Inhalt Rechtsmedizin 2015 · 25:345–425 DOI 10.1007/s00194-015-0046-1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
94. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin Leipzig, 15.–19. September 2015
Inhalt 346 V1–104 Vorträge der 94. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin Abstracts of the 94th Annual Conference of the German Society of Legal Medicine 380 P1–124 Poster der 94. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin Posters of the 94th Annual Conference of the German Society of Legal Medicine 422 Autorenindex Index of authors
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Abstracts Vorträge V1 Charakterisierung einer neuen Kaliumkanalmutation in einer Familie mit diagnostiziertem Long-QT7-Syndrom S. Scheiper1, B. Hertel2, B.- M. Beckmann3, S. Kääb3, G. Thiel2, S. Kauferstein1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Genetik, Frankfurt am Main,
Deutschland, 2Technische Universität Darmstadt, Plant Membrane Biophysics, Darmstadt, Deutschland, 3Medizinische Klinik I, LudwigMaximilians-Universität München, München, Deutschland
Der plötzliche Herztod stellt eine der häufigsten Todesursachen in den industrialisierten Ländern dar. Mutationen in kardialen Ionenkanalgenen, die circa 3–5 % der plötzlichen Herztodesfälle begründen, konnten mit kongenitalen Arrhythmie-Syndromen in Verbindung gebracht werden. Diese sogenannten Ionenkanalerkrankungen sind autoptisch nicht nachweisbar. Eine molekulargenetische Untersuchung kann – auch bei klinisch auffälligen, unter Arrhythmien leidenden Patienten – Aufschluss über die Todesursache bzw. die Symptomatik liefern. Im Falle einer nachgewiesenen Mutation, die als pathogen einzustufen ist, kann durch genetische Beratung und gezielte medizinische Behandlung das Risiko, lebensbedrohliche kardiale Arrhythmien zu erleiden, gesenkt werden. Dennoch besteht stets die große Herausforderung, die Auswirkung von selten vorkommenden Sequenzvarianten sowie bisher unbekannten Mutationen zu bewerten. Elektrophysiologische Studien können für die funktionelle Charakterisierung dieser Genvarianten von essentieller Bedeutung sein. Ein Fallbeispiel stellt eine bisher unbekannte Mutation (c.434A > G; p.Y145C) im KCNJ2-Gen dar, die mithilfe eines molekulargenetischen Screenings in einer Familie mit diagnostiziertem Long-QT7-Syndrom (LQT7) nachgewiesen wurde und den klinischen Befund bestätigte. Das Gen KCNJ2 codiert den Kaliumkanal Kir2.1, dessen resultierender Strom für die finale Repolarisation des kardialen Aktionspotentials sowie für die Stabilisation des Ruhepotentials verantwortlich ist. Mittels elektrophysiologischer Patch-Clamp Messungen wurde analysiert, ob die Mutante p.Y145C die Ionenkanalfunktion beeinflusst. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Mutation die Leitfähigkeit des Kir2.1 Kanals beeinträchtigt. Mithilfe der Konfokalen Laser Scanning Mikroskopie konnte ausgeschlossen werden, dass die Mutation Auswirkung auf die Oberflächenexpression des Kanals hat. Die funktionellen Analysen bestätigen den Verdacht, dass die Mutante p.Y145C die Konformation des Ionenkanals und somit seine Funktionalität beeinträchtigt und mit dem LQT7 Phänotyp der Patienten in Verbindung gebracht werden kann.
V2 Genotyp-Phänotyp Dilemma in einem Fall von plötzlichem Herztod S. Kauferstein1, T. Jenewein1, B. Beckmann2, H. Osterhues3, U. Schmidt4, C. Wolpert5, P. Miny6, C. Marschall7, M. Alders8, C. Bezzina8, A. Wilde8, S. Kääb2 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Frankfurt, Frankfurt,
Deutschland, 2Med. Klinik I, Universität München, München, Deutschland, 3Kreiskrankenhaus Lörrach, Lörrach, Deutschland, 4Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland, 5Klinikum Ludwigsburg, Ludwigsburg, Deutschland, 6Medizinische Genetik des Universitätsspitals Basel, Basel, Deutschland, 7Labor Dr. Klein und Dr. Rost, Martinsried, Deutschland, 8Academisch Medisch Centrum Universiteit van Amsterdam, Amsterdam, Niederlande Einleitung. Sequenzveränderungen im Gen codierend für den kardialen Natriumkanal (SCN5A) können vererbbare Ionenkanalerkrankungen wie u. a. Brugada-Syndrom (BrS), Long QT-Syndrom (LQTS), Sick Sinus Syndrom, dilatative Kardiomyopathie oder auch Überlappungssyndrome verursachen. In allen Fällen kann die phänotypische Ausprägung solcher Se-
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quenzveränderungen sehr variabel sein und von milden Symptomen bis hin zum plötzlichen Herztod führen. Besonders im SCN5A-Gen werden häufig Sequenzveränderungen gefunden, die nicht direkt kausal für eine der genannten Erkrankungen sind. Methoden. Genetische Untersuchung kardialer Gene im Falle eines plötzlichen Herztodes eines 16 jährigen Mädchens mit anschließender kardiologischer und genetischer Untersuchung der Familienangehörigen. Ergebnisse. In dem vorgestellten Fall des plötzlichen Herztodes eines 16 Jahre alt gewordenen Mädchens wurde durch direkte Sequenzierung im SCN5A-Gen eine Mutation (p.E1053K, heterozygot) nachgewiesen, welche bereits bei einem Patienten mit BrS beschrieben wurde (1), ebenso wie in einem Patienten mit LQTS (2) und einem Patienten mit Synkope und dem Verdacht auf eine latente Kardiomyopathie in der KardioMRT (3). Bei der genetischen Untersuchung der Familienangehörigen des verstorbenen Mädchens wurde diese Mutation in homozygoter Form bei einer Tante der Indexpatientin detektiert, die jedoch erstaunlicherweise auch im Rahmen einer extensiven klinischen Untersuchung einschl. EKG, Ergometrie, Ajmalintest, Herz-MRT keinen pathologischen Phänotypen zeigt. Mittels MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification) konnte in Folge im upstream-Bereich des SCN5A-Gens der Indexpatientin eine Deletion nachgewiesen werden, die bei der Tante nicht vorlag. Ein selbst etablierter quantitativer Real Time-PCR Assay konnte diese Deletion bestätigen. Schlussfolgerungen. Eine Interpretation einer SCN5A-Mutation ohne Kenntnis des genauen Phänotyps des Indexpatienten und ohne GenotypPhänotyp-Korrelation innerhalb einer Familie sollte sehr zurückhaltend erfolgen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Mutation p.E1053K in diesem Fall nicht alleine todesursächlich war, sondern im Zusammenhang mit der Deletion im upstream-Bereich des SCN5A-Gens zu stehen scheint, welcher eine potentielle Promotor-Region dieses Gens darstellt.
V3 Identifikation pflanzlicher DNA in forensischem Spurenmaterial mittels Real-time PCR. Erste Ergebnisse einer Optimierungsund Validierungsstudie mit dem nad1-Primersystem M. Schwerer, S. Vogl, O. Peschel, M. Graw Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland Einleitung. Die Spezifikation biologischen Spurenmaterials nimmt einen nach wie vor stetig zunehmenden Stellenwert in der rechtsmedizinischen Praxis ein. Zielsetzung der Studie: Vorlage eines validierten und arbeitsökonomischen Testverfahrens für pflanzliche Spurenbestandteile. Methoden. Es wurden die nach Literaturangaben mittels Endpunkt-PCR und Gelelektrophorese der Amplifikationsprodukte als pflanzenspezifisch publizierte nad1-Primer (Martin und Mitarbeiter 2007) ausgewählt und für diese ein optimiertes Real-time-PCR-Protokoll erstellt. Das Assay-Design wurde zunächst an 32 isolierten Lebensmittelproben getestet. Anschließend folgte die Anwendung auf 28 Mischspuren aus asserviertem Mageninhalt forensischer Obduktionsfälle. Deren Verdauungsgrad wurde vorab makroskopisch in 4 Stufen von (1) – quasi unverdaut bis (4) – voll verdaut eingeteilt. Zudem wurde als Vergleichsprobe humane DNA getestet. Alle DNA-Extraktionen erfolgten mit dem Mericon Food Kit (Fa. Qiagen, Hilden). Die Detektion eintretender Amplifikation erfolgte SybrGreen-basiert über 45 Cyclen. Ergebnisse. Die Lebensmittelproben zeigten bis zum 40. Cyclus eine ausbleibende Fluoreszenszunahme bei allen getesteten Fleischsorten, sowohl im rohen als auch im gegarten Zustand. Humane DNA war mit dem Assay nicht amplifizierbar. In 2 von 12 Fleischproben trat nach dem 40. Cyclus ein Amplifikationssignal auf. 13 von 20 Gemüseproben zeigten positive Nachweisreaktionen vor dem 40. Cyclus, eine weitere nach dem 40. Cyclus. Von den 28 Mageninhalten reagierten 19 von 21 Proben unverdauter (Stufe 1) sowie mäßig und mittelgradig verdauter Kost (Stufen 2 und 3)
positiv vor dem 40. Cyclus. Keine der 7 Proben quasi vollständig verdauter Kost (Stufe 4) ergab eine positive Nachweisreaktion. Schlussfolgerungen. Das für die von Martin et al publizierten nad1-Primer erarbeitete Real-time-PCR-Verfahren ergibt valide Nachweisreaktionen pflanzlicher DNA. Einzelne beobachtete Fluoreszenszunahmen tierischer Produkte nach dem 40. Cyclus könnten neben unspezifischen Reaktionen auch Ausdruck minimaler Kontaminationen der aufgearbeiteten tierischen Proben mit Pflanzenmaterial sein. Pflanzliche Produkte sind mit dem hier vorgestellten nad1-Assay unterschiedlich gut amplifizierbar, was ggf. eher Folge erschwerter DNA-Präparation als ein PCR-Hindernis im engeren Sinne ist. Dies sowie die Anwendungsmöglichkeiten des hier vorgestellten Assays etwa zur Spezifikation der letzten Mahlzeit eines Sektionsfalles soll vorgetragen und diskutiert werden. Literatur 1. Martin I, Garcia T, Fajardo V et al (2007) Technical note: detection of chicken, turkey, duck, and goose tissues in feed stuff using species-specific polymerase chain reaction. J Anim Sci 85:452–458
There were no significant differences on age, gender, or postmortem intervals for AQP protein expressions. There was no significant difference in the number of AQP1-positive dermal capillaries between skin ligature marks and control groups. In contrast, the ratio of AQP3 expression on the keratinocytes was significantly enhanced in ligature marks, compared with control group. Conclusion. From the viewpoint of forensic pathology, our Results. imply AQP3 at least has potential as a marker to detect antemortem compressed skin tissue. Immunohistochemical detection of AQP3 expression at the keratinocytes in autopsy skin samples might be valuable for the diagnosis of compression. When examining forensic samples, the influence of the postmortem interval is always taken into consideration. Based on our previous studies, decomposition or autolysis did not have great influence on cytokine immunoreactivity in skin wound samples with a 3-day interval. In the present study, skin samples with a postmortem interval from 8–72 h were used; autolysis does not seem to have a significant influence on the immunoreactivity of AQPs.
V4 Forensic diagnosis of compression based on expression of aquaporin-3 but not aquaporin-1 in human neck skin
V5 Beurteilung der Effizienz von DNA-Extraktionen aus dem Mageninhalt von Sektionsfällen: Abhängigkeit vom Verdauungsgrad des Materials und Spezifikation des Anteils nicht-humaner DNA
S. Sakamoto, Y. Ishida, A. Kimura, M. Nosaka, Y. Kuninaka, M. Kawaguchi, M. Hama, T. Kawaguchi, T. Kondo
M. Schwerer, S. Vogl, O. Peschel, M. Graw
Wakayama Medical University, Forensic Medicine, Wakayama, Japan Aims. It is important to determine whether neck compression mark is vital or not. AQPs are family of small, homologous water channels that are involved in fluid transport and are expressed in various epithelial and endothelial cell types, as well as keratinocytes, adipocytes, and astrocytes. In the forensic field, recent studies reported that the expression of AQPs in organs and gene variations of AQPs were suitable as diagnostic markers for the differentiation between fresh and salt water frowning, and as predisposing factors for sudden infant death syndrome, respectively. As the main AQPs in the skin, AQP1 is expressed in the dermal capillaries and AQP3 is expressed in the epidermis. In the present study, we investigated both AQP1 and AQP3 expression in the specimens of neck skin from forensic autopsy cases, and discussed the role of AQPs in the diagnosis compression. Methods. Human ligature marks. A total of 24 ligature marks (13 hanging and 11 strangulation) were obtained from forensic autopsy at our institute. In each case, the cause of death was carefully diagnosed based on autopsy and histopathological findings, toxicological data, and the diatom test. The intact skin from the same individual was also taken as a control. Immunohistochemical analysis. The skin specimens were fixed in 4 % formaldehyde solution buffered with PBS and embedded in paraffin, followed by making sections at a thickness of 4 µm. Briefly, deparaffinized sections were incubated with PBS containing 1 % normal serum corresponding to the secondary IgG and 1 % BSA to reduce nonspecific reactions. Thereafter, the sections were further incubated with anti-AQP1 or anti-AQP3 pAbs (dilution 1:100) overnight at 4 ºC. After the incubation of biotinylated secondary antibodies, immune complexes were visualized using Catalyzed Signal Amplification System. Results. Immunohistochemical analysis of AQPs in autopsy samples. We examined the distribution of AQP1 and AQP3 in skin samples. Consistent with previous observations, APQ1-positive signals were observed in dermal capillaries of uninjured skin samples. In all of ligature marks, APQ1 was also expressed on dermal capillaries. In contrast, AOP3 positive signals could be detected in uninjured skin samples. However, AQP3 was predominantly expressed on the keratinocytes in the skin ligature marks. The expression of AQP3but not AQP1 expression was higher in neck compression cases.
Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland Einleitung. Untersuchungen des Mageninhalts können richtungweisende Befunde zur Rekonstruktion der letzten Lebensstunden forensischer Obduktionsfälle liefern. Zielsetzung. Die Extraktion von DNA aus dem Mageninhalt Verstorbener soll im Hinblick auf ihre Effizienz und auf die Nutzbarkeit des Materials für molekularbiologische Anwendungen untersucht werden. Methoden. Der Mageninhalt von 48 Obduktionsfällen wurde morphologisch nach dem Verdauungsgrad der Nahrungsbestandteile in Grad 1 (unverdaut), Grad 2 (beginnend verdaut und verflüssigt), Grad 3 (fortgeschritten verdaut und verflüssigt) und Grad 4 (quasi vollständig verdaut) unterteilt. Die Extraktion von DNA erfolgte mit dem Mericon Food Kit (Qiagen, Hilden) aus einer eingebrachten Menge von 2 Gramm Mageninhalt. Die DNA-Gesamtkonzentration im Extraktionsprodukt wurde fluorometrisch bestimmt (Qubit dsDNA-HS-Assay, Life-Technologies, Darmstadt). Die Konzentration humaner DNA wurde mit dem InvestigatorQuantiPlex-Assay (Qiagen) ermittelt. Die Ergebnisse der Extraktionen wurden für die einzelnen Verdauungsgrade gegenübergestellt. Die Menge gewonnener nicht-humaner DNA wurde ebenfalls zwischen den oben genannten Graduierungen des Ausgangsmaterials verglichen. Ergebnisse. 44 von 48 Mageninhalten (92 %) ergaben einen positiven Nachweis von nicht-humaner DNA im Extraktionsprodukt. Hierbei waren jeweils 100 % (Grad 1: 8 von 8 Proben, Grad 2: 13 von 13 Proben) der weniger verdauten Mageninhalte und jeweils über 80 % (Grad 3: 10 von 12 Proben, Grad 4: 13 von 15 Proben) positiv für nicht-humane DNA. Quasi unverdauter Mageninhalt lieferte mit dem angewandten Verfahren eine Menge nicht-humaner DNA von im Median 790 ng/μl (Minimum 14 ng/ μl, Maximum 1640 ng/μl) pro Gramm Ausgangsprodukt. Beginnend und fortgeschritten verdauter Mageninhalt ergab jeweils (Grad 2) im Median 380 ng/μl (Minimum 27 ng/μl, Maximum 825 ng/μl) bzw. (Grad 3) im Median 270 ng/μl (Minimum 0 ng/μl, Maximum 946 ng/μl) nicht-humane DNA. Quasi vollständig verdauter Mageninhalt (Grad 4) im Median noch eine Ausbeute von 50 ng/μl (Minimum 0 ng/μl, Maximum 207 ng/ μl) nicht-humaner DNA. Schlussfolgerungen. Aus dem Mageninhalt Verstorbener lässt sich in 92 % der forensischen Obduktionsfälle nicht-humane DNA isolieren. Hierbei liefern weniger verdaute Proben in allen Fällen, fortgeschritten verdautes Material in über 80 % der Fälle ein positives Extraktionsergebnis. Die Menge für molekularbiologische Anwendungen zur Verfügung stehender DNA nimmt mit zunehmendem Verdauungsgrad ab, jedoch steht selbst
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Abstracts bei quasi vollständig verdautem Mageninhalt eine hinreichende Menge DNA für weitere molekularbiologische Spezifikationen, beispielsweise zur Spezifikation der Nahrungsbestandteile zur Verfügung.
V6 Bestimmung molekularer Marker im Kleinhirn nach tödlichen Schädel-Hirn-Traumen (SHT) im Großhirn K. Schober1,2, B. Ondruscka3, J. Dressler3, M. Abend1 1Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München, Deutschland,
2Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Rechtsmedizin/
Identifizierung, Fürstenfeldbruck, Deutschland, 3Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, Leipzig, Deutschland
Einleitung. Traumatische Schädel-Hirnverletzungen sind die häufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen oder gewaltsamen Übergriffen. Infolge der Gewalteinwirkungen können Schädelfrakturen, Gefäßläsionen und Kontusionsblutungen auftreten, die sekundäre Schäden wie die Hypoxie induzieren können. Auch Hirnregionen, die entfernt von der Verletzungsregion liegen, können indirekt von Hypoxie betroffen sein. In dieser Studie wurde das Kleinhirn ausgewählt, da es vulnerabel auf Hypoxie reagiert und somit zur Pathophysiologie des SHT beitragen könnte. Dennoch fehlen bis dato Marker, um eine Hypoxie im Kleinhirn nach einer Großhirnverletzung nachzuweisen. Darüber hinaus sollten diese Marker auch im postmortalen und stark zerstörten Gewebe detektierbar sein. Methoden. Alle Hirnproben stammen aus dem Sektionsgut des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Die SHT-Proben der Verstorbenen wurden mit Kontrollproben (plötzlicher Herztod) verglichen. Die Qualität der isolierten RNA aus den Hirnproben wurde mit dem Bioanalyzer Gerät von Agilent bestimmt. Für Genexpressionsanalysen wurden nur Proben mit gleich guter Qualität (RIN > 6) eingesetzt. Über ein „whole genome screening“ wurden insgesamt 42 545 mRNA Marker analysiert. Nach dem mRNA screening wurden 14 ausgewählte Marker über eine qPCR validiert. Darüber hinaus wurden 667 miRNA Marker über eine quantitative RT-PCR untersucht. Ergebnisse. Anhand von zwei mRNA/miRNA Marker-Kombinationen kann die SHT-Gruppe von der Kontrollgruppe valide abgegrenzt werden. Diese Marker sollen im Einzelnen näher erläutert werden. Schlussfolgerungen. In der Studie konnte gezeigt werden, dass es geeignete molekulare Biomarker gibt, um eine Hypoxie im Kleinhirn nach einer Großhirnverletzung nachzuweisen. Besonders miRNA Marker sind für die Untersuchung von postmortalem und stark zerstörtem Gewebe geeignet, da sie stabiler im Vergleich zu mRNA- und Proteinmarker sind. Zukünftig müssen weitere Studien durchgeführt werden, um die Konzentration der Marker in Abhängigkeit vom Schweregrad der Verletzung zu untersuchen.
V7 Zur Todesfeststellung beim MANV – Konzept zum Umgang mit „Vorsichtung“ und den Sichtungskategorien aus notfallmedizinisch-rechtsmedizinscher Sicht F. Fischer1, O. Peschel1, F. Scharf2, R. F. Hipp3 1Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Uni-
versität München, München, Deutschland, 2Landratsamt Fürstenfeldbruck, Integrierte Leitstelle, Fürstenfeldbruck, Deutschland, 3Technische Universität, München, Deutschland
Einleitung. Derzeitige Konzepte zum Massenanfall von Verletzten setzen sich nur unzureichend mit der Problematik der Todesfeststellung auseinander. Dies hat aber nicht nur Konsequenzen auf forensischer Ebene, son-
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dern beinhaltet auch die Gefahr, durch diese Planungslücke erheblich und vermeidbar Ressourcen zu binden. Es erscheint daher sinnvoll, zu definieren, wie die Modalitäten einer Todesfeststellung beim MANV zu handhaben sein könnten, um den forensischen und einsatztaktischen Prämissen am besten gerecht zu werden. Methoden. Die vorhandenen Konzepte und Richtlinien für nichtärztliche Vorsichtung wurden mittels Literaturrecherche gesichtet. Ihr Umgang mit Todesfeststellung und den Sichtungskategorien IV und V wurde unter Berücksichtigung der geltenden Rahmenbedingungen analysiert. 1. nicht-ärztliche Vorsichtung versus Sichtung 2. Über- und Untertriage 3. Unterschwellige Ereignisse 4. Forensisch-kriminalistische Aspekte zz Todesfeststellung zz Todesursache und -art zz Identifizierung zz Rekonstruktion 5. Ethische Aspekte Aus den Erkenntnissen wurde ein Konzept zum phasenadaptierten Umgang mit der Todesfeststellung und nichtärztlicher Vorsichtung erarbeitet. Ergebnisse. Die Definition von taktischen Phasen in denen eine Todesfeststellung sinnvoll und gerechtfertigt ist und eine möglichst frühzeitige professionelle Leichenschau erscheinen hier zielführend, um in jeder dieser Phasen eine verbesserte effektive und effiziente Ressourcennutzung zu ermöglichen. Um Effizient und ethisch gerechtfertigt zu handeln, erscheint es sinnvoll in akuten Phasen nur „vitale Zeichen“ als behandlungsfähig zu „sichten“, während die Todesfeststellung und Leichenschau in organsierterer Form und mit entsprechender ärztlicher Fachkunde erfolgen sollte. Aus psychologischen, ethischen und forensischen Überlegungen empfiehlt es sich, solange keine Todesfeststellung oder Leichenschau durch einen Arzt durchgeführt wurde, lediglich die Feststellung von Behandlungsprioritäten zu definieren. Für höchstwahrscheinlich Tote, mit Atemstillstand nach Atemwegsmanagement, bietet sich daher „keine Behandlungspriorität“ oder „derzeit nicht behandelbar“ an. Die Kategorie „Blau“ kann nur unter sehr definierten Bedingungen des Ressourcenmangels zulässig sein und erfordert zwingend eine ärztliche Einstufung unter Kenntnis der Gesamtlage. Schlussfolgerungen. Für den Fall einer größeren Anzahl an Verletzten ist immer mit Toten bzw. Unrettbaren zu rechnen. Die Feststellung von definierten Phasen bietet sich an, um die Festlegung des Modus der Kategorisierung durch die SanEL zu stützen. Die Todesfeststellung durch nicht-ärztliches Personal oder das Feststellen von gleichbedeutenden Zuständen muss kritisch gesehen werden. Es erscheint sinnvoll Phasen zu definieren, die den Umgang mit dieser Patientenkategorie definieren. Wesentlich ist auch, die Kriterien für die Kategorien „schwarz“ und „blau“ genau zu definieren, um mehr Entscheidungssicherheit zu ermöglichen. Ohne klare Definition würden diese Feststellungen durch inadäquat geschultes und in der Situation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überfordertem Personal ggf. zu einer inakzeptablen Fehlerquote führen.
V8 Das Zugunglück in Szczekociny – medizinisch-forensische Analyse K. Rygol1, C. Chowaniec1, M. Szczepański1, R. Skowronek1, M. Chowaniec2 1Institut für Gerichtsmedizin und Toxikologie der Schlesischen
Medizinischen Universität in Katowice, Katowice, Polen,
2Institut für Anatomie der Schlesischen Medizinischen
Universität in Katowice, Katowice, Polen Innerhalb der Anpassung der polnischen Gesetzgebung an die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments vom 29. April 2004, wurde der Absatz „Definition von Eisenbahnkatastrophen “ umgearbeitet und durch den Begriff „schwerer Unfall“ ersetzt. Damit ist ein Zugunfall gemeint, bei
dem es mindestens einen Toten und fünf schwerverletzte Personen gibt oder ein Unfallereignis eines Schienenfahrzeuges, welches zu einem erheblichen Sachschaden von mehr als 2 Mio. € führt. Am 03. März 2012 um 20:57 kam es in einem Dorf in der Nähe von Chałupki Szczekociny zu einem Frontalzusammenstoß zweier Eilpersonenzüge. Dabei kamen 16 Personen ums Leben (darunter Bürger aus Polen, Russland und den USA), einschließlich der Lokführer beider Züge. Bei der Rettungsaktion nahmen 450 Feuerwehrleute aus vier Provinzen, 300 Polizeibeamte, der Eisenbahnsicherheitsdienst, eine Gruppe des Roten Kreuzes, medizinische und technische Rettungskräfte mit speziellen Fahrzeugen, 2 Rettungshubschrauber sowie zahlreiche Rettungshunde teil. Im Institut für Gerichtsmedizin und Toxikologie der Schlesischen Medizinischen Universität in Katowice wurden unter Aufsicht von zwei Staatsanwälten die Obduktionen der 16 Opfer, einschließlich Identifizierungsmaßnahmen, genetischen, chemisch-toxikologischen und histologischen Untersuchungen durchgeführt. Bei acht Personen wurden Polytraumata festgestellt. Fünf Unfallopfer zeigten isolierte Thoraxtraumen mit Erstickungszeichen. Zwei Personen waren an Erbrochenem erstickt. Eine Person wies Quetschverletzungen des Rumpfes sowie eine Dekapitation auf. Im Institut wurde, nach Auswertung der Patientenakten der Überlebenden, ein umfassender forensischer Bericht über die Bewertung der Verletzungen von insgesamt 116 Opfern beider Züge vorgestellt. Dabei wiesen sieben Patienten eine schwere, lebensbedrohliche Körperverletzung auf. 55 Personen zeigten körperliche Beeinträchtigungen mit einer Behandlungsdauer von mehr als 7 Tagen, 44 Personen mit einer solchen von bis zu 7 Tagen. Zehn Zugpassagiere blieben unverletzt. Nach Abschluss der Untersuchungen wurde als Ursache des Frontalzusammenstoßes ein menschliches Versagen von Mitarbeitern der Polnischen Eisenbahngesellschaft festgestellt.
V9 Injuries of the cervical spine and craniocervical junction revealed by routine postmortem computed tomography (PMCT) in various cases of transportation injuries K. Woźniak, A. Moskała, E. Rzepecka – Woźniak, P. Kluza, K. Romaszko, O. Lopatin Department of Forensic Medicine, Jagiellonian University Medical College, Kraków, Poland Aims. To present the traumatic lesions of the cervical spine and craniocervical junction by evaluation of PMCT data in cases of transportation injuries. Introduction. The cervical spine is a quite challenging region for conventional autopsy examination. At our Department of Forensic Medicine whole-body PMCT is applied as a routine introduction to conventional forensic autopsy since the 2012 year. Methods. In the first 100 days of the 2015 year postmortem examinations of 31 cases of victims of transportation trauma were performed (about 11 % of the total number of autopsies), with the PMCT prior to conventional forensic autopsy. 14 pedestrians, 7 car occupants, 2 motorcyclists and 7 cases of train-person fatalities among the victims; age from 10 to 88 years (average age: 45 years). PMCT acquisition using Siemens Emotion 16, reconstructions with slice thickness 0,75 mm. Evaluation of the Results. conducted with a computer program OsiriX (Pixmeo, Switzerland). Results. Eleven cases (about 35 %) with apparent injuries of the cervical spine or craniocervical junction. Authors present 2D and 3D images of injuries based on PMCT data. Conclusion. Presented cases prove that PMCT is an excellent diagnostic tool for the cervical spine, can be treated as valuable adjunct for conventional autopsy examination.
V10 Erdbeben in Nepal – ein DVI-Einsatz unter speziellen Bedingungen R. Lessig1,B. Eickhoff2, C. Grundmann3 1Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Halle (Saale), Deutschland, 2Köln, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin, Wedau Kliniken Duisburg, Deutschland
Am 25. April 2015 ereignete sich um 11.11 Uhr Ortszeit in Nepal ein schweres Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 und 44 min später mit einer Stärke von 6,6. Es folgten an diesem Tag 8 weitere Nachbeben mit Stärken um 5. Dieses Erdbeben hatte nicht nur zur Folge, dass Gebäude stark beschädigt wurden bzw. einstürzten, sondern auch, dass im Hochgebirge Lawinen abgingen und Gletscher abbrachen. Davon waren neben den dort lebenden Einheimischen auch zahlreiche Touristen betroffen, welche sich im Land aufhielten. Da auch deutsche Opfer zu beklagen waren, wurde ein Einsatz der IDKO des BKAs notwendig, um diese sicher zu identifizieren. Auf Grund der Umstände war es ein Einsatz unter sehr speziellen Bedingungen. Über diese und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen soll berichtet werden.
V11 Strafrechtliche Untersuchungen Rahmen der MH17 Flugzeugkatastrophe B. Kubat1,2, R. Gerretsen1, M. van Wijk1, R. Georgieva1, B. Oude Grotebevelsborg1 1Nederlands Forensisch Instituut, Medisch Forensisch Onderzoek,
Den Haag, Niederlande, 2Medisch Universiteitscentrum Maastrich, Pathologie, Maastricht, Niederlande
Einleitung. In Juli – August 2014 fand nebst der Identifizierung auch eine strafrechtliche Untersuchung der Opfer des Absturzes von MH 17 statt. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft wurden Beweismittel in den Überresten sichergestellt für weitere Analyse. Zusätzlich wurden Obduktionen der vier Piloten durchgeführt. Außerdem wurden einige Opfer untersucht, bei denen eine, vermutlich postmortale, Manipulation festgestellt wurde. Methoden. Die Untersuchungen fanden statt in einem provisorischem Mortuarium, eingerichtet in einem Gebäude einer Kaserne in Hilversum. Die Überreste wurden gelagert in Kühlcontainern, aufgestellt vor diesem Gebäude. Alle Überreste wurden computertomografisch (total body CT-scan) untersucht. Auf Grund der CT-scans und einer globalen visuellen Inspektion wurde beschlossen welche Überreste zu der forensischen Untersuchung eingeteilt werden und welche direkt identifiziert werden können. Die zu der forensischen Untersuchung eingeteilten Überreste wurden in dem Dual-energy Röntgenapparat abgebildet, was eine Differenzierung verschiedener Metalle ermöglichte. Die eigentliche forensisch-medizinische Untersuchung fand statt in einem abgesondertem Teil des provisorischen Mortuariums. Die Untersuchungen wurden durchgeführt von einem Team von Gerichtsmedizinern und Ingenieuren der Abteilung „Sprengstoff Untersuchung“ des Niederländischen Forensischen Institutes (NFI) in Zusammenarbeit mit der Spurensicherung der Landespolizei (Corps Landelijke Politie). Bei der Sicherstellung der Metalteile wurde Gebrauch gemacht von den durchgeführten radiologischen Untersuchungen sowie von einem tragbaren Röntgenapparat. Ergebnisse. Die praktischen Probleme die das Team erfuhr und derer Lösung während dieser, in ihrer Art besonderer, Untersuchung, sowie zusätzliche Maßnahmen, zum Beispiel im Rahmen der Qualitätsüberwachung, werden diskutiert. Schlussfolgerungen. Einige, bereits von der Staatsanwaltschaft freigegebene, Resultate werden vorgestellt.
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Abstracts V12 Designerbenzodiazepine – Eine weitere Klasse „neuer psychoaktiver Stoffe“ (NPS) L. M. Huppertz, V. Auwärter, B. Moosmann Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Deutschland Einleitung. In den letzten Jahren wurden in Internet-Shops zunehmend Benzodiazepine als leicht zugängliche, preisgünstige und nicht dem BtMG unterstellte Alternative zu verschreibungspflichtigen Wirkstoffen angeboten. Viele der neuen Wirkstoffe stammen aus der Pharmaforschung; nur wenige haben bisher eine regionale Zulassung als Medikament erhalten. Daten bezüglich Pharmakokinetik, Metabolismus im Menschen und der Nachweisbarkeit der einzelnen Stoffe in biologischen Matrices sind nicht oder nur unvollständig vorhanden. Unmittelbar nach der Unterstellung der ersten „neuen“ Benzodiazepine folgten in ähnlicher Weise wie bei anderen Klassen von Designerdrogen weitere Wirkstoffe. Methoden. Im Rahmen eines Produkt-Monitorings für NPS wurden bei Anbietern von „Legal Highs“ neben anderen Rauschmitteln auch verschiedene Benzodiazepine erworben. Die Produkte wurden mittels GCMS, NMR, LC-HRMS und LC-MS/MS chemisch-strukturell charakterisiert und auf Reinheit überprüft. Unter Verwendung gepoolter humaner Lebermikrosomen (pHLM) und der bei Selbstversuchen gewonnenen Daten wurden Informationen über den Metabolismus erhalten und vorläufige pharmakokinetische Profile erstellt. Die Kreuzreaktivitäten verschiedener für Vorscreenings auf Benzodiazepine verwendeter Immunoassays (IA) wurden ermittelt und die Stoffe in die Routine-Methoden zur Bestimmung von Benzodiazepinen übernommen. Ergebnisse. Designerbenzodiazepine stellen eine neuartige Herausforderungen für die toxikologische Analytik dar: Die Kreuzreaktivitäten der gebräuchlichsten IA reichen bei Anwendung forensischer Cut-offs zwar meist aus, um positive Ergebnisse hervorzurufen. Aufgrund der hohen Frequenz, mit der neue Stoffe auf den Markt gebracht werden, erfassen die etablierten Bestätigungsverfahren zum Nachweis von Benzodiazepinen die neuen Wirkstoffe dagegen häufig nicht, sodass es zu einer fehlerhaften Bewertung des IA als „falsch positiv“ kommen kann. Auch bezüglich des Metabolismus ergeben sich Besonderheiten. Beispielsweise wird Pyrazolam offenbar nicht metabolisiert, während Metaboliten anderer Stoffe wie z. B. die des Diclazepams selbst als Medikamente zugelassen sind. Nifoxipam dagegen ist ein Nebenmetabolit des Flunitrazepams. Daraus ergeben sich potentiell Schwierigkeiten bei der korrekten Interpretation analytischer Befunde. Schlussfolgerungen. Die teilweise sehr hohe Potenz dieser Stoffe führt zu einer erhöhten Gefahr von Überdosierungen. Insbesondere die hochpotenten Vertreter wie Flubromazolam (wirksame Dosen liegen deutlich unter 1 mg) könnten als K.O.-Mittel eingesetzt werden. Auch (unerwartete) Nebenwirkungen können nicht vollständig ausgeschlossen werden, auch wenn es sich bei Benzodiazepinen um eine weitgehend gut erforschte und relativ sichere Wirkstoffgruppe handelt.
V13 Legal aber nicht harmlos – Aktuelle Intoxikationsfälle mit synthetischen Cannabinoiden F. Franz1, V. Angerer1, J. Kithinji2, V. Auwärter1, M. Hermanns-Clausen2 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg,
Deutschland, 2Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Vergiftungs-Informations-Zentrale, Freiburg, Deutschland
Einleitung. Seit Beginn des „Spice“-Phänomens ab ca. 2007 wurden dem „European Monitoring Center for Drugs and Drug Addiction“ (EMCDDA) in den letzten Jahren eine gleichbleibende Anzahl von etwa 30 neuen Stoffen pro Jahr gemeldet. Aufgrund der Tatsache, dass viele synthetische Cannabinoide eine wesentlich höhere Wirkpotenz und intrinsische Aktivität als THC aufweisen, treten seit Jahren immer wieder
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Vergiftungsfälle mit diesen Stoffen auf. Im letzten Jahr ist die Zahl der Vergiftungs- und Todesfälle zeitgleich mit dem Auftreten einer neuen hochpotenten Strukturklasse synthetischer Cannabinoide stark angestiegen. Daher sollen im Folgenden Daten zu drei gehäuft auftretenden Stoffen (AB-CHMINACA, ADB-CHMINACA und MDMB-CHMICA) vorgestellt werden. Methoden. Im Rahmen des EU-Projekts „Spice II Plus“ wurden Intoxikationsfälle mit neuen psychoaktiven Substanzen (NPS) in einer prospektiv angelegten Studie durch die Vergiftungs-Informations-Zentrale erfasst und in Kooperation mit dem Freiburger Institut für Rechtsmedizin umfassend mittels immunchemischer und massenspektrometrischer Screeningverfahren chemisch-toxikologisch untersucht. Positive Befunde wurden mittels GC-EI-MS oder LC-ESI-MS/MS bestätigt. Des Weiteren wurden klinische Daten in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt und die Patienten wurden mittels eines Fragebogens um Angaben zum Vorfall und den Konsumgewohnheiten gebeten. Ergebnisse. Insgesamt wurden seit Beginn 2014 24 Vergiftungsfälle in die Studie eingeschlossen. Bei 14 Fällen war AB-CHMINACA im Serum oder Urin nachweisbar. In acht davon wurde AB-CHMINACA als einziges synthetisches Cannabinoid detektiert (fünf Monointoxikationen). In weiteren neun Fällen wurde MDMB-CHMICA nachgewiesen, in acht davon konnten keine weiteren synthetischen Cannabinoide nachgewiesen werden (fünf Monointoxikationen). Erst seit Kurzem auf dem Onlinemarkt verfügbar ist das synthetische Cannabinoid ADB-CHMINACA. Trotzdem wurden bereits drei Vergiftungsfälle mit dieser Substanz verzeichnet (eine Monointoxikation). Bei einem der Fälle handelte es sich um einen 46-jährigen Mann, der nach dem Konsum eines „Research Chemicals“ Panik, Atemnot, Herzrasen, Übelkeit und Somnolenz entwickelte. Neben ADB-CHMINACA konnten in diesem Fall Methadon und Cocain nachgewiesen werden. Alle Patienten wurden wegen mittelschwerer Vergiftungssymptome nach Poison Severity Score (PSS) in der Notaufnahme vorgestellt. Das Alter der insgesamt 24 Patienten lag zwischen 15 und 46 Jahren (Mittelwert 21 Jahre, Median 17 Jahre). Schlussfolgerungen. Nach einem kontinuierlichen Anstieg von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden bis 2011 nahmen die Fallzahlen in den letzten Jahren tendenziell wieder ab. Seit Ende 2014 steigt die Zahl von Vergiftungsfällen wieder deutlich an. Eine Ursache hierfür kann darin gesehen werden, dass die derzeit auf dem Markt verfügbaren Substanzen der „Valin-Derivat“-Gruppe eine vergleichsweise hohe Potenz aufweist, wodurch es häufiger zu unbeabsichtigten Überdosierungen kommen kann. In der Präventionsarbeit tätiges Personal sollte darüber informiert sein, dass riskanter Konsum synthetischer Cannabinoide insbesondere unter Jugendlichen verbreitet ist.
V14 Methamphetamin-assoziierte Todesfälle bei gerichtlichen Sektionen im Bereich Leipzig/Chemnitz H. Trauer1, A. Günzel1, J. Dreßler2 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Leipzig,
Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Leipzig, Deutschland
Einleitung. Todesfälle durch Amphetaminderivate sind gemessen an der Gesamtheit der Drogentodesfälle ein seltenes Ereignis. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein stetiger Wandel des Drogenkonsums von sedierenden Drogen wie Opiaten hin zu Stimulanzien, insbesondere Amphetaminderivaten (ATS: Amphetamine Type Stimulants) vollzogen. In Sachsen fokussiert sich der Bereich Stimulanzien im Wesentlichen auf die Substanz Methamphetamin. Der Wandel des Substanzgebrauches spiegelt sich auch bei den Analysenergebnissen im Rahmen gerichtlicher Sektionen wieder. Angesichts eines stetigen Anstieges des Methamphetamin-Missbrauches ist der gehäufte Nachweis dieser Substanz im Rahmen der Sektionstoxikologie eine logi-
sche Folge. Problematisch ist hierbei die Feststellung der Kausalität von analytisch erhobenen Daten und der Todesursache. Methoden. Die gerichtlichen Sektionen mit dem Auftrag der chemischtoxikologischen Untersuchung wurden retrospektiv hinsichtlich des Nachweises von Methamphetamin ausgewertet. Da in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Begriff Drogentodesfall neben der akuten Intoxikation unter anderem auch Unfälle und Suizide gefasst werden, wurde versucht, eine Zuordnung zu treffen. Ergebnisse. Bei gerichtlichen Sektionen finden sich analog zur Begutachtung bei äußerlich weitgehend unauffälligen Verkehrsteilnehmern zunehmend hohe bis sehr hohe Methamphetaminkonzentrationen im Blut. Es zeigt sich, dass das analytische Ergebnis allein keine sichere Bewertung zur Todesursache erlaubt. Erst bei Einbeziehung der Sektionsbefunde und Erkenntnisse zu den Todesumständen können Aussagen zur Kausalität getroffen werden. Neben den eindeutigen massiven Überdosierungen finden sich regelmäßig Fälle mit geringen Wirkstoffkonzentrationen, wo die Belastung durch Methamphetamin zumindest einen den Tod begünstigenden Faktor darstellt. Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse zeigen, dass Methamphetamin-Intoxikationen im Kontext des zunehmenden Missbrauches deutlich ansteigen. Stärker noch als bei anderen Vergiftungen ist das toxikologische Analysenergebnis nur bedingt geeignet, den Grad der Intoxikation oder deren Todesursächlichkeit zu bewerten.
V15 N-Acetyltaurin – ein Alkoholkonsummarker im Urin M. Jokiel, G. Skopp Verkehrs-, Rechtsmedizin, Toxikologie, Heidelberg, Deutschland Einleitung. Sowohl bei forensischen als auch bei klinischen Fragestellungen werden hoch spezifische Langzeit-Marker für den Alkoholkonsum benötigt. Eine erhöhte Ausscheidung von N-Acetyltaurin (NAT) im Urin korrelierend zur verabreichten Ethanoldosis wurde in einer metabolomics Studie in Ratten gezeigt (Shi et al., J Biol Chem, 2012). Methoden. Die Synthese von NAT erfolgte basierend auf der durch Johnson et al. (Radiat Res, 2011) beschriebenen Methode. Das rohe Reaktionsprodukt wurde mittels einer Kieselgelsäule aufgereinigt. Die Fraktionen wurden über LC/MS/MS im negativen Modus identifiziert. Bei der Synthese des internen Standards N-Propionyltaurin (NPT) wurde Acetanhydrid gegen Propionsäureanhydrid ausgetauscht und analog überprüft. Anschließend wurde die Analysenmethode optimiert. Die Aufbereitung der 100 µL Urin Aliquote erfolgte mittels Verdünnung und Zentrifugation. Die Methode wurde validiert und auf Urinproben von Abstinenzlern und Alkohol konsumierenden Personen angewandt. Ergebnisse. Die Ausbeute der eigenen Aufreinigung von ca. 30 % für NAT und NPT entsprechen den Angaben von Johnson et al. Die Validierungsergebnisse entsprechen der GTFCh Richtlinie (Anhang B). Die Laufzeit der Methode von 7 min lässt eine eindeutige Trennung von NAT und NPT von dem in authentischen Urinproben vorhandenem Taurin zu. Die NAT Konzentrationen bei abstinenten unterscheiden sich signifikant von denen Alkohol konsumierender Personen. Schlussfolgerungen. Die Analysenmethode erlaubt zuverlässig einen hohen Probendurchsatz; die Ergebnisse lassen eine sichere Unterscheidung abstinenter von Alkohol konsumierenden Personen zu, bei einem längeren Nachweisfenster im Vergleich zu Ethylglucuronid.
V16 Signifikante Unterschiede in Cannabinoid-Plasmakonzentrationen durch CYP2C9*3-Polymorphismus A. Gasse1, H. Köhler1, H. Pfeiffer1,2, M. Schürenkamp2, M. Vennemann2, J. Schürenkamp1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Münster,
Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Forensische Molekulargenetik, Münster, Deutschland
Einleitung. Die genetische Variabilität diverser Cytochrom-(CYP-)P450Enzyme führt zu großen Unterschieden im Metabolismus ihrer Substrate. Eine wichtige Rolle im Stoffwechsel von ∆9-Tetrahydrocannabinol (THC) spielen die Enzyme CYP2C9 und CYP2C19. Es ist hinlänglich bekannt, dass Polymorphismen in den Genen, die für diese Enzyme kodieren, Auswirkungen auf die jeweilige Funktionalität haben. Dennoch fehlt die Übertragung auf den forensischen Bereich, so dass mögliche Unterschiede durch genetische Variationen bei der Ergebnisinterpretation chemisch-toxikologischer Cannabinoidbefunde bislang aufgrund mangelnder Untersuchungen unberücksichtigt bleiben. Ziel dieser Arbeit ist es daher, mögliche Zusammenhänge zwischen den toxikologischen Analysenbefunden, Anlass bezogener Blutproben und Genvariationen bezüglich der für den THC-Metabolismus relevanten Stoffwechselenzyme CYP2C9 und CYP2C19 zu untersuchen. Methoden. Zur Bestimmung der für den THC-Metabolismus relevanten Single-Nukleotid-Polymorphismen wurde ein SNaPshot®-Multiplex-Minisequenzierungs-Verfahren entwickelt. Die Methode wurde zur Identifizierung möglicher Polymorphismen auf dem CYP2C9-Gen (CYP2C9*2, CYP2C9*3) bzw. dem CYP2C19-Gen (CYP2C19*2, CYP2C19*3, CYP2C19*17) von 70 Cannabis-Konsumenten eingesetzt. Die molekulargenetischen Daten wurden mit den mittels SPE-GC-MS ermittelten Plasmakonzentrationen von THC und den Abbauprodukten 11-hydroxy-∆9-Tetrahydrocannabinol (11-OH-THC) und 11-nor-9-carboxy-∆9Tetrahydrocannabinol (THC-COOH) zusammengeführt und statistisch ausgewertet. Ergebnisse. Die molekulargenetische und toxikologische Auswertung von 70 Cannabis-Konsumenten ergab, dass zwischen Trägern des CYP2C9*3-Allels und Trägern des entsprechenden Wildtyps ein signifikanter Unterschied in den Cannabinoid-Plasmakonzentrationen besteht. Träger dieser Genvariation zeigten gegenüber den Trägern des WildtypAllels signifikant erhöhte Werte für das Verhältnis THC zu THC-COOH. Dies ist mit einem veränderten THC-Metabolismus durch den CYP2C9*3 Polymorphismus zu erklären, wodurch der Abbau von THC erniedrigt und gleichzeitig die Bildung von THC-COOH verringert ist. Die Ergebnisse geben somit Hinweise auf den Einfluss dieser Genvariation im THCMetabolismus auf toxikologische Analysenbefunde. Schlussfolgerungen. Die toxikogenetische Untersuchung zeigt einen signifikanten Unterschied in Cannabinoid-Plasmakonzentrationen durch den CYP2C9*3-Polymorphismus. Somit hat die Genvariation Einfluss auf die THC-Metabolisierung, was letztlich auch Auswirkungen auf die Nachweisbarkeit bzw. die Interpretation im Rahmen forensisch-toxikologischer Untersuchungen haben kann. Die Ergebnisse verdeutlichen demnach die hohe Relevanz für Untersuchungen genetischer Variationen im THC-Metabolismus.
V17 Haaranalysen auf Cocain – Analytische Möglichkeiten und Interpretation von Befunden F. Musshoff, S. Steinmetz, T. Dame, G. Schwarz, T. Franz, H. Sachs Forensisch Toxikologisches Centrum München, München, Deutschland Einleitung. Positive Haarbefunde zum Nachweis eines Cocainkonsums sind immer zurückhaltend zu interpretieren. Cocain (COC) ist feinstaubig und kann ohne weiteres aus kontaminierter Raumluft auf und in die Haare
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Abstracts gelangen. Der Hauptmetabolit Benzoylecgonin (BE) entsteht durch Hydrolyse und kommt zudem ebenso schon in Straßencocain vor, wie in seltenen Fällen auch Norcocain (NorCOC) und Cocaethylen (CE). Ansonsten entsteht CE bei der Körperpassage, allerdings nur bei zeitgleichem Konsum von Cocain und Alkohol. Eine Aussage zu Konsumgewohnheiten kann nicht auf Grundlage von COC- und BE-Konzentrationen erfolgen. Es bietet sich an, die Summe der Konzentrationen von NorCOC und CE dafür heranzuziehen. Statistik und Kasuistiken werden präsentiert. Der letztendliche Beweis eines Cocainkonsums kann bisher nur über CE oder aber über weitere Cocainmetabolite erbracht werden, die nur bei Körperpassage gebildet werden können. Methoden. Zur Überprüfung auf das Vorkommen weiterer Metabolite wurden Haarproben mit positiven Befunden für COC und die oben genannten Metabolite mittels Flüssigkeitschromatographie und hochauflösender Massenspektrometrie (LC-QTOF; ABSciex 5600)) auf die Anwesenheit weiterer möglicher Metabolite analysiert. Nachgewiesen werden konnten p-/m-Hydroxycocain, p-/m-Hydroxybenzoylecgonin und p-/mHydroxynorcocain. Ergebnisse. Die charakteristischen Massenfragmente dieser weiteren Metabolite wurden in ein Multitarget-LC-MS/MS-Screening auf gängige Drogen mittels sensitiver MRM-Analyse (ABSciex 6500) aufgenommen. Es wurden 37 Haaproben, welche einen positiven Befund für COC aufwiesen (0,05–51,17 ng/mg), auf die Anwesenheit weiterer Metabolite getestet. In 32 Fällen (86 %) fand sich BE (> 0,05 ng/mg) in 18 Fällen (48 %) NorCOC (> 0,05 ng/mg) aber sogar in 34 Fällen (91 %) mindestens einer der neu mit getesteten Hydroxymetabolite. Schlussfolgerungen. Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine Einbeziehung dieser Hydroxymetabolite zum eindeutigen Beweis eines Cocainkonsums führen kann, wohingegen in anderen Fällen ggf. nur auf einen Umgang mit der Droge geschlossen werden kann.
V18 Aceton- und Isopropanolvergiftung durch orale Aufnahme von Händedesinfektionsmittel K. Schulz1, J. Pietsch1, M. Deters2, C. Erfurt1 1Institut für Rechtsmedizin der TU Dresden, Toxikologie, Dresden,
Deutschland, 2Giftinformationszentrum GGIZ, Erfurt, Deutschland
Einleitung. Es wird über zwei Fälle einer Aceton-/Isopropanolvergiftung berichtet, wobei im ersten Fall das Händedesinfektionsmittel Sterillium® classic pure oral aufgenommen wurde. Im zweiten Fall ist die Art des aufgenommenen Substanzgemisches unklar. Aufgrund ähnlicher Untersu chungsergebnisse wird ebenfalls eine Vergiftung durch ein Desinfektions mittel angenommen. Methoden. Im Händedesinfektionsmittel Sterillium® classic pure sind u. a. 1-Propanol und 2-Propanol (Isopropanol) als Wirkstoffe enthalten. 2-Propanol wird zu Aceton metabolisiert. Der Nachweis von 1-Propanol, 2-Propanol und Aceton im Serum und Urin erfolgte mittels statischer Headspace-Gaschromatographie (HSSPME-FID). Ergebnisse. Im ersten Fall konnten Konzentrationen von Isopropanol und Aceton im komatös-letalen Bereich; im zweiten Fall Aceton im toxischen Bereich nachgewiesen werden. 1-Propanol wurde ebenfalls nachgewiesen. Vergleichsdaten für 1-Propanol existieren in der Literatur nicht. Die Patienten wurden intubiert, beatmet und hämodialysiert. Schlussfolgerungen. Vergiftungen mit Propanol-/Isopropanol-haltigen Händedesinfektionsmitteln sind aufgrund der leichten Erlangbarkeit und weiten Verbreitung nicht selten. Nach Informationen des GGIZ Erfurt hat die Anzahl der Expositionsfälle innerhalb der letzten 10 Jahre stetig zugenommen. Der analytische Nachweis ist schnell und unproblematisch zu führen.
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V19 Pharmacokinetic modelling of JWH-210, RCS-4, and THC in pig serum after intravenous administration N. Schäfer1, J.- G. Wojtyniak2, M. Kettner1, J. Schlote1, M. Laschke3, A. Ewald1, T. Lehr2, M. Menger3, H. Maurer4, P. Schmidt1 1Institut für Rechtsmedizin, Homburg (Saar), Deutschland, 2Klinische
Pharmazie, Saarbrücken, Deutschland, 3Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Homburg (Saar), Deutschland, 4Abteilung für Experimentelle und Klinische Toxikologie, Homburg (Saar), Deutschland Aims. For a few years, synthetic cannabinoids have been increasingly used as drugs of abuse. In clinical toxicology as well as in forensic expert opinion, detailed knowledge of pharmacodynamic and pharmacokinetic properties may be of great importance. As controlled clinical trials with new drugs of abuse cannot be conducted for ethical reasons, animal studies are the best way to obtain pharmacokinetic data as those from case work are incomplete. The first aim was to develop a pharmacokinetic model of the two synthetic cannabinoids JWH-210 and RCS-4 in comparison to THC in pigs. The second aim was to assess whether the pharmacokinetic data for THC measured in pigs can be correlated with published data in humans. Methods. Isoflurane-anaesthetized pigs (n = 6 per drug; mean body weight 45,2 ± 7,3 kg) received a single 200 µg per kg body weight dose of JWH-210, RCS-4, or THC into the jugular vein. Blood samples were drawn before and 1, 2, 5, 10, 15, 30, 45, 60, 90, 120, 180, 240, 300, and 360 min after administration. The serum concentrations were determinied with a validated LC-MS/MS method in positive APCI mode after SPE (Schaefer et al. ABC, 2015). Non-linear mixed effects modelling approach was applied using NONMEM 7.3. Several structural models were tested. Model selection was based on the visual inspection of goodness-of-fit plots, precision of parameter estimates and the statistical values provided by NONMEM. The final THC model in pigs was upscaled to humans using allometric principles and the human predicted exposure was compared to published concentration-time profiles. Results. Mean maximum concentrations were 1.600 ± 362 ng/mL for JWH-210, 1.438 ± 346 ng/mL for THC, and 316 ± 60 ng/mL for RCS-4 and decreased to mean concentrations of 3,1 ± 1,1 ng/mL for JWH-210, 7,1 ± 4,3 ng/mL for THC, and 3,8 ± 1,1 ng/mL for RCS-4 after 360 min. The serum-concentration-time profiles of JWH-210, RCS-4, and THC were best described by 3-compartment models with first order elimination processes. All parameters were estimated precisely. Volumes of distributions at steady-state were estimated at 67,6 L, 194 L, and 917 L for JWH-210, RCS-4, and THC, indicating a distribution into deeper compartments. Systemic clearances were estimated at 48,7 L/h, 83,4 L/h, and 7,0 L/h for JWH-210, RCS-4, and THC. The allometrically scaled pharmacokinetic model in pigs for THC predicted published concentration-time-profiles in humans after intravenous administration very well. Conclusion. Three pharmacokinetic models were successfully developed describing the serum-concentration-time profiles of JWH-210, RCS-4, and THC after i. v. administration in pigs. The successful THC prediction of human exposure based on the domestic pig pharmacokinetic model suggest that domestic pigs in conjunction with pharmacokinetic modelling technique may serve as a tool for the future prediction of human exposure of synthetic cannabinoids.
V20 Trinkmengenüberprüfung mit Hilfe der Widmark-Formel M.A. Verhoff, A. Paulke, C. Wunder, S. Tönnes Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland Die Trinkmengenüberprüfung gehört bei behauptetem Nachtrunk zu den gängigen Methoden. Berechnet wird, wie viel ab dem Trinkbeginn mindestens und maximal getrunken worden sein müsste bzw. könnte, um die gemessene BAK zu erreichen. Als Trinkbeginn wird der Nachtrunkbeginn angesetzt, wenn ein alleiniger Nachtrunk angegeben wurde, oder der behauptete Vortrunk zu diesem Zeitpunkt bereits abgebaut gewesen sein könnte/müsste. Andernfalls wird vom Trinkbeginn des Vortrunks ausgegangen, wobei der angegebene Vortrunk plus Nachtrunk mit den berechneten Werten verglichen wird. Bei dieser Trinkmengenberechnung wird die gemessene BAK zunächst für das Maximum mit 0,2 ‰/h und für das Minimum mit 0,1 ‰/h auf den Trinkbeginn zurückgerechnet. Die Extrema der Trinkmengen werden dann mit der Widmark-Formel berechnet, für das Maximum mit Resorptionsdefizit von 30 % und das Minimum mit 10 %. Die Frage stellt sich, wie gut diese Trinkmengenberechnungen mit der Realität übereinstimmen. Forensisch relevant ist insbesondere, ob die berechnete Mindesttrinkmenge die reale Trinkmenge überschreiten, oder ob das berechnete Maximum geringer als die reale Trinkmenge sein kann. Deshalb sollte die Berechnungsformel an den Werten von realen Trinkversuchen überprüft werden. Verwendet wurden die Daten dreier Versuchsreihen, bei denen der gesamte Alkohol innerhalb einer Stunde getrunken wurde und halbstündlich danach Blutentnahmen bis maximal 9 h nach Trinkbeginn erfolgten. In den ersten beiden Versuchen (n = 18, n = 16) wurde Bier, im dritten (n = 12) Grappa konsumiert. Ausgehend von jedem Messpunkt wurde die minimale und maximale Trinkmenge berechnet und mit der tatsächlich konsumierten Menge verglichen. Wenn auf den Trinkbeginn zurückgerechnet wurde, gab es bis etwa 5 h nach Trinkbeginn berechnete Mindesttrinkmengen, die höher als die realen Trinkmengen lagen. Rechnete man nur auf den Zeitpunkt 1 h nach Trinkbeginn zurück, lagen die errechneten Mindesttrinkmengen ab 2,5 h nach Trinkbeginn unterhalb der realen Mengen. Die berechneten Maxima wiesen bis etwa 2,5 h Werte auf, die noch unterhalb der realen Trinkmengen lagen. Es gab nur geringe Unterschiede zwischen den beiden Getränkesorten. Mit zunehmendem Abstand zum Trinkbeginn nahm die Spanne der Schätzwerte deutlich zu, was auf die Über- bzw. Unterschätzung des bei der Rückrechnung berücksichtigten Abbaus zurückzuführen ist. Erste Schlussfolgerungen sind, dass von Trinkmengenberechnungen bei zeitlichen Abständen zwischen Trinkbeginn und Blutentnahme von weniger als 2,5 h abzuraten ist. Ist dieser Zeitraum überschritten, kann die maximale Trinkmenge – wie üblich – mit dem angegebenen Trinkbeginn berechnet werden. Für die minimale Trinkmenge wird dann aber empfohlen, nur auf 1 h nach Trinkbeginn zurückzurechnen. Diese Empfehlungen sollten an Daten aus weiteren Trinkversuchen validiert werden.
V21 Subnukleäre, lipidhaltige Vakuolisierung in Fällen von Ketoazidosen: Gegenüberstellung von Anfärbbarkeit und gemessener Ketonkörperkonzentration K. Wöllner, C. Hess, B. Madea Institut für Rechtsmedizin Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Die von Armanni und Ebstein beschriebenen tubulären Epithelzellen der Nieren weisen hauptsächlich bei Diabetikern eine Vakuolisierung der Zellen mit einem hohen Lipidgehalt auf. Zum Teil werden sie auch als Zellen mit hohem Glykogengehalt beschrieben. In der Literatur
werden sie hauptsächlich in Fällen von Diabetikern, aber auch bei Alkoholikern und bei Hypothermie erwähnt. Dies sind gleichzeitig Personengruppen, in denen Ketoazidosen vorkommen können. Es kommt immer wieder zu Diskussionen, ob in den Vakuolen der Armanni-Ebstein-Zellen Lipide oder Glykogen eingelagert sind. Aktuell geht man davon aus, dass es sich beim Armanni-Ebstein-Phänomen und bei den subnukleären, lipidhaltigen Vakuolisierungen um zwei verschiedene Entitäten handelt. Methoden. In einer Gruppe von 28 Alkoholikern, 25 Diabetikern, 2 Hypothermie-Fällen, 7 Kombinationsfällen und 55 Kontrollen wurden Ketonkörpermessungen in Femoralvenenblut, Herzblut, Glaskörperflüssigkeit, Liquor und Urin durchgeführt. Zusätzlich wurden die Nieren der Verstorbenen histologisch untersucht. Zusätzlich zur H.E.-Färbung wurden die Schnitte mit Sudan und PAS gefärbt, um zwischen Lipiden und Glykogen differenzieren zu können. Die Stärke der Anfärbbarkeit in der Sudanfärbung wurde mit der Konzentration der gemessenen Ketonkörper korreliert. Ergebnisse. In Fällen mit erhöhten Ketonkörperwerten ließen sich in den Sudan-Färbungen der Nieren deutliche Fetteinlagerungen in tubulären Epithelzellen nachweisen. Je stärker sich die Anfärbbarkeit der Fetteinlagerungen in der Sudanfärbung darstellte, desto höher zeigten sich auch die Ketonkörperkonzentrationen. Schlussfolgerungen. Gemessene Ketonkörperwerte in verschiedenen Körperflüssigkeiten korrelieren mit der Stärke der Anfärbbarkeit von subnukleären, lipidhaltigen Vakuolisierungen.
V22 Immunhistochemische Todeszeitbestimmung – Untersuchungen zur Validität J. Ortmann, E. Doberentz, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Deutschland Einleitung. Während im frühpostmortalem Intervall zur Todeszeitbestimmung ein hinreichend validiertes Methodenrepertoire zur Verfügung steht, sind die Möglichkeiten jenseits des dritten Tages post mortem eher begrenzt. Ein Methodenansatz, das postmortale Intervall auch in diesem Zeitbereich weiter einzugrenzen, stellen immunhistochemische Untersuchungen dar. Nach Todeseintritt unterliegen Proteine einer Degradation und es kommt zu einem Verlust der Anfärbbarkeit von Proteinen. In systematischen Untersuchungen von Wehner et al. wurde nachgewiesen, dass Calcitonin durchgängig bis vier Tage, Thyreoglobulin bis fünf Tage, Glucagon bis sechs Tage und Insulin bis 12 Tage post mortem darstellbar ist. Nach 12 Tagen sind Calcitonin, Thyreoglobulin, nach 13 Tagen Glucagon und nach 29 Tagen Insulin nicht mehr darstellbar. Methoden. An einem Untersuchungskollektiv von 114 Fällen mit bekannter Todeszeit (Leichenliegezeit zwischen wenigen Stunden bis zu 30 Tagen) wurden die Ergebnisse von Wehner et al. zur Anfärbbarkeit von Insulin und Glucagon sowie Thyreoglobulin und Calcitonin in Pankreas und Schilddrüse überprüft. Ergebnisse. Die Ergebnisse von Wehner et al. konnten reproduziert werden. Schlussfolgerungen. Immunhistochemische Verfahren stellen eine wertvolle Ergänzung des Methodenrepertoires zur Todeszeitbestimmung dar. Durch Berücksichtigung von Milieubedingungen sollte ein Präzisionsgewinn erzielt werden.
V23 Proteinexpression von NSE und GFAP nach letalem Schädel-Hirn-Trauma A. Goede1, J. Dreßler1, G. Sommer2, K. Schober3, H. Franke4, B. Ondruschka1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland, 2Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische
Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland, Rechtsmedizin 4 · 2015
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Abstracts 3Bundeswehr, Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe,
Fürstenfeldbruck, Deutschland, 4Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universtität Leipzig, Leipzig, Deutschland
Einleitung. Die Diagnostik von Schädel-Hirn-Traumen (SHT) ist wegen ihrer statistischen Häufigkeit im rechtsmedizinischen Obduktionsgut von herausragender Bedeutung. Bis heute ist jedoch keine zuverlässige Methode etabliert, das Verletzungsalter eines SHT exakt zu definieren. Im Rahmen der vorliegenden Studie sollten die Proteinmengen der zwei Biomarker neuronenspezifische Enolase (NSE) und saures Gliafaserprotein (GFAP) an definierten Lokalisationen im humanen Hirngewebe nach einem tödlich verlaufenden SHT bestimmt und hinsichtlich zeitabhängiger Expressionsunterschiede evaluiert werden. Methoden. Aus 42 gerichtlichen Obduktionen mit todesursächlichem SHT und Überlebenszeiten zwischen wenigen Minuten und 37 Tagen wurden Gewebeproben aus Groß- und Kleinhirn entnommen. 13 Fälle mit kardiovaskulären Todesursachen wurden als Kontrollen verwendet. Der Proteinnachweis erfolgte mittels Western-Blot. Ergebnisse. Grundsätzlich wurde der höchste NSE-Gehalt im Kleinhirn bestimmt, die GFAP-Expression war bis 4 Tage nach traumatischer Schädigung im Hippocampus am größten. Außer in der Perikontusionszone kommt es posttraumatisch nach mehr als 2 h Überlebenszeit zu einer NSE-Expressionszunahme. Eine solche fand für GFAP erst nach Überlebenszeiten von mehr als 4 Tagen statt. Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse zeigen, dass Western-Blot-Analysen für NSE und GFAP als Ergänzung zur Obduktion und konventionellen Histologie zur Wundalterdiagnostik nach SHT geeignet sind.
täts- und Wundalterbestimmung hat sich in der Vergangenheit die Verwendung immunhistochemischer Marker bereits etabliert. Bei postmortalem Gewebszerfall (Autolyse) stellt sich hingegen oft die Frage, ob überhaupt eine Blutung vorliegt, insbesondere wenn keine typischen Erythrozyten-Strukturen mehr abgrenzbar sind. Die vorliegende Studie soll prüfen, ob hier immunhistochemische Blutungsmarker (Glycophorin-A und Hämoglobin-α) Vorteile gegenüber einer Standard-HE-Färbung bringen können. Methoden. Wir untersuchten 81 Präparate fäulnisveränderter Leichen, bei welchen makroskopisch der Verdacht auf eine Weichteilblutung bestand. Das postmortale Intervall lag zwischen 1 Tag und 6 Monaten. Alle Präparate wurden mit einer Standard-HE-Färbung sowie mit „Rabbit Monoclonal Antibody Hemoglobin Alpha“ und „Monoclonal Mouse Anti-Human Glycophorin A“ bearbeitet. Die Auswertung erfolgte unter dem Mikroskop. Eine Probe wurde als positiv bewertet, wenn Blut nicht nur in den Gefäßen, sondern auch extravasal nachzuweisen war. Ergebnisse. Bei insgesamt 34 Präparaten, bei denen in der HE-Färbung keine Blutung erkennbar war, ließen sich in 19 Fällen (55,9 %) durch den Einsatz der immunhistochemischen Marker Blutungen nachweisen. Der Antikörper Glycophorin-A zeigte sich dabei dem Antikörper Hämoglobin-α überlegen. Die Ergebnisse werden diskutiert.
V26 Usefulness of postmortem 1,5-anhydroglucitol analysis in forensic diagnosis S. Miyaishi1, T. Takata1,2, Y. Yamasaki1, T. Kitao1,2
V24 Normwerte interstitieller myokardialer Leukozyten im ersten Lebensjahr S. Grasmeyer, S. Oswald, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Bereits vor Jahrzehnten wurden von Foley und Edwards Normwerte interstitieller Leukozyten in Endomyokardgewebe an 100 strukturell normalen Erwachsenenherzen erarbeitet. Diese Normwerte waren von Bedeutung für die Diagnose einer Myokarditis an Endomyokardbiopsien. Für das Kindesalter fehlen bislang vergleichbare Untersuchungen. Methoden. An einem Kollektiv von 56 Todesfällen im ersten Lebensjahr (44 SIDS-Fälle, 12 Nicht-SIDS-Fälle) mit strukturell unauffälligem Myokard standen jeweils 8 Probeentnahmestellen zur Verfügung, an denen Leukozyten, T-Lymphozyten und Makrophagen quantifiziert wurden. Es wurden Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Ergebnisse. Die Mittelwerte betragen: 3,08 Leukozyten, 0,98 T-Lymphozyten und 0,39 Makrophagen pro high-power-field. Schlussfolgerungen. Die Kenntnis der Normwerte und ihre Verteilung, der Schwankungen der Zellzahlen von Gesichtsfeld zu Gesichtsfeld und von Probeentnahmestelle zu Probeentnahmestelle ist eine unverzichtbare Grundlage und Voraussetzung für die Diagnostik einer Myokarditis.
V25 Mikromorphologische Blutungsdiagnostik bei Dekomposition menschlicher Leichen S. Hosemann1, O. Peschel1, A. Nerlich2, C. Grove1 1Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität
München, München, Deutschland, 2Institut für Pathologie des Klinikums Bogenhausen/Schwabing, München, Deutschland
Einleitung. Der Nachweis von Blutungen im Gewebe besitzt in der forensischen Praxis einen außerordentlich hohen Stellenwert. Zur Vitali-
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1Okayama University, Legal Medicine, Okayama, Japan, 2Ehime Prefectural
University of Health Science, Medical Technology, Ehime, Japan Aims. Because of the change of blood glucose level after death, postmortem diagnoses of hyperglycemia at the death and diabetes as anamnesis are sometimes difficult in forensic practice. HbA1c is often used to determine the state of antemortem hyperglycemia. But it can indicate only the average level of blood glucose for 1–2 months before death, not for a few days before death. 1,5-Anhydroglucitol (1,5-AG) is a substance which resembles glucose structurally. Its concentration in plasma is sensitive to changes in urine glucose excretion and can be an index of short-term blood sugar change, especially in case of fulminant type 1 diabetes. Methods. We investigated the concentrations of 1,5-AG in plasma and cerebrospinal fluid in 59 individuals including diabetic patients (n = 13) and nondiabetic subjects (n = 46) combined with HbA1c level and considered the usefulness of its measurements. Results. The postmortem 1,5-AG concentration in plasma showed linearity with that in the cerebrospinal fluid (r = 0,59). The mean 1,5-AG concentrations in both plasma and cerebrospinal fluid were significantly lower in diabetes mellitus patients than in nondiabetic subjects (plasma 1,5AG: 6,8 ± 8,3 μg/mL (diabetes mellitus) vs 23,6 ± 13,0 μg/mL (non-diabetes mellitus); cerebrospinal fluid1,5-AG: 6,1 ± 5,3 μg/mL (diabetes mellitus) vs 19,4 ± 7,9 μg/mL (non-diabetes mellitus)). Even if the subjects were nondiabetic according to the anamnesis, concentrations of 1,5-AG in plasma and cerebrospinal fluid were low, when the HbA1c level measured after death was 6,5 % or more. Conclusion. For the postmortem diagnosis of diabetes mellitus, including fulminant type 1 diabetes, measurement of 1,5-AG concentration in plasma and cerebrospinal fluid in combination with determining HbA1c level seems to be useful.
V27 Etablierung neuer immunhistologischer Marker des akuten Myokardinfarkts im Langendorff-Modell F. Mayer1, M. Falk1, R. Huhn-Wientgen2, F. Behmenburg2, S. Ritz-Timme1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf,
Deutschland, 2Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
Einleitung. Dityrosin, ein Proteinprodukt von oxidativem Stress, ist als Frühmarker zum Nachweis eines akuten, letalen Myokardinfarkts geeignet. Dies konnten wir an postmortal entnommenem, humanem Herzmuskelgewebe zeigen. Allerdings wurden der weiteren Prüfung dieses Markers durch die Limitierungen, die mit der Untersuchung von Autopsiematerial verbunden sind, Grenzen gesetzt. Dies betrifft insbesondere das genaue zeitliche Auftreten der Marker, sowie eine evtl. Abhängigkeit von einer Reperfusion des Infarktareals. Deshalb erfolgte eine weitere Prüfung des Markers durch Nutzung des isoliert perfundierten Herzens im Langendorff-Modell. Neben Dityrosin prüften wir auch GDF 15 und Endothelin 1, welche Marker für im Rahmen eines Infarkts auftretenden, biomechanischen Stress sind. Methoden. Wir untersuchten 40 Herzen von Ratten im Langendorff-Modell, bei welchen durch Ligatur eines Gefäßes ein lokaler Myokardinfarkt induziert wurde. Um detaillierte Erkenntnisse zum zeitlichen Auftreten der untersuchten Marker zu gewinnen, wurde die „Überlebenszeit“ der Herzen nach Induktion des Infarkts zwischen 5 und 60 min variiert. Bei einigen Herzen wurde außerdem die Ligatur wieder geöffnet, um zu prüfen, inwiefern das Auftreten der Marker von einer Reperfusion des Infarktareals abhängen könnte. Feingewebliche Schnitte von den auf diese Art gewonnen, infarzierten Herzen wurden immunhistologisch auf die Marker Dityrosin, GDF 15 und Endothelin 1 gefärbt und mit Blick auf die genannten Fragen beurteilt. Ergebnisse. Die Beurteilung der feingeweblichen Schnitte zeigte, dass die genannten Marker im Bereich der im Langendorf-Modell generierten Infarkte nachgewiesen werden konnten. Diskret positive Resultate konnten bis in den Bereich sehr kurzer „Überlebenszeiten“ erzielt werden, mit zunehmendem „Alter“ der Infarkte war der Nachweis wesentlich deutlicher. Außerdem konnten Marker auch bei Infarkten nachgewiesen werden, bei welchen das ischämische Myokardareal nicht reperfundiert worden war. Schlussfolgerungen. Es konnte insofern gezeigt werden, dass der gewählte experimentelle Ansatz (isoliert perfundierten Herzens im LangendorffModell) hervorragend geeignet ist, um unterschiedliche Arten von „Infarkttypen“ zu generieren und zu untersuchen. Die untersuchten Marker Dityrosin, GDF 15 und Endothelin 1 erwiesen sich dabei als geeignet zur Detektion von Infarkten mit kurzer Überlebenszeit und ohne Reperfusion des ischämischen Gewebes.
V28 Entwicklung des Body-Mass-Index und Zusammenhang mit arteriosklerotischen Veränderungen und Todesursachen – Vergleich der Jahrgänge 1978, 1988, 1998 und 2008 der Sektionsfälle des Gießener Instituts für Rechtsmedizin S.C. Kölzer1, S. Frerichs1, C.G. Birngruber2, F. Ramsthaler3, M.A. Verhoff1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Gießen, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar, Deutschland
Einleitung. Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein etablierter Parameter, um das Körpergewicht eines Menschen in Relation zu seiner Körpergröße zu bewerten. In der weltweiten Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme des durchschnittlichen BMIs zu verzeichnen, wobei Überernährung und Bewegungsmangel derzeit als führende Ursache angesehen werden. Byard und Bellis (2008) berichteten über einen erheb-
lichen Anstieg des BMI bei den Autopsiefällen in Australien im Vergleich der Jahrgänge 1986, 1996 und 2006 und die Konsequenzen für den Sektionsbetrieb. Ziel der Studie war zu überprüfen, ob eine zu der für Australien beschriebenen vergleichbare Entwicklung bei den gerichtlichen Leichenöffnungen an einem Institut für Rechtsmedizin in Deutschland nachzuvollziehen ist. Die Ergebnisse sollten zudem mit der Entwicklung des BMI in der (lebenden) Bevölkerung in Deutschland verglichen werden. Ferner sollten mögliche Zusammenhänge u. a. zwischen BMI, Lebensalter, Dicke des abdominalen Unterhautfettgewebes, Arteriosklerosegraden und Todesarten bzw. -ursachen analysiert werden. Methoden. Anhand der Sektionsprotokolle aus den Jahren 1978, 1988, 1998 und 2008 wurden von 513 Individuen Körperlänge, Körpergewicht, Dicke des Unterhautfettgewebes am Bauch, Alter, Geschlecht sowie der Arteriosklerosegrad der Bauchaorta, der Koronararterien und der Hirnbasisarterien erfasst. Der BMI wurde Körperlänge und Körpergewicht berechnet und in sechs Klassen eingeteilt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS® Vers. 17.0 und Statistica® Vers. 9.1. Ergebnisse. Der durchschnittliche BMI stieg tendenziell, jedoch statistisch nicht signifikant mit jedem Jahrzehnt an. Beim Vergleich der Dicke des Unterhautfettgewebes am Bauch fand sich über die Jahre keine statistisch signifikante Veränderung. Die Korrelationsanalyse zeigte einen hochsignifikanten Zusammenhang zwischen BMI und Dicke des abdominalen Unterhautfettgewebes. Das Alter wies keine signifikante Korrelation mit dem BMI und mit der Dicke des abdominalen Unterhautfettgewebes auf. Ferner ergab sich keine Konstellation für einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen BMI und Arteriosklerosegraden. Schlussfolgerungen. Entgegen der australischen Studie und der internationalen/bundesweiten BMI-Entwicklung ließ sich ein Anstieg des BMI im Gießener Sektionsgut nicht feststellen. Die Ursache ist am ehesten in der Vorauswahl der Sektionen zu sehen: Die Leichenschau-Diagnose „natürliche Todesart“ im Zusammenhang mit Adipositas-assoziierten Todesursachen verhindert ein Todesermittlungsverfahren.
