan, Russland Im nationalen Archiv der Republik Tatarstan konnten Dokumente über das Leben und die Tätigkeit einer bedeutenden Persönlichkeit der Rechtsmedizin in Russland – Georgij Johimowitsch Blossfeld gefunden werden. G. J. Blossfeld beendete 1818 sein Studium an der medizinischen Fakultät der Berliner Universität. 1820 erwarb er einen Doktortitel der Medizin an der St. Petersburger Akademie für Medizin und Chirurgie. 1839 wurde er als Professor nach Kasan an den Lehrstuhl für Ge-
richtsmedizin, medizinische Polizei, Geschichte der Medizin, Hygiene und Toxikologie berufen. Außer an der medizinischen Fakultät unterrichtete Blossfeld ab 1843 die Grundlagen der Rechtsmedizin an der Juristischen Fakultät. Blossfeld ist Autor des ersten russischen Lehrbuches über Gerichtsmedizin für Juristen mit dem Titel „Grundlagen der Gerichtsmedizin für Rechtswissenschaftler, angepasst an den akademischen Unterricht an russischen Universitäten“, welches 1847 in Kasan herausgegeben wurde. Das Lehrbuch gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden anatomische und physiologische Kenntnisse vermittelt und im zweiten Teil wird die spezielle Gerichtsmedizin, einschliesslich der Untersuchung von Leichen und lebender Personen behandelt. Blossfeld beschäftigte sich mit verschiedenen Bereichen der Gerichtsmedizin. Ausdruck dessen sind die Titel seiner Veröffentlichungen: „Gerichtsärztliche Untersuchung der toten Leiber“, „Kritische Analyse tödlicher Verletzungen“, „Über den Alkoholmissbrauch aus gerichtsmedizinischer und medizinpolizeilicher Sicht“ sowie „Über Verletzungen der Leber und Milz aus gerichtsmedizinischer und chirurgischer Sicht“. Seine Hauptwerke schrieb er in deutscher Sprache und gab sie oft in Verlagen in Berlin und Wien heraus. Blossfeld führte regelmässig mit Studenten gerichtsmedizinische Obduktionen im anatomischen Theater durch.Am Lehrstuhl schuf er eine Abteilung für Toxikologie zur Durchführung praktischen Unterrichts. 1848 hielt Blossfeld in der, dem ersten Jahr der Kasaner Universität gewidmeten Festsitzung, einen Vortrag „Über den Einfluss der Gerichtsmedizin auf das Gerichtsverfahren und die Notwendigkeit für Rechtswissenschaftler, sich mit dieser Wissenschaft näher bekannt zu machen“. Diese Rede fand eine grosse öffentliche Resonanz. Für seine Verdienste wurde Blossfeld mit dem Orden des Russischen Imperiums ausgezeichnet und ihm wurde der Titel eines Staatsrates verliehen. Mit seinem Wirken leistete Blossfeld einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Gerichtsmedizin sowohl in Russland als auch in Europa.
P-101 DIE RECHTSMEDIZINISCHE GESCHÄDIGTENUNTERSUCHUNG ALS MITTEL DER BEWEISSICHERUNG UND BEFUNDDOKUMENTATION Weinke H, Philipp KP, Lignitz E Institut für Rechtsmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Bei dem Bemühen der Ermittlungsorgane, Fälle von Gewalteinwirkungen umfassend und schnell zu klären, spielt die gerichtsärztliche Untersuchung (ggf. in Verbindung mit einer Tat- oder Fundortbesichtigung) eine eminent wichtige Rolle. Dafür werden an Rechtsmedizinischen Instituten Bereitschaftsdienste vorgehalten. Praktisch unmittelbar nach der Untersuchung liegen für die polizeiliche Fallanalyse weiterführende Ermittlungsansätze zu folgenden Merkmalen vor:
Fremd- oder Selbstbeibringung, Wundart und –alter, Entstehungsmechanismus (im Vergleich zu den behaupteten Tatabläufen) und Beurteilung des Schweregrades der Verletzung. Die kriminalistische und medizinischen Einschätzung nach dem Unmittelbarkeitsprinzip ist beweistechnisch erheblich valider einzuschätzen als herkömmliche „Prügelatteste“ von Ärzten, die nur im üblichen medizinischen Betreuungsauftrag tätig werden. Es werden die körperlichen Untersuchungen am Institut für Rechtsmedizin der Universität Greifswald aus den Jahren 1996–2000 (n=231) hinsichtlich Untersuchungsanlass, Einsatzzeitpunkt, Ort der Untersuchung,Alter und Geschlecht der geschädigten Personen, Art, Alter und Ursache der Körperverletzung und Gewalteinwirkung analysiert, ebenso die Frequenz der daraus resultierenden Sachverständigentätigkeit vor Gericht.