V29 Rechtsmedizinische Untersuchung von polizeieinsatz- und haftbezogenen Todesfällen K. Trübner, T. Bajanowski, M. Enders-Comberg Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg- Essen, Essen, Deutschland Einleitung. Todesfälle im Gefängnis, im Gewahrsam oder während eines Polizeieinsatzes erregen immer öffentliches Interesse und führen nicht selten zu Spekulationen. Umfassende polizeiliche Ermittlungen inklusive Zusatzuntersuchungen sind nötig, um eventuellen späteren Vorwürfen entgegentreten zu können aber auch um Präventionsmöglichkeiten herauszuarbeiten. Methoden. Im Obduktionsgut aus Essen aus den Jahren 1999–2011 wurden retrospektiv alle Todesfälle im Gefängnis, Gewahrsam und während eines Polizeieinsatzes ausgewertet. Dabei wurden auch solche Fälle einbezogen, die während des Hafturlaubs oder kurz nach Entlassung aus dem Gefängnis verstarben und mit dem Gefängnisaufenthalt in einem kausalen Verhältnis standen. Ergebnisse. Von insgesamt 116 Todesfällen (105 Männer, 11 Frauen) starben 72 Personen an einem nichtnatürlichen Tod (62 %), 27 eines natürlichen Todes (23 %) und in 17 Fällen (15 %) blieb die Todesart auch nach der Obduktion ungeklärt. Die häufigsten Todesursachen war mit 40 Fällen (34 %) die Intoxikation durch Betäubungsmittel, Medikamente und/ oder Alkohol und das Erhängen (n = 22) sowie kardiovaskuläre Todesursachen (n = 20). 11 Todesfälle ereigneten sich im Gewahrsam bzw. während eines Polizeieinsatzes, wobei in zwei Fällen ein direkter Zusammenhang zwischen der Intervention der Polizei und dem Todeseintritt angenommen wurde.
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Abstracts Die meisten Drogentodesfälle (n = 25) geschahen kurz nach der Entlassung aus der Haft oder auf Hafturlaub. Schlussfolgerungen. Nichtnatürliche Todesfälle dominieren in dieser Studie, besonders Intoxikationen und Suizide durch Erhängen. Alarmierend ist der hohe Anteil von tödlichen Intoxikationen unmittelbar nach Freilassung aus der Haft.
V30 Suizidale Kopfsprengung mittels illegaler Pyrotechnik-Rekonstruktion am Schädelmodell B. Ondruschka1, A. Japes2, F. Eplinius3, J. Dreßler1, R. Bayer1 1Institut für Rechtsmedizin, Universtität Leipzig, Leipzig,
Deutschland, 2Kriminalwissenschaftliches und -technisches Institut, Landeskriminalamt Sachsen, Dresden, Deutschland, 3Abteilung für Radiologie, Herzzentrum Leipzig, Leipzig, Deutschland
Einleitung. Hauptsächlich zum Jahreswechsel werden mit legalen pyrotechnischen Erzeugnissen jährlich viele Millionen Euro durch die Industrie eingenommen. Unfälle oder die unsachgemäße Verwendung von legal erworbenen Sprengkörpern können dabei bereits zu verheerenden Gesundheitsschäden für die Betroffenen führen. Zudem etabliert sich insbesondere grenznah zunehmend ein pyrotechnischer Schwarzmarkt für nicht zugelassene Sprengkörper (unter anderem sog. „Polenböller“), welche aufgrund ihrer Bauart und Wirkladung eine ungleich höhere Sprengkraft aufweisen. Das morphologische Verletzungsspektrum durch nah am oder im Körper explodierende Feuerwerkskörper ist hauptsächlich gekennzeichnet durch ein Nebeneinander an thermischen Gewebsschädigungen, Weichteilzerreißungen und Knochenbrüchen bis hin zu traumatischen Amputationen. Typischerweise finden sich die Verletzungen eher an den oberen Extremitäten und sind nur sehr selten Folgen einer vorsätzlichen Fremdoder Selbstbeschädigung. Methoden. Zwei aktuelle Fälle aus dem Obduktionsgut des Leipziger Instituts für Rechtsmedizin betrafen suizidale Handlungen durch intraorale Deflagration von Feuerwerkskörpern. Beide Fälle wiesen ein vergleichbares Befundmuster insbesondere der knöchernen Kopfverletzungen auf und gaben damit Anlass, die Sprengkraft von in Deutschland zugelassenen und illegalen Sprengkörpern am standardisierten Schädelmodell (Synbone, Malans, Schweiz) nachzustellen. Dazu erfolgten erstmals experimentell-rekonstruktive Untersuchungen von intraoralen Deflagrationen am Schädelmodell, zudem erfolgten zur Visualisierung der Explosionswirkung Vergleichssprengungen unter Verwendung ballistischer Gelatineblöcke. Ergebnisse. Die resultierenden Beschädigungen am Schädelmodell waren nahezu identisch zum knöchernen Verletzungsbild in beiden Sektionsfällen bei Verwendung der in Deutschland nicht zugelassenen Feuerwerkskörper „La Bomba“, während die Zündung eines in Deutschland legal erhältlichen „D-Böllers“ zu keinen relevanten Schäden am nachgebildeten Viszero- oder Neurokranium führte. Schlussfolgerungen. Die Leichenschau- und Sektionsbefunde sowie die Ergebnisse unserer weiterführenden Untersuchungen werden vor dem Hintergrund der juristischen Grundlagen sowie möglicher Differentialdiagnosen diskutiert.
V31 Todesfalle „Jura“ – Tauchunfälle im Bodensee S. Blum, R. Hausmann Institut für Rechtsmedizin, Kantonsspital St. Gallen, Forensische Medizin, St.Gallen, Schweiz Einleitung. Tödliche Tauchunfälle in der Schweiz sind statistisch betrachtet seltene Ereignisse, medial aber in der Regel von großem Interesse.
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Die Rekonstruktion stellt nicht zuletzt wegen der regional unterschiedlichen Praxiserfahrung eine große Herausforderung für den Rechtsmediziner dar. Da die alleinige Feststellung von morphologischen Befunden den oft komplexen und multifaktoriellen Ergebnisabläufen nicht gerecht wird, sind ergänzende Abklärung der Begleitumstände und die technische Überprüfung der verwendeten Tauchausrüstung unumgänglich. Methoden. Eine gemäß Pressebericht unerklärliche Häufung von Todesfällen im Zusammenhang mit Tauchgängen zum Schiffswrack der „Jura“ im Bodensee gab Anlass, die im IRM St. Gallen zwischen 2005–2015 dokumentierten Fälle retrospektiv zu analysieren. Insbesondere stellte sich die Frage, ob spezielle Gegebenheiten am Tauchplatz für die Todesfälle verantwortlich waren. Ergebnisse. Bei der Auswertung von vier Tauchunfällen konnten als Todesursache in einem Fall zweifelsfrei ein inneres Leiden (Herzinfarkt), in zwei Fällen spezielle technische Ursachen sowie in einem weiteren Fall eine Gasaustauschstörung festgestellt werden, deren Ursache sich nicht abschließend klären ließ. Schlussfolgerungen. Anhand von Fallberichten werden die diagnostischen und rekonstruktiven Schwierigkeiten bei der Abklärung von Tauchunfällen erläutert und die dargestellten Fälle im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Unfallfaktoren diskutiert. Ein gemeinsamer kausaler Faktor war in den beschriebenen Fällen nicht nachweisbar.
V32 Boerhaave-Syndrom – Ruptur im Gesunden? A. Basner1, R. Amberg1,2, J. Preuß-Wössner1 1Institut für Rechtsmedizin Kiel, Kiel, Deutschland, 2Facharztpraxis für Rechtsmedizin, Freiburg/Brsg., Deutschland
Einleitung. Bei dem 1724 erstmals beschriebenen, seltenen BoerhaaveSyndrom handelt es sich um eine angeblich spontane Ösophagusruptur aller Wandschichten, ausgelöst meist durch heftiges Erbrechen. Es ist abzugrenzen von iatrogenen/traumatischen Ösophagusrupturen sowie vom Mallory-Weiss-Syndrom. Die Letalität ist auch bei notfallmäßiger Intervention hoch. In der Literatur sind die Angaben über eine mögliche Vorschädigung uneinheitlich. Methoden. Es wird über drei aktuelle Fälle aus dem rechtsmedizinischen Obduktionsgut berichtet. Ausgewertet wurden neben dem klinischen Verlauf und der medizinischen Vorgeschichte die makroskopischen und histologischen Obduktionsbefunde. Die Ergebnisse wurden mit den publizierten Fällen im Hinblick auf die medizinischen Eckdaten und die morphologischen Befunde korreliert. Ergebnisse. In allen drei Fällen handelte es sich um männliche Patienten im Alter zwischen 38 und 68 Jahren. Zwei Patienten befanden sich wegen einer psychiatrischen Vorerkrankung in stationärer Behandlung. Bei dem dritten Patienten war es in der weiteren Vorgeschichte zu einem Verkehrsunfall gekommen. Die Perforation des Ösophagus mit entsprechendem Erguss von Mageninhalt in die Brusthöhle war in allen Fällen unerwartet. Ereignis und Todeseintritt divergierten bei unspezifischer Symptomatik und teilweise foudroyantem klinischen Verlauf beträchtlich. Schlussfolgerungen. Histologisch ließ sich in unseren Fällen nicht der überzeugende Nachweis führen, dass die Speiseröhre vor der Perforation sicher „unbeschädigt“ gewesen ist. Nach den jeweiligen Umständen und Verläufen ergeben sich differenzierte rechtsmedizinische Bewertungen.
V33 Juristische Würdigung überlebter stumpfer Gewalt gegen den Hals D. Fröhlich Knaute1, C. Bartsch1, M. Thali1, J. Mausbach2, W. Schweitzer1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Forensische Medizin
und Bildgebung, Zürich, Schweiz, 2Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae der Universität Zürich, Zürich, Schweiz
Einleitung. Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich verfasst jährlich zunehmend derzeit mehrere hundert Gutachten zu rechtsmedizinischen körperlichen Untersuchungen bei Lebenden. Dies auch nach Gewalt gegen den Hals, meistens durch Würgen. In diesen Fällen kann sich die rechtsmedizinische Beurteilung für die juristische Würdigung als entscheidend erweisen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob für die mutmasslich geschädigte Person Lebensgefahr bestanden hat. In der Literatur fehlen bisher Studien darüber, ob und wie die rechtsmedizinische Beurteilung objektiver und subjektiver Aspekte überlebter Gewalt gegen den Hals von den Gerichten interpretiert und gewürdigt werden. Methoden. Eingeschlossen wurden alle vor dem Obergericht des Kantons Zürich verhandelten, online publizierten (Zeitraum ab 01.07.2011) Fälle überlebter stumpfer Gewalt gegen den Hals, in denen eine rechtsmedizinische körperliche Untersuchung durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich erfolgt war. Diese wurden hinsichtlich der rechtsmedizinischen Befunden und Beurteilungen und der juristischen Würdigung untersucht. Ergebnisse. Bisher konnten 7 Obergerichtsurteile und die dazugehörigen rechtsmedizinischen Gutachten beurteilt werden. In allen Fällen folgte das Gericht der rechtsmedizinischen Beurteilung hinsichtlich der Frage, ob eine stumpfe Gewalt gegen den Hals stattgefunden hat und ob diese „konkret“ lebensgefährlich war. In 3 Fällen wurde das Vorhandensein einer Lebensgefahr zum Ereigniszeitpunkt rechtsmedizinisch ausschliesslich aufgrund von subjektiven Angaben der/-s Geschädigten angenommen (Angaben von Bewusstlosigkeit, Filmriss, etc.). In diesen Gerichtsurteilen erfolgte jeweils eine juristische Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieser Aussagen. Schlussfolgerungen. Es fiel auf, dass die Qualifikation der Lebensgefahr („konkret“, „stark erhöht konkret“) durch die Gerichte entsprechend bundesgerichtlicher Praxis und juristischer Literatur erfolgte und nicht aus den rechtsmedizinischen Gutachten übernommen wurde.
V34 „Ärztliche“ Aufklärung des Patienten durch Studierende der Medizin A. Blank1, M. Parzeller1, J. Dreßler2 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der
Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universität, Leipzig, Deutschland
Einleitung. Das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit des Patienten sind grundrechtlich geschützte Güter. Zur Legitimation eines ärztlichen Heileingriffs bedarf es daher der Einwilligung des Patienten. Dieser ist vorher durch den Arzt ordnungsgemäß aufzuklären. Inwieweit diese wichtige ärztliche Aufgabe an andere Ärzte, Pflegepersonal oder insbesondere Medizinstudierende delegiert werden darf, ist rechtlich umstritten. Zwar wertet das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem Urteil aus 2014 für einen Fall aus 2008 eine Delegation an eine PJ-Studierende unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Patientenrechtegesetzes (PatRG) aus 2013 und seiner Begründung könnte eine Delegation an Studierende aber möglicherweise unzulässig sein. Methoden. Anhand der aktuellen Gesetzgebung, einschlägiger Rechtsprechung und Literatur wird kritisch analysiert, an welchen Personenkreis das ärztliche Aufklärungsgespräch delegiert werden kann. Ergebnisse. Durch das PatRG wird ein Arztvorbehalt bei der Aufklärung geschaffen. Die Delegation der Aufklärung an Studenten widerspricht den Zielen des Gesetzgebers bei der Verabschiedung des PatRG, wie einer Vermeidung von Behandlungsfehlern und einer Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Eine Delegation an Studierende im Kontext der Entscheidung des OLG ist daher kritisch zu bewerten, zumal dieses Urteil die Rechtslage vor der Gesetzesreform durch das PatRG beleuchtet. Schlussfolgerungen. Bei der aktuellen Bestandsaufnahme wird deutlich, dass sich das Spannungsverhältnis zwischen ärztlicher Ausbildung
und dem Schutz des Patienten insbesondere aus den konkreten Vorgaben des PatRG bei einer Delegation der ärztlichen Aufklärung an Studierende nicht eindeutig lösen lässt. Eine Delegation an Studierende birgt somit selbst dann Haftungsrisiken, wenn die Aufklärung ordnungsgemäß und umfassend erfolgte.
V35 Fäulnisveränderter Fötus: Totgeburt oder Fehlgeburt? M.A. Verhoff, S. C. Kölzer, H. Held, M. Kettner, M. Parzeller Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland Die rechtliche Bewertung eines fäulnisveränderten Fötus bei der Obduktion der getöteten Mutter kann Probleme aufwerfen, die sich mit den Normen zum Personenstand, der StPO, dem StGB sowie den Bestattungsgesetzen der Länder nicht eindeutig beantworten lassen. Eine im 7. Monat schwangere Frau wurde im Sommer getötet. Ihr Leichnam wurde nach 6 Tagen Liegezeit im Freien aufgefunden und war deutlich durch Fäulnis, Autolyse und Madenfraß verändert. Bei der Obduktion wurde ein stark fäulnisveränderter Fötus geborgen (Gewicht von 405 g, Scheitel-Steißlänge 26 cm, Scheitel-Fersenlänge 37 cm (geschätzt), Kopfumfang nicht mehr rekonstruierbar, rechte Tibia 3,3 cm). Die Obduzenten entschieden sich formal für eine Fehlgeburt. Der anamnestisch ermittelte und knöchern zu bestätigende Entwicklungsstand wies auf ein deutlich über 500 g liegendes Gewicht zum Zeitpunkt des Ablebens hin (mindestens etwa 900 g zum Zeitpunkt des Todes). Fraglich ist, ob diese Bewertung ausreicht, die tote Leibesfrucht als Totgeburt und als Leiche zu deklarieren. Die Bergung des fäulnisveränderten Fötus anlässlich der Obduktion im Kontext der Rechtsprechung lässt sich noch unter den Geburtsbegriff des Personenstandsgesetz (PStG) und -verordnung (PStV) subsumieren (bei Schwangerschaftsabbruch: OLG Dresden, StAZ 1999, 237 ff.). Fraglich ist, ob dies mit dem Geburtsbegriff des § 90 StPO (Neugeborenes Kind) noch vereinbar ist. Nach § 31 Abs. 3 PStV (Personenstandsverordnung) handelt es sich bei einer toten Leibesfrucht ohne Merkmale des Lebens nach § 31 Abs. 1 PStV mit einem Gewicht von unter 500 g um eine Fehl- und ab 500 g um eine Totgeburt. Nach allgemeiner Ansicht werden Fehlgeburten nicht als Leichen gewertet. Die §§ 87 ff. StPO (Leichenschau undöffnung) legen den Begriff der „Leiche“ zugrunde. Bei rein formalistischer Betrachtungsweise ist hier nicht von einer Leiche auszugehen (Gewicht < 500 g), die einer eigenständigen Obduktion unterzogen, sondern anlässlich der Obduktion der Schwangeren mituntersucht wird. Dies widerspricht aber der materiell-rechtlichen Bewertung zum Schwangerschaftsabbruch bei einem Angriff gegen die Schwangere. Die Leibesfrucht ist nicht als „Teil des mütterlichen Lebens (pars viscerum)“ zu werten. Die §§ 211 ff. StGB schützen das Rechtsgut Leben der Schwangeren. Mit § 218 StGB schützt das Leben der ungeborenen Leibesfrucht als selbstständiges Rechtsgut. Diese Bewertung wird von der Rechtsprechung durch Tateinheit bei der Tötung einer Schwangeren und des Fötus Rechnung getragen (§§ 212, 218, 52). Die Voraussetzungen zur Obduktion von Föten sind in der StPO nicht deutlich geregelt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Schwangerschaftsabbruch und die Reformen im Personenstandsrecht (§ 31 Abs. 3 PStV – amtliche Bescheinigung mit (Vor-)namen für Fehlgeburt) indizieren eine eigenständigen Betrachtung des Fötus (eigenständiger Auftrag und Obduktion, Entschädigung).
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Abstracts V36 Der (medizinische) Sachverständige im österreichischen Strafprozessrecht
V38 Neue Wege in der Facharztausbildung in Österreich
S. Kainz, R. Riener-Hofer
IFFB Gerichtsmedizin und forensische Neuropsychiatrie, Universität Salzburg, Salzburg, Österreich
Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich Einleitung. Für die strafgerichtliche Urteilsfindung bei Körperverletzungsdelikten ist die medizinische Befund- und Gutachtenserstellung von großer Bedeutung. Die Beurteilung von Körperverletzungen ist zwar eine Rechtsfrage, die der zur Entscheidung verpflichtete und für diese verantwortliche Jurist allerdings unter Berücksichtigung des Standes der Medizin zu beantworten hat. Methoden. Diese Berücksichtigung des Standes der Medizin erfolgt in der Regel durch die Beiziehung eines medizinischen Experten in Form einer von der Strafprozessordnung gemäß der §§ 126 f. StPO und des Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) geregelten Sachverständigenbestellung. Sachverständige sind Personen, die über ein besonderes Fachwissen verfügen, welches die Strafverfolgungsbehörden/Gerichte selbst nicht besitzen, und die deshalb von diesen zur Erstattung eines Gutachtens herangezogen werden, um die prozessual erheblichen Umstände und Erfahrungstatsachen wahrheitsgemäß zu bekunden, die ihnen kraft ihrer besonderen Fachkenntnisse bekannt sind. Ergebnisse. Als Sachverständige werden in erster Linie Personen bestellt, die in eine Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragen sind und schon aus diesem Grund über die erforderliche Professionalität, Fachkenntnis und Objektivität verfügen. Die Qualitätsanforderung an den Sachverständigen liegt darin, dass er Befund und Gutachten „nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln seiner Wissenschaft oder Kunst oder seines Gewerbes“ zu erstellen hat. Schlussfolgerungen. Wie jedes andere Rechtsgebiet auch, unterliegt das strafprozessuale Sachverständigenrecht einem regen Wandel. In diesem Beitrag soll seine Entwicklung und der Status quo überblicksmäßig dargestellt und diskutiert werden.
V37 Die janusköpfige Debatte um eine verfassungsrechtliche Verankerung der Sterbehilfe in Österreich R. Riener-Hofer, S. Kainz Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich Einleitung. Der Trend in Europa geht klar in Richtung einer Liberalisierung der Sterbehilfe. Der Befassung mit dieser Thematik konnte sich auch Österreich nicht entziehen. Methoden. Zwei Positionen haben sich im Diskurs herauskristallisiert, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Zum einen wurde die Aufnahme eines Verbotes der aktiven Sterbehilfe in die österreichischen Verfassung gefordert, zum anderen wurde der Wunsch laut, ein soziales Grundrecht auf ein würdevolles Sterben verfassungsrechtlich zu verankern. Ergebnisse. Die durch einen Antrag aller sechs parlamentarischen Klubs initiierte Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ hat sich in regelmäßig stattfindenden Sitzungen zwischen Juli 2014 und März 2015 unter anderem auch mit dieser Thematik befasst. In der Diskussion kamen neben den Rechtsexperten und -expertinnen, Abgeordneten und Zivilbevölkerung auch Personen mit theologischen und ethischen Background zu Wort. Schlussfolgerungen. Der Beitrag soll einen Überblick über die in Österreich geführte Sterbehilfe-Diskussion geben sowie die, in einem Anfang März veröffentlichten Bericht festgehaltenen Ergebnisse der EnqueteKommission zusammenfassen.
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H. Brandtner, F. Monticelli
Einleitung. Mit 01.06.2015 wird in Österreich die Facharztausbildung aller Sonderfächer durch Abänderungen der Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung sowie der Verordnung über Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten reformiert. Auch die Ausbildung im Sonderfach Gerichtsmedizin ist von diesen Änderungen betroffen. Methoden. Es wird das neue Ausbildungsmodell erörtert und kritisch betrachtet. Ergebnisse. Zukünftig wird nach einer für alle Ärztinnen und Ärzte erforderlichen Basisausbildung (9 Monate) eine Sonderfach Grundausbildung (36 Monate) und eine Sonderfach Schwerpunktausbildung (27 Monate) erforderlich sein. Die Schwerpunktausbildung setzt sich hierbei aus 3 Modulen zu je 9 Monaten zusammen, welche aus einem Katalog aus 7 Modulen gewählt werden können. Als weitere grundlegende Neuerung wurden erstmals Richt-Fallzahl-Werte für die jeweiligen Ausbildungsinhalte im Sonderfach Gerichtsmedizin eingeführt. Schlussfolgerungen. Mit der Abänderung der Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung und der mitgeltenden Verordnungen wird die gerichtsmedizinische Facharztausbildung in Österreich grundlegend reformiert.
V39 Knöcherne Verletzungen bei Tötungsdelikten – Retrospektive Studie 1994–2014 S.C. Kölzer, A. Flieger, S. Plenzig, M. Kettner, M.A. Verhoff Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland Einleitung. Werden menschliche knöcherne Überreste in einem Kontext aufgefunden, der auf eine Leichenbeseitigung nach einem Tötungsdelikt hindeutet, sind oftmals keine knöchernen Verletzungen nachweisbar. Bei unvollständigen Skeletten können gerade die Knochen fehlen, an denen Verletzungen vorhanden sind. Andererseits stellt sich die Frage, inwieweit bei Tötungsdelikten überhaupt knöcherne Verletzungen entstehen und wo diese bevorzugt lokalisiert sind. Methoden. Die Sektionsprotokolle aller im Institut für Rechtsmedizin Frankfurt am Main obduzierten Tötungsdelikte der Jahre 1994 bis 2014 wurden retrospektiv ausgewertet. Alle im Rahmen der Sektion -in 95 Fällen mit vorherigem postmortalen CT- festgestellten knöchernen Verletzungen wurden registriert. Die Fälle wurden nach der Art der todesursächlichen äußeren Gewalteinwirkung in vier Gruppen (scharfe Gewalt, stumpfe Gewalt, Schuss, Gewalt gegen den Hals) eingeteilt. Ergebnisse. Insgesamt wurden 897 Tötungsdelikte ausgewertet, davon waren 527 männliche und 370 weibliche Opfer. Die Fälle verteilten sich zum überwiegenden Teil auf die vier Gruppen scharfe Gewalt 309, stumpfe Gewalt 179, Schuss 242, und Gewalt gegen den Hals 92. 75 Fälle konnten keiner dieser Gruppen zugeordnet werden, sie wurden als „Sonstige“ klassifiziert. In 70,9 % aller Fälle wurden im Rahmen der Obduktion knöcherne Verletzungen dokumentiert. Bei der Gewalteinwirkung Schuss fanden sich mit 93 % am häufigsten knöcherne Verletzungen. Am niedrigsten lag der Anteil mit 53,3 % in der Gruppe Gewalt gegen den Hals. Hierbei handelte es sich zudem um die einzige der vier Gruppen mit einer deutlichen Dominanz weiblicher Opfer. Sie lag bei 70,6 %, während die Gesamtquote weiblicher Opfer lediglich 41,2 % betrug. Die zweithöchste Quote mit knöchernen Verletzungen ergab sich durch stumpfe Gewalt und lag bei 80,4 %, gefolgt von scharfer Gewalt mit 66,3 %. Schlussfolgerungen. Bei der überwiegenden Mehrheit aller Tötungsdelikte kommt es zu knöchernen Verletzungen. Deshalb ist die exakte forensisch-osteologische Analyse stark verwester menschlicher Überreste in je-
dem Fall zu fordern. Je nach Verwesungs- bzw. Skelettierungsgrad ist der Einsatz von CT und Mazeration sinnvoll. Das Fehlen knöcherner Verletzungen schließt andererseits einen gewaltsam herbeigeführten Tod nicht aus. Gerade nach Gewalt gegen den Hals ist in 47 % das Fehlen knöcherner Verletzungen zu erwarten. Darüber hinaus dürften die bei dieser Fallgruppe verletzten Knochen besonders häufig im Rahmen von Verwesung, Tierfraß und -verbringung abhandenkommen.
V41 Prä- oder perimortales Trauma bzw. postmortaler Defekt – Grundlagen der Differenzierung
V40 Postmortale Intervallbestimmung am Skelettknochen mittels µCT, Mittlere Infrarot Spektroskopie (MIR) und Energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS)
Einleitung. Im Rahmen der rechtsmedizinischen Tätigkeit stellt sich bei Funden von menschlichen Skeletten oder einzelnen Knochen mit vorhandenen Traumata oder Beschädigungen immer die Frage nach ihrer Entstehungszeit: prä-, peri- oder postmortal. Um den Todeszeitpunkt entstandene, d. h. perimortale Verletzungen sind von besonderer forensischer Relevanz da sie Hinweise auf die Todesumstände und die Todesursache geben können. Von ihnen abzugrenzen sind einerseits die sichtlich überlebten (prämortalen) Traumata, die der Identitätssicherung dienen können und andererseits z. B. im Rahmen der Bergung entstandene postmortale Beschädigungen. Methoden. Es erfolgte eine Auswertung der Fachliteratur, d. h. von Lehrbüchern und in pubmed gelisteten Publikationen, die sich mit den Kriterien der Unterscheidung zwischen prä- und perimortalen Traumata und postmortalen Defekten beschäftigen. Zur Verifikation wurden die Befunde an eigenem Untersuchungsmaterial – reale Fälle und Knochen eines Karners aufgesucht und dokumentiert. Ergebnisse. Vorgestellt werden die für die praktische rechtsmedizinische Tätigkeit relevanten Ergebnisse der Literaturauswertung. Es wird ein Überblick gegeben über makroskopisch (bis zur Lupenvergrößerung) sichtbare Kriterien zur Differenzierung zwischen prä- und perimortalen Traumata sowie postmortalen Defekten. Exemplarische und wegweisende Befunde werden an eigenem Untersuchungsmaterial demonstriert. Schlussfolgerungen. Wie erwartet werden die Schwierigkeiten in der Abgrenzung zu perimortal umso größer, je näher ein prämortales Trauma oder ein postmortaler Defekt am Todeszeitpunkt liegen. Ein weiteres Problem stellen lagerungsbedingte postmortale Veränderungen dar, die nach den relevanten postmortalen Beschädigungen bzw. den davon abzugrenzenden perimortalen Verletzungen entstanden sind. In diesem Zusammenhang wird der Begriff des „perimortalen Intervalls“ und der Fracture Freshness Index (FFI) als eine Möglichkeit zur Differenzierung der zeitlichen Einordnung von Traumata diskutiert.
S. Longato, C. Wöss, J.D. Pallua Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich Einleitung. Postmortale Intervallbestimmung (PMI) knöcherner Überreste ist ein wichtiges, jedoch häufig nur unbefriedigend lösbares Problem. Von besonderem Interesse für Staatsanwaltschaften und Gerichte sind Skelettfunde mit einer Liegezeit weniger Jahrzehnte. Längere postmortale Intervalle (hundert Jahre und mehr) sind meist „nur noch“ von archäologischem Interesse. Skelettale Veränderungen sind stark abhängig von äußerlich einwirkenden Faktoren. Häufig basiert eine postmortale Intervallbestimmung letztlich auf der Erfahrung des Gutachters und weiteren Auffindungen, wie Kleidung u. ä. Neue Ansätze zur postmortalen Intervallbestimmung bieten technische Innovationen aus den Bereichen der Radiologie sowie Infrarotspektroskopie. Primäre Ziele waren Analyse der Knochendichte, organischer und anorganischer Bestandteile, Elementzusammensetzung sowie Bewertung der Ergebnisse mittels multivariater Datenanalyse. Methoden. Archäologische (n = 3) und forensisch relevanten Proben (n = 3) wurden für diese orientierende Untersuchung verwendet. Die Proben stammten von Skelettfunden, die primär forensisch anthropologisch wie auch genetisch mittels DNA-Typisierung untersucht worden waren. Die Knochenproben wurden gemäß den Standards aus dem mittleren Oberschenkelschaft entnommen. Zur Vorbereitung wurden die Knochenteile zunächst poliert, um eine möglichst glatte Oberfläche zu erhalten. Die weiteren Arbeitsschritte gliederten sich wie folgt: Konfokale Mikroskopie, µCT Tomographie, Mittlere Infrarot Spektrometrie (MIR) und Energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS). Die erhobenen Daten wurden mittels multivariater Datenanalyse verarbeitet. Ergebnisse. Die ersten Ergebnisse dieser klein gehaltenen Studie ergaben, dass die Verknüpfung der Daten aus den unterschiedlichen Analyseverfahren mittels multivariater Datenanalyse die Bewertungen deutlich verbesserte. Die µCT Untersuchungen ergaben, dass Knochen mit kurzem postmortalem Intervall eine höhere Knochendichte als archäologische Funde mit langer Liegezeit aufwiesen. Mittels MIR können organische wie anorganische Bestandteile semiquantitativ bewertet werden. Eine Abschätzung möglicher organischer Komponenten im Vorfeld aufwendiger und knochendestruktiver Extraktionsmethoden zur DNA-Typisierung scheint dadurch möglich. Die Ergebnisse der Messungen mittels EDS lassen den Schluss zu, dass Ca/P Ratio mit zunehmendem postmortalem Intervall zunimmt. Ca/C zeigt sich mit zunehmender Degradierung von biologischem Material erhöht, was mit einer Zunahme mineralischer Bestandteile im Knochen einhergeht. Schlussfolgerungen. Auf Grundlage dieser ersten Ergebnisse soll die Untersuchung um weitere Knochenproben erweitert werden.
F. Holz1, C.G. Birngruber1, M.A. Verhoff2 1Institut für Rechtsmedizin, Justus-Liebig-Universität
Gießen, Gießen, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt, Deutschland
V42 Pathological attrition: impacts on the age estimation M. Goncharuk-Khomyn Uzhgorod National University, Uzhgorod, Ukraine The most rational method for dental age estimation which exclude extraction of teeth and subjective grading of morphological indicators is Kvaal et al. technique, that involves calculating ratio of length of crown and root to the length of the pulp, width of the root to the width of the pulp in specifically designated locations, search averages and the use of standardized coefficients for the final result. However, this technique does not provide effective use with the presence of hard tissue lesions of teeth, prominent among them being pathological attrition. During it we found that the occlusal level of teeth lowering few times faster depends on forces that influenced. Formation of reparative tertiary dentine, closing volume of pulp chamber and dystrophy processes taking place in pulp structure which is not usual for phisiological attrition. Due to all these factors and principles we approbate primary method of Kvaal et al. age estimation technique and found modified regression formulas that approximate the Results. of calculation to the real age. Through our examination we found that the attrition caused by bruxism, abnormal occlusion because of disspositioned tooth and incorrect prosthetic treatment may cause proportional constant intense deposition of
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Abstracts tertiary reparative dentine and lowering of occlusal surface relative to the time for which pathology occurs. Better result was found when the mean levels of all six teeth were calculated, and the most distant result was when only measurements of mandible canine were included. Improved regressive formulas were checked on new randomized sample of X-ray photo of patients with pathological attrition in number of 50, age of which we did not know. Results. were ranged within level of mistake not higher than 14 ± 0,8 years. Further ways of research should be directed into verifying value of tertiary reparative dentine using computer cone beam tomography to determine the dynamics of intensity changes of pulp in different periods of pathologies that causes pathological attrition.
V43 Das Lungengewicht – Ertrinken im Süß- und Salzwasser im Vergleich J. Brandt1, M. Fukami2, S. Shoichi2, T. Kondo2, W. Keil1 1Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland, 2Department
of Forensic Medicine, Medical University, Wakayma, Japan Einleitung. Nach wie vor wird von verschiedenen Seiten die Ansicht vertreten, dass beim Ertrinken im hyperosmolaren Salzwasser, im Vergleich zum Süßwasser, ein Lungenödem auftreten würde. Die praktische Arbeit zeigt jedoch, dass auch beim Ertrinken im Süßwasser Lungenödeme beobachtet werden können. Ziel der Untersuchung war es, an Leichen mit genau bekannter Liegezeit – insbesondere zum Ausschluss später postmortaler Lungenveränderungen – einen Beitrag zur Diagnostik des Ertrinkens in Gewässern unterschiedlicher Salinitäten zu leisten. Methoden. Aus dem Obduktionsgut der rechtsmedizinischen Institute der Universitäten München und Wakayama wurden Ertrinkungsfälle retrospektiv ausgewertet. In München fanden sich in den Jahren 2003–2008 54 Fälle Erwachsener (18 w, 36 m, 18–92 J), in Wakayama in den Jahren 2012–2014 52 derartige Fälle (13 w, 39 m, 19–82 J). Vom Ertrinkungsgeschehen bis zur Obduktion waren maximal 76 h vergangen. Fälle, bei denen sich späte postmortale Veränderungen fanden, wurden in die Studie nicht einbezogen. Die Befunde wurden den Obduktionsprotokollen, die zeitlichen Umstände den Ermittlungsakten entnommen. Alle Münchner Fälle waren in Süßwasser ertrunken (Salinität < 0,1 %), die Fälle aus Wakayama im Salzwasser des Nordwestpazifiks (Salinität 3,45 %). Die Lungengewichte der Salz- und Süßwassergruppe wurden statistisch verglichen. Zur Prüfung der Validität wurden diese Gewichte auch mit den Lungengewichten Erhängter der jeweiligen Population verglichen. Ergebnisse. Der Vergleich der Süß- und Salzwasser- Ertrunkenen erbrachte keinen signifikanten Unterschied der mittleren Lungengewichte (Zwei-Stichproben-F-Test, Konfidenzniveau 95 %). Beim statistischen Vergleich der Erhängten konnten Unterschiede des mittleren Lungengewichts nicht aufgezeigt werden. Ursächlich dafür war offenbar die zu kleine Fallzahl der japanischen Population. Schlussfolgerungen. Bei definierten Ertrinkungsfällen in Süß- und Salzwasser ergaben sich keine signifikanten Unterschiede der Lungengewichte. Dies bestätigt die aus der Praxis bekannte Tatsache, dass Ertrinkungslungen des Süßwassers ein in der Mehrzahl der Fälle relevantes Lungenödem zeigen. Der Befund „Lungenödem“ ist augenscheinlich kein Hinweis auf die Salinität der Ertrinkungsflüssigkeit. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die pathophysiologischen Erklärungsansätze zum Ertrinken bei unterschiedlichem Salzgehalt des Wassers.
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V44 Fatale Kobaltkardiomyopathie nach operativem Wechsel einer Hüftgelenksendoprothese F. Ramsthaler1, J. Schlote1, R. Rixecker1, G. Mall2, M. Kettner3 1Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlandes, Homburg
Saar, Deutschland, 2Institut für Pathologie, Klinikum Darmstadt, Darmstadt, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin, Goethe Universität Frankfurt Main, Frankfurt Main, Deutschland
Eine zunehmende Zahl von Fallberichten über Kobaltintoxikationen scheint mit dem weiten Einsatz endoprothetischer Gelenkersatzoperationen mit Metallbeschichtungen zu korrelieren und wirft die Frage nach der Sicherheit solcher Medizinprodukte auf. Einem 65 Jahre alt gewordenen Mann wurde 2009 eine Hüfttotalendoprothese (TEP) implantiert. Wegen zunehmender Schmerzen erfolgte 2012 ein Endoprothesenwechsel mit Einbau eines Titankopfes mit einer kobalthaltigen Chromlegierung. Wenige Wochen später entwickelte der Patient eine Reihe unspezifischer Symptome, u. a. Seh- und Hörstörungen, unspezifische Schmerzen und eine allgemeine Fatigue, die zu verschiedenen internistischen, orthopädischen und neurologischen diagnostischen Untersuchungen führte, ohne dass letztendlich eine hinreichende ätiologische Zuordnung der Beschwerden gelang. Aufgrund eines ähnlichen Fallberichtes im Fachjournal Lancet wurde durch den Hausarzt der Verdacht auf eine Kobaltintoxikation geäußert, der sich durch die anschließenden Laboruntersuchungen bestätigte. Trotz zeitnahem erneutem TEP-Wechsel entwickelte der Patient zahlreiche Komplikationen und eine rasch zunehmende Herzpumpschwäche mit rezidivierenden malignen Herzarrhythmien. Trotz Implantation eines ICD-Defibrillators bei schwerer DCM verstarb der Patient schließlich im Februar 2014 an einer kardialen Dekompensation. Die rechtsmedizinische Obduktion zeigte makroskopisch eindrucksvolle, an Ölschmiere erinnernde Ablagerungen im operationsnahen Umgebungsgewebe i. S. einer Metallose. Die postmortale Toxikologie bestätigte sowohl in untersuchten Blutproben wie auch in Gewebeproben vielfach erhöhte toxische Kobaltwerte. Die anschließend durchgeführte Histologie zeigte die typischen Befunde einer schweren dilatativen Kobaltkardiomyopathie, die letztendlich für den tödlichen Ausgang maßgeblich war. Die Fallvorstellung dient nicht nur der Vorstellung der eindrücklichen makroskopischen Befunde des konkreten Falles. Die forensischen Aspekte der verzögerten Diagnosestellung unter prognostischen Aspekten bzw. unter dem Gesichtspunkt der Vermeidbarkeit des Todes sowie Fragen der Medizinproduktesicherheit werden diskutiert.
V45 DNA-Typisierung und Abstammungsuntersuchung an 70 Jahre alten Knochenfunden aus dem 2. Weltkrieg U.- D. Immel, R. Lessig Institut für Rechtsmedizin, Molekulare Genetik, Halle, Deutschland Einleitung. Im Jahr 2013 wurden im Raum Landkreis Wittenberg zwei Skelette in einem Waldstück geborgen, bei denen man nach Hinweisen eines Einwohners aus dem nahegelegen Ortschaft gestoßen ist. Zusätzlich gab es Hinweise zur Identität der beiden Skelette. Methoden. Die Identifizierung der beiden verstorbenen Soldaten sollte durch molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt werden, sodass eine Umbettung auf einen Soldatenfriedhof durchgeführt und möglich wäre. Ergebnisse. Die Untersuchungen und Ergebnisse der Identifizierung werden vorgestellt.
V46 Zur bekannten Frage „Wie kam die DNA an den Tatort?“ – Molekulargenetische Untersuchungen zum Transfer durch Dritte J. Allmann, T. Bajanowski, M. Poetsch Institut für Rechtsmedizin Essen, Essen, Deutschland Einleitung. Molekulargenetische Assays für den Nachweis von SpurenDNA am Tatort werden immer sensitiver, so dass auch immer kleinere – mitunter verschleppte, also möglicherweise nicht mit dem Tatgeschehen in Zusammenhang stehende – Mengen an DNA nachgewiesen werden können. Neben der Übertragung einer Spur von der Haut des Täters auf eine Oberfläche, dem sog. „primary transfer“, ist auch die Verschleppung von DNA von einem Gegenstand zum anderen (sogenannter „secondary transfer“) mehrfach nachgewiesen worden. In dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, inwieweit die DNA einer Person von einem Gegenstand zum anderen durch eine andere Person übertragen werden kann. Methoden. Dazu wurden DNA-Antragungen an Stoff (Nackenabriebe) von einer Person (Spender) über verschieden Varianten der Kontaktaufnahme durch eine weitere Person (Überträger) an andere Gegenstände (aus Stoff und Plastik) übertragen. Durch Abkleben oder Abreiben wurden die neu entstandenen Spuren gesichert und mit dem Powerplex® ESX17 Kit analysiert. Ergebnisse. Es konnte gezeigt werden, dass die Übertragung von DNA durch Dritte auf diese Weise möglich ist. Neben häufigen Mischspuren aus Spender und Empfänger fanden sich auch Einzelprofile des Spenders. Schlussfolgerungen. Unsere Ergebnisse machen erneut deutlich, wie viele Möglichkeiten der Übertragung von DNA an Tatort-relevante Gegenstände es gibt.
V47 Kasuistik: 30 Jahre Formalin-Fixierung – Ein hoffnungsloser Fall? J. Zander, M. Nagy Institut für Rechtsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Forensische Genetik, Berlin, Deutschland Einleitung. Analysen zur Feststellung von Verwandtschaftsbeziehungen, insbesondere der Nachweis einer Vaterschaft zwischen Kind und Putativvater, sind ein etablierter und häufiger Bestandteil der forensisch-genetischen Diagnostik. Seltener kommt es jedoch dazu, dass eine Mutterschaft geklärt werden soll. Erst recht, wenn es sich hierbei um eine Identifizierung eines seit 30 Jahren konservierten Museumspräparates handelt. Methoden. Die meisten Abstammungsgutachten sind mit der Typisierung von „short tandem repeats“ der Autosomen problemlos möglich. Gonosomale Marker, die geschlechtsspezifisch vererbt werden, kommen hingegen bei besonderen Fragestellungen ins Spiel. Diese können zum einen Defizienzfälle sein, zum anderen ist aber die DNA-Qualität und -Quantität entscheidend, die je nach Lagerungsbedingungen stark schwanken kann. Insbesondere die Lagerung von Materialien in Formalin und weiteren Konservierungslösungen zieht einen erheblichen DNAVerlust mit sich. Ergebnisse. Zur Lösung solcher Fälle leistet die mtDNA-Analyse aufgrund der hohen Kopienzahl mitochondrialer Genome und der maternalen Vererbungslinie einen wertvollen Beitrag, da sie eine erfolgreiche Amplifikation gewährleistet, selbst wenn die nukleare DNA weitgehend degradiert oder limitiert ist. Schlussfolgerungen. Dieser Fall und die erhaltenen DNA Befunde sollen hier vorgestellt werden.
V48 Next Generation Entomology: Hochauflösende Genexpressionsanalysen zur Altersbestimmung von Puppen der Schmeißfliege Calliphora vicina B.K. Zajac1, J. Amendt1, R. Horres2, M.A. Verhoff1, R. Zehner1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Biologie, Frankfurt am Main,
Deutschland, 2GenXPro GmbH, Frankfurt am Main, Deutschland
Die Eingrenzung des minimalen postmortalen Intervalls durch die Altersbestimmung der sich an einem Leichnam entwickelnden nekrophagen Schmeißfliegen ist eine zentrale Aufgabe der forensischen Entomologie. Unter Berücksichtigung taxonomischer und entwicklungsbiologischer Parameter ist die Klassifizierung der Larvenstadien für einige wichtige Arten bereits gut etabliert. Das Alter des Puppenstadiums, das etwa die Hälfte der gesamten juvenilen Entwicklungszeit einnimmt, kann aber bislang nur durch Weiterzucht lebenden Materials oder komplizierte Freipräparation und anschließender morphologischer Charakterisierung näherungsweise eingegrenzt werden. Methoden aus der molekularen Biologie, wie die Genexpressionsanalyse, eignen sich hier zur Erweiterung des Methodenspektrums. Abhängig von der Notwendigkeit eines bestimmten Genprodukts kann die Expression des entsprechenden Gens an oder ausgeschaltet werden. Dieser Prozess beeinflusst und interagiert mit der Entwicklung eines Organismus und kann als Werkzeug zur Altersbestimmung dienen. Oft ist die Varianz der Expression eines Gens zu einem gegebenen Zeitpunkt jedoch zu hoch, also nicht charakteristisch genug, um ein bestimmtes Expressionsniveau einem einzelnen Entwicklungsstadium oder Alter präzise zuzuweisen. Um gezielter geeignete Transkripte identifizieren zu können haben wir mittels der NGS-Technik MACE (Massive Analysis of cDNA Ends) das Transkriptom 15 verschiedener Puppenstadien der forensisch relevanten Schmeißfliege Calliphora vicina dargestellt, analysiert und Transkripte identifiziert, die einen charakteristischen Anstieg im jeweiligen Stadium zeigen (Zajac et al., 2015). Für jedes der 15 Entwicklungsstadien wurden hieraus potenzielle molekulare Marker zur Charakterisierung des Puppenalters ausgewählt, qPCR Assays konstruiert und getestet. Die erhobenen Daten zeigen, dass sich die MACE generierten Daten für die Identifizierung hochauflösender Genexpressionsmarker eignen. Des Weiteren verliert die Varianz der Genexpression bei Analysen mit den hier identifizierten hochspezifischen Markern an Bedeutung und hat nur noch einen geringen Einfluss auf die Genauigkeit bei der Bestimmung des Puppenalters. Die Etablierung der hier dargestellten Methode kann die Schätzung des Puppenalters präzisieren und somit auch die Möglichkeiten der forensischen Entomologie um die Eingrenzung des PMImin mit Hilfe von Schmeißfliegenpuppen erweitern. B.K. Zajac, J. Amendt, R. Horres, M.A. Verhoff, R. Zehner, De novo transcriptome analysis and highly sensitive digital gene expression profiling of Calliphora vicina (Diptera: Calliphoridae) pupae using MACE (Massive Analysis of cDNA Ends), Forensic Science International: Genetics, Volume 15, March 2015, Pages 137–146.
V49 Die adulte Fliege – ein unterschätztes Werkzeug der forensischen Entomologie R. Kinast, J. Amendt, R. Zehner, M.A. Verhoff, V. Bernhardt Institut für Rechtsmedizin, Frankfurt, Deutschland Einleitung. Die Hauptaufgabe der forensischen Entomologie ist die Eingrenzung des minimalen postmortalen Intervalls. Dessen Berechnung basiert auf der Altersbestimmung der an einer Leiche oder ihrer unmittelbaren Umgebung vorgefundenen juvenilen Stadien nekrophager Insekten, insbesondere Fliegen. Sobald die ersten Fliegen geschlüpft sind und sich die ersten leeren Fliegenpuparien finden, ist die Gefahr groß, dass der er-
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Abstracts mittelte minimale Zeitraum zwar weiterhin korrekt ist, aber immer weiter vom tatsächlichen Todeszeitpunkt abweicht: Leere Fliegenpuparien können hinsichtlich ihres Alters nicht verlässlich analysiert werden. Ein alternatives Ziel bei Leichenfundorten innerhalb von Gebäuden könnte die erwachsene Fliege sein, die sich oftmals noch Tage bis Wochen in der Wohnung aufhält, in der sie ihre Entwicklung vollzogen hat. Eine Altersbestimmung dieser Individuen könnte den berechenbaren Zeitraum nach Todeseintritt um mindestens 1–2 Wochen verlängern: Das Alter der Fliegen würde zu der zum Erreichen des adulten Stadiums benötigten Entwicklungszeit addiert werden. Da adulte Fliegen im Laufe ihres Alterungsprozesses anders als Larven morphologisch keine Veränderung erkennen lassen, muss nach neuen Markern gesucht werden. Methoden. Eine mögliche Lösung bieten biochemische Parameter. In der forensisch-entomologischen Literatur wird vor allem Pteridin im Fliegenauge als vielversprechende Untersuchungssubstanz diskutiert. Es ist ein fluoreszierendes Abbauprodukt des Purin-Stoffwechsels, welches mit fortschreitender Zeit und dementsprechend dem Alterungsprozess in den Fliegenaugen angereichert wird. Ergebnisse. Wir ließen Fliegen einer der in Deutschland aus forensischer Sicht wichtigsten Schmeißfliegenart, Lucilia sericata, unter konstanten Temperatur- und Lichtbedingungen und ausreichender Nährstoffversorgung über einen Zeitraum von 15 Tagen altern. In Intervallen von 5 Tagen wurden Fliegen entnommen und mittels Fluoreszenzspektroskopie auf ihren Pteridin-Gehalt hin untersucht. Der Fluoreszenz-Messwert korreliert mit der vorhandenen Menge an Pteridin. Es zeigte sich, dass zwischen Tag 1, 5, 10 und 15 eine signifikante Zunahme (p < 0,001) des Pteridin zu verzeichnen war. Der Median der Fluoreszenz stieg von 322 an Tag 1 bis auf 604 an Tag 15. Die festgestellten Unterschiede waren geschlechtsunabhängig. Schlussfolgerungen. Die vielversprechenden Ergebnisse werden hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz bei der entomologischen Begutachtung von Tötungsdelikten diskutiert. Weiterhin werden mit der Isotopenanalyse und Infrarotspektroskopie weitere aussichtsreiche Methoden vorgestellt, die bei der Altersbestimmung adulter Fliegen hilfreich sein können.
V50 Case report: Plötzlicher Tod eines Säuglings mit einem nicht diagnostizierten, angeborenen Herzfehler C. Wöss1, S. Longato1, U. Schweigmann2, W. Rabl1 1Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck,
Österreich, 2Medizinische Universität, Pädiatrie, Innsbruck, Österreich
Einleitung. Vorgestellt wird der unerwartete Tod eines weiblichen Säuglings 18 Tage nach der ambulanten Geburt. Weder im Rahmen der Schwangerschaftsuntersuchungen, noch postnatal wurden pathologische Veränderungen festgestellt. Bei der Obduktion zeigte sich ein in einem guten Ernährungs- und Pflegezustand befindliches Kind mit einem hypoplastischen Linksherzsyndrom (HLHS). Dieses schwere angeborene Vitium macht ca. 1–2 % aller angeborenen Herzfehler aus. Der linke Ventrikel ist nur rudimentär angelegt. Aorten- und/oder Mitralklappe weisen eine Stenose/Atresie auf und die Aorta ascendens ist hypoplastisch. Die Versorgung des Körpers erfolgt über die Pulmonalarterie und den Ductus Botalli. Die Koronarien werden retrograd perfundiert. Methoden. Die Kinder sind postnatal klinisch zunächst unauffällig. Kritisch wird die Situation erst, wenn sich nach wenigen Tagen bis höchstens Wochen nach der Geburt der Ductus Botalli verschließt, was zu einer Minderdurchblutung des Herzmuskels führt. Ergebnisse. Korrigierende kausale Therapien existieren nicht. Anerkannte Behandlungsmöglichkeiten sind eine Herztransplantation, ein 3-stufiges operatives Behandlungskonzept (mit dem Ziel der Kreislauftrennung) oder auch eine medizinische Sterbebegleitung. Schlussfolgerungen. Diskutiert werden die Gründe, warum dieser gravierende Herzfehler übersehen werden kann und Untersuchungen erörtert, die bei der Diagnose dieses Syndroms hilfreich sind.
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V51 Peculiar properties of forensic medical examinations and identifications of victims in the zone ATO V. V. Voichenko1, E.A. Varfolomeiev2 1Dnipropetrovsk regional bureau of forensic medicine,
Dnipropetrovsk, Ukraine, 2Head bureau of forensic medicine, Ministry of Health of Ukraine, Kiev, Ukraine During the last year (from April 2014 till April 2015) in the mortuaries of Ukraine were performed autopsies of 1774 corpses delivered from the zone ATO. Almost half of them (848 corpses) were investigated in the Dnipropetrovsk Regional Forensic Bureau. Blast trauma and gunshot injuries were the main causes of death. Generally causes of death were divided in such way: Aviation Blast Vehicle trauma injuries
Gunshot Thermal Other trauma injuries injuries
49
150
537
65
27
Unspecified cause of death 15
Non traumatic cause 5
As we can see in the most cases the cause of death was established. More difficult problem is identification of corpses. For identification mostly molecular genetic identification and identification by dental card was used. From the total number of the corpses which have been investigated: 488 corpses were identified by the features 138 by molecular genetic method 8 were identified by dental card There are still 214 corpses not identified.
V52 Möglichkeiten und Grenzen einer wundballistischen Rekonstruktion A. Rindlisbacher, F. Riva, P. Lombardo, C. Schyma Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Forensische Medizin, Bern, Schweiz Einleitung. Im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt wurden drei Verstorbene mit Kopfschussverletzungen durch Vollmantelmunition der Firma Geco im Kaliber 7,65 mm Browning untersucht. Nach der Spurensicherung vor Ort wurden die Leichen computertomographisch (CT) untersucht und anschliessend obduziert. Dabei wurde festgestellt, dass alle Schüsse aus relativer Nähe abgegeben worden waren und zu jeweils einem Kopfsteckschuss geführt hatten. Die asservierten Vollmantelgeschosse wiesen unterschiedliche Deformationen auf. Methoden. Im CT wurden die Schusskanäle vermessen und die durchschossene Knochenstärke ermittelt. Zur Rekonstruktion wurden den CTMessdaten angepasste Simulanzien in drei verschiedenen Modellvarianten zusammengefügt: ballistische Seife entsprechend der Weichteildicke, Polyurethanplatten von Synbone entsprechend der Knochenstärke im Einschuss- und Ausschussbereich und 10 %ige Gelatine entsprechend der Schusskanallänge im Gehirn (Modellvariante A). Modellvariante B wurde im Ausschussbereich anstelle von ballistischer Seife mit Synbone-Kunsthaut bedeckt. Bei Modellvariante C wurden im Einschussbereich stellenweise zusätzliche Knochenplatten angefügt, um eine Stufenbildung zu imitieren. Insgesamt wurden pro Modell vier Schüsse mit zwei Varianten der Tatmunition ausgeführt: Geschossmantel aus Messing bzw. Tombak. Die Modelle wurden auf 4 °C gekühlt, der Beschuss mit Hochgeschwindigkeitskamera dokumentiert, die Geschossgeschwindigkeiten gemessen und alle Projektile weich aufgefangen. Ergebnisse. Es resultierten vier Steckschüsse bei Modellvariante A und jeweils zwei Durchschüsse und zwei Steckschüsse bei Modellvariante B und C. Die beobachteten Durchschüsse lassen sich zum Teil durch höhere Geschossgeschwindigkeiten erklären. Die geborgenen Projektile wiesen ins-
besondere Abflachungen im Heckbereich auf, während sich an der Geschossnase kaum wahrnehmbare Deformierungen zeigten, was im Gegensatz zu den dort deutlich deformierten Tatgeschossen stand. Schlussfolgerungen. Die durchgeführte Untersuchung zeigt, dass eine auf CT-Daten basierte Anpassung wundballistischer Modelle eine brauchbare Annäherung an die reale Geschosspenetration ermöglicht. Es bleibt jedoch zu bedenken, dass die in der Simulation nicht erreichten Geschossdeformierungen einen Unterschied zum tatsächlichen Energieabgabeverhalten der Tatgeschosse bedeuten. Dies könnte auf eine Geschosswirkung am realen Knochen hindeuten, die mit den eingesetzten Polyurethanplatten nicht simuliert werden konnte.
V53 Was verrät uns die „Walther“ über Backspatter? C. Schyma1, R. Müller2, K. Bauer1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Forensische Medizin, Bern,
Schweiz, 2Kantonspolizei Bern, Kriminaltechnischer Dienst, Bern, Schweiz
Einleitung. Bei der experimentellen Erzeugung von Rückschleuderspuren (Backspatter) im Waffenlauf (SNF-DFG-Projekt) fiel eine Waffe durch ein aussergewöhnlich intensives Spurenbild bis ins Patronenlager auf, die Walther PP, eine halbautomatische Selbstladepistole im Kaliber 7,65 mm Browning. Bei verschiedenen Pistolen im Kaliber 9 mm Luger konnten zwar Spuren erzeugt werden, die aber nicht annähernd vergleichbar waren. Dies führte zu der Überlegung, ob die Walther-Pistole ein System sein könnte, um die Entstehungsbedingungen von Backspatter im Waffenlauf besser zu verstehen. Methoden. Zur Verfügung standen insgesamt 8 Pistolen im Kaliber 7,65 mm Browning: Walther PP, Walther-Manurhin-Lizenzbau, Beretta Mod. 70, SIG-Sauer P230, FN 1910, FN 1922, Česká VZOR70, FEG-Budapest. Verwendet wurde die Vollmantelpatrone von Geco. Drei Versuchsreihen mit je 6 Waffen wurden durchgeführt: 55Einhändiger Schuss mit unveränderter Waffe 55Waffe mit Panzerband umwickelt, Repetierbewegung durch zweite Hand unterdrückt 55Gripbeutel dicht an das Auswurffenster geklebt, einhändiger Schuss
Ca. 12 cm grosse Gelatine-Messwürfel mit integriertem Vlies und Folienbeutel (Tripel-Kontrast-Methode: 2 ml Acrylfarbe, 2 ml Bariumsulfat, 1 ml Humanblut) gekühlt auf 4 °C Temperatur wurden mit aufgesetzter Waffenmündung beschossen. Die Waffen wurden mittels GeradeausEndoskopie inspiziert und die Befunde videodokumentiert. Ergebnisse. Die Spurenbilder im Standardschuss reichten mit Ausnahme der Beretta und SIG Sauer bis zum Patronenlager, wiesen aber bereits Unterschiede für die verschiedenen Waffen auf. Die stärksten Spurantragungen fanden sich bei der Walther, der Manurhin und der FN 1922. Die Beretta wies das insgesamt schwächste Spurenbild auf, das lediglich das vordere Laufdrittel betraf. Bei der Repetierblockade war das Spuraufkommen deutlich reduziert, ausgenommen die Česká, die weiterhin über die ganze Lauflänge deutlich sichtbare Spuren zeigte. Die Verklebung mit dem Gripbeutel führte bei der Walther und der Manurhin zu keiner Veränderung der Spurenlage gegenüber dem Normalschuss, während bei den anderen Typen eine Verminderung der Spurenintensität und Ausbreitung resultierte. Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse zeigen offensichtlich durch die Bauart der Pistolen bedingte Unterschiede im Spurenbild. Der Repetiervorgang könnte bei Browning-Pistolen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Spuren in den hinteren Laufabschnitten spielen.
V54 Vergleichende Untersuchung von experimentellen Spuren im Waffenlauf K. Bauer1, C. Courts2, M. Glardon3, C. Schyma1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Forensische
Medizin, Bern, Schweiz, 2Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Bonn, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Forensische Ballistik, Bern, Schweiz
Einleitung. Im Rahmen eines von SNF und DFG geförderten Projektes sollen die Entstehungsbedingungen von Rückschleuderspuren (Backspatter) im Waffenlauf untersucht werden. Die in der forensischen Praxis beobachteten sehr unterschiedlich ausgeprägten Antragungen im Waffenlauf bei Kopfschüssen mit aufgesetzter Waffenmündung lassen eine Abhängigkeit von der jeweils benutzten Waffe vermuten. Ziel der experimentellen Untersuchung war es deshalb, verschiedene Waffentypen unterschiedlicher Kaliber miteinander zu vergleichen. Methoden. Auf ein Vlies wurde ein Folienbeutel (Tripel-Kontrast-Methode: 2 ml Acrylfarbe, 2 ml Bariumsulfat, 1 ml Humanblut) geklebt und mit 10 %iger Gelatine überschichtet, so dass ca. 12 cm grosse Messwürfel resultierten. Diese wurden nach 48h Kühlung bei 4 °C von der Vliesseite her beschossen. Waffen: Kleinkaliberrevolver, Kleinkaliberbüchse, Pistole 7,65 mm, drei Pistolen 9 mm Luger, drei Revolver und ein Unterhebelrepetierer im Kaliber 357 magnum. Munition: Im Kleinkaliber wurden drei Ladungsstärken, bei den Revolvern 38 special und 357 magnum Patronen verwendet. Alle Geschosse waren formstabil. Die Beschüsse wurden mittels Hochgeschwindigkeitskamera (MAK Wolfsburg) dokumentiert. Nach Computer- und Kernspintomographie wurden die Gelatineblöcke zentimeterweise lamelliert. Die Waffen wurden mittels GeradeausEndoskopie inspiziert, danach je einen Abrieb aus dem vorderen und hinteren Laufabschnitt entnommen und der DNA-Gehalt mittels quantitativer PCR bestimmt. Ergebnisse. In 4 von 9 Schüssen aus etwa 10 cm Distanz fand sich im vorderen Laufabschnitt profilierbare DNA, jedoch in keinem Fall im hinteren Laufabschnitt. 14 von 15 aufgesetzten Schüssen erzeugten für eine Profilierung ausreichende DNA-Konzentrationen im vorderen Anteil, 9 auch im hinteren Anteil. Das optische Erscheinungsbild der Spuren war morphologisch vielfältig und mengenmässig sehr unterschiedlich ausgeprägt. In allen Läufen mit sichtbaren Spuren war eine Abnahme der Intensität von der Mündung zum Patronenlager zu erkennen. Bei zwei Pistolen und zwei kurzen Revolvern erreichten deutliche Spuren das Patronenlager. Endoskopisch erkennbare Antragungen entsprachen DNA-Konzentrationen von mehr als 0,01 ng/µL. Schlussfolgerungen. Die Tripel-Kontrast-Methode ermöglichte eine optische und molekulargenetische Differenzierung, was die Voraussetzung für eine systematisch vergleichende Waffenuntersuchung schafft. Bei Kontaktschüssen mit Revolvern, halbautomatischen Selbstladepistolen und Repetiergewehren können im Laufinneren detektierbare Spuren erzeugt werden. Dies wurde sowohl bei gasdruckschwachen als auch stark laborierten Patronen in verschiedenen Kalibern beobachtet.
V55 Vom Rücken durch die Brust ins Auge – ungewöhnliche Suizide mittels Schusswaffen S. Binder1, S. Banaschak1, F. Glenewinkel1, M.A. Rothschild1, L. Althaus2, T. Bajanowski3, T. Kamphausen1 1Institut für Rechtsmedizin Köln, Köln, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin Duisburg, Duisburg, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin Essen, Essen, Deutschland
Einleitung. Suizide aller Art gehören im Alltag des Rechtsmediziners zu den häufigen Fallkonstellationen. Aufgabe des Rechtsmediziners in solchen Fällen ist es unter anderem, anhand der an der Leiche sowie der
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Abstracts am Leichenfundort erhobenen Befunde die Plausibilität einer möglichen suizidalen Handlung zu überprüfen. Diese Aufgabe kann sich mitunter schwierig gestalten und ist zumeist erst in der Zusammenschau aller Details der Befunde an der Leiche und insbesondere am Leichenfundort zu klären. Methoden. Im Folgenden werden drei Fälle aus Essen und Köln vorgestellt, in welchen die Suizidenten ungewöhnliche Vorgehensweisen für den Suizid mittels einer Schusswaffe wählten und die Ermittler zunächst vor ein Rätsel stellten. Ergebnisse. In zwei der Fälle befanden sich die Einschussverletzungen an der Leiche an den rückwärtigen Körperpartien (Rücken/Hinterkopf). Insbesondere in einem der beiden Fälle sprach vieles für eine homizidale Handlung im Rockermilieu. Erst in Zusammenschau der Ergebnisse der weitreichenden kriminalpolizeilichen Ermittlungen, der technischen Untersuchungen und der Durchführung von Selbstversuchen verdichteten sich die Hinweise auf einen – als Homizid getarnten – Suizid. Im dritten Fall erfolgte die Selbsttötung eines Paares mittels eines einzigen Projektils – auch hier fand sich der Einschuss am Rücken einer der beiden Leichname. Schlussfolgerungen. Die vorgestellten Fälle verdeutlichen einmal mehr die Wichtigkeit der rechtsmedizinischen Untersuchung am Leichenfundort sowie des kritischen Hinterfragens der Befunde am Leichnam und belegen, dass die endgültige Beurteilung häufig nur in der Zusammenschau aller Befunde erfolgen kann.
V56 Wer lenkte das Fahrzeug? – Ermittlung des Fahrzeuglenkers mittels morphometrischer Rekonstruktion U. Buck1,2, L. Campana1, C. Jackowski1, C. Schyma1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Bern, Schweiz,
2Kantonspolizei Bern, Bern, Schweiz
Einleitung. Ergänzend zu den traditionellen Methoden zur Klärung der Sitzposition im Fahrzeug, wie beispielsweise Mikrofaserspuren und DNAUntersuchung, kann die morphometrische Rekonstruktion ein wichtiges Instrument sein zur Ermittlung des Fahrzeuglenkers bei Verkehrsunfällen. Die morphometrische 3D-Rekonstruktion umfasst die Ermittlung des biomechanischen Verhaltens der Fahrzeuginsassen, die Entstehung der Verletzungen sowie die Entstehung der Blutspuren sowie weiterer Spuren und Beschädigungen im Fahrzeuginneren. Das Verfahren und die Ergebnisse werden anhand repräsentativer Fallbeispiele erläutert und vorgestellt. Methoden. Die Fahrzeuginsassen werden mittels Photogrammetrie und optischem 3D-Oberflächenscanning dreidimensional dokumentiert. Von verletzten Insassen werden zusätzlich die Daten klinischer Radiologie, von Verstorbenen die vor der Obduktion durchgeführte Computertomographie (CT) in die 3D-Analyse integriert. Das Fahrzeug und alle unfallrelevanten Objekte werden ebenfalls mittels Photogrammetrie und 3D-Oberflächenscanning erfasst. Ein 3D-Situationsplan der Örtlichkeit mit allen Spuren wird von der Polizei mittels Photogrammetrie und Laserscanning erstellt und in die Auswertung integriert. Ergebnisse. Anhand dieser 3D-Daten, insbesondere der Spuren der Örtlichkeit, wird in Zusammenarbeit mit Unfallanalytikern der Unfallablauf und daraus resultierend das biomechanische Verhalten der Fahrzeuginsassen rekonstruiert und in der Animationssoftware 3DS Max nachgestellt. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen können morphometrische Vergleiche der Verletzungen mit den relevanten Strukturen im Fahrzeuginneren durchgeführt werden, zur Ermittlung wie diese Verletzungen entstanden sind und auf welchem Sitz der Insasse während des Unfalles sass. Neben den Verletzungen können auch die Körpergrössen der Insassen wichtige Hinweise zur Ermittlung des Lenkers geben. Dazu werden anhand der Scandaten der Fahrzeuginsassen anatomisch korrekt bewegliche Computerkörpermodelle an die tatsächlichen Körperdimensionen angepasst und im virtuellen Fahrzeug positioniert.
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Schlussfolgerungen. Die Möglichkeiten der morphometrischen Rekonstruktion mittels der 3D-Techniken sind weitreichend und können oft entscheidende Erkenntnisse für das Ermittlungsverfahren geben.
V57 Der Knallfall; Knalldruckmessungen in der Forensik S. Axmann1, L. Siegenthaler1, M. Glardon1, C. Jackowski1, B.P. Kneubuehl1,2 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Bern,
Schweiz, 2bpk consultancy gmbh, Thun, Schweiz
Einleitung. Beim Gebrauch von Schusswaffen, welche im Rahmen von Straftaten und Delikten ihre Verwendung finden, kommt es, wie der vorliegende Fall zeigt, neben der Gefährdung durch das Geschoss oder den Gasstrahl (Schreckschusswaffen) selbst, zu einer akustischen Belastung, durch die das Gehör irreversibel geschädigt werden kann. Im Rahmen eines versuchten Brandanschlags mit nachfolgender Flucht vor der Polizei, kam es bei der Stellung des Tatverdächtigen zum Gebrauch einer Schreckschusswaffe vom Modell Colt Government 1911 im Kaliber 9 mm PA Knall, welche von diesem, nach der Aufforderung durch die Polizei sich auszuweisen, in einer Distanz von höchstens einem Meter zu einem der Polizeibeamten abgefeuert wurde. Neben den von der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellten Fragen zum Gefahrenpotenzial des Gasstrahls dieser Waffe beim Abfeuern, wurde die Frage nach der Möglichkeit der Entstehung eines Gehörschadens infolge des lauten Knalls selbst gestellt. Methoden. Unter Verwendung von Hochdruck-Kondensatormikrofonen wurden die Knallsignaturen einer entsprechenden, für die Tat verwendeten Schreckschusspistole bei Schussabgabe, für unterschiedliche Positionierungen zum Mikrofon, aufgezeichnet und im Hinblick auf die Bestimmung des maximalen Knalldruckpegels und der Wirkzeit nach Pfander ausgewertet. Diese zwei Kenngrößen beschreiben das Knallereignis und sind für die Bestimmung des Gefahrenpotenzials eines akustischen Ereignisses maßgebend, weil sich daraus die Anzahl der zulässigen Knallereignisse ergibt, nach deren Einwirkung mit hoher Wahrscheinlichkeit kein bleibender Gehörschaden entsteht. Der zulässige Knalldruckpegel ist von der Wirkzeit abhängig. Die Bestimmung des Gefahrenpotenzials für das Gehör basiert auf der Arbeit von Friedrich Pfander und dem von ihm entwickelten „Grenzpegeldiagramm zur Hörschädenvermeidung bei Knallbelastung“, dem sogenannten Pfander-Diagramm. Ergebnisse. Bei entsprechender Distanz zur Schusswaffe konnten Knalldruckpegel gemessen und mittlere Wirkzeiten bestimmt werden, die nach Pfander bereits nach einmaliger Einwirkung zu einem bleibenden Gehörschaden führen können. Ob für eine irreversible Schädigung des Gehörs jedoch die Abgabe eines Schusses ausreicht oder mehrere Schüsse hintereinander erforderlich sind, ist neben der Distanz auch von der Ausrichtung zur Waffe abhängig. Schlussfolgerungen. Bei entsprechender Distanz zur Schusswaffe kann es durch die akustische Einwirkung einer einzigen Schussabgabe zu einem bleibenden Gehörschaden kommen, wenn die Wirkzeit des Knallereignisses bei zugehörigem Knalldruckpegel ausreichend hoch ist.
V58 Leichenbeseitigung in Schleswig-Holstein S. Gumpert, J. Preuß-Wössner Institut f. Rechtsmedizin Kiel, Kiel, Deutschland Einleitung. Leichenbeseitigungen dienen in der Regel dem Verbergen des Opfers und sollen eine Tataufklärung erschweren. Das nördlichste Bundesland Deutschlands, Schleswig-Holstein, stellt eine Transitregion dar, die sowohl für den Land- als auch den Seeweg in benachbarter Staaten von zentraler Bedeutung ist. In der Folge sind bei erweiterter europäischer Freizügigkeit Fälle von Leichenbeseitigung feststellbar, bei denen eine erhebliche Distanz zwischen dem Leichenfundort und dem Tatort besteht
und sich die Leichen auffallend häufig in der Nähe von großen Transitstrecken finden. Methoden. Ausgewertet wurden die Leichenfundorte der Jahre 2000 bis 2014 auf dem Gebiet von Schleswig-Holstein. In die nähere Betrachtung flossen die Fälle ein, bei denen sich nach Untersuchung des Leichenfundortes Hinweise auf eine sekundäre Verbringung des Leichnams ergeben haben. Diese Fälle wurden unter verschiedenen Punkten, z. B. die Zeit zwischen Tat und Auffindung bzw. Ablage, die Entfernung zwischen Tatort, Fundort und Wohnort des Täters, Motive, soziales Milieu, Täter-OpferBeziehung, Topographie und Art der Zwischenablage ausgewertet. Ergebnisse. Die Entfernungen zwischen Tat- und Fundort betrugen zwischen 20 m und 850 km, die zwischen der Anschrift des Täters und dem Fundort wenige Metern bis zu 570 km. Die Zeit zwischen Tat und Auffindung betrug zwischen 2 Tagen und 15 Jahren. Zwischen Ablage und Auffindung reichte die Zeitspanne von wenigen Stunden bis zu 3,5 Jahren. Als Ablageorte dienten vorwiegend Feldwege, Waldgebiete, Erdgräber und Jauchegruben. Auffallend war, dass in den Fällen von großer Distanz zwischen Herkunftsort von Opfer/Täter und späterem Ablageort die Leichen vorrangig in unmittelbarer Nähe der Autobahnen zu finden waren. Schlussfolgerungen. Oftmals wird vom Täter ein hoher Aufwand bei der Leichenbeseitigung betrieben, wobei sich häufig bei genauerer Betrachtung der Art und Lokalisation des Ablageortes zumindest Hinweise auf die Herkunft der Leiche finden lassen. In den Fällen ohne „Leichentransit“ in ein anderes Bundesland fand sich oftmals ein Bezug zwischen Ablageort und Täter.
V59 Vom Mord zur Körperverletzung – Kommunikationsmängel zwischen Rechtsmedizin und Ermittlungsbehörden J. Froch-Cortis, K.- H. Schiwy-Bochat , K. Mercer-Chalmers-Bender, M.A. Rothschild Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland Einleitung. „Kommunikation ist eine Säule der modernen Gesellschaft. Wer nicht miteinander redet, kann nicht urteilen“ (unbekannter Verfasser). Wir berichten über einen Fall, bei dem die mangelnde Kommunikation zwischen der Rechtsmedizin und den Ermittlungsbehörden dazu führte, dass ein des Mordes Tatverdächtiger mehrere Monate in Untersuchungshaft saß, bevor er schließlich nach Herabstufung des Tatvorwurfs wieder aus der Haft entlassen wurde. Methoden. Der Fund einer bereits fäulnisveränderten Leiche einer jungen Schwarzafrikanerin in einem grasbewachsenen Randstück einer Autobahn lenkte aufgrund des ungewöhnlichen Fundortes und der Tatsache, dass der Leichnam unbekleidet gewesen ist, den Verdacht auf das Vorliegen eines Tötungsdeliktes. Die Obduktion ergab weder makroskopisch noch histologisch eine sichere Todesursache bei insgesamt deutlich eingeschränkter Beurteilbarkeit aufgrund der ausgeprägten Fäulniserscheinungen. Es konnten Zeichen der stumpfen Gewalteinwirkung, welche u. a. als passive Abwehrverletzungen imponierten, nachgewiesen werden. Wesentliche oder todesursächliche Verletzungsfolgen bestanden aber nicht. Die chemisch-toxikologischen Untersuchungen wiesen deutlich erhöhte, wenngleich nicht zwingend todesursächliche Konzentrationen einer Cocain-Intoxikation auf. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen waren in diesem Fall zunächst abgeschlossen, der Fall wurde bei uns im Archiv abgelegt. Ergebnisse. Nur durch Zufall erfuhren wir Monate später von einem bereits inhaftierten Tatverdächtigen, der angegeben habe, die Frau gegen den Kopf geschlagen zu haben, woraufhin sie zusammengebrochen und verstorben sei. Er habe ihre Leiche Tage später zum späteren Auffindeort verbracht. Die Aussage des Beschuldigten, zuvor von der Frau mit einem Messer verletzt worden zu sein, konnte mit medizinisch dokumentierten Verletzungen des Tatverdächtigen zum Vorfallszeitpunkt in Einklang gebracht werden. Als Todesursache der Frau wurden abschließend Drogen-
induzierte Herzrhythmusstörungen bei erhöhter Kreislaufbelastung durch die körperliche Auseinandersetzung angenommen. Der Tatverdächtige wurde mehrere Monate nach seiner Vernehmung aus der U-Haft entlassen – die Anklage wurde von Mord auf gefährliche Körperverletzung herabgestuft. Schlussfolgerungen. Dieser Fall soll darstellen, wie wichtig die Kommunikation zwischen der Rechtsmedizin und den Ermittlungsbehörden ist – auch über die einzelnen Untersuchungen hinaus. Im Rahmen dessen haben wir in unserem Institut eine „Checkliste bei Tötungsdelikten“ zur zukünftigen Vermeidung solcher Kommunikationsmängel entwickelt.
V60 Juristische Aspekte in Ermittlungsverfahren bei häuslicher Gewalt S. Drobnik, F. Friedrich, H. Muggenthaler, M. Hubig, G. Mall Institut für Rechtsmedizin, Jena, Deutschland Einleitung. Im Rahmen eines Forschungsprojektes erfolgte eine umfassende Datenerhebung zu Körperverletzungsdelikten im Rahmen häuslicher Gewalt. Im Rahmen der Auswertung wurden neben der Qualität der ärztlichen Befunddokumentation und dem Stellenwert der rechtsmedizinischen Untersuchung auch rechtliche Aspekte einschließlich der Verläufe der Ermittlungsverfahren und deren Ausgang erfasst. Methoden. Insgesamt wurden rund 1500 Akten der vier Staatsanwaltschaften in Thüringen aus dem Jahr 2009 mittels eines ausführlichen Fragebogens, welcher sowohl medizinische, juristische als auch soziale Inhalte erfasst, ausgewertet. Die erhobenen Daten wurden in eine eigens hierfür entwickelte Datenbank eingegeben und ausgewertet. Die Ergebnisse sollen mit Fokussierung auf die ermittlungstechnischen und juristischen Aspekte dargestellt werden. Ergebnisse. Durchschnittlich betrug die Dauer der Ermittlungsverfahren von der Anzeigenerstattung bis zum Abschluss der Verfahren knapp sechs Monate, wobei im Durchschnitt die Akten nach einer polizeilichen Ermittlungszeit von zwei Monaten an die jeweilige Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Im Rahmen der Verfahren wurden durchschnittlich 1 bis 2 Zeugen vernommen, auch erfolgten nur in einem geringen Prozentsatz ausführliche Bilddokumentationen oder anderweitige Beweiserhebungen. Nach Abschluss der Ermittlungen wurden ca. 85 % der Verfahren eingestellt, lediglich in rund 13 % der Verfahren wurde ein Strafbefehlsantrag gestellt oder eine Anklage erhoben. Nach Abschluss des Hauptverfahrens kam es lediglich in weniger als 10 % der Ermittlungsverfahren zu rechtskräftigen Verurteilungen, über 90 % der Verfahren wurden letztendlich eingestellt. Schlussfolgerungen. Bei der Auswertung zeigten sich teils erhebliche Unterschiede im Verfahrensverlauf und -ergebnis zwischen den vier Thüringer Staatsanwaltschaften. Die wesentlichen Ergebnisse und die Unterschiede in den Ermittlungsverfahren sollen dargestellt werden.
V61 Subdurale Pathologien in der bildgebenden Diagnostik des Schütteltrauma-Syndroms: Was sagen uns subdurale Hygrome und Brückenvenenthrombosen? D. Wittschieber1, B. Karger1, T. Niederstadt2, T. Bajanowski3, H. Pfeiffer1, M. Hahnemann4 1Institut für Rechtsmedizin, Münster, Deutschland, 2Institut für Klinische Radiologie, Münster, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin, Essen, Deutschland, 4Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Essen, Deutschland
Einleitung. Die Diagnostik des Schütteltrauma-Syndroms bei lebenden Säuglingen beruht in der Regel auf einer multi-disziplinären Untersuchung zur Feststellung klinischer und kriminalistischer Begleitumstände einerseits und zur Identifizierung klassischer morphologischer IndiRechtsmedizin 4 · 2015
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Abstracts katoren (v. a. subdurale Hämatome, retinale Einblutungen und hirnorganische Verletzungen) andererseits. Daneben können in der neuroradiologischen Bildgebung weitere Befunde auffallen, deren Interpretation sich oft schwierig gestaltet. CT-morphologisch homogen-hypodense subdurale Flüssigkeitsansammlungen (subdurale Hygrome, SDHy) sowie thrombotisches Material in oder um traumatisierte Kortikalvenen (Brückenvenenthrombosen, BVT) stellen solche Befunde dar. Methoden. Es wurden sowohl umfangreiche Literaturrecherchen als auch eigene Untersuchungen durchgeführt. Ergebnisse. Fallbeschreibungen und pathophysiologische Überlegungen legen nahe, dass SDHy nicht in allen Fällen als Endzustände vormaliger subduraler Hämatome betrachten werden sollten, sondern auch zeitnah zu einem Trauma, beispielsweise infolge einer Einreißung der Arachnoidea encephali, entstehen können. Hieraus ergeben sich relevante Überlegungen für die forensische Praxis, insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen von hypo- und hyperdensen Flüssigkeitsanteilen im Subduralraum. Des Weiteren erscheint es sinnvoll, sich möglicher Differenzialdiagnosen, z. B. gutartiger Subarachnoidalraumerweiterungen des Säuglings, bewusst zu sein. Anders als SDHy sind BVT bisher nur relativ wenig untersucht und beschrieben worden. In einer Studie an 29 Säuglingen des Universitätsklinikums Essen, die zwischen 0 und 2 Jahren alt waren und SDHy und/ oder subdurale Hämatome aufwiesen, wurden in 11 Fällen BVT gefunden. In 8 der 11 Fälle wiesen die BVT Kaulquappen-ähnliche Formen auf („Tadpole Sign“). Schlussfolgerungen. Im Rahmen eines Übersichtsbeitrages werden der aktuelle Stand zu SDHy und BVT präsentiert und darüber hinaus deren forensische Implikationen diskutiert.
V62 Zur forensischen Bedeutung des „Hygroms“ beim Schütteltrauma A. Krauskopf1, J. Grulich-Henn2, A. Seitz3, P. Glemser4, K. Yen1 1Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Universitätsklinikum
Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, 2Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, 3Abteilung für Neuroradiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, 4Deutsches Krebsforschungszentrum, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland Einleitung. In der klinischen Radiologie hat sich der Begriff des Hygroms etabliert, der meist für eine Ansammlung von Flüssigkeit unter die harte Hirnhaut steht. Nach gängiger radiologischer Lehrmeinung deutet die Präsenz eines Hygroms auf ein zwei- oder mehrzeitiges Geschehen hin. In dieser Aussage liegt die forensische Relevanz des Befundes, da akute Schütteltraumafälle, bei denen Hygrome gefunden werden, nicht auf ein einzelnes, zeitlich zumeist eingrenzbares Geschehen zurückzuführen wären, sondern auf zumindest zwei unabhängig voneinander erfolgte Misshandlungsvorgänge. Die gängige radiologische Interpretation ist vor allem in Bezug auf die in vielen Fällen kaum mit einem mehrfachen Geschehen vereinbare Klinik zu hinterfragen. Methoden. Am Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin wurde eine retrospektive Auswertung aller seit 1999 begutachteten Fällen mit Verdacht auf Schütteltrauma (n = 29) mit der entsprechenden Befundtrias vorgenommen. Von diesen war in 20 Fällen in der initialen radiologischen Untersuchung ein Hygrom festgestellt worden. Neben Angaben zum angeblichen Hergang des Ereignisses wurden zeitliche Verhältnisse, klinische Befunde einschließlich Begleitverletzungen sowie die forensischen Schlussfolgerungen. im Hinblick auf Hinweise auf eine mögliche Mehrzeitigkeit ausgewertet. Die radiologischen Daten wurden durch klinische und forensisch geschulte Radiologen nachbefundet. Ergebnisse. Erste Auswertungen zeigten, dass sich der radiologische Befund eines Hygroms, der zumeist mit einer mehrzeitig entstandenen Verletzung gleichgesetzt wurde, in den meisten untersuchten Fällen im deutlichen Widerspruch zum klinischen Erscheinungsbild steht, wonach sich
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jeweils erst beim zweiten bzw. einem folgenden Ereignis die bekannten, oft schweren klinischen Symptome entwickelt hätten. Schlussfolgerungen. Es erscheint daher dringend geboten, die radiologische Einschätzung einer Mehrzeitigkeit kritisch zu hinterfragen und eine eigene forensische Interpretation unter sorgfältiger Berücksichtigung aller den Fall betreffenden Umstände und Befunde vorzunehmen.
V63 Straftat, Amphetamine, Selbstverletzung – Wer bedingt wen? K. Jachau, B. Knut Institut für Rechtsmedizin, Magdeburg, Deutschland Einleitung. Der Rechtsmediziner wird in zahlreichen Fällen von den Ermittlungsbehörden und/oder Kliniken zur Untersuchung Geschädigter angefordert, um mit seiner Expertise richtungsweisende Hinweise zu geben, ob tatsächlich eine Straftat vorliegt. In einem Großteil der Fälle ist diese Entscheidung allein aufgrund der vorliegenden rechtsmedizinischen Gegebenheiten, teilweise kombiniert mit der Erfahrung zu treffen. Methoden. Dargestellt wird der Fall einer Jugendlichen, die am Morgen, nachdem sie in der Nacht vorher von Freundinnen nach Hause gebracht wurde, einer dieser Freundinnen die Frage stellte: „Warum ist hier alles voller Blut?“ Dieses zog den Einsatz von Rettungsdienst und Polizei und Tatortgruppe nach sich, einige Stunden später wurde die Rechtsmedizin hinzugezogen. Die Jugendliche wies tiefreichende Schnitt- und Stichverletzungen an der gesamten Körpervorderseite, den Extremitäten und auch im Genitalbereich auf. An der Körperrückseite fanden sich oberflächliche Schnittspuren. Die Ermittlungsbehörden gingen zunächst von einer Fremdbeibringung aus. Im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung, der Veranlassung der Entnahme einer Blutprobe und der gynäkologischen Untersuchung sowie einer vorsichtigen Befragung und Hinzuziehung der Ergebnisse der Tatortgruppe aus dem anlassbezogenen Haus ergab sich jedoch auch der Verdacht einer Selbstbeibringung, möglicherweise im Rahmen einer drogenbedingten Beeinflussung. Ergebnisse. In der Blutprobe der Jugendlichen wurden eine Amphetaminkonzentration von 61 ng/ml und eine MDMA-Konzentration von 840 ng/ ml festgestellt. Nach ihren Angaben sei es ein Erstkonsum gewesen, da der zuvor genossene Alkohol „nicht gewirkt habe“. Insbesondere die Verletzungen an der Körperrückseite konnten zwanglos einem Kontakt mit zerbrochenem Glas auf dem Boden zugeordnet werden. Schlussfolgerungen. Im Rahmen rechtsmedizinischer körperlicher Untersuchungen sollte stets bei unklarer Vorgeschichte die Entnahme einer Blutprobe angeregt werden. Zudem ist für die rechtsmedizinische Beurteilung die Kenntnis des Ereignisortes, zumindest als Bildmaterial, wesentlich.
V64 Gewalt in der Pflege – Ergebnisse einer Befragung von MitarbeiterInnen ambulanter Pflegedienste einer sächsischen Großstadt U. Böhm1, G. Märtens2, C. Erfurt3, U. Schmidt3 1Praxis für Rechts- und Verkehrsmedizin Leipzig, Leipzig, Deutschland,
2Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
und Stalking, Leipzig, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Carl – Gustav – Carus, Dresden, Deutschland
Einleitung. Gewalt in der Pflege ist ein bekanntes Phänomen, das vielfältige Ursachen hat. Sowohl professionell Pflegende, pflegende Angehörige als auch Pflegebedürftige können dabei von Gewalt betroffen sein. Die Sanktionierung verschiedener Formen von Gewalt ist problematisch, da Gewalt in der Pflege häufig sowohl von Zeugen als auch von den Gewaltausübenden selbst nicht als solche erkannt bzw. wahrgenommen wird. Nur in Ausnahmefällen ist Gewalt in der Pflege justiziabel. Es soll daher geprüft
werden, ob bei professionell Pflegenden ein Bedarf an einer unabhängigen Konfliktberatung besteht. Methoden. Innerhalb einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe wurde ein Fragebogen entwickelt, welcher sich ausschließlich auf das tatsächliche Gewalterleben der professionell Pflegenden bezieht. Der Fragebogen wurde allen MitarbeiterInnen Leipziger Pflegedienste zur Verfügung gestellt. Die Bearbeitung erfolgte freiwillig und anonym. Ergebnisse. Zum Zeitpunkt der Abstract – Deadline ist der Rücklauf gerade abgeschlossen, die Rücklaufquote beträgt ca. 20 %. Die wissenschaftliche Auswertung der Fragebögen wurde begonnen und wird voraussichtlich im Juli 2015 abgeschlossen sein. Die wichtigsten Erkenntnisse werden zur Jahrestagung der DGRM vortragen. Schlussfolgerungen. Nach den vorläufigen Ergebnissen der Studie besteht bei mehr als der Hälfte der professionell Pflegenden ein Bedarf an unabhängiger Beratung. Aus den Antworten geht außerdem hervor, dass der Arzt/die Ärztin ebenfalls ein(e) bevorzugter Ansprechpartner(in) in problematischen Pflegesituationen darstellt. Eine entsprechende Konfliktberatung in der rechtsmedizinischen Gewaltschutzambulanz und/oder die Einrichtung spezialisierter Beratungsstellen wären als Lösungsansätze denkbar.
V65 Gewalt gegen ältere Menschen in Rheinland-Pfalz: Eine retrospektive Untersuchung D. Breitmeier, D. Koberg, K. Uebbing, V. Heroux, R. Urban Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland Einleitung. Das Thema „Gewalt gegen alte Menschen“ wird in der nationalen und internationalen Literatur sowie auch in den verschiedenen Medien nach wie vor thematisch stark tabuisiert, in der Öffentlichkeit kaum beachtet und hinter verschlossenen Türen verbalisiert. Häufig treten nur extreme Formen von Gewalt an älteren Menschen in den Blickpunkt medialen Interesses. Gewalt entsteht sehr oft in Pflegebeziehungen, insbesondere dann, wenn die Beziehung zwischen dem Pflegenden und dem Gepflegten von großer Abhängigkeit geprägt sind (z. B. familiäre, häusliche Pflege; Hauskrankenpflege; etc.). 10 % der Menschen über 60 Jahre wurden in den letzten 5 Jahren Opfer von Gewaltanwendung im häuslichen Bereich, überwiegend durch Familienangehörige oder nahe Verwandte und Freunde der Familie. Neben den überlebten Misshandlungen werden in Europa etwa 8300 Menschen, die älter als 60 Jahre alt sind, getötet. Infolge der hohen Dunkelziffer wird derzeit davon ausgegangen, dass auf eine bekannte Misshandlung etwa 5 Gewalttaten kommen. Mehr als die Hälfte aller über 60-jährigen werden Opfer der verschiedenen Hauptformen der Gewalt an älteren Menschen (Gewalt-, Sexual- und Vermögensstraftaten). Methoden. Ausgewertet wurden sämtliche Sektionen und körperliche Untersuchungen der Jahre 2003–2012 von älteren Menschen im Alter von 60 Jahren und älter. Es wurden Art und Umfang der Gewaltanwendung (physische/psychische Gewalt, sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung, Verwahrlosung, etc.), die Todesursache, Alter der Opfer und Täter, mögliche Beziehungen untereinander, der Tatort, das Tatmotiv sowie, soweit möglich, die juristische Würdigung untersucht. Ergebnisse. Exemplarisch waren unter anderem 3977 Sektionen auszuwerten. Die Gesamtfallzahl betrug 1480 (37,2 %). In 46 Fälle (3,1 %) war eine Gewalt an älteren Menschen vorzufinden. Männer waren in 28,3 % der Fälle (n = 13), Frauen in 71,7 % (n = 33) Opfer von Gewalt. Das Durchschnittsalter bei den Männern betrug 72,7 Jahre, dass der Frauen 74,9 Jahre. 35 (76,1 %) dieser Personen sind an den Folgen der Gewalt verstorben. 11 (23,9 %) sind an konkurrierenden Todesursachen (Herz-Kreislaufsystem, etc.) verstorben. Schlussfolgerungen. Auch in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz spielt die Gewalt an älteren Menschen im Sektionsgut und im Zusammenhang mit körperlichen Untersuchungen forensisch prozentual nur eine untergeordnete Rolle. Es ist eine Enttabuisierung dieses Themas sowie eine flächendeckende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit anzustreben.
V66 Erweiterte Aufgabenstellung in einer forensischen Kinderambulanz: Wie wirkt sich eine erhebliche Intensivierung der Inanspruchnahme durch Jugendämter auf die Ergebnisqualität aus? D. Seifert, K. Fiebiger, A. Heinemann, K. Püschel Instittut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland Einleitung. Der Arbeitsbereich Klinische Rechtsmedizin besteht seit 17 Jahren im Hamburger Institut für Rechtsmedizin, das Kinderkompetenzzentrum für die Untersuchung von Kindern und Jugendlichen mit dem Verdacht der Kindeswohlgefährdung seit 2007. Es besteht bei einer Erreichbarkeit über 24h/7d pro Woche inklusive des Angebots von Folge-/ Kontrolluntersuchungen und Umfelduntersuchungen (z. B. Geschwister) vor allem eine intensive Inanspruchnahme durch Jugendämter. Deren Anteil als Auftraggeber ist von 43 % (2007) auf 79 % (2014) gestiegen. Wie wird das neue zusätzliche Angebot pädiatrischer Fachbegutachtung angenommen? Wie wirkt sich eine systematische erhebliche Steigerung der Inanspruchnahme durch Jugendämter auf die forensische Begutachtungseffizienz aus? Steigt der Anteil rechtsmedizinisch vager Verdachtsfälle? Methoden. Nach Abschluss eines stärkere Verbindlichkeit als zuvor signalisierenden Kooperationsvertrags mit der Hamburger Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz stiegen die Untersuchungszahlen allein von 2013 auf 2014 um 137 % auf n = 632 Untersuchungen. Seit Anfang 2014 arbeitet eine Fachärztin für Kinder und Jugendheilkunde im Team, so dass neben forensischen Aspekten auf die Diagnostik von Entwicklungsverzögerungen sowie die pädiatrische Fürsorge (notwendige medizinische Interventionen, Förderbedarf) weiter fokussiert wird – insbesondere, um schon im Vorschulalter präventiv einzuwirken. Es wurden Zuweisungsprofile der untersuchten Kinder und forensische Beurteilung im Jahresvergleich sowie die Ergebnisse zusätzlicher pädiatrischer Diagnostik im Jahr 2014 ausgewertet. Ergebnisse. Dargestellt werden die Ergebnisse dieser erweiterten Aufgabenstellung einer forensischen Kinderambulanz. Pädiatrische Fürsorge ist nicht Nebenaspekt, sondern in manchen Fällen Anlaß für Vorstellungen, wobei in einem Stadtteil auch auf Anforderung durch das zuständige Jugendamt eine Vor-Ort-Sprechstunde angeboten wird. Weiter wird der Frage nachgegangen, wie sich die massive Fallzahlsteigerung der forensischen Abklärung von Kindeswohlgefährdungen durch Jugendämter in den letzten 2 Jahren in Hamburg auf die Rate rechtsmedizinisch bestätigter Verdachtsfälle ausgewirkt hat. Diese ist bislang nicht wesentlich abgesunken. Schlussfolgerungen. Es gibt bislang keinen Hinweis, dass die massiv erhöhte Zuweisungsrate im Hamburger Kinderkompetenzzentrum von 2013 auf 2014 mit einer durchschnittlichen Absenkung der Verdachtsschwelle auf Kindeswohlgefährdung bei den Zuweisungen einhergegangen ist. Nachdem in Hamburg zwischen 2007 und 2013 nie mehr als 270 Kinder jährlich vorgestellt wurden, ist die massive Erhöhung der Zuweisungsrate im Jahr 2014 offenbar eher Folge systematischerer Handlungspraxis in einzelnen Jugendämtern bei der Inanspruchnahme, ausgelöst durch striktere Vorgaben der zuständigen Behördenleitung nach mehreren misshandlungsbedingten Todesfällen Hamburger Kinder in den vergangenen Jahren.
V67 Dental Neglect – kinderzahnärztliche Untersuchungen im Rahmen klinisch-rechtsmedizinischer Untersuchungen von Kindern S. Anders, D. Seifert, K. Püschel, I. Paradowski Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland Einleitung. Unter dem Begriff „Dental Neglect“ werden zahnmedizinische Befunde im Zusammenhang mit einer möglichen Kindesvernachlässigung oder -misshandlung zusammengefasst. Erkrankungen oder der Rechtsmedizin 4 · 2015
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Abstracts Verlust von Milchzähnen stellen eine Form der Vernachlässigung dar. Es können langfristige Folgen für die Gesundheit der bleibenden Zähne, der Kau- und Sprachentwicklung der Kinder sowie deren Allgemeingesundheit resultieren. Methoden. Im Rahmen des Projekts „Dental Neglect“ wurden in den Jahren 2012 und 2013 300 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren im Rahmen klinisch-rechtsmedizinischer Untersuchungen auch kinderzahnärztlich untersucht. Zusätzlich zu den zahnmedizinischen und rechtsmedizinischen Befunden wurden im Rahmen des Projekts soziodemografische Daten und Angaben zum Gesundheitsverhalten erhoben. Ergebnisse. Die Ergebnisse der statistischen Auswertung des Daten werden vorgestellt. Schlussfolgerungen. Bei dem Projekt „Dental Neglect“ handelt es sich um ein bislang einmaliges Pilotprojekt, welches zahnmedizinische Befunde bei klinisch-rechtsmedizinischen Untersuchungen von Kindern routinemäßig berücksichtigt.
V68 Die Opfer-Schutz-Ambulanz des Institutes für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz: Eine retrospektive Auswertung K. Uebbing, C. Hardt, V. Héroux, R. Urban, D. Breitmeier Universitätsmedizin, Rechtsmedizin, Mainz, Deutschland Einleitung. Das Thema „Gewalt“ wird in der Gesellschaft in den letzten Jahren zunehmend medial enttabuisiert. Neben dem mittlerweile großen Angebot für Betroffene in verschiedensten Einrichtungen, haben sich in den letzten Jahren auch intensiv Opfer-Schutz-Ambulanzen an den universitären rechtsmedizinischen Instituten in Deutschland etabliert. Neben der fachgerechten und gerichtsverwertbaren Dokumentation von Verletzungen sowie der Sicherung von Spuren und einer professionellen Interpretation der Befunde, können im Zusammenhang mit der Untersuchung von Gewaltopfern auch wissenschaftlich verwertbare Daten zu Art, Entstehung, etc. erhoben werden. Im Rahmen solcher wissenschaftlicher Bemühungen können auch Daten dazu erhoben werden, wer die Opfer der Ambulanz zuweist bzw. ob ggf. Zeitungen, Medienberichte, Empfehlungen, Flyer, etc. dazu geführt haben, Kontakt mit der Ambulanz aufzunehmen. Methoden. Ausgewertet wurden sämtliche Untersuchungen von Opfern, die 18 Jahre oder älter waren und sich in dem Zeitraum von April 2010 bis zum April 2014 in der forensischen Opfer-Schutz-Ambulanz des Institutes für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz vorgestellt haben. Die Auswertung der Akten erfolgt unter Zuhilfenahme eines eigens kreierten Erhebungsbogens. Zahlreiche Daten wurden erhoben (biometrische Daten der Opfer; Grund der Vorstellung; auf wessen Initiative; welche Gewaltform; etc.). Die statistische Auswertung der Daten erfolgt mittels SPSS. Ergebnisse. In einem 4-Jahres-Zeitraum von April 2010 bis April 2014 wurden in der forensischen Opfer-Schutz-Ambulanz in Mainz insgesamt 309 körperliche Untersuchungen von Gewaltopfern durchgeführt, davon waren 86 männliche und 223 weibliche Gewaltopfer, welche weiterhin nach verschiedenen Gesichtspunkten aufgeschlüsselt und analysiert werden. Schlussfolgerungen. Neben einer Vielzahl weiterer Interpretationsmöglichkeiten der erhoben Daten zeigt sich, dass wir über die letzten Jahre eine stetige Fallzahl an Untersuchungen von Opfer nach einer Gewalt zu verzeichnen haben. Die Wahrnehmung unserer Ambulanz liegt sicherlich in unserer regionalen und überregionalen Präsenz, im Rahmen von Fachbeiträgen, Broschüren, etc. auf unsere Untersuchungsmöglichkeiten hinzuweisen und insofern Gewaltopfer zu sensibilisieren, ihre Verletzungen professionell und gerichtsverwertbar dokumentieren zu lassen.
V69 Medizinische Aspekte in Ermittlungsverfahren bei häuslicher Gewalt T. Hunold, S. Drobnik, G. Mall, H. Muggenthaler, M. Hubig Institut für Rechtsmedizin, Uni Jena, Medizin, Jena, Deutschland
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Einleitung. Im Rahmen eines Forschungsprojektes erfolgte eine umfassende Datenerhebung zu Körperverletzungsdelikten im Rahmen häuslicher Gewalt und eine anschließende Ergebnisanalyse unter Fokussierung auf die medizinischen Aspekte. Methoden. Ausgewertet wurden insgesamt 1500 Akten der 4 thüringischen Staatsanwaltschaften aus dem Jahr 2009. Anhand eines ausführlichen Fragebogens wurden Daten bezüglich allgemein fallbezogener, juristischer, sozialer und medizinischer Aspekte erfasst. Im Anschluss daran erfolgte die Eingabe der Daten in eine eigens hierfür entwickelte Datenbank. Die statistische differenzierte Auswertung erfolgte unter Fokussierung auf die (rechts-) medizinisch relevanten Daten. Ergebnisse. Es erfolgte eine medizinische Verletzungsdokumentation in 337 Fällen (22,4 %). Dabei wurden in 52 Fällen die/der Beschuldigte sowie in 285 Fällen die/der Geschädigte einer ärztlichen Untersuchung oder polizeilichen Verletzungsbeschreibung zugeführt. Die Befunderhebung wurde dabei ohne erkennbaren einheitlichen medizinischen Standard durchgeführt. Ein rechtsmedizinisches Konsil wurde nur in 8 Fällen in Anspruch genommen. Nur in 7 Fällen wurde ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Verletzungsdokumentation in einem Gerichtsverfahren der Beweisaufnahme zugeführt. Schlussfolgerungen. Die Arbeit dient sowohl der quantitativen als auch qualitativen Beurteilung der ärztlichen Befunddokumentation bei Geschädigten und Beschuldigten sowie der Abschätzung des Einflusses der medizinischen Dokumentation auf den weiteren juristischen Werdegang. Das Ziel der Arbeit ist ferner die Erhebung eines medizinischen Standards für die forensische Befunddokumentation in Thüringen, im Sinne einer geeigneten Formvorlage für die ambulanten und klinisch tätigen Ärzte.
V70 Der Einfluss des Widerlagers bei stumpfer Gewalt S. Axmann1, L. Siegenthaler1, M. Glardon1, C. Schyma1, B.P. Kneubuehl1,2 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Bern,
Schweiz; 2bpk consultancy gmbh, Thun, Schweiz
Einleitung. Bei der Einwirkung von stumpfer Gewalt auf den menschlichen Körper ist neben der kinetischen Energie des auftreffenden Objektes selbst das Verhältnis von dessen Masse zur Auftreffgeschwindigkeit für das Ausmaß der Verletzung maßgebend. In dieser Arbeit wird gezeigt, dass die Eigenschaft des Widerlagers, auf welchem das getroffene Objekt während der Gewalteinwirkung liegt, die Schwere der Verletzung ebenfalls direkt beeinflusst, weil das Objekt durch das Widerlager die Möglichkeit erhält der Gewalteinwirkung in Bewegungsrichtung nachgeben zu können. Die übertragene Energie wird somit nicht vollständig in Verformung und Zerstörung umgewandelt, sondern teilweise in Bewegung überführt. In der Praxis stellt sich deshalb die Frage, ob ein Schlag auf den Kopf einer im Bett liegenden Person bei gleicher Energie ein anderes Verletzungsmuster zur Folge haben kann, als bei einer auf hartem Untergrund liegenden Person. Methoden. Mittels eines Fallturms wurde ein Stahlbolzen auf mit Gelatine gefüllte Polyurethankugeln (Schädelmodell), welche auf einem speziell für diese Versuchsreihen konstruierten Federtisch positioniert wurden, fallen gelassen. Die kinetische Energie des Bolzens wurde bei allen Fallversuchen konstant gehalten, resultierte jedoch aus unterschiedlichen Gesamtmassen (Beschwerung des Stahlbolzens) und Auftreffgeschwindigkeiten (Variation der Fallhöhe). Der Stahlbolzen wurde mit einer Energie von 30 J und einer Gesamtmasse von jeweils 2, 4 und 8 kg aus der entsprechenden Höhe auf die Schädelmodelle fallen gelassen. Die Versuche wurden unter Verwendung unterschiedlich starker Federn wiederholt, um den Einfluss des Widerlagers in Kombination mit dem Geschwindigkeitseinfluss zu untersuchen. Ergebnisse. Der Vergleich der an den Polyurethankugeln erzeugten Zerstörung untereinander zeigt, dass der Einfluss der Geschwindigkeit auch
bei Variation des Widerlagers die Schwere der Verletzung bestimmt, wobei diese jedoch wiederum durch Veränderung des Widerlagers in ihrer Ausprägung beeinflusst wird. Schlussfolgerungen. Das Ausmaß einer durch Einwirkung von stumpfer Gewalt entstehenden Verletzung hängt von der Energie des auftreffenden Objektes, dem Geschwindigkeitseinfluss und der Beschaffenheit des Widerlagers ab, wobei das Ausmaß der Verletzung nicht auf die verursachende Situation schließen lässt.
V71 Rekonstruktion eines Tötungsdelikts durch Infrarot-Fotografie V. Sterzik, M. Bohnert Institut für Rechtsmedizin, Würzburg, Deutschland Einleitung. Eine 30-jährige Frau wurde tot in der Wohnung ihres Ex-Lebensgefährten gefunden, nachdem Nachbarn Schreie gehört hatten. Der Mann selbst hatte die Polizei verständigt und angegeben, er und seine Freundin seien in der gemeinsamen Wohnung überfallen worden. Er wies 3 Bauchstiche, einen Stich in den Unterschenkel und mehrere oberflächliche Schnittverletzungen auf. Die junge Frau verstarb aufgrund stumpfer und scharfer Gewalteinwirkung. Am Tatort wurden mehrere herumliegende Kleidungsstücke sichergestellt. Methoden. Es wurde eine Blutspurenmusterverteilungs-Analyse am Tatort und an der Bekleidung beauftragt. Da die Blutspuren auf den teils schwarzen Kleidungsstücken mit bloßem Auge nur unzureichend zu erkennen waren, wurde die Begutachtung im nahen infraroten Wellenlängenbereich durchgeführt. Zum Einsatz kamen dabei eine für Infrarotaufnahmen geeignete Spiegelreflexkamera sowie eine Infrarotlichtquelle. Ergebnisse. Die dunklen Kleidungsstücke reflektierten das Infrarotlicht und erschienen daher hell, während sich die Blutspuren aufgrund von Lichtabsorption dunkel zeigten. Aufgrund des deutlichen Kontrastunterschieds konnten die Blutspuren auf den Kleidungsstücken dargestellt und bewertet werden. Es zeigten sich an der Kleidung des Mannes neben Durchtränkungen und Kontaktspuren massenhaft teils kleinste Spritzspuren. Rekonstruktiv besonders bedeutsam waren Spritzspuren an der Innenseite einer Hose sowie an einer Sturmhaube. Schlussfolgerungen. Die Spuren belegten, dass die Bekleidungsstücke bei der Tatausführung getragen worden waren. Der Mann wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
V72 Direkt oder indirekt – zur Nachweissicherheit von Blutdoping R. K. Müller1, L. Mortsiefer2 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland, 2Nationale Dopingagentur Deutschland (NADA), Bonn, Deutschland
„Blutdoping“ oder noch allgemeiner die Manipulation des Sauerstofftransfers im Organismus von Athleten stellen ein komplexes Problem dar, und der Vielfalt von Wegen dazu steht natürlich auch eine Vielzahl von Nachweisoptionen gegenüber. Die Praxis der Dopingkontrolle zeigt außerdem, dass außer der Befunderhebung auch die Bewertung von Analysenergebnissen den Ausgang von Missbrauchsfällen entscheiden kann. Verboten als Doping im Sport sind in diesem Zusammenhang nach der aktuell gültigen Verbotsliste der WADA unter den 12 Substanz- und 3 Methodengruppen (etwas vereinfacht) folgend jeweils mit Anstrichen versehen: 55Die Infusion von Blut oder Erythrocytenpräparaten in jeder Form 55Die Verabreichung Erythropoese-stimulierender Agentien 55Jede Form intravaskulärer Manipulation des Blutes oder von Blutbestandteilen durch physikalische oder chemische Maßnahmen 55Künstliche Erhöhung der Aufnahme, des Transports oder der Verwertung von Sauerstoff, – einschließlich jedoch nicht beschränkt auf
Perfluoroverbindungen, Efaproxiral und modifizierte Hämoglobinprodukte, – außer Sauerstoffergänzung. Hauptmotiv dieses Verbots ist – abgesehen von den unterschiedlichen Risiken – die Aufrechterhaltung der Chancengleichheit im Leistungssport, die von den verbotenen Maßnahmen potentiell beeinträchtigt würde. Relativiert wird dieser Verbotskanon allerdings bereits vom Grund her, da sowohl physiologische Aberrationen der körpereigenen Parameter (z. B. konnatal als auch durch Aufenthalt in größerer Höhe erhöhte Hämoglobinwerte) der Wettbewerbsteilnahme im Spitzensport nicht entgegenstehen. Bisher gilt das sogar auch für die technisch bewirkte Zunahme von Erythrocyten und Hämoglobin (Hypoxietraining). Bei strittigen Konstellationen – wie bei einem kürzlichen spektakulären Einzelfall in Deutschland – spielt außer den Nachweisproblemen im Einzelnen schon die unterschiedliche Wertung „direkter“ und „indirekter“ Nachweise eine Rolle, wobei aus naturwissenschaftlicher Sicht bereits die Wortwahl hinterfragt werden kann.
V73 In vitro Untersuchungen zum Phase-II-Metabolismus von Ethanol N. Stachel, G. Skopp Institut für Rechts-und Verkehrsmedizin, Toxikologie, Heidelberg, Deutschland Einleitung. Ethylglucuronid (EtG) und Ethylsulfat (EtS) als „minor metabolites“ des Ethanolstoffwechsels werden als Alkoholkonsummarker bei forensischen, klinischen und verkehrsmedizinischen Fragestellungen eingesetzt. Aus kontrollierten Trinkversuchen ergeben sich interindividuelle Schwankungen in den Bildungsraten, die bisher nicht erklärt werden können. Untersuchungen zu den an der Konjugation beteiligten Enzymen, den hepatischen Uridinglucuronosyltransferasen (UGT) und den cytosolischen Sulfotransferasen (SULT), sind unvollständig. Es gibt keine Untersuchungen, ob und in welchem Ausmaß die Bildung durch Nahrungsmittelinhaltsstoffe beeinflusst wird. Methoden. Zunächst wurden die Bildungsraten von EtG und EtS in rekombinanten Enzymen bestimmt, gefolgt von der Analyse der Kinetiken. Als potentielle Inhibitoren wurden die polyphenolischen Nahrungsmittelinhaltsstoffe Quercetin, Kämpferol und Resveratrol untersucht. Die gleichzeitige Durchführung der Versuche mit humanen Lebermikrosomen (HLM) und humanem Lebercytosol (HLC) erleichtert die in vitroin vivo Korrelation. Diese Bewertung erfolgt über geeignete Beurteilungsmodelle. Die Analyse erfolgte bei EtG nach Festphasenextraktion, bei EtS direkt mittels LC-MS/MS. Ergebnisse. Alle getesteten Präparationen produzierten EtG bzw. EtS mit maximaler Glucuronidierungsrate für HLMs und maximaler Sulfonierungsrate für SULT1A1. Die ermittelten Kinetiken folgten der klassischen Michaelis-Menten Gleichung. Quercetin und Kämpferol hemmten die EtG- und EtS-Bildung aller untersuchter Enzyme, ausgenommen UGT2B15. Resveratrol hemmte die Glucuronidierung in UGT1A1, UGT1A9 und den HLMs. Die Sulfatierung wurde für alle SULTs und im HLC durch Resveratrol inhibiert. Die Hemmung war meist reversibel und kompetitiv. Ausnahmen waren Quercetin bezüglich UGT2B7 und SULT2A1 und Kämpferol bezüglich SULT1E1 und SULT2A1 bei irreversiblem, metabolisch-aktiviertem Hemmtyp. Schlussfolgerungen. Die angewandten Beurteilungsmodelle, wie die Veränderung der AUC, legen nahe, dass die Polyphenole, neben den bekannten Polymorphismen, in beiden Enzymfamilien die Elimination von Ethanol als EtG und EtS beeinflussen. Das Ausmaß dieser Beeinflussung soll durch weitere Versuche, wie z. B. Trinkstudien unter kontrollierter Nahrungsaufnahme, genauer analysiert werden.
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Abstracts V74 Untersuchung des Zusammenhangs zwischen THC-Konzentration im Blut und zerebralem Glukosemetabolismus im Rattenhirn K. Uebbing1, I. Miederer2, J. Röhrig1, S. Maus2, N. Bausbacher2, M. Schreckenberger2, R. Urban1 1Universitätsmedizin, Rechtsmedizin, Mainz, Deutschland,
2Universitätsmedizin, Nuklearmedizin, Mainz, Deutschland
Einleitung. Cannabis gilt als die am häufigsten konsumierte Droge, über dessen mögliche Legalisierung immer wieder diskutiert wird. Während für Alkohol anhand der umfangreichen Datenlage definierte Grenzwerte festgelegt wurden, gibt es derzeit für illegale Drogen wie Cannabis keine analogen Werte. Vor diesem Hintergrund wurde die Auswirkung der psychoaktiven Komponenten von Cannabis auf den regionalen zerebralen Glukosemetabolismus im Rattenhirn mithilfe der Positronen-EmissionsTomographie (PET) untersucht. Methoden. Das Kollektiv umfasste insgesamt 29 Sprague-Dawley Ratten (m, 12 W) die in zwei Teilstudien untersucht wurden. In der ersten Teilstudie erhielten jeweils 6 Ratten eine Dosis von 0,001 mg/kg Dronabinol und 0,01 mg/kg Dronabinol. 12 arterielle Blutproben wurden über einen Zeitraum von 70 min entnommen. Mit LC-MS/MS wurden die Konzentrationen von THC, THC-OH, THC-COOH im Blutserum ermittelt. In einer weiteren Teilstudie mit PET erhielten 6 Subgruppen unterschiedliche Dosen Dronabinol (0,0; 0,01; 0,05; 0,1; 0,5; 1,0 mg/kg). 15 min nach der Verabreichung wurde der Tracer 2-18Fluor-2-desoxy-D-glucose (18FFDG) injiziert und über einen Zeitraum von 70 min das radioaktive Signal mit PET gemessen. 45 min nach Messbeginn wurde jeweils eine arterielle Blutprobe abgenommen und mit LC-MS/MS die Konzentrationen von THC, THC-OH, THC-COOH im Serum bestimmt. Ergebnisse. Die THC-Konzentrationen erreichten ein Maximum jeweils nach ca. 90 s. Bei einer Dosis von 0,001 mg/kg Dronabinol betrug die maximale THC-Konzentration im Mittel 4 ng/ml, bei 0,01 mg/kg Dronabinol 80 ng/ml. Nach Erreichen des Maximums fiel die Kurve exponentiell ab und erreichte nach ca. 15 min bis zum Ende der Messung Mittelwerte für die THC-Konzentration < 0,5 ng/ml und < 10 ng/ml im Blut. In der PET-Studie gingen Dronabinol-Dosen von 0,001 bis 0,1 mg/kg mit THC-Konzentrationen bei 45 min p.i. < 5 ng/ml im Blut einher und zeigten keine deutliche Veränderung der Radioaktivitätskonzentration in den Hirnregionen. Hingegen ergaben Dronabinol-Dosen von 0,5 und 1,0 mg/ kg 45 min p.i. im Mittel THC-Konzentrationen von 29 und 46 ng/ml im Blut und zeigten eine deutliche Erhöhung der Radioaktivitätskonzentration. Die THC-Konzentration im Blut und die Radioaktivitätskonzentration in den Hirnregionen korrelierten stark (Spannweite r = 0,7 bis 0,8). Schlussfolgerungen. Dronabinol-Dosen < 0,1 mg/kg mit THC-Konzentrationen < 5 ng/ml zeigen im PET keinen deutlichen Effekt. Eine Aktivierung des regionalen zerebralen Glukosemetabolismus im Rattenhirn konnte bei Dronabinol-Dosen ≥ 0,5 mg/kg, die mit THC-Konzentrationen von > 29 ng/ml im Blut einhergingen, beobachtet werden.
V75 Trunkenheit im Straßenverkehr im fortgeschrittenen Lebensalter B. Kirsch, R. Dettmeyer, H. Wollersen Institut für Rechtsmedizin, Uniklinikum Gießen und Marburg, Gießen, Deutschland Einleitung. Die demographische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zeigt einen stetigen prozentualen Anstieg der im Seniorenalter befindlichen Bevölkerungsgruppe. Daher besteht ein großes Interesse bezüglich der Fahreignung von älteren Menschen, da Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen durch die altersbedingt erhöhte Morbidität beeinflusst sein können. Auch der Einfluss von Alkohol auf die Fahrsicherheit verdient in dieser Altersgruppe ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit, bedenkt man den Einfluss von körperlicher Konstitution und gegebenenfalls bestehender Medikation auf die Alkoholtoleranz.
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Es soll eine detaillierte Übersicht der rechtlichen und medizinischen Begleitumstände und Konsequenzen von Trunkenheitsfällen im Straßenverkehr durch Verkehrsteilnehmer im fortgeschrittenen Lebensalter gewonnen werden. Methoden. Hierzu wurden retrospektiv 26395 Blutalkoholuntersuchungen und die dazugehörigen Protokolle und Polizeiberichte aus den Jahren 2009–2013 aus dem Zuständigkeitsbereich des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Gießen analysiert. Es fand sich ein Kollektiv aus insgesamt 558 Fällen beiderlei Geschlechts im Alter von 70 Jahren und älter. Ergebnisse. Aus diesen konnten 404 Fälle von Trunkenheit im Straßenverkehr beim Führen eines Kraftfahrzeuges ermittelt werden, von denen sich 12 Fälle im Bereich unter 0,3 Promille, 26 zwischen 0,3 und 0,5 Promille, 130 zwischen 0,5 und 1,1 und 236 über 1,1 Promille befanden. Unter den untersuchten Fällen fanden sich 171 Verkehrsstraftaten und 196 Verkehrsunfälle. Die Auswertung der medizinischen Untersuchungsprotokolle ergab, dass in 46 % der Fälle Störungen des Gangbildes, in 34 % Störungen des Gleichgewichtes und in 42 % Ausfälle des Koordinationsvermögens vorlagen. Im Vergleich mit der Gruppe der Personen im Alter unter 70 Jahren zeigte sich beim untersuchten Kollektiv eine prozentuale Gewichtung zu niedrigeren Promillewerten hin. So befanden sich 5,3 % der Unter-70-Jährigen im Bereich unter 0,5 Promille, während hier 8,5 % der Über-69-Jährigen liegen. Zwischen 0,5 und 1,1 Promille stehen die 18,1 % der U70er den 29,2 % des Ü69-Kollektivs gegenüber. Im Bereich zwischen 1,1 und 2,0 Promille sind die beiden Gruppen mit 46,3 % (U70) und 42,3 % (Ü69) prozentual annähernd gleich aufgestellt, während sie bei Promillewerten über 2,0 mit 24,4 % (U70) und 10,8 % (Ü69) wieder deutlich differieren. Schlussfolgerungen. Auf Grund der überraschend hohen Anzahl der Trunkenheitsfälle im Seniorenalter im Betrachtungszeitraum erscheint eine detaillierte Analyse der die Trunkenheitsfahrt begleitenden Faktoren als unumgänglich, um eine Grundlage für die Risikoeinschätzung von Verkehrsteilnehmern im Seniorenalter zu schaffen.
V76 Zur Fahrsicherheit von Fahrradfahrern unter Cannabiseinfluss B. Hartung1, N. Mindiashvili1, F. Hellen2, A. Grieser3, E. Roth4, H. Schwender5, S. Ritz-Timme1, T. Daldrup1 1Universität, Rechtsmedizin, Düsseldorf, Deutschland, 2Universität, Psychiatrie, Düsseldorf, Deutschland, 3Universität, Anästhesiologie, Düsseldorf, Deutschland, 4Augenzentrum Friedrichstadt, Düsseldorf, Deutschland, 5Universität, Mathematik, Düsseldorf, Deutschland
Einleitung. Zur Untersuchung der Frage nach der Fahrsicherheit von Fahrradfahrern unter Einfluss von Cannabis wurden praktische Fahrversuche und begleitende ärztliche Untersuchungen, incl. augenärztlicher Untersuchungen und Testungen der Aufmerksamkeit, durchgeführt. Für die Versuche lag ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission vor. Methoden. Die Versuche fanden am 12.04.15 auf nichtöffentlichem Testgelände statt. Es nahmen 14 Probanden (regelmäßige Cannabiskonsumenten; 12 männlich, 2 weiblich) an den Versuchen teil. Alle Fahrten erfolgten mittels spezieller Sicherheitsfahrräder mit Fahrradhelmen sowie vollständiger Motorradschutzausrüstung unter gleichzeitigem Versicherungsschutz. Nach einem Einfahrvorgang im Nüchternzustand und Feststellung der nüchternen Ausgangswerte für die ärztlichen Untersuchungen konnte jeder Proband ad libidum maximal 3 Joints mit körpergewichtsadaptiertem THC-Gehalt (300 µg THC/kg KG) nach festgelegtem Inhalationsschema konsumieren. Zum Einsatz gelangte hierbei niederländisches Medizinalhanf (Bedrocan®). Nach jedem Joint sowie etwa 2 h nach Beendigung des Konsums erfolgte jeweils eine weitere vollständige Testreihe. Ergebnisse. Der Versuchsaufbau und die wesentlichen Ergebnisse sollen hier im Hinblick auf ihre verkehrsmedizinische Relevanz vorgestellt werden.
Schlussfolgerungen. Schlussfolgerungen können erst nach Abschluss der laufenden Datenauswertungen gezogen werden.
V77 Retrospektive Analyse von Todesfällen durch Amphetamin- oder Ecstasy-Konsum K. Wöllner, F. Mußhoff, C. Hess, B. Madea Institut für Rechtsmedizin Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Synthetische Amphetamine wie 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, Ecstasy) wurden aufgrund ihrer euphorisierenden und stimmungsaufhellenden Wirkungen zu Modedrogen in Deutschlands Diskoszene. Methoden. In den Jahren 2009 bis 2015 wurden insgesamt 18 Fälle (15 männlich, 3 weiblich, Altersdurchschnitt 33,7 Jahre) aus dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn bekannt, bei denen der Konsum von Amphetamin oder synthetischen Amphetaminen todesursächlich gewesen ist oder mit zum Tod geführt hat. Ergebnisse. Die toxikologischen Untersuchungen bestätigte in allen Fällen die akute Einnahme von Amphetaminen vor dem Tod. Die feingeweblichen Untersuchungen zeigten häufig Veränderungen der Herzmuskulatur im Sinne Myokardhypertrophie oder -nekrosen sowie in weniger Fällen Anzeichen einer akuten Leberschädigung. Nach dem Konsum von Amphetaminen kann es zu akuten und chronischen Hepatopathien, Gerinnungsstörungen, Rhabdomyolyse, Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen, plötzlichem Herztod, arterieller Hypertonie, Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes und zur Entwicklung einer aplastischen Anämie kommen. Schlussfolgerungen. Amphetamin sowie synthetische Amphetamine tragen vor allem bei vorgeschädigten Herzen häufig mit zum Todesgeschehen bei, auch wenn die bestimmte Amphetamin-Konzentration nicht im letalen Bereich liegt. Verschiedene Fallkonstellationen werden, vor allem in Hinblick auf toxikologische sowie feingewebliche Untersuchungen, vorgestellt.
V78 Gewebepresssaft als alternatives Untersuchungsmaterial in der Post-mortem-Analytik O. Temme, T. Kroll, T. Daldrup Institut für Rechtsmedizin, Chemisch-Toxikologische Abteilung, Düsseldorf, Deutschland Einleitung. Bei Suchanalysen auch in der Postmortem-Analytik ist aufgrund der geringen Matrixbelastung und des in der Regel größeren Zeitfensters bezüglich einer Substanzaufnahme Urin das Untersuchungsmaterial der Wahl. In Fällen, in denen kein Urin asserviert werden kann, muss auf andere Untersuchungsmaterialien zurückgegriffen werden. Als vorteilhaft erweist sich hier die Verwendung von Probenmaterial, das ebenfalls wenig matrixbelastet ist bzw. durch verlustarme Aufarbeitungsschritte matrixbereinigt werden kann. Ein gebräuchliches Untersuchungsmaterial ist der Presssaft aus Nierengewebe, dessen Gewinnung jedoch äußerst unterschiedlich gehandhabt wird. Die Spannweite der so benannten Untersuchungsmaterialien reicht von Abtropfflüssigkeit bis zu Gewebehomogenisat. Methoden. Die vorliegende Arbeit beschreibt eine einfache Methode zur Gewinnung eines aufschlussfreien Gewebepresssafts (hier aus Nieren), der – Urin vergleichbar – direkt verwendet oder nach einer Standard-Extraktion in verschiedenen Analysengeräten Screenings unterzogen werden kann. Hierzu wird ein Gewebestück (200–300 mg) zwischen zwei Objektträgern, die mit Filterpapierstücken (Trockenpapier Whatman Typ 556) belegt und mit Bleigewichten beschwert werden, kurze Zeit gepresst.
Das verwendete Filterpapier wurde direkt nach Zugabe von Wasser und Puffer einer Flüssig-Flüssig-Extraktion unterzogen. Ergebnisse. Je nach Feuchte der verwendeten Nieren konnten in den Versuchen ca. 50–70 % des Ausgangsgewichts als Presssaft dem Gewebe entzogen werden. Die so gewonnenen Extrakte zeigten bei einem Screening mittels LCMS im Scan-Modus eine gute Übereinstimmung zu gleich extrahierten und analysierten Urinproben der jeweils identischen Sektionsfälle. So wurden beispielsweise Benzodiazepine (Diazepam + Metabolite), tricyclische Antidepressiva (Amitriptylin, Doxepin), weitere Medikamentenwirkstoffe (Metamizol, Etoricoxib, Doxylamin) und Betäubungsmittel bzw. Begleit- und Ersatzstoffe (Amphetamin, MDMA, Codein, Methadon) gleichermaßen in beiden Ansätzen gefunden. Derzeitige Untersuchungen an weiteren Gewebearten werden Aussagen über die Verwertbarkeit dieser Presssäfte als Alternative zu den jeweiligen Gewebehomogenisaten ermöglichen. Schlussfolgerungen. Die vorgestellte Methode führt bei einfacher Handhabung ohne spezielle Hilfsapparaturen zu einem Gewebepresssaft, der aufgrund der sehr geringen Matrixbelastung wie Urin eingesetzt werden kann.
V79 Vollrausch durch Alkohol – oder Beeinflussung durch γ – Hydroxybuttersäure (GHB)? H. Steinecke1, H. Hunger2, G. Liebetrau3, H. Hentschel3 1Erfurt, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland, 3Gemeinsames Giftinformationszentrum, c/o HELIOS Klinikum Erfurt, Erfurt, Deutschland
Einleitung. Ein niedergelassener Rechtsanwalt wurde eines fahrlässigen alkoholischen Vollrausches für schuldig befunden. Die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil wurde verworfen. Gegen Ende einer Party wurde der Angeklagte von mehreren Zeugen als scheinbar volltrunken geschildert (torkelnder Gang, lallende Sprache). Methoden. BAK zum Entnahmezeitpunkt: 7.00 Uhr: I 1,59 ‰ 7.30 Uhr: II 1,47 ‰ Mindestwert zum Vorfallszeitpunkt: 1,61 ‰. Höchstwert zum Vorfallszeitpunkt: 2,21 ‰. GHB – Konzentration in Blutprobe I: 3,1 µg/ml. Screening auf Drogen im Urin: negativ. Zur Einschätzung des Verhaltens des Angeklagten zum Vorfallszeitpunkt (Entführung eines Polizeifahrzeuges) wurde eine BAK von 2,0 bzw. 1,8 ‰ zugrunde gelegt. Die GHB – Konzentration im Blut wurde bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt. Ergebnisse. In den folgenden sechs Revisionsverhandlungen konnte der als Gutachter tätige Referent das Gericht – entgegen der Meinung von zwei weiteren Gutachtern – davon überzeugen, dass es sich bei der GHB – Konzentration von 3,1 µg/ml im Blut des Angeklagten nicht um einen endogenen oder in vitro aufgebauten GHB-Spiegel handelt, sondern dieser auf Grund exogener Zufuhr entstanden sein muss. Der Angeklagte wurde daraufhin freigesprochen. Im Vorfeld und während der Verhandlungen fand ein reger wissenschaftlicher Meinungsstreit statt, der auch durch mehrere Veröffentlichungen dokumentiert wurde [1–3]. Literatur 1. Steinecke H (2007) Beitrag zur Bewertung von γ -Hydroxybuttersäure (GHB) – Konzentrationen im Blut lebender Personen sowie in postmortalen Blutproben. Toxichem + Krimtech 74(3):150–154 2. K ühnle R (2008) Besteht Veranlassung, den Entscheidungswert zur Differenzierung von endo-/exogener GHB – Blutspiegel auf 1 µg/ml abzusenken? Toxichem + Krimtech 75(1):15 3. Steinecke H (2008) Es besteht Veranlassung, den Entscheidungswert zur Differenzierung endo-/exogener GHB – Blutspiegel auf 1 µg/ml abzusenken! Toxichem + Krimtech 75(2):80–82
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Abstracts V80 Tödliche Koffeinintoxikation J. Sidlo1, A. Kovacs1, L. Niznansky1, H. Sidlova2, D. Valent1, J. Sikuta1
Schlussfolgerungen. Mit dieser computergestützten Methodik wird eine deutliche Zeit- und Resourcenersparnis erreicht. Desweiteren sind ohne Zwischenschritte automatische Suchen in Datenbanken von vermissten Personen möglich.
1Comenius Universität und Amt für die Aufsicht über die
Gesundheitsfürsorge, Institut für Rechtsmedizin, Bratislava, Slovakai, 2Institut für Pathologie, Slowakische Gesundheits-Universität und Cytopathos GmbH, Bratislava, Slovakai Einleitung. Koffein ist ein natürliches Xanthinalkaloid, das als Stimulans des Zentralnervensystems wirkt. Der Missbrauch von Koffein durch übermäßigen Konsum von Energy Drinks oder koffeinhaltige Getränke ist relativ häufig. Trotzdem sind Todesfälle aufgrund einer Koffeinintoxikation in der Literatur relativ selten beschrieben. In der vorliegenden Arbeit wird der Fall eines 26-jährigen Mann dargestellt, der offensichtlich in suizidaler Absicht reines Koffeinpulver aufgenommen hat. Methoden. Kasuistik Die Leiche eines Mannes wurde in seinem Zimmer in der Wohnung seiner Mutter aufgefunden, nachdem er nicht zur Arbeit erschienen war. Auf dem Tisch befanden sich ein Beutel mit weißem Pulver mit der Aufschrift „Koffein, 100 g…“, eine Karte mit dem Schriftzug „Ich war das nicht…“, eine PIN und eine Kreditkarte. Methoden. Nach der Obduktion wurden umfangreiche mikroskopische und toxikologische Untersuchungen durchgeführt. Das Pulver wurde am Institut für Kriminaltechnik analysiert. Ergebnisse. Bei der toxikologischen Untersuchung wurde Koffein in einer Konzentration von 362 µg/ml im Blut und von 187 µg/ml im Urin festgestellt. Die makroskopischen und mikroskopischen Untersuchungen ergaben keine pathologischen Veränderungen, die todesursächlich sein könnten. Bei der Analyse des Pulvers fand sich 100 % reines Koffein. Somit ergab sich als Todesursache ein Herzstillstand durch die Arrhythmie. Schlussfolgerungen. Die im Blut des Verstorbenen beobachtete Konzentration von Koffein war dreimal so hoch wie die in der Literatur bei einer Monointoxikation minimal als tödlich bezeichnete Koffeinkonzentration. Aufgrund der Auffindungssituation und der Todesumstände ist davon auszugehen, dass Koffein in suizidaler Absicht aufgenommen wurde.
V81 Rolle von Ontologie und Semantik im Prozess der computergestützten Weichteilrekonstruktion D. Labudde Hochschule Mittweida – University of Applied Sciences, Forensic Science Investigation Lab (FoSIL), Mittweida, Deutschland Einleitung. Ontologie und Semantik spielen in den Lebenswissenschaften und der Medizin eine wichtige Rolle und ermöglichen eine effiziente Integration, Auswertung und Visualisierung von Daten aus verschiedenen Gebieten. Der Prozess der computergestützten Schädelweichteilrekonstruktion lässt sich ebenfalls durch die Nutzung von Ontologie und Semantik, die in den Kontext der forensischen Fallarbeit eingeordnet werden können, darstellen und so effizienter abbilden. Methoden. In dieser Arbeit wird ein vollständiges Konzept, bestehend aus einer Ontologie und Semantik für die computergestützte Weichteilrekonstruktion vorgestellt und am Beispiel der Software AVATAR (A Victim Analysis Toolbox for Anatomic Reconstruction) demonstriert. Im Programm werden neuartige Merkmalsbibliotheken verwendet, welche eine höhere Individualisierung ermöglichen und in die zugrundeliegende Ontologie integriert sind. Ergebnisse. Im Vortrag wird der Schädel eines teilskelettierten (unbekannten) Leichnams vollständig rekonstruiert und eine Möglichkeit aufgezeigt, das Resultat in Datenbanken suchen zu lassen. AVATAR ist eine selbstentwickelte Software, welche verschiedene Open Source-Softwarepakete integriert. Mit der vorgestellten Softwaresuite ist eine vollständige Weichteilrekonstruktion innerhalb von 48 h möglich.
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V82 Stabilisotopenanalysen an Haaren von unbekannten Toten zur Darstellung individueller Lebensumstände in den letzten Lebenswochen und -monaten C. Lehn1, A. Roßmann1,2, M. Graw1 1Dept. of Forensic Medicine, München, Deutschland, 2isolab Gmbh,
Laboratorium für Stabile Isotope, Schweitenkirchen, Deutschland Einleitung. Menschliche Haare wachsen etwa 1 cm pro Monat und enthalten, abhängig von ihrer Länge, Informationen über die Lebensbedingungen von Individuen während der letzten Lebenswochen oder -monate. Mittels Stabilisotopenanalysen der Bioelemente (H, C, N, S) lassen sich geographische Aufenthaltsorte von Personen ermitteln, da über die Herkunft und die Zusammensetzung der Nahrung entsprechende regionalspezifische Isotopensignaturen im Haarkeratin abgebildet werden. Haarstränge von Personen können in Abschnitte von wenigen Millimetern segmentiert werden, um Informationen über kurze Lebenszeiträume von etwa 1–2 Wochen zu erhalten. An dem Verlauf der Isotopensignaturen entlang von Haarsträngen sind unter anderem Schwangerschaften, Stillverhalten, Hungerzustände oder Krankheiten von Personen abzulesen. Methoden. Vier junge Soldaten, die für ihre Pilotenausbildung mehrere Monate von Bayern nach Arizona verzogen, rasierten ihre Barthaare in regelmäßigen Abständen. An den Proben wurden Einbaukinetiken verschiedener Nahrungselemente (H, C, N und S) in das Haarkeratin während des Aufenthaltes in den US untersucht. Haarstränge von unbekannten Toten wurden segmentiert und die fortlaufenden Haarabschnitte stabilisotopenanalytisch untersucht. Ergebnisse. Der geographische Ortswechsel von Bayern nach Arizona äußerte sich deutlich in den Isotopenwerten von Kohlenstoff und Schwefel in den Haaren der Probanden. Die Geschwindigkeiten der isotopischen Veränderungen der Elemente waren individuell verschieden. Es konnte gezeigt werden, dass die Isotopensignaturen aus der Nahrung unmittelbar nach dem Verzehr in das Haarkeratin eingebaut werden. Anhand der Ergebnisse der Stabilisotopenanalysen von H-C-N-S an den Haarsträngen von unbekannten Toten konnten nicht nur die geographischen Aufenthaltsorte der Personen, sondern auch Änderungen persönlicher Lebensumstände wie Krankheiten oder Ernährungsverhalten während der letzten Lebensmonate rekonstruiert werden. Nach Identifizierung der Toten konnten die polizeilichen Ermittlungen die Aussagen der Isotopengutachten bestätigen. Schlussfolgerungen. An Haaren von Toten, die den jüngsten Haarwurzelabschnitt enthalten, können geographische Ortswechsel erkannt werden, die nur wenige Tage vor dem Tod stattgefunden haben. Nicht nur die Ermittlung der geographischen Aufenthaltsorte von Personen, sondern auch die Feststellung individueller Lebensbedingungen in den letzten Wochen oder Monaten vor dem Tod, speziell Veränderungen durch mögliche Krankheiten oder Ernährungsumstellungen, können wichtige Hinweise auf die Umstände des Todes von unbekannten Personen geben.
V83 Histologische und immunhistochemische Marker des Unterkühlungstodes R. Wagner, E. Doberentz, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Bei Trockenhypothermie findet sich in zwei Dritteln der Fälle mit Kälteerythemen und Magenschleimhauterosionen ein pathognomonisches Befundmuster, das unter Berücksichtigung der Umstände des Falles und weiterer Obduktionsbefunde eine zweifelsfreie Diagnose des Todes durch Unterkühlung erlaubt. Fehlen makroskopische Unterkühlungsbefunde bzw. die pathognomonische Befundkonstellation oder handelt es sich um Fälle von Immersionshypothermie kann die Diagnose des Unterkühlungstodes schwierig sein. Inzwischen wurden mit einer Nierentubulusverfettung sowie der Expression von Hitzeschockproteinen in verschiedenen Organsystemen weitere histologische/immunhistochemische Marker für den Tod durch Unterkühlung erarbeitet. Methoden. An einem Kollektiv von 70 Unterkühlungstodesfällen sowie 61 Fällen einer Kontrollgruppe wurden folgende Färbungen durchgeführt: Immunhistochemischer Nachweis von HSP27 und HSP70 an Herz-, Lungen- und Nierengewebe, Sudanfärbung an Nierengewebe sowie Hämoglobinnachweis nach Okajima an Wischnewski-Flecken und Kälteerythemen, HE-, Eisen-, Azan-, LCA-Färbungen sowie immunhistochemische Färbungen von HSP27 und HSP70 an Hypophysen. Ergebnisse. Höhergradig positive Sudanfärbung an Nierengewebe, die sich vor allen Dingen bei Trockenhypothermie unter Berücksichtigung der Umstände des Falles als wertvoller histologischer Unterkühlungsparameter darstellt und ebenso wie die HSP-Expression eine positive Korrelation mit makroskopischen Unterkühlungsbefunden aufweist. Die Eignung der histologischen/immunhistochemischen Unterkühlungsbefunde wird an ausgewählten Fällen mit makroskopisch spärlichen Hinweisen auf eine Hypothermie dargestellt (z. B. Immersionshypothermie). Schlussfolgerungen. Histologische/immunhistochemische Befunde sind zur Validierung der Diagnose Hypothermie sehr wertvoll.
V84 Forensische Bildgebung im deutschsprachigen Raum – eine Bestandsaufnahme M. Kettner1, F. Ramsthaler2, S. Grabherr3, A. Heinemann4, C. Birngruber5, M. Verhoff1 1Institut für Rechtsmedizin Frankfurt am Main, Forensische Medizin,
Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin Homburg/Saar, Forensische Medizin, Homburg/Saar, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin Lausanne CURML, Forensische Bildgebung, Lausanne, Schweiz, 4Institut für Rechtsmedizin Hamburg, Forensische Medizin, Hamburg, Deutschland, 5Institut für Rechtsmedizin Gießen, Forensische Medizin, Gießen, Deutschland Einleitung. Die forensische Bildgebung ermöglicht durch zumeist radiologische Methoden, rechtsmedizinische Untersuchungen zu ergänzen und eröffnet so neue diagnostische Möglichkeiten, die zunehmend in der rechtsmedizinischen Routine genutzt werden. Die Einführung und Weiterverbreitung der forensischen Bildgebung ist somit ein gemeinsames und interdisziplinäres Ziel. Um dies besser, einfacher und schneller zu erreichen, wurde 2014 eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für forensische Bildgebung (AGFB) im Rahmen der DGRM gegründet. Während ihres 1. Treffens zeigte sich die Notwendigkeit einer Bestandsaufnahme der derzeitigen Verwendung der forensischen Bildgebung in den rechtsmedizinischen Instituten des deutschsprachigen Raums. Dies insbesondere deshalb, da die Gegebenheiten vor Ort die Möglichkeiten der Umsetzung zukünftiger Leitlinien mit bestimmen. Der Überblick über die Modalitäten der Durchführung (beteiligte Mitarbeiter, externe Kooperatio-
nen, Vergütung des Aufwands) bietet eine Grundlage für ein standardisiertes Vorgehen und eine individuelle Investitionsplanung. Methoden. Die erste Befragung erfolgte im Rahmen der ersten Sitzung der AGFB: Die anwesenden Vertreter der Institute wurden gebeten, einen standardisierten Fragenkatalog (Verwendung von Techniken, Durchführungsort, beteiligte Mitarbeiter, Verwendung der erhobenen Daten, Vergütung der Leistung) zu beantworten. Im Nachgang wurden die nicht vertretenen Institute nach demselben Katalog befragt. Ergebnisse. Die Auswertung der Antworten ergab ein in Bezug auf die Verwendung (Gerätebestand, bearbeitete Fragestellungen, Standardisierungsgrad), die Verfügbarkeit (eigene Geräte, externe Geräte, verfügbare Einsatzzeiten), die beteiligten Mitarbeiter (Rechtsmediziner vs. Radiologen, „Einzelkämpfer“ vs. gesamtes Team), die weitere Verwendung der Daten (mündlicher bzw. schriftlicher Bericht des Rechtsmediziners bzw. Radiologen) sowie die Leistungsvergütung (Spektrum rangiert zwischen pro bono und Abrechnung nach GOÄ zzgl. Entschädigung nach JVEG) sehr heterogenes Bild. Schlussfolgerungen. Die Gründe für diese sehr unterschiedlichen Bedingungen und Routinen lassen sich zunächst sicherlich anhand objektiver Kriterien (wie z. B. der unterschiedlichen finanziellen Ausstattung der Institute in D, Ö und der CH, unterschiedliche Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit radiologischen Zentren) nachvollziehen. Zudem führen Schwerpunktsetzungen der wissenschaftlichen Ausrichtung einzelner Institute zu deutlichen Unterschieden der Ausstattung. Die erhobenen Daten werden vorgestellt, kritisch diskutiert und in Bezug zu der derzeitigen Arbeit der AGFB (z. B. Erstellung von Empfehlungen) gesetzt.
V85 Detektion und Differenzierung ischämischer myokardialer Läsionen mittels quantitativem postmortalem 1,5 T MRT unter Berücksichtigung der Leichentemperatur W.- D. Zech1, N. Schwendener1, A. Persson2, M. Warntjes2, C. Jackowski1 1Institut für Rechtsmedizin Bern, Forensische Medizin und
Bildgebung, Bern, Schweiz, 2Center for Medical Image Science and Visualization (CMIV), Linköping, Deutschland
Einleitung. Mittels MR-Quantifizierung der Relaxationszeiten von T1 und T2 sowie der Protonendichte (PD) können ischämische myokardiale Läsionen erkannt werden. Die Abhängigkeit insbesondere der T1 und T2 Werte von Temperatur und Magnetfeldstärke bedingt die Erhebung von quantitativen Daten für unterschiedliche Gewebstemperaturen und Magnetfeldstärken. Das Ziel dieser Studie war es, die quantitativen ischämiespezifischen T1, T2 und PD Werte für eine 1,5T MRT Applikation zu erheben und die Werte mit den Gewebetemperaturen zu korrelieren. Methoden. An 80 forensischen Fällen wurde vor der Obduktion eine 1,5T MRT-Untersuchung mit einer quantitativen Sequenz durchgeführt. Während der MRT-Untersuchung wurde die Körperkerntemperatur des Leichnams gemessen. Die quantitativen T1, T2 und PD Werte von normalem Myokard und ischämischen myokardialen Läsionen wurden in synthetisch generierten Kurzachsenbildern des Herzens gemessen und mit den entsprechenden Gewebstemperaturen sowie den Obduktions- und Histologiebefunden korreliert. Ergebnisse. Es konnten 95 ischämische Läsionen in Obduktion und Histologie nachgewiesen werden (früh akut = 61, akut = 14, subakut = 10, chronisch = 10). Alle akuten, subakuten und chronischen Läsionen konnten visuell im postmortalen MRT (PMMRT) bestätigt und quantifiziert werden. Von den histologisch nachgewiesenen 61 frühakuten Läsionen waren 22 Läsionen (36,1 %) visuell nicht auf den konventionellen PMMRT-Bildern abgrenzbar. Die quantitativen T1 und T2 Werte der konventionell MR-graphisch nicht sichtbaren Läsionen unterschieden sich signifikant von denen des normalen Myokards. Ausserdem zeigte der Anova Test, dass sich die quantitativen Werte aller erfassten Läsionen sowie von normalem Myokard signifikant voneinander unterschieden.
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Abstracts Eine Temperaturkorrektur der quantitativen Werte führte zu geringeren Standardabweichungen und besser Unterscheidbarkeit aller Läsionen. Schlussfolgerungen. Mittels quantitativem postmortalem 1,5 T MRT ist es möglich, ischämische Läsionen unterschiedlichen Alters zu detektieren und zu charakterisieren. Weiterhin können früh akute ischämische Myokardschäden erfasst werden, welche in konventionellen MRT Bildern visuell nicht sichtbar sind. Die Resultate bilden die Basis für eine computerunterstützte Erkennung und Diagnostizierung von ischämischen myokardialen Läsionen.
einteilungen nach Schmeling et al. und Kellinghaus et al. Anwendung. Bei 80 Studienteilnehmern wurden zur Ermittlung des Binnen- und Zwischenbeobachterfehlers die Stadien erneut durch denselben Untersucher sowie unabhängig von einem weiteren erfahrenen Untersucher bestimmt. Ergebnisse. Es werden die statistischen Maßzahlen für die MRT-Untersuchung der Ossifikation der medialen Schlüsselbeinenden bei lebenden Personen präsentiert. Schlussfolgerungen. Die Anwendbarkeit für die Praxis der forensischen Altersdiagnostik wird diskutiert.
V86 Die Bedeutung der Bildebene für die altersdiagnostische Bewertung der Schlüsselbeinossifikation mittels Computertomographie
V88 Was die automatische Altersschätzung von Hand MRT Daten über die skeletale Reifung in männlichen Jugendlichen erzählt
D. Wittschieber1, P. Scharte1, R. Schulz1, V. Vieth2, T. Bajanowski3, F. Ramsthaler4,5, K. Püschel6, H. Pfeiffer1, A. Schmeling1, S. Schmidt1,7
M. Urschler1, S. Grassegger2, D. Stern3
1Institut für Rechtsmedizin, Münster, Deutschland, 2Institut für Klinische
Radiologie, Münster, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin, Essen, Deutschland, 4Institut für Rechtsmedizin, Homburg, Deutschland, 5Institut für Rechtsmedizin, Frankfurt/Main, Deutschland, 6Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland, 7Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Deutschland Einleitung. Die röntgenologische Bestimmung der Ossifikationsstadien der medialen Claviculaepiphyse stellt in der forensischen Altersdiagnostik lebender Personen die derzeit empfohlene Methodik zur Frage nach dem vollendeten 18. oder 21. Lebensjahr dar. Die vorliegende Studie untersucht den Einfluss der computertomographischen Bildebene auf die Stadienbestimmung. Methoden. Zu diesem Zweck wurde das mittels Computertomographie (CT) prospektiv erhobene Bildmaterial von 1078 Sternoklavikularpräparaten in axialer und coronarer Ansicht rekonstruiert und jede mediale Claviculaepiphyse anhand der etablierten Klassifikationssysteme (5 Hauptstadien, 6 Unterstadien) bewertet. Die Beurteilungen erfolgten dabei nach Bildebenen getrennt. Ergebnisse. Es fand sich in 35,6 % der Fälle eine unterschiedliche Stadienbewertung zwischen axialer und coronarer Ansicht. Von besonderer Relevanz erscheinen hierbei insbesondere solche Fälle, in denen die Kombination der Informationen aus axialer und coronarer Ansicht im Vergleich zu alleinigen axialen Betrachtung zu einem niedrigeren Stadium und damit zu einem jüngeren Mindestalter der betroffenen Person führen. Schlussfolgerungen. Für die Praxis empfiehlt sich die Betrachtung beider Rekonstruktionsarten, um falsch-hohe Lebensaltersschätzungen, die strafrechtlich nachteilig wären, zu vermeiden.