P-102 HAUSÄRZTLICHE AUFGABENWAHRNEHMUNG BEI PRÄVENTION UND THERAPIE VON HÖHERGRADIGEN DEKUBITALULCERA Wilke L1, Heinemann A1, Cordes O1, Krause T2, Meier-Baumgartner HP2, Püschel K1 1 Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg, Butenfeld 34,22529 Hamburg 2 Albertinen– Haus, Zentrum für Geriatrie, Sellhopsweg 18–22, 22459 Hamburg Der Dekubitus stellt ein großes Problem in der Pflege älterer und bettlägeriger Patienten unserer Zeit dar, wobei Prävention eine bedeutende Aufgabe aller in den Betreuungsprozess einbezogenen Personen ist. In der Dekubitusforschung fehlt eine umfassende Betrachtung der Ursachenzusammenhänge der Dekubitusentstehung vor allem im ambulanten Bereich. Der forensische Gesichtspunkt eventueller Verletzung der Sorgfaltspflicht berührt primär zumeist die Pflege, wobei Daten zum Ausmaß der Involvierung von Hausärzten und der Qualität ihrer Einflußnahme auf Prävention und Therapie weitgehendst fehlen. Die vorliegende Studie soll diese Lücke zu schließen und Empfehlungen für eine optimierte dekubitusbezogene Qualitätssicherung ermöglichen. Ausgehend von 120 im Jahre 2001 verstorbenen Personen, bei denen ein höhergradiger Dekubitus bei der ärztlichen Leichenschau festgestellt wurde, wurden Hausarzt–Befragungen durchgeführt, wobei Prophylaxe, Zeitpunkt der Kenntnisnahme, Therapie und Einwirkung von Rahmenbedingungen auf therapeutische Entscheidungen im Mittelpunkt standen. Dabei interessiert insbesondere der Vergleich mit der (parallel erhobenen) Pflegeperspektive und die gegenseitige Erwartungshaltung der ärztlichen und pflegerischen Berufsgruppen bei der Behandlung eines höhergradigen Dekubitus sowie die Leitlinienorientierung hausärztlicher Behandlungsstrategien. Parallel werden die Ergebnisse einer orientierenden schriftlichen Basisbefragung aller ca. 800 in Hamburg hausärztlich tätigen Kollegen zu ihren Erfahrungen mit Dekubituspatienten vorgestellt, wobei das Problem auch unabhängig vom Aspekt der Sterbepflege beleuchtet wird.
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Autorenverzeichnis Abel MM Ain St Albers C Albert M Albrecht K Albrecht UV Almohammad B Althaus L Amberg R Amendt J Anders S Andresen H Arnold R
V-11 V-24 V-72 P-58 V-95, V-115 V-51 V-94 P-55 P-76 V-88 V-93 V-69 P-20
Baasner A Bachmann C Bagans A Bajanowski T
P-42 P-14 P-10 V-28, V-49, V-65, V-110 V-10 V-56 V-40, V-106, P-54 V-84 P-12 V-52,V-56,V-57, P-39 V-108, P-81, P-96 P-1 V-24 V-34, P-2 V-93 P-37 V-27 V-41, P-15 V-73 P-88 P-40 V-49, V-64, V-65, V-72 V-104 V-81 P-6 V-87 P-70 P-67 V-25, V-54 V-26 V-45 V-20 P-16 V-54 P-21 V-45 V-29 P-22 P-44, P-75, P-86 P-53 V-91 V-106 V-50 P-92 V-74, P-99 V-3,V-20,V-28,V-49, V-72, V-110, P-3, P-4 P-16 V-9 V-12 P-41