V87 MRT-Studie zur Beurteilung der Ossifikation der medialen Schlüsselbeinenden bei lebenden Personen R. Schulz1, S. Schmidt1, V. Volker2, C. Ottow3, H. Pfeiffer1, A. Schmeling1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster,
Münster, Deutschland, 2Klinikum Ibbenbüren, Klinik für Radiologie, Ibbenbüren, Deutschland, 3Institut für Klinische Radiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
Einleitung. Für die forensische Altersschätzung bei lebenden Personen ist die Beurteilung des Ossifikationsstadiums der medialen Schlüsselbeinenden hinsichtlich der Vollendung des 18. und 21. Lebensjahres von entscheidender Bedeutung. Aufgrund des Minimierungsgebotes im Strahlenschutz ist hierbei die Etablierung nichtionisierender bildgebender Verfahren wünschenswert. Methoden. In diesem Zusammenhang wurden prospektiv bei 650 gesunden Studienteilnehmern zwischen 12 und 24 Jahren beide mediale Schlüsselbeinenden unter Verwendung eines 3-Tesla-Magnetresonanztomographen untersucht. Für die Beurteilung fand eine Kombination der Stadien-
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1Ludwig Boltzmann Gesellschaft GmbH, Ludwig Boltzmann
Institut für Klinisch Forensische Bildgebung, Graz, Österreich,
2Institut für Gerichtsmedizin, Medizinische Universität
Graz, Graz, Österreich, 3Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen, Technische Universität Graz, Graz, Österreich
Einleitung. Die Altersschätzung von Individuen ist ein wichtiges Teilgebiet der Forschungsthemen in der menschlichen Biologie, mit zahlreichen Anwendungen in medizinischen und forensischen Anwendungen, wie beispielsweise bei jugendlichen Asylwerbern ohne valide Identifikationsdokumente. Ein weit verbreiteter Ansatz der Altersschätzung basiert auf bildgebenden Verfahren wie konventionelles Röntgen und Computertomografie, wobei häufig Betrachter abhängige Vergleiche mit radiologischen Atlassystemen und Entwicklungsstufen herangezogen werden. Seit einiger Zeit gibt es ein vermehrtes Interesse an Methoden, die eine radiologische Altersschätzung ohne den Einsatz ionisierender Strahlung ermöglichen, allen voran die MRT (Magnetresonanztomografie). In dieser Arbeit untersuchen wir welche Informationen aus den radiologischen Daten durch automatisch selektierte visuelle Merkmale gewonnen werden können und wie diese Merkmale sich bezüglich ihrer Diskriminierungsfähigkeit von verschiedenen Altersgruppen auswirken. Dies erfolgt auf Basis einer kürzlich vorgestellten, neuen Software zur Altersschätzung aus 3D MRT Daten der linken Hand. Methoden. 102 MRT Datensätze der linken Hand von männlichen Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren wurden untersucht. Die Genauigkeit der Altersschätzung einer Software, welche das Alter von Probanden durch Methoden des Maschinellen Lernens aus Trainingsdaten vorhersagen kann, wurde evaluiert. Diese Software besteht aus einer Lokalisierungsstufe in der die Knochen der linken Hand, sowie die Epiphysenfugen gefunden werden, der Berechnung eines nichtlinearen Regressionsmodells auf Basis extrahierter visueller Merkmale für jeden Knochen, welches in der Lage ist für nicht im Training gesehene Knochen ein Alter vorherzusagen, und einer Fusionsstufe, welche die Schätzungen der Einzelknochen zu einer Gesamtaltersschätzung kombiniert. Ergebnisse. Quantitative Resultate der software-basierten Methode zeigten eine Genauigkeit der Altersschätzung von 0,85 Jahren (Standardabweichung: 0,58 Jahre) mittlerer absoluter Abweichung vom chronologischen Alter auf dem untersuchten Datensatz. Dies wurde in einem Cross-Validation Experiment ermittelt, also unter Kombination von verschiedenen Aufteilungen des Gesamtdatensatzes in Trainings- und Testdaten. Qualitativ wurde demonstriert, welche visuellen Merkmale (MRT Grauwerte der Epiphysenfugen) von der automatischen Software selektiert wurden, um die skeletale Reifung in Form der nichtlinearen Regression zu modellieren. Schlussfolgerungen. Die Machbarkeit einer automatischen Altersschätzungssoftware aus 3D MRT Daten konnte gezeigt werden und die automatisch von der Software selektierten visuellen Merkmale stellten sich als informativ heraus, um die anatomischen Änderungen werden der Knochenreifung in männlichen Jugendlichen beschreiben zu können.
V89 Postmortales quantitatives 1,5 T Neuro-MRT zur Detektion und Differenzierung regulärer Hirnstrukturen und Hirnläsionen unter Berücksichtigung der Leichentemperatur A.- L. Hottinger1, N. Schwendener1, A. Persson2, M. Warntjes2, C. Jackowski1, W.- D. Zech1 1Institut für Rechtsmedizin Bern, Forensische Medizin und
Bildgebung, Bern, Schweiz, 2Center for Medical Image Science and Visualization (CMIV), Linköping, Serbien
Einleitung. Mittels quantitativem MRT können anhand der Relaxationszeiten von T1 und T2 sowie der Protonendichte (PD) verschiedene Gewebe voneinander unterschieden werden. Da die quantitativen T1 und T2 Werte abhängig von Magnetfeldstärke und Temperatur sind, müssen diese Werte für verschiedene Magnetfeldstärken erhoben und in Relation zur Gewebetemperatur gesetzt werden. Das Ziel dieser Studie war es, die quantitativen T1, T2 und PD Werte regulärer anatomischer Hirnstrukturen sowie von Hirnläsionen für eine 1,5 T Applikation zu erheben und mit der Gewebstemperatur sowie den Obduktions- und Histologiebefunden zu korrelieren. Methoden. Insgesamt wurde bei 31 forensischen Fällen eine MRT-Untersuchung mit einer quantitativen Sequenz vor der Obduktion durchgeführt. Während der MRT-Untersuchung wurde die Körperkerntemperatur gemessen. In synthetisch generierten MRT-Bildern des Gehirns wurden die T1, T2 und PD Werte regulärer anatomischer Hirnstrukturen (graue Substanz, weisse Substanz, Capsula interna, Basalganglien, Thalamus, Kleinhirn) sowie Hirnblutungen und Hirnischämien gemessen und mit den Obduktions- und Histologiebefunden sowie der Leichentemperatur korreliert. Ergebnisse. In allen untersuchten Fällen konnte mittels der histologischen Analysen ein Hirnödem festgestellt werden. In 7 Fällen waren Hirnblutungen und in 6 Fällen Ischämiezonen abgrenzbar. Der Anova-Test zeigte signifikante Unterschiede zwischen den quantitativen Werten der regulären anatomischen Hirnstrukturen untereinander als auch zwischen den Werten der anatomischen Hirnstrukturen und den Hirnblutungen und Ischämiezonen. Eine Temperaturkorrektur der quantitativen Werte führte zu geringeren Standardabweichungen und besser Unterscheidbarkeit sowohl der anatomischen Hirnstrukturen untereinander als auch der Hirnläsionen. Schlussfolgerungen. Mittels quantitativem postmortalen 1,5 T NeuroMRT können die regulären anatomischen Hirnstrukturen differenziert und gegenüber Hirnblutungen oder Ischämiezonen abgegrenzt werden. Die Resultate bilden die Basis für eine computerunterstützte Detektion und Charakterisierung von Hirnläsionen.
V90 Intermodaler Vergleich der Detektion von Rippenfrakturen im konventionellen versus nachbearbeiteten CT (mittels des Tools Bone Reading der Syngo.via von Siemens) in Korrelation des Goldstandards Obduktion P. A. Glemser1, D. Simons1, A. Heger2, A. Krauskopf2, H. Schlemmer1, K. Yen2 1DKFZ Heidelberg, Radiologie, Heidelberg, Deutschland, 2Uniklinikum Heidelberg, Rechtsmedizin, Heidelberg, Deutschland
Einleitung. Eine umfassende Beurteilung der Rippen ist zwingender Bestandteil jeder forensischer Obduktion, da sie in Zusammenhang mit verschiedensten forensischen Fragestellungen von Bedeutung ist. Neben der heute standardmäßig durchgeführten konventionellen CT bietet die Nachverarbeitungs- und Befundungssoftware Syngo.via von Siemens neben einer vollautomatischen Benennung von Rippen und Wirbelkörpern auch eine planare, aufgeklappte Darstellung der Rippen (einem Adler nachempfunden) an. In dieser Pilotstudie soll die Verwendung der
Nachbearbeitungssoftware Bone Reading in einer Multireaderstudie im Vergleich mit konventionellem CT bzw. der Obduktion eruiert werden. Methoden. Vier radiologische Reader mit unterschiedlicher klinisch-radiologischer Erfahrung (1–20 Jahre) bewerteten drei unterschiedliche Modalitäten(axiales CT-Bild ohne Rippenbenennung; axiales CT-Bild mit Benennung, aufgeklapptes „Adlertool“ mit Benennung) von 35 postmortalen Nativ-CTs (25 mit Rippenfrakturen; 10 ohne Rippenfrakturen) in einem randomisierten Setting. Zielpunkte der Auswertung waren Schnelligkeit der Detektion und Korrektheit in Detektion und Benennung. Als Goldstandard dienten die in der Obduktion erhobenen Befunde. Ergebnisse. Die Ergebnisse der ersten Reader zeigten signifikant, dass das „Adlertool“ bzgl. Schnelligkeit der Detektion von Rippenfrakturen deutlich überlegen ist. Der Zeitaufwand für die axiale Befundung war im Modus mit Rippenbezeichnung ebenfalls signifikant geringer, besonders bei komplexen Frakturfällen. Die Zusammenschau aller radiologischen Methoden unterschied sich in Einzelfällen vom Obduktionsergebnis. Schlussfolgerungen. Die planare, aufgeklappte Darstellung der Rippen (Adlertool) eignet sich sehr gut als initiales Frakturscreening vor der Obduktion. Die Kombination aus Bildgebung und Obduktionsbefund eignet sich dabei gerade bei nicht kongruenten Befunden.
V91 Tracheo-bronchialer Fremdinhalt: eine häufige Diskrepanz zwischen postmortalem CT und Obduktion W.- D. Zech, N. Schwendener, P. Lombardo, C. Jackowski Institut für Rechtsmedizin Bern, Forensische Medizin und Bildgebung, Bern, Schweiz Einleitung. Im Zuge unserer routinemässigen postmortalen CT Diagnostik fiel eine auffallend häufige Diskrepanz betreffend der Feststellung von tracheo-bronchialem Fremdinhalt im postmortalen CT gegenüber den Obduktionsbefunden auf. Diese Diskrepanz sollte in der vorliegenden Studie evaluiert und quantifiziert werden. Methoden. Insgesamt wurden 327 forensische Fälle, welche vor der Obduktion eine CT-Untersuchung erhielten, retrospektiv analysiert. Die CTBefunde wurden mit den Obduktionsbefunden verglichen. Im CT wurden die Hounsfield-Werte (HU) und anhand der Obduktionsberichte die morphologischen und strukturellen Charakteristika des tracheo-bronchialen Fremdinhaltes erfasst. Ausserdem wurden anhand der Obduktionsberichte die Todesursachen und relevanten morphologischen Befunde erfasst und mit den Gruppen diskrepanter und nicht diskrepanter Fälle korreliert. Ergebnisse. In 228 Fällen konnte im CT, davon in 120 Fällen (52,6 %) jedoch nicht bei der Obduktion tracheo-bronchialer Fremdinhalt festgestellt werden. Bei diesen diskrepanten Fällen handelte es sich anhand der Hounsfield-Werte zumeist (77 %) um flüssigen tracheo-bronchialen Inhalt (< 30 HU). Bei den übereinstimmenden Fällen war der tracheo-bronchiale Inhalt zumeist (64 %) fester respektive zäher Natur (> 40 HU) wie beispielsweise Blut oder festere Mageninhaltsanteile. Die Todesursache war bei den diskrepanten Fällen überwiegend (79 %) natürlich, bei den übereinstimmenden Fällen überwiegend (84 %) nicht natürlich. Ein Lungenödem konnte in 78 % der diskrepanten Fälle gegenüber nur 37 % der übereinstimmenden Fälle festgestellt werden. Schlussfolgerungen. Die Resultate zeigen eine häufige Diskrepanz der Feststellung von tracheo-bronchialem Inhalt zwischen CT und Obduktion, dies vor allem bei flüssigem respektive wenig viskösem Inhalt. Eine mögliche Erklärung ist vermutlich das leichtere Zurückfliessen flüssiger Medien von der Trachea und den grossen Bronchien zurück in die Lunge im Rahmen der Bewegung des Hals-Lungenpräparates bei der Obduktion oder das Herausfliessen im Rahmen der Bewegung des Leichnams bei der äusseren Besichtigung.
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Abstracts V92 Vergleich der Ergebnisse der post-mortalen Computertomographie und der Autopsie bei Kindern C. Egger1, B. Krentz2,3, L. Alamo4, P. Baumann3, J. Grimm3,4, S. Grabherr3 1University Center of Legal Medicine Lausanne-Geneva, Geneva, Schweiz,
2Faculdade de Medicina da Universidade de São Paulo, Department of
Pathology, São Paulo, Brazilien, 3University Center of Legal Medicine Lausanne-Geneva, Lausanne, Schweiz, 4University Hospital of Lausanne, Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Lausanne, Schweiz
Einleitung. Die Post-mortale Computertomographie (PMCT) spielt eine immer wichtigere Rolle als Werkzeug zur Qualitätskontrolle bei Todesfällen im Krankenhaus. Um solche klinischen Obduktionen durchführen zu können, ist die Einwilligung der Angehörigen der Verstorbenen nötig, jedoch nicht immer erhältlich. Besonders schwierig ist sie in Fällen verstorbener Kinder. Studien haben jedoch bewiesen, dass es leicht möglich ist eine Einwilligung für die PMCT zu bekommen. Ziel dieser Studie war es, die Aussagekraft der PMCT bei Kindern mit der der konventionellen Autopsie zu vergleichen. Methoden. Wir untersuchten eine Gruppe von 26 Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren, welche mittels konventioneller Autopsie und PMCT untersucht wurden. Hierzu führten wir eine retrospektive Analyse der radiologischen Befundberichte und der Obduktionsprotokolle durch. Alle dabei festgehaltenen Befunde wurden verschiedenen Gruppen zugeteilt, einerseits nach ihrer Wichtigkeit zur Feststellung der Todesursache und andererseits nach ihrer anatomischen Lage (Organe, Gefäβe, Weichgewebe oder Skelettsystem). Ergebnisse. Insgesamt konnten 486 Befunde erhoben werden. Die konventionelle Obduktion war der PMCT deutlich bei der Erkennung von Befunden überlegen (79 %, 382 von insgesamt 486). Dies galt ins besonders für Organ- und Weichgewebsbefunde sowie für Gefäßbefunde. Konchenbefunde konnten jedoch deutlich besser mittels der PMCT festgestellt werden (95 von insgesamt 102). Trotz dieser unterschiedlichen Sensitivität zur Detektion von Befunden, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied bei der Auffindung der „wesentlichen Befunde“, also jener welche für die Feststellung der Todesursache entscheidend waren. Schlussfolgerungen. Die Feststellung der Todesursache ist in den meisten Fällen mittels PMCT oder Obduktion gleicherweise möglich oder unmöglich (keine autoptisch oder radiologisch-feststellbare Todesursache). Jedoch ist die konventionelle Autopsie der PMCT klar überlegen, solange es sich nicht um Knochenbefunde handelt. Diese sind mittels PMCT leichter auffindbar. Daraus lässt sich schließen, dass die beiden Untersuchungen komplementär sind und idealerweisen gemeinsam durchgeführt werden sollten. Ist dies jedoch nicht möglich, so sollte zumindest eine der beiden Methoden durchgeführt werden, vorzugsweise die Obduktion.
V93 Effizienz der multiphasischen PMCT- Angiographie (MPMCTA) bei Todesfällen durch Komplikationen nach Lebertransplantation H. Vogel, A. Tzikas, A. Heinemann Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland Einleitung. Die Lebertransplantation ist eine hochstandardisierte Intervention. Klinische Ergebnisse berichten bevorzugt über die Erfolge. Todesfälle und Komplikationen stehen nur Ausnahmsweise im Vordergrund von Publikationen. In Erwartung, dass ein Kollektiv von Todesfällen bedrohliche und tödliche Komplikationen häufiger aufweist als ein Kollektiv von fortlaufend operierten, wurden Obduktionen mit vorausgehender PMCT und MPMCTA nach Lebertransplantation ausgewertet. Der analysierte Zeitraum umfasst die Jahre 2012–2015. Methoden. Erfasst wurden 14 Verstorbene nach Lebertransplantation. Bei 3 dieser Verstorbenen war zusätzlich zum PMCT eine MPMCTA durchgeführt worden. Die Verstorbenen waren in Norddeutschland in verschie-
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denen Zentren operiert worden. Das PMCT wurde als SpiralCT mit einer Schichtdicke von 1 oder 2 mm durchgeführt (120–140 kV, 140–140 mAs). Zum Einsatz kam der institutseigene Philips Brilliance Computertomograph (Multisclice 16 Zeiler). Die MPMCTA wurde nacheinander mit arterieller (i. a. 500 und 1500 ml öliges Kontrastmittel), venöser (i. v. 1200 ml öliges Kontrastmittel) und Zirkulationsphase durchgeführt. Ergebnisse. Das PMCT zeigte bei allen Verstorbenen eine Flüssigkeitsverteilung, die als Multiorganversagen gedeutet wurde. 6 der Verstorbenen hatten einen offenen Bauch, was auf das Auftreten von Komplikationen bei der Operation hinwies. Über das PMCT hinaus erlaubte die MPMCTA die Darstellung der Gefäßanastomosen. Beide Verfahren zeigten Metastasen und Varizen, letztere allerdings deutlicher mit der MPMCTA. Als besonderer Befund waren Leberinfarkte zu beobachten. Im Angiogramm ließen sich eine Minderperfusion der Pfortader und eine eingeschränkte arterielle Durchströmung der Leber erkennen. Schlussfolgerungen. Nach tödlichen Komplikationen im Rahmen von Lebertransplantationen erlaubt die MPMCTA die Beurteilung der Durchblutung der Leber. Eine gestörte Perfusion ist als lebensbedrohliche Komplikation zu werten.
V94 Beurteilung von Rippenfrakturen mittels Siemens syngo.via Bone Reading Software und Validierung gegen die Obduktion A. Heger1, A. Krauskopf1, P. A. Glemser2,3, K. Yen1 1Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin, Universitätsklinikum
Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, 2Abteilung Radiologie, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, Deutschland, 3Radiologische Klinik, Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Heidelberg, Deutschland
Einleitung. Rippenfrakturen sind häufige Traumafolgen bei Verletzungen des Thorax und können wichtige Hinweise zur Bestimmung der primären Lokalisation bzw. der Richtung der Gewalteinwirkung liefern. Dies macht eine schnelle und zuverlässige Beurteilung des Brustkorbs erforderlich. Der Siemens syngo.via Arbeitsablauf „Bone Reading“ errechnet aus dem Volumensatz eine planare 2D-Darstellung der Rippen und nummeriert diese automatisch durch. Das Ziel dieser Pilotstudie war es, zu evaluieren, ob Rechtsmediziner mit zumeist limitierten radiologischen Erfahrungen Rippenfrakturen unter Nutzung dieser Software genauso zuverlässig befunden können wie bei der Obduktion und wie sie subjektiv mit der Anwendung der Software zurechtkommen. Methoden. Bei 30 Obduktionsfällen des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg mit Thoraxtraumen wurde eine postmortale CT vor der Obduktion durchgeführt. Rippenfrakturen wurden während der Obduktion für jede Rippe und Region (ventral, lateral, dorsal) dokumentiert und anhand der CT-Daten unter Verwendung des Arbeitsablaufs syngo.CT Bone Reading durch vier gegenüber den Obduktionsergebnissen verblindete Rechtsmediziner befundet. In Folge wurden korrekte Erkennungsraten (CRR), Sensitivität and Spezifität errechnet. Zudem wurde von allen Readern ein Fragebogen zur Handhabung der Befundungssoftware beantwortet. Ergebnisse. Erste Auswertungen konnten zeigen, dass der syngo.CT Bone Reading Arbeitsablauf eine zuverlässige und auch für radiologisch unerfahrene Rechtsmediziner einfach zu bedienende Anwendung ist. Subjektiv war für die Untersucher die Erkennung einzelner Frakturen einfach, die Zuordnung der Frakturen zu einer bestimmten Thoraxregion in der 2D-Darstellung etwas schwieriger. Schlussfolgerungen. Die syngo.CT Bone Reading Software von Siemens bietet eine einfach und rasch zu bedienende Alternative zur Obduktion bezüglich der Befundung von Rippenfrakturen. Die genaue Lokalisation der Brüche ist bei der Obduktion besser darstellbar. Für eine optimale Befunderfassung und Dokumentation werden daher beide Verfahren im Sinne einer gegenseitigen Ergänzung empfohlen.
V95 Das vergessene Bauchtuch – Darstellbarkeit chirurgischer Textilien in der 1,5 Tesla und 3 Tesla MRT S. Prüfer1, P. A. Glemser2,3, A. Krauskopf1, H.- U. Kauczor3, H.- P. Schlemmer2 1Institut für Rechts-und Verkehrsmedizin, Universitäts-
klinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, 2Abteilung Radiologie, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, Deutschland, 3Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
Einleitung. Das „Vergessen“ von chirurgischen Bauchtüchern gehört zu den bekannten Fehlern im Rahmen operativer Eingriffe. Trotz Einführung gezielter Maßnahmen zur Vermeidung kommen solche Fälle gelegentlich vor. Anlaßfall war eine 45 Jahre alte Frau, bei der nach zwei mehrere Jahre auseinander liegenden Bauchoperationen ein vergessenes Tuch im Abdomen festgestellt wurde. Zur Beurteilung, bei welcher Operation der Fehler auftrat, lagen MRT-Aufnahmen vor. Es stellte sich die Frage, ob die MRT überhaupt eine zur sicheren Erfassung chirurgischer Textilien geeignete Methode ist. Methoden. 11 mit flüssiger Gelatine durchtränkte chirurgische Textilien (2 Tupfer, 1 Kompresse und 8 Bauchtücher mit eingewebtem röntgendichtem Marker) von zwei Herstellern wurden in klare Gelatine-Zylinder eingebracht. In 2 zusätzliche Gelatine-Zylinder wurden jeweils 2 in frischem Schweineblut getränkte Textilien eingebettet. Von jedem Phantom wurden T1W und T2W Messungen am 1,5T sowie 3T MRT und ergänzende CT-Aufnahmen gefertigt. Die Auswertung erfolgte durch zwei unabhängige und erfahrene Radiologen. Ergebnisse. Erste Auswertungen zeigen, dass die Erfassbarkeit der zu beurteilenden Strukturen in den 3T- gegenüber den 1,5 T Aufnahmen besser ist. Der im CT deutlich sichtbare Marker ließ sich in T2W, insbesondere bei blutgetränktem Gewebe, nur erschwert abgrenzen. Besser war er als lineare hypointense Struktur in T1W SPAIR und T1W VIBE zu erkennen. Besonders deutlich, insbesondere in T2W, ließ sich mittels MRT jedoch die gewundene innere Struktur der Textilien darstellen, deren Nachweis einen entscheidenden Hinweis zur Erfassung eines belassenen Bauchtuchs liefern kann. Schlussfolgerungen. Die Auswahl geeigneter Sequenzen und die Kenntnis über das Erscheinungsbild insbesondere blutgetränkter Textilien sind wesentliche Grundlage für die MRT-basierte Erfassung „vergessener“ Bauchtücher.
V96 Etablierung der Station „Leichenschau“ im SkillsLab und eLearning
in den Totenschein und das nachfolgende Feedback im Computerprogramm erfolgen. Ergebnisse. Zur Evaluation dieser zusätzlichen Lernmöglichkeiten wurden die Studierenden am Semesteranfang und am Semesterende um die Ausfüllung eines im EvaSys erstellten Fragebogens gebeten. Dabei wurden erlangte Kompetenzen und mögliche Befürchtungen auf dem Gebiet der ärztlichen Leichenschau zu beiden Zeitpunkten abgefragt. Am Semesterende erfolgte zusätzlich eine Befragung zu den Erfahrungen mit den digitalen Lernmöglichkeiten und deren Bedeutung für die einzelnen Komponenten der Leichenschau. Schlussfolgerungen. Es sollen die Ergebnisse dieser Evaluation vorgestellt und die Erweiterung dieses Projektes als Lern- und Prüfungsmöglichkeit diskutiert werden.
V97 Einfluss von Wunden auf die Verwesung von Ferkelkadavern S. Niederegger1, X. Steube1, P. Tiltmann1, G. Mall2 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Entomologie, Jena,
Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Jena, Deutschland
Einleitung. Es wird weitläufig angenommen, dass Wunden und Blut an einer Leiche oder einem Kadaver eine anziehende Wirkung auf nekrophage Insekten, insbesondere forensisch relevante Fliegen, haben. Große Madenmassen an anderen Stellen als den natürlichen Körperöffnungen werden oft als Indikator für prämortale oder kurz nach dem Tod zugefügte Wunden erachtet. Außerdem wird vermutet, dass Wunden denn Abbau und die Verwesung beschleunigen, da sie zusätzliche Eintrittsöffnungen für Insekten und Mikroorganismen darstellen. Methoden. Im Sommer und Herbst wurden in einem Laubmischwald in Thüringen insgesamt 6 Ferkel mit einem Durchschnittsgewicht von je 5 kg in kleinmaschigen Käfigen ausgelegt. Drei Ferkel wurden postmortal mit Schnitt-, Schürf- und Stichwunden versehen, drei blieben unversehrt. Je ein verletztes und ein unverletztes Ferkel wurden zum selben Zeitpunkt ausgelegt und die Besiedlung, der Abbau und die Verwesung täglich beobachtet und dokumentiert. Wetterdaten wurden stündlich erhoben. Unter Verwendung der Total Body Score Methode wurde die Verwesung der Ferkel quantifiziert um Vergleichbarkeit zu erreichen. Ergebnisse. Die Ergebnisse der Versuche zeigten, dass die Wunden keine, bzw. vernachlässigbare, Auswirkungen auf die Besiedlung durch Fliegen sowie auf die gesamte Verwesung der Ferkel hatten. Schlussfolgerungen. Eine verlässliche Aussage über zum Todeszeitpunkt vorhandene Wunden kann bei fortgeschrittener Verwesung nur in Ausnahmefällen getroffen werden.
S. Heide1, R. Lessig1, V. Diers1, M. Rönsch2, D. Stoevesandt2 1Rechtsmedizin Halle, Halle, Deutschland, 2Medizinische Fakultät,
Lernzentrum, Halle, Deutschland Einleitung. Seit Beginn des Sommersemesters 2015 stehen den Studierenden des Universitätsklinikums Halle zur Thematik der Leichenschau neben den Vorlesungs- und Praktikumsinhalten erstmals auch digitale Lernmöglichkeiten zur Verfügung. Als Alternative zu den kommerziell angebotenen Tools wurden für die Pilotphase zehn reale Fälle mit verschiedenen Leichenschaukonstellationen aus dem Institutsarchiv aufgearbeitet. Methoden. Zwei Fälle wurden dabei für die SkillsLab-Station ausgewählt, wo die Studierenden mit Bild- und Textdokumenten Informationen zur Vorgeschichte, Auffindungssituation, Leichenschaubefunden sowie Hinweise für die Identifizierung und Todeszeitschätzung erhalten. Anhand dieser Anknüpfungstatsachen füllen die Studierenden danach einen Original-Totenschein aus. Anschließend erhalten sie von geschulten studentischen Tutoren ein Feedback zur Identifizierung, Todesart, Todesursache, Todeszeitschätzung und zum Obduktionsergebnis. Die acht anderen Fälle können als eLearning bearbeitet werden, wo die Eintragungen
V98 „Glückshaube“ – Mythos und Realität K. Albrecht, T. Germerott, T. Rothämel, M. Klintschar Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland Einleitung. Als „Glückshaube“ (Caput galeatum, „Westerhaube“) wird die Fruchtblase (Chorion oder Amnion) bezeichnet, wenn sie sich in seltenen Fällen bei der Geburt eines Kindes noch über dem Kopf bzw. dem Gesicht befindet und unmittelbar postnatal durch den Geburtshelfer/-in abgezogen werden muss, um die Atemöffnungen zu befreien. In der Historie (Mittelalter) galt das Vorliegen eines Caput galeatum als Zeichen des Glücks, welches neben zukünftiger Geistesgröße dem Kind auch übernatürliche Fähigkeiten verhieß. Zudem diente ein später getrockneter Teil dieser Eihaut einem besitzenden Seefahrer als Talisman zum Schutz vor dem Ertrinken, wurde als Glücksbringer vererbt und Kindern diesbezüglich in die Kleidung eingenäht. Während in der gegenwärtigen geburtshilflichen Routine das Aufliegen einer Eihaut im Gesichtsbereich schnell Rechtsmedizin 4 · 2015
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Abstracts erkannt und diese im nachgeburtlichen Verlauf problemlos entfernt werden kann, besteht im forensischen Kontext, beispielsweise im Rahmen der plötzlichen Geburt einer verdeckten Schwangerschaft, ein mögliches Risikopotenzial. Methoden. In einer kasuistischen Darstellung wird der Fall eines in der Toilette eines Schnellrestaurants aufgefundenen Neugeborenen präsentiert. Ergebnisse. Die Mutter gab nach der Spontangeburt an, dass ihr eine eigene Schwangerschaft unbekannt gewesen sei. Im Rahmen der Obduktion des reifen Kindes zeigten sich neben der vollständigen Bedeckung des Gesichtes mit Teilen der Eihaut, eine deutliche Ausbildung von petechialen Einblutungen im Kopfbereich, ein Hirnödem, sowie eine positive Magenschwimmprobe bei gleichsam luftleeren Lungen. Eine Nabelschnurumschlingung und Geburtsverletzungen konnten ebenso ausgeschlossen werden, wie eine Plazentainsuffizienz oder kindliche Missbildungen, sodass letztlich von einer todesursächlichen zerebralen Anoxie ausgegangen wurde. Weiterführende Fragestellungen beschäftigten sich mit der potenziell möglichen Laienrettung des Kindes und dem Geburtsablauf. Schlussfolgerungen. In der Präsentation wird eine Übersicht über die historische Bedeutung der „Glückshaube“ gegeben und die aktuelle Bedeutung dieser Geburtserscheinung im forensischen Kontext skizziert.
V99 Handlungsfähigkeit und Überlebenszeit nach penetrierender Herzverletzung durch scharfe Gewalt A. Marx, K. Yen, R. Bux Universtität Heidelberg, Rechtsmedizin, Heidelberg, Deutschland Einleitung. Im Rahmen der rechtsmedizinischen Begutachtung von Fällen penetrierender Herzverletzung ist die Einschätzung der Handlungsfähigkeit und Überlebenszeit der Verletzten aus forensischer Sicht von großer Bedeutung. Eine zuverlässige Einordnung der Handlungsfähigkeit unterstützt eine fundierte Tatrekonstruktion. Zielsetzung dieser Arbeit war es daher, aus der forensischen Literatur zu Fällen mit penetrierenden Herzverletzungen allgemeine Faktoren abzuleiten, die einen möglichen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit und Überlebenszeit haben und somit eine differenzierte Begutachtung unterstützen. Methoden. Es wurde eine retrospektive Analyse aller zu dem Thema seit 1850 veröffentlichten Fallberichte und Publikationen durchgeführt. Ergänzend erfolgte eine Auswertung relevanter Fälle aus dem Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg von 2005–2015. Eingeschlossen wurden Berichte und Publikationen zu Fällen mit penetrierender Herzverletzung durch scharfe Gewalt und möglichen Rückschlüssen auf die Dauer der Handlungsfähigkeit und Überlebenszeit. Die Informationen zur Handlungsfähigkeit und Überlebenszeit wurden Angaben zu Zeugenaussagen oder Tatortrekonstruktionen entnommen. Untersucht wurde die Dauer der Handlungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Lokalisation und dem Ausmaß der Verletzung sowie der relevanten Begleitverletzungen. Fälle suizidalen Geschehens wurden als eigene Gruppe ausgewertet. Ergebnisse. Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Lokalisation der Herzverletzung isoliert betrachtet keinen Einfluss auf die Dauer der Handlungsfähigkeit hat. Bei gleicher Dauer der Handlungsfähigkeit wird von der rechten Kammer eine größere Wunde toleriert. Unabhängig von der Lokalisation betrug bei einer Verletzungsgröße von > 10 mm die Handlungsfähigkeit in allen Fällen nicht mehr als 5 min. Schlussfolgerungen. Anhand der vorliegenden Ergebnisse spielt die Lokalisation als beeinflussender Faktor keine eindeutige Rolle. Unterhalb einer kritischen Verletzungsgröße von 10 mm zeigt sich eine starke Varianz der Dauer der Handlungsfähigkeit. Ergänzende prospektive Untersuchungen sowie die Untersuchung potenzieller Drittvariablen (z. B. dem Vorhandensein einer Herzbeuteltamponade, kritischen Nebenverletzungen) werden eine validere Einschätzung der bisherigen Erkenntnisse ermöglichen.
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V100 Evaluation von Sterbenstypen an einem rechtsmedizinischen Untersuchungskollektiv R. Wagner, E. Doberentz, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Sterbenstypen werden als „thanatologische Brücke“ zwischen Grundleiden und Todesursache bezeichnet. Sie wurden zur Charakterisierung des Sterbeprozesses an klinisch-pathologischen Sektionskollektiven erarbeitet und erweisen sich auch bei der retrospektiven Aufarbeitung klinischer Krankheitsverläufe für die Angabe der Todesursachenkaskade zwischen Grundleiden und letztendlicher Todesursache im Leichenschauschein als außerordentlich hilfreich. Unterschieden werden linearer Sterbenstyp, divergierender Sterbenstyp, konvergierender und komplexer Sterbenstyp. Beim linearen Sterbenstyp liegen Grundleiden und Todesursache im selben Organsystem, beim konvergierenden Sterbenstyp liegen die Grundleiden in unterschiedlichen Organsystemen und führen über eine gemeinsame pathogenetische Endstrecke zum Tode. Beim divergierenden Sterbenstyp liegt ein organspezifisches Grundleiden vor, dass über Komplikationen in verschiedenen Organsystemen zum Tode führt. Methoden. Sterbenstypen wurden bislang vor allen Dingen an klinischpathologischen Sektionskollektiven bearbeitet. Da rechtsmedizinische Obduktionskollektive eine ganz andere Zusammensetzung aufweisen, sollte die prozentuale Häufigkeit der Sterbenstypen bei einem größeren rechtsmedizinischen Untersuchungskollektiv evaluiert werden. Studiendesign: Retrospektive Längsschnittuntersuchung über mehrere Jahre, die insgesamt 100 Todesfälle erfasste. Ergebnisse. Entsprechend der andersartigen Zusammensetzung eines rechtsmedizinischen Obduktionsgutes prävalieren im jüngeren Lebensalter vor allen Dingen lineare Sterbenstypen (kardiale Todesfälle, Suizide, Unglückstodesfälle), während im höheren Lebensalter konvergierende bzw. komplexe Sterbenstypen im Vordergrund stehen. Schlussfolgerungen. Das rechtsmedizinische Obduktionsgut besteht hauptsächlich aus dem linearen Sterbenstyp.
V101 Arzneimittelinduzierte Myokarditis J. Lang, M. Riße, R. Dettmeyer Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Deutschland Einleitung. Arzneimittelinduzierte letale Myokarditiden sind sehr selten, kommen jedoch vor z. B. nach der Gabe von Clozapin oder Diclofenac. Andere Medikamente können ebenfalls eine Myokarditis verursachen, insbesondere bei der Erstmedikation in der Anfangsphase der Medikamenteneinnahme. Todesursache ist dann primär die Myokarditis mit Myokardnekrosen, weniger bedeutsam ist die allergische Reaktion, auch wenn die begleitende Infiltration mit eosinophilen Granulozyten dominiert. Methoden. Kasuistik: Ein 18 Jahre alt gewordener Mann sei leblos in Bauchlage im Bett liegend gefunden worden und nach primär erfolgreicher Laienreanimation am Folgetag bei klinisch diagnostiziertem hypoxischem Hirnschaden verstorben. Anamnestisch war eine Epilepsie bekannt, deren medikamentöse Therapie etwa 4 Wochen vor Tode auf Keppra (Wirkstoff: Levetiracetam) eingestellt worden sei. In der Roten Liste ist eine arzneimittelinduzierte Myokarditis bei Levetiracetam nicht angegeben. Ergebnisse. Morphologie: Bereits makroskopisch kam bei aufgelockertstreifiger Zeichnung des Myokards der Verdacht auf eine Myokarditis auf. Histologisch war multifokal eine ausgedehnte eosinophilenreiche Myokarditis nachweisbar mit myokardialen Einzel- und Gruppennekrosen. Begleitend fanden sich vergrößerte aktivierte Lymphknoten in allen Körperprovinzen sowie eine Splenomegalie.
Schlussfolgerungen. Die Qualität der Angaben zur Anamnese induziert auch in diesem Fall die Qualität der pathologisch-anatomischen Diagnose. In Kenntnis der Vorgeschichte und des ungewöhnlichen Befundes einer eosinophilenreichen Myokarditis ist bei akuter Asystolie von einer letalen arzneimittelinduzierten Myokarditis auszugehen. Die ausgeprägten Infiltrate im Myokard und der Zeitraum seit Ersteinnahme des Medikamentes sowie die Obduktionsbefunde sprechen gegen ein akutes Herzversagen im allergisch-anaphylaktischen Schock. Dennoch handelt es sich um eine gemäß ärztlicher Berufsordnung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft zu meldende letale Arzneimittelnebenwirkung.
die beim Diabetes mellitus beobachtete Gefäßschädigung verantwortlich gemacht werden.
V102 Xanthochromie des Schädelknochens beim Diabetiker – Mythos oder Wahrheit?
Einleitung. Bei der Erstbeurteilung von auffällig gewordenen Kraftfahrern oder von Straftätern spielt die Wahrnehmung von Alkoholgeruch in der Atemluft durch Polizeibeamte oder andere Zeugen eine Rolle für den weiteren Ablauf des Verfahrens. Liegen weder Blutprobe noch Atemalkohol vor, kann die Frage der Wahrnehmbarkeit einer Alkoholisierung vor Gericht große Bedeutung haben. Lässt dabei eine ausgeprägte „Fahne“ auf eine stärkere Alkoholisierung rückschließen? Methoden. 15 trinkende Probanden („Trinker“; Bier, Wein oder Vodka) wurden 16 olfaktorisch wahrnehmende Probanden („Rater“; 8 Laien, 8 Experten aus dem Blutentnahmedienst) im Rahmen eines Trinkversuches gegenübergestellt. Die Trinker mussten sich mit jeweils unterschiedlichen Getränken verschiedene Zielkonzentrationen antrinken bzw. ganz nüchtern bleiben (0,0–0,3–0,5–0,8–1,1 Promille). In einer buchstäblich geblindeten Versuchsanordnung mussten die Rater jeweils eine Atemprobe der Trinker im Hinblick auf die Intensität des Alkoholgeruches semiquantitativ einschätzen (Alkoholgeruch nicht wahrnehmbar, minimal, schwach, mittel, stark). Die Reihenfolge der Zuordnung Trinker zu Rater erfolgte randomisiert. Jeder Rater musste aber im Rahmen des Versuches jeden Trinker einmal testen, was in 240 Einzeltestungen resultierte (15 × 16). Ergebnisse. Die nüchtern gebliebenen Probanden wurden in 30 von 48 Testungen (62,5 %) zutreffend als nüchtern erkannt. In 18 Fällen wurde bei 0,00 Promille die Wahrnehmung von Alkoholgeruch angegeben. Bei 22 von 192 Testungen (11,5 %) wurde kein Alkoholgeruch wahrgenommen, obwohl eine Alkoholisierung unterschiedlichen Ausmaßes vorlag. Es bestand ein signifikanter Unterschied (p = 0,014) zwischen Experten und Laien. Die Laien waren kaum in der Lage Alkoholisierungsgrade richtig einzuschätzen. Weibliche Laien schätzten den Alkoholisierungsgrad zudem signifikant höher als männliche Laien. Die Experten erkannten, unabhängig von ihrem Geschlecht, recht zuverlässig das Vorhandensein von Konzentrationsunterschieden, wobei auch sie Alkoholisierungsgrade tendenziell zu niedrig einschätzten. Die Getränkesorte hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der Probanden. Schlussfolgerungen. Die Wahrnehmung der Alkoholfahne ist ein grundsätzlich unzuverlässiger Hinweis auf die Stärke der Alkoholisierung im niedrigen bis mittleren Promillebereich. Nicht selten wurde ein nüchterner Proband als alkoholisiert eingeschätzt, während alkoholisierte Probanden als nüchtern wahrgenommen wurden. Laien sind offenbar kaum in der Lage die Alkoholisierung von Personen anhand der Alkoholfahne zutreffend einzuordnen. Dennoch zeigt das signifikant bessere Abschneiden der Experten unter den Ratern, dass die Fähigkeit Konzentrationsunterschiede „herauszuriechen“ trainierbar sein könnte. Offenbar kann sich die Höhe der Alkoholisierung durchaus im Geruch der Ausatemluft bemerkbar machen; die Unterschiede der unterschiedlichen Atemalkoholkonzentrationen sind jedoch wohl nicht intensiv genug für ungeübte Nasen.
T. Schäfer1, R. Lichtinghagen2, K. Brand2, E. B. Budde3, A. Gonnermann3, M. Klintschar1, L. Hagemeier4 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover,
Hannover, Deutschland, 2Institut für klinische Chemie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland, 3Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland, 4Institut für Rechtsmedizin, Außenstelle Oldenburg, Medizinische Hochschule Hannover, Oldenburg, Deutschland
Einleitung. In Deutschland sollen rund 5,9 Mio. Menschen an einem Diabetes mellitus erkrankt sein, weltweit nach Schätzungen der UN etwa 347 Mio. Menschen. Es wird vermutet, dass in der Altersgruppe der 55 bis 74jährigen fast auf jeden bekannten Diabetiker eine Person mit einem nicht diagnostizierten Diabetes kommt. Laut WHO versterben jährlich weltweit über 3 Mio. Menschen an den Folgen eines chronisch erhöhten Nüchtern-Blutzuckerwertes. Die Rechtsmedizin steht dabei vor dem Dilemma, dass selbst bei bekannten Diabetikern nur in höchstens einem Drittel der Fälle pathognomonische histologische Veränderungen nachweisbar sind. Den wohl verlässlichsten postmortal anwendbaren Test stellt die Messung des HbA1c-Wertes dar. Obwohl diese Messung keine große Herausforderung ist, sind die Ergebnisse nicht ad hoc verfügbar. In der Fachliteratur wird eine Gelbfärbung des Schädelknochens (Xanthochromie) als Hinweis auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus diskutiert, wobei sich die Literaturangaben hierbei widersprechen (z.B: Schmorl G (1930), Krug H et al. (1964), Schäfer AT (2001)). Ziel dieser Studie war die Überprüfung dieser Hypothese. Methoden. Mithilfe eines spektralen Farbmessgerätes (Hach Lange, Spectro color®) wurde die Farbe der Oberfläche von 105 Knochenproben des seitlichen Scheitelbeins bestimmt. Auf diese Weise war eine objektive Farbwiedergabe in Werten des von der CIE definierten L*a*b*-Farbsystems möglich. Parallel dazu wurden als biochemische Marker HbA1c aus Femoralvenenblut und Glucose/Laktat aus Glaskörperflüssigkeit zur Bestimmung des antemortalen Plasmaglucosespiegels mit der Summenformel nach TRAUB bestimmt. Zusätzlich wurden als biochemische Marker bezüglich einer Lipidstoffwechselstörung Cholesterin, Triglyzeride, HDL, LDL und VLDL bestimmt. Ergebnisse. Es konnte eine signifikante Korrelation zwischen der Gelbfärbung des Knochens und sowohl dem HbA1c-Wert (p < 0,001) als auch dem Alter (p < 0,001) aufgezeigt werden. Xanthochromie des Schädelknochens ist also kein Mythos sondern ein verlässlicher Prädiktor eines manifesten Diabetes mellitus. Ein zunächst vermuteter Zusammenhang zwischen der Gelbfärbung und einer Lipidstoffwechselstörung konnte hingegen nicht bewiesen werden. Schlussfolgerungen. Da sowohl das Lebensalter als auch ein Diabetes mellitus einen signifikanten Zusammenhang zur Knochenfärbung zeigten, kann vermutet werden, dass ein färbender Einfluss über Jahre und insbesondere beim Diabetiker kumuliert. Möglicherweise handelt es sich dabei um sog. „advanced glycation end products“ (AGEs) im Rahmen der sog. Maillard-Reaktion, bei der die AGEs, ähnlich wie beim HbA1c, nicht-enzymatisch glykierten Proteinen entsprechen, die unter anderem auch für
V103 Die Alkoholfahne – Sind Konzentrationsunterschiede olfaktorisch wahrnehmbar? K. Jansen, J. Sperhake Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
V104 Bestimmung der Wasserliegezeit nach Reh – Weitere Untersuchungen zur Prüfung der Reliabilität S. Stockhausen, E. Doberentz, B. Madea Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Bonn, Deutschland
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Abstracts Einleitung. Bei Wasserleichen stellt sich aus kriminalistischer Sicht nicht selten die Frage nach der Immersionsdauer. Hierzu kann die von Reh entwickelte Tabelle herangezogen werden, die aufgrund von Leichenerscheinungen und der mittleren Wassertemperatur sowie in Abhängigkeit vom Auffindemonat eine Einschätzung der Mindestwasserzeit erlaubt. Durch eine eigene retrospektive Untersuchung konnte gezeigt werden, dass eine Anpassung der Tabelle an gestiegene Wassertemperaturen empfehlenswert ist. Diese Untersuchungen wurden nun fortgeführt. Methoden. Aus dem Sektionsgut der Institutes für Rechtsmedizin der Universität Bonn aus den Jahren 2008 bis 2015 wurden insgesamt 33 Todesfälle aus fließenden oder stehenden Gewässern untersucht, bei denen die Vermisstenzeit bekannt und gleich der Immersionszeit zu setzen war. Anhand der in den Sektionsprotokollen dargelegten Fäulnis- und Mazerationserscheinungen wurden die Leichenwasserliegezeiten mithilfe der Tabelle von Reh bestimmt und mit den realen Immersionsdauern verglichen. Ergebnisse. In 26 Fällen zeigten sich verlässliche Ergebnisse In 6 Fällen wurde die reale Immersionszeit mithilfe der Tabelle von Reh um mindestens 3 Tage über- bzw. unterschätzt. In 2 Fällen konnten anhand der realen Wassertemperaturen und einer Anpassung der Liegezeitbestimmung nach Reh an diese Temperaturen zuverlässigere Ergebnisse erzielt werden. In 3 Fällen ließ sich die reale Wassertemperatur nicht ermitteln und in einem Fall entsprach die reale Wassertemperatur der von Reh ermittelten Monatstemperatur, so dass hier fraglich bleibt ob die angenommene Immersionszeit korrekt war. Schlussfolgerungen. Wie bereits dargestellt, stellt die Tabelle von Reh ein gutes Hilfsmittel zur Bestimmung der Leichenliegezeit im Wasser dar, sollte jedoch kritisch und unter Verwendung realer Temperaturwerte benutzt werden.
Poster P1 Tödliche Knochenfragmentembolie – eine seltene Komplikation bei orthopädischer Versorgung einer Spinalkanalstenose U. Schmidt1, J. Meinel2, G. Baretton2, C. Erfurt1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Medizin, Dresden,
Deutschland, 2Institut für Pathologie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland
Einleitung. Embolische Ereignisse im Lungenkreislauf werden in thrombotische und nichtthrombotische Embolien unterteilt. Nichtthrombotische Embolien können hierbei unterschiedlichen Ursprungs sein. Fettund Knochenmarkembolien sind im Sektionsgut relativ häufig zu beobachten. Selten sind hingegen Embolien durch Luft, Fremdkörper oder Knochenfragmente. Methoden. Fallbericht: 82 Jahre alte Frau mit klinisch relevanter lumbaler Spinalkanalstenose. Elektive Operation zur lumbalen Dekompression mit zunächst komplikationslosem Verlauf. Bei Wundverschluss plötzliche Kreislaufdepression. Notfallmäßige Umlagerung der Patientin, Reanimation und Echokardiografie, hierbei Nachweis eines weit dilatierten rechten Ventrikels und leeren linken Ventrikels mit Verdacht auf massive Lungenthrombembolie. Gleichzeitig Blutung aus dem Bereich des linken Hauptbronchus. Trotz intensiver und lang andauernder interdisziplinärer Reanimation Exitus in tabula. Es erfolgte die Meldung des Sterbefalls als nichtnatürlicher Tod bei Komplikation eines medizinischen Eingriffs gemäß dem Sächsischen Bestattungsgesetz. Die Leiche wurde durch die Staatsanwaltschaft ohne Sektion zur Bestattung freigegeben. Die Obduktion wurde mit Einverständnis der Totensorgeberechtigten für die Klinik durchgeführt. Ergebnisse. Wesentliche Sektionsbefunde: Vorbestehend Zeichen der Hypertonie, der generalisierten Arteriosklerose, der chronischen Herzinsuffizienz und einer Lipomatosis cordis, daneben Zeichen des akuten Rechts- und Linksherzversagens sowie der Reanimation. Kein Nachweis einer Lungenthrombembolie. Histologisch Nachweis kleinster Knochenfragmente in zahlreichen kleinen Pulmonalarterienästen und Kapillaren in allen Schnittpräparaten der Lunge. Schlussfolgerungen. In der Literatur sind nur wenige Fälle von nichtthrombotischen Lungenarterienembolien nach Frakturen oder im Rahmen von orthopädischen Operationen beschrieben, bei denen in den histologischen Schnittpräparaten intravaskulär ausschließlich knöcherne Fragmente gefunden wurden. In einem Fall wird dabei von einem Patienten berichtet, der während einer Wirbelsäulenoperation verstarb und bei dem autoptisch eine diffuse Pulmonarterienembolie durch Knochenfragmente als todesursächlich angesehen wurde. Die Häufigkeit von Knochenfragmentembolien wird mit 0,1–0,5 % des Sektionsguts angegeben. Die Befunde werden dargestellt und diskutiert.
P2 Tod bei zuvor unbekannter akuter T-Zell Leukämie mit Milzriss S. Schärli, R. Martinez, S. Bolliger, C. Bartsch, J. Fornaro Institut für Rechtsmedizin Zürich, Forensische Medizin und Bildgebung, Zürich, Schweiz Einleitung. Die akute T-Zell Leukämie ist eine hoch aggressive hämatologische Erkrankung, bei der es innerhalb weniger Wochen zu einer rapiden Progression kommen kann, die Lebenserwartung beträgt unbehandelt wenige Wochen. Akute Leukämien (AL) sind klonale Erkrankungen auf der Ebene maligner umgewandelter Stammzellen. Dabei ist die normale Differenzierung zu reifen peripheren Blutzellen gestört. Es resultie-
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ren ein Ausbleiben der normalen Differenzierung der betroffenen Zellreihe und eine Anhäufung von leukämischen Zellen (Blasten). Die klinischen Erscheinungen sind vielgestaltig und variieren je nach Leukämietyp und Lebensalter. Meist lässt sich eine Vorgeschichte über einige Wochen zurückverfolgen mit Symptomen wie Fieber, Nachtschweiß, Blässe und Gelenkschmerzen, in der Folge oft Dyspnoe, Anämie, Infektionen und Organblutungen. Die T-ALL (akute lymphatische Leukämie) geht zudem oft mit einem Mediastinaltumor einher. Methoden. Wir beschreiben den Fall eines 17-jährigen Jungen, welcher nach einem Eishockeyspiel ohne Trauma an den Folgen eines Milzrisses verstarb, dies trotz Notoperation mit Splenektomie. Anamnestisch wurde bekannt, dass der Jugendliche sich seit ca. 3 Wochen unwohl gefühlt und leichte Grippesymptome gezeigt habe. Wir führten eine postmortale Bildgebung mittels Computertomographie (CT) und eine Obduktion inklusive mikrobiologischer und histologischer Untersuchungen durch. Ergebnisse. Außer medizinischen Installationen und Maßnahmen zeigten sich bei der äußeren Besichtigung des Leichnams keine Verletzungen. Die postmortale CT zeigte im vorderen Mediastinum eine große Tumormasse mit Ummauerung und Verdrängung der Luftröhre nach dorsal. Bei der Obduktion konnte ein großer Mediastinaltumor nachgewiesen werden, Vergrößerung der zervikalen und mesenterialen Lymphknoten, ein Hirn- und Lungenödem sowie ein Zustand nach Splenektomie aufgrund eines Milzrisses. Hier war eine hochgradige Splenomegalie festgestellt worden. In der histologischen Untersuchung konnten unzählige mononukleäre Entzündungszellen (leukäm. Zellen) in fast allen Organen festgestellt werden, wie dies bei einem Blastenschub beobachtet werden kann. Eine immunhistochemische Untersuchung der Milz führte zur Diagnose eines lymphoblastischen T-Zell Lymphoms, entsprechend einer akuten T-Zell Leukämie. Schlussfolgerungen. Der hier präsentierte Fall belegt exemplarisch erneut die dringende Notwendigkeit rechtsmedizinischer Abklärungen. Was vordergründig wie ein Unfallgeschehen aussieht, entpuppt sich als schwerwiegende Grunderkrankung, die unbehandelt letal verläuft. Eine Erkenntnis mit weitreichenden Folgen für sämtliche involvierte Personen. Das Krankheitsbild der ALL wird fallbezogen anhand der außergewöhnlichen Befunde der postmortalen Bildgebung, der Obduktion und den histologischen Untersuchungen beschrieben.
P3 Die Todesbescheinigung im Krankenhaus – Wie gut ist die Qualität? A. S. Schröder, J. P. Sperhake Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland Einleitung. Die Qualität der Todesursachenstatistik sowie die Freigabe des Leichnams zur Bestattung hängen wesentlich von den Angaben in der Todesbescheinigung ab. Der Umgang mit der Todesbescheinigung wird in Fachkreisen immer wieder kritisch beurteilt. Methoden. Es wurden Sterbefälle aus den Jahren 2012 bis 2014 aus fünf Akut-Krankenhäusern eines privaten Klinikträgers in Sachsen (vier Kliniken) und Schleswig-Holstein (eine Klinik) hinsichtlich der Qualität der Todesbescheinigungen nach Aktenlage durch zwei Rechtsmediziner retrospektiv ausgewertet. Es wurden u. a. die Lesbarkeit, die Eintragungen zur Epikrise und zur Todesursache sowie die Todesart analysiert. Ergebniss Es wurden n = 1224 Sterbefälle erfasst. Unter den 1012 als natürlich klassifizierten Todesfällen (82,6 %) und in einem Fall ohne Angabe zur Todesart ergaben sich in 41 Fällen Hinweise auf einen nichtnatürlichen Tod und somit eine möglicherweise falsch klassifizierte Todesart. Dies entspricht einer „Beanstandungsquote“ von 3,3 %. Es wurden 125 Fälle (10,2 %) als nichtnatürlich (davon ein Fall mit doppelter Klassifizierung) und 52 Fälle (4,2 %) als ungeklärt klassifiziert. Die angegebene Todesursache wurde in 809 Fällen (66,0 %) bezüglich ihrer „Treffsicherheit“
als „hoch“ eingeschätzt. Die Anforderung eine dreistufige Kausalität anzugeben wird jedoch selten erfüllt; häufig ist die Kausalkette unvollständig und/oder in sich nicht schlüssig. Die Lesbarkeit der Eintragungen war in 1048 Fällen (85,6 %) gut. Von den 183 Todesfällen mit digitalisierten Krankenunterlagen waren 41 der Todesbescheinigungen unzureichend oder gar nicht leserlich. Eine gute Epikrise fand sich in 401 Fällen (32,7 %), in 585 Fällen (47,6 %) wurde das Feld leer gelassen. Schlussfolgerungen. Insgesamt zeigte sich ein kompetenter Umgang der Klinikärzte mit der Todesbescheinigung. Es wurde eine geringe Anzahl an möglicherweise falsch als natürlich klassifizierten Todesfällen identifiziert (Todesfälle in Folge häuslicher Stürze, Vorliegen ausgedehnter Dekubiti, ausnahmsweise Folgen ärztlicher Behandlungsfehler). Nichtnatürliche bzw. ungeklärte Todesfälle sind zumeist aus nachvollziehbaren Gründen so eingestuft worden. Darunter finden sich aber auch einige Todesfälle, bei denen wahrscheinlich ein natürlicher Tod vorlag, wenn auch die eigentliche Todesursache ungeklärt blieb oder sich ein zeitlicher, aber kein kausaler Zusammenhang zu operativen Eingriffen ergab. Es zeigte sich somit eine gewisse Tendenz zur „Übervorsicht“ im Zusammenhang mit operativen Eingriffen. Zu selten wird die Rubrik Epikrise genutzt, um die individuellen Aspekte des Todesfalles darzustellen. Verbesserungsbedarf besteht in Hinblick auf die korrekte Dokumentation der zum Tode führenden Kausalkette. Eine gute Lesbarkeit war insbesondere aufgrund der hohen Anzahl maschinell ausgefüllter Todesbescheinigungen gegeben.
P4 Tödlich verlaufende Sinusitis bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma vor mehreren Jahren T. Ottilinger, S. Blum, R. Hausmann Institut für Rechtsmedizin, Kantonsspital St. Gallen, Forensische Medizin, St. Gallen, Schweiz Einleitung. Die Kausalitätsbeurteilung zwischen einem schädigenden Ereignis und dem Todeseintritt kann insbesondere bei längeren Zeitspannen eine rechtsmedizinische Herausforderung darstellen. Vor allem Verletzungen des zentralen Nervensystems bedürfen in diesem Zusammenhang aufgrund der Vielzahl möglicher Komplikationen auf morphologischer und funktioneller Ebene einer eingehenden und differenzierten Beurteilung. Methoden. Wir präsentieren den Fall eines 32 Jahre alt gewordenen Mannes, der leblos mit blutigen Antragungen im Mundbereich in seinem Bett liegend aufgefunden worden war. Aus der Krankenvorgeschichte war ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Hirngewebsschädigung und Verlust des rechten Auges 3 Jahre zuvor bekannt. Während des damaligen Spitalaufenthaltes sei es einmalig zu einem Krampfanfall gekommen, seitdem habe eine antikonvulsive Therapie bestanden. Aufgrund des Verdachtes auf einen erneuten und nun todesursächlichen epileptischen Anfall infolge des initialen Schädel-Hirn-Traumas wurde die Rechtsmedizin hinzugezogen. Ergebnisse. Die vor Ort durchgeführte Leichenschau erbrachte eine stark ausgeprägten Totenstarre, einen Zungenbiss sowie eine Rektaltemperatur von 40 °C. Bei der Obduktion fanden sich operativ eingebrachte Knochendeckungen des Schädeldachs sowie der Schädelbasis, das rechte Auge fehlte. Hinter dem einliegenden Glasauge zeigte sich eine ausgedehnte Eiteransammlung mit Verbindung zur rechten Stirnhöhle und über das einliegende chirurgische Deckungsmaterial auch in das Schädelinnere. Histologisch war eine eitrige Meningoenzephalitis nachweisbar, wobei sich Anzeichen sowohl für eine hämatogene als auch eine per continuitatem Entzündungsausbreitung fanden. Aus sämtlichen Entzündungslokalisationen ließ sich Streptococcus pneumoniae als Erreger isolieren. Schlussfolgerungen. Meningitis und orbitale Beteiligungen stellen die beiden häufigsten Komplikationen eitriger Nebenhöhlenentzündungen dar, welche einerseits auf einem direkten Entzündungsübertritt als auch auf einer hämatogenen Fortleitung basieren können. Da im geschilderten Fall beide Ausbreitungswege nachgewiesen werden konnten, ließ sich
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Poster eine Kausalität zwischen dem zurückliegenden Schädel-Hirn-Trauma und dem Todeseintritt nicht mit der strafrechtlich notwendigen Sicherheit ableiten.
P5 Suizid mit Samuraischwert C. Schröder, S. Anders Institut für Rechtsmedizin Hamburg, Hamburg, Deutschland Einleitung. Stichverletzungen stellen in der rechtsmedizinischen Praxis keine Seltenheit dar, werden aber häufiger im Rahmen homizidaler als suizidaler Handlungen gefunden. Die Selbsttötung mittels Samuraischwert und eigens gebauter Stichkonstruktion stellt eine Rarität dar. Fallbeschreibung Vorgestellt wird ein Fall, der an die japanische Form der Selbsttötung der Samurai-Krieger erinnert – das Seppuku. Der Krieger eröffnet sich quer mit einem Schwert den Unterbauch und fordert anschließend einen Gehilfen auf, die zum Tode führende Abtrennung des Kopfes durchzuführen. In dem hier vorgestellten Fall wurde der Suizident in seiner Wohnung auf dem Fußboden liegend aufgefunden. Die Tür war durch von innen verschraubte Metallplatten verriegelt. Des Weiteren zeigte sich eine Konstruktion aus einem Samuraischwert, welches mittels Schrauben und Metallplatten auf einem Schrank befestigt war. Dieser Schrank war wiederum mittels Kippscharnier auf einem weiteren Schrank befestigt. Über ein Seilzugsystem wurde der Fallmechanismus gesteuert. Das Schwert durchstach das Herz und blieb in der Brustwirbelsäule stecken. Zudem wurden Stichverletzungen des Abdomens und eine Schnittverletzung der linken Handgelenksbeuge festgestellt. Als Todesursache konnte autoptisch eine Stichverletzung des Brustkorbes mit Ausbildung eines Hämatoperikards und eines Hämato-Pneumothorax festgestellt werden. Schlussfolgerungen. Wenngleich diese japanische Form der Selbsttötung bereits im Jahr 1868 verboten wurde, scheint sie neben dem spirituellen Charakter auch aufgrund ihrer Effektivität als Suizidmethode nicht vergessen. Im gegenständlichen Fall gingen zudem aufwändige und zeitintensive Vorbereitungen voraus.
P6 Todesfälle nach Adipositas-Chirurgie K. Zindler, M. Hohner, L. A. Ormandy, W. Grellner Universitätsmedizin Göttingen, Rechtsmedizin, Göttingen, Deutschland Einleitung. Der Anteil übergewichtiger Erwachsener hat sich in Deutschland in den letzten Jahren auf hohem Niveau stabilisiert. Jedoch stieg die Prävalenz der (morbiden) Adipositas kontinuierlich an. Parallel dazu haben die Operationszahlen im Bereich der Adipositas-Chirurgie zugenommen. Wegen des stetig steigenden Anteils von Verdachtsfällen auf medizinische Behandlungsfehler im forensischen Obduktionsgut wird eine Konfrontation des Sachverständigen mit den Folgen bariatrischer Operationen häufiger erfolgen. Anhand von 4 Begutachtungsfällen soll auf mögliche Folgen und die sich an die Obduktionen anschließenden rechtsmedizinischen Beurteilungen der bariatrischen Eingriffe eingegangen werden. Ergebnisse. Seit 2012 wurden in unserer Abteilung vier weibliche Leichen nach bariatrisch-chirurgischen Eingriffen obduziert: mittleres Lebensalter 50,3 Jahre (37–61 Jahre); durchschnittlicher BMI 50,9 kg/m2 (39,6– 58,1 kg/m2); mittlere postoperative Überlebenszeit (ÜLZ) 15,5 d (0–43 d). Zweimal fand sich ein Zustand nach Sleeve-Operation, in einem Fall die Anlage eines Magenbypasses, in einem weiteren Fall wurde eine laparoskopische Magenverkleinerung abgebrochen (Komplikation). Zweimal kam es zu todesursächlichen Verletzungen großer Gefäße (Aorta und/ oder untere Hohlvene) im Rahmen der Trokar-Anlage. In einem Fall fand sich eine todesursächliche kotige Peritonitis nach Dünndarmperforation. Im vierten Fall (ÜLZ 43 Tage) zeigte sich ein infiziertes Hämatom im Be-
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reich der Dünndarmschlingen, welchem jedoch keine sichere Todesursächlichkeit beigemessen werden konnte. Diskussion Wegen der Zunahme operativer Adipositasbehandlungen ist auch mit einer Zunahme von peri-/postoperativen Komplikationen in diesem Teilbereich der Chirurgie zu rechnen. Der rechtsmedizinische Sachverständige sollte mit den potenziellen Folgen der unterschiedlichen operativen Maßnahmen vertraut sein. In der Regel handelt es sich um aufklärungspflichtige Komplikationen, wie sie auch in anderen Bereichen der Abdominalchirurgie auftreten können. Da es sich bei bariatrischen Eingriffen jedoch um elektive Operationen handelt, bei denen trotz strenger Indikationenstellungen (S3-Leitlinie) eine Beeinflussung der Entscheidung durch z. B. den Patientenwillen und/oder Lifestyle-Effekte nicht ausgeschlossen werden kann, ist bei der Gesamtbegutachtung zur Frage des Vorliegens eines medizinischen Behandlungsfehlers, neben den üblichen Kriterien (u. a. Aufklärung, zeitnahes Erkennen und adäquates Behandeln der Komplikation/-en), insbesondere Augenmerk auf eine korrekt gestellte Indikation zu legen. Schlussfolgerungen. Bezüglich bariatrischer Eingriffe sollte auch der forensische Sachverständige über die spezifischen Indikationsstellungen sowie die potenziellen Komplikationen informiert sein.
P7 Spontanfraktur der Halswirbelsäule bei Morbus Bechterew (Anderson-Fraktur) als Differentialdiagnose zu traumatischer Fraktur durch dritte Hand M. Schwerer, M. Graw Rechtsmedizin, München, Deutschland Einleitung. Zur körperlichen Untersuchung vorgestellt wurde ein Mann im mittleren Lebensalter, Mitarbeiter eines Betriebsschutzes, der zuvor von einem Kollegen durch einen Unterarmwürgegriff am Hals umklammert worden war. Der Vorfall sei zu Übungszwecken ohne Verletzungsabsicht ausgeführt werden. Vorerkrankungen umfassten eine COPD, eine arterielle Hypertonie sowie einen länger bestehenden Morbus Bechterew. Die forensische Untersuchung sowie eine ambulante klinische Vorstellung ergaben keine morphologisch fassbaren Befunde. Knapp 2 Monate später fiel der Patient mit einer Tetraplegie nach Wirbelkörperfrakturen in der HWS auf. Zwischenzeitlich war eine Bronchopneumonie stationär behandelt worden. Hierbei wurde die antihypertensive Medikation auf einen ACE-Hemmer umgestellt. Hierbei war der Patient phasenweise intubationspflichtig dyspneuisch bei V. a. Angioödem. Ein neuerliches Trauma gegen die Halswirbelsäule wurde verneint. Der Patient verstarb einige Tage nach dem Beginn der Lähmungserscheinungen. Fragestellung: Bestanden bereits 2 Monate vor dem Tod unerkannte Verletzungsfolgen der Halswirbelsäule? Methoden. Die Befunde der rechtsmedizinischen Sektion wurden um nachgeschaltete feingewebliche Untersuchungen ergänzt und mit dem Inhalt der Krankenblattunterlagen in Zusammenschau betrachtet. Ergebnisse. Auswertung der Krankenblattunterlagen: Jede in der Situation erforderliche Diagnostik einschließlich CT-Untersuchungen von HWS und Halsgefäßen war durchgeführt worden. Auch die HNO-ärztliche Befundung des Kehlkopfes war ohne pathologischen Befund geblieben. Wesentliche Obduktionsergebnisse: Mit Osteosynthesematerial fixierte Sinterungsfraktur der HWS mit kräftiger Umblutung sowie Abknickung des Halsmarkes mit subduralen Einblutungen und Wühlblutung im Halsmark. Wesentliche feingewebliche Befunde: Histiozytäre Blutungsresorption und fibroblastenreiches Reparaturgewebe im paravertebralen Weichgewebe. Im Frakturbereich Faserknochenproliferate ohne Nachweis eines osteonären Umbaus. Schlussfolgerungen. Zusammenfassung: Es ergaben sich bei der Auswertung der Krankenblattunterlagen keine Hinweise auf nicht-festgestellte Befunde nach dem Angriff gegen den Hals ca. 2 Monate vor dem Tod. Insbesondere die Halswirbelsäule stellte sich unverletzt dar. Die letztlich zum
Tode führende HWS-Fraktur ist bei Ausschluss eines adäquaten Traumas als sog. Anderson-Fraktur zu werten. Der ausschließliche Nachweis von Faserknochen in der feingeweblichen Aufarbeitung ohne osteonären Umbau belegt ein Frakturalter von unter 8 Wochen. Derartige Spontanfrakturen treten gehäuft bei länger bestehendem M. Bechterew auf. Ggf. hat ein verstärkter Hustenreiz bei Pneumonie oder der Umstellung auf einen ACE-Hemmer die Fraktur im Sinne eines Bagatelltraumas bewirkt.
P8 Histopathologische Lungenbefunde bei Drogentoten nach langjährigem i. v.-Konsum M. Riße, T. Röcker, R. Dettmeyer Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Deutschland Einleitung. Bei langjährigem i. v.-Drogenabusus kann es in der Lunge sowohl zu Akutveränderungen als auch zu drogeninduzierten Spätschäden kommen. Dies kann im Einzelfall bis hin zur Ausbildung eines Cor pulmonale führen. Methoden. Zur histopathologischen Untersuchung gelangte Lungengewebe von 99 Drogentoten, die nach langjähriger intravenöser Applikation verstarben. Ergebnisse. Histopathologisch konnte ein breites Spektrum an Befunden mit akutem, z. T. hämorrhagischem Ödem, akutem Emphysem sowie frischen und älteren entzündlichen Veränderungen bis hin zum Vollbild einer pulmonalen Granulomatose (Fixer-Pneumopathie) festgestellt werden. Akutes Ödem: n = 19 (19,2 %) Akutes hämorrhagisches Ödem: n = 73 (73,7 %) Fe-Ablagerungen: n = 58 (58,6 %) Akutes Emphysem: n = 69 (69,7 %) Akute Bronchopneumonie: n = 22 (22,2 %) Fixer-Pneumopathie: n = 13 (13,1 %) Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse der durchgeführten systematischen histopathologischen Untersuchungen des Lungengewebes belegen die Vielfalt möglicher pulmonaler Befunde mit Akutveränderungen und Spätschäden nach langjährigem i. v.-Drogenkonsum.
P9 Leichenmumifizierung im geschlossenen und mit Erdgas gefüllten Raum M.A. Kislov, N. A. Romanko Institut für Rechtsmedizin der Moskauer Region, Moskau, Russland Wie bekannt, kommt es bei guter Luftzirkulation in einer trockenen Umgebung in der Regel zur Mumifizierung der Leiche. Dieser Vorgang dauert bei dem Leichnam eines erwachsenen Menschen gewöhnlich ca. 2–3 Monate oder noch länger. Wir bearbeiteten den Fall einer mumifizierten Leiche eines erwachsenen Mannes, die in einem geschlossenen, mit Erdgas gefüllten Raum aufgefunden worden war. Das Gas wurde zur Heizung, Wassererwärmung und zum Kochen in der Wohnung genutzt. Die Leiche wurde in einem Einfamilienhaus in der Küche in Rückenlage aufgefunden. Der Drehknopf eines Gasherdes war aufgedreht, aus dem Kochfeld strömte beim Auffinden Erdgas in die Wohnung, und das vermutlich schon seit 6 Monaten. Das Erdgas stellt ein Gemisch aus Gasen dar, das sich im Erdinneren bei der anaeroben Zersetzung organischer Stoffe bildet. Hauptbestandteil (70– 98 %) des Erdgases ist Methan (CH4). Im Erdgas können auch schwere Kohlenwasserstoffe aus der Reihe der Methan-Homologen vorkommen wie Ethan (C2H6), Propan (C3H8) oder Butan (C4H10) sowie auch andere Substanzen wie Wasserstoff (H2), Schwefelwasserstoff (H2S), Kohlenstoff-
dioxid (СО2), Stickstoff (N2) oder Helium (Не). Reines Erdgas ist farbund geruchlos. In unserem Fall verhinderte das Erdgas wahrscheinlich die Entwicklung von aeroben Bakterien in der Leiche und hemmte somit die Leichenfäulnis. Zugleich förderte das trockene Gas die Mumifikation.
P10 Rekonstruktion eines Fußgängerverkehrsunfalls mit Nierentrauma mithilfe eines Simulationsprogramms V. A. Klevno, M.A. Kislov Institut für Rechtsmedizin der Moskauer Region, Moskau, Russland Bei einem Fußgänger-Pkw-Unfall unterscheidet man zwischen drei Anstoßkonstellationen: einer frontalen Kollision zwischen Fußgänger und Pkw sowie dem Kontakt des Fußgängers mit der Seite oder dem Heck des Fahrzeugs. Verletzungen innerer Organe des Fußgängers können dabei entweder durch den direkten Kontakt mit Fahrzeugteilen oder beim Aufprall auf die Fahrbahn entstehen. Nach einer Fußgänger-PKW-Kollision kam es in unserem Fall bei der geschädigten Person zur Entwicklung eines Hämatoms unter der Nierenkapsel. Das geschädigte Kind hatte diese Verletzung angeblich durch einen direkten Kontakt mit der Stoßstange des anstoßenden Fahrzeugs erlitten. Dies galt es durch eine Unfallrekonstruktion zu überprüfen. Da die Körpermaße des Kindes und das Modell des PKWs bekannt waren, konnten wir mithilfe des 3-D-Redaktors „Poser“ ein virtuelles Modell des Kindes und des Fahrzeugs erstellen. Zusätzlich wurde eine mathematische Modellierung des Bewegungsablaufs (Software „Autodesk Inventor“) mit der Methode der finiten Elemente durchgeführt. Die Rekonstruktion des Unfalls mithilfe dieser Technik zeigte, dass ein isoliertes Nierenhämatom nicht durch einen Kontakt mit der Stoßstange des Fahrzeugs hatte entstehen können.
P11 Fatal injury which was caused by lightning stroke during talking by mobile phone E. Barinov1, N. Maltseva2, P. Romodanovsky1 1Moscow State University of Medicine and Dentistry, Moscow,
Russia, 2Kirov State Medical Academy, Kirov, Russia
Aims. The detection of the fact of a lightning stroke quite often has considerable difficulties. It demands the participation of the forensic scientist on the crime scene, a careful autopsy and detailed studying of circumstances of death. Methods. The case of defeat of the victim by atmospheric electricity was studied. The woman, 29 years, was on the street when the thunder-storm with a heavy rain suddenly began. At the time of the beginning of a thunder-storm she spoke by the mobile phone. According to indications of witnesses, the linear category of atmospheric electricity which was followed by sound effect (thunder) struck in area of the mobile phone, the right ear and thorax of the victim were occurred. The body of the victim was rejected on some meters from the location. Sliding of the body on asphalt took place. The body of the victim was taken by passersby to regional hospital where the death was verified. Results. There were multiple ruptures of a deckle-edged oval form on clothes. The burn of skin of the right ear, thorax burn in front, a burn on the abdomen skin were found. On the autopsy subpleural and subepicardial hemorrhages, brain edema and pulmonary edema were found. According to Results. of histological research in the field of skin burns the signs of lightning action were found: an epidermis thickening with the hyperchromic, horizontally located cell nucleuses of an external epithelial vagina of hair follicles; homogenization and stratification of derma; small black particles on a surface of epidermis. At spectral research of skin of an Rechtsmedizin 4 · 2015
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Poster ear skin the raised content of Fe, Mn, Si, Cu was registered. This fact can be due to the influence of a subject incorporating these elements. At spectral research of skin of a thorax from area of a burn of these elements they weren’t registered. It should be noted the fact that the found chemical elements are parts of the mobile phone. Conclusion. Studying of cases defeat by atmospheric electricity promotes improvement of quality of the investigations in forensic medicine.
P12 A case of lethal injury as a result of shot from an air rifle A. Maltsev1,2, A. Kofan2, A. Nogina2 1Kirov State Medical Academy, Kirov, Russia, 2Kirov State
Institute of Forensic Medicine, Kirov, Russia Aims. The air rifle is normally used for target shooting. At a shot from long distance of striking force of the air rifle bullet it is usually not enough for formation of deep injuries of a human body. We encountered a case of lethal damage as a result of a shot from an air rifle. Methods. Case: The shot from an air rifle with a lead bullet was made. The shot was made from the second floor of the building, and the victim was staying on the ground level. The shot distance was about 20 m. A 19 years old man was injured and the death occurred in some minutes after the shot. Results. The wound of a thorax on the autopsy was found. Injuries on the course of the wound channel were the following: skin wound and soft tissues wound, the fracture of sternum, the wounds of the pericardium, heart, lung and aorta. The bullet in diameter of 4,5 mm near injury of the aorta was found. Internal bleedings in the left pleural cavity (1500 ml) and in the pericardial cavity (330 ml) were registered. It was investigated and determined by police that the owner of the weapon remade a rifle mainspring. As a result the action force of the rifle mainspring was increased approximately three times. Conclusion. Action force of an air rifle bullet was sufficient for formation of wound of a thorax which was the same as damage at a shot from firearms.
P13 Positionale Asphyxie oder tödliche Alkoholintoxikation? – Tod einer Frau in Kopftieflage nach Treppensturz bei hochgradiger Alkoholisierung S. Stockhausen1, G. Kernbach-Wighton1, J. Hülder2, E. Doberentz1, B. Madea1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Bonn, Deutschland, 2Kriminalkommissariat Bonn, Bonn, Deutschland
Einleitung. Die Todesursache „haltungsbedingte Asphyxie“ darf nur dann erwogen werden, wenn der Verstorbene in einer Körperhaltung aufgefunden wurde, die eine Obstruktion der Atemwege oder eine mechanische Beeinträchtigung der Atemfunktion plausibel begründet und eine anderweitige Todesursache ausgeschlossen ist. Zu den charakteristischen Auffindungssituationen gehört u. a. eine umgebungsbedingte Hyperextension des Halses mit Obstruktion der Atemwege, Bauch- oder Kopftieflage bzw. Aufliegen des Oberkörpers auf einer Kante. Als Risikofaktoren für einen Tod durch haltungsbedingte Erstickung gelten Rauschzustände unterschiedlicher Ursache. Dabei muss allerdings eine isoliert todesursächliche Vergiftung durch zentral nervöse Substanzen ausgeschlossen sein. Die Differentialdiagnose haltungsbedingte Asphyxie/Intoxikation kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Methoden. Vorgestellt wird der Fall einer 48 Jahre alt gewordenen Frau, die leblos in Bauchlage mit überstrecktem Kopf nach unten auf der Treppe in ihrem Haus aufgefunden wurde. Der Kopf lag der Wand eng an und es fanden sich geringe Blutantragungen an der Tapete und den Treppen-
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stufen. Die Frau war bekannte starke Alkoholikerin. Ein letztes Lebenszeichen datiert 9 Tage vor Auffindung. Ergebnisse. Bei der Obduktion zeigten sich fortgeschrittene Fäulnisveränderungen mit Erweichung des Gehirns. Korrespondierend zu der Auffindungssituation fand sich eine Quetsch-Riss-Wunde der Oberlippe mit Anhaftungen von am ehesten Tapetenstücken an den Zähnen. Weiterhin konnte eine umblutete oberflächliche Einreißung der Bandscheibe zwischen 7. Halswirbel- und 1. Brustwirbelkörper dargestellt werden. Bei deutlich aromatischem Geruch über den eröffneten Körperhöhlen, zeigte sich eine Fettleber und die Blutalkoholkonzentration betrug 3,67 ‰. Zudem konnten nicht letale Konzentrationen der Antidepressiva Trimipramin mit 411 ng/ml und Quetiapin mit 64,2 ng/ml nachgewiesen werden. Eine Ketoazidose wurde ausgeschlossen. Histologisch zeigte sich bei fortgeschrittener Autolyse eine deutlich erschwerte Beurteilbarkeit der Organe. Die Lungen zeigten sich ödematös, blutreich und mit Leukozyteninfiltraten. Schlussfolgerungen. Anhand des Falls wird die Differentialdiagnose Intoxikation in Kopftieflage vs. Tod in Kopftieflage einer intoxikierten Person diskutiert.
P14 Der erweiterte Suizid bei den Sektionsfällen des Instituts Rechtsmedizin Frankfurt am Main von 1994 bis 2014 A. Siems1, B. Flaig2, M. Verhoff1, M. Parzeller1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt am Main, Deutschland, 2Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
Beim erweiterten Suizid werden von dem Handelnden vor der Selbsttötung weitere Menschen aus deren Sicht unfreiwillig mit in den Tod genommen. Oftmals stehen Täter und Opfer in enger Beziehung. Für die Hinterbliebenen hat dieses Phänomen weitreichende Folgen. Im Falle eines misslungenen Suizids, hat dies erhebliche strafrechtliche Folgen für den Täter. Das Ziel dieser Studie war die Analyse erweiterter Suizide aus den rechtsmedizinischen Obduktionsfällen. In einer retrospektiven Studie wurden 57 Fälle des erweiterten Suizids analysiert, die von 1994 bis 2014 im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der Goethe-Universität Frankfurt obduziert wurden. Den Obduktionsprotokollen wurden insbesondere Informationen über Täter und Opfer, deren Beziehung untereinander, Tötungsdelikt, Suizid, Tatzeitpunkt, Tatausführung, Tatort und Tatmotive entnommen. Neben diesen Angaben wurden staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten einbezogen, soweit diese zur Verfügung gestellt wurden. Weiterhin wurde eine umfassende Charakterisierung der verschiedenen Arten des erweiterten Suizids erstellt. Die statistische Auswertung erfolgte rein deskriptiv. 93 % der Täter waren männlich mit einem Mittelwert des Alters von 55,6 Jahren (Max = 87; Min = 21; SD = 16,6). Die Täterinnen waren im Mittel 28 Jahre alt (Max = 35; Min = 21; SD = 9,9; 2 × Alter unbekannt). Die 57 Fälle ergaben eine Gesamtopferzahl von 71 mit einem Mittelwert des Alters von 42,7 Jahren (Max = 88, Min = 0,5, SD = 24,8). 78,9 % der Opfer waren weiblich. Unter den Opfern befanden sich 17 Kinder. Das Alter der Kinder betrug im Mittel 7,4 Jahre (Max = 16; Min = 0,5; SD = 5,36). In 6 Fällen überlebte der Täter den Suizidversuch und in 7 Fällen misslang das Tötungsdelikt. Zur (Selbst-)tötung wählten die Täter überwiegend Erschießen (Tötungsdelikt n = 54 %; Suizid n = 54 %). Andere häufige Methoden zur Tötung der Opfer waren Erdrosseln und Erstechen, zur Selbsttötung Erstechen und Erhängen. Häufigste Tatmotive waren Beziehungskonflikte durch Eifersucht, bevorstehende Trennungen, finanzieller Ruin sowie Pflegebedürftigkeit der Tatopfer. 71,9 % der Fälle fand zu Hause statt. Einige Täter wiesen Depressionen oder wahnhafte Halluzinationsstörungen auf. Die Blutalkoholkonzentra-
tion wurde bei 39 Tätern ermittelt und ergab als Mittelwert 0,23 ‰ (Max = 1,98, Min = 0,00, SD = 0,51). Gemäß der Obduktionsfälle der Rechtsmedizin Frankfurt ereigneten sich in den letzten 20 Jahren durchschnittlich etwa drei erweiterte Suizide pro Jahr. Die Fälle zeigten im Einzelnen ähnliche Charakteristika. Auffällig waren die enge Täter-Opfer-Beziehung und die sich bereits deutlich vor dem Ereignis abzeichnenden Konflikte. Auf Grund der Schwere der Tat, sollte der Begriff Homizid-Suizid einheitlich verwendet werden und der Fokus auf die Weiterentwicklung der Prävention insbesondere im familiären Umfeld gelegt werden.
P15 Verletzungsmuster bei tödlichen Fußgängerunfällen – Die Bedeutung von Beckenverletzungen im Verletzungskomplex N. A. Koenemann, S. Peldschus, M. Graw, S. Schick Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland Einleitung. Die Sicherheit der Fußgänger als vulnerable Verkehrsteilnehmer stellt eine komplexe politische, medizinische und infrastrukturelle Herausforderung dar. Im Trauma-Management hat die Reduktion von Blutverlust und Vorbeugung des Schocks durch Stabilisierung von Beckenfrakturen und Identifizierung von Begleitverletzung eine hohe Bedeutung. Ziel der Arbeit ist es, die Rolle von Beckenverletzungen im gesamten Verletzungsmuster von verunglückten Fußgängern zu bewerten und deren Einfluss auf das tödliche Outcome zu analysieren. Methoden. Die Obduktionsberichte von 142 Fußgängertoten, welche am Institut für Rechtsmedizin der LMU, München in den Jahren 2004–2006 obduziert wurden, werden verwendet um die beschriebenen Verletzungen mittels der Abbreviated Injury Scale AIS© 2005-Update 2008 [1] zu kodieren. Analysiert werden nur Fußgängerunfälle, bei denen die Todesursache eindeutig mit dem Verkehrsunfall assoziiert ist. Das Kollektiv wird anhand demographischer Variablen wie Geschlecht und Alter, sowie Unfallort und Unfallgegner beschrieben. Die Fälle werden nach ihrem groben Verletzungsmuster gemäß Körperregionen der AIS gruppiert. Zusätzlich zur AIS-Kodierung werden bei relevanten Beckenverletzungen von AIS ≥ 2 die einzelnen Verletzungscharakteristika im Detail dargestellt. Beckenfrakturen und gleichzeitig auftretenden Verletzungen in anatomischer Nähe werden berücksichtigt. Ergebnisse. Das Gesamtkollektiv ist in über 2/3 männlich. Die Mehrheit der Unfallgegner sind PKWs, wobei PKW und LKW zusammen mehr als 80 % der Unfallgegner darstellen. Über 2/3 der Fälle starben innerhalb von 24h nach Unfallgeschehen, davon die meisten am Unfallort. Die häufigsten Todesursachen sind das Polytrauma und das zentrale Regulationsversagen. Die am häufigsten schwerstverletzte Körperregion ist der Kopf. Das Becken ist in knapp weniger als der Hälfte aller Fälle relevant verletzt (AIS ≥ 2), jedoch sind in nur rund 10 % diese Verletzungen die schwerste Verletzung des Verstorbenen (MAIS). In diesen Fällen sind Schock und Verblutung todesursächlich. Beim gleichzeitigen Auftreten gleichschwerer Verletzungen des Beckens und anderer Körperregionen wird jedoch oft nicht die Beckenverletzung als Todesursache beschrieben, sondern ein Polytrauma. Schlussfolgerungen. Die Beckenfraktur bei Fußgängerunfällen ist zwar selten entscheidend für das tödliche Outcome, doch kann sie durch Schock und Verblutung zum Tode führen oder beitragen und sollte somit im prähospitalen Management von schwerverletzten Fußgängern stets berücksichtigt werden.
P16 Verletzungskodierung nach AIS: welche Genauigkeit bietet die Zusammenfassung des Obduktionsberichts? A. Humrich, M. Graw, K. Bauer, S. Schick Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland Einleitung. Die Abbreviated Injury Scale (AIS©) ist ein globales, anatomisch basiertes Schweregrad-Punktesystem, das einer Einzelverletzung hinsichtlich ihrer relativen Bedeutung für den Verletzten einen Skalenwert zwischen 1 (= leicht) und 6 (= maximal) zuweist. Sie bietet zudem eine standardisierte Terminologie zur Verletzungsbeschreibung. Nutzer sind neben Unfallforschern um Verletzungsmechanismen zu identifizieren und die Fahrzeugsicherheit zu verbessern auch Gesundheitsorganisationen u. a. (z. B. klinisches Trauma-Management, Gesundheitssystemforschung) [1]. Die Genauigkeit der Datenbasis sowie die Einhaltung der Kodierrichtlinien sind wesentlich für die Kodierqualität und internationale Vergleichbarkeit. Die Zeitintensität (Schulung, Qualitätskontrollen) wird beim Kodieren von Autopsieberichten durch die Vielzahl an dokumentierten Verletzungen noch verstärkt. Es stellt sich die Frage, ob für manche Fragen der Unfallforschung eine gute Genauigkeit erreicht werden kann, wenn man als Datenbasis nur die Zusammenfassung des Autopsieberichts verwendet. Methoden. Jeweils die vollständigen Autopsieberichte und deren Zusammenfassungen von rund 150 polytraumatisierten Verkehrsunfallopfern aus dem Jahr 2004, die in der Rechtsmedizin München obduziert wurden, wurden nach AIS 2005 update 2008 [2] kodiert und verglichen. Eine akzeptable Genauigkeit läge vor, wenn mit diesem Vorgehen für über 95 % der Fälle der richtige MAIS (maximaler AIS-Wert), ISS (Injury Severity Score) und die Körperregion, in der der MAIS auftrat, aus den Zusammenfassungen ermittelt werden könnten. Eine ausreichende Genauigkeit für internationale Vergleichbarkeit und als Grundlage für biomechanische Fragestellungen wird hierbei nicht erwartet. Ergebnisse. Die MAIS aus den Daten der Zusammenfassungen sind nur zu ungefähr 2/3 der Fälle identisch mit den MAIS aus den Auswertungen der Gesamtberichte. Der ISS ist in ca. 2/5 der Fälle identisch. Die Fälle, die durch Kodierung der vollständigen Autopsieberichte einen ISS von 75 erreichen, bekommen nur in weniger als 90 % auch ein ISS von 75 durch Kodierung der Zusammenfassungen. Schlussfolgerungen. Erste Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Zusammenfassungen der Obduktionsberichte in vielen Bereichen nicht hinreichend genau für die Kodierung nach AIS© sind. Insbesondere die Diskrepanzen beim ISS bedeuten, dass sowohl die Maximalverletzten als auch insbesondere die weniger schwer Verletzten nicht als solche erkannt werden können. Eine genauere Auswertung steht noch aus. Insbesondere interessiert, ob nur bestimmte Körperbereiche eine genauere Beschreibung erfordern, die auch praktikabel in die Zusammenfassungen aufgenommen werden könnte. Damit würde eine Datenlage geschaffen, die es ermöglichte den MAIS und ISS in nötiger Genauigkeit zu ermitteln. Aufgrund der verkürzten Darstellung ist eine Zeitersparnis beim Kodieren zu erwarten und eventuell könnten sogar Nicht-Mediziner die Kodierungen vornehmen. Literatur 1. http://aaam.org/about-ais.html 2. Association for the Advancement of Automotive Medicine, AAAM: The Abbreviated Injury Scale: 2005 update 2008, Barrington, IL; 2008
Literatur 1. Association for the Advancement of Automotive Medicine, AAAM: The Abbreviated Injury Scale: 2005 update 2008, Barrington, IL; 2008
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Poster P17 Soziale Determinanten des nicht natürlichen Todes in München 2006–2013: Charakteristika von Verkehrsunfallopfern
P18 Die Anthropometrie des älteren Thorax beeinflusst die Verletzungsmechanik
N. Schebesta, M. Graw, S. Schick
A. Wagner1, A. Eggers2, D. Fressmann3, M. Graw1, S. Peldschus4
Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland
1Rechtsmedizin LMU, München, Deutschland, 2Bundesanstalt für
Einleitung. Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status (socioeconomic status, SES) und der Gesundheit, Lebenserwartung und Mortalität eines Menschen sind in zahlreichen empirischen Studien belegt. Diese Arbeit untersucht, ob ein solcher auch bei einer unnatürlichen Todesursache wie dem Verkehrsunfall und in einer relativ wohlhabenden Stadt wie München existiert. Außerdem soll sie zeigen, ob auch einzelnen Faktoren des SES, aber auch Faktoren wie Familienstand, Alter und Geschlecht, hierbei eine Rolle spielen. Methoden. Es handelt sich um ein Kollektiv von 159 Verkehrsunfallopfern mit einem Todes- oder Auffindzeitpunkt zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 31. August 2013. Aus den Daten des Sektionsbuchs des Instituts für Rechtsmedizin München wurden die Parameter Geschlecht, Alter und Familienstand übernommen. Anhand der Angaben zu Wohnadresse und Beruf, sowie unter Einbeziehung von Sekundärdaten des Sozialreferats der Landeshauptstadt München wurden weitere Parameter eingeführt: Stadtbezirk, Ausmaß der Kriminalität des Stadtbezirks, soziale Herausforderung der Wohngegend, Wohnlage, Erwerbstätigkeit und Anforderungsniveau des zuletzt ausgeübten Berufes. Die Häufigkeiten dieser Parameterausprägungen wurden dann mit den Werten der Münchner Gesamtbevölkerung verglichen. Die statistische Testung wurde mit ChiQuadrat-Tests durchgeführt. Ergebnisse. Vergleich des Verkehrsunfallkollektivs mit der Münchner Gesamtbevölkerung 55Alter: signifikant größerer Anteil der Verkehrsunfallopfer zwischen 60 und 79 (30,2 vs. 19,0 %) und über 80 Jahren (16,9 vs. 4,3 %) (p < 0,0001) 55Geschlecht: Männeranteil von über 63 %, in der Bevölkerung nur knapp 49 % (p = 0,0003) 55Familienstand: häufiger geschieden und verwitwet (13,7 vs. 8,3 % und 13,7 vs. 5,3 %) (p < 0,001) 55Erwerbstätigkeit: häufiger Rentner (61,9 vs. 31,5 %) und seltener erwerbstätig (36,2 vs.64,8 %) oder arbeitslos (1,9 vs. 3,7 %) (p < 0,0001) 55Anforderungsniveau des zuletzt ausgeübten Berufs: keine Testung wegen zu niedriger Anzahl möglich 55Wohnlage: kein signifikanter Unterschied 55Kriminalität im Stadtbezirk: kein signifikanter Unterschied 55Soziale Herausforderung im Stadtbezirk: Verkehrsunfallopfer leben häufiger in Regionen mit geringer und durchschnittlicher Ausprägung des Indikators soziale Herausforderung (jeweils 32,7 vs. 27,3 %) (p = 0,0391) Schlussfolgerungen. Bei Betrachtung der Verkehrsunfallopfer aus München fällt auf, dass unter den Parameterausprägungen, die für einen niedrigen sozioökonomischen Status stehen, lediglich das Wohnen in Stadtbezirken mit geringer und durchschnittlicher Ausprägung des Indikators sozialen Herausforderung und das Rentnerdasein mit einem erhöhten Unfallrisiko assoziiert sind. Außerdem scheinen vom sozioökonomischen Status unabhängige Faktoren wie der Familienstand geschieden und verwitwet, aber auch ein hohes Alter und das männliche Geschlecht mit dem Verkehrsunfalltod vergesellschaftet zu sein. Weitere Studien könnten die Thematik um die Parameter Einkommen, Vermögenswerte und Bildungsstand erweitern und genauer auf die Parameter Beruf (nicht nur zuletzt ausgeübter) und Arbeitslosigkeit (langfristig oder kurzzeitig) eingehen. Eine Aufnahme von sozioökonomischen Faktoren in die Todesbescheinigung wäre hierfür – auch für die Betrachtung auf Bundesebene – durchaus sinnvoll.
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Straßenwesen, Referat Passive Sicherheit/Biomechanik, Bergisch Gladbach, Deutschland, 3DYNAmore GmbH, Stuttgart, Deutschland, 4Rechtsmedizin LMU & HS Furtwangen, München, Deutschland Einleitung. Der knöcherne Thorax spielt bei der Untersuchung von Verletzungen älterer Insassen bei Verkehrsunfällen eine wesentliche Rolle. Epidemiologische Fallstudien aus den USA verdeutlichen eine geringere Verletzungstoleranz des alten Brustkorbs im Vergleich zum jungen (Kent, Patrie 2004). Finite Elemente Menschmodelle, wie das von Toyota entwickelte Modell THUMS 3 (Total Human Model for Safety), bieten ein großes Potential, die für diese verminderte Verletzungstoleranz verantwortlichen Faktoren zu identifizieren. Aktuelle Modelle basieren bislang allerdings nur auf CT Daten einzelner Individuen. Inwiefern diese jedoch auch die Geometrie und somit das Verletzungsrisiko alter Menschen ausreichend widergeben ist unklar. Ziel dieser Studie war es, an Hand von CT Datensätzen eine Datengrundlage zur Erstellung eines spezifisch die Bevölkerung der über 64-Jährigen widergebenden Modells des knöchernen Thorax zu schaffen. An Hand der Ergebnisse sollte ein Finite Elemente Modell erstellt werden, welches die Verletzungsmechanik dieser Bevölkerungsgruppe abbilden kann. Methoden. Auf Basis von 137 postmortalen und 40 klinischen CT Aufnahmen (Frauen und Männer) wurden Thoraxtiefe, Thoraxbreite und elf Rippenwinkel vermessen. Die Vermessung erfolgte direkt an den CT Aufnahmen mit Hilfe des Programms OsiriX (Pixmeo). Die Rippenwinkel wurden an Hand von 114 anatomischen Landmarks entlang der Rippen 1 bis 10 ermittelt. Das Original THUMS 3 Modell wurde mittels MorphingMethoden an die veränderten Geometrien angepasst. Die Finite Elemente Simulationen erfolgten in LS DYNA (DYNAmore GmbH). Ergebnisse. Die Thoraxtiefe nimmt im Alter zu. Auch einige Winkel der Rippen im Raum und entlang des Rippenbogens ändern sich hin zu in der Sagittalebene und in der Frontalebene senkrechter stehenden Rippen. Die an Nachbildungen dieser Ergebnisse durchgeführten Finite-Elemente-Simulationen von Frontalbelastungen zeigen eine deutlich größere biomechanische Relevanz der Thoraxtiefe im Vergleich zu den anderen Parametern inklusive der von Kent et al. (2005) als risikosteigernd beschriebenen Rotation des Rippenwinkels in der Sagittalebene. Schlussfolgerungen. Nach der Vermessung der Thoraxtiefe, Thoraxbreite und einiger Winkel der Rippen im Raum und entlang des knöchernen Rippenbogens an 137 postmortalen und 40 klinischen CT Aufnahmen konnte die Thoraxtiefe als ausschlaggebender Faktor für das durch geometrische Faktoren veränderte Verletzungsrisiko bei älteren Verkehrsteilnehmern in Finite-Elemente-Simulationen identifiziert werden. Sie kompensiert die negativen Einflüsse des von Kent et al. (2005) beschriebenen Rippenwinkels in der Sagittalebene und hat einen eher protektiven Einfluss. Die ermittelten Daten flossen in die Erstellung eines Finite Elemente Modells der über 64-Jährigen mit ein.
P19 Schädelverletzungen bei stark verkohlten Leichen – Möglichkeiten der Beurteilung mittels Obduktion, Bildgebung und Histologie D. Fröb, A. Gehl, K. Püschel Institut für Rechtsmedizin Hamburg, Hamburg, Deutschland Einleitung. Durch Brandeinwirkung stark verkohlte Leichen gehören zum gängigen Sektionsgut mit diversen Standardfragestellungen für den Rechtsmediziner. Methoden. Speziell die Frage nach der Todesursache und nach möglichen antemortalen Gewalteinwirkungen stellt die Obduzenten aufgrund
der teilweise starken Hitze- und Brandeinwirkungen vor eine Herausforderung. Ergebnisse. Wir stellen einen Dreifachtodesfall mit starken Verkohlungen aller Opfer vor, deren Todesumstände durch makroskopische, bildgebende, mikroskopische und auch spurenkundliche Untersuchungen rekonstruiert wurden. Schlussfolgerungen. Die zunächst fälschlicherweise als brandbedingte Artefakte gedeuteten Schädelverletzungen konnten letztendlich eindeutig als antemortal entstandene, todesursächliche Gewalteinwirkungen eingeordnet werden.
P20 Nicht-natürliche Todesfälle im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen – Ergebnisse einer Mortalitätsstudie von 1994–2013 L. Lange, M.A. Verhoff, M. Parzeller Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland Nicht-natürliche Todesfälle im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen werden im Kontext eigenhändiger Begehung (z. B. autoerotischer Unfall) oder durch Einwirkung Dritter (z. B. Unfall, Tötungsdelikt) beschrieben. Die statistisch deskriptive Mortalitätsstudie basiert auf den Obduktionsdaten des Instituts für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main über einen 20jährigen Zeitraum (1994–2013). Einschlusskriterium waren Hinweise auf sexuelle Handlungen anhand der Sektionsprotokolle (z. B. Spermienbefund, pornographisches Material, anogenitale Verletzungen). Es wurden 48 nicht-natürliche Todesfälle im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen (26 Männer, zwei 13jährige Jungen; 19 Frauen, ein 9jähriges Mädchen) aus 13496 durchgeführten Obduktionen (0,35 %) dokumentiert. Der Altersmittelwert der Männer betrug 43,7 (Median 42) und der der Frauen 43,5 Jahre (Median 48). Autoerotisch Bei 12 Männern gingen autoerotische Betätigungen voraus, todesursächlich waren: Strangulation (n = 7), Intoxikation (n = 2), elektrischer Strom (n = 1), Ersticken (n = 1). 1 Mann und 1 Frau verstarben an den Folgen einer Darmperforation nach Einführen eines Gegenstandes. Intoxikation 1 Mann und 2 Frauen verstarben während oder nach sexueller Betätigung mit einem Geschlechtspartner infolge einer Intoxikation, 1 Mann erlag einer Kombination aus Kokainaufnahme und dekompensierter Herzinsuffizienz. Bei jeweils 3 verstorbenen Männern und Frauen wurden durch Sexualpartner einvernehmliche Sexualpraktiken angegeben, welche tödlich verliefen. Bei den Männern und 1 Frau handelte es sich hier um eine Strangulation, 2 Frauen verstarben an einer Kombination aus Blutverlust bei massiven anogenitalen Verletzungen und Intoxikation. Tötungsdelikt: 10 Männer verstarben infolge einer Fremdeinwirkung, wobei scharfe (n = 5), halbscharfe (n = 1), stumpfe (n = 1) und Gewalt gegen den Hals (n = 3) zum Tode führten. In 8 dieser Fälle gaben die Täter Notwehr beim Versuch der sexuellen Nötigung an. Sexual bezogene Angriffe mit Gewalteinwirkung bedingten bei 11 Frauen den Tod, todesursächlich waren Würgen/Drosseln (n = 3), Kombination aus Würgen/scharfer (n = 3) bzw./stumpfer Gewalt (n = 1), stumpfe Gewalt (n = 2), Brandgasintoxikation (n = 1) und Kombination aus Gewalt gegen den Hals/Ertrinken (n = 1). Bei beiden Jungen und dem Mädchen war eine Gewalt gegen den Hals todesursächlich. Todesfälle im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen kamen sowohl bei Männern als auch Frauen vor, wobei autoerotische Unfälle eher das männliche und tödliche Fremdeinwirkung eher das weibliche Geschlecht betrafen. Anogenitale Verletzungen lagen nicht immer vor. Vor allem bei den Tötungsdelikten handelte es sich überwiegend um männliche Sexualpartner/Täter.
P21 Untersuchung des zahnmedizinischen Versorgungsgrades und des Mundhygienestatus bei 1231 über 50jährigen Verstorbenen im Rahmen der Krematoriumsleichenschau B. Wulff, K. Püschel, K. Gafari Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland Einleitung. Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland spielt die Weiterentwicklung der Alterszahnheilkunde eine besondere Rolle im Hinblick auf den Erhalt der Lebensqualität im Alter. Allerdings stellte sich die Frage, ob bei Älteren der Zahnstatus und moderne Versorgungsformen wie beispielsweise die implantatgestützte Prothetik sowie die aktuellen Empfehlungen zur Mundhygiene in gleicher Weise wie in jüngeren Bevölkerungsgruppen repräsentiert sind, insbesondere z. B. bei pflegebedürftigen und/oder multipel vorerkrankten Verstorbenen. Darüber hinaus wurde erhoben, inwieweit sich verstorbene Männer und Frauen und die untersuchten Altersgruppen in dieser Hinsicht unterscheiden. Methoden. Bei 1231 über 50 jährigen Verstorbenen, davon 666 Frauen (54 %) und 565 Männer (46 %), wurden im Krematorium im Rahmen der 2. Leichenschau der Zahnstatus und die Scores zur Mundgesundheit (Karies, Parodontalapparat) fachgerecht erhoben. Aus den vorliegenden Dokumenten hervorgehende Informationen zu Vorerkrankungen, Pflegebedürftigkeit und dem Wohn- bzw. Sterbeort wurden ebenfalls mit berücksichtigt. Ergebnisse. Die Zahngesundheit der untersuchten Verstorbenen war sowohl im Hinblick auf den Zahnverlust, die Karieshäufigkeit und den parodontalen Status schlechter als in der Allgemeinbevölkerung. In der prothetischen Versorgung dominierte der herausnehmbare Zahnersatz. In einem hohen Prozentsatz wurde gar kein Zahnersatz aufgefunden, dasselbe galt für implantatgestütze Konstruktionen. Auch der Pflegezustand war unterdurchschnittlich. Insbesondere hochaltrige und zu Lebzeiten auf Versorgung angewiesene Verstorbene waren davon besonders betroffen. Schlussfolgerungen. Gerade im Alter spielen die prothetische Versorgung und die Mundgesundheit eine große Rolle für die Lebensqualität beispielsweise im Hinblick auf die Menge und Auswahl der Nahrungsmittel und deren Einfluss auf den körperlichen Zustand. Allerdings scheint eine adäquate zahnmedizinische Versorgung nicht unter allen Bedingungen gewährleistet zu sein, z. B. bei immobilen, schwer erkrankten oder pflegebedürftigen Menschen. Wenn auch in pflegerischen Einrichtungen das Bewusstsein für diese Zusammenhänge stetig wächst und in der Zahnmedizin neue Versorgungsformen für Ältere in der Entwicklung sind, so hat unsere Untersuchung in dieser Hinsicht ein noch beträchtliches Verbesserungspotential aufgezeigt.
P22 Beiträge deutscher Wissenschaftler zur Entwicklung der gerichtlichen Medizin in Kasan (Russland) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts V. Spiridonov Institut für Rechtsmedizin der Teilrepublik Tatarstan, Lehrstuhl für Rechtsmedizin der Staatlichen Medizinischen Universität Kasan, Kazan, Russland In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeiteten in der gerichtlichen Medizin in Kasan ausschließlich deutschstämmige Ärzte. In den staatlichen Archiven finden sich einige Namen: Wilhelm Thiele stammte aus einer nach Russland eingewanderten deutschen Familie. Er absolvierte die medizinisch-chirurgische Akademie in St. Petersburg und war angestellt als Inspektor des Arztamtes in Kasan. Im Jahr 1826 schrieb er das erste Lehrbuch für Rechtsmedizin in russischer Sprache: „Lehrbuch der gerichtlichen und medizinischen Wissenschaften unter Berücksichtigung der russischen Gesetze und Verordnungen“. Das Buch enthält mehr als 100 Seiten, darunter mehrere Verweise Rechtsmedizin 4 · 2015
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Poster auf geltende Gesetze, Beschreibungen verschiedener Todesarten, praktische Beispiele und Untersuchungsprotokolle. Georg Blossfeld schloss sein Medizinstudium an der „Universität zu Berlin“ im Jahr 1839 ab und bekam eine Anstellung als Professor am Lehrstuhl für gerichtliche Medizin an der Universität Kasan. Er war einer der ersten in Russland, die begannen, auch Jurastudenten im Fach Rechtsmedizin zu unterrichten. Im Jahr 1847 erschien sein Lehrbuch für Juristen: „Rechtsmedizin für Rechtsgelehrte, adaptiert für die russischen Universitäten“. In diesem Buch sind zwei große Abschnitte zu finden, in denen neben den Grundlagen der Anatomie, Physiologie und Psychiatrie auch Beschreibungen von Obduktionen und anderen Untersuchungsmethoden der Rechtsmedizin zu finden sind. W. Thiele und G. Blossfeld haben die ersten rechtsmedizinischen Lehrbücher in russischer Sprache geschrieben, die als Standardwerke für mehrere Generationen von Studierenden in Russland galten. Dies begründet auch den besonderen Platz der beiden Mediziner in der Geschichte der russischen Rechtsmedizin.
P23 „ Flora und Fauna“ in der Kriminalistik – Wie nicht humanes, biologisches Untersuchungsmaterial zur Tataufklärung beitragen kann J. Nahrmann, J. Amendt, R. Zehner, M. Parzeller Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland „Eichenblatt überführt Mörder“ oder „Wie Maden Mörder entlarven“ sind einschlägige Überschriften aus Pressepublikationen der letzten Jahre. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Mitunter können komplizierte Kriminalfälle mit Hilfe von biologischem, nicht humanem Spurenmaterial aufgeklärt werden oder einen Indizienprozess entscheiden. Unter diesen Begriff fallen diejenigen Spurenarten, die von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen stammen bzw. diese selber repräsentieren. Entscheidende Bedeutung erlangen dabei Spuren von Haus- und Nutztieren (Haare, Speichel, Bisswunden, etc.), Insekten (z. B. nekrophage Fliegen), Pflanzen(fragmente) (Blätter, Pollen, Kieselalgen, etc.), und Böden (Artenvielfalt der Bakterien- oder Pilzgemeinschaften, etc.). Die dabei zum Einsatz kommenden Methoden zum Nachweis und der Identifizierung der Spuren werden von Jahr zu Jahr akkurater. Die vorliegende Rechtssprechungs- und Literaturübersicht des juristischen Schrifttums gibt einen aktuellen Überblick über die Anwendung und die Bedeutung dieses biologischen, nicht humanen Beweismaterials im bzw. für das Strafverfahren. Die Idee, mit Hilfe von diesen Beweismitteln den Nachweis eines Kontaktes zwischen Täter und Tatort herzustellen, ist nicht neu. Die Justiz hat die Möglichkeiten der Beweiskraft von solchen Spuren erkannt und in den letzten Jahren vermehrt entsprechende Gutachten in ausgewählten Fällen berücksichtigt. Anhand von Kasuistiken aus der Rechtsprechung wird exemplarisch gezeigt, dass dieses Beweismaterial zur kriminalistischen Tataufklärung mit beitragen kann. Grundsätzlich kommt dem biologischen Beweis eine Indizwirkung zur Klärung der Täterschaft zu. In wenigen Fällen hat ein solches Beweisstück sogar zur Überführung eines Täters geführt oder einen Prozess entscheidend geprägt. In den kommenden Jahren ist damit zu rechnen, dass die Nutzung dieser Untersuchungsmaterialen an Bedeutung bei der kriminalistischen Tataufklärung gewinnen wird. Aktuelle Forschungsansätze stützen diese These. Beispielsweise soll durch umfassende DNA Analysen zukünftig eine konkrete Individualisierung von Pflanzenfragmenten ermöglicht werden. Da in fast jedem dritten Haushalt in Deutschland ein Haustier lebt, ist eine Individualisierung von Haustierhaaren mehr als sinnvoll. Die Literaturübersicht verdeutlicht allerdings, dass das bereits angewandte biologische Methodenspektrum noch nicht hinreichend Erwähnung im rechtlichen Schrifttum findet. Da der Ausblick auf die weitere Entwicklung in diesem Bereich aus jetziger Sicht vielversprechend ist, müssen die naturwissenschaftlichen Er-
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kenntnisse (auch hinsichtlich Qualität der Gutachten, Chancen und Risiken der Methoden) noch mehr im juristischen Alltag eingebracht und von der juristischen Literatur beachtet werden.
P24 Innovations and reforms in managing deaths reported for medico-legal death investigation by Coroners in Queensland, Australia C. P. Naylor Health Support Queensland, Queensland Dept. of Health, Chief Forensic Pathologist, Forensic Pathology, Forensic and Scientific Services, Queensland, Australia Aims. The innovations described have only been possible thanks to outstanding collaboration, especially between Forensic Pathology in the Queensland Dept. of Health, the Queensland Office of the State Coroner in the Dept. of Justice and Attorney General, the Queensland Police Service, and the Queensland University of Technology. Australia is a federation of six states and two territories with a total of 24 million residents in 2015, of whom 20 % (4,7 Million) live in Queensland. For comparison, Germany with 80 Million residents would fit into Queensland five times. The Queensland population has doubled since 1981, placing stress on infrastructure and services. This has increased the state’s annual deaths by 11,000 (65 %) over the same 34 years, creating challenges for coroners, police and other professionals investigating those deaths mandated to undergo medico-legal investigation. The impacts on forensic pathologists in particular have been considerable because coronial autopsies are a highly resource-intensive activity. Methods. Over the same period, evolution in social attitudes, at least in anglophone nations, has had significant impacts on death investigations. This has been manifest especially through the reports of two public inquiries, the Royal Commission into Aboriginal Deaths in Custody (Australia, 1991), and the Bristol Royal Infirmary Inquiry (United Kingdom, 2001). The poster describes how the resultant reforms have aimed to ensure not only that bereaved families are treated with respect, but also that a finite investigative capacity can be used as effectively as possible to serve society, objectives that in fact often complement one another. In Queensland, many of the coronial innovations since 1981 have arisen from the drafting and passage of new laws in 2002–03, as well as their incremental implementation, which in turn has led to further legal, administrative, technological and professional initiatives. In addition, changes in society have affected how death investigations are conducted. The poster documents key developments, what triggered them, and their practical impacts. Results. Each of the changes in Queensland coronial practice since the 1980s may have seemed insignificant when first developed, but collectively have had a profound cumulative impact on the state’s coronial system over the past 30 years. This becomes clear when the changes and their effects are described in their totality, as in this poster. The impacts have been both qualitative and quantitative, exemplified respectively by the introduction of counselling for families in 1994, and by the development of techniques to use finite resources as effectively as possible in the context of rapid population growth. Conclusions. The Results show that the process for death investigation by coroners is amenable to incremental reform and can respond constructively to changes in society and demography, requirements to use resources efficiently, and advances in technology and scientific knowledge. Arguably, this capacity for innovation should be applicable to medico-legal death investigation, whether by a coroner in the English legal tradition or by another authority.
P25 Zur Validität der Waterlow-Klassifikation der Unterernährung J. Ortmann, E. Doberentz, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Deutschland Einleitung. Die Waterlow-Klassifikation wurde ursprünglich zur Graduierung einer Protein-Energie-Malnutrition (PEM) eingeführt. Gegenüber einfacheren Graduierungen einer PEM (Welcome Klassifikation, GomezKlassifikation) zeichnet sich die Waterlow-Klassifikation einerseits durch eine Einteilung des Schweregrades, andererseits durch eine Differenzierung in akute und chronische Unterernährung (Retardierung) aus. Bislang liegt erst eine Evaluation der Waterlow-Klassifikation unter forensischen Fragestellungen vor. Methoden. An einem Untersuchungsgut von 18 Todesfällen in Folge Verhungern im Alter zwischen 7 Wochen und 7 Jahren wurden die verschiedenen Outcome-Kriterien (Schweregrad, akute/chronische Form der Unterernährung) der Waterlow-Klassifikation evaluiert. Ergebnisse. Bei Todesfällen liegt das Gewicht in Prozent des Individualgewichtes für die Körperlänge in der Regel unter 70 %. Schlussfolgerungen. Dies ist auch für die forensische Bewertung überlebter Fälle von Mangelernährung von Bedeutung.
P26 Ein Projektil auf Abwegen … überlebte Mehrfachschussverletzung M. Böhm, J. Fabian, R. Lessig, S. Heide Institut für Rechtsmedizin, Halle (Saale), Deutschland Einleitung. Die körperliche Untersuchung von Geschädigten mit Schussverletzungen zählt zur Routinetätigkeit des erfahrenen Rechtsmediziners. Bei der kriminaltechnischen und rechtsmedizinischen Rekonstruktion des Tatgeschehens können Mehrfachschussverletzungen oder abgelenkte bzw. verschleppte Projektile jedoch gelegentlich eine Herausforderung darstellen. Fallbericht. Im Rahmen einer familiären Auseinandersetzung fügte der getrennt lebende Ehemann seiner 30jährigen Ehefrau mit einer Pistole CZ 70 (7,65 mm) mehrere Schussverletzungen zu. Bei der rechtmedizinischen Untersuchung waren mittels Polytrauma-CT und dem Bericht der Notfalloperation zwei Schusskanalverläufe gut rekonstruierbar. Im Verlauf eines von der Brustwand absteigenden Schusskanals fanden sich Schussdefekte des Herzbeutels, der Lunge, des Zwerchfells und Durchschussverletzungen der Leber und des Magens mit einer Endlage des Projektils seitlich des linken Lendenmuskels. Ein weiterer absteigender Steckschuss stellte sich an der linken Brustkorbrückseite dar, dabei lag das Projektil vor dem 3. Lendenwirbelkörper. Bei der 3. Schussverletzung handelte es sich um einen Kopfschuss mit Einschuss an der Basis des Nasenbeins und Gewebszertrümmerung im Bereich des Naso-, Oro- sowie Hypopharynx. Ergebnisse. Im Gegensatz zu den Schussverletzungen des Rumpfes war jedoch im Bereich von Kopf und Hals trotz Fehlen eines Ausschussdefekts kein Projektil nachweisbar. Da im Rahmen der notfallmäßigen operativen Versorgung der Durchschussverletzung des Magens ein deutlich verformtes Projektil aus dem Magen geborgen wurde, konnte davon ausgegangen werden, dass es zu einem Verschlucken des im Rachenraum gelegenen Projektils bis in den Magen gekommen war. Schlussfolgerungen. In der Kasuistik soll dargestellt werden, dass insbesondere bei der Beurteilung von Mehrfachschussverletzungen mit möglicher Projektilverschleppung eine kritische Bewertung aller klinischen Untersuchungsergebnisse und rechtsmedizinischen bzw. kriminaltechnischen Befunde unverzichtbar ist.
P27 Zur Ursache von Schädelhirntraumen im Kindesalter – eine retrospektive Studie A. Kurenz1, R. Lessig1, R. Finke2, G. Klohs2 1Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland, 2Universitätsklinikum Halle (Saale), Universitätsklinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Halle (Saale), Deutschland
Einleitung. Die Gesundheit von Kindern ist in jeder Gesellschaft von besonderer Bedeutung. Umso mehr gilt es, die Heranwachsenden vor Gewalteinwirkungen zu beschützen sowie Gefahren aufzudecken und abzuwehren. Das Schädelhirntrauma im Säuglings- und Kleinkindesalter kann sowohl die Folge nicht-akzidenteller Ursachen in Form von Kindesmisshandlung als auch akzidenteller Ursachen sein, hier am häufigsten im Rahmen von Stürzen. In Sachsen-Anhalt ist das Schädelhirntrauma eine der häufigsten Aufnahmediagnosen für stationäre Behandlungen bei Kindern unter 5 Jahren. Ziel der Arbeit war es, Zusammenhänge zwischen Alter und Geschlecht des Kindes, sowie dem Unfallhergang des unbeabsichtigten Sturzes und den daraus resultierenden Verletzungsmustern zu eruieren. Es sollte eine Checkliste für den Arzt in der Notaufnahme erstellt werden. Diese trägt zur Primäreinschätzung des verunfallten Kindes bei und dient dem Erkennen von Risiken und Konsequenzen. Methoden. Es erfolgte eine retrospektive Datenanalyse von 362 Kindern im Alter von 0 bis 5 Jahren, die im Zeitraum von 2006 bis 2010 nach einem Sturzereignis in der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Halle (Saale) stationär mit dem Verdacht oder der Diagnose Schädelhirntrauma aufgenommen wurden. Die anamnestischen Daten wurden bezüglich der Kriterien Alter, Geschlecht, Stationärer Aufenthalt, ICD-10-Diagnosen, Sturzursache, Fallhöhe, Begleitsymptomatik, Radiologische Diagnostik und Befunde sowie Sozialstatus klassifiziert und ausgewertet. Ergebnisse. Die Studienpopulation teilte sich auf in 193 Jungen und 169 Mädchen mit einem durchschnittlichen Alter von zwei Jahren. Unter Ausbildung eines Schädelhirntraumas stürzten Jungen häufiger im ersten Lebensjahr (p = 0,049), Mädchen im zweiten, danach nahm die Sturzwahrscheinlichkeit für beide Geschlechter im Untersuchungszeitraum signifikant ab (p < 0,001). Bei großer Ursachenvariabilität konnte in dieser Arbeit kein eindeutiger Unterschied zwischen Geschlecht und Fallhöhe gefunden werden. Schlussfolgerungen. Die Daten zeigten eine häufige Inkongruenz zwischen der Definition eines Schädelhirntraumas und dem klinischen Erscheinungsbild. Auch Stürze aus niedrigen Fallhöhen können im Einzelfall schwerwiegende Verletzungen nach sich ziehen. Für die damit entstehende Unsicherheit der Ärzte ist eine Checkliste für die Primärversorgung nach kindlichem Sturz als Dokumentationsbogen sowie Handlungsempfehlung hilfreich.
P28 Abgeschminkt – Vortäuschung einer Straftat S. Mauf, R. M. Martinez, C. Bartsch Institut für Forensische Medizin und Bildgebung Zürich, Universität Zürich, Abteilung für Forensische Medizin und Bildgebung, Zürich, Schweiz Einleitung. Selbstverursachte Verletzungen im Sinne von Eingriffen in die körperliche Integrität sind in der klinischen Rechtsmedizin ein bekanntes Thema, insbesondere bezüglich der Differenzierung zur Fremdbeibringung [1]. Doch selbstgeschminkte Verletzungen, die eine Irreführung von Ärzten und Justiz nach sich ziehen, scheinen eine Rarität zu sein. In der Literatur konnte jedenfalls bisher keine Fallvorstellung dieser Art gefunden werden.
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Poster Fallbeschreibung. Eine 26-jährige Frau erstattete eigenständig Anzeige gegen Unbekannt, nachdem sie wenige Stunden zuvor Opfer eines Raubüberfalls geworden sei. Zwei unbekannte Männer hätten sie unvermittelt gewürgt und sie mittels mehrerer Fusstritte und Faustschläge gegen Gesicht und Körper verletzt, um Bargeld zu erbeuten. Letztlich erfolgte im Auftrag der Polizei und Staatsanwaltschaft die rechtsmedizinsche körperliche Untersuchung der jungen Frau. Ergebnisse. Die Frau präsentierte neben subjektiven Symptomen, wie unter anderem Druckschmerzhaftigkeit der Kopf- und Rumpfregion, zahlreiche diffuse, rot-violette Hautverfärbungen an Gesicht, Hals, Rumpf und Extremitäten, welche als Hautunter-/-einblutungen imponierten. Bei insgesamt auffällig pastös erscheinendem Hautbild, wie nach Auftragen von hautfarbenem Make-up, erfolgte ein Abschminken der betroffenen Körperregionen der Frau durch die forensische Expertin. Dabei wurde festgestellt, dass sich sämtliche Hautverfärbungen abreiben liessen, also geschminkt waren. Tatsächliche frische Verletzungen, und somit Hinweise auf eine Fremdeinwirkung, lagen letztendlich nicht vor. Gemäss im Anschluss aufgebotener Notfallpsychiaterin standen als etwaige beitragende Faktoren der Inszenierung emotional-instabile Persönlichkeitszüge im Vordergrund. Polizeiliche Ermittlungen ergaben zudem diverse, in der Vergangenheit getätigte Anzeigen der Frau gegen Unbekannt. Pharmakologisch-toxikologische Zusatzuntersuchungen wiesen weder im Blut noch im Urin Fremdsubstanzen auf. Schlussfolgerungen. Der referierte Fall zeigt eine seltene Art der Inszenierung der Opferrolle und der Irreführung der Rechtspflege. Es finden sich sowohl Gemeinsamkeiten, als auch Differenzen zu den in der Literatur beschriebenen selbstzugefügten Verletzungen [1, 2]. Forensisch-psychiatrisch können retrospektiv, neben emotional-instabilen Persönlichkeitszügen, Überschneidungen zum Münchhausen-Syndrom diskutiert werden [3]. Der Fall soll zum einen auf die Möglichkeit einer solchen Inszenierung aufmerksam machen sowie die Notwendigkeit eines interdisziplinären Ansatzes unterstreichen. Literatur 1. Möllhoff G, Schmidt G (1998) [„Self-inflicted injuries“–psychiatric, forensic and insurance aspects (I)]. Versicherungsmedizin 50(6):226–231 2. Eckert WG (1977) The pathology of self-mutilation and destructive acts: a forensic study and review. J Forensic Sci 22(1):242–250 3. Canogullari G, Ulupinar E, Teyin M, Balci Y (2007) A forensic case of Munchausen’s syndrome. J Forensic Leg Med 14(3):167–171
P29 Akute lymphatische Leukämie als ungewöhnliche Differenzialdiagnose bei Verdacht auf rezidivierende Kindesmisshandlung C. König, M. Bernhard, P. Nickel, S. Bruckmann, W. Kiess, J. Dressler Institut für Rechtsmedizin Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Einleitung. Es wird der Fall eines 2jährigen Jungen vorgestellt, der wegen Verdachtes auf Kindesmisshandlung in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Leipzig stationär aufgenommen wurde. Es bestanden Gesichtshämatome an sturzuntypischen Stellen. Es erfolgte ein rechtsmedizinisches Konsil und nach klinischer und labormedizinischer Abklärung – insbesondere der Gerinnungsparameter – bestätigte sich der Misshandlungsverdacht. Bei Kooperationsbereitschaft der sorgeberechtigten Mutter wurde im Konsens auf eine Strafanzeige verzichtet und zwischen der Mutter und dem Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes ein Kontrollvertrag vereinbart. Fallbeschreibung. Ein halbes Jahr später wurde das Kind von der betreuenden Kinderärztin erneut mit mehreren Hämatomen an sturzuntypischen Stellen eingewiesen und stationär aufgenommen. Das Kind war ungepflegt, am linken Auge und Ohr lagen Hämatome vor, weitere Hämatome am Rücken. Die Mutter begründete die Hämatome mit Reiben am Auge und damit, dass eine Vase vom Tisch auf den Rücken des Jungen gefallen wäre. Ergebnisse. Es erfolgte eine erneute rechtsmedizinische Konsultation, bei der eine stumpfe Gewalteinwirkung durch fremde Hand nicht aus-
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geschlossen werden konnte. Auch wegen petechialer Beschaffenheit der Hämatome wurde eine erneute Kontrolle von Blutbild und Gerinnung empfohlen. Dabei und bei der weiteren hämatologischen Diagnostik wurde die Diagnose einer akuten lymphatischen Leukämie gestellt. Der Verdacht auf eine erneute Misshandlung wurde nicht bestätigt. Nach erfolgreicher Therapie erfolgte aufgrund ausgeprägten Mangelmilieus durch das Jugendamt die Unterbringung in einer Pflegefamilie. Schlussfolgerungen. Aus der Krankheitsgeschichte folgt einmal mehr die Notwendigkeit umfassender interdisziplinärer diagnostischer Abklärung auch in Fällen, bei denen aufgrund der Anamnese die Misshandlungsdiagnose „eindeutig“ scheint.
P30 Regionale Umfrage betreffend der Vorgehensweise von Ärzten im Umgang mit Gewaltopfern I. Klasinc1,2, E. Scheurer3, T. Widek2, T. Schwark1,2, R. Riener-Hofer2 1Institut für gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Graz, Graz,
Österreich, 2Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich, 3Universität Basel, Institut für Rechtsmedizin, Basel, Schweiz
Einleitung. Die Klinisch-Forensische Untersuchungsstelle Graz bietet Gewaltopfern einen niederschwelligen Zugang zu rechtsmedizinischen Untersuchungen. Da in der Steiermark mehr als 50 % der gewalttätigen Übergriffe nicht im Großraum Graz stattfinden, war es bis vor kurzem für Betroffene aus diesen Gebieten nur unter erschwerten Bedingungen möglich, sich einer klinisch-forensischen Untersuchung zu unterziehen. Aus diesem Grund entstand die Idee, unter Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur (z. B. Spitals-Ambulanzen) klinisch-forensische Untersuchungsstellen zu errichten und diese durch das Projekt „KfN Steiermark“ zu einem Netzwerk zusammenzuschließen. Um einen aktuellen Überblick über das Vorgehen von Ärzten bei Untersuchungen von Opfern von Gewalt zu erhalten, wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Methoden. Ein anonymisierter Online-Fragebogen wurde erstellt und an niedergelassene und angestellte Ärzte verschickt. Erhoben wurden demografische Daten, Kontakthäufigkeit mit Opfern von Gewalt, Art der Gewalt, Einbezug der Polizei, individuelle Vorgehensweise der Mediziner und ihre Selbsteinschätzung bezüglich der Sicherheit bei forensischer Dokumentation. Die Akzeptanz rechtsmedizinischer Hilfestellungen, das Interesse an rechtsmedizinischen Fortbildungen, sowie die Bereitschaft, an regionalen klinisch-forensischen Untersuchungsstellen mitzuwirken, wurde ermittelt. Ergebnisse. Ein Großteil der Mediziner trifft im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auf Gewaltopfer, ist sich jedoch bei der Befunddokumentation tendenziell eher unsicher. Laut Umfrageergebnis besteht großes Interesse an klinisch-forensischen Fortbildungen. Das Angebot an Hilfestellungen – wie zum Beispiel die Existenz einer Hotline, über die klinisch-forensisch geschulte Ärzte beraten – und das Vorhandensein von regionalen Untersuchungsstellen finden große Zustimmung. Die Bereitschaft, an solchen regionalen Untersuchungsstellen mitzuarbeiten, ist abhängig vom Beschäftigungsverhältnis der Studienteilnehmer. Schlussfolgerungen. Durch die Umfrageergebnisse konnte die Notwendigkeit für das Errichten von regionalen klinisch-forensischen Untersuchungsstellen gezeigt werden.
P31 „Clean-cut“-Verletzung am Hals infolge eines Sturzes in eine Glasscheibe L. Kramer, D. Geisenberger, R. Pircher, S. Pollak, U. Schmidt Institut für Rechtsmedizin Freiburg, Freiburg, Deutschland Ein 54-jähriger, aus Kasachstan stammender Mann wurde in den frühen Morgenstunden eines Herbsttages mit einer stark blutenden, klaffenden
Wunde am Hals im Schrebergarten seines Schwagers angetroffen. An die Entstehung dieser Verletzung konnte sich der Mann nicht mehr erinnern. Da jedoch zwei Glasscheiben des im Schrebergarten befindlichen Gewächshauses zerbrochen waren und flächige Blutantragungen aufwiesen, wurde vermutet, dass sich der Mann die Wunde am Vorabend in alkoholisiertem Zustand bei einem Sturz in das Gewächshaus zugezogen hatte. Nach Angaben einer Zeugin sei es im Vorfeld des angeblichen Unfalls jedoch auch zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer flüchtig bekannten, männlichen Person gekommen. Die rechtsmedizinische Untersuchung erfolgte unter der Fragestellung, ob die Verletzung im Rahmen eines Sturzes in die ursprünglich intakte Scheibe des Gewächshauses entstanden sein könnte oder ob von einer vorsätzlichen Beibringung (durch fremde Hand) auszugehen war. An der rechten Halsseite befand sich eine 16 cm lange, bereits chirurgisch versorgte Schnittverletzung. Wesentliche Begleitverletzungen an Kopf und Hals fehlten. Laut Operationsbericht waren die geraden Halsmuskeln und der rechte Schilddrüsenlappen durchtrennt worden. Die vor der operativen Versorgung im Klinikum angefertigten Lichtbildaufnahmen der Verletzung wurden für die rechtsmedizinische Beurteilung zur Verfügung gestellt. Die im Serum bestimmte Alkoholkonzentration betrug 2,65 ‰. An der Oberkörperbekleidung des Geschädigten hafteten einzelne Glassplitter. Die Befunde der rechtsmedizinischen Untersuchung sowie die Ergebnisse weiterführender Versuche zur Rekonstruktion des Verletzungsmechanismus werden vorgestellt und diskutiert.
P32 Niederschwellige klinisch-forensische Untersuchungen in Österreich vor dem Hintergrund der ärztlichen Anzeigepflicht I. Klasinc1,2, T. Schwark1,2 1Institut für gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Graz, Graz,
Österreich, 2Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich
Einleitung. Körperliche und sexuelle Gewalt betrifft alle Bevölkerungsschichten unabhängig von Alter und Geschlecht. Eine zeitnahe forensische Untersuchung einschließlich kompetenter Spurensicherung ist insbesondere in (Verdachts-)Fällen sexueller Gewalt erforderlich. Methoden. Die Klinisch-Forensische Untersuchungsstelle Graz ermöglicht als gemeinsame Einrichtung des Ludwig Boltzmann Institutes für Klinisch-Forensische Bildgebung und der Medizinischen Universität Graz seit dem 1. Oktober 2008 Opfern körperlicher und/oder sexueller Gewalt einen „rund um die Uhr“ verfügbaren niederschwelligen Zugang zu einer klinisch-forensischen Untersuchung und somit zu einer gerichtsverwertbaren Verletzungsdokumentation. Ergebnisse. Ein solcher niederschwelliger Zugang ist in Österreich bislang einmalig. Schlussfolgerungen. In dem Beitrag wird die Entwicklung der Untersuchungsstelle retrospektiv über einen Zeitraum von sieben Jahren dargestellt und diskutiert. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die niederschwelligen Untersuchungen vor dem Hintergrund der ärztlichen Anzeigepflicht in Österreich gelegt.
P33 Akzidentielle Stichverletzung durch „Hineindrehen“ in ein Messer K. Müller1, F. Stiegler2, T. Rudolph3, J. Dreßler1, C. König1 1Institut für Rechtsmedizin Leipzig, Leipzig, Deutschland, 2Kriminalpolizeiinspektion, Chemnitz, Deutschland, 3Landeskriminalamt, Dresden, Deutschland
Einleitung. Tiefe Stichverletzungen durch Gewalteinwirkung mit einem Messer sind überwiegend nach tätlichen Angriffen und Selbstbeschädi-
gung anzutreffen, Folge von Unfällen sind sie eher selten. Insbesondere komplexere Entstehungsmechanismen von akzidentiellen Verletzungen sind häufig schwer nachvollziehbar. Fallbeschreibung. Ein 33-jähriger Mann rief selbst den Notruf und wurde durch Rettungskräfte alkoholisiert im Flur seiner Wohnung in Bauchlage liegend angetroffen. Er war nicht in der Lage seine Beine zu bewegen. Im oberen Rückenbereich steckte ein durch die Kleidung gedrungenes Messer. Nach der Bergung wurde in der Klinik im Vorfeld der operativen Entfernung radiologisch ein Stichkanal von 9 cm Länge sowie eine partielle Myelondurchtrennung festgestellt. Die Messerspitze steckte im 6. Brustwirbelkörper. Gegenüber der durch die Klinik informierten Kriminalpolizei gab der Mann mehrfach Erinnerungsverlust an, räumte jedoch Tage später ein, betrunken in der Küche gestürzt zu sein und am Boden liegend bemerkt zu haben, dass ihm etwas in den Rücken spießt. Beim Versuch sich zu drehen habe er gespürt, wie sich etwas tiefer in seinen Rücken bohrt. Die rechtsmedizinische Untersuchung des Geschädigten ergab neben der Stichverletzung im Rücken keine sonstigen Hinweise auf eine körperliche Auseinandersetzung. Ergebnisse. In Zusammenarbeit von Sachbearbeitern der Kriminalpolizei, der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin fand eine Rekonstruktion am Ort des Geschehens statt, in deren Ergebnis ein unfallbedingter Mechanismus hinsichtlich des Tieferschiebens des Messers durch Körperdrehung des am Boden liegenden Mannes denkbar war. Schlussfolgerungen. Insbesondere bei fehlenden oder unglaubwürdigen Angaben zum Entstehungsmechanismus vermeintlicher akzidentieller Verletzungen sowie bei komplexeren Unfallmechanismen kann eine Rekonstruktion am Ereignisort unter Einbeziehung aller Ermittlungsergebnisse entscheidend zur Aufklärung beitragen.
P34 Die Häufigkeit und Zahl der Verletzungen des Brustkorbskelettes während der Reanimation ist grösser als allgemein angenommen E. Kralj1, M. Podbregar2, J. Balažic1 1Medizinische Fakultät der Universität Ljubljana, Institut für Gerichtsmedizin,
Ljubljana, Slovenien, 2Universitätsklinisches Zentrum Ljubljana, Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Ljubljana, Slovenien
Einleitung. Die Reanimation bei Erwachsenen verursacht allgemeiner Ansicht nach Rippenfrakturen zumindest bei einem Drittel und Brustbeinfrakturen bei einem Fünftel der Patienten. Diese Annahme geht aus den Studien hervor, die meistens im vorigen Jahrhundert durchgeführt wurden, als andere Reanimationsleitlinien gegolten haben. Zwar blieb die empfohlene Brustkorbkompressionstiefe von 4–5 cm bei der externen Herzdruckmassage von 1961 bis 2010 unverändert, die Frequenz ist aber von 60/min auf 100–120/min gestiegen und das Kompression/Beatmung Verhältnis wurde von 5:1 auf 30:2 reduziert. In 2010 wurde dazu die empfohlene Kompressionstiefe auf 5–6 cm erhöht. Alle diese Veränderungen konnten die Häufigkeit und Zahl der Frakturen des Brustkorbskelettes erhöhen. Methoden. Mit dieser Studie haben wir versucht, die Häufigkeit, Zahl und Position den Brustkorbskelettverletzungen während der Reanimation festzustellen, sowie den Einfluss von Alter, Geschlecht, Reanimationsleitlinien und Reanimationstechnik auf Häufigkeit und Zahl dieser Verletzungen. In der Studie wurde das Sektionsgut des Institutes für Rechtsmedizin in Ljubljana im Zeitraum 2004–2013 analysiert. Sie umfasst 2148 Fälle, bei denen die Opfer des nichttraumatischen Herzstillstandes reanimiert wurden. Ergebnisse. Die Verletzungen des Brustkorbskelettes wurden bei 91 % der Frauen und 86 % der Männer festgestellt. Dabei wurden Brustbeinfrakturen bei 79 % der Frauen und 59 % der Männer festgestellt. Bei Rippen haben wir zwei Arten der Verletzungen unterschieden: die Rippenfrakturen waren häufiger bei Frauen (85 %) als bei Männern (77 %), während sternokostale Separationen häufiger bei Männern (33 %) als bei Frauen (12 %) waren. Deshalb war die durchschnittliche Zahl der Rippenverlet-
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Poster zungen bei Frauen (10,95) und bei Männern (10,96) praktisch gleich. Die Studie hatte eine hochsignifikante Steigerung der Häufigkeit und Zahl der Brustkorbverletzungen durch das zunehmende Alter und durch Inkraftsetzung der Reanimationsleitlinien aus dem Jahr 2005 und 2010 gezeigt. Nach der Inkraftsetzung dieser Leitlinien ist es auch zur Steigerung der wichtigen iatrogenen Verletzungen gekommen, die aber statistisch nicht signifikant war. Es wurde kein statistisch signifikanter Einfluss des LUCAS festgestellt. Schlussfolgerungen. Unsere Studie erwies, dass die Häufigkeit und Zahl der Verletzungen des Brustkorbskelettes während der Reanimation nach gültigen Leitlinien viel grösser ist als allgemein betrachtet. Das könnte besorgniserregend sein, wenn man nicht wüsste, dass in Slowenien der Erfolg der Reanimation ähnlich wie im Ausland ist. Aufgrund der Tatsache, dass im Zeitraum 2011–2013 nur 1,85 % der Wiederbelebten wichtige iatrogene Reanimationsverletzungen erlitten hatten, können wir feststellen, dass die Reanimation nach Leitlinien 2010 die Sicherheit der Patienten noch nicht gefährdet hat.
P35 Eine ungewöhnliche Körperverletzung G. Kernbach-Wighton, C. Hess, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Körperverletzungen werden weithin mit scharfen oder stumpfen Gegenständen bzw. rein manuell verübt. Im vorliegenden Fall benutzte der Täter zur Tatbegehung 85 %ige Phosphorsäure. Fallbeschreibung. Ein 42-jähriger Apotheker war durch mehrere Körperverletzungsdelikte gerichtsbekannt. Zudem bestand eine langzeitige Suchtanamnese (Alkohol, Kokain). – Der Besuch einer Gaststätte lag kurz vor der Schließungszeit, so dass keine Getränke mehr serviert wurden. Aus Ärger darüber besorgte er aus seiner Apotheke 85 %ige Phosphorsäure in drei Einmal-Spritzen (10 ml und 2 × 5 ml). Durch das geöffnete Gaststättenfenster (Sommer) bespritzte der Apotheker zwei noch anwesende Gäste mit der Säure, des Weiteren den Wirt, der ihn nach der Attacke verfolgt hatte. Alle Personen wurden am Oberkörper bzw. an den Armen getroffen, nicht jedoch im Gesicht. Resultierende Hautalterationen waren fokale Erytheme und Bläschenbildungen. Ergebnisse. Zunächst bestritt der Apotheker den Einsatz von Phosphorsäure und behauptete, stattdessen ein Urin/Wassergemisch eingesetzt zu haben. Untersuchungen (pH-Indikator-Strips® Merck; Medi-Test® Macherey & Nagel) benetzter Stellen der noch ungewaschen vorhandenen Kleidung ergaben jeweils sehr niedrige pH-Werte von etwa 2.0. Weitere Analysen belegten die Präsenz von Phosphorsäure an diesen Lokalisationen. Tests auf urintypische Substanzen wie z. B. Kreatinin, Nitrit, Glutaraldehyd und Oxidantien verliefen negativ. Allerdings bestanden außergewöhnlich hohe Phosphat-Konzentrationen der jeweiligen Zielregionen. Demgemäß resultierte eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für den Einsatz von Phosphorsäure als Tatmittel durch den Apotheker. Schlussfolgerungen. (Ortho-)Phosphorsäure bildet klare harte und hygroskopische Kristalle, die stark oxidierend wirken und z. B. Papier zerstören können. Handelsübliche Phosphorsäure für den Laborbedarf stellt eine 85 %ige Lösung in Wasser dar. Konzentrierte Phosphorsäure ist keine so starke Säure wie z. B. konzentrierte Schwefelsäure. Industriell dient Phosphorsäure u. a. zur Herstellung von Düngemitteln, früher auch als Bestandteil sog. Enthärter in Waschmitteln. Weitere Einsatzgebiete sind z. B. Reinigungsmittel, sog. Rostumwandler, flüssige WC-Reiniger, Säuerungsmittel für Softdrinks (z. B. Cola) oder auch als Ätzmittel zur Herstellung von Elektronikplatinen. Der Apotheker wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt (multiple einschlägige Verurteilungen; verworfene Berufung und Revision), und zwar wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB. Phosphorsäure stellt im Sinne des Gesetzes ein „Gift“ dar, für dessen Beibringung neben einem Einatmen und/oder Verschlucken auch ein Aufbringen auf bzw. ein Aufnehmen durch die Haut ausreicht.
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P36 Chronic cruel child abuse O. Iachimov1, A. Bondarev2, A. Pădure2 1SUMPh „Nicolae Testemițanu“, Center of Legal Medicine,
Chisinau, Moldovien, Republik, 2SUMPh „Nicolae Testemitanu“, Department of Legal Medicine, Chisinau, Moldova Child abuse and neglect is a negative social phenomenon, which is known from ancient times. Unfortunately, violence against children is one of the most serious medical and social problems now. According to recent studies conducted by the Republic of Moldova authorities, 25 % of children said they had been beaten by their parents, 13 % were physically punished by their teachers, 10 % knew someone who was sexually abused or molested, 40 % of the parents used violence as a method of „education“ at their children up to 7 years. A 2 years-old-child was assaulted by his mother’s paramour. According to the prosecution’s information, the child lived with his mother and her paramour, who systematically beat the boy. The child was intentionally pushed from the porch, which height was about 1 m, fell down and hit his head three days before death. The following injuries were found during the autopsy: opened cranio-cerebral trauma: bruises on the head, hemorrhages into the head soft tissues, calvaria and skull base fractures, subdural hematoma, 40 ml in volume, subarachnoid bleedings, foci of intracerebral contusion; blunt trauma of the abdomen: mesentery bleedings and contusion of the left kidney. According to the microscopic changes, injuries were produced approximately 3–4 days before. At the same time, multiple patterned excoriations and bruises, which reflected teeth shape as a result of biting, were found on the face and upper limbs; multiple bruises were found on the head, body, upper and lower limbs, glans penis. All the injuries were produced in different periods of time: 3–4 days, 7–8 days and 9–15 days before the death. Five bilateral rib fractures at the same stage of consolidation, produced not less than 14 days before, were identified also. No signs of sexual violence were identified during the examination of the cadaver. Death of the child occurred due to cerebral edema with foraminal impaction of the brain-stem caused by opened cranio-cerebral trauma. The child was maltreated chronically by his mother’s paramour. The reasons for the violence application are not fully known, but the fact that it has been applied against a child of only two years with a particular cruelty is certainly proved.
P37 Gemeinschaftlich begangene Folterung durch Übergießen mit heißem Wasser – Fallbericht eines Eigentumsdeliktes mit ungewöhnlicher Körperverletzungskomponente M. Schwerer, M. Graw Rechtsmedizin, München, Deutschland Hintergrund. Folterung sowohl aus politischer als auch persönlicher Motivation stellt glücklicherweise einen seltenen Auftragsgrund im rechtsmedizinischen Alltag dar. Fallbericht. Ein Mann im mittleren Lebensalter wurde Opfer einer mehrstündigen systematischen Körperverletzung durch insgesamt 3 Tatbeteiligte. Kennengelernt hatte das Opfer die ihm bis zu diesem Zeitpunkt nach seinen Angaben Unbekannten beim „Feierabendbier“ in einer Gaststätte. Es habe sich ein Gespräch und später die Überlegung ergeben, nach dem Schließen des Lokals in der Wohngemeinschaft der 3 späteren Täter weiterzutrinken. Dort angekommen sei das Opfer überwältigt, geschlagen und gefesselt worden. Man habe ihm Bargeld und Euroscheckkarte abgenommen und ihn zur Herausgabe der PIN-Nummer zunächst verbal bedroht. Später wurde ihm um den Kontozugang zu erlangen heißes Leitungswasser über Kopf und Rumpf gegossen. Erst nach mehrfacher Verbrühung und zusätzlicher Bedrohung mit einem Messer mit Zufügen einer Stichwunde am linken Oberschenkel wurde von dem Opfer ab-
gelassen. Ein an der Tat unbeteiligter, nach seiner Nachtschicht morgens nach Hause kommender weiterer Mitbewohner der Wohngemeinschaft befreite das im Gemeinschaftsraum am Folgemorgen noch immer gefesselte Opfer. Ergebnisse. Wesentliche Befunde der körperlichen Untersuchung: Im Rahmen einer angeordneten forensischen körperlichen Untersuchung waren neben mit dem angegebenen Vorfallszeitpunkt zwanglos vereinbare Hautunterblutungen als Zeichen stumpfer Gewalteinwirkung flächenhafte Hautrötungen und Oberhautablösungen im Sinne thermischer Schädigungen II. Grades an Kopf und Hals sowie schwerpunktmäßig am Rumpf zu sichern. Des Weiteren war eine glattrandige Hautdurchtrennung nach scharfer Gewalteinwirkung am linken Oberschenkel festzustellen. Wesentliche polizeiliche Ermittlungsergebnisse: Das heiße Leitungswasser in der Wohngemeinschaft wurde mit 72 Grad Celsius gemessen. Schlussfolgerungen. Zusammenfassung: Wasser von 72 Grad Celsius ist zwanglos geeignet auch nach kurzer Kontaktzeit wie beim Übergießen des Opfers thermische Hautschäden II. Grades mit flächenhafter Oberhautablösung hervorzurufen. Der gegenständliche Fall führt die Möglichkeit außergewöhnlicher Eskalation von Gewalt bei einem Eigentumsdelikt vor Augen. Die kurz nach der Tat ermittelten Täter wurden zwischenzeitlich in allen Anklagepunkten rechtskräftig schuldig gesprochen.
P38 Strangulation im Pkw – Suizid oder Tötungsdelikt? E. Doberentz1, P. Schmidt2, J. Ortmann1, B. Madea1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn,
Bonn, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar, Deutschland
Einleitung. Bei Tod am Steuer kann es sich um Unfälle, Suizide oder plötzliche natürliche Todesfälle handeln. Erste Verdachtsmomente für einen Suizid bei einem Verkehrsunfall können sich aus dem Geschehensablauf des „Unfalls“ ableiten lassen, wenn sich keine rational nachvollziehbare Unfallursache ermitteln lässt (z. B. Abkommen von gerader Strecke und Anprallen gegen einen Baum bei hoher Geschwindigkeit bei nicht angelegtem Sicherheitsgurt). Pkws werden jedoch nicht nur als Mittel zum Suizid sondern auch als zufälliger Ort für einen Suizid gewählt, teilweise um einen Unfall vorzutäuschen (Kraftfahrzeugbrand). Relativ selten kommt es zu einer Strangulation im Pkw, wobei der Pkw ebenfalls als Suizidmittel gewählt wird. Methoden. Retrospektive Analyse von drei Fällen von Strangulation im/ mittels Pkw, die kasuistisch dargestellt werden. Ergebnisse. Im Einzelnen handelt es sich um einen Fall von suizidalem Erdrosseln im Pkw, einen Fall von Erhängen im Pkw und einen Fall von Erhängen mittels Pkw, bei dem das Strangulationswerkzeug riss. Schlussfolgerungen. Die zutreffende kriminalistische Einordnung von Strangulationstodesfällen im Pkw erfordert eine umfassende rechtsmedizinische Analyse.
P39 Morphologische Untersuchungen der oberen Atemwege und der Lungen bei SIDS und Kontrollfällen F. Möhle, G. Kernbach-Wighton, B. Madea, E. Doberentz Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Zahlreiche Theorien zum Pathomechanismus des SIDS favorisieren eine multifaktorielle Genese, wobei Infektionen der oberen Atemwege und der Lungen oft eine besondere Rolle zukommt. Methoden. In Fortführung histochemischer Untersuchungen zu Infiltraten des Lungengewebes durch Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen (CD45R0-, CD68- und LCA-positive Zellen) wurden gemäß den von Bajanowski erarbeiteten Kriterien folgende weiteren Gewebestruk-
turen untersucht: Bronchiolen und Bronchien, Pulmonalgefäße, septales Bindegewebe, Alveolarsepten, Alveolen sowie lymphoretikuläres Gewebe. Es handelte sich um 104 SIDS-Fälle und 14 Kontrollen. Die Untersuchungen umfassten jeweils 20 HPF-Felder pro Schnitt, lokalisiert in Mäanderform (HE-Färbung, Vergrößerung 400x). Es wurden die jeweiligen Ausprägungsgrade 0–III semiquantitativ beurteilt, mit dem Fokus auf den jeweiligen Intensitäten: allgemeine Befunde, wie z. B. Hyperämie oder Ödem, geringere lympho-monozytäre Infiltrate (Grad I), ausgeprägte Infiltrate (Grad II) sowie zusätzliche bakterielle Superinfektionen (Grad III). Ergebnisse. Eine statistische Auswertung erfolgte mit dem Levene-Test (identische Varianzen in beiden Gruppen) und dem 2-Proben-t-Test. Diese zeigten, dass die Mittelwerte für die Ausprägung der angewandten Kriterien (s. o.) zwischen der SIDS- und der Kontrollgruppe nicht signifikant differierten. Schlussfolgerungen. Daraus folgt, dass die untersuchten Merkmale im Lungengewebe keine hinreichende diagnostische Wertigkeit bezüglich der Diagnose eines SIDS besitzen. Die aktuellen Ergebnisse werden vorgestellt und vor dem Hintergrund bereits vorliegender histochemischer Resultate diskutiert.
P40 Erhängen am Bett: Suizid oder Unglücksfall? F. Möhle, S. Stockhausen, G. Kernbach-Wighton, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Fälle eines tödlichen Erhängens stellen überwiegend Suizide dar, während Unfälle nur vereinzelt beobachtet werden. Letztere treten z. B. dann auf, wenn intoxikierte oder anderweitig bewusstseinsgestörte Personen in eine strangulationsgefährliche Situation geraten (z. B. Vorhangschnüre, Bettgitter o. ä.). Methoden. Referiert wird der Fall eines 74 Jahre alten Mannes, der postoperativ eine delirante Symptomatik bot. Daraufhin wurde er intensivmedizinisch überwacht und an den Handgelenken fixiert. Wegen eines Abdominaleingriffes musste auf einen Bauchgurt verzichtet werden. Aufgrund einer MRSA-Besiedelung war zudem ein Isolationszimmer notwendig. Der Mann wurde eines Morgens an seinem Bett in einer Erhängungssituation aufgefunden. Ergebnisse. Die Obduktion ergab Befunde entsprechend einer hämodynamisch wirksamen Halskompression, vereinbar mit einem Tod durch Strangulation (u. a. fokale Halsmuskelblutungen, Gesichtszyanose und petechiale Blutungen in Lid- und Bindehäuten). Schriftlich niedergelegte Zeugenaussagen waren zunächst derart lückenhaft, dass zahlreiche Fragen bezüglich der Auffindesituation vorerst offen blieben. Erst eine Rekonstruktion der Auffindesituation konnte ein akzidentelles Erhängen ausschließen. Dem Mann war es demnach gelungen, die doppelte Fixierung seiner Hände zu lösen und sich mit den Fixierungsbändern am Bett (Kopfende) zu erhängen, während die eigentlichen Manschetten um die Handgelenke verblieben waren. Schlussfolgerungen. Dieser Fall verdeutlicht nicht nur die Wichtigkeit funktionell-rekonstruktiver Überlegungen, sondern insbesondere die Relevanz einer praktischen Rekonstruktion am Vorfallsort.