Banaschak S Bandholz J Bär W Bartels H Bartnik B Bartsch C Barz J Basler M Bauer G Bauer M Bauer R Bauerov J Baurmann MC Beck N Becker J Bednarek J Behrendt N Beike J Bellmann D Below E Belsö Zs Benecke M Bergmann S Beris P Betz P Bieri H Bigler P Billeb E Birkenbeil S Bock H Bockholdt B Boesch C Bohle RM Böhm U Bohnert M Bonte W Bornewasser M Bosshard G Bouska I Bratzke H Breitmeier D Brinkmann B Bruchhaus H Brüschweiler W Bruse P Buda O
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Buhmann D Bungardt N Burkhardt S Bürrig KF Jacob B Büttner A
V-104 P-76 P-77 P-53 V-36, P-50
Celinski R Chowaniec M Claßen I Claßen UG Coburger S Conrad S Conradi S Cordes O Cordonnier JACM Csatlos M
P-58 V-62 P-93 V-22 V-103 V-112 V-85 V-58, P-102 P-32 P-94
Dahlmann F Daldrup T Darok M Dauber EM Dawidson I De Durpel EM de la Grandmaison GL De Letter EA Demme U Denk W Dermengiu D Dermengiu S Dettmeyer R
Driever F Du Chesne A Duchstein HJ
V-61 P-53 P-23, P-85 P-18, P-19 P-94 P-32 P-4 P-32 P-91 V-97 P-41 P-41 V-76, P-42, P-51, P-52, P-78 P-4 P-22 P-66 V-2, V-42, V-43, V-44, V-45, P-38 P-55 V-26, P-79 P-12 P-12 V-78 V-14, V-33, V-71, V-77, P-24 P-25, P-34 V-28, V-110 V-68
Edelmann J Egyed B Ehrlich E Eiche BE Eichner S Eisenmenger W Ender B Engelgard P Erdmann F Erfurt C
V-14, P-5, P-10 P-6 V-32 P-79 V-25 V-25, V-36, V-61 V-43 P-64, P-88 P-73 V-77
Faber C Falk J Fandiño AS Felscher D Fieguth A Fischbacher C Fischer G Fischer H Fischer O
P-54 V-103 V-70 V-71 V-51, V-95 P-20 P-18 V-26 P-26
Dewa K Dieck D Dietz K Dirnhofer R Dirsch O Dittmann V Dmochowska G Dobosz T Drela E Dreßler J
Fischer U Friedrich E Friedrich M Frönd R Fryc k P Fujita MQ Füredi S
V-31 V-98 V-97 V-27 P-71 P-28 P-6
Gabriel A Gabriel F Gabriel P
V-33 V-108 V-108, P-81, P-89, P-96 V-29 V-101 P-85 V-74 V-74 V-46 V-86, V-104 P-82 P-79 V-8 P-94 P-94 V-38 P-66 P-45 V-53 P-85 P-42 P-2 V-96, P-43, P-80 P-7, P-13, P-66 V-86, V-111, P-26 P-44 P-90 V-95
Gamerdinger U Gampe J Gatternig R Gebel M Geerlings H Gehl A Georg T Gerlach J Gerlach K Geserick G Giebe B Giebe W Glißmann C Goll M Gos T Gosztonyi G Grabuschnigg P Graebe M Gramlich I Graß H Graw M Grellner W Große Perdekamp M Grundmann C Günther D Haag C Haase A Haffner HT Hammer U Hansen F Haupt S Hauser R Hauswald V Heide S Heidemeyer S Heidorn F Heinemann A
Hurkacz M
P-42 P-54 P-66, P-97 V-55 V-107 P-82 P-45, P-95 V-77 V-113 P-89 V-11, V-16 V-58, V-67, V-94, P-102 V-41 P-22 V-60, P-27 V-14 P-70 P-3, P-4 P-49 V-36 V-108, P-81, P-89, P-96 V-78
Immel UD Irnich W Ith M Iwersen-Bergmann S
P-8 V-57, P-39 V-45 V-79
Heinrichs T Hellriegel S Henn V Hering S Hirsch T Hohoff C Hubay M Hubig M Huckenbeck W
Jachau K Jackowski C Jagemann KU Jazwinska-Tarnawska E Jeske A Johansen FF Jonak R Jonkisz A Junge M Jungheim M Jurek T Jurowich S
V-41,V-76,V-84, P-82 V-41 P-20 V-78 P-66 P-40 P-23 P-12 V-56, V-57 V-66 V-78 V-75
Kaatsch HJ Käferstein H Kalieris D K lnay A Kampmann H Kandolf R Karaszewski B Karger B Käser M Kasulke D Kauert G Kegel D Kernbach-Wighton G Kersting C Kijewski H