P41 Präzision von Todeszeitrückrechnung aus der Kaliumkonzentration in Glaskörperflüssigkeit J. Ortmann, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Bonn, Deutschland Einleitung. Nachdem 1963 von Sturner erstmals ein linearer Anstieg der Kaliumkonzentration in Glaskörperflüssigkeit als Methode zur Schätzung der Liegezeit mit einer Präzision von ± 9,5 h bis 100 h post morRechtsmedizin 4 · 2015
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Poster tem beschrieben wurde, liegt inzwischen eine Vielzahl von Untersuchungen zu dieser Thematik vor. Diese Studien differieren hinsichtlich Untersuchungsumfang, Zusammensetzung des Kollektivs, untersuchtem postmortalem Intervall, Milieubedingungen, Präzision der Todeszeitschätzung etc. erheblich. Es wurden mehrere Regressionsgleichungen zur Berechnung des PMI empfohlen. Methoden. An einem Untersuchungskollektiv von 600 Fällen wurden 5 Untersuchungen zur Schätzung des postmortalen Intervalls hinsichtlich ihrer Präzision überprüft. Ergebnisse. Die von den meisten Autoren postulierte Präzision der Todeszeitrückrechnung konnte nicht reproduziert werden. Schlussfolgerungen. Eine 1989 publizierte eigene Formel für Berechnung des PMI erwies sich als valide.
P42 Application of image data neuropathological analysis for diagnosis of dementia in autopsy cases M. Takayama, M. Kashiwagi, A. Matsusue, B. Waters, K. Hara, S.- I. KUBO Department of Forensic medicine, Fukuoka University, Fukuoka, Japan Aims. The number of forensic autopsy cases of elderly decedents is rapidly increasing as Japanese society gets progressively older. In this study, we report the application of image data neuropathological analysis for diagnosis of dementia in autopsy cases among older decedents. Methods. Autopsy cases at Fukuoka University were selected according to the following requirements: 40 years old or older; head injury, thermal injury, and heat stroke excluded; no intracranial lesion; and within 48 hours of postmortem interval. Of the 100 cases that met all of the 4 requirements, 8 cases had a clinical diagnosis of dementia before their death. These were treated as the dementia group (group D). The non-dementia group (group non-D), whose age and sex were matched to group D, consisted of 6 cases of those who died without any record of having a dementia episode. To compare group D and non-D, 6 regions and 7 pathological findings were observed with 4 conventional stainings, such as HE, LFB, Congo red, and Bielschowsky-Hirano silver stain. Neuropathologically, senile plaque, neurofibrillary tangle, amyloid body, amyloid angiopathy, granulovacuolar degeneration, lipofuscin deposition and neuronal inclusion bodies were targeted. Furthermore, immunohistochemically, beta-APP and tau protein were also observed. Quantitative analysis was achieved by collecting image data, and these data were analyzed by image analysis software. Results. Senile plaque (SP) and neurofibrillary tangle (NFT) have been used for the pathological diagnosis of Alzheimer’s disease. In our Results., within the 7 findings, we were able to observe differences in the site of appearance and occurrence of SP and NFT with Bielschowsky-Hirano silver stain. SP and NFT were easily found with immunohistochemical staining against beta-APP and tau protein. Conclusion. These SP and NFT differences were effective in discriminating between the two groups. Also, immunohistochemical staining may be more useful in the analysis of image data than conventional staining techniques.
P43 Messerer-Keil-ähnliche Oberarmfrakturen bei Skateboarderin nach PKW-Kollision M. Hohner, K. Zindler, W. Grellner Universitätsmedizin Göttingen, Rechtsmedizin, Göttingen, Deutschland Einleitung. Diaphysäre Keilfrakturen am Röhrenknochen, sog. MessererFrakturen, können bei Fußgänger-PKW-Kollisionen wertvolle Hinweise zur Anstoßstelle und zur Rekonstruktion liefern. Die fast immer am
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Unterschenkel lokalisierten Keilbrüche zeigen häufig die Richtung der stumpfen Gewalteinwirkung an (Stoßstangenverletzung). Wir berichten über einen tödlichen Verkehrsunfall mit Anstoß von hinten im Sitzen/Hocken mit Ausbildung von Messerer-Keil-ähnlichen Brüchen an beiden Oberarmknochen. Methoden. Ein 13 Jahre alt gewordenes Mädchen sei im Dunkeln am rechten Fahrbahnrand vermutlich von hinten von einem PKW erfasst worden und trotz Reanimation noch an der Unfallstelle verstorben. Das Mädchen sei gemeinsam mit einer Freundin auf einem Skateboard (Longboard) unterwegs gewesen, die genaue Körperhaltung war zum Zeitpunkt der Obduktion ungeklärt. Ergebnisse. Bei der Sektion fanden sich Messerer-Keil-ähnliche Brüche beider Oberarmknochen, Abstand über der Handflächenebene rechts 38 cm bzw. links 36 cm, die Basis der Bruchkeile jeweils streckseitig gelegen und 3 bzw. 4 cm lang, mit entsprechender Unterblutung des umgebenden Weichgewebes. Ferner waren autoptisch folgende für eine Rekonstruktion relevanten Sektionsbefunde nachweisbar: Wirbelsäulenzerreißung zwischen 3. und 4. Brustwirbel, Ansatzblutungen der Kopfwendermuskeln, Unterblutung am Hinterkopf, Schädelbasisquerfraktur, Oberschenkelschrägbrüche beidseits. Todesursächlich war ein Polytrauma mit raumfordernder Epiduralblutung über dem Halsmark mit Einblutungen im Bereich der vorderen Wirbelsäulenbänder. Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse der gerichtlichen Sektion wiesen auf ein Anstoßereignis von hinten im Sitzen (Oberarme, BWS) mit anschließender massiver Überstreckung der Hals- und Brustwirbelsäule nach hinten und auf eine Mitbeteiligung der Femora (Kraftfortleitung entlang der Körperachse) hin. Im Lauf der Ermittlungen war dann durch die Freundin angegeben worden, die Verstorbene habe zum Zeitpunkt des Anstoßes mit angewinkelten Beinen auf ihrem 10 cm hohen Longboard gesessen. Durch die sektionsmorphologischen Befunde konnte ein Anstoß mit der zwischen 45 und 50 cm über dem Boden befindlichen Stoßstange des Pkws in dieser Sitzposition anhand der Messerer-Keil-ähnlichen Brüche beider Oberarmknochen korreliert werden. Messerer-Keil-ähnliche Brüche an den Oberarmen nach Verkehrsunfall sind in der Literatur bisher aufgrund der ungewöhnlichen Sitzposition nicht beschrieben, obgleich Messerer 1880 in seinen Versuchen auch die Bruchfestigkeit von Humeri testete. Daneben finden sich vereinzelt Kasuistiken über die Unfall-Rekonstruktion bei ungewöhnlichen Körperpositionen, jedoch ohne die Ausbildung von Messerer-Keil-ähnlichen Brüchen der oberen Extremität, sowie experimentelle Untersuchungen zu Frakturformen am Humerus.
P44 The chronological expression of chitinase-like protein mRNA with injured murine skin T. Murase, T. Umehara, T. Yamamoto, K. Ikematsu Nagasaki University Graduate School of Biomedical Science, Forensic Pathology and Science, Nagasaki, Japan Aims. In forensic practice, it is important to estimate the wound ages. We focused on biological dynamics of wound healing, and pursued specific marker depending on the periods of it. Chitinase 3 like 3 (Chi3l3) protein was found from the injured murine skin through two-dimensional electrophoresis compared the 3-day after injury with control. Chi3l3 is one of the chitinase like proteins (CLPs) and regarded as the protein involved in inflammation. The time-course detection of Chi3l3 mRNA and protein revealed that both were increased at early healing stage, especially the 2-day after injury. So, we speculated that other CLPs might be increased in skin after injury. Herein we report that we examined the chronological mRNA expressions of CLPs with injured murine skin. Methods. Pathogen-free 6-week old male BALB/cCrSlc mice were obtained. The dorsal wounds were created on anesthetized mice with 4 mm diameter biopsy punch. The mice were euthanized with diethyl ether at
1-, 2-, 3-, 5-, 7-, 9- and 0-day as a control after punching. The skins were exfoliated and excised around wound edges. They were immersed in RNAlater® (Life Technologies, Carlsbad, CA) overnight at 4 °C and then preserved in − 80 °C until use. The total RNAs were extracted from injured the skin specimens and Real-time PCR was performed. The genes we focused on were Chitinase 3 like 1 (Chi3l1), Chitinase 3 like 4 (Chi3l4), Chitinase, Acidic (Chia1), Chitotriosidase (Chit1), Oviduct specific Glycoprotein (Ovgp), Chitobiase (Ctbs), Chitinase domain containing 1 (Chid1). We employed 18S rRNA as an internal control. Each group (1-, 2-, 3-, 5-, 7- and 9-day after injury) was compared with 0-day as a control. The Dunnett’s multiple comparison test was used for statistical analysis. Results. Chi3l1 had significant differences during 1-day to 7-day compared with control. The expression increased drastically at 1-day, about 30 times, and decreased in stages until 7-day. Chi3l4 had a significant difference only in 5-day about 4 times. Chia1 had no significant difference between injury groups and control. Chit1 had significant increase during 5-day to 9-day about twice. Ovgp escalated significantly at 1-day about 3 times and kept twice until 9-day. Ctbs rose significantly in 1-day about 3 times and kept twice until 7-day. Chid1 had significant differences during 1-day to 9-day. It increased in 1-day about 2.5 times and kept until 9-day. Conclusion. During wound healing, various cells and biomolecules act and fluctuate. Our Results. suggested that CLPs might also be a kind of the substances involved in wound healing. The gene expressions of each CLP have differences at the time of healing stage, and CLPs might be allocated varied functions in wound, although they classified into the same group. Especially, as Chi3l1 increased about 30 times in 1-day wound, we hypothesized that the protein expression might increase. Proteins are more persistent against degradation after death than mRNA. Therefore, Chi3l1 might be a nobel bio-marker that indicates the early phase of wound age. In future, we intend to apply for forensic practice about Chi3l1 protein expression after injury.
P45 Kopfschuss mit Vorderladerpistole und Strangulation – eine ungewöhnliche kombinierte Suizidmethode R. Bayer1, S. Morgenthal2, J. Dreßler1, B. Ondruschka1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland,
2Institut für Rechtsmedizin, Friedrich-Schiller-Universität Jena,
Jena, Deutschland Einleitung. Suizide durch Schusswaffen sind im Gegensatz zu alleinigen Strangulationen in Deutschland eher selten. Die Verwendung historischer Vorderladerwaffen stellt hierbei eine Rarität dar. Ihre spezielle Funktionsweise führt dabei zu einer komplexen, für Nahschussverletzungen ungewöhnliche und daher zunächst schwierig einzuschätzender Wundmorphologie. Methoden. Es wird der Fall eines 59-jährigen Mannes vorgestellt, der in einem Waldgrundstück neben einem Wanderweg Suizid durch einen Kopfschuss mittels einer Perkussionspistole mit sekundärer Strangulation verübte. Ergebnisse. Das Verletzungsmuster imponierte als Mischbild aus direkter Projektilwirkung mit Ausschuss am Hinterkopf und starker Sprengwirkung bei Schussabgabe in die Mundhöhle unter Aufsprengung des Mittelgesichts und des Hirnschädels und vollständiger Auslagerung des sonst weitestgehend unversehrten Großhirns (Krönlein-Schuss). Schlussfolgerungen. Durch die besondere Fallkonstellation mit agonalem Sturz in die Schlinge unmittelbar nach Schussabgabe kam es zu einer sofortigen suffizienten Blutstillung. Dadurch konnten insbesondere die Verletzungen am Kopf durch den hinzugezogenen Rechtsmediziner bereits am Fundort und nur wenige Stunden nach Todeseintritt umfassend dokumentiert und teilweise rekonstruiert werden. Es werden die Auffindesituation, die eindrücklichen Befunde der rechtsmedizinischen Leichenschau sowie die Obduktionsergebnisse vorgestellt und differentialdiagnostisch diskutiert.
P46 Was deckt die zweite Leichenschau vor der Feuerbestattung auf? D. Brackrock, M. Dokter, K. P. Philipp, B. Bockholdt Institut für Rechtsmedizin, Greifswald, Deutschland Einleitung. Die zweite Leichenschau vor der Feuerbestattung ist im Bestattungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern geregelt. Daraus ergibt sich, dass durch das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald diese Leichenschauen durchgeführt werden. Sie ist die letzte Möglichkeit, unklare Befunde am Leichnam aber auch Unerklärlichkeiten auf der Todesbescheinigung aufzudecken. Neben einer Überprüfung der Todesbescheinigung erfolgt eine komplette Untersuchung des Leichnams. Unsere Erfahrungen zeigen, dass verschiedene Aspekte dazu führen können, dass der Einäscherungsprozess angehalten werden muss. Methoden. Unsere Daten, die nach der zweiten Leichenschau vor der Feuerbestattung vorliegen, wurden hinsichtlich der Fragestellung, was nun konkret zum „Anhalten“ des Leichnams geführt hat, ausgewertet. Ergebnisse. In ca. 2–5 % der Fälle gab es Auffälligkeiten. Diese Auffälligkeiten konnten teilweise telefonisch geklärt werden, führten aber auch zu Anzeigen wegen (durch die Rechtsmedizin) festgestellter Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod oder einer ungeklärten Todesart. Eine häufige Anzeigenursache war die falsch deklarierte Todesart auf der Todesbescheinigung aus der Vorgeschichte resultierend und/oder im Zusammenhang mit Verletzungen, die am Leichnam feststellbar waren und die bezüglich der Festlegung der Todesart im Rahmen der ersten Leichenschau nicht beachtet wurden. Schlussfolgerungen. Die Qualität der obligatorischen ärztlichen Leichenschau ist verbesserungswürdig. Wir müssen einen Teil der Unklarheiten, die sich im Rahmen der zweiten Leichenschau vor der Feuerbestattung ergeben, telefonisch mit den Leichenschauärzten klären aber auch Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod oder eine ungeklärte Todesart der Polizei zur Kenntnis bringen. Das führte zu einem intensiveren Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten und den Kliniken im Versorgungsgebiet und deckte einen großen Fortbildungsbedarf zu dieser Thematik auf. Zahlreiche Fort- und Weiterbildungen resultierten daraus. Trotzdem bleibt die hohe Eigenverantwortung des Leichenschauarztes, diese letzte ärztliche Handlung mit großer Sorgfalt und Exaktheit durchzuführen und die Verantwortung des Rechtsmediziners im Rahmen der zweiten Leichenschau vor der Feuerbestattung zum letzten Mal zu prüfen, ob nicht doch Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod bis zu dem Zeitpunkt unbeachtet blieben.
P47 Untersuchungen zur Einschusswunde bei absoluten Nahschüssen mit Schreckschusswaffen M. Große Perdekamp, S. Pollak, L. Kramer, D. Geisenberger, R. Braunwarth, R. Pircher Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Deutschland Einleitung. Beim Einsatz von scharfen Waffen führt ein Geschosstreffer an der Haut üblicherweise zu einem charakteristischen Gewebsverlust (Einschusslücke). Auch von Schreckschusswaffen ist bekannt, dass sie zu perforierenden Verletzungen der Haut führen können, wenn die Schussabgabe mit aufgesetzter oder fast aufgesetzter Laufmündung erfolgt. Anhand experimenteller Untersuchungen sollte geprüft werden, ob die alleinige Gasstrahlwirkung einer Schreckschusswaffe auch einen echten Gewebsverlust der Haut verursacht. Methoden. Verbundmodelle (aus farbmarkierter Schweinehaut und Gelatineblöcken) wurden mit verschiedenen Schreckschusswaffen beschossen (absolute Nahschüsse) und anschließend ausgewertet. Ergebnisse. Eine Quantifizierung der Gewebsverluste war durch eine Massenbestimmung der beschossenen Hautstücke (vor und nach Schussabgabe) möglich und die Verschleppung von Hautpartikeln (entlang des
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Poster jeweiligen Schusskanals) konnte aufgrund der Farbmarkierung optisch nachvollzogen werden. Schlussfolgerungen. Absolute Nahschüsse mit Schreckschusswaffen können einen echten Substanzdefekt der Haut verursachen.
P48 Tödlicher Lawinenunfall im Mittelgebirge D. Geisenberger, L. Kramer, R. Pircher, S. Pollak Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Deutschland Ein 20 Jahre alter Mann und sein Begleiter wurden bei der Abfahrt nach einer Ski-Tour am Feldberg im Schwarzwald (mit 1493 m höchste Erhebung aller deutschen Mittelgebirge) von selbst ausgelösten Schneemassen verschüttet. Der Begleiter, der bis zur Brust verschüttet wurde, konnte sich selbst befreien und die Rettungskräfte alarmieren. Der 20-jährige wurde von der Bergwacht nach etwa 100 min geborgen. Der Notarzt konnte vor Ort nur noch den Tod feststellen. Bei der fünf Tage post mortem durchgeführten Obduktion fanden sich lediglich Zeichen einer globalen Sauerstoffmangelschädigung nach der berichteten Ganzkörperverschüttung. Hinweise auf ein mechanisches Trauma ergaben sich nicht. In den Mittelgebirgen sind Lawinenabgänge durch die geringere Schneehöhe und den vergleichsweise größeren Anteil dicht bewaldeter Flächen seltener als in den Alpen. Nach starken Schneefällen und -verfrachtungen muss aber auch in vermeintlich sicherem Gelände mit potenziell tödlichen Lawinenunfällen gerechnet werden.
P49 Multiple Lipome der inneren Organe als Nebenbefund R. Pircher, D. Geisenberger, L. Kramer, S. Pollak Institut für Rechtsmedizin Freiburg, Freiburg, Deutschland Bei der Obduktion eines 61 Jahre alt gewordenen Mannes konnten neben einer todesursächlichen Aspiration von Speisebrei mit Verlagerung eines unzerkauten Nahrungsfragmentes bis in den rechten Hauptbronchus auch multiple Lipome mehrerer Organe festgestellt werden. Im Gegensatz zum Befundbild der Lipomatosis dolorosa, bei der es zur Bildung schmerzhafter subkutaner Fettgewebsgeschwülste kommt, waren im konkreten Fall das Herz, die Nieren und das Gehirn betroffen. Insbesondere das Herz wies mehrere intramyokardial lokalisierte Lipome auf. Die Obduktionsbefunde und die Ergebnisse der histologischen Untersuchung werden vorgestellt und diskutiert.
P50 Ochronose – ein Fallbericht in Bildern J. Lang, C. G. Birngruber, R. Dettmeyer Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Deutschland Einleitung. Die Ochronose ist eine seltene Stoffwechselerkrankung mit sehr eindrücklichen Befunden in Makroskopie und Mikroskopie. Methoden. Der Leichnam eines 91-jährigen Mannes sei in der Badewanne seiner Wohnung gefunden worden, nachdem Nachbarn bemerkt hätten, dass unüblicherweise die Rollläden tagsüber herabgelassen gewesen seien. Die Badewanne sei mit klarem Wasser gefüllt gewesen. Auf der Waschmaschine habe man einen Abschiedsbrief, nebst anderen Schreiben an Verwandte, Polizei und Feuerwehr gefunden. Ergebnisse. Sektionsergebnis: Makroskopisch zeigten sich voluminöse, luftreiche und formstabile Lungen, ein gut gefüllter Magen ohne sich einstellende Phasentrennung des Mageninhalts sowie reichlich flüssiger Inhalt im Anfangsteil des Dünndarms. Zudem fielen schwarzgraue Ver-
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färbungen der Skleren, der Schnittflächen der Rippen, der Schilddrüse („black thyroid“), entsprechende Verfärbungen arteriosklerotischer Gefäßwandveränderungen und an den Klappen der linken Herzhälfte, hier mit Übergang auf die Stellmuskeln auf. Todesursache war ein Ertrinken. Mikroskopie. Bei unauffälliger bzw. negativer Toxikologie fanden sich in den feingeweblichen Untersuchungen zahlreiche schwarz-bräunliche z. T. staubartige Pigmenteinlagerungen in den Follikeln der Schilddrüse und im Narbengewebe der Herzmuskulatur als histomorphologisches Äquivalent einer Ochronose. Schlussfolgerungen. Die Stoffwechselerkrankung Ochronose ist Folge eines Gendefektes, der zu einer Akkumulation von Homogentisinsäure im Körper führt. Sie kann Jahrzehnte lang unentdeckt bleiben und erstmals durch Gelenkbeschwerden auffallen. Die makroskopischen und mikroskopischen Befunde werden präsentiert. Bei alleiniger schwarz-grauer Verfärbung der Schilddrüse wäre differentialdiagnostisch an eine „black thyroid“ als Arzneimittelnebenwirkung nach Aufnahme von Minocyclin zu denken.
P51 Berufliche Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln, Insektiziden etc. im Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim C. Heß1, S. Mitschke2, S. Gottsmann2, W. Rosendahl2, L. Mehling1, B. Madea1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn,
Bonn, Deutschland, 2Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkulturen D5, Mannheim, Deutschland
Einleitung. Im Rahmen von Neustrukturierungen der Sammlungsdepots wurden von den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim toxikologische Untersuchungen von ethnologischen Objekten erbeten, um die berufliche Exposition gegenüber Pflanzenschutzwirkstoffen etc. abzuklären. Methoden. Zur Untersuchung gelangten nach einer systematischen Entnahmestrategie gewonnene Staubproben, Abriebe und Schmutz von verschiedenen Objekten von verschiedenen Asservaten (z. B. Tierpräparate, ein Tuareg-Zelt, Südseemasken, Federmäntel etc.) wie sie in ethnologischen Sammlungen Völkerkundemuseum typischerweise anzutreffen sind. Alle untersuchten Objekte stammen aus dem Zeitraum 19. Jahrhundert bis Anfang 20. Jahrhundert. Ergebnisse. Die untersuchten Proben wurden mittels GC/MS (Screening, Pfleger-Maurer-Weber Datenbank) untersucht. Es konnten u. a. folgende Wirkstoffe nachgewiesen werden: Methoxychlor (chloriertes Diphenylmethanderivat), verwendet als Insektizid; Dichlordiphenyltrichlorethan (Insektizid); Naphthalen (früher Hauptbestandteil von Mottenkugeln); alpha-Pinen/Campher/Thymol/Valencen (aus ätherischen Ölen); Verbenon (dient als Duftstoff), a, p, – DDT. Darstellung der Analysenbefunde.
P52 Body-Packing – oder ein toxikologischer Reisebericht M. Weber, I. Weiß, A. P. Ritter, R. Lessig, C. Richter Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Halle, Halle, Deutschland Einleitung. Nachdem zwei Männer in Polen fast ein halbes Kilogramm Crystal Meth erworben, dieses für den intrakorporalen Transport in zahlreiche Portionen aufgeteilt und geschluckt hatten, begannen sie ihre Fahrt mit dem Pkw durch Deutschland in Richtung Frankreich. Wenige Stunden nach Fahrtantritt verschlechterte sich plötzlich der Gesundheitszustand des älteren Mannes, der daraufhin von seinem Reisebegleiter in ein mansfeldisches Krankenhaus gebracht wurde. Aufgrund der bestehenden Symptomatik wurde eine Intoxikation vermutet und die Polizei verständigt. Im Verlauf der Vernehmung des zweiten Reisenden verschlechterte sich dessen Gesundheitszustand ebenfalls rapide, sodass auch hier eine stationäre Aufnahme folgte.
Methoden. Radiologisch wurden Fremdkörper im Verdauungstrakt beider Männer nachgewiesen und durch Notoperationen entfernt. Bei den Fremdkörpern handelte es sich um Kondome mit kristallinem Inhalt, diese wurden toxikologisch analysiert. Weiterhin erfolgten toxikologische Analysen von Blutproben der beiden Männer im Verlauf der medizinischen Behandlung. Ergebnisse. Die toxikologische Analyse des Päckcheninhalts ergab Methamphetamin in hoher Reinheit. Im Serum des älteren nunmehr Beschuldigten wurden 9500 ng/ml, beim jüngeren 7200 ng/ml Methamphetamin nachgewiesen, die erheblich über denen der toxikologischen Routine liegen und weit in den komatös-fatalen Bereich reichen. Schlussfolgerungen. Für Kokain und Heroin existieren in der Literatur zahlreiche Fallberichte zum Bodypacker-Syndrom, während diese für Methamphetamin derzeit noch rar sind. Die zunehmende Zahl an Methamphetaminkonsumenten lässt jedoch eine Zunahme entsprechender Fälle erwarten.
P53 Wo bleibt der Arzneistoff während der Festphasenmikroextraktion (SPME)? (Wenn eins plus eins nicht zwei ergibt.) R. Kegler1, C. Lehmann2, A. Büttner1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock,
Deutschland, 2Charitè Berlin, Masterstudiengang Toxikologie, Berlin, Deutschland
Einleitung. Der Nachweis von Arzneistoffen mit einer antidepressiven Wirkung zählt in der forensisch toxikologischen Analytik zu den Routineaufgaben. Für den Arzneistoffnachweis können dabei unterschiedliche Extraktionsverfahren zum Einsatz kommen. In den vergangenen Jahren hat das Institut für Rechtsmedizin Rostock die Eignung der Festphasenmikroextraktion (SPME) für die toxikologische Analytik von Antidepressiva untersucht und publiziert. Ein Vergleich der extrahierten, nicht-extrahierten und der ursprünglich eingesetzten Analytkonzentrationen zeigte, dass es in einigen Fällen zu „vermissten“ Analytanteilen kam. Die im Folgenden präsentierte Studie beschäftigte sich mit der Bestimmung des „vermissten“ Anteils an Konzentrationen verschiedener Antidepressiva aus differenten Matrizes unter Verwendung unterschiedlich beschichteter SPME-Fasern. Methoden. Die Adsorptions- und Stammlösungen von acht Antidepressiva in 7 Matrizes wurden mittels flüssig-flüssig-Extraktion mit 1-Chlorbutan extrahiert und unter Verwendung geeigneter HPLC-DAD-Methoden analysiert. Die Desorptionsproben wurden in vorhergegangenen Studien ebenfalls mittels HPLC-DAD analysiert. Im Idealfall wäre die Differenz der Analytkonzentrationen in den Stamm-, Adsorptions- und Desorptionslösungen mathematisch gleich Null. Für den Fall, dass jene Differenz ungleich Null war, wurden Kriterien definiert, die eine Aussage darüber ermöglichen, wie wahrscheinlich ein an der Faserbeschichtung verbliebener Arzneistoffanteil ist. Ergebnisse. Für 42 (19 %) der insgesamt 221 durchgeführten SPME für die Antidepressiva Desipramin, Doxepin, Imipramin, Maprotilin, Mianserin, Mirtazapin, Nortriptylin und Venlafaxin ergaben sich unter Berücksichtigung der analytischen Leistungsfähigkeit der eingesetzten HPLCDAD-Methode „vermisste“ Analytanteile, wobei in 18 Fällen (8,1 %) mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von an den Fasern verbliebenen Arzneistoffanteilen ausgegangen werden muss. Betrachtungen der faserbedingten „vermissten“ Analytanteile für diese 18 Fälle ergaben folgende Reihenfolge: PEDOT = PPy > PANC18 > C18, was ggf. durch größere poröse Räume in der Polymerstruktur der manuell hergestellten PEDOT- und PPyFasern und dem Einschluss von Analytanteilen in diese Hohlräume erklärt werden kann. Analytbezogen ergab sich unter dessen folgende Reihung (Top 3): Mirtazapin (13) > Maprotilin (11) > Desipramin (10). Schlussfolgerungen. Zur vollständigen Aufklärung dieses Phänomens wären spektroskopische Betrachtungen notwendig.
P54 Statistische Betrachtungen der Trinkversuche am Institut für Rechtsmedizin Rostock in den Jahren 2011 bis 2014 R. Kegler1, A. Büttner1, D. Boy1, A. Port1, V. Blaas1, J. Rummel1, J. Nowotnik1, R. Einsle1, A. Steinhäuser2, J. Deibel2, D. Pülschen2, J. Manhart1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock,
Deutschland, 2Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
Einleitung. Plausibilitätsbetrachtungen von Trinkangaben hinsichtlich der psychophysischen Leistungsfähigkeit sind nicht nur für medizinische Sachverständige von Relevanz, sondern auch für Juristen und weitere Verfahrensbeteiligte. Das Institut für Rechtsmedizin Rostock führt seit Jahren kontrollierte Trinkversuche mit freiwilligen Probanden (u. a. Juristen) durch. Von 2011 bis 2014 fanden insgesamt 12 Trinkversuche mit 132 Personen statt. Methoden. Die Probanden führten vor Trinkbeginn eine Atemalkoholbestimmung (AAK) sowie in ausgewählten Fällen computerbasierte Reaktionstests durch. Die Trinkzeit, in der eine definierte Blutalkoholkonzentration (BAK) erreicht werden sollte, betrug 60 min. Nach Abschluss der Trinkphase und einer Kontrollzeit von 10 min wurden in einem gestaffelten Programm körperliche Test, computerbasierte Reaktionstests, mehreren AAK-Bestimmungen (Dräger Alcotest 7410, Evidential 7110, Envitec Alcoconnect 6020), eine zeitnah zur AAK-Bestimmung (Evidential 7110) stattgefundene Blutentnahme zur Bestimmung der BAK und nachfolgende Begleitstoffanalysen durchgeführt. Die Daten wurden personen-, getränke-, reaktionstestspezifisch ausgewertet. Ergebnisse. Die durchschnittliche Teilnehmerzahl pro Trinkversuch betrug 11 Personen (6–26 Personen). Mehr als 55 % der Probanden waren Frauen mit einem Medianalter von 29 Jahren, die Männer wiesen ein Medianalter von 31 Jahren auf. Von den 132 Teilnehmern wählten 96 Probanden eine Ziel-BAK von 0,80 ‰ (BAK-Bereich: 0,30–1,10 ‰). Zu den präferierten Getränken zählten Rot-/Weißwein, Bier, Sekt und Wodka. Ein Anstieg der AAK-Messwerte war 40, 70 und vereinzelt auch 90 min nach Trinkbeginn beobachtbar. Vergleiche mit parallel bestimmten AAK-Werten am Evidential 7110 ergaben gute Korrelationen. Die körperlichen Reaktionstests (Liniengang, Rombergtest, Drehnystagmus etc.) zeigten keine geschlechtsabhängigen Differenzen, während die computerbasierten Tests (Go-NoGo-Test etc.) sowohl eine deutliche Verlangsamung in der Testausführung als auch teilweise stark erhöhte Fehlerquoten aufwiesen. Der Vergleich von AAK und BAK war, bedingt durch das Versuchsdesign, nicht durchweg erfassbar. Schlussfolgerungen. Beobachtungen aus diesen Trinkversuchen stellen eine wertvolle Erfahrungsbasis dar. Trotz der Variabilität von Verhaltensänderungen und objektivierbaren Funktionseinbußen nach Alkoholkonsum unter kontrollierten Bedingungen, können näherungsweise Korrelationen zu definierten Blutalkoholkonzentration verdeutlicht werden.
P55 Bestimmung von Verteilungskoeffizienten antidepressiv und/oder neuroleptisch wirkender Arzneistoffe im Vollblut, Plasma und Serum R. Kegler1, D. Rentsch1, J. Bünger2, J. Höppner3, S. Johanns3, C. Kilgenstein3, J. Thome3, A. Büttner1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock,
Deutschland, 2Institut für Pharmazie, Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Greifswald, Deutschland, 3Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
Einleitung. Die Beurteilung von analytisch ermittelten Arzneistoffkonzentrationen im Blut von Lebenden und Toten zählt zu den routinemäßigen Aufgaben einer forensisch-toxikologischen Abteilung. Dabei werden die bestimmten Arzneistoffkonzentrationen zur Beurteilung einer möglichen Toxizität häufig mit Literaturangaben verglichen, welche auf Arz-
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Poster neistoffkonzentrationen im Serum oder Plasma beruhen. In der forensischen Toxikologie stellt sich allerdings insbesondere bei der post mortem Analytik die Frage der Übertragbarkeit von Wirkungseinschätzungen zwischen Vollblut- und Serumkonzentrationen der Arzneistoffe. Da post mortem in der Regel nur Vollblutproben zur Verfügung stehen, ist eine Übertragbarkeit nicht immer gegeben bzw. nur eingeschränkt möglich. Zu den am häufigsten post mortem nachzuweisenden Verbindungen zählen Arzneistoffe mit einer antidepressiven Wirkkomponente (SSRI, SNRI, trizyklische oder tetrazyklische Antidepressiva). Das Ziel der Studie war daher Korrelationen zwischen Arzneistoffkonzentrationen im Vollblut, Serum und Plasma zu bestimmen, um zukünftig Aussagen hinsichtlich einer potentiell toxikologischen Konzentrationseinschätzung zu erleichtern. Methoden. Von derzeit 46 Personen (24 Frauen und 22 Männer), die im Rahmen einer stationären Therapie antidepressiv und/oder neuroleptisch wirkende Arzneistoffe erhielten, wurden auf freiwilliger Basis drei Blutproben (EDTA, Lithium-Heparin, Serum) entnommen. Die analytische Bestimmung der Arzneistoffkonzentration erfolgte nach einer flüssig-flüssig-Extraktion mit 1-Chlorbutan unter Verwendung geeigneter GC/MSSIM- oder HPLC-DAD-Methoden. Ergebnisse. Der überwiegende Anteil der Probanden war zwischen 40 und 69 Jahren alt. Einzeln oder in Kombination mit anderen Arzneistoffen wurden insgesamt 20 Arzneistoffe (z. B. Venlafaxin, Citalopram, Quetiapin, Mirtazapin, Lorazepam) therapieunterstützend angewendet. Die Verteilungskoeffizienten der Arzneistoffe in den Blutkompartimenten fielen sehr unterschiedlich aus. Während Venlafaxin, Duloxetin, Sertralin und Citalopram im EDTA-Blut und Heparin-Plasma gegenüber den Serumwerten vorrangig niedrigere Konzentrationen aufwiesen, zeigte sich für Mirtazapin im EDTA-Blut im Vergleich zu Serum-Proben ein deutlich erhöhtes Konzentrationsniveau. Schlussfolgerungen. Die Untersuchungen ergaben teilweise deutliche Unterschiede für die ermittelten Konzentrationen der Arzneistoffe in den einzelnen Medien und unterstreichen somit die Relevanz derartiger Studien.
P56 AH-7921– der Wolf im Schafspelz V. Blaas1, A. Bernius2, D. Rentsch1, A. Büttner1 1Institut für Rechtsmedizin, Rostock, Deutschland, 2Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie, Rostock, Deutschland Einleitung. Bislang sind lediglich begrenzt Daten und Informationen über das synthetische Opioid 3,4-Dichlor-N-[1-dimethylamino)cyclohexylmethyl]benzamid (AH-7921 oder Doxylam) verfügbar und es wurden bisher kaum Studien zur Toxizität, zur Auswirkung auf die Psyche, zum Abhängigkeitspotential oder den sozialen Risiken veröffentlicht. Zwischen Dezember 2012 und September 2013 ereigneten sich in drei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union jedoch nicht nur Todesfälle, bei denen AH-7921 allein oder in Kombination mit anderen Substanzen im Rahmen der Obduktion festgestellt wurde, sondern auch zahlreiche nicht tödliche Intoxikationen. Methoden. Anhand eines Fallbeispieles sollen sowohl die bisher wenig bekannten Wirkungen als auch die medizinischen Gefahren von AH-7921 demonstriert werden: Initial stellte sich der körperlich unauffällige Patient mit einer anhaltenden Obstipation, Bauchschmerzen und Schwindel in einer internistischen Notaufnahme vor, in der er am Folgetag einen ersten generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfall erlitt. Nachdem er wegen starker Unruhezustände Diazepam und Haloperidol erhalten hatte, wurde der Patient tachykard, musste aufgrund eines Harnverhaltes katheterisiert werden und wurde schließlich auf die suchtspezifische Station der Psychiatrischen Universitätsklinik verlegt. Dort gab der Patient an, seit mehr als 4 Monaten online AH-7921 zu erwerben und zur Therapie chronischer Kopfschmerzen 2 bis 4 x täglich zu konsumieren. In den folgenden Stunden zeigte er zunächst eine deut-
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liche Bradykardie unklarer Genese, wurde tachykard und wies körperliche Erscheinungen eines Opioidentzuges in Form von Muskelkrämpfen, Schmerzen, Schwitzen, Angst und Dysphorie auf. Die Entzugssymptome nahmen weiter zu, so dass eine Buprenophin-gestützte Opioidentzugsbehandlung begonnen wurde, worunter sich die Beschwerden zeitnah besserten. Ergebnisse. Es konnten im Rahmen toxikologischer Untersuchungen folgende Konzentrationen des Opioids AH-7921 (ca. 2 d nach dem letzten Konsum) festgestellt werden: Serum: 10,1 ng/mL Urin: 71,5 ng/mL Weiterhin fanden sich neben der Muttersubstanz N-Desmethyl-Metabolite im Urin. Schlussfolgerungen. Während AH-7921 bisher über Online-Shops als Pflanzendünger, Kräutermischung oder Badezusatz deklariert frei verkäuflich war, reagierte die Europäische Union und so tritt zum 2. Oktober 2015 der Beschluss in Kraft, mit dem Herstellung und Vertrieb von AH7921 künftig geahndet werden.
P57 Bestimmung von Arzneistoffen und Drogen in postmortalem Zahnmaterial und Vergleich mit Befunden in Körperflüssigkeiten und Haaren M. Klima1, M. J. Altenburger2, J. Kempf1, V. Auwärter1, M.A. Neukamm1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Deutschland,
2Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Freiburg, Deutschland
Einleitung. Bei verbrannten und skelettierten Leichen ist Zahnhartsubstanz manchmal das einzig verwertbare Probenmaterial und kann als alternative Matrix für die toxikologische Analyse eingesetzt werden. Für die forensische Interpretation müssen der Beitrag verschiedener Einlagerungswege sowie Unterschiede der Einlagerung in Zahnwurzel, Zahnkrone und kariöses Material bekannt sein. Methoden. Bei drei Verstorbenen mit Drogenkonsum in der Vorgeschichte wurde während der Obduktion jeweils ein Zahn (Molar) entnommen. In zwei Fällen wurde die Pulpa vor der Analyse entfernt, in einem Fall war der Zahn wurzelkanalbehandelt. Die Zähne wurden in kariöses Material, Wurzel und Krone aufgeteilt. Das pulverisierte Zahnmaterial wurde anschließend methanolisch mit Ultraschall extrahiert und ein Drogenscreening mittels LC-MSn (ToxTyperTM) sowie eine quantitative Analyse mit LC-MS/MS im MRM-Modus durchgeführt. Die Ergebnisse wurden mit den toxikologischen Befunden aus Oberschenkelvenenblut, Herzblut, Urin, Mageninhalt und Kopfhaaren verglichen. Ergebnisse. Die nachgewiesenen Arzneistoffe und Drogen in Körperflüssigkeiten und Haaren wurden zum größten Teil auch im Zahnmaterial detektiert. Die Konzentrationen nahmen bei nicht wurzelkanalbehandelten Zähnen in folgender Reihenfolge ab: kariöses Material > Wurzel > Krone. Im Gegensatz dazu wurden im wurzelkanalbehandelten Zahn höhere Konzentrationen in der Krone als in der Wurzel gemessen. Cocain, Benzoylecgonin und Cocaethylen konnten nur im Haar und nicht im Zahnmaterial detektiert werden. Andererseits konnten einige Substanzen in Blut und Zahnmaterial, aber nicht im Haar detektiert werden. Schlussfolgerungen. Zahnhartsubstanz kann als alternative Matrix für die forensische Toxikologie nützlich sein. Die Studie lässt den Schluss zu, dass die Einlagerung von Arzneistoffen und Drogen in Zahnhartsubstanz hauptsächlich über die Blutseite erfolgt. Der intakte Zahnschmelz kann also als Barriere gegen die Einlagerung von Substanzen in die Krone über die Mundhöhle betrachtet werden. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie deuten auf ein Nachweisfenster für Zahnhartsubstanzen hin, welches zwischen dem Nachweisfenster für Blutproben (Stunden bis Tage) und dem von Haarproben (Wochen bis Monate) liegt.
P58 Einfluss der Probenvorbereitung auf die Bestimmung von THC und seinen Metaboliten in Haarproben T. Franz, T. Dame, G. Schwarz, H. Sachs, F. Musshoff Forensisch Toxikologisches Centrum München, München, Deutschland Einleitung. Im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik wird in Deutschland bei der Haaranalytik eine Analyse alleine auf Delta-9-tetrahydrocannabinol (THC) vorgenommen. Es ist jedoch bekannt, dass eine Kontamination mit Cannabis-geschwängertem Rauch zu positiven Befunden führen kann, ohne dass der Proband konsumiert hat. Um einen Konsum zweifelsfrei zu belegen empfiehlt es sich daher zusätzlich auf die Metaboliten 11-Hydroxy-Tetrahydrocannbinol (THC-OH) und 11-nor-Carboxytetrahydrocannabinol (THC-COOH) zu untersuchen, welche erst bei einer Körperpassage gebildet werden. Bisher erfolgten Analysen auf diese Analyten aus verschiedenen Aufarbeitungen. Ziel der gegenständigen Arbeit ist die Entwicklung einer einzigen Methode zur Analyse von THC und seinen Metaboliten in Haarproben aus einer Einwaage heraus. Die Einflüsse verschiedener Verfahrensweisen wurden verglichen. Methoden. Die Bestimmung von THC und THC-OH kann nach zwei unterschiedlichen Aufarbeitungen durchgeführt werden zum einen nach methanolischer Extraktion zum anderen nach alkalischer Hydrolyse der Haarproben. In dieser Arbeit wurden die Ergebnisse beider Methoden miteinander verglichen sowie die Waschlösungen, welche bei den Waschgängen (Petrolether und Methanol) anfallen, auf das Vorhandensein der beiden Analyten untersucht. Da die Bestimmung von THC-COOH aus dem methanolischen Extrakt nicht möglich ist, wurden bei diesem Analyten die bereits mit Methanol extrahierten Haare hydrolysiert und die Ergebnisse mit denen aus unbehandelten Haaren nach Hydrolyse verglichen. Ergebnisse. Von 25 Proben wurden die Waschwässer auf THC und THCOH untersucht und es konnte gezeigt werden, dass sich durch die Waschschritte nur Spuren der Analyten aus den Haaren entfernen lassen. Nach methanolischer Extraktion wurde THC in Konzentrationen von 0,01–2,0 ng/mg (Median 0,03 ng/mg) und THC-OH in Konzentrationen von 0,05–1,5 pg/mg (Median 0,11 pg/mg) aufgefunden. Im Gegensatz dazu wurden nach alkalischer Hydrolyse (Auflösung der Haarmatrix) Werte von 0,01–3,0 ng/mg für THC (Median 1,45 ng/mg) und von 0,1–15 pg/ mg (Median 0,50 pg/mg) für THC-OH ermittelt. THC-COOH wurde aus zuvor mit Methanol extrahierten Haarproben bestimmt und die erhaltenen Befunde mit denen nach alkalischer Hydrolyse eines Neuansatzes (ungewaschen) verglichen. Die aus den direkt hydrolysierten Haaren erhaltenen Werte lagen in einem Bereich von 0,1–16 pg/mg (Median 0,67 pg/mg), die Konzentrationen in den zuvor mit Methanol extrahierten Haaren lagen in einem Bereich von 0,1–5,5 pg/mg (Median 0,38 pg/mg). Schlussfolgerungen. Es kann gezeigt werden, dass sich die THC-Metaboliten durch methanolische Extraktion nicht vollständig aus den Haarproben extrahieren lassen. Gründe hierfür können weitere Stoffwechselprodukte (z. B. Glucuronide) sein, welche erst durch die Hydrolyse aufgespalten werden. Ein wahrscheinlicherer Grund kann eine gute Bindung der Substanzen an die Haarmatrix sein, welche bei der Hydrolyse vollständig zerstört wird. Es wird empfohlen die Bestimmung der THC-Metabolite nach einer alkalischen Hydrolyse durchzuführen.
P59 Metaboliten von synthetischen Cannabinoiden im Haar – Konsumbeweis oder Stolperfalle bei der Interpretation? F. Franz1, V. Angerer1, M. Hermanns-Clausen2, B. Moosmann1, V. Auwärter1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Deutschland,
Einleitung. Haaranalytik kann für die retrospektive Klärung eines Drogenmissbrauchs nützlich sein, allerdings muss bei der Interpretation die Möglichkeit externer Kontamination in Betracht gezogen werden. Üblicherweise wird der Nachweis von Wirkstoffmetaboliten in diesem Zusammenhang als konsumbeweisend angesehen. Bei synthetischen Cannabinoiden, welche instabile Ester- oder Amidbindungen enthalten, ist jedoch nur wenig über die Einlagerungsmechanismen in die Haarmatrix bekannt. Für eine valide Interpretation von Befunden dieser Substanzen und deren Metaboliten bzw. Spaltprodukten ist es daher notwendig, verschiedene potentielle Einlagerungswege zu berücksichtigen. Basierend auf der Haarprobe einer 16-jährigen Entzugspatientin mit bekannter Vorgeschichte eines massiven Konsums von Räuchermischungen wurde untersucht, wie die Analysenergebnisse bezüglich der Verteilung der Analyten und deren Metaboliten entlang des Haarschafts interpretiert werden können. Methoden. Die authentische Haarprobe (Länge 34,5 cm) wurde in zehn Segmente unterteilt und mittels LC-ESI-MS/MS auf synthetische Cannabinoide und deren Metaboliten untersucht. Zusätzlich rieb ein Proband 5F-PB-22 und AB-CHMINACA in sein Kopfhaar um eine externe Kontamination zu simulieren. Eine Woche nach der Exposition wurden Kopfhaarproben abgenommen und nach Zerkleinern homogenisiert. Ein Teil der Probe wurde mit Lösungsmitteln gewaschen, der andere nicht. Beide Teile wurden in jeweils vier Aliquote aufgeteilt. Jeweils ein Aliquot wurde sofort analysiert, wohingegen die anderen vor der Analyse eine Woche lang unter verschiedenen Lagerungsbedingungen (Dunkelheit bei Raumtemperatur, Tageslicht bei Raumtemperatur, Dunkelheit bei 50 °C) gelagert wurden. Des Weiteren wurden Joints, die 10 mg 5F-PB-22 oder 10 mg AB-CHMINACA enthielten, mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe abgebrannt und der Rauch durch eine mit Methanol gefüllte Waschflasche geleitet. Die Waschflüssigkeiten wurden mittels GC-MS untersucht. Die Identität der nachgewiesenen Substanzen wurde mittels LC-MS/MS (enhanced product ion scan) bestätigt. Ergebnisse. In der authentischen Haarprobe wurden in allen Segmenten 5F-PB-22 und AB-CHMINACA sowie deren Metaboliten 5F-PB-22 3-Carboxyindol, PB-22 5-Hydroxy-pentyl und AB-CHMINACA Valin-Metabolit nachgewiesen. Des Weiteren wurden in einigen Segmenten Spuren von 5F-AMB, AB-FUBINACA, AB-PINACA, BB-22, EAM2201, NNEI und THJ-2201 detektiert. 5F-PB-22 3-Carboxyindol und AB-CHMINACA Valin-Metabolit wurden ebenfalls in den extern kontaminierten, gelagerten Proben nachgewiesen. Die höchsten Werte wurden nach der Lagerung bei 50 °C gemessen. Beide Metaboliten wurden neben weiteren Pyrolyseprodukten auch in den Rauchkondensat enthaltenen Waschflüssigkeiten identifiziert. Schlussfolgerungen. Nach Gegenüberstellung der Analysenergebnisse der authentischen Haarprobe mit den anamnestischen Daten und der Verfügbarkeit von 5F-PB-22 und AB-CHMINACA auf dem europäischen Markt wird klar, dass die Befunde der Haarsegmente zeitlich nicht mit dem Drogenkonsum korrelieren. Diese Beobachtung kann durch die pyrolytische Bildung der ‚Metaboliten‘ während des Rauchens und der Kondensation auf dem Haar oder durch Bildung der Substanzen nach der Einlagerung in den Haarschaft erklärt werden. Zusätzlich kommt eine Einlagerung über Schweiß/Sebum in Betracht. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Nachweis von Metaboliten chemisch instabiler Wirkstoffe mit größter Vorsicht interpretiert werden muss und verschiedene Mechanismen bezüglich Bildung und Einlagerung in das Haar berücksichtigt werden müssen.
P60 Letale Selbst-Medikation mit Pancuronium(bromid) G. Kernbach-Wighton, C. Hess, B. Madea
2Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Vergiftungsinformationszentrale,
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
Freiburg, Deutschland
Einleitung. Pancuronium(bromid) ist ein Muskelrelaxans, das mit Acetylcholin um die Rezeptoren quer gestreifter Muskelzellen mit der Folge
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Poster einer schlaffen Lähmung konkurriert. Daher ist in der Regel eine artefizielle Beatmung erforderlich. Methoden. Vorgestellt wird der Fall einer 52-jährigen Frau mit langjähriger „generalisierter Dystonie“, die keiner der üblichen Therapien mehr zugänglich war. In einer einmaligen Aktion wurde durch einen Anästhesisten & Schmerztherapeuten eine Dauer-Medikation mit Pancuronium(bromid) über eine PCA-Pumpe etabliert. Diese Pumpe wurde durch die Patientin selbst bedient bzw. reguliert und gewährleistete für diese über mehr als zehn Jahre eine durchaus akzeptable Lebensqualität mit weitgehender persönlicher Autarkie der Patientin. Ergebnisse. Die Dame wurde letztlich durch einen Pflegedienst tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Der Pumpenschlauch wies einen festen Knoten und eine weitere Blockade durch eine Schlauch-klemme auf. Die Obduktionsbefunde waren unspezifisch, bis auf die Präsenz von Opioid-Tabletten im Dickdarm. Toxikologische Analysen belegten 72 ng/ml Pancuronium und 21 ng/ml Oxycodon (therapeutisch) im Femoralvenenblut. Die Spanne publizierter Pancuronium-Spiegel reicht von etwa 80 bis 2000 ng/ml. Schlussfolgerungen. Der vorgestellte Fall ist nach ausgiebigen Literaturrecherchen vermutlich als einmalig einzuordnen. Das Therapiekonzept einer Selbstmedikation war innovativ, suffizient und über mehr als zehn Jahre stabil. Es gewährte der Patientin ein Höchstmaß an Autonomie und Selbstbestimmung. Die Todesursache blieb letztlich offen, diese war aber wahrscheinlich auf die unterbrochene Pancuronium-Infusion mit konsekutiver akuter Exazerbation der „generalisierten Dystonie“ zurückzuführen. Vorangegangen waren in den letzten beiden Jahren bereits zwei Suizidversuche.
P61 Metabolismus und Urinanalytik des synthetischen Cannabinoids MDMB-CHMICA F. Franz, V. Angerer, B. Moosmann, V. Auwärter Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Deutschland Einleitung. Das neue synthetische Cannabinoid MDMB-CHMICA (oft irreführender Weise unter dem Namen „MMB-CHMINACA“ angeboten) ist strukturell eng mit AB-CHMINACA verwandt. In ihrem klinischen Bild zeigen diese Substanzen eine vergleichsweise hohe Toxizität, die sich in akut lebensbedrohlichen Symptomen äußern kann. Die erste Beschlagnahmung dieser Substanz in Europa wurde der EMCDDA von der ungarischen Polizei im August 2014 gemeldet. Bereits im Oktober 2014 wurde MDMB-CHMICA in unserem Labor in mehreren authentischen Serumproben detektiert und im November auch in Räuchermischungen, welche als legaler Cannabisersatz verkauft werden. Aufgrund der rasanten Verbreitung der Droge war es notwendig, eine robuste Methode zum Nachweis der Substanz und seiner Metaboliten in Urinproben zu entwickeln. Methoden. Zur Identifizierung der Hauptmetaboliten wurde das durch in vitro-Untersuchungen mit humanen Lebermikrosomen (HLM) erhaltene Metabolitenspektrum mit dem Metabolitenspektrum verglichen, das in authentischen Urinproben festgestellt wurde. Durch Untersuchung gepaarter Serum- und Urinproben konnte dabei sichergestellt werden, dass die Probanden MDMB-CHMICA konsumiert hatten. Als Untersuchungsverfahren für diese Studie wurde LC-ESI-MS/MS eingesetzt. Ergebnisse. Als Hauptmetaboliten wurden ein am CyclohexylmethylRest hydroxylierter Metabolit und das Esterspaltprodukt sowie ein hydroxylierter Cyclohexylmethyl-Metabolit des Esterspaltproduktes identifiziert. Die entsprechenden Massenübergänge wurden in eine bestehende LC-MS/MS-basierte Screeningmethode integriert, die bereits erfolgreich zur qualitativen Detektion der Analyte in authentischen Urinproben angewendet wird. Der hydroxylierte Cyclohexylmethyl-Metabolit kann zum spezifischen Nachweis eines Konsums von MDMB-CHMICA herangezogen werden, wohingegen das Esterspaltprodukt und dessen hydroxylierte Metaboliten mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Konsum des Carboxamid-Analogons ADB-CHMICA gebildet werden.
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Schlussfolgerungen. Vergleichend kann festgestellt werden, dass der Metabolismus von MDMB-CHMICA dem des AB-CHMINACA sehr ähnelt und die einfache Hydroxylierung am aliphatischen Cyclohexylmethyl-Rest und die Esterhydrolyse zu den Hauptmetaboliten führt. Die Untersuchung der metabolischen Profile vieler Einzelsubstanzen trägt dazu bei, dass der Metabolismus neuer, strukturverwandter Verbindungen immer exakter vorhergesagt werden kann. Aufgrund der Ähnlichkeit der Massenspektren von MDMB-CHMICA und BB-22 (gleiche Nominalmasse und beinahe identisches Fragmentionen-Spektrum) sei auf die Verwechslungsgefahr dieser beiden Substanzen und deren Metaboliten hingewiesen, falls keine Referenzmaterialen vorliegen oder hochauflösende Massenspektrometrie verwendet wird.
P62 Immunoassays zum Urinscreening auf synthetische Cannabinoide – ein geeigneter Ansatz für die forensische Anwendung? F. Franz1, G. Weinfurtner2, N. Schwörer1, V. Auwärter1 1Institut für Rechtsmedizin, Forensische Toxikologie, Freiburg, Deutschland, 2Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz, Regensburg,
Deutschland Einleitung. Für den Erfolg einer Entzugstherapie können regelmäßig durchgeführte Drogenscreenings einen erheblichen Beitrag leisten. Eine große Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch die neuen psychoaktiven Substanzen, allen voran synthetische Cannabinoide, die häufig als Ausweichdrogen konsumiert werden um Drogenscreenings zu unterlaufen. Die angewendeten analytischen Methoden müssen daher zuverlässig den Konsum aller relevanten Stoffe nachweisen. Rehabilitationseinrichtungen und forensische Psychiatrien nutzen hierfür aus Kostengründen häufig immunchemische Screening Methoden Im Hinblick auf die strukturelle Vielfalt dieser Substanzenklassen gestaltet sich die Herstellung geeigneter Antikörper jedoch schwierig. Zur Evaluation der kommerziell erhältlichen Immunoassays zur Detektion synthetischer Cannabinoide in authentischen Urinproben wurde eine retrospektive Studie durchgeführt. Methoden. Urinproben von über 500 Patienten aus sieben forensischen psychiatrischen Kliniken Bayerns und Baden-Württembergs wurden mit gängigen Immunoassay-Kits (JWH-018/AM-2201- und UR-144/XLR11-Kits) analysiert. Alle Ergebnisse wurden anschließend durch Messung mit einer aktuellen LC-ESI-MS/MS-Screeningmethode, welche die Hauptmetaboliten von insgesamt 43 synthetischen Cannabinoide umfasst, überprüft. Ergebnisse. Mittels der Immunoassays wurde keine der Proben positiv getestet, wogegen die LC-MS/MS-basierte Bestätigungsanalyse den Konsum synthetischer Cannabinoide in 7,7 % der Proben bewies. Die detektierten Substanzen waren Metaboliten von AB-CHMINACA, AB-FUBINACA, AB-PINACA, APICA, JWH-122 und 5F-PB-22. Im Vergleich zwischen den Kliniken aus Bayern und Baden-Württemberg konnten keine signifikanten Unterschiede in den Positivraten festgestellt werden auch zwischen den Einrichtungen mit routinemäßigem Einsatz immunchemischer Screeningmethoden und denen mit stichprobenartiger Kontrolle mittels umfassender LC-MS/MS-Methode ergaben sich keine erkennbaren Unterschiede. Schlussfolgerungen. Das Ergebnis kann durch mangelnde Kreuzreaktivität der verwendeten Antikörper bezüglich der synthetischen Cannabinoide der „neuen Generation“ in Kombination mit vergleichsweise geringer Sensitivität bei niedrigen Analytkonzentrationen erklärt werden. Im Hinblick auf die chemisch-strukturelle Heterogenität dieser Substanzklasse muss der Nutzen immunchemischer Screeningmethoden daher infrage gestellt werden. Besonders im forensischen Bereich muss auf Grundlage der vorliegenden Daten von dem Einsatz der evaluierten Immunoassays ausdrücklich abgeraten werden. Unter der Annahme, dass die in anderen Assays verwendeten Antikörper ähnliche Kreuzreaktivitäten zeigen, ist auch für diese Produkte nicht von einer wesentlich besseren Performance auszugehen.
P63 Skelettfund in Bornheim-Üdorf – überraschendes Skelettalter S. Zesch1, E. Doberentz2, M. Schmauder1, W. Rosendahl1, B. Madea2 1Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkulturen D5, Mannheim,
Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
Einleitung. Frühmittelalterliche Bestattungen in Rheinnähe sind relativ selten. Methoden. Darstellung einer frühmittelalterlichen Bestattung mit den Ergebnissen einer rechtsmedizinischen, anthropologischen sowie archäologischen Analyse. Fallbeschreibung. Am 15.04.2014 wurden bei Ausschachtungsarbeiten eines Neubauvorhabens in Bornheim-Üdorf in unmittelbarer Nähe zum Rhein (Luftlinie zum Rheinufer ca. 20 m) in einer Baugrube von 10 × 10 m mit einer Tiefe von ca. 150 cm menschliche Knochen gefunden. Im Einzelnen handelt es sich um wenige Schädelfragmente, rechter Amboss, rechter Hammer, rechte Scapula, beide Humeri, linke Ulna, linker Radius, linkes Os metacarpale 2, rechtes Os metacarpale 1, 3 und 4, Rippenfragmente, Thorakalwirbel, alle Lumbalwirbel, Sakralwirbel, Pelvisfragmente, linker Femur, proximales Stück einer linken Tibiaepiphyse, rechte Tibia und die Diaphysen beider Fibulae. Ergebnisse. Es zeigten sich entzündliche Reaktionen des Knochengewebes im rechten Ellenbogengelenk und an beiden Schienbeinknochen. Insbesondere das linke Schienbein war hiervon stark betroffen. Es weist flächig im oberen Abschnitt des Schafts massive periostale Knochenreaktionen auf, verursacht durch eine unspezifische Infektion. Die anthropologische Untersuchung ergab, dass es sich um die Überreste eines 20 bis 30-jährigen, vermutlich männlichen Individuums handelt, dessen Körperhöhe (je nach Regressionsgleichung) 166–170 cm betrug. Zusammen mit den Skelettbestandteilen wurden Metallfragmente geborgen. Darunter befand sich eine Pfeilspitze, die anhand ihrer Typologie ins frühe Mittelalter (600 bis 700 Jh.) eingeordnet wurde. Schlussfolgerungen. Die Radiokarbondatierung einer Knochenprobe ergab ein Alter von 1561 +/− 19 a BP, was einem kalibriertem Alter von 436 bis 540 Jahren AD entspricht. Damit wird eine zeitliche Einordnung des Fundes in das Frühmittelalter bestätigt. Unter den menschlichen Überresten befand sich auch ein Mittelfußknochen eines Hausrindes mit Schnittspuren. Dieses sowie die Metallfragmente sprechen dafür, dass es sich bei dem Fund um eine frühmittelalterliche Bestattung mit typischen Grabbeigaben handelt. Überraschend ist die allgemein gute Erhaltung der Knochensubstanz, insbesondere bei Berücksichtigung der nahen Lage des Fundortes zum Rhein, wenngleich einige Skelettelemente und alle Zähne fehlen.
ly modern Age population were chosen for investigation, assuming that workload conditions in historic times may better reflect the living conditions (hard manual labor) in countries from which the majority of the individuals subjected to age estimation procedures (asylum seeker and immigrants) in Austria and Switzerland originate from. Methods. The investigated individuals were collected during the archaeological excavation of a cemetery in St. Pölten (Lower Austria). Both clavicles of 70 females, 88 males and 42 individuals with morphologically indeterminable sex were macroscopically investigated twice. Each clavicle was rated on the basis of the five-stage classification provided by Schmeling et al. (2004). Definition of the five-stages (I-V): I non-ossified epiphysis, II discernible ossification center, III partial fusion, IV total fusion but epiphyseal scare still visible and V total fusion and epiphyseal scare no longer visible. Relative differences of the two clavicles in each ossification stage as well as interobserver error as overall percentage agreement (OPA) and Kappa value (κ) of the two independent observations were calculated. χ2 test was performed to investigate significant dissimilarities of side differences observed in the investigated ossification stages. Results. The distribution of the 200 investigated clavicle pairs was found to be nearly equal in the defined five stages and maximum side differences did not exceed one stage. In stage I 14,3 % of the individuals showed side differences, 15,6 % in stage II, 50,0 % in stage III, 15,0 % in stage IV and 13,5 % in stage V. For the individuals with known sex the females (24,7 %) tend to have stage differences more often than males (14,7 %). The differences were found to be most pronounced in stage III (females = 61,5 % and males = 33,3 %). The interobserver error turned out to be acceptable as evidenced by an OPA of 88,0 % and the κ-value = 0,83. The χ2 test indicated significant differences (p = 0,001, α = 0,05) in the ossification stages only when stage III was included. If stage III was excluded no significant differences between the stages I, II, IV and V could be found (p = 0,995). Conclusion. Since stage III is most important for the decision if an individual has already reached the age of legal majority or not, and the greatest bilateral differences were found in this stage it is strictly recommended that both the left and right clavicle should be investigated during the age estimation procedure. In case of discrepancy the clavicle expressing the ossification stage which promotes the interest of the investigated person should be favored in terms of “in dubio pro minore”.
P65 Inwieweit haftet Andreas L. als Erfüllungsgehilfe nach § 278 BGB für die Folgen seiner Tat? C. Rittner Institut für Rechtsmedizin, Mainz, Deutschland
P64 Bioarchaeological Study reveals intraindividual side differences in the ossification of the medial clavicle— implications for age estimation of the living F. Kanz1, P. Konermann1, N. Klupp1, S. Lösch2 1Department für Gerichtsmedizin, Medizinische Universität Wien, Wien,
Österreich, 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Bern, Schweiz
Aims. Age determination in the living is put into practice both in criminal and in asylum law. Within the standardized multifactorial examination by experts the evaluation of the stage of ossification of the medial clavicle is of crucial importance. The complete fusion of the epiphysis is believed to be closely related to the time at which the age of legal majority is reached in many countries. In recent times serious doubts arose about the assumption that bilateral ossification differences of the medial clavicle are negligible for age determination. Asymmetric workload an individual is exposed to during its skeletal growth period might be responsible for differences in the ossification progress of the clavicles. A medieval and an ear-
Wenn auch die näheren Umstände des Fluges 4U 9525 am 24. März 2015 noch nicht geklärt sind, sind doch viele Details aus den letzten Tagen und Stunden aus dem Leben des Andreas L. bekannt geworden, die ein vorläufiges Fazit aus Sicht des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen erlauben: Der Copilot der Germanwingsmaschine war seit Jahren in psychiatrischer Behandlung und hatte schon seine Ausbildung nur verzögert abschließen können. Bis 26. März 2015 war er neuerlich krankgeschrieben, hatte jedoch die AUB zerrissen, so dass sein Arbeitgeber nichts von dieser „abgeklungenen schweren depressiven Episode“ wusste, als er zum Flug eingeteilt wurde. Auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf nutzte er einen Gang des Piloten zur Toilette, um ihn auszusperren -Sicherung des Cockpits nach den Anschlägen vom 11.9.2001. Er schaltete den Autopiloten auf Sinkflug und beschleunigte diesen noch dreimal, ehe die Maschine in den französischen Alpen gegen einen Felsen raste und zerschellte. Alle 150 Insassen kamen dabei ums Leben. Die weitgehenden Einsichten in den Hergang der Katastrophe verdanken wir dem Auffinden und der Datenrekonstruktion von Voice Recorder und Black Box durch die zuständige Staatsanwaltschaft.
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Poster Wie ist diese Tat rechtlich einzuordnen? Kaum ein Zweifel besteht an einer Vorsatztat, wobei es sich eher um ein amokartiges Geschehen, als um einen erweiterten Suizid handeln dürfte. Nach Angaben aus seiner Umgebung wollte L. durch seine Tat berühmt werden und in die Geschichte der zivilen Luftfahrt eingehen. Sein Vorgehen dabei zeigte eine unerbittliche Kaltblütigkeit; Minuten vorher noch gut gelaunt ließ sich keine psychische Auffälligkeit im Gespräch mit dem Piloten erkennen. Soweit ersichtlich, zeigte er keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen und keine wahnhaften Ideen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20 und 21 StGB sind daher nicht erkennbar. Allerdings würde ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft von Todes wegen eingestellt. Wie ist aber seine Haftung als Erfüllungsgehilfe von Germanwings zu beurteilen? Nach dem Abkommen von Montreal und der EG-Verordnung Nr. 889/2002 haftet das Luftfahrtunternehmen bei Unfällen auf Schadenersatz, bei Tod oder Körperverletzung bis zu einer Höhe von 100000 SZR. Weiter heißt es: „über diesen Betrag hinausgehende Forderungen kann das Luftfahrtunternehmen durch den Nachweis abwenden, dass es weder fahrlässig noch sonst schuldhaft gehandelt hat“. Hierauf wird sich die rechtliche Auseinandersetzung konzentrieren müssen: Die Verschuldensfähigkeit ergibt sich nach deutschem Recht aus §§ 827,828 BGB. Ein Ausschluss und eine Minderung der Verantwortlichkeit könnte sich nach § 827 I allenfalls dann ergeben, wenn L. als Erfüllungsgehilfe im Zustand der Bewusstlosigkeit (scheidet aus) „oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zugefügt hat“. Außerdem haftet der Erfüllungsgehilfe aus Delikt nach § 823 ggf. I. V. m. § 280 I. In Anbetracht der Höhe der zu erwartenden Geltendmachung von Schäden ist wohl eine längere Auseinandersetzung unter Einbeziehung auch forensisch-psychiatrischer Sachverständiger zu erwarten. Die Gutachter werden zu prüfen haben, ob bei Andreas L. ein präsuizidales Syndrom vorlag. Weltweit werden acht weitere unaufgeklärte Flugzeugabstürze als Suizide von Piloten bezeichnet. Die Aufklärung scheitert i. d. R an nicht auffindbaren Flugschreibern. Flug 4U 9525 ist eine Ausnahme, die umfassende Schlussfolgerungen zum Hergang erlaubt und damit eine Chance zur weltweiten Verbesserung der Flugsicherung bietet. Der forensischpsychiatrische Sachverständige hat die Aufgabe, aus der Sicht seines Faches nach Aktenlage an der Aufklärung dieses tragischen Geschehens mitzuwirken.
P66 „Tödliche Weihnachten“ – Erhöhte Sterblichkeit vor, an und nach den Festtagen? L. Lindenberger1, H. Ackermann2, M. Parzeller1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Biostatistik und mathematische Modellierung, Frankfurt am Main, Deutschland
Einleitung. In der epidemiologischen Forschung werden Zusammenhänge zwischen Feiertagen (Weihnachten, Geburtstag) und damit verbundenen Todesfällen beschrieben. Inwieweit sich solche Ergebnisse. in einem rechtsmedizinischen Obduktionsgut bestätigen lassen, wird bezüglich der Weihnachtsfeiertage untersucht. Methoden. Die retrospektive Mortalitätsstudie basiert auf dem Sektionsgut des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der GoetheUniversität Frankfurt am Main. Dabei wurde ein Zeitraum von 20 Jahren (1995–2014) analysiert. Ausgewertet wurden die drei Wochen vor und nach Weihnachten sowie die Weihnachtsfeiertage (24. – 26. Dezember). Insgesamt wurden in die Studie n = 1347 Fälle eingeschlossen (n = 817 Männer, n = 530 Frauen). Die Anzahl der Todesfälle war in den drei Wochen vor Weihnachten (n = 607; erwartet 629) geringer ist als in den drei Wochen nach Weihnachten (n = 644; erwartet 629).
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Ergebnisse. An den drei Weihnachtsfeiertagen direkt starben insgesamt 96 Personen (erwartet 90). Die höchste Sterblichkeit stellte man in der Woche nach Weihnachten fest (n = 232; erwartet: 210), während sich in der Woche direkt vor Weihnachten die niedrigste Sterbeanzahl ergab (n = 189; erwartet 210). Geschlechtsdifferenziert starben Männer am meisten in der ersten Woche nach Weihnachten (n = 141, erwartet 127) und Frauen am meisten direkt an den Weihnachtsfeiertagen (n = 42, erwartet 35). Männer hatten die niedrigste Sterblichkeit in der Woche vor Weihnachten (n = 108, erwartet 127), Frauen in der dritten Woche nach Weihnachten (n = 75, erwartet 82). Diese Vergleiche waren alle nicht signifikant. Die Todesart war bei 534 Fällen natürlich, bei 661 Fällen nicht natürlich, bei 60 Fällen kombiniert, und bei 92 Fällen war auch nach der Obduktion die Todesart noch unklar. In den drei Wochen vor Weihnachten starben an natürlichen Todesursachen 227 Personen (erwartet 249), an nicht natürlichen Todesursachen 297 Personen (erwartet 308). In den drei Wochen nach Weihnachten starben auf natürliche Weise 270 Personen (erwartet 249) und auf nicht natürliche Weise starben 313 Personen (erwartet 308). Bei den natürlichen Todesfällen starben die Wenigsten in der ersten Woche vor Weihnachten (p = 0,099) und die Meisten in der zweiten Woche nach Weihnachten (p = 0,049). Nicht natürlichen Todesfälle waren in der zweiten Woche nach Weihnachten am Wenigsten (p = 0,174) und in der ersten Woche nach Weihnachten am Meisten zu verzeichnen (p = 0,110). Prozentual stiegen nach Weihnachten natürliche Todesfälle stärker an als nicht natürlich Todesfälle. Schlussfolgerungen. Ein signifikanter Unterschied lässt sich bezogen auf das gesamte Studienkollektiv hinsichtlich eines Einflusses der Festtage nicht aufzeigen. In der Subgruppenanalyse der natürlichen Todesart tritt eine Signifikanz für die zweite Woche auf.
P67 Was verrät uns die „Walther“ über Backspatter? C. Schyma1, R. Müller2, K. Bauer1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern, Forensische Medizin, Bern,
Schweiz, 2Kantonspolizei Bern, Kriminaltechnischer Dienst, Bern, Schweiz
Einleitung. Bei der experimentellen Erzeugung von Rückschleuderspuren (Backspatter) im Waffenlauf (SNF-DFG-Projekt) fiel eine Waffe durch ein aussergewöhnlich intensives Spurenbild bis ins Patronenlager auf, die Walther PP, eine halbautomatische Selbstladepistole im Kaliber 7,65 mm Browning. Bei verschiedenen Pistolen im Kaliber 9 mm Luger konnten zwar Spuren erzeugt werden, die aber nicht annähernd vergleichbar waren. Dies führte zu der Überlegung, ob die Walther-Pistole ein System sein könnte, um die Entstehungsbedingungen von Backspatter im Waffenlauf besser zu verstehen. Methoden. Zur Verfügung standen insgesamt 8 Pistolen im Kaliber 7,65 mm Browning: Walther PP, Walther-Manurhin-Lizenzbau, Beretta Mod. 70, SIG-Sauer P230, FN 1910, FN 1922, Česká VZOR70, FEG-Budapest. Verwendet wurde die Vollmantelpatrone von Geco. Drei Versuchsreihen mit je 6 Waffen wurden durchgeführt: 55Einhändiger Schuss mit unveränderter Waffe 55Waffe mit Panzerband umwickelt, Repetierbewegung durch zweite Hand unterdrückt 55Gripbeutel dicht an das Auswurffenster geklebt, einhändiger Schuss
Ca. 12 cm grosse Gelatine-Messwürfel mit integriertem Vlies und Folienbeutel (Tripel-Kontrast-Methode: 2 ml Acrylfarbe, 2 ml Bariumsulfat, 1 ml Humanblut) gekühlt auf 4 °C Temperatur wurden mit aufgesetzter Waffenmündung beschossen. Die Waffen wurden mittels Geradeaus-Endoskopie inspiziert und die Befunde videodokumentiert. Ergebnisse. Die Spurenbilder im Standardschuss reichten mit Ausnahme der Beretta und SIG Sauer bis zum Patronenlager, wiesen aber bereits Unterschiede für die verschiedenen Waffen auf. Die stärksten Spurantragungen fanden sich bei der Walther, der Manurhin und der FN 1922. Die Beretta wies das insgesamt schwächste Spurenbild auf, das lediglich das
vordere Laufdrittel betraf. Bei der Repetierblockade war das Spuraufkommen deutlich reduziert, ausgenommen die Česká, die weiterhin über die ganze Lauflänge deutlich sichtbare Spuren zeigte. Die Verklebung mit dem Gripbeutel führte bei der Walther und der Manurhin zu keiner Veränderung der Spurenlage gegenüber dem Normalschuss, während bei den anderen Typen eine Verminderung der Spurenintensität und Ausbreitung resultierte. Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse zeigen offensichtlich durch die Bauart der Pistolen bedingte Unterschiede im Spurenbild. Der Repetiervorgang könnte bei Browning-Pistolen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Spuren in den hinteren Laufabschnitten spielen.
P68 Computergestützte Altersbestimmung von Blutspuren T. Bergmann, A.- M. Pflugbeil, D. Labudde Hochschule Mittweida – University of Applied Sciences, Forensic Science Investigation Lab (FoSIL), Mittweida, Deutschland Einleitung. Die Altersbestimmung von Blutspuren kann wichtige Hinweise zum Tathergang und deren Rekonstruktion liefern. Gegenwärtige Methoden und Verfahren zur Altersbestimmung von Blutspuren bedingen eine irreversible Zerstörung der Probe zur Analyse der Blutbestandteile und des Degenerationsgrades. In dieser Arbeit wird eine Laborstudie vorgestellt, welche die Grundlage für eine neue computergestützte Methodik bereitstellt. Anders als bisher dienen dabei nicht die Konzentrationen verschiedener Blutbestandteile, sondern die morphologischen Veränderungen und die Farbinformation der Blutspur über die Zeit als Datengrundlage. Methoden. Der ermittlungsrelevante Alterungsprozess wurde in dieser Studie mittels mikroskopischer Aufnahmen untersucht. Die zeitkorrelierten Merkmalsänderungen stellen für die computergestützte Auswertung einen sogenannten Featurevektor zur Verfügung, der als Grundlage für einen Altersbestimmungsschlüssel dient. Die präparierten Blutspuren (Trägermaterialien: Baumwolle, Polyester, Glas) wurden über einen Zeitraum von 3 Wochen mithilfe eines Mikroskops untersucht und die zeitlichen Veränderungen mittels digitaler Bildanalyse extrahiert. Ergebnisse. Es konnte beobachtet werden, dass in den ersten 4 h vor allem morphologische Veränderungen auftreten. Danach tritt die Farbänderung des Blutes (Blauverschiebung) als entscheidendes Merkmal in den Vordergrund, die bis zu einem Zeitraum von mindestens 3 Wochen nachweißbar ist. Schlussfolgerungen. Mithilfe des generierten Featurevektors werden Klassifizierungsalgorithmen trainiert. Diese so gewonnen Classifiers ermöglichen nach Featurextraktion von Tatortaufnahmen eine effiziente und einfache Altersbestimmung des Blutes. Die seit dem Zurücklassen eines Blutfleckes verstrichene Zeit kann damit schon vor Ort ohne die Hilfe von Labormaterial bestimmt werden.