V-83 V-75 V-35 P-6 P-46 P-42, P-52 P-45 V-20, V-64 P-15 P-15 V-70, V-79 V-23 V-31, P-46, P-47 V-110 V-23, V-66, V-68, P-47 V-26 V-96 P-87 V-49, P-99 V-15, V-113, P-8 V-10, V-17, V-85, P-20, P-91 V-13, P-9 V-15, P-8 P-24 V-89, V-100, P-30 P-72 P-48 V-26 P-7, P-13 P-78 V-62 V-30, V-31, V-103 V-64, V-65, V-72 P-7 V-20 V-49 P-6 V-16 V-18, V-41, V-47, V-84, P-82 V-58, P-102 V-45 V-88 V-48, V-105 P-69 V-47 V-86 V-8 P-18 V-55 V-21 V-41, V-47
Kilchoer T Kimont HG Kiss L Kleemann WJ Kleiber M Klein A Klein R Klintschar M Klöditz J-U Klotzbach H Klug E Klupp N Kneubuehl B Knoblich A Knuth C Kobek M Koebke J Köhler H König HG Koops E Köpcke W Kormos Z Kramer N Krause D Krause T Kreis R Krettek R Kreutz K Kroener L Krötzsch S Kruchten U Krüger C Krüger G Kruse C Kruse J Kuchheuser W
Kuhlisch E Kulikowska J Kunze M Kupfermann N Kurka P
P-70 P-58 V-47 P-59 P-60
La Harpe R Laas R Lachenmeier DW Lanz C Lasczkowski G L szik A Laumeier I Lebioda A Lehr M Lemr K Lessig R Liebert A Lignitz E
P-67, P-77, P-84 V-114 V-80, P-69 V-40 V-29 P-49 V-102 P-12 V-72 P-71 P-5, P-10, P-22 P-65 V-60, P-11, P-34, P-101 P-45 V-82 P-61
Luczak N Lutz B Lutze J Madea B
V-76, V-80, V-90, P-25, P-31, P-34, P-35, P-42, P-51, P-52, P-53, P-63, P-69, P-78, P-83 Maeda H P-28 Mahfoud B V-94 Maksymowicz K V-78, P-12, P-29 Mall G V-36, V-61, P-50 Marczak M P-45 Marincek B V-40 Marschner P V-81 Martínez AJ V-53 Marty W V-26 Matejic D P-97 Matschke J V-114 Mattern R V-24, V-35, V-39, V-82, V-109 Matthiesen M P-17 Maxeiner H V-32, P-21 May C V-38 Mayr WR P-18, P-19 Meier-Baumgartner HP V-58, P-102 Meiners T V-64 Meißner C V-12 Merzel E P-50 Mettin R V-23 Michael M V-10, V-17 Milbradt H P-31 Miller MD P-74 Miltner E V-13, P-9, P-61 Modest I P-31 Moisa A V-21 Moln r A P-68 Morini O V-99 Müller CA P-62 Müller E V-33, P-24 Mußhoff F V-76, V-80, P-53, P-63, P-69 Nagy M Neumeister V Niederschelp R Niess C
V-8 P-70 P-96 V-88, P-92
Nishi K Nussbaumer C
P-28 P-48
Oehmichen M Oesterhelweg L Ondra P Ortmann C Oshida S Ostermeier-Hatz D Otremba P
V-12, P-14, P-17 V-46, P-30 P-71 V-85 V-46 P-50 V-8
P d r Zs Padosch SA Panning B Panzlaff S Parson W Passinger C Patzelt D Penning R Perret G Peschel O Pfeiffer H Philipp KP Piechocki J Piette MHA Plate I Plattner T Poetsch M Pollak S Popov VL Potter K Pragst F Preuß J Priemer F Prinz M Pufal E Püschel K
P-6 P-31, P-83 V-74 P-59 V-7 V-90, P-83 V-34, P-2 V-61 P-67, P-84 V-25 V-28, V-110 V-38, V-91, P-101 P-29 P-32 V-18, P-15 V-44 P-11 P-44, P-74 P-33 V-42 V-60 P-34 V-76 V-4, V-6 P-64, P-88 V-37, V-46, V-56, V-57, V-58, V-67, V-89, V-92, V-93, V-94, V-100, V-114, P-30, P-98, P-102
Raschke P Reichel K Reichenpfader B Reitz E Rentsch D Richter K Riedl H Riepert T Rießelmann B Ringleben E Rink M Riße M Rittner C Ritz-Timme S Robert D Rochholz G Roewer L Röhrich J Roll P Romanowski U Rommeiß S Roscher S Rösner D Rost T Rothschild MA
V-67 V-91 P-8 V-96 V-81 P-5 V-35 V-103, P-80 P-72 V-93 P-1 V-29,V-52,V-57, P-39 P-76 V-63, V-83, V-102 P-67 V-63, V-102, P-64 V-8 V-73 P-23, P-85 V-113 P-20 P-72 V-47 P-86 P-75 Rechtsmedizin 4•2002