P69 Eine neue Methode zur Erfassung der UV-Fluoreszenz von Knochen zur Eingrenzung der Knochenliegezeit T. Jung, K. Jellinghaus, M. Bohnert Institut für Rechtsmedizin, Würzburg, Deutschland Einleitung. Das Ausmaß der Fluoreszenz einer frisch gesägten Knochenoberfläche unter UV-Strahlung gilt als ein einfaches Verfahren zur Abschätzung der Knochenliegezeit. Die Fluoreszenz nimmt mit zunehmender Liegezeit ab. Bei stark reduzierter Fluoreszenz wird ein forensisch nicht mehr relevanter Liegezeitraum von über 50 Jahren angenommen, bei über der ganzen Schnittfläche ausgeprägter Fluoreszenz eine Liegezeit von unter 50 Jahren. Die Beschreibung der Fluoreszenz erfolgt deskriptiv (Fluoreszenz über der gesamten Schnittfläche, Fluoreszenz über
einem Teil der Schnittfläche, keine Fluoreszenz). Zusätzlich wird auch die Beschreibung der Fluoreszenzfarbe empfohlen. So soll eine mehrheitlich gelblich fluoreszierende Knochenschnittfläche auf historisches Knochenmaterial hinweisen, während eine blaue Fluoreszenz oder eine gemischtfarbige Fluoreszenz keine Aussage über die Liegezeit zulässt. Methoden. Die Untersuchung erfolgt an großen Röhrenknochen wie dem Femur im Schaftbereich. Die frische Schnittfläche des quer zum Schaft gesägten Knochens wird mit 2 unterschiedlichen Wellenlängen (254 nm, 366 nm) bestrahlt. Nach eigenen Erfahrungen bestehen bereits große Intra-Observer-Schwankungen bei der Beurteilung. Daher wurde ein neuer Ansatz zur standardisierten Durchführung der Untersuchung und Auswertung entwickelt. Dazu werden die Knochenpräparate in einer mit schwarzem Stoff ausgekleideten Box mit einer UV-Lampe bestrahlt und die Fluoreszenz mittels einer Digitalkamera mit jeweils einheitlicher Belichtungszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit dokumentiert. Die Bilder werden mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms ausgewertet. Dabei wird ein Farbbereich mit Toleranzgrenzen ausgewählt, die Anzahl der betroffenen Pixel bestimmt und der prozentuale Anteil der Gesamtfläche berechnet. Ergebnisse. Das Verfahren ermöglicht es, das Flächenausmaß der UVFluoreszenz und deren Farbqualität standardisiert und reproduzierbar zu erfassen. Schlussfolgerungen. Damit wird das subjektive Element bei der Probenbeurteilung eliminiert, die Proben werden vergleichbar und die Aussagegenauigkeit erhöht.
P70 Die Abschätzung der Knochenliegezeit – Eine interdisziplinäre Pilotstudie zur Erweiterung und Verbesserung des aktuellen Methodenspektrums M. Bohnert1, K. Jellinghaus1, T. Jung1, D. Zaumsegel1, W. Rosendahl2, W. Weinzierl3, C. Hachmann4, U. Wittwer-Backofen4 1Institut für Rechtsmedizin, Würzburg, Deutschland, 2Reiss-Engelhorn-
Museen, Mannheim, Deutschland, 3Landesamt für Geologie, Freiburg, Deutschland, 4Biologische Anthropologie, Freiburg, Deutschland
Einleitung. In der forensischen Praxis ist die Liegezeitschätzung unbekannter, menschlicher Knochenfunde eine häufige Aufgabenstellung. Aufgrund des sehr unterschiedlichen Erhaltungszustandes der Knochen gestaltet es sich jedoch immer wieder als schwierig, eine genaue Aussage hinsichtlich der Liegezeit zu treffen. Der Erhaltungszustand eines Knochens wird maßgeblich von den Liegebedingungen beeinflusst; sie sind letztendlich wichtiger als die Liegezeit selbst. Es existieren zahlreiche unterschiedliche Ansätze und Methoden, die Liegezeit eines Knochens zu bestimmen: UV-Fluoreszenz, Luminol-Probe, Bestimmung des CitratGehalts, Bestimmung der DNA- bzw. RNA-Degradation, Histologie, Radiocarbon-Datierung oder Datierung durch andere Radionuklide, die jedoch einzeln in ihrer Aussagekraft beschränkt sind, teilweise auch zu teuer oder umständlich zu handhaben. Zudem fehlen teilweise auch systematische Untersuchungen zur Liegezeitbestimmung unter Berücksichtigung der Lagerungsumstände. Methoden. Zielsetzung der interdisziplinären, explorativen Untersuchung ist, das aktuelle Methodenspektrum zur Liegezeitschätzung menschlicher Knochen zu erweitern und zu verbessern. Im Einzelnen sollen bereits bestehende Methoden zur Liegezeitschätzung an Knochen mit bekannter Liegezeit als Kontrollgruppe validiert und im Zusammenspiel mit neuen Methoden dazu verwandt werden, kostengünstige Routineparameter für den rechtsmedizinischen Alltag zu entwickeln, die im Falle eines Knochenfundes mit unbekannter Liegezeit zur Anwendung kommen können. Die Aussagegenauigkeit in Bezug auf die Knochenliegezeit soll sich durch das Projekt und durch die systematische Verbesserung, Weiterentwicklung und Kombination der Messmethoden im Vergleich zum aktuellen Stand deutlich verbessern; angestrebt wird eine Angabe der Liegezeit eines unbekannten Knochenfundes auf +/− 5 Jahre.
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Poster Die Untersuchungen werden an Skelettmaterial beiderlei Geschlechts mit bekannter Liegezeit aus Umbettungen oder aus Gräbern mit abgelaufener Ruhezeit von Friedhöfen sowie Knochenproben von Obduktionen der Rechtsmedizin Würzburg vorgenommen. Als Blindversuche werden alle im Studienzeitraum anfallenden Knochenfunde unbekannter Liegezeit untersucht. Ergebnisse. Die Studienpopulation umfasst bislang 34 Individuen mit bekannter Liegezeit, von denen jeweils Schädel- und ein Oberschenkelknochen asserviert werden. Hinzu kommen 16 Fälle mit unbekannter Liegezeit. Zur Anwendung kommen folgende Untersuchungen: UV- Fluoreszenz, Luminol, Histologische Untersuchungen, C14-Datierung, DNA/ RNA-Degradation, Isotopenanalyse. Hinzu kommen massenspektrometrische Untersuchungen von Bodenproben, die aus der direkten Umgebung der Knochenfunde entnommen wurden. Schlussfolgerungen. Die bisherigen ersten Ergebnisse zeigen die erwartete starke Streuung der Ergebnisse. Erste vielversprechende Ansätze lassen die Korrelation der Isotopenanalysen und der Ergebnisse der Bodenproben erwarten.
P71 „Der Tote vom Untersberg“ – ein ungewöhnlicher Fall forensisch-archäologischer Personenidentifizierung mit (zeit)historischer Relevanz J. Cemper-Kiesslich1,2, H. Brandtner1, E. Müller1, O. Anzböck3, F. Kanz2,4, F. Neuhuber1 1Universität Salzburg, IFFB Gerichtsmedizin und forensische
Neuropsychiatrie, Salzburg, Österreich, 2CAMAS – Center of Archaeometry and Applied Molecular Archaeology Salzburg, Salzburg, Österreich, 3Landespolizeidirektion Salzburg, Polizeiinspektion Anif, Anif, Österreich, 4Department für Gerichtsmedizin, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich Einleitung. Am 19. Oktober 2014 wurden von Höhlenforschern im sog. Horrer-Schacht im Untersberg bei Salzburg in ca. 250 m Tiefe menschliche Knochen sowie die Reste einer historisch wirkenden Skiausrüstung gefunden. Methoden. Die Aufarbeitung des Falles erfolgte in einem interdisziplinären Ansatz, wobei das Skelett unter rechtsmedizinischen, pathologischen, traumatologischen und anthropologischen Aspekten untersucht wurde. Darüber hinaus erfolgte die molekularbiologische Aufarbeitung des Skelettes (autosomal und Y-chromosomale STR). Ergänzend wurde auch ein kulturhistorischer Ansatz zur Datierung der Skiausrüstung gewählt. Ergebnisse. Nach Zusammenschau aller Befunde, der Erstellung eines bioarchäologischen Profils sowie der DNA-Analyse konnte das Skelett einem vor ca. 85 Jahren im Rahmen einer Skitour verschwundenen Mann zugeordnet werden. Aus molekularbiologischer Sicht war zunächst ein Y-chromosomaler Ausschluss gegenüber dem Putativ-Halbbruder auffällig, welcher jedoch nach ergänzender Typisierung einer Halbschwester mit einer inkonsistenten Familiengeschichte erklärt werden konnte. Schlussfolgerungen. Ein interdisziplinärer Ansatz ist für die forensischarchäologische Personenidentifizierung zielführend. Der Fall zeigt auf, dass stets auch an die Möglichkeit inkonsistenter Familiengeschichten vor Y-chromosomal-basiertem Ausschluss von Verwandtschaftsverhältnissen gedacht werden muss.
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P72 Zur Ossifikation des Zungenbeins in den ersten Lebensmonaten C. G. Birngruber1, K.- S. Saternus2 1Rechtsmedizin Gießen, Gießen, Deutschland, 2Rechtsmedizin Kassel,
Kassel, Deutschland Einleitung. Angaben über den Zeitpunkt der Ossifikation des Zungenbeins schwanken im medizinischen Schrifttum erheblich. Damit stellt sich die Frage nach der Regelhaftigkeit der Bildung von Ossifikationszentren und deren Topographie. Eine weitere Frage galt dem Modus der Gelenkbildung zwischen dem Corpus und den Cornua majora. Methoden. Es wurden 11 Zungenbeine (9 Präparate von >1-Jährigen und 2 Präparate von 1½-Jährigen) mittels Aufhellungstechnik zur Darstellung der Ossifikation untersucht. Für weitere 5 Präparate (unter 1-Jährige) sind radiologische Untersuchungen vorgesehen. Zudem wurde die Region der Gelenkbildung im Stadium 1½ Jahre histologisch untersucht. Der Vergleich erfolgte mit Präparaten von Adulten. Ergebnisse. Nach dem anatomischen Schrifttum findet die Ossifikation des Zungenbeins, zeitlich versetzt, in 6 Zentren statt. In den Cornua majora beginnt sie mit jeweils einem Zentrum in der letzten Phase der Pränatalperiode, im Corpus mit 2 Zentren kurz vor der Geburt. Bei den untersuchten eigenen Fällen fanden sich in den Cornua majora stets Knochenkerne. Sie lagen gelenknahe umschrieben im inneren Drittel. Im Verlauf des 3. Lebensmonats wurde die Skelettanlage bis in das äußere Drittel des großen Horns ossifiziert. In 2 Fällen (2½ und 4 Monate) war die Ossifikation im Corpus hyoidei verzögert, es fanden sich noch keine Ossifikationszentren. Die histologischen Untersuchungen zur Gelenkentwicklung (Abgliederungsgelenk) zwischen dem Corpus und den Cornua majora ergaben eine zunächst sichtbare Auflockerung der hyalinen Knorpelsäulen zwischen den beiden beteiligten Elementen des Gelenks. Es zeigten sich Nekrosen in einer Intermediärschicht, gefolgt von Spaltbildungen. Mit der entstehenden Gelenkhöhle differenzierten sich aus dem seitlichen Zwischengewebe Gelenkkapseln und Menisci. Bereits im 1. Lebensjahr waren die späteren Grundformen des Zungenbeins (Hyperbel-, Parabel- und Hufeisenform) erkennbar. Schlussfolgerungen. Die Ossifikation der Cornua majora des menschlichen Zungenbeins verlief in den ersten beiden Lebensmonaten in Form gelenknaher umschriebener Knochenzentren. Im 3. Monat wurde die Skelettanlage dann umfangreich ossifiziert. Bei Bestätigung dieses Ossifikationsmodus in einem größeren Kollektiv wäre ein weiteres Merkmal für die Abschätzung des Lebensalters gewonnen. Variabel war dagegen die Ossifikation des Corpus hyoidei. Histologisch wurde die Differenzierung der hyalinknorpeligen Verbindung von Corpus und Cornua majora zur Diarthrose beispielhaft gezeigt.
P73 Kraniofaziale Identifikation mithilfe von Videoaufnahmen V. A. Klevno, N. Romanko, M.A. Kislov Institut für Rechtsmedizin der Moskauer Region, Moskau, Russland Videoaufnahmen als Vergleichsmaterial eröffnen den Rechtsmedizinern neue Möglichkeiten und neue Betätigungsfelder in Fragen der Personenidentifizierung. In 23 Fällen wurden uns vonseiten der Ermittlungsbehörden zur Identifizierung von unbekannten, stark fäulnisveränderten und skelettierten Leichen die zu Lebzeiten entstandenen Videosequenzen von infrage kommenden Personen zur Verfügung gestellt. Verglichen wurden die mazerierten Schädel mit einzelnen Videobildern. Dabei wurden die Schädelaufnahmen den Blickwinkeln der Bilder genau angeglichen. Als besonders geeignet für die Identifizierung haben sich die stomatologischen Befunde erwiesen, so z. B. Zahnlücken und Zahnanomalien (Mikrodontie, palatinal verlagerte seitliche Schneidezähne usw.). Die gutachterliche Praxis zeigte, dass Videoaufnahmen zur Identifizierung herangezogen werden können und nicht selten sogar zu eindeuti-
gen Aussagen in der Frage der Zuordnung von Knochenfunden zu konkreten Personen führen.
P74 Anthropologische Analysen der Ossa membri inferiores von bodengelagertem Skelettmaterial S. Jeraufke1, S. Becker1, L. Birkeneder1, A. Weise2, J. Kleinecke3, A.- M. Pflugbeil2,1, H. Bruchhaus2, D. Labudde1, J. Dreßler2, K. Thiele2
titut übernommen und bis zu seiner Inhaftierung 1946 von ihm geleitet. Als unmittelbar nach Kriegsende die Mittel für das Institut gekürzt werden sollten, legte Raestrup energischen Protest ein, war doch das Institut trotz achtmaliger Beschädigung voll arbeitsfähig geblieben. Nach einem Interregnum, in welchem die Institutsleitung Werner Hueck übertragen wurde, übernahm 1948 Siegfried Krefft das Direktorat. Aus den Erinnerungen von Obermedizinalrat Prof. Dr. med. habil. Ernst Scheibe, ehemaliger Institutsmitarbeiter und ältester noch lebender Vertreter des Faches Gerichtliche Medizin wird die Situation am Leipziger Institut in den ersten fünf Nachkriegsjahren beleuchtet.
1University of Applied Sciences, Forensic Science Inv. Lab (FoSIL),
Mittweida, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin Leipzig, Leipzig, Deutschland, 3Freier Mitarbeiter, Jena, Deutschland
Einleitung. Im Rahmen einer archäologischen Magisterarbeit (J. Kleinecke 2011) zum Gräberfeld von Görzig, dessen Gräber überwiegend der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit angehören, kam es bei der Erfassung geschlechtsspezifischer Beigaben und der Frage nach dem Unterschied von Männer- und Frauentrachten zu den ersten anthropologischen Untersuchungen. Die Fortführung der anthropologischen Untersuchungen erfolgt mit dem Ziel, einen weiteren Beitrag zur Rekonstruktion der Bevölkerung des Mittel-Elbe- Saalegebietes zu leisten. Methoden. Neben den anthropologischen Untersuchungen der Schädel, Zähne sowie der Wirbelsäulen konzentrieren sich gegenwärtig die Untersuchungen auf die Hüftbeine, die Oberschenkel, die Kniescheiben und auf ausgewählte Fußknochen. Grundlage ist die Ergänzung der morphologischen und osteometrischen Untersuchungen zur Überprüfung der Altersschätzung, der Geschlechtsbestimmung und der Körperhöhenschätzung. Darüber hinaus sollen histologische, röntgenologische und molekulargenetische Untersuchungen die Altersschätzung und die Geschlechtszuordnung weiter optimieren, sowie die Kenntnisse über den Stand der degenerativen und pathologischen Veränderungen erweitern. Ergebnisse. Nach den bisherigen Ergebnissen stehen für weiterführende Untersuchungen die Skelettreste von mindestens 19 „Männern“ und 32 „Frauen“ sowie eine relativ hohe Anzahl von noch nicht zugeordneten Skelettresten von ca. 32 Individuen, von denen 7 als indifferent ausgewiesen wurden, zur Verfügung. Darüber hinaus wurden bisher Knochenreste von 14 Kindern nachgewiesen. Zur weiteren Ergebnisoptimierung wurden zusätzlich Berechnungen mit den Femora der Skelette durchgeführt, bei denen beide Femora (rechts und links) vorhanden waren. Darüber hinaus fanden zusätzliche Untersuchungen mit den Femora statt, bei denen mindesten noch ein Hüftbein (Os coxae) und/oder das Cranium erhalten war. Für weiterführende Untersuchungen stehen nach den bisherigen Ergebnissen 93 Oberschenkelknochen von 57 Individuen, 31 Patellae von 20 Individuen, 77 Schienbeine von 47 Individuen, 76 Wadenbeine von 49 Individuen und zahlreiche Knochen der Füße (Fußwurzel-, Mittelfuß-, Zehenknochen) sowie noch nicht zugeordnete Fragmente verschiedener Knochen zur Verfügung. Schlussfolgerungen. Zur Rekonstruktion des Gräberfeldes müssen neben dem Schädel und der Wirbelsäule zukünftig auch die Knochen der oberen Extremität in die Untersuchungen mit einbezogen werden.
P75 Gerichtliche Medizin an der Universität Leipzig in den Nachkriegsjahren K. Thiele1, E. Scheibe1,2, J. Dreßler1 1Institut für Rechtsmedizin Leipzig, Leipzig, Deutschland, 2Freier Mitarbeiter, Greifswald, Deutschland
Das traditionsreiche Leipziger Institut wurde 1934 von Gottfried Raestrup als ein für damalige Verhältnisse sehr großes sowie modernes Ins-
P76 Auswertung und Ergebnisse des Knochenringversuches 2014 U.- D. Immel1, S. Lutz-Bonengel2, R. Lessig1 1Institut für Rechtsmedizin, Molekulare Genetik, Halle, Deutschland,
2Institut für Rechtsmedizin, Freiburg, Deutschland
Einleitung. Für die Identifizierung von unbekannten Personen ist oft eine molekulargenetische Untersuchung das Mittel der Wahl. In der Regel handelt es sich um Verstorbene, welche einen Grad der Autolyse erreicht haben, der eine Verwendung von üblichen Ausgangsmaterialien nicht mehr erlaubt. Knochen ermöglichen im Vergleich zu den anderen Geweben i. d. R am längsten eine erfolgreiche Untersuchung. Zur Qualitätskontrolle dieser oft nicht einfachen Analyse existiert bisher kein Ringversuch. Methoden. Bei dem hier vorgestellten Ringversuch wurden Knochen von bekannten verstorbenen Personen (Vollkörperspender der Anatomie) unter definierten Bedingungen gelagert und anschließend Proben davon an die 34 Teilnehmer versendet. Ergebnisse. Die Auswertung der eingereichten Ergebnisse für die unterschiedlichen Module (autosomale STRs, Y-STRs, X-STRs, ergänzende autosomale STRs, mtDNA) wird vorgestellt.
P77 Entwicklung einer Screening-PCR zum Nachweis bakterieller DNA in humanen Proben J.- H. Modrow1, M. Klein2, N. von Wurmb-Schwark1,2, B. Brandt3, R. Junker3, T. Schwark4,5 1ForSciX GmbH, Hamburg, Deutschland, 2Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Deutschland, 3Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Klinische Chemie, Kiel, Deutschland, 4Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich, 5Medizinische Universität Graz, Institut für Gerichtliche Medizin, Graz, Österreich Einleitung. Der Nachweis von Bakterien in Körperflüssigkeiten und Geweben ist von sowohl klinischer wie auch forensischer Relevanz. Eine der Standardmethoden zur Bestimmung der Bakterienspezies ist die Sequenzierung nach vorangegangener Amplifikation spezifischer bakterieller DNA-Fragmente. Ziel dieser Arbeit war es, eine schnelle, unkomplizierte und kostengünstige Screening-Analyse zu entwickeln, um häufig auftretende Bakterienstämme (z. B. Streptococcus spec.; Enterococcus spec.) nachzuweisen. Methoden. Nach Literaturangaben wurde ein Primerpaar ausgewählt, mit dem spezifische Amplifikate für unterschiedliche Bakterienarten generiert werden können (Streptococcus pneumoniae, Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae). Die zwischen 270 und 350 bp großen fluoreszenzmarkierten PCR-Produkte wurden ihrer Größe und der relativen Menge nach auf einem ABIPrism 3130 mit einem selbst-erstellten BIN Set dargestellt. Die Validierung dieser PCR erfolgte mit definierten Bakterienstämmen (DSM30501: S. aureus, DSM11866: S. pneumoniae, DSM11865: S. pneuRechtsmedizin 4 · 2015
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Poster moniae, DSM20477: E. faecium und DSM50071: P. aeruginosa), die über die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) bezogen wurden. Nach der Etablierung der Methode erfolgten Tests an DNA-Extrakten aushumanenhumanem Blut, Speichel und Gelenkflüssigkeit von Patienten. Ergebnisse. Bei allen Proben, die mit der hier vorgestellten Methode positive Ergebnisse zeigten, konnte das Ergebnis mithilfe des kommerziell erhältlichen GenoType BacIdent Kits (HAIN LifeScience) bestätigt werden. Alle im Vorscreening unauffälligen Proben zeigten bei der Analyse mit diesem Kit entsprechend ein negatives Ergebnis. Schlussfolgerungen. Mit der vorgestellten PCR können die genannten und medizinisch relevanten Bakterienstämme sehr schnell, unkompliziert und kostengünstig in jedem (forensischen) DNA-Labor nachgewiesen werden. Bei Bedarf kann die PCR mit unmarkierten Primern wiederholt werden, um die bereits festgestellten Bakterien-spezifischen Amplifikate zwecks einer genaueren Eingrenzung zu sequenzieren.
P78 „Who killed Roger Rabbit?“ – Etablierung einer kaninchenspezifischen Multiplex-PCR und Anwendung des Assays im Fall einer Kaninchen- Serientötung J.- H. Modrow1, C. Ohm2, R. Junker3, E. Steinmeier2, N. von Wurmb-Schwark1,2, T. Schwark4,5 1ForSciX GmbH, Hamburg, Deutschland, 2Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Rechtsmedizin, Kiel, Deutschland, 3Institut für Klinische Chemie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland, 4Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich, 5Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
Einleitung. Molekulargenetische Methoden werden im forensischen Kontext immer häufiger auch in Fällen, die Tiere – sowohl als „Opfer“ als auch als „Täter“ – involvieren, eingesetzt. Während das „DNA-Fingerprinting“ von Hunden, Katzen und Pferden sowohl in der Abstammungs- als auch in der Spurenanalyse bereits fest etabliert ist, kann auch die genetische Untersuchung anderer Tierarten dazu beitragen, Straftaten aufzuklären. Methoden. Wir stellen eine Multiplex-PCR zur STR-Typisierung von Kaninchen vor, die primär zur Klärung abstammungsanalytischer Fragestellungen entwickelt wurde. Der Assay wurde an 100 unverwandten Kaninchen unterschiedlicher Rassen angewandt, um populationsgenetische Daten zu generieren. Ergebnisse. Genotyphäufigkeiten wurden computergestützt berechnet; bekannte Familienkonstellationen wurden anschließend zur Validierung der Abstammungsanalyse eingesetzt. Schlussfolgerungen. Die forensische Relevanz des Assays und der gesammelten Daten konnte in der Folge im Zusammenhang mit einer Kaninchen-Serientötung im Kieler Umland unter Beweis gestellt werden. In dem Beitrag werden der neue Assay und das Fallbeispiel vorgestellt.
P79 Analyse des DNA-Methylierungsmusters: Eine geeignete Methode zur Identifikation von Körperflüssigkeiten? H. Holtkötter, V. Beyer, M. Schürenkamp, U. Sibbing, H. Pfeiffer, M. Vennemann Institut für Rechtsmedizin, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Münster, Deutschland Einleitung. Die Methylierung von Cytosin an CpG-Stellen ist ein epigenetischer Marker, der Einfluss auf die Expression von Genen haben kann. Da die Expression von Genen in unterschiedlichen Geweben unterschiedlich stark ausfällt, kann davon ausgegangen werden, dass sich auch das Muster der DNA-Methylierung in Geweben unterscheidet. Folglich er-
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scheint eine forensische Nutzung dieses Markers zur Identifikation von Körperflüssigkeiten als vielversprechende Erweiterung derzeitiger Labormethoden. Ziel dieser Studie war die Etablierung einer neuen Multiplex-PCR mit angeschlossener Minisequenzierung zur Identifikation von Blut, Menstruationsblut, Speichel und Sperma. Methoden. Eine einfache und kosteneffiziente Methode zur Bestimmung des Methylierungsstatus’ bildet die Methyliserungs-sensitive Minisequenzierung: Zunächst werden alle nicht methylierten Cytosine mittels BisulfitKonvertierung in Uracil umgewandelt, wohingegen methylierte Cytosine unverändert bleiben. In der anschließenden Amplifikation mittels PCR wird Uracil in Thymin umgeschrieben, so dass eine Minisequenzierung die Unterscheidung zwischen Cytosin und Thymin erlaubt. Ergebnisse. Eine Multiplex-PCR zur Bestimmung des Methylierungsmusters mehrerer bereits in der Literatur beschriebener Marker konnte erfolgreich etabliert werden. Es wurde eine Reihenuntersuchung durchgeführt, um gewebespezifische Unterschiede im Methylierunsgmuster nachzuweisen. Es zeigte sich, dass Sperma sehr gut von anderen Körperflüssigkeiten unterscheidbar ist, wohingegen die Methylierungsmuster von Blut, Menstruationsblut und Speichel deutlich ähnlicher erscheinen. Schlussfolgerungen. Die gewählten Marker scheinen unterschiedlich ausgeprägte Gewebespezifität aufzuweisen. Obwohl in dieser initialen Studie vielversprechende erste Ergebnisse erzielt wurden, erscheint eine weitere Methodenvalidierung sinnvoll. Vor allem sollten Qualitäts- und Effizienzkontrollen, unter anderem für die Bisulfitkonvertierung, etabliert werden.
P80 The New Age – neue Marker zur forensischgenetischen Altersbestimmung G. Kulstein1, E. Miltner 1, U. Gerstenmaier 2, K. Hoffmann2, W. Wagner3, P. Wiegand1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland,
2Varionostic GmbH, Ulm, Deutschland, 3Cygenia GmbH, Aachen, Deutschland
Einleitung. In der Forensischen Genetik werden bei der Untersuchung biologischer Spuren, je nach Fragestellung, sowohl die Spurenart als auch der Spurenverursacher identifiziert. Weitere Informationen zum Spurenverursacher könnten durch die Bestimmung des Phänotyps, z. B. der Augen- und Haarfarbe gewonnen werden. Auch die Bestimmung des biologischen Alters eines Spurenverursachers anhand seiner bioloschen Spur ist derzeit Forschungsgegenstand vieler Arbeitsgruppen und könnte zusätzliche fallrelevante Informationen liefern. Das biologische Alter ist durch viele, darunter auch genetische, Faktoren beeinflusst. Da gegenwärtige Methoden wie z. B. die Telomerlängen-Messung zur Bestimmung des Individualalters immer noch fehleranfällig und ungenau sind, wurden in den vergangenen Jahren neue molekulare Methoden zur Altersbestimmung untersucht. Dabei konnten epigenetische Modifikationen, insbesondere am DNA-Methylierungsmuster, mit dem Alterungsprozess assoziiert werden: Es zeigte sich, dass während der Alterung genomische Regionen (CpG sites) an einzelnen Loci entweder hyper- oder hypomethyliert werden können. Methoden. Seit 2014 bietet Cygenia ein Verfahren an, welches anhand der lokusspezifischen Pyrosequenzierung von nur drei genomischen Regionen eine Epigenetische-Alters-Signatur darstellen kann. Diese Methode eignet sich zur Bestimmung des Spenderalters an Blutproben und zeigt in der untersuchten Kohorte lediglich eine Abweichung von 5 Jahren vom chronologischen Alter. Ergebnisse. Ziel unserer Studie ist es, dieses Verfahren in einer Kooperation auf forensisch relevante Spuren anzuwenden, um zu überprüfen, ob dieselbe Präzision bei der Bestimmung des biologischen Alters an gelagerten Blutspuren erreicht werden kann. Als Spurenträger wurden u. a. bis zu zehn Jahre alte, bei Raumtemperatur gelagerte, Leichenblutkarten und künstlich angelegte Spuren verwendet.
Schlussfolgerungen. Für die Altersbestimmung an gelagertem Blutmaterial erwies sich diese Methode als geeignet, ergab jedoch etwas höhere Abweichungen vom chronologischen Alter.
P81 Nachweis von nicht-humaner DNA in „Alltagsproben“
Furthermore, one patient showed the heterozygous mutation G940A (LQTS 1). All detected mutations were confirmed by direct sequencing. Conclusion. Clinical applicability of the screening system could be demonstrated whereas assessment of further mutations should be intended.
C. Nowotni, J. Naue, U. Schmidt
P83 Analyse von SNPs (single nucleotide polymorphisms) unter Verwendung von mismatch Primern
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
M. Kohl, J. Edelmann, J. Dreßler
Einleitung. Die forensische DNA-Analyse beinhaltet gelegentlich auch den Nachweis nicht-humaner DNA. Ausgehend von einem realen Begutachtungsfall wurden unterschiedliche Proben aus der täglichen Umgebung („Alltagsproben“) analysiert, um einen ersten Eindruck von der Aussagekraft eines „positiven“ DNA-Nachweises zu erhalten. Methoden. Hierzu wurden die Proben mit einem auf Real-Time-PCR und Schmelzkurvenanalyse basierenden Assay untersucht, das Fragmente der Gene 12S rRNA und Cytochrom b von verschiedenen, in Europa häufig vorkommenden Säugetieren nachweist (Pferde/Equidae, Fasanenartige/Phasianidae, Katzen/Felidae, Hirsche/Cervidae, Hunde/Canidae, Marder/Mustelidae, Hasen/Leporidae; Ziegenartige/Caprinae; Rinder/Bovini; die Gattungen Maus/Mus und Eichhörnchen/Sciurus als Vertreter der Nagetiere/Rodentia; Schwein/Sus scrofa und Mensch/Homo sapiens; modifiziert nach Naue et al. 2014). Der Assay verwendet einen interkalierenden Farbstoff und verschiedene Tiergruppen-spezifische Primer, um eine möglichst große Anzahl an Spezies unter gleichen Amplifikationsbedingungen zu erfassen. Spezifische „tags“ der Primer erlauben im Zweifelsfall eine Überprüfung von Real-Time-PCR-Produkten. Ergebnisse. Der Nachweis nicht-humaner DNA gelang auf vielen üblichen Gebrauchsoberflächen, jedoch auch in Proben, deren positive Reaktion primär nicht zu erwarten war. Die Ergebnisse dieser „Umgebungsstudie“ werden präsentiert. Schlussfolgerungen. Zur Beurteilung eines Nachweises nicht-humaner DNA hinsichtlich seiner Aussagekraft sind umfangreiche Vergleichsdaten für die Begutachtungspraxis sinnvoll und notwendig.
P82 Long QT-Syndrome (LQTS) mutation analysis by SNaPshot technique M. Nastainczyk-Wulf1, T. Dobosz2, M. Sobieszczanska3, M. Kawecka-Negrusz 4, J. Dreßler1, J. Edelmann1 1Rechtsmedizin Leipzig, Forensische Molekulargenetik, Leipzig,
Deutschland, 2Department of Forensic Medicine, Wroclaw Medical University, Wroclaw, Deutschland, 3Department of Patophysiology, Division of Electrocardiology and Cardiovascular Diseases Prevention, Wroclaw Medical University, Wroclaw, Deutschland, 4Department and Clinic of Cardiology, Wroclaw Medical University, Wroclaw, Poland
Aims. Congenital long QT-Syndrome (LQTS) is an inherited cardiac disorder characterised by a prolonged QT interval which predisposes to sudden cardiac death due to ventricular arrhythmias. To date more than 700 different variants in 13 genes are known to be associated with this syndrome. The three major LQTS-susceptibility genes are KCNQ1, KCNH2 and SCN5A. Methods. Few years ago we developed a rapid, sensitive and practicable method for the simultaneously screening of LQTS mutations focused on these three major genes by using the SNaPshot® minisequencing. Over 120 Single-Nucleotide Polymorphisms (SNPs) were examined in six multiplex assays. In this study we analysed samples from 24 patients with clinically suspicion for LQTS which were obtained from the Medical University in Wroclaw. Results. As a result we were able to identify the heterozygous mutation G5350A (LQTS 3) in a female sample and also in two of her three sons.
Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Einleitung. Derzeit gängige SNP-Analysen mittels PCR-basierender Methoden und anschließender Kapillarelektrophorese, erfolgen in vier aufeinanderfolgenden Schritten: 1. Amplifikation der Sequenzbereiche von Interesse, 2. enzymatischer Abbau von verbliebenen PCR-Primern und Nukleotiden, 3. Minisequenzierung (SNaPshot® Multiplex Kit, Life Technologies) sowie 4. ein weiterer enzymatischer Abbau von Nukleotiden. Diese zeitaufwendige und aufgrund des hohen Pipettieraufwandes fehleranfällige Methode soll durch ein vereinfachtes Verfahren ersetzt werden. Für ausgewählte SNPs aus dem SNPsforID-Panel [1] wurden zu den beiden möglichen Allelvarianten spezifische fluoreszenzmarkierte Primer entwickelt, welche am Template um die Position des SNPs konkurrieren (allele specific primer). Unter bestimmten Amplifikationsbedingungen ist bei der PCR lediglich der vollständig komplementäre Primer in der Lage, an den SNP-Bereich zu binden. Die Unterscheidung der Allelvarianten erfolgt in der anschließenden Kapillarelektrophorese anhand der eingebrachten Fluoreszenzmarkierungen. Methoden. Die Primer wurden mit Hilfe des Programms PrimerBlast (NCBI-Homepage) erstellt. Es wurden die Fluoreszenzfarbstoffe 6-FAM, HEX, NED und ROX für die Markierung verwendet. Die DNA-Extraktion erfolgte mit dem Tissue Nucleo Spin Kit der Firma Macherey und Nagel. Weiterhin wurde eine Quantifizierung mit dem Quantifiler Human Kit der Firma Life Technologies durchgeführt. Für die Amplifikation wurde das QIAGEN Mulitplex-PCR Kit verwendet, wobei 2 ng DNA in die Reaktion eingebracht wurden. Die Auswertung der Proben erfolgte am 310 Genetic Analyzer (Applied Biosystems). Ergebnisse. Es konnte gezeigt werden, dass für die hier ausgewählten SNPs eine selektive Amplifikation mittels der entworfenen Primer und somit eine Unterscheidung der verschiedenen Genotypen möglich ist. Schlussfolgerungen. Im weiteren Verlauf sollen die Multiplex-Ansätze erweitert und die PCR-Bedingungen für die Bearbeitung von forensischen Proben optimiert werden. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf Proben mit degradierter DNA (Leichenmaterial mit längerer Liegezeit, Knochen, u. ä.), bei denen die Anwendung von SNP-Markern aufgrund der kurzen Amplikonlängen Vorteile versprechen.
P84 Verletzungen durch Propeller B. Madea1, P. Schmidt2, E. Doberentz1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn,
Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar, Deutschland
Einleitung. Propeller- bzw. schiffsschraubenbedingte Verletzungen werden vor allen Dingen als postmortale Verletzungen bei Wasserleichen immer wieder beobachtet. Sie sind häufig charakterisiert durch mehrfache, parallel zueinander angeordnete, tiefgreifende Weichteilverletzungen. Bei Bootsunglücken werden auch vitale tiefgreifende Propellerverletzungen beobachtet. Durch große Schiffsschrauben kann es zu einer vollständigen Durchtrennung des Rumpfes kommen.
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Poster Methoden. Dies wird durch eine retrospektive Literaturanalyse bestätigt. Weiterhin wird aus dem Untersuchungsgut des Institutes für Rechtsmedizin der Universtität Bonn ein Fall dargestellt. Ergebnisse. Ein derartiger Fall, in dem durch unsachgemäße Wartung eines Hubschraubers zwei Männer durch propellerbedingte Dekapitation ums Leben kamen, soll vorgestellt werden (einwirkende Kräfte, Biomechanik, Verletzungsfolgen). Schlussfolgerungen. Im Vergleich zu Propellerverletzungen durch Schiffe stellen Propellerverletzungen durch Luftfahrzeuge eine Rarität dar.
P85 Medicolegal analysis of skydiving plane crash in Topolów, southern Poland R. Skowronek1, C. Chowaniec1, M. Chowaniec2, M. Szczepański1, S. Kabiesz-Neniczka1, K. Rygol1 1Department of Forensic Medicine and Forensic Toxicology, School
of Medicine in Katowice, Medical University of Silesia in Katowice, Katowice, Polen, 2Department of Human Anatomy, School of Medicine in Katowice, Medical University of Silesia in Katowice, Katowice, Poland On 5 July 2014 in the Polish village Topolów, near Częstochowa, in the Silesian Voivodeship, a crash of the Piper PA-31 Navajo, carrying 12 passengers – 11 skydivers and the pilot, occurred shortly after takeoff. As a result of the disaster 11 people were killed and one was seriously injured. The plane crashed on an uninhabited area and caught fire suddenly after the collapse. When the aircraft was burning, two dead bodies and a man, who finally survived, were recovered from the scene of the crash by rescuers. After the fire was out, the charred bodies of the other 9 people were recovered from the wreckage. The disaster has been called one of the worst civil aviation disasters in Poland in recent years. Medicolegal actions taken immediately after the crash in the Department of Forensic Medicine and Forensic Toxicology, Medical University of Silesia in Katowice included: 1) full autopsies of all victims using previously developed DVI protocols (based on Interpol forms), 2) careful histopathological examinations, 3) chemical-toxicological studies, 4) DNA identification techniques, and 5) the issue of a comprehensive opinion about the victims, including injuries sustained by a survivor. The experience gained by our Department during the study of biological effects of previous disasters that took place in the Silesian Voivodeship, Poland (building disaster in 2006, mining disasters in 2006, 2008, 2009, rail crash in 2012) enabled the rapid implementation of tasks assigned by the prosecutors.
Zur Ermittlung von Nachweisgrenzen wurde wirkstofffreie Glaskörperflüssigkeit von Rindern mit 57 forensisch relevanten Substanzen in drei verschiedenen Konzentrationen dotiert. Der jeweilige Konzentrationsbereich wurde unter Berücksichtigung bereits in der Literatur beschriebener Wirkstoffkonzentrationen im Glaskörper ausgewählt. Zusätzlich wurde Glaskörperflüssigkeit aus dem Obduktionsgut des Instituts parallel zur routinemäßig durchgeführten forensisch-toxikologischen Untersuchung mit dem hier vorgestellten Screening-Verfahren untersucht. Ergebnisse. Als Nachweisgrenze wurde jeweils die geringste Konzentration, bei der noch eine automatische Identifizierung möglich war, festgelegt. Ungefähr 90 % der untersuchten Substanzen konnten in einem Konzentrationsbereich, wie er bei realen Glaskörper-Proben beschrieben wurde, nachgewiesen werden (5 bis 50 ng/ml). Bei 24 Obduktionsfällen konnten in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der forensisch-toxikologischen Routine-Untersuchungen 74 % der dort festgestellten Wirkstoffe auch im Glaskörper nachgewiesen werden. Bei den nicht nachgewiesenen Substanzen handelte es sich hauptsächlich um Substanzen mit hoher Plasmaproteinbindung oder hoher Polarität, welche die Blut-Retina-Schranke nur schlecht passieren, bzw. um Wirkstoffe, die nur in sehr geringer Konzentration im Blut bzw. lediglich in Form von Metaboliten im Urin nachweisbar waren. Schlussfolgerungen. Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass sich der vorgestellte Screeningansatz auch zum Nachweis von Drogen und Medikamenten in Glaskörperflüssigkeit eignet. Die Nachweisgrenzen der hier untersuchten Substanzen liegen in Konzentrationsbereichen, wie sie nach Literaturangaben in Glaskörperflüssigkeit üblicherweise zu erwarten sind. Zur weiteren Evaluierung der Methode ist geplant, ein größeres Probenkollektiv, bei dem Blut, Urin und Glaskörperflüssigkeit zur Verfügung stehen, umfassend zu analysieren und die Ergebnisse systematisch zu vergleichen. Literatur 1. Huppertz et al (2013) Toxichem Krimtech (80):299–303 2. Pelander et al (2010) J Anal Toxicol 34(6):312–318
P87 Neue Psychoaktive Substanzen (NPS) in der toxikologischen Praxis des Gerichtsmedizinischen Institutes der Schlesischen Medizinischen Universität in Katowice J. Kulikowska, E. Pieprzyca, M. Korczyńska, J. Nowicka Institut für Gerichtsmedizin und Toxikologie der Schlesischen Medizinisches Universität, Katowice, Polen
P86 Nachweis von Drogen und Medikamenten in humaner Glasköperflüssigkeit mittels LC-MSn J. Kempf, C. Stronczek, L. M. Huppertz, V. Auwärter, S. Vogt Institut für Rechtsmedizin Freiburg, Forensische Toxikologie, Freiburg, Deutschland Einleitung. Ziel dieser Arbeit war die Erweiterung einer bereits bestehenden LC-MSn Screening-Methode [1] zum Nachweis von Drogen und Medikamentenwirkstoffen auf die Untersuchungsmatrix Glaskörperflüssigkeit sowie eine vorläufige Evaluierung dieses Ansatzes. Methoden. Die Probenaufarbeitung erfolgte mittels zweistufiger Festphasenextraktion [2]. Hierzu wurde 1 ml Glaskörperflüssigkeit mit deuterierten Standards versetzt und mit Hilfe einer Isolute HCX-5 Kartusche extrahiert. Die beiden Eluate wurden vereint, bei 40 °C unter Stickstoff bis zur Trockne eingedampft und in 25 µl Fließmittelgemisch rekonstituiert. Das LC-MS System bestand aus einer Dionex UltiMate 3000 und einer Bruker amaZon speedTM Ionenfalle. Die Analyse und die automatische Auswertung der Messergebnisse erfolgten mit dem Toxtyper Workflow [1].
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Europaweit sind in den letzten Jahren zunehmend Stoffe mit psychoaktivem Wirkpotenzial aus unterschiedlichen chemischen Substanzgruppen im Umlauf, die nicht der internationalen Suchtmittelkontrolle unterliegen. Das zeigen Beobachtungen vonEU- und bundesweiten Informationsund Frühwarnsystemen. Allein im Jahr 2014 wurden 101 Substanzen registriert, die erstmals auf dem Drogenmarkt erschienen sind. Neue Psychoaktive Substanzen (NPS) werden unter anderem als Research Chemicals, Legal Highs oder Designerdrogen verkauft. Über mögliche Wirkungen, Wechselwirkungen und Gesundheitsrisiken bei ihrem Konsum ist wenig bis gar nichts bekannt. Die Verbreitung dieser Drogen spiegelt sich auch im toxikologischen Labor der Gerichtsmedizin wider. In den Jahren 2013–2015 wurden im Institut für Gerichtsmedizin in Katowice 48 Fälle (5 Frauen, 43 Männer im Alter von 16 bis 41 Jahre) bearbeitet, bei denen diese neuen psychoaktiven Substanzen diagnostiziert wurden. Es handelte sich um 11 Suizide (Erhängen, Sprung aus der Höhe, Pulsaderschnitte) unter Einfluss von Designerdrogen, 20 tödliche Intoxikationen, ein Verkehrsunfallopfer und zwei Fälle, bei welchen die Todesursache nicht eindeutig war (Konkurrenz der Todesursachen). Des Weiteren fanden sich Legal Highs bei drei Autofahrern, zwei Opfern die nach dem Fenstersturz überlebt haben, einem Opfer eines Tötungsde-
liktes und bei acht Personen, die wegen akuter Symptome nach Einnahme von unbekannten Mittel hospitalisiert wurden. Die Identifikation der neuen psychoaktiven Substanzen im biologischen Material wurde mittels LC-MS; GC-MS; HPLC-PDA durchgeführt. Am häufigsten hat man Substanzen aus der Gruppe der synthetischen Cathinone Gruppe (31 Fälle) nachgewiesen. Synthetische Cannabinoide und andere konnte man in weiteren 17 Fällen beobachten.
P88 Die Protrusion der Zunge bei Brandleichen und ihre Wertigkeit für die Vitalitätsdiagnostik M. Bohnert1, P. Hejna2 1Institut für Rechtsmedizin, Würzburg, Deutschland, 2Faculty of Medicine, Department of Forensic Medicine, Hradec Králové, Tschechische Republik
Einleitung. Die Protrusion der Zunge ist ein bei Brandtodesfällen häufig anzutreffender Befund, dem üblicherweise wenig Achtung geschenkt wird. Bernitz et al. veröffentlichten 2014 eine Studie im Int J Legal Med, nach der es sich hierbei um ein Zeichen für eine Brandexposition zu Lebzeiten handle. Dieser Studie ist mehrfach widersprochen worden. Wir nahmen sie zum Anlass, das eigene Fallgut im Hinblick auf das Vorkommen der Zungenprotrusion bei Brandtodesfällen zu untersuchen. Methoden. Die Brandtodesfälle aus den Jahren 2004–2013 der rechtsmedizinischen Institute Freiburg, Würzburg und Hradec Králové wurden retrospektiv ausgewertet. Folgende Parameter wurden erfasst: Alter, Geschlecht, Todesart, Todesursache, Brandort, Vitalitätsparameter (Rußverschlucken, Rußeinatmung, CO-Hb-Konzentration), Zungenprotrusion, Verbrennungsgrad nach Crow und Glassman, höchster Verbrennungsgrad, Brandeinwirkung auf den Hals. Ausgeschlossen wurden jene Fälle, bei denen die Position der Zungenspitze nicht dokumentiert war oder bei denen aufgrund fortgeschrittener Brandzehrung diese nicht mehr beurteilbar gewesen war. Für statistische Untersuchungen kam SPSS 22 für MacOS zur Anwendung. Ergebnisse. Insgesamt konnten 61 Fälle in die Studie aufgenommen werden. Es handelte sich um 47 Männer und 14 Frauen zwischen 3 und 92 Jahren. Brandort war in 42 Fällen ein Gebäude und in 11 Fällen ein Fahrzeug. In 8 Fällen handelte es sich um Verbrennen im Freien. Bei 50 Fällen war eine vitale Brandexposition angenommen worden, bei 11 Fällen ein postmortales Verbrennen. Es konnte keine statistisch signifikante Häufung der Zungenprotrusion bei vital der Hitze ausgesetzt gewesenen Todesfällen nachgewiesen werden. Auch fanden sich keine Zusammenhänge mit dem Schweregrad der Brandzerstörung im Allgemeinen oder dem Verbrennungsgrad des Halses. Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse von Bernitz et al. konnten in unserem (retrospektiven) Untersuchungsgut nicht nachvollzogen werden. Wir fanden keine signifikante Häufung der Zungenprotrusion bei vitalem Verbrennen. Allerdings ließ sich aber auch der vermutete Zusammenhang einer Schrumpfung der Halsweichteile infolge Hitzeeinwirkung und einer Zungenprotrusion nicht nachweisen. Weitere, prospektive Untersuchungen auch im Hinblick auf die pathophysiologischen Vorgänge erscheinen notwendig.
P89 Fehlinfundierte parenterale Ernährungslösungen als Differentialdiagnose milchiger Pleuraergüsse. H. Brandtner, T. Keller, S. N. Kunz, F. Monticelli IFFB Gerichtsmedizin und forensische Neuropsychiatrie, Universität Salzburg, Salzburg, Österreich
Methoden. In der folgenden Kasuistik wird auf eine weitere nur selten in der Literatur berücksichtigte Differenzialdiagnose eingegangen. Ergebnisse. Es wird der Fall eines 82 Jahre alt gewordenen Mannes vorgestellt, dessen respiratorischer Status sich nach Anlage eines zentralvenösen Katheters kontinuierlich verschlechterte, sodass er einige Stunden später verstarb. Im Rahmen der Obduktion wurden beidseitige milchige Pleuraergüsse von insgesamt ca. 4000 mL sowie eine Fehllage des zentralvenösen Katheters im mediastinalen Weichteilgewebe mit kanalartiger Verbindung in die rechte Brusthöhle festgestellt. In der Krankengeschichte wurde dokumentiert, dass über den fehlgelegenen zentralvenösen Katheter zahlreiche Infusionen, insbesondere (milchige) parenterale Ernährungslösungen verabreicht wurden. Schlussfolgerungen. Zur laborchemischen Differenzierung milchiger Pleuraergüsse wird in der Literatur die Bestimmung der Triglyzeridund Cholesterinwerte empfohlen, wobei Triglyzeridwerte > 110 mg/dL (> 1,24 mmol/L) als nahezu beweisend für das Vorliegen eines Chylothorax bezeichnet werden. Im gegenständlichen Fall konnten wir zeigen, dass eine Differenzierung zwischen einem milchigen Pleuraerguss durch fehlinfundierte parenterale Ernährungslösungen (mit entsprechendem Lipidanteil) und einem Chylothorax anhand einer Triglyzerid- und Cholesterinwertbestimmung nicht möglich ist. Für die Praxis sollte eine vorschnelle auf Triglyzerid- und Cholesterinwerten beruhende Chylothorax-Diagnose bei möglicher Fehllage zentralvenöser Katheter vermieden werden. Zielführend in der Abklärung ist nach Studium der Krankengeschichte die Bestimmung weiterer Infusionsschema-abhängiger Parameter wie Glucose oder Kalium.
P90 Waidmannsheil! – Tödliche Jagdunfälle durch Schussverletzungen A. Port, U. Hammer, F. Zack, J. Rummel, A. Büttner Institut für Rechtsmedizin Rostock, Gerichtsärztlicher Dienst, Rostock, Deutschland Einleitung. In Mecklenburg-Vorpommern gab es 2013 rund 12.000 registrierte Inhaber eines Jagdscheines. Tödliche Zwischenfälle bei der Jagd sind selten und lassen sich zumeist auf Verstöße gegen die geltenden Unfallverhütungsvorschriften, insbesondere auf unsachgemäße Handhabung der Waffe, zurückführen. Sie stellen für die Rekonstruktion durch den rechtsmedizinischen Sachverständigen in Leichenschau, Obduktion und Gerichtsverfahren oft eine Herausforderung dar. Methoden. In vorliegender Studie wurden 4312 Obduktionsfälle des Institutes für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock von 1990–2014 nach Schusstodesfällen im Zusammenhang mit der Jagd durchgesehen. Zusätzlich wurde Einsicht in die Ermittlungsakten der zuständigen Staatsanwaltschaften genommen. Beim Vorliegen rechtskräftiger Gerichtsurteile wurden auch diese in die Auswertung einbezogen. Ergebnisse. Wir untersuchten insgesamt 158 Todesfälle durch Schussverletzungen. Davon waren sieben Personen während der Jagd oder bei Vor-/ Nachbereitungshandlungen mit Langwaffen tödlich verletzt worden. Die Verstorbenen waren männlich, im Alter zwischen 39 und 66 Jahren und in sechs Fällen selbst am Jagdgeschehen beteiligt. Die Kasuistiken werden unter Einbezug der juristischen Würdigung dargestellt. Schlussfolgerungen. Die vorliegenden Daten, die im Kontext einer Dissertation erhoben wurden, setzen die Zahl der Waffen in Privatbesitz mit der Ereignisdichte der Jagdunfälle in einem waldreichen Teil unseres Bundeslandes in Beziehung und erlauben Vergleiche mit Parallelstudien. Im Rahmen der Auswertung eines Jagdunfalles mit operierter Schussverletzung werden Empfehlungen zur Spurensicherung im klinischen Bereich gegeben.
Einleitung. Die Differentialdiagnose milchiger Pleuraergüsse umfasst u. a. die Entitäten des Chylothorax, des Pseudo-Chylothorax sowie des Pleuraempyems. Rechtsmedizin 4 · 2015
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Poster P91 Über den Einfluss der Schlittenbewegung von Pistolen auf die Morphologie der Stanzmarke R. Pircher1, S. Pollak1, M. Glardon2, L. Kramer1, D. Geisenberger1, R. Braunwarth3, M. Große Perdekamp1 1Institut für Rechtsmedizin Freiburg, Freiburg, Deutschland, 2Institut für
Rechtsmedizin, Universität Bern, Bern, Schweiz, 3Landeskriminalamt Baden-Württemberg, Kriminaltechnisches Institut, Stuttgart, Deutschland Beim absoluten Nahschuss wird der Einschussbereich durch den Druck der vor und nach dem Geschoss eingedrungenen Pulvergase aufgetrieben und ballonartig gegen die Waffenmündung vorgewölbt. Dabei kommt es zu einer Abprägung jener Konstruktionsteile, die in der Mündungsebene oder knapp dahinter liegen (Stanzmarke). Bei der Begutachtung von Stanzmarken fällt jedoch immer wieder auf, dass jene Konstruktionsteile, die nicht mobil sind und erst nach der Rückwärtsbewegung des Schlittens exponiert werden, sich besonders markant als Teile der Stanzmarke abbilden. In einer Versuchsreihe wurden mit unterschiedlichen Schusswaffen (Pistolen) aufgesetzte Schüsse auf Verbundmodelle abgegeben. Aufgrund der Morphologie der erzeugten Stanzmarke sollte untersucht werden, welchen Einfluss die Rückverlagerung des Pistolen-Schlittens auf die Formgebung der Stanzmarke hat. Insbesondere soll der zeitliche Zusammenhang zwischen Rückwärtsbewegung des Schlittens und „Ballonierung“ der Haut diskutiert werden.
P92 Histochemical findings of neurons in substantia nigra induced by global brain ischemia/hypoxia S. Furukawa1, S. Morita1, M. Hitosugi1, L. Wingenfeld2, K. Nishi1 1Shiga University of Medical Scienence, Legal Medicine, Shiga, Japan,
2University of Munich, Munich, Germany
Aims. While the cerebral cortex and hippocampus are vulnerable to global cerebral ischemia/hypoxia, the brain stem tolerates the ischemia/hypoxia well. Expression of hypoxia inducible factor-1α protein (HIF1α), which is known as the preventing protein for hypoxic degeneration has been weakly detected in the cortex of two individuals died due to self-ligature strangulation in our previous report. Methods. We studied the expression of HIF1α in the substantia nigra region (SNR) obtained from individuals who died due to global brain hypoxia/ischemia, such as hanging, ligature or manual strangulation, carbon-monoxide poisoning, hypothermia and suffocation. Results. Immunohistochemistry using anti-HIF1α-antibody showed that expression of HIF1α was cell-type-specific within the SNR. The pyramidal cells containing neuro-melanin (NM)- and tyrosine hydroxylase (TH)- reactivity showed no expression of HIF1α. However, the nucleuses of round type cells without NM- and TH-reactivity showed increasing HIF1α-expression with prolonged agonal duration. Conclusion. These Results. might indicate that some cell subgroups have an important role to maintain life retention in the SNR, thereby preventing cell damages by hypoxia/ischemic utilizing an independent strategy other than HIF1α. This suggests that there might be different systems starting an earlier protection process before driving of gene transcription by the HIF1α-gene mobilizes both neuro-protective and neuro-toxic genes.
P93 Juxtavaskuläre Hypertrophie und Expression von Aquaporin-4 und ALDH1 in reaktiven Astrozyten nach Schädel-Hirn-Traumata. Eine Autopsiestudie. C. Delbridge1, A. Büttner2, J. Schöpfer3, M. Graw3, S. Sirko4, M. Götz4, J. Schlegel1 1Institut für Pathologie der TU München, Neuropathologie, München,
Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Rostock, Rostock, Deutschland, 3Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland, 4Institut für Physiologie der Ludwig-Maximilians Universität München, Physiologische Genomik, München, Deutschland
Einleitung. Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen und klinische Therapieoptionen sind limitiert. Kürzlich konnte am Mausmodell in-vivo gezeigt werden, dass juxtavaskulär gelegene reaktive Astrozyten nach einem SHT proliferieren. Diese Beobachtung unterstützt die These, dass eine Untergruppe reaktiver Astrozyten Stammzelleigenschaften aufweisen, die künftig eine therapeutische Modulation ermöglichen können. Der Nachweis, die genauere Kenntnis und die Typisierung vergleichbarer juxtavaskulärer Astrozyten in humanem Gewebe war das Ziel der vorliegenden Untersuchung. Neben der Proliferation untersuchten wir die Expression von Aquaporin-4 (AQP4) und der Aldehyddehydrogenase 1 (ALDH1). AQP4 ist ein Wasserkanal, der vor allem von gefäßnahen Astrozytenfortsätzen exprimiert wird und Einfluss auf das posttraumatische Hirnödem hat. Die ALDH1 wird in der Mehrzahl humaner Zellen, und zahlreicher Tumorzellen, exprimiert und ist an der Reaktion auf oxidativen Stress und an der Zelldifferenzierung beteiligt. Methoden. Hirngewebsproben von 24 Verstorbenen im Alter von 2 bis 93 Jahren, mit einem SHT zwischen < 24 h und 140 Tagen ante mortem, wurden in den Instituten für Rechtsmedizin der Universitäten München und Rostock entnommen. Nach Formalinfixierung und Paraffineinbettung wurde Immunhistochemie und Immunfluoreszenz mit Antikörpern gegen GFAP, Ki-67, AQP4 und ALDH1 durchgeführt. Ergebnisse. Eine Hypertrophie der juxtavaskulären Astrozyten zeigt sich bereits nach 24 h post trauma. Die Expression von ALDH1 und AQP4 zeigt eine parallele Entwicklung und nimmt innerhalb der ersten Tage zu. Das Maximum wird um den 5.-9. posttraumatischen Tag erreicht. Nach 14 Tagen nimmt die Expression ab. Die größte Dichte von ALDH1- und AQP4-positiven Astrozyten zeigte sich bandförmig an der Grenze von Kortex und Marklager. Diese Ergebnisse ließen sich unabhängig vom Lebensalter der Verstorbenen nachweisen. Schlussfolgerungen. Ein Subtyp astrozytärer Zellen ist durch juxtavaskuläre Lage und besonderes Ansprechen auf eine traumatische Läsion in unmittelbarer Nähe gekennzeichnet. Der direkte Kontakt der astrozytären Zellfortsätze zu Blutgefäßen und den umliegenden Neuronen bzw. dem verletzten Gewebe legt eine zentrale Rolle dieser Astrozyten bei der Regulation posttraumatischer Reaktionen nahe. Das beobachtete Expressionsverhalten könnte bei der Altersbestimmung von SHTs hilfreich sein. Die Fortführung dieser Untersuchungen bietet die Chance, in Zukunft Aussagen über die Schwere eines Traumas und das Ausmaß der pathophysiologischen Reaktion treffen zu können. Die genauere Kenntnis der Funktion dieses astrozytären Subtyps und der grundlegenden Signalwege stellt somit eine Verbesserung auch der Therapie des SHT in Aussicht.
P94 Lungentuberkulose bei illegalen Migranten D. Valent1,2, J. Šikuta1, S. Galbavý2, J. Šidlo2 1Gerichtsmedizinische Abteilung des Aufsichtsamtes für das
Gesundheitswesen, Bratislava, Slovakai, 2Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Comenius-Universität, Bratislava, Slovakai
Einleitung. Die steigende Zahl der illegalen Migranten aus den Staaten Asiens stellt für die Staaten der Europäischen Union ein ständiges Prob-
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lem dar. Da die Slowakei vor allem ein Transitgebiet in Richtung Westen ist, besteht auch die Gefahr der möglichen Verbreitung von epidemiologisch ernsthaften Krankheiten. Methoden. Kasuistik: Die Autoren beschreiben den Fall eines 10-jährigen Kindes, das zusammen mit seinen Eltern auf der Ladefläche eines LKWs als Flüchtling aus Afghanistan nach Bratislava transportiert wurde. Als das Kind ohnmächtig und rektionslos wurde, hatte sein Vater, ein Arzt, in der nächstgelegenen Firma um ärztliche Hilfe ersucht. Der herbeigerufene Rettungsdienst führte noch Wiederbelebungsversuche durch, die jedoch frustran verliefen. Durch die Autopsie und zusätzliche Laboruntersuchungen wurde eine akute tuberkulöse Lungenentzündung als Todesursache diagnostiziert. Schlussfolgerungen. Lungentuberkulose ist eine epidemiologisch ernsthafte und auch meldepflichtige Infektionskrankheit, bei der die Gefahr einer möglichen Verbreitung durch den Kontakt des Kranken mit anderen Migranten, zufälligen Zeugen, dem Rettungspersonal und dem Ärzteteam gegeben ist.
P95 Akute Ösophagusnekrose („Black esophagus“) in der forensischen Kasuistik H. Jung1, A. Keresztesi1, M. Turcu1, K. Trübner2 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Tirgu Mures, Tirgu Mures,
Rumaenien, 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
Einleitung. Die akute Ösophagus-Nekrose (Gurvits Syndrome) ist selten (Inzidenz: 0,3 %) und weist als klinische Symptome Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt, Bauchschmerzen, Erbrechen, Schluckbeschwerden und Fieber auf. Methoden. Falldarstellungen: Fall 1. Ein 41 Jahre alter Mann mit chronischem Alkoholmißbrauch, hatte in der Nacht Hämatemesis und Schüttelfrost und starb am nächsten Tag. Die Autopsie ergab über eine Länge von 90 % der Speiseröhre (mit Ausnahme des proximalen Bereichs) eine schwärzliche Schleimhaut mit Strukturverlust und kleinen Einblutungen. Diese pathologischen Veränderungen beschränkten sich auf den Ösophagus, die Magenschleimhaut hatte ein normales Aussehen. Es bestand ein Aszites von 3500 ml. Die histologische Untersuchung ergab eine alkoholische Leberzirrhose und eine akute Ösophagusnekrose, die H-PAS-Färbung war negativ. Fall 2. Ein 61 Jahre alter Mann (Alkoholiker und Diabetiker (Blutzucker 468 mg/dl vor zwei Wochen) wurde tot in seinem Haus aufgefunden. Die Obduktion ergab eine Leberzirrhose und nekrotische Ösophagusveränderungen im mittleren und unteren Drittel der Speiseröhre. Der ph-Wert des Mageninhaltes betrug 5,5. Der Blutalkohol war negativ. Ergebnisse. Die Ösophagusnekrose entwickelt sich rasch, wobei die Pathophysiologie unklar ist. Männer sind 4-mal häufiger betroffen. Als Hauptursache ist die Durchblutungsstörung zu nennen (z. B. bei Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Herz- oder Nierenerkrankung), weiterhin der gastroösophageale Reflux, der Alkoholkonsum, bakterielle, virale oder Pilzinfektionen. Differentialdiagnostisch muss eine toxische Ösophagitis abgegrenzt werden. In unseren Fällen waren das Fehlen von Veränderungen im Mund-Rachenraum sowie die klare Grenze der Nekrose Argumente gegen eine toxische Ösophagitis. Schlussfolgerungen. Die akute Ösophagusnekrose ist eine seltene Veränderung, die in der forensischen Praxis vorkommt und muß von der toxischen Ösophagitis abgegrenzt werden.
P96 Akzessorische Sutur oder Schädelfraktur? L. Lange, K. Burkhard, S. Plenzig, M.A. Verhoff, S. C. Kölzer Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland Einleitung. Die Abgrenzung akzessorischer Schädelnähte von Frakturen kann sich am kindlichen Schädel schwierig gestalten. Es existiert eine Vielzahl von Varianten zusätzlich zu den regulären Schädelnähten, die vom ungeübten Betrachter als Bruchlinie fehlinterpretiert werden können. Hierzu zählen beispielsweise die intraparietale Sutur zwischen den beiden Knochenkernen des Os parietale oder die Sutura mendosa zwischen Ober- und Unterschuppe der Hinterhauptsschuppe. Methoden. Im vorgestellten Fall handelte es sich um ein 20 Monate alt gewordenes, weibliches Kleinkind. Bei der Obduktion fiel eine Kontinuitätsunterbrechung in der hinteren Schädelgrube paramedian rechts, parallel zur Crista occipitalis interna, mit Verbindung zum großen Hinterhauptsloch auf. Der makroskopische Befund ließ anhand des Spaltverlaufes an eine Fraktur denken. Es waren allerdings weder Weichteileinblutungen noch Kallusbildungen erkennbar. Die Kontinuitätsunterbrechung wurde mit angrenzenden Anteilen des Os occipitale für histologische Untersuchungen asserviert. Nach der Obduktion wurde ermittelt, dass in dem Befund einer CT-Untersuchung des Schädels, welche 10 Tage vor dem Tod erfolgt war, eine akzessorische occipitale Sutur, fein randsklerosiert, paramedian rechts beschrieben war. Bei Nachbefundung des klinischen CT-Datensatzes stellte sich an korrespondierender Stelle paramedian links eine gleichartige Spaltbildung, jedoch von deutlich geringerer Länge dar. Zusätzlich wurde das asservierte Occipitalfragment mit der Kontinuitätsunterbrechung isoliert mittels CT untersucht und dann histologisch aufgearbeitet. Ergebnisse. In der zugänglichen rechtsmedizinischen Literatur fanden sich keine Arbeiten über akzessorische Schädelnähte als Obduktionsbefunde oder die Häufigkeit ihres Auftretens. In der radiologischen Literatur hingegen werden klare (radiologische) Kriterien zur Differenzialdiagnostik angegeben. So sprechen nach Sanchez et al. [1] eine gezackte Spaltbildung mit sklerotischen Randbereichen und ein bilaterales Auftreten für eine Sutur und andererseits eine scharfkantige Spaltbildung mit unsklerotischen Rändern sowie ein unilaterales Auftreten für eine Fraktur. In der Gesamtschau der vorliegenden Befunde wurde von einer akzessorischen Schädelnaht ausgegangen. Schlussfolgerungen. Der vorliegende Fall belegt die mögliche Schwierigkeit, im Rahmen einer Sektion eines verstorbenen Kindes zwischen einer Fraktur und einer akzessorischen Sutur zu unterscheiden, und unterstreicht den Stellenwert einer postmortalen CT-Untersuchung. Literatur 1. Sanchez T, Stewart D, Walvick M, Swischuk L (2010) Skull fracture vs. accessory sutures: how can we tell the difference?, Emerg Radiol 17:413–418
P97 Homicide committed by a person with mental disorders A. Padure1, S. Tighineanu2, I. Bulgaru2, I. Cuvşinov2 1SUMPh „Nicolae Testemiţanu“, Department of Legal medicine,
Chisinau, Moldovien, Republik, 2SUMPh „Nicolae Testemiţanu“, Center of Legal Medicine, Chisinau, Moldova
Assessment of legal responsibility of persons who commit crimes against other human life is absolutely necessary in order to guarantee the protection of human rights and society in general. It is well known that people with mental disorders could have unpredictable reactions and crimes committed by them often exceed limits of the imagination, as it is illustrated by the following case. According to the prosecution data on February 4, 05:00, the cadaver of 56 years-old-woman was found at her own home with multiple injuries caused by a sharp object. The eyeballs were enucleated and placed in a Rechtsmedizin 4 · 2015
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Poster glass of water. During the body examination the following were established: two metal knives were stuck in the orbit of the right eye and left ear duct; enucleation of the both eyeballs and removal of eyelids; stab wound at the right orbit level, penetrating into the cranial cavity with meningeal and brain damage; stab wound with the entrance orifice in the left ear duct and the exit orifice below the right auricle lobe; a cut wound of the throat with anatomical damage of all structures; 114 stab wounds penetrating the chest, the abdomen and the back with injuries of the lungs, heart, liver and small intestine; posthumous cut wound of the abdomen going to external genitals and anus with the small intestine evisceration; posthumous amputation of both hands and left foot; signs of hemorrhagic shock. It was concluded that death occurred as a result of hemorrhagic shock caused by cut wound of the throat and stab wounds of the body. The criminal investigation identified the victim’s husband as perpetrator. Psychiatrists considered him being without discernment at that moment when crime took place. Crimes committed by the people with mental disorders are usually characterized by a special cruelty. Hospitalization of a patient with mental disabilities who presents a danger to himself or others, or those who have committed crimes against other people is made coercively. This enters in accordance with the instruments of international law because the individual’s right to life prevails over the right of mentally ill people to selfdetermination.
P98 Jagdgeschwader 27– Flugbenzin konserviert Zeitgeschichte? J. Manhart1, J. Kozlowski2, D. Meißner1, D. Rentsch1, R. Kegler1, I. Lindner1, A. Büttner1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland,
2Volksbund deutsche Kriegsgräberführsorge e. V., Kassel, Deutschland
Einleitung. Begutachtungen von Knochenfunden, vor allem hinsichtlich der Spezies, Individualität, des Geschlechtes und der Liegezeit, sind Bestandteil der forensischen Routine. Sowohl rezente als auch historische Fundstücke sind zu beurteilen. Morphologisch-morphometrische Untersuchungen erlauben zumeist eine hinreichende Beantwortung o. g. Fragen. Eine Identifizierung des Knochen-/Skelettfundes scheitert oft an der Unkenntnis einer mutmaßlichen Identität oder an methodischen Limitationen. Beifunde tragen wesentlich zur Beurteilung des historischen Kontextes bei. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ist seit 1954 von der BRD beauftragt u. a. Grabstätten deutscher Kriegsgefallener zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurden in 45 Ländern bislang über 800.000 Umbettungen vorgenommen. Anhand der geplanten Ausgrabung einer nach Zeitzeugenberichten 1945 verunglückten Messerschmitt Bf109 sollen Möglichkeiten und Grenzen forensisch-osteologischer Expertise verdeutlicht werden. Methoden. Bergung des Flugzeugwracks aus kraftstoffgesättigtem Erdreich durch Beauftragte des Volksbundes. Forensisch-osteologische Begutachtung von Knochenteilen und Bewertung von Beifunden. Chemisch-toxikologische Untersuchungen von biologischem Material, Beifunden und umgebendem Milieu. DNA-analytische Untersuchungen ausgewählter Knochenteile. Ergebnisse. Teile eines männlichen Skeletts jüngeren Lebensalters. Rippendeformationen, Wirbelkörper- und Extremitätenfrakturen. Todesursache vereinbar mit Hochrasanztrauma (Flugzeugabsturz) ohne nachweisbare Hitzeschädigung. Ein vollständiges männliches DNA-Profil konnte trotz kraftstoffgesättigter Knochenteile erhoben werden. Schlussfolgerungen. Trotz zahlreicher Hinweise (Erkennungsmarke, Flugzeugtyp, Beifunde, DNA-Profil) und vermuteter Identität, konnte eine Identifizierung aufgrund fehlenden Vergleichsmaterials nicht erfolgen. Bemerkenswert ist das vollständige DNA-Profil, trotz (oder wegen?) kraftstoffgesättigter Knochen.
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P99 Tödliche Blutungskomplikation nach Tonsillektomie bei einem 6-jährigen Mädchen – Eine gutachterliche Fallaufarbeitung N. Wilke-Schalhorst1, J. Sperhake1, J. Windfuhr2, A. Heinemann1, A.- S. Schröder1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum HH-Eppendorf, Hamburg,
Deutschland, 2Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Krankenhaus Maria Hilf, Mönchengladbach, Deutschland
Einleitung. Gerichtliche Sektionen in Todesfällen, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer medizinischen Intervention stehen, gehören zum täglichen Aufgabenspektrum der Rechtsmedizin. Insbesondere Fälle aus dem hals-, nasen-, ohrenärztlichen Fachgebiet bei Kindern stellen dabei aufgrund der engen anatomischen Verhältnisse eine sektionstechnische und gutachterliche Herausforderung bei der Beurteilung eines Behandlungsfehlers dar. Es wird der Fall einer tödlichen Blutungskomplikation während des stationären Aufenthaltes eines knapp 6-jährigen Mädchens vier Tage nach Tonsillektomie vorgestellt. Methoden. Vor der Sektion erfolgte eine p.m. Angiographie zur besseren Lokalisation einer möglichen Blutungsquelle. Das Operationsgebiet im Nasen-Rachen-Raum wurde im Rahmen der Sektion entnommen, asserviert und später feingeweblich aufgearbeitet. Ergänzend wurden differentialdiagnostisch feingewebliche Untersuchungen der anderen Organe durchgeführt. Ergebnisse. Durch die rechtsmedizinische und HNO-fachgutachterliche Aufarbeitung des Falles konnte die Blutungsquelle zweifelsfrei identifiziert werden, so dass letztlich eine abschließende fachgutachterliche Beurteilung zur Frage eines ärztlichen Behandlungsfehlers möglich war. Schlussfolgerungen. Diese Kasuistik verdeutlicht exemplarisch den Nutzen der Kombination aus p.m. Angiographie, Sektionsbefunden und feingeweblichen Untersuchungen bei der Behandlungsfehlerbegutachtung aus dem HNO-ärztlichen Fachgebiet.
P100 „Aorta angusta“ – Eine plötzliche Todesursache? S. Stockhausen, F. Möhle, K. Wöllner, G. Kernbach-Wighton, B. Madea Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Bonn, Deutschland Einleitung. Die sog. „Aorta angusta“, als Beschreibung einer angeborenen Enge der Aorta, wurde insbesondere in den 60er Jahren als mögliche Ursache eines plötzlichen Versterbens diskutiert (Laurie W (1968) Aortic hypoplasia as a possible cause of sudden death. Med J Aust 2(17):710–4; Rabson SM (1969) Aortic hypoplasia: a cause of sudden death? Lancet 1(7600):891–2). Insgesamt findet sich nur lückenhafte Literatur zu diesem Thema, wobei der normale Durchmesser der Aorta descendens mit 1,6 cm/m2 Köperoberfläche angegeben wird. Methoden. Innerhalb eines Jahres fielen im Sektionsgut des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Bonn makroskopisch 7 Fälle mit einer verringerten Aortenweite im Bereich der deszendierenden Aorta auf. Anhand chemisch-toxikologischer, Alkoholkonzentrations- und histologischer Untersuchungen, erfolgte eine weitere Differenzierung der Obduktionsergebnisse Insbesondere wurde die Aorta sowohl in der Hämatoxylin-Eosin als auch in der Elastica-van-Gieson-Färbung und mit Alcianblau dargestellt. Ergebnisse. Bei allen Fällen handelte es sich um Männer mittleren Alters (24–38 Jahre), die plötzlich und überwiegend in häuslicher Umgebung verstarben. Die inneren Aortendurchmesser lagen teilweise deutlich unter den aufgrund der Körperoberfläche zu erwartenden Werten bzw. unterhalb der 5. Perzentile bezogen auf Männer im Alter von 45 Jahren (berechnet mithilfe des Aortenweiten-Kalkulators Heinz-Nixdorf-Recall©). In vier Fällen konnten zum Teil potentiell letale Alkoholkonzentrationen bzw. Mischintoxikationen mit z. B. Heroin nachgewiesen werden. In einem Fall zeigte sich ein deutlich erhöhter Blutzuckerspiegel. In den übrigen 2 Fällen blieben die weiterführenden Untersuchungen ergebnislos.
Schlussfolgerungen. Es erfolgt eine Diskussion konkurrierender Todesursachen und dem Risikofaktor bzw. der plötzlichen Todesursache „Aorta angusta“, mit besonderer Darstellung der Morphologien der Aorten.