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Rötzscher K Rummel J Rygol K
P-90 P-57 V-62
Saeger W Safi Ali Y Saleh A Sasse G Saternus KS
P-56 P-98 P-98 P-79 V-30, V-31, V-68, P-46, P-47 V-49 P-62, P-74 P-91 V-43, V-45 V-99 P-80 P-42, P-51 V-76, V-90, P-31, P-35, P-52, P-53, P-78, P-83 P-13, P-86 P-27 P-66 P-97 V-5 V-69, P-59 V-73 V-53 V-41 V-89 V-95 V-92 P-43 V-71 P-99 P-73 V-63 V-15 P-19 V-40, P-54 V-22 P-22 V-54 V-37, V-112 V-53 P-36 V-4 P-37 P-70 V-23 P-14, P-17 P-74 V-59 P-88 P-71 V-85 P-38 P-49 V-46, V-49, V-92, V-112
Sauerland C Schäfer P Schellhorn J Scheurer E Schillaci DR Schillings W Schlamann M Schmidt P
Schmidt U Schmidt V Schmitt G Schmitt HP Schmitter H Schmoldt A Schneider O Schneider V Schöning R Schröder H Schroeder G Schröer J Schuff A Schulz K Schulz Y Schütz H Schütz HW Schwaiger P Schwartz DWM Schweitzer W Schyma C Seidel J Seidl S Seifert D Sell M Shadymov AB Shaler R Sidlo J Siegert G Siegmund B Simeoni E Skipper GE Skopp G Sliwka K Smetkov M Smolenski UC Sonnenschein M Sótonyi P Sperhake J
316 |
Rechtsmedizin 4•2002
Sperhake JP Spiridonov VA Spitz WU Springer E Sprung R Staak M Stachetzki C Stachetzki U Stankov M Steffen C Stein KM
P-56 P-100 V-1 P-90 P-46, P-47 V-96, P-43 V-48 V-48 P-60 P-80 V-24, V-39, V-82,
Steins N Stepp K Stertmann WA Sticht G Stiel M Streubel B Subke J Swiatek B Sybirska H Sykutera M Szabó A Szabó L Szibor R Szleszkowski L
V-109 P-53 V-56 V-57, P-39 V-75 P-78 P-48 V-21 V-78, P-29 P-58 P-64 P-87 P-49 V-18, P-5, P-15 P-29
Tank M Tatschner T Tenczer J Thali M Thiel W Thiele K Thierauf A Thiesmeyer St Thoben M Thome M Toennes SW Tomforde A Toprak K Tóth A Trautmann K Tröger HD Trübner K Tsokos M Tsuji T Turin MV Türk EE
V-39 V-25 P-72 V-42, V-43 P-89 P-16, P-65 P-74 P-35 V-68 V-83 V-70 V-56 P-3 P-68 V-27 V-51, V-74 P-41, P-55 P-56 P-28 P-33 P-56
Uchigasaki S Uerlings H Ulrich E
V-46 P-16, P-65 V-106
Vanezis P Varga T Vaupel JW Vennemann B Vennemann M
P-40 P-68 V-101 V-28 V-49
Verhoff MA
V-11, V-16, V-48, V-52, V-105 Vock P V-43, P-38 Voith K V-17 von der Heide F V-91 von Rüden J V-65 von Wurmb-Schwark N P-14, P-17
Wagner HJ Wagner T Wahl C Warnecke I Weber B Weber M Wegener R Wehner F Wehner HD Weiler G
V-111 V-24 P-67 V-84 V-109 V-37 V-55,V-81, P-18, P-19 V-21, P-93 V-21, P-93 V-11, V-16, V-29, V-52,V-57, P-39, P-73 Weinke H P-101 Weinmann W P-62, P-74 Weirich V P-18, P-19 Weise M V-60 Weisser HJ P-13 Welte T V-84 Wenda S P-19 Wenz W V-19 Wessel I P-14, P-17 Wiegand P V-13, P-9 Wildermuth S V-40 Wilke L P-102 Willuweit S V-8 Wilske J V-22, V-86, V-104, P-26 Wiltgen M V-43 Winkelmann S P-42 Wirasuta I M.A.G. V-68 Wischhusen F V-56 Wittig H V-18, V-41, V-84 Wittwer-Backofen U V-101 Wodniak-Ochocinska L P-45 Wöhlke G V-55 Wolf M V-32 Woller J P-6 Wurst FM P-74 Wyler D V-26, P-79
Yang LY Yen K
V-63 V-43, V-44, P-38
Zack F Zähringer M Zehner R Zhu BL Zoledziowska M Zollinger U Zörntlein S
P-57 V-103 V-88 P-28 P-12 P-38 V-73