P102 Die Abhängigkeit beschleunigter Blutspurenmuster von Laufgeschwindigkeiten und bewegungsassoziierten Armpendelbewegungen
P101 Analyse von Todesbescheinigungen unter besonderer Berücksichtigung kardialer Todesfälle
A.- K. Kröll1, M. Kettner2, J. Schlote1, P. Schmidt1, F. Ramsthaler1
H. G. Illing1, R. Lessig2 1Insitut für Rechtsmedizin Gera-Zwickau, Gera, Deutschland,
2Institut für Rechtsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Halle, Deutschland Einleitung. Die bereits seit vielen Jahren bestehende und zum Teil sehr kontrovers geführte Diskussion zur Qualität der ärztlichen Leichenschau in Verbindung mit sinkenden Obduktionszahlen macht eine weitergehende objektive Analyse der konkreten Gegebenheiten notwendig. Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei den kardialen Erkrankungen, da diese statistisch den größten Teil der zum Tode führenden Erkrankungen in Deutschland ausmachen. Die subjektiven Wahrnehmungen bezüglich der Qualität der Erstleichenschau, die in den Fachgebieten Rechtsmedizin und Pathologie im Zusammenhang mit der zweiten ärztlichen Leichenschau gemacht werden, müssen mittels empirischer Daten objektiviert werden. Hierzu möchte diese Auswertung beitragen. Es existieren bereits zahlreiche Publikationen bezüglich der Übereinstimmung von Todesursachen auf Obduktionsbescheinigungen und Todesbescheinigungen, jedoch beziehen sich diese primär auf die Analyse von Obduktionsfällen und somit wäre von eventuell vorhandenen Einflüssen aufgrund der Selektion auszugehen. Dies war zu überprüfen und zu vergleichen. Methoden. Es wurden retrospektiv insgesamt 15.612 Todesbescheinigungen, die im Gesundheitsamt Chemnitz archiviert sind, aus den Jahren 2009 bis 2013 bezüglich der Hauptkriterien: Alter, Geschlecht, Todesursache nach Erstleichenschau sowie nach evtl. erfolgter Obduktion, Todesart sowie eventueller Komplikationen im Rahmen der zweiten Leichenschau erfasst. Anschließend erfolgte eine Zuordnung zur Gruppe der kardialen Todesfälle anhand der dokumentierten bzw. kodierten Todesursachen. Zusätzlich wurden Nebenkriterien bzgl. Kodierungsverhalten, Sterbeort und Leichenschauarzt bestimmt. Ergebnisse. Es konnten insgesamt 80 Fälle mit Vorliegen eines Obduktionsergebnisses identifiziert werden, in denen eine kardiale Todesursache nach Erstleichenschau vorlag oder ein kardialer Tod unabhängig vom Ergebnis der Erstleichenschau festgestellt wurde. In 30 % der Fälle erwies sich die Qualifizierung als kardial bedingter Todesfall auch nach einer vorgenommenen Obduktion als korrekt. Bei 37,5 % war die primäre Annahme eines kardialen Todes falsch und bei weiteren 32,5 % lag trotz primärer anders bescheinigter Todesursache ein kardiales Geschehen vor. Schlussfolgerungen. Die korrekte Qualifizierung von Todesursache und Todesart im Rahmen der ärztlichen Leichenschau erfordert differenzialdiagnostische Überlegungen und ein hohes Maß an Verantwortung in Bezug auf das komplexe Bewerten einzelner Befunde und Informationen. Hierbei ist es umso wichtiger, gerade bei vermeintlich häufigen Todesursachen, sich trotz vielfach vorhandener Zeitnot ein umfassendes Bild der Gegebenheiten zu machen. Es kann nur zu einer qualitativen Verbesserung und damit einer höheren Übereinstimmung von Erstleichenschau und Obduktionsergebnis kommen, wenn sich jeder seiner Verantwortung im Rahmen der ärztlichen Erstleichenschau bewusst ist und im Zweifelsfall eine rechtsmedizinische oder pathologische Obduktion zur eindeutigen Todesursachenklärung durchgeführt werden kann.
1Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlandes, Homburg/
Saar, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
Einleitung. Blutende Opfer, oder blutbehaftete Tatverdächtige hinterlassen typischerweise beim Fortbewegen, bzw. beim Verlassen von Tatorten, Blutspuren, deren Form und Verteilung Rückschlüsse auf die Bewegungsrichtung und Bewegungsgeschwindigkeit gestatten. Von besonderer Bedeutung in Hinsicht auf die Handlungsfähigkeit ist oft die Frage, ob eine verletzte Person noch in der Lage war, zügig kontrolliert, oder flüchtend einen Ort des Geschehens zu verlassen. Ziel dieser Untersuchung war es, die Aussagekraft und Validität solcher rekonstruktiven Analysen experimentell zu überprüfen. Methoden. Eine Strecke von insgesamt 10 m wurde von fünf Probanden in jeweils drei unterschiedlichen Geschwindigkeiten (Gehen in Schrittgeschwindigkeit, langsames Joggen und schnelles Sprinten), sowie zwei verschiedenen Armhaltungen zurückgelegt. Um eine blutende Verletzung zu simulieren, wurde am rechten Arm handrückenseitig eine artifizielle Blutungsquelle befestigt. Zur Dokumentation, Vermessung und Analyse wurden die Laufstrecken mit reißfestem Papier ausgelegt. Im Vorfeld wurden auf Grundlage der erwarteten Verteilungsmuster verschiedene Variablen definiert und mit Hilfe der Analysesoftware Digimizer® in Bezug auf metrische und geometrische Eigenschaften semiquantitativ ausgewertet. Ergebnisse. Mit zunehmender Geschwindigkeit entstanden charakteristische bogenförmige Blutspurenmuster, die an Schleifen erinnerten, wobei die Länge und Breite der schlingenartig angeordneten Blutspuren in Abhängigkeit von der Schrittlänge und von der Geschwindigkeit zunahm. Je langsamer die Geschwindigkeit mit frei schwingendem Arm, desto spitz zulaufender und wellenförmiger wurden die Muster. Die Schleifenbildung war außerdem abhängig vom jeweiligen Schrittmuster des Probanden. Schlussfolgerungen. Neben der Form einzelner Tropfen, sind nach den Ergebnissen dieser Versuche auch die Morphologie und Dimensionen der bei Bewegung entstehenden schleifenförmigen Muster für eine forensische Rekonstruktion eines Tatgeschehens entscheidend.
P103 Bessere Merkfähigkeit von Risiken nach dem Selbststudium des Aufklärungsbogens? D. Bangert1, A. Blank1, H. Ackermann2, M. Parzeller1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Forensische
Medizin, Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Biostatistik und Mathematische Modellierung des Zentrums für Gesundheitswissenschaften, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt am Main, Deutschland
Einleitung. Um in eine ärztliche Behandlung einwilligen zu können, muss der Patient eine ordnungsgemäße Aufklärung erhalten (§§ 630d, 630e BGB). Auch für den behandelnden Arzt ist dies essentiell, um nicht wegen Fehlern bei der Aufklärung strafrechtlich oder zivilrechtlich belangt zu werden. Ziel dieser Studie mit Studierenden der Rechtswissenschaft war u. a. die Analyse, ob es einen signifikanten Unterschied in der Merkfähigkeit zwischen dem Selbststudium des Aufklärungsbogens (Gruppe 1) und einem ärztlichen Aufklärungsgespräch (Gruppe 2) gibt. Ebenfalls sollte den Studierenden verdeutlicht werden, welche hohen Anforderungen an ein ärztliches Aufklärungsgespräch gestellt werden und welche Schwierigkeiten sich bei der Darlegungs- und Beweislast (§ 630h BGB) in einem rechtlichen Verfahren stellen können. Methoden. In diese Studie wurden in die Endauswertung 37 (vollständige Teilnahme) von 39 Studierenden der Rechtswissenschaft auf freiwilliRechtsmedizin 4 · 2015
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Poster ger Basis eingeschlossen, die in 2 Kohorten eingeteilt wurden. Diese wurden randomisiert jeweils in 2 Gruppen eingeteilt, wobei eine Gruppe ein 20-minütiges Aufklärungsgespräch über den aortokoronaren Bypass erhielt und die andere Gruppe denselben Zeitrahmen zum Selbststudium des Aufklärungsbogens hatte. Mittels Fragebögen wurde das aktive Erinnerungsvermögen in 2 Befragungen eruiert. Ergebnisse. In der ersten Befragung konnten z. B. von max. 122 Risiken, über die aufgeklärt wurde, im Median von Gruppe 1 12,5 Risiken wiedergegeben werden und von Gruppe 2 12 (p > 0,05). In der darauf folgenden Woche konnten in der zweiten Befragung von Gruppe 1 im Median 9 Risiken wiedergegeben werden und von Gruppe 2 7 (p > 0,05).Wird die Differenz der Anzahl der wiedergegeben Risiken zwischen den beiden Befragungen verglichen, zeigte sich hier, dass Gruppe 1 im Median 1,5 Risiken mehr wiedergeben konnte als Gruppe 2 (p > 0,05). Schlussfolgerungen. Es zeigte sich, dass es keine signifikanten Unterschiede einer besseren Merkfähigkeit zwischen dem Selbststudium des Aufklärungsbogens und dem ärztlichen Aufklärungsgespräch gibt.
P104 Zwei Todesfälle unter Einwirkung von synthetischen Cannabinoiden in Ostsachsen J. Pietsch1, S. Jacobi1, V. Angerer2, V. Auwärter2, C. Erfurt1 1Institut für Rechtsmedizin, TU Dresden, Toxikologie, Dresden,
Deutschland, 2Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
Einleitung. Im ostsächsischen Raum wird die Drogenszene seit Jahren zu mehr als 80 % durch das in Tschechien einfach und billig erhältliche Crystal (Methamphetamin) dominiert. Umso erstaunlicher war es daher, dass im Oktober 2014 und im Januar 2015 bei zwei männlichen Verstorbenen am Auffindeort Proben von synthetischen Designerdrogen gefunden wurden. Im Fall eines 25-Jährigen (Fall 1) handelte es sich um mit „F1“, „Hammer Head“ und „Magic Gold“ bezeichnete Kräutermischungen. Neben einem 28-Jährigen (Fall 2) wurden mehrere Tüten mit der Aufschrift „Desert Premium Potpourri 2g“ sichergestellt. Methoden. Die Untersuchung auf synthetische Designerdrogen wurde am Institut für Rechtsmedizin Freiburg durchgeführt. Die quantitative Bestimmung von synthetischen Cannabinoiden in Serum und Femoralblut erfolgte nach Flüssig-flüssig-Extraktion mittels HPLC-MS/MS (QTrapÒ 4000, AB-Sciex). Die qualitative Bestimmung von synthetischen Cannabinoiden im Urin wurde nach Flüssig-flüssig-Extraktion an einem HPLC-MS/MS-System APIÒ 5000 (AB-Sciex) durchgeführt. Die qualitative Untersuchung von Pflanzenmaterial erfolgte gaschromatographisch (GC/MS, Agilent) bzw. mittels HPLC-MSn (Bruker amaZonTM speed) nach Flüssig-flüssig-Extraktion. Ergebnisse. Obduktion und forensisch-toxikologische Untersuchung erbrachten folgende Ergebnisse: Fall 1: Hirnödem, Zyanose, Schockorgane, Tardieu’sche Blutungen, petechiale Blutungen; BAK 2,60 ‰, BTM negativ, Medikamente negativ Fall 2: Hirnödem, Zyanose, Schockorgane, Tardieu’sche Blutungen; BAK 1,45 ‰, BTM negativ, Medikamente negativ Im Fall 1 wurde das synthetische Cannabinoid 5F-PB-22 in einer Konzentration von 0,37 ng/ml im Venenblut des Verstorbenen nachgewiesen. Auch im Urin sowie in der Kräutermischung „Hammer Head“ wurde ein positiver Befund für 5F-PB-22 erhalten. Die Untersuchungen im Fall 2 erbrachten eine Konzentration von 4,1 ng/ ml des synthetischen Cannabinoids AB-CHMINACA im Venenblut. Im Urin des Verstorbenen und in der Kräutermischung „Desert Premium Potpourri 2g“ wurde ebenfalls AB-CHMINACA nachgewiesen. Schlussfolgerungen. Da bisher publizierte Daten im Zusammenhang mit Todesfällen für 5F-PB-22 und für AB-CHMINACA kaum verfügbar sind, sollen die vorgestellten Fälle einen Beitrag zum besseren Verständnis der toxikologischen Wirkung dieser synthetischen Cannabinoide leisten.
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P105 Innovative, effiziente Methode zur simultanen Detektion von THC, CBN, CBD und THC-A im Haar nach Derivatisierung mit Tributylsulfoniumhydroxid R. Steinhagen, R. Kegler, A. Büttner, D. Rentsch Institut für Rechtsmedizin Rostock, Forensische Toxikologie, Rostock, Deutschland Einleitung. Die quantitative Bestimmung von THC im Haar besitzt für zahlreiche forensische Fragestellungen eine große Relevanz (u. a. Fahreignungsdiagnostik), stellt aber auch zugleich hohe Anforderungen an die Analytik (u. a. Bestimmungsgrenze ≤ 20 pg/mg). Der Nachweis weiterer Cannabinoide gilt als wichtiger, zusätzlicher Informationsgewinn und als Plausibilitätskontrolle. Zielstellung Entwicklung einer sensitiven, robusten GC/MS-Methode mit der THC, Cannabinol (CBN), Cannabidiol (CBD) und THC-Säure (THC-A) in Form der alkylierten Derivate nach Umsetzung mit Tributylsulfoniumhydroxid (TBSH) simultan detektiert werden können. Methoden. Eine 25 cm lange Rastersträhne wurde in Zentimeterabschnitten segmentiert, alkalisch hydrolysiert und mit 1-Chlorbutan extrahiert. Nach Einengen wurde mit einem Gemisch aus nicht kommerziell erhältlichem, selbst synthetisiertem TBSH (0,1 M in Methanol) und TBME 1:1 (v/v) bei 80 °C für 30 bzw. 2 min in der Mikrowelle (400 W) inkubiert. Die quantitative Bestimmung von THC bzw. die qualitative Erfassung von CBN, CBD und THC-A erfolgte nach Detektion via GC/MS-SIM unter Verwendung deuterierter Substanzanaloga. Ergebnisse. Aus vorangegangen Untersuchungen war bereits bekannt, dass von verschiedenen, getesteten Trialkylsulfoniumhydroxiden als Derivatisierungsreagenz für THC die höchste Sensitivität bei Verwendung von TBSH resultierte. Die in der Folge nach GTFCh-Richtlinien validierte Methode wird derzeit in unserer Routineanalytik verwendet (NWG = 15,6 pg/mg). Die simultane, bisher semiquantitative Bestimmung von CBN (NWG ca. 20 pg/mg), CBD (NWG ca. 45 pg/mg) und qualitative Detektion von THC-A kommt darüber hinaus als Plausibilitätskontrolle nunmehr zur Anwendung. Konzentrationsprofile werden vorgestellt. Schlussfolgerungen. Mit dem simultanen Nachweis von THC, CBN, CBD und THC-A konnte eine Methode entwickelt werden, die u. a. den Empfehlungen der GTFCh gerecht wird.
P106 Kenntnis- und Meinungsstand von Studierenden der Medizin in 2014 in vorklinischen und klinischen Semestern zu den rechtlichen und medizinischen Grundlagen der Todesfeststellung L. Markert1, H. Ackermann2, M.A. Verhoff1, M. Parzeller1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Biostatistik und Mathematische Model, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
Einleitung. § 1 I 1 i. V. m. § 2 I 2 Transplantationsgesetz (TPG) sieht eine breite Aufklärung der Bevölkerung für die Organ- und Gewebespende vor, damit der Einzelne informiert, unabhängig und in Kenntnis der gesamten Tragweite, also auch zum Hirntod, eine Entscheidung für oder gegen eine Spende treffen kann. Die Feststellung des Hirntodes ist eine gesetzliche Voraussetzung nach § 3 II Nr. 2 TPG. Ziel der Befragung von Medizinstudierenden war es, den Kenntnis- und Meinungsstand zum Thema Todesfeststellung und Hirntod zu ermitteln. Methoden. Anhand eines anonymen Fragebogens wurden im Wintersemester 2014/2015 Studierende der Medizin und Zahnmedizin der GoetheUniversität Frankfurt/Main aus dem ersten Semester (Vorklinik) und dem neunten Semester (Klinik, vor Absolvierung des Faches Rechtsmedizin) zu den rechtlichen und medizinischen Grundlagen der Todesfeststellung, insbesondere des Hirntodes befragt. Ermittelt wurde zudem das Ausmaß der
bisher gesammelten Erfahrungen der Studierenden mit hirntoten Patienten sowie der ärztlichen Leichenschau. Auch die Einstellung der Befragten zur Organ- und Gewebespende nach Feststellung des Hirntodes wurde evaluiert. Insgesamt wurden 289 Fragebögen ausgewertet. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit dem Programm BiAS für Windows, Version 11.0 (χ2- Tests, exakter Test nach Fisher, Wilcoxon-Mann-Whitney-Test). Ergebnisse. 21,3 % der Studierenden des ersten Semesters hatten bereits direkten Kontakt zu einem hirntoten Patienten, 24,6 % waren bei einer ärztlichen Leichenschau anwesend. Bei den Studierenden des neunten Semesters betrugen die Werte 47,7 bzw. 45,3 %. Die rechtlichen Grundlagen der Hirntodfeststellung und der Leichenschau kannten unabhängig vom Semester nur einzelne Studenten. Auch zu obligatorischen Untersuchungen zur Hirntodfeststellung und zu den sicheren Todeszeichen bestand in beiden Semestern nur ein begrenztes Wissen. Nur 27,9 bzw. 30,2 % der Studierenden betrachteten eine hirntote Schwangere als Verstorbene. Eine postmortale Organ-/Gewebespende nach festgestelltem Hirntod befürworteten 83,4 bzw. 95,3 % der Studierenden, ohne die Verwendung apparativer Diagnostik zur Sicherung der Diagnose lehnten aber 69,7 bzw. 86 % der Teilnehmer diese ab. Schlussfolgerungen. Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende berührt elementare Aspekte am Ende des Menschseins. Das Hirntodkonzept wird derzeit wieder kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass teilweise erhebliche Missverständnisse und Informationslücken bestehen. Wenn diese bereits bei Studierenden der Medizin vorliegen, dürfte der Kenntnisstand innerhalb der Bevölkerung noch geringer sein. Die Erreichung des gesetzlichen Auftrags lässt sich anhand dieser Ergebnisse nicht belegen. In der Thanatologie kann die rechtsmedizinische Lehre einen kompetenten Beitrag zu einer kritischen Diskussion zum Hirntod leisten.
P107 Evaluierung des rechtlichen und medizinischen Kenntnis- und Meinungsstandes der Tagungsteilnehmer zum Hirntod anlässlich der 93. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Greifswald/Heringsdorf Usedom (DGRM) L. Markert1, B. Bockholdt2, M.A. Verhoff1, M. Parzeller1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt am Main, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
Einleitung. Die Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes bestehen in Deutschland unverändert seit 1997 [1]. Derzeit befindet sich das HirntodKonzept in einer Phase der wissenschaftlichen Neubewertung und Überarbeitung. Nachdem bereits der amerikanische Bioethikrat die bisherige Argumentation zur Legitimation des Konzeptes als widerlegt ansah [2], hat der deutsche Ethikrat am 24.02.2015 Stellung bezogen [3]. Die Feststellung des Hirntodes stellt für den Rechtsmediziner eher einen praxisfernen Teilbereich der Thanatologie dar. Ziel dieser Studie war es, aufgrund der aktuellen Diskussion, den Kenntnis- und Meinungsstand zum Hirntod innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin zu evaluieren. Methoden. Auf der der 93. Jahrestagung der DGRM in 2014 wurde eine Befragung der Teilnehmer/innen zu medizinischen Aspekten des Hirntod-Konzeptes, seiner Feststellung, sowie dessen rechtlicher Grundlagen in Deutschland durchgeführt. 89 der etwa 300 Teilnehmer des Kongresses nahmen an der Befragung teil. Vertreten waren zu 71,6 % Ärzte (davon 40,9 % Fachärzte), zu jeweils 10,2 % Biologen und Pharmazeuten sowie vereinzelt andere Berufsgruppen/Studenten. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte in deskriptiver Form. Ergebnisse. 29,6 % sahen den hirntoten Patienten als „Mensch im Sterbeprozess“ an. Das bisherige Hauptargument zur Legitimation der Gleichsetzung von Hirntod und Individualtod, der Verlust der körperlichen Integration bei hirntoten Patienten, überzeugte lediglich 19,5 %. Für 51,7 % spielte das irreversibel erloschene Bewusstsein die entscheidende Rolle, für 39,1 % der Verlust der aktiven Wechselwirkung mit der Umwelt. 88,8 % gingen irrtümlicherweise davon aus, dass bei jeder Hirntodfeststel-
lung in Deutschland eine EEG-Untersuchung obligater Teil der Untersuchung sei. Außerdem forderten 94,4 % aus wissenschaftlichen Gründen eine zeitnahe Aktualisierung der Hirntodrichtlinien in einem fest vorgeschriebenen Intervall. Schlussfolgerungen. Anhand der Ergebnisse wird deutlich, dass die international kontrovers geführte Diskussion sich auch innerhalb der Rechtsmedizin widerspiegelt. In manchen Teilbereichen sind zudem Unsicherheiten im Umgang mit den aktuellen rechtlichen und medizinischen Vorgaben (siehe z. B. [1], TPG) zum Hirntod erkennbar, die im Rahmen der rechtsmedizinischen Weiterbildung noch besser vermittelt werden sollten. Literatur 1. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (1998) Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes (Dritte Fortschreibung). Dt Ärztebl 95:A1861-A1868 2. President’s Council On Bioethics (2008) Controversies in the determination of death: a white paper by the President’s Council on Bioethics 3. Deutscher Ethikrat (2015) Hirntod und Entscheidung zur Organspende
P108 „Erforderliche Professionalität“ oder „Zeuge der Anklage“: die aktuelle Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshof zum Sachverständigenrecht R. Riener-Hofer, S. Kainz Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich Einleitung. In der österreichischen Strafprozessordnung leitet die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren. Die in diesem Verfahrensabschnitt bestellten Sachverständigen werden demnach von dem die Ermittlungen führenden Staatsanwalt bestellt. Methoden. Staatsanwälte sind gemäß Art 90a B-VG Organe der Gerichtsbarkeit und im Sinne des § 3 Abs 2 StPO zur Objektivität verpflichtet. Sie sind Anklagevertreter und so auch Beteiligte des Verfahrens. Da die Staatsanwaltschaft strukturell eine Gegenposition zur angeklagten Partei einnimmt, kann auch der von ihr bestellte Sachverständige, als ein zur Anklage in einem Naheverhältnis stehender Zeuge betrachtet werden. Ergebnisse. Dieser Ansicht des österreichischen Obersten Gerichtshofes folgte der Verfassungsgerichtshof mit seinem auf Art. 140 B-VG gestützten Erkenntnis vom 10. März 2015 (G 180/2014 ua), mit welchem die Wortfolge „Sachverständigen oder“ in § 126 Abs. 4 dritter Satz der österreichischen Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 (Wv), idF BGBl. I Nr. 19/2004, als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Mit der in Rede stehenden Bestimmung sei gegen das „Prinzip der Waffengleichheit“ und somit gegen Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK verstoßen worden. Schlussfolgerungen. Auch wenn die Anlassfälle aus dem Wirtschaftsstrafrecht stammen, können die Folgen der höchstgerichtlichen Entscheidung insbesondere auch für die Bestellung von rechtsmedizinischen Sachverständigen von weitreichender Bedeutung sein.
P109 Todesfälle durch missbräuchliches Aufkleben von Fentanylpflastern J. Krüger1,2, M. Graw1, F. Musshoff2, H. Sachs2, G. Roider1, L. Paul1, E. Koch1 1Institut für Rechtsmedizin, München, Deutschland, 2FTC GmbH, München,
Deutschland Einleitung. Fentanyl ist ein stark wirksames, synthetisches Opioid. Es wird therapeutisch zur Behandlung stärkster Schmerzen sowie als Narkosemittel eingesetzt. In Bayern wird Fentanyl von Opiatabhängigen häufig als Ersatzdroge für Heroin konsumiert. Die illegal erworbenen Pflaster werden gelutscht, gekaut oder nach Extraktion intravenös gespritzt. Ein
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Poster Tab. 1 | Fentanylkonzentrationen in den verschiedenen Matrices
OSV
Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4
12,7 46,1 19,9 95,1
HB [ng/ mL] 11,6 39,7 20,6 28,1
Leber
Urin[ng/ mL]
121 204 165 284
206 65,9 75,8 105
GK [ng/ mL] 7,04 n. v. 7,33 n. v.
HBFL[ng/ mL] 47,3 n. v. 20,3 75,6
Magen [ng samt] n. v. 8600 95,5 12800
Missbrauch durch Aufkleben vieler Pflaster ist dagegen vergleichsweise selten. In dieser Studie werden tödlich verlaufene Fälle mit aufgeklebten Fentanylpflastern vorgestellt. Methoden. Aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 wurden vier Fälle mit alleinig oder kombiniert todesursächlichem Gebrauch von aufgeklebten Fentanylpflastern untersucht. In drei Fällen erfolgte der Gebrauch in offensichtlich suizidaler Absicht. Es wurden, soweit asserviert, Oberschenkelvenenblut (OSV), Herzblut (HB), Urin, Mageninhalt, Glaskörperflüssigkeit (GK), Herzbeutelflüssigkeit (HBFL) und Leber auf Fentanyl untersucht. Zusätzlich wurden in allen Fällen Haare zur Abklärung einer bestehenden Opioidtoleranz untersucht. Diese Ergebnisse liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor und werden im Poster vorgestellt. Die Analyse erfolgte mittels Flüssigkeitschromatographie-Tandemmassenspektrometrie mittels Gradientenelution und anschließender Elektronspray-Ionisation im positiv-Modus. Schlussfolgerungen. Der therapeutische Bereich von Fentanyl wird für eine ambulante Schmerztherapie mit Pflastern, je nach Stärke mit 0,3– 3,8 µg/L im Serum/Plasma angegeben. Bei Opiatabhängigen mit entsprechender Toleranz werden in der Literatur sehr viel höhere Konzentrationen von bis zu über 100 µg/L im Serum/Plasma berichtet. Diese Referenzbereiche sind jedoch aufgrund der postmortalen Umverteilung von Fentanyl nicht auf postmortale OSV-Konzentrationen beziehbar. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in guter Übereinstimmung mit anderen Studien über postmortale Blutkonzentrationen bei Todesfällen mit Fentanyl. Auffällig war, dass sich die Konzentrationen in HB und OSV trotz bekannter postmortaler Umverteilung nicht signifikant unterscheiden. Lediglich in einem Fall überstieg die Konzentration im OSV sogar die im HB. In diesem Fall waren aufgeklebte Fentanylpflaster im Bereich des Oberschenkels lokalisiert. In der Analytik postmortaler Asservate können die in dieser Studie präsentierten Konzentrationen hilfreich sein, eine Abschätzung über eine therapeutische oder toxische Aufnahme von Fentanyl mittels Applikation von Pflastern vorzunehmen.
P110 Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport – der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung M. Parzeller Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland Während andere europäische Länder bereits eigenständige Anti-DopingGesetze haben, liegt nunmehr erstmals für Deutschland ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 126/15 vom 27.3.2015) vor, der sich mit der Bekämpfung von Doping im Sport befasst. Der Beitrag stellt diesen Gesetzentwurf, insbesondere den Schutzzweck des Gesetzes und die Intention des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der Bedeutung des Sports für die Gesellschaft und der Bedrohung des Sports durch Doping, dar. Der aktuelle Stand der Gesetzesentwicklung wird aufgezeigt. Die gesetzlichen Neuerungen werden kurz erläutert und kritisch analysiert. Relevante Neuerungen sind u. a. die Überführung der Verbots- und Strafnormen zu Doping im Sport aus dem Arzneimittelgesetz (AMG) in das
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neue Anti-Doping-Gesetz. Die ehemaligen Verbots- und Straftatbestände des AMG werden zudem auf neue Tatbegehungsweisen, wie Herstellen, Handeltreiben, usw. ausgeweitet. Dopingmethoden werden ausdrücklich in den neuen Verbots- und Strafnormen genannt. Ebenfalls ist ein strafbewehrtes Selbstdopingverbot vorgesehen, wenn das Doping in einem Wettbewerb des organisierten Sports erfolgt. Selbst bei dem Erwerb und Besitz von Dopingmitteln geringer Menge soll nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine Strafbarkeit in Betracht kommen. Daneben sieht der Gesetzesentwurf noch Strafschärfungen mit Verbrechenstatbeständen vor, die auch als Vortaten im Sinne der strafbaren Geldwäsche geeignet sind. Weitere Normen des Entwurfs beziehen sich u. a. auf den erweiterten Verfall und die Einziehung, Hinweispflichten in den Verpackungsbeilagen und Fachinformationen von Arzneimitteln, die Datenübermittlung an die Nationale Anti Doping Agentur, die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlern und Verbänden sowie die Zuweisungspraxis für Dopingverfahren. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf Verboten und Strafen. Präventive Aspekte, die in den internationalen Übereinkommen (z. B. UNESCO-Übereinkommen) genannt werden, enthält der Gesetzentwurf nicht. Die Verweisung auf und die Anwendung der Verbotslisten (WADA-Verbotsliste) bleibt, wie bereits bei den Regelungen im AMG, unübersichtlich. Die Schutzgüter, wie Integrität des Sports, Chancengleichheit und Fairness, sind sehr unbestimmt. Deren Eignung als strafrechtliches Schutzgut ist unter Berücksichtigung des Ultima ratio Prinzips des (Neben-)strafrechts mehr als fraglich. Statt den Reformen durch dieses Anti-Doping-Gesetz werden u. a. die stärkere Anwendung bestehender Normen, Verbesserungen bei der Prävention, die vorrangige Unterstützung des Breitensports und Änderungen bei der Sportförderung vorgeschlagen (siehe bereits zum Referentenentwurf vom Nov. 2014 [1]). Literatur 1. Parzeller M, Prittwitz C (2015) Die Würfel sind gefallen!? Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport. StoffR:2–19
P111 Intoxikation mit dem synthetischen Cannabinoid AB-CHMINACA E. Pieprzyca, M. Korczyńska, J. Kulikowska, J. Nowicka, R. Skowronek, M. Chowaniec Institut für Gerichtsmedizin und Toxikologie der Schlesischen Medizinisches Universität, Katowice, Polen Einleitung. Die Zahl neu entdeckter psychoaktiver Substanzen (NPS) auf dem Drogenmarkt wächst in den letzten Jahren rasant. Es werden immer wieder neue Stoffe synthetisiert, um das Betäubungsmittelgesetz zu umgehen. Eine große Gruppe der neuen psychoaktiven Substanzen, die auf den polnischen Drogenmarkt gebracht werden, bilden synthetische Cannabinoide. Bereits im Jahr 2014 trat das synthetische Cannabinoid ABCHMINACA erstmals in Polen in Kräutermischungen, die als Cannabisersatz angeboten werden, auf. Es existieren bislang keine Beschreibungen von Überdosierungen mit AB-CHMINACA. Diese Droge kann zurzeit in vielen Ländern legal erworben werden, wobei der Handel meist über Internet erfolgt. Methoden. Berichtet wird über einen 41-jährigen Mann, der eine unbekannte Menge der neuen psychoaktiven Substanz AB-CHMINACA nasal aufgenommen hatte. Bei der Autopsie wurde in der Unterwäsche der Leiche ein Beutel mit einem weißen Pulver entdeckt. Bei der Obduktion ergaben sich keine pathologischen Befunde, die den Todeseintritt hätten erklären können. Ergebnisse. Blut, Urin, Leber und Niere sowie das weiβe Pulver wurden einem üblichen „general unknown“-Screening unterzogen (ELISA, GCFID, LC-MS, GC-MS). Bei den chemisch-toxikologischen Untersuchungen wurden Ethanol und AB-CHMINACA gefunden. Schlussfolgerungen. Bei fehlender konkurrierender Todesursache ist der kombinierte Konsum von Alkohol und AB-CHMINACA als todesur-
sächlich anzusehen. Nach Wissen der Autoren ist der vorliegende Fall der erste in Polen, bei dem AB-CHMINACA im postmortalen Untersuchungsmaterial nachgewiesen wurde.
P112 Fragliche Intoxikation durch Opiumtee J. Sikuta1, D. Valent1, A. Kovács1, L. Nižnanský1, J. Šidlo2 1Amt für die Aufsicht über die Gesundheitsfürsorge, Institut
für Rechtsmedizin, Bratislava, Slovakai, 2Comenius Universität und Amt für die Aufsicht über die Gesundheitsfürsorge, Institut für Rechtsmedizin, Bratislava, Slovakai Einleitung. Die ersten Erwähnungen über die Wirkungen von Opiumtee stammen aus der Zeit 4000 v. Chr. Seitdem wird er für die Behandlung verschiedener Krankheiten (Kopfschmerzen, Asthma, Fruchtbarkeit, usw.) angewendet. Die Wirkungen des Tees sind bedingt durch die Anwesenheit der Opiumalkaloide – Morphium, Kodein, Noskapin, Papaverin und Thebain, die analgesierend, relaxierend, euphorisierend und narkotisierend wirken. Methoden. Die Autoren präsentieren den Fall eines 22-jährigen Mannes, eines Absolventen einer medizinischen Fachschule, der von seinem Freund zu Hause mit Bewusstseinsstörungen und rasselnder Atmung aufgefunden wurde, ins Krankenhaus gebracht wurde und dort verstarb. Da man einen Zettel mit dem zeitlichen Ablauf von Wirkungen des Opiumtees in der Wohnung des Verstorbenen fand, wurde als Todesursache eine Opiumintoxikation angenommen. Ergebnisse. Bei der angeordneten Autopsie wurden unspezifische Hinweise auf eine Intoxikation (Hirnödem, Lungenödem, subpleurale und subepikardiale Blutungen) diagnostiziert. Der Mageninhalt enthielt 300 g dunkelbraunes pflanzliches Material. Die toxikologische Untersuchung ergab eine tödliche Konzentration von Tramal (6630 ng/ml) und Codein (166,37 ng/ml) im Blut. Morphin wurde nicht nachgewiesen. Schlussfolgerungen. Die Vergiftung durch psycho- oder natürliche Stoffe ist in der rechtsmedizinischen Praxis nicht selten. Durch die aufgefundenen Notizen am Leichenfundort mit den Wirkungen des Opiumtees wurde zunächst eine falsche Verdachtsdiagnose gestellt. Nur durch die toxikologische Untersuchung konnte der Fall als Mischintoxikation durch Tramadal und Codein abgeschlossen werden.
P113 Eine virtuelle Kinderschutzambulanz als Fortbildungsmethode für niedergelassene Haus- und Kinderärzte zum Thema Kindesmisshandlung und -missbrauch S. Ahne, S. Pollak Institut für Rechtsmedizin Freiburg, Freiburg, Deutschland Einleitung. Das Thema Kindesmisshandlung und -missbrauch wird einerseits von den meisten Ärzten als wichtig erachtet, andererseits besteht gerade bei niedergelassenen Haus- und Kinderärzten eine große Unsicherheit im Umgang und in der Beurteilung solcher Patienten. Daher wurde am Institut für Rechtsmedizin Freiburg im Rahmen des Kompetenzzentrums Kinderschutz Baden-Württemberg (com.can) eine virtuelle Kinderschutzambulanz erstellt (INMEDEA Simulator), um möglichst vielen Ärzten zu ermöglichen, sich online zu diesem Thema fortzubilden und damit mehr Sicherheit bei der Beurteilung von potentiell misshandelten Kindern zu bekommen. Die Online-Fortbildung ist zertifiziert und führt zum Erwerb von Fortbildungspunkten der Landesärztekammer. Methoden. Das Kompetenzzentrum (com.can) wird seit 2013 vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg gefördert. Partner sind die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm, das Institut für Rechtsmedizin an
der Universitätsklinik Freiburg und die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Ziel des Kompetenzzentrums ist eine Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu Kinderschutzfragen. Ergebnisse. Für die virtuelle Kinderschutzambulanz wurden insgesamt 10 fiktive Kasuistiken erstellt. Die Nutzer des Programmes sind aufgefordert, die Anamnese zu erheben, Untersuchungen durchzuführen, eine Diagnose zu stellen und eine Therapie einzuleiten. Im Anschluss an jeden Fall werden 10 Multiple-Choice-Fragen gestellt. Zusätzlich wurden 5 Hörsaaleinheiten zum Thema Kindesmisshandlung (körperliche Misshandlung, Shaken Baby Syndrom, sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und Münchhausen-by-proxy-Syndrom) online gestellt, die vor Bearbeitung der Fälle ein Grundwissen vermitteln sollen. Schlussfolgerungen. Da auch bei den Studierenden der Medizin großes Interesse am Thema Kinderschutz besteht, wird ein Teil des Programms (2 Fälle) im Rahmen des rechtsmedizinischen Unterrichts für Medizinstudenten zur Verfügung gestellt. Anknüpfend an frühere Erfahrungen mit dem Angebot, freiwillig den Fall einer virtuellen Patientin zu bearbeiten (Wintersemester 2011/12, Patientin nach sexuellem Übergriff), werden die beiden neuen Fälle ab dem Sommersemester 2015 als Teil des rechtsmedizinischen Blockkurses angeboten. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt elektronisch. Den Studierenden wird angeboten, diese neue Form der Lehre mit Hilfe eines Evaluationsbogens zu beurteilen.
P114 WiFaS – Wissensbasierte Fallsammlung der forensischen Bildgebung S. Heinze1,2, A. Bornik3, D. Breitmeier1, D. Labudde4, T. Schwark3,5 1Johannes Gutenberg Universität, Institut für Rechtsmedizin, Mainz,
Deutschland, 2St. Marienkrankenhaus, Klinik für Radiologie, Ludwigshafen, Deutschland, 3Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung, Graz, Österreich, 4University of Applied Sciences, Forensic Science Investigation Lab, Mittweida, Deutschland, 5Medizinische Universität Graz, Institut für Gerichtliche Medizin, Graz, Österreich Einleitung. In der täglichen Arbeit der rechtsmedizinischen Institute gewinnt die Arbeit mit bildgebenden Verfahren immer mehr an Bedeutung. Um allen Instituten einen gezielten und nachhaltigen Umgang mit diesen Techniken und den resultierenden Analysen und Auswertungen zu ermöglichen, plant die Arbeitsgemeinschaft für forensische Bildgebung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) die Erstellung einer Fallsammlung für forensische Bildgebung mit dem Schwerpunkt der Schnittbilddiagnostik. Methoden. Interessante postmortale Fälle und Fälle aus der klinischen Rechtsmedizin werden ebenso wie grundlegende Befunde aus beiden Bereichen präsentiert und sowohl radiologisch als auch rechtsmedizinisch kommentiert. Ergebnisse. Es soll einerseits eine Lehr- und Lernplattform und andererseits ein Diskussionsforum geschaffen werden, um auch Instituten und interessierten Rechtsmedizinern ohne regelmäßige hausinterne Schnittbilddiagnostik die Möglichkeit zu geben, sich fundierte Kenntnisse anzueignen. Um einen sicheren Umgang mit den sensiblen Daten zu gewährleisten, wird ein Nutzerkonzept speziell für die Mitglieder der DGRM erarbeitet. Schlussfolgerungen. In dem Vortrag wird das Konzept vorgestellt und die zu erarbeitenden Features, einschließlich Suchfunktionen und Befundbeschreibungen, dargestellt. Neben den inhaltlichen Aspekten wird auch auf die technische Umsetzung eingegangen.
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Poster P115 Möglichkeiten und Grenzen kostengünstiger Thermokameras in der Rechtsmedizin A. Bornik1, T. Schwark1,2 1Ludwig Boltzmann Institut – Klinisch-forensische Bildgebung,
Graz, Österreich, 2Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
Einleitung. Infrarotbildgebung, im langwelligen Bereich des Infrarotspektrums auch als Thermografie bezeichnet, wird in der Forensik zur Lösung einer breiten Palette von Fragestellungen eingesetzt. Sie ist hilfreich bei der Suche nach Blutspuren, Spuren von Körperflüssigkeiten wie Urin oder Sperma, oder auch Schmauchspuren. Die Messung der Oberflächentemperatur erlaubt zum Beispiel Rückschlüsse über den rezenten menschlichen Kontakt mit Objekten oder Gegenständen – wertvolle Information für die Entnahme von z. B. DNA Proben. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit von Thermokameras ist die Erfassung der Körperoberflächentemperatur. Bei Leichen könnten solche Aufnahmen zur Schätzung des Todeszeitpunkts herangezogen und alternativ zur Nomogramm-Methode nach Henssge eingesetzt werden, bei der die Todeszeitschätzung auf Basis der rektal gemessenen Leichenkerntemperatur unter Einbeziehung von Umgebungsparametern erfolgt. Methoden. Ziel dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten und Grenzen dieser kostengünstigen Thermokameras (FLIR One bzw. Thermal Seek) im forensischen Umfeld aufzuzeigen. Im Rahmen einer Pilotstudie soll festgestellt werden, ob die geometrische und radiometrische Auflösung der Kameras ausreicht, um unterschiedliche Arten von Spuren aufzunehmen. Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Modellen laut technischem Datenblatt sollen hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz untersucht werden. Die Reproduzierbarkeit des postmortalen Oberflächentemperaturverlaufs in verschiedenen Körperregionen und die Abhängigkeit von Parametern wie der Umgebungstemperatur soll im Rahmen einer Pilotstudie mit Tierkadavern untersucht werden. Dabei soll die Oberflächentemperatur nach der Tötung des Tiers mehrere Stunden aufgezeichnet und zusammen mit der rektal gemessenen Temperatur sowie der Umgebungstemperatur dokumentiert werden. Das Ziel dieser Studie ist es, die Plausibilität eines Modells zur Schätzung des Todeszeitpunkts auf Basis von Infrarotbildern der Körperoberfläche besser einschätzen zu können. Die Entwicklung eines solchen Modells könnte später auf Basis umfassender Messreihen an Leichen erfolgen. Ergebnisse. Versuche mit der FLIR One Kamera in Richtung der Dokumentation von Kontaktspuren haben bereits zu vielversprechenden Ergebnissen geführt. Auflösung und Empfindlichkeit der Kamera sind ausreichend, um zum Beispiel die Erwärmung von Gegenständen nach menschlichem Kontakt fotografisch oder als Video zu erfassen. Die Möglichkeit des FLIR One Systems, das optische Bild mit dem thermischen zu überlagern, erleichtert die Zuordnung. Die Ergebnisse der durchgeführten Experimente werden in dem Beitrag vorgestellt. Schlussfolgerungen. Kompakte, preisgünstige Thermokameras sind im forensischen Kontext nützliche Werkzeuge, deren Potential derzeit noch nicht ausgeschöpft wird. Neben bekannten Anwendungen im Rahmen der Tatortarbeit bzw. bei der Suche nach Spuren wäre die Schätzung des Todeszeitpunkts ein weiteres interessantes Anwendungsgebiet.
Einleitung. Sogenannte Action-Kameras wurden ursprünglich entwickelt, um Amateuren hochwertige Aufnahmen sportlicher Aktivitäten zu ermöglichen. Kennzeichnend für diese Art von Kamera ist eine meist sehr kompakte Bauweise, eine teils extreme Weitwinkeloptik sowie vielfältige und flexible Befestigungsmöglichkeiten, die Aufnahmen aus der TrägerInnen-Perspektive ermöglichen, ohne diese in der Bewegungsfreiheit maßgeblich einzuschränken. Action-Kameras haben sich in den vergangenen Jahren sehr schnell weiterentwickelt. Mit aktuellen Geräten wie der GoPro Hero 4 Black sind Videoaufnahmen auf dem Auflösungsniveau der Digitalfotografie möglich. Aktuelle Videokompressionsalgorithmen und kompakte Speichermedien erlauben Aufnahmezeiten von über einer Stunde. Der Einsatz solcher Kameras in der Rechtsmedizin zu Dokumentationszwecken sowie die weiterführende Verarbeitung der Videodaten erscheint naheliegend – die retrospektive Vermessung von Verletzungen, Organen oder 3D-Rekonstruktion des gesamten Obduktionsszenarios ist möglich. Methoden. Die Video-Rohdaten werden im Hinblick auf die 3D Vermessungs- und Rekonstruktionsaufgaben bezüglich der bei Weitwinkeloptiken ausgeprägten Linsenverzeichnung korrigiert. Methoden der visuellen Odometrie bzw. SFM (Structure-From-Motion) Techniken werden eingesetzt, um aus einer Videosequenz die Kamerabewegung relativ zur Umgebung zu ermitteln. In der Folge können Distanzen zwischen korrespondierenden Punkten zweier Einzelbilder der Videosequenz durch Triangulation und Vergleich mit einer Referenzstrecke berechnet werden. Die Genauigkeit der resultierenden Messung hängt dabei von Genauigkeit und Länge des berechneten Kamerapfades und der Qualität der Korrespondenzen ab. Die in der Praxis im Obduktionssaal erzielbare Genauigkeit soll anhand von Referenzmessungen bekannter Gegenstände evaluiert werden. Außerdem ist ein Vergleich mit konventionellen Messungen während der Obduktion geplant. Ergebnisse. Am Ludwig Boltzmann Institut – Klinisch-Forensische Bildgebung in Graz wird seit einigen Monaten eine derartige Kamera vereinzelt zur Dokumentation von Obduktionen eingesetzt. Dabei hat sich die Handhabung der Kamera als einfach erwiesen. Die Steuerung folgt mittels Smartphone oder Tablet. Durch die hohe Auflösung sind in den Aufnahmen selbst Details erkennbar. Die im Obduktionssaal übliche Deckenbeleuchtung verursacht mäßige, jedoch nicht wesentlich störende Reflexionen. Das Problem der limitierten Akkukapazität kann mit einem externen Akku umgangen werden. Erste Experimente in Richtung 3D Vermessung und Rekonstruktion sind erfolgreich verlaufen. Eine spezielle Vermessungssoftware, die die Entzerrung der Videos automatisiert und den Vermessungsprozess direkt unterstützt, befindet sich in Entwicklung. Schlussfolgerungen. Die Dokumentation von Obduktionen mittels Action-Kameras ist sinnvoll. Durch die hochauflösenden Videos wird die gesamte Obduktion aus der Sicht des durchführenden Rechtsmediziners dokumentiert und auf Basis der damit konservierten Daten nachvollziehbar und objektivierbar. Außerdem sprechen die Erweiterbarkeit in Richtung 3D-Vermessung sowie 3D-Rekonstruktion von Oberflächen und der daraus resultierende Zusatznutzen für die Methode.
P117 Postmortale Angiographie zur Darstellung der Gefäßalterationen am Hals bei suizidalem Erdrosseln mittels Kabelbinder S. Grünewald, H. Wittig, C. Stumm, E. Scheurer IRM Basel, Basel, Schweiz
P116 „Action-Kameras“ zur Dokumentation und 3D-Vermessung im Rahmen der Obduktion. A. Bornik, J. Höller, T. Schwark Ludwig Boltzmann Institut – Klinisch-forensische Bildgebung, Graz, Österreich
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Einleitung. Vorgestellt wird die Kasuistik eines 75-jährigen Mannes, der mit fest um den Hals gelegten Kabelbindern und massivem Stauungssyndrom tot im Bad seiner Wohnung aufgefunden wurde. Sowohl die rechtsmedizinischen Untersuchungen als auch die polizeilichen Ermittlungen erbrachten in ihrer Gesamtschau keine Hinweise auf eine Gewalteinwirkung durch fremde Hand, sodass von einem Suizid ausgegangen werden kann. Am Ereignisort zeigten sich Blutantragungen im Bett, die den Stauungsblutungen aus den Ohren zugeordnet werden konnten und die damit eine noch erhaltene Handlungsfähigkeit für den Weg bis ins Bad belegen.
Es sollte geprüft werden. ob die Durchgängigkeit oder der Verschluss der Blutgefäße im Hals angiographisch darstellbar ist. Methoden. Mittels multiphasischer postmortaler Angiographie (6 % Angiofil in Paraffinöl) erfolgte die Darstellung der arteriellen und venösen Halsgefäße bei unverändert liegendem Drosselwerkzeug. Zur Methode gehört die standardmäßige Aufzeichnung des Füllungsdruckes der Gefäße. Ergebnisse. Während die Karotiden unter dem Füllungsdruck der Kontrastmittelinfusion allenfalls geringe Einengungen aufwiesen, waren die venösen Halsgefäße in der Ebene des Drosselwerkzeuges hochgradig eingeengt, was aufgrund des massiven Stauungssyndroms auch zu erwarten war. Die Venen zeigten sich jedoch bei zunehmendem Füllungsdruck für das Kontrastmittel durchgängig, wobei der Druck nach anfänglichem Anstieg plötzlich abfiel, was von uns als Verschlussdruck interpretiert wurde. Schlussfolgerungen. Aus dem Druckverlauf bei der kontinuierlichen Druckmessung während der Kontrastmittelinfusion kann der Verschlussdruck der Gefäße im konkreten Fall abgeschätzt werden. Dieser Fall zeigt, dass mit der postmortalen Angiographie der Einengungsgrad der Halsgefäße bei fixiertem Drosselwerkzeug quantifiziert werden kann. Dies ermöglicht mit moderner Methodik auch die Überprüfung historischer Studien zum Verschlussdruck bei Strangulationen, die erstmals von Hofmann 1876 publizierte.
P118 Rechtsmedizinische Bildgebung: kostengünstige Tauchpumpe gegenüber Herzlungenmaschine bei der PMCTA W. Schweitzer, P. Flach, S. Ross, T. Ruder, M. Thali, P. Laberke, D. Gascho Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Forensische Medizin und Bildgebung, Zürich, Schweiz Einleitung. Die postmortale Computertomographie-Angiographie (PMCTA) wird derzeit meist mittels kostspieliger Geräte wie einer HerzLungen-Maschine (dedizierte und spezifisch für die postmortale Anwendung ausgelegte Geräte kosten bis ca. 80.000 CHF) durchgeführt. Die dadurch erschwerte Bereitstellung entsprechender Ausrüstung führt unter anderem dazu, dass die PMCTA relativ wenig verbreitet ist. Nun wird in dieser Studie die technische Durchführbarkeit mittels einer relativ erschwinglichen Tauchpumpe (ca. 20 CHF) evaluiert. Methoden. Eine arterielle PMCTA wurde mit einer Tauchpumpe (Barwig Modell 0444) zwecks Prüfung der Machbarkeit durchgeführt. Die Tauchpumpe benötigt einen Anschluss an eine Stromversorgung (Transformator Basetech BT-305, 130 CHF) und an einen Schlauch (PVC, auf konischen Pumpenausgang thermogeformt). Unverändert zur standardisierten Anwendung wurde ein Kontrastmittelgemisch aus Polyethylenglycol (PEG) und jodhaltigem Kontrastmittel (Ioversol, Optiray 300, Guerbet) verwendet (CT-Dichte 350 HE). Die Ergebnisse dieser low-cost PMCTA (Tauchpumpe) wurden mit der arteriellen Injektion eines Kontrollfalls mittels konventioneller Herz-Lungen-Maschine verglichen. Im Weiteren wurden Gewicht, Grösse, Preis und Handhabung verglichen. Der Preis der low-cost PMCTA mit Zubehör (Transformator, PVC-Schlauch, Eimer, Stecker für Stromkabel, Versand) beträgt im Total ca. 200 CHF; preislich kostet die low-cost Variante damit nur etwa 2 Promille einer Top-of-the-line-Ausstattung. Ergebnisse. Bildgebend sind die Ergebnisse der Tauchpumpe mit denjenigen der Herz-Lungen-Maschine vergleichbar. Technisch bietet die Anwendung einer Herz-Lungen-Maschine den Vorteil der etwas einfacheren Steuerbarkeit der Flussrate. Es fehlt der billigen Tauchpumpe zwar die besonders einfache Ablesbarkeit von Flussrate, Temperatur oder Druck – aber durch Verwendung einer geeigneten Stromversorgung (Drehknopf zur Steuerung der Pumpleistung und damit des Flusses) wird die Vorgabe offenbar genügend genau angenähert. Eine Herz-Lungen-Maschine wiegt ca. 25 kg, während die Tauchpumpe lediglich 145 g wiegt. Ein Vorteil der low-cost Variante (Tauchpumpe) ist die einfache Handhabung und problemlose Aufbewahrung, massgeblich bedingt durch die relativ geringe Grösse und das tiefe Gewicht. Gleichzeitig ist die Angiografie gerade mit
dieser Art Ausrüstung – auf den Schlauch angeschrumpfte Tauchpumpe – als fast zwingend bimanuelle Tätigkeit zu bezeichnen, da insbesondere aufgrund des extrem geringen Gewichts der Tauchpumpe besonders bei 1-händiger Handhabung des elastischen PVC-Schlauchs die Gefahr von Kontamination der Bodenfläche mit dem (rutschigen) Konstrastmittelgemisch besteht, wie sich zunächst zeigte. Schlussfolgerungen. Die maximale Flussrate von 10 L/min der low-cost Tauchpumpe ist durch den von uns verwendeten Spannungsregler des angeschlossenen Transformators (ein Drehknopf) aufs allereinfachste so regulierbar, dass auch die für PMCTA in der Literatur greifbaren Flussraten von etwa 200–800 mL/min erreicht werden. Da der Druck zur Füllung postmortaler Gefässe generell klinische verwendete Druckwerte ohnehin nicht übersteigen sollte, verbleiben andere Parameter wie applizierte Flussmenge oder Kontrastmittelzusammensetzung zur weiteren Verfahrensoptimierung. Insbesondere bei der Handhabung 1-händig und der Anforderung, Bodenkontamination sicherer zu vermeiden, wäre etwa eine Befestigung der Tauchpumpe im Eimer als Upgrade denkbar; die Spannungsabhängigkeit der Flussrate könnte sich tabellarisch dokumentieren lassen, um damit die Voltskala des Spannungsreglers zu ergänzen. Für die Zukunft hat diese Art Herangehensweise aufgrund der bedeutend tieferen Kosten das Potential, eine grössere Verbreitung der postmortalen Angiografie (bei vorhandenen Zugang zur PMCT) ermöglichen. – Disclaimer: Die Autoren haben keine Patente oder wirtschaftliche Interessenskonflikte im Bereich Bildgebung, Kontrastmittel oder Pumpen.
P119 Vorteile der 2D- und 3D-Rekonstruktion von CT-Bildern bei klinisch-forensischen Fragestellungen P. Baumann1, J.- B. Zerlauth2, P. Mangin1, S. Grabherr1 1University Centre of Legal Medecine Lausanne-Geneva, University
Hospital Lausanne, Lausanne, Schweiz, 2Departement of Diagnostic and Interventional Radiology, University Hospital Lausanne, Lausanne, Schweiz Einleitung. Die Untersuchungen von Opfern nach stumpfer oder scharfer Gewalt sowie nach Schussverletzungen und die Erstellung von Gutachten mit klinisch-forensischer Fragestellung bezüglich dieser Fälle, gehören zum Alltag in der Rechtsmedizin. Neben den Resultaten der klinischen Untersuchung durch den Rechtsmediziner wird auch die Krankenakte benutzt um das rechtsmedizinische Gutachten zu erstellen. Häufig sind in solchen Fällen CT (Computer-Tomographie)- oder MRT (MagnetResonanz-Tomographie) Untersuchungen vorhanden, die beim Krankenhausaufenthalt eines Gewaltopfers entstanden sind. Während diese zwar indirekt durch die Krankenakte in die Beurteilung des Falles einfließen, so ist eine Analyse der radiologischen Bilder aus rechtsmedizinischer Sicht häufig nicht der Fall. Methoden. Die Befundung radiologischer Daten durch einen klinischen Radiologen ist anders als die Bildanaylse durch den Rechtsmediziner oder forensisch geschulten Radiologen. Deshalb ist eine zusätzliche Beurteilung, die auf die konkreten forensischen Fragestellungen, wie Bestimmung der Wundkanallänge, genaues Beschreiben der betroffenen Gewebe, bzw. Organe oder Gefäße, eingeht sinnvoll. Insbesondere deshalb, da diese Fragestellungen für die Justiz von größter Relevanz sind, um das Strafmaß zu bestimmen und um einschätzen zu können, ob eine konkrete oder potentielle Lebensgefährdung vorlag. In unserem Institut gehört die rechtsmedizinische Analyse der radiologischen Bilder zum festen Bestandteil solcher Gutachten und findet großen Anklang von Seiten der Staatsanwaltschaft. Ergebnisse. Die Anfertigung von 2D- und 3D-Rekonstruktionen aus CToder MRT-Bildern ermöglicht Verletzungsmuster genau zu analysieren, sowie z. B. bei Stichverletzungen die Wundkanallänge, den Winkel mit dem der Stich zugefügt wurde und vor allem die betroffen vitalen Strukturen bzw. deren Entfernung vom Wundkanal zu bestimmen. In Fällen von stumpfer Gewalt ermöglicht die Rekonstruktion z. B. bei einem Schädelhirntrauma, die Frakturlinien im Detail zu veranschaulichen und lie-
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Poster fert außerdem noch Informationen über das mögliche Tatwerkzeug. Auch bei Schussverletzungen kann man dadurch den Verlauf des Schusses rekonstruieren und seine Entfernung zu vitalen Strukturen bestimmen. Ein enormer Vorteil dieser 2D- und 3D- Rekonstruktionen ist vor allem die Möglichkeit, Bilder aus den verschiedensten Perspektiven zu erstellen und so einzelne Fragestellungen (z. B. Stichkanaltiefe, Wundkanallänge, Entfernung der vitalen Strukturen zum Wundkanal etc.) auf einfachste Weise klar und deutlich, auch für medizinische Laien, zu veranschaulichen. Schlussfolgerungen. In diesem Vortrag sollen die Möglichkeiten der 2Dund 3D-Rekonstruktionen von CT-Bildern bei klinisch-forensischen Fragestellungen vorgestellt und diskutiert, sowie anhand von Beispielen erläutert werden.
P120 Ungewöhnliche Komplikation bei Fehlkatheterisierung der V. subclavia mit der Folge eines Hämoperikards: Vorteile der Kombination von multiphasischer postmortaler Angiographie (MPMCTA) und Obduktion A. Tzikas, H. Vogel, A. Heinemann Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland Einleitung. Eine 48 Jahre alt gewordene Frau verstarb im Anschluss an unklare Blutungskomplikationen nach einer Operation an einem Bronchialkarzinom. Seitens der behandelnden Ärzte wird dargestellt, dass nach erfolgreicher Oberlappenresektion links Nachblutungen festgestellt worden seien und zur Suche nach der Blutungsquelle eine explorative Laparotomie mit Unterbindung einer Blutungsquelle durch eine kleine Milzkapselruptur durchgeführt wurde. Vorsorglich wurde dann ein V.subclavia- Zugang links gelegt, um ggf. weitere Bluttransfusionen durchführen zu können. Man vermutete, bei dieser Maßnahme die A. subclavia verletzt zu haben, woraus ein nicht beherrschbarer hämorrhagischer Schock resultiert sei. Der Tod wurde an das Landeskriminalamt gemeldet und eine gerichtliche Sektion sowie eine CT- Bildgebung mit Angiographie in Auftrag gegeben. Methoden. Es wurde ein postmortales Angio-CT (Multiphasische postmortale Ct- Angiographie, Virtangio®- Methode, CT Philips 16-Zeiler) vor Obduktion durchgeführt. Ergebnisse. Es wurde eine Herzbeuteltamponade bei Venenverletzung der Vena brachiocephalica links mit Durchstichkanal bis in den Herzbeutel, außerdem eine Pulmonalarterienverletzung links festgestellt (Kontrastmittelleckagen in der venösen Phase der MPMCTA). Dies war für die Sektion handlungsleitend, wobei die Angiographie die Interpretation der Sektionsergebnisse entscheidend ergänzen und vorbereiten konnte, insbesondere durch Nachweis des aktiven Blutungsstatus zum Todeszeitpunkt aus der A. pulmonalis, durch Beleg des Blutungskanals zum Herzbeutel und durch Vermessungmöglichkeiten hinsichtlich der offensichtlichen Fehlpunktionstiefe. Schlussfolgerungen. Es handelt sich um eine ungewöhnliche Komplikation des Versuchs einer V.Subclavia- Katheterisierung mit besonders tiefreichenden Verletzungen, die den Verdacht auf einen groben Sorgfaltspflichtverstoß durchaus nahelegen. Die Bildgebung bietet den Vorteil der primären Differenzierung möglicher Blutungsquellen in Verbindung mit exakten Vermessungsmöglichkeiten der Tiefe der offensichtlichen Fehlpunktion und erleichtert so eine Fachbegutachtung.
P121 Post Mortem Computertomographie (PMCT) und Multiphasen PMCT Angiographie (MPMCTA) nach Eingriffen am Herzen bei fraglichem Behandlungsfehler B. Vogel1, A. Heinemann2, H. Vogel2, K. Püschel2 1Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf, Universitäres Herzzentrum,
Hamburg, Deutschland, 2Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland
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Einleitung. Eingriffe am Herzen sind in den letzten Jahren häufiger geworden. Dies gilt für die Coronarien und für das Herz. Klinische postinterventionelle Todesfälle führen immer wieder zu der Vermutung (dem Vorwurf) eines Behandlungsfehlers. Untersucht wurde, welchen Beitrag PMCT und MPMCTA zur Klärung leisten kann. Methoden. Erfasst wurden Fälle aus den Jahren 2013–2015, bei denen aus der Todesbescheinigung die Möglichkeit (Vorwurf) eines Behandlungsfehlers abzulesen war. Die Verstorbenen kamen aus Norddeutschland. Sie waren in verschiedenen Herzzentren behandelt worden. Das PMCT wurde als SpiralCT durchgeführt (Pitch 1,0, 120–140 kV, 140–240 mAs). Zum Einsatz kam der institutseigene Philips Brilliance Computertomograph (Multislice 16 Zeiler). Die MPMCTA wurde in standardisierter Weise ausgeführt, d. h., es wurden nacheinander, arterielle (i. a. 500 und 1500 ml öliges Kontrastmittel), venöse (i. v. 1200 ml öliges Kontrastmittel) und Zirkulationsphase durchgeführt. Ergebnisse. Nach Kathetereingriffen am Herzen war Kontrastmittel im Herzmuskel (nachgewiesen im PMCT) ein Indiz für Rhythmusereignisse, die verhinderten, dass das Kontrastmittel ausgewaschen wurde. Derartige Zwischenfälle sind bekannt, sie sind nicht sicher zu vermeiden und sind üblicherweise Gegenstand der Aufklärung des Patienten. Bei Perforationen des Gefäßes und/oder der Herzwand kann die Frage aufgeworfen werden, ob die Komplikation vermeidbar war. Wenn sie nicht vermeidbar war, bleibt zu prüfen, ob sie in der Aufklärung angemessen berücksichtigt wurde. Bei Luftembolie (nachgewiesen im PMCT, Differentialdiagnose Fäulnisgas) wird in der Regel angenommen, dass sie hätte vermieden werden können und sie in einer Aufklärung nicht enthalten war. Nach herzchirurgischen Interventionen fielen insbesondere die durch Obduktion oft nicht vollständig klärbaren Blutungen aus mehreren Gefäßen auf. Nach Kathetereingriffen und nach Herzchirurgie ließen sich die mehr oder weniger erfolgreichen Maßnahmen zur Behandlung von Komplikationen erfassen. Ein Beispiel sind Fehllagen von Kathetern zur Drainage eines Herzbeutelergusses. Schlussfolgerungen. PMCT und MPMCTA erlauben im Zusammenhang mit der Obduktion, Hinweise dafür zu generieren, ob das ärztliche Vorgehen bei diesen Eingriffen regelkonform war. Weiter lassen sich übliche und nicht vermeidbare Komplikationen von solchen trennen, die die Risikoaufklärung nicht einschließen. Schließlich lässt sich auch das Vorgehen bei der Behandlung von Komplikationen beurteilen.
P122 Luft- bzw. Gasnachweis im PMCT verstorbener Neugeborener und Säuglinge H. Vogel1, A. Heinemann1, B. Vogel2, J. Sperhake1, K. Püschel1 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg, Deutschland, 2Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf, Universitäres Herzzentrum, Hamburg, Deutschland
Einleitung. Der Gasnachweis bei verstorbenen Neugeborenen und Säuglingen kann für die bildgebende Diagnostik ein forensisch entscheidender Befund, aber auch ein ätiologisches Interpretationsproblem sein. In Einzelfällen kann die Analyse von der Luft (des Gases) im Körper weiterhelfen bei der Bestimmung möglicher Todesursachen. Dies führte zur Analyse des eigenen Materials. Erfasst werden sollen Besonderheiten der Gasverteilung im Körper verstorbener Kinder im ersten Lebensjahr. Methoden. Die PMCT von Neugeborenen (teils mit der Fragestellung des Gelebthabens in Abgrenzung gegenüber Totgeburten) und Säuglingen aus den Jahren 2012–2015 wurden analysiert. Die Kinder kamen aus Norddeutschland. Das PMCT wurde als SpiralCT durchgeführt (Schichtdicke 1 mm, Pitch 1,0, 120–140 kV, 140–240 mAs). Zum Einsatz kam der institutseigene Philips Brilliance Computertomograph (Multislice 16 Zeiler). Ergebnisse. Bei Neugeborenen gibt der Luftgehalt von Lunge und Abdomen den forensisch oft entscheidenden Hinweis auf Atmung nach der Geburt. Dies ist zu unterscheiden von Gas, das nach dem Tode freigesetzt wird. Als dritte Gruppe ist abzugrenzen ein Gasnachweis, der im Rahmen
einer komplikativ verlaufenden Behandlung ins Gefäßsystem, ins Peritoneum (bis hin zum Spannungsperitoneum) und in die Weichteile gerät. Schlussfolgerungen. Mit dem gegenüber der Obduktion differenzierter möglichen Nachweis von Gas/Luft und mit der Analyse von deren Verteilung erlaubt das PMCT bei Säuglingen und Neugeborenen Aussagen zur Ätiologie. Postmortale Gasbildung kann dabei neben der Frage des Gelebthabens auch nach medizinischen postpartalen Interventionen zu Fehlschlüssen verleiten.
P123 Farbdetailtreue in der Forensischen Fotografie F. Ramsthaler1, J. Schlote1, C. Birngruber2, M. Kettner3, A.- K. Kröll1, M. Verhoff3 1Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlandes, Homburg Saar,
Deutschland, 2Universität Gießen, Institut für Rechtsmedizin, Gießen, Deutschland, 3Institut Rechtsmedizin, Frankfurt Main, Deutschland
Neben der Bildauflösung, der Objektgeometrie, der Bildschärfe und dem Kontrast spielt insbesondere die hintergrundabhängige Farbtreue eine gewichtige Rolle bei der Interpretierbarkeit von digitalen Bildern und Bildausdrucken. Die Thematik berührt in nicht unerheblicher Weise den forensischen Kern einer Bildinformation, betrachtet man beispielsweise die Eigenschaft Farbe im Zusammenhang mit rechtsmedizinisch relevanten Befunden wie Farbgebung von Leichenflecken, Fäulnisveränderungen, Hautverletzungen, thermisch bedingte Verfärbungen oder Gewebeeinblutungen. Farbdetailtreue beschreibt dabei eine bestmögliche Ähnlichkeit der Farbnuancen zwischen realem Objekt und Abbild oder zwischen verschiedenen Bildausgabegeräten (z. B. Kameramonitor und Ausdruck). Das Phänomen der unstetigen Farbwahrnehmung als nicht vollständig homogenisierbare Grundeigenschaft jedes Bildes existiert sowohl bei der individuell geprägten Farbwahrnehmung des Betrachters, als auch im Ergebnis der geräteklasseabhängigen technischen Farbräume (inkl. der sog. Farbtiefe) der digitalen Bildaufnahme-, Darstellungs- und Drucktechnik, die Farben auf unterschiedliche Weise registrieren und darstellen. Diese Erfahrung, dass eine Farbwahrnehmung je nach Beleuchtung, verwendetem Bildschirm und eingesetzter Druckoption teils erhebliche Unterschiede aufweisen kann, unterstreicht die Notwendigkeit, sich mit der Farbwiedergabe der verwendeten Geräte auseinanderzusetzen. Die Standardisierung bei Bilderzeugungs- und Bilddarstellungsvorgängen wird durch Verwendung eines Farbmaßstabes (z. B. SpyderCheckr™) und mit Hilfe der Durchführung einer softwaregestützten Kalibrierung des Farbmanagements des Monitors oder eines Druckers realisiert, auf dem die Bilder später gutachterlich betrachtet werden sollen. Farbtreue und -konsistenz werden durch die Verwendung dieses Referenztools optimiert, dessen Einbindung in den workflow bereits zu Beginn der Auf-
nahmeprozesses eine Unabhängigkeit von der benutzten Kamera ermöglicht. Die Prozedur ist dabei denkbar einfach durch Verwendung einer Farbcode-Karte unter den gegebenen Umgebungsbedingungen der geplanten Aufnahme. Im Anschluss können die gewonnenen Bilddaten an beliebigen Ausgabegeräten kalibriert und somit möglichst farbgetreu betrachtet und bewertet werden. Nachfolgende Bildbeispiele demonstrieren den gewichtigen Einfluss der technischen Kalibrierung auf die Farbdetailtreue und unterstreichen den Nutzen der Verwendung solcher Hilfsmittel in der Digitalen Forensischen Fotografie.
P124 Die Bedeutung der PMCT bei Kindesmisshandlungen anhand eines Fallbeispiels – Frakturstadien im PMCT – S. J. Lochner, C. Grove, F. Fischer Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland Einleitung. Die postmortale CT (PMCT) gilt als leistungsfähige, teilweise der Sektion überlegene Methode, Frakturen bei kindlichen Todesfällen zu diagnostizieren. Methoden. Anlässlich des Falles eines 14 Monate alt gewordenen Mädchens, welches final in Folge eines subakuten Schütteltraumas verstirbt, lassen sich multiple Entstehungszeiten der Frakturen durch die Befundung der PMCT belegen. Die in diesem Fall verwirklichten unterschiedlichen Frakturstadien von Rippen, Rippenköpfchen und Tibia werden illustriert. Ergebnisse. Es ließen sich insgesamt 13 Frakturen zu mindestens 4 deutlich voneinander zu trennenden Zeitpunkten belegen. Die frühzeitige Diagnose multipler Zeitpunkte war durch die PMCT wesentlich effektiver möglich. In Abheilung befindliche Frakturen von Rippenköpfchen und Tibia waren nur durch die Durchführung und Befundung der PMCT praktikabel diagnostizierbar. Aus dieser frühen Diagnosestellung ergaben sich unmittelbare juristische Konsequenzen in der Beurteilung des Falles und für das polizeiliche Vorgehen. Schlussfolgerungen. Bei Todesfällen von Kindern ist eine postmortale hochauflösende Computertomographie mit verletzungsspezifischen, detaillierten Rekonstruktionen als unverzichtbare Untersuchungsmethode anzusehen, da ohne diese ein erhebliches Risiko besteht, relevante, teils sogar richtungsweisende Befunde zu übersehen. Es ist zu diskutieren, ob postmortale Computertomographien bei Todesfällen von Kindern ein schnelles Screening-Instrument bezüglich Misshandlungen darstellen könnten, das prinzipiell zur Anwendung kommen müsste.
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Autorenindex
Autorenindex A Abend, M. Ackermann, H. Ahne, S. Alamo, L. Albrecht, K. Alders, M. Allmann, J. Altenburger, M. Althaus, L. Amberg, R. Amendt, J. Anders, S. Angerer, V. Anzböck, O. Auwärter, V. Axmann, S.
V6 P66, P103, P106 P113 V92 V98 V2 V46 P57 V55 V32 V48, V49, P23 V67, P5 V13, P59, P61, P104 P71 V12, V13, P57, P59, P61, P62, P86, P104 V53, V57, V70
B Bajanowski, T. Balažic, J. Banaschak, S. Bangert, D. Baretton, G. Barinov, E. Bartsch, C. Basner, A. Bauer, Kl. Bauer, Kr. Baumann, P. Bausbacher, N. Bayer, R. Becker, S. Beckmann, B. Behmenburg, F. Bergmann, T. Bernhard, M. Bernhardt, V. Bernius, A. Beyer, V. Bezzina, C. Binder, S. Birkeneder, L. Birngruber, C. Blaas, V. Blank, A. Blum, S. Bockholdt, B. Bohnert, M. Bolliger, S. Bondarev, A. Bornik, A. Boy, D. Brackrock, D. Brand, K. Brandt, B. Brandt, J. Brandtner, H.
V29, V46, V55, V61, V86 P34 V55 P103 P1 P11 P2, P28, V33 V32 P16 V54, P67 V92, P119 V74 V30, P45 P74 V1, V2 V27 P68 P29 V49 P56 P79 V2 V55 P74 V28, V41, V84, P50, P72, P123 P54, P56 V34, P103 V31, P4 P46, P107 V71, P69, P70, P88 P2 P36 P114, P115, P116 P54 P46 V102 P77 V43 V38, P71, P89
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Braunwarth, R. Breitmeier, D. Bruchhaus, H. Bruckmann, S. Buck, U. Budde, E. Bulgaru, I. Burkhard, K. Bux, R. Böhm, M. Böhm, U. Bünger, J. Büttner, A.
P47, P91 V65, V68, P114 P74 P29 V56 V102 P97 P96 V99 P26 V64 P55 P53, P54, P55, P56, P90, P98, P93, P105
Flach, P. Flaig, B. Flieger, A. Fornaro, J. Franke, H. Franz, F. Franz, T. Frerichs, S. Fressmann, D. Friedrich, F. Froch-Cortis, J. Fröb, D. Fröhlich Knaute, D. Fukami, M. Furukawa, S.
V56 P71 V8, P85 V8, P85, P111 V54 P97
G
C Campana, L. Cemper-Kiesslich, J. Chowaniec, C. Chowaniec, M. Courts, C. Cuvşinov, I.
D Daldrup, T. Dame, T. Deibel, J. Delbridge, C. Deters, M. Dettmeyer, R. Diers, V. Doberentz, E. Dobosz, T. Dokter, M. Dreßler, J.
Drobnik, S.
V76, V78 V17, P58 P54 P93 V18 V75, V101, P8, P50 V96 V22, V83, V100, V104, P13, P25, P38, P39, P63, P84 P82 P46 V6, V14, V23, V30, V34, P29, P33, P45, P74, P75, P82, P83 V60, V69
E Edelmann, J. Egger, C. Eggers, A. Eickhoff, B. Einsle, R. Enders-Comberg, M. Eplinius, F. Erfurt, C. Ewald, A.
P82, P83 V92 P18 V10 P54 V29 V30 V18, V64, P104, P1 V19
Gafari, K. Galbavý, S. Gascho, D. Gasse, A. Gehl, A. Geisenberger, D. Georgieva, R. Germerott, T. Gerretsen, R. Gerstenmaier, U. Glardon, M. Glemser, P. Glenewinkel, F. Goede, A. GoncharukKhomyn, M. Gonnermann, A. Gottsmann, S. Grabherr, S. Grasmeyer, S. Grassegger, S. Graw, M.
P118 P14 V39 P2 V23 V13, P59, P61, P62 V17, P58 V28 P18 V60 V59 P19 V33 V43 P92
P21 P94 P118 V16 P19 P31, P47, P48, P49, P91 V11 V98 V11 P80 V53, V54, V57, V70, P91 V62, V90, V94, V95 V55 V23
V42 V102 P51 V84, V92, P119 V24 V88 V3, V5, V82, P7, P15, P16, P17, P18, P37, P93, P109 Grellner, W. P6, P43 Grieser, A. V76 Grimm, J. V92 Grove, C. V25, P124 Große Perdekamp, M. P47, P91 Grulich-Henn, J. V62 Grundmann, C. V10 Grünewald, S. P117 Gumpert, S. V58 Götz, M. P93 Günzel, A. V14
H F Fabian, J. Falk, M. Fiebiger, K. Finke, R. Fischer, F.
P26 V27 V66 P27 V7, P124
Hachmann, C. Hagemeier, L. Hahnemann, M. Hama, M. Hammer, U. Hara, K.
P70 V102 V61 V4 P90 P42
Hardt, C. Hartung, B. Hausmann, R. Heger, A. Heide, S. Heinemann, A. Heinze, S. Hejna, P. Held, H. Hellen, F. HermannsClausen, M. Heroux, V. Hertel, B. Hess, C. Hipp, R. Hitosugi, M. Hoffmann, K. Hohner, M. Holtkötter, H. Holz, F. Horres, R. Hosemann, S. Hottinger, A. Hubig, M. Huhn-Wientgen, R. Humrich, A. Hunger, H. Hunold, T. Huppertz, L. Héroux, V. Höller, J. Höppner, J. Hülder, J.
V68 V76 V31, P4 V90, V94 V96, P26 V66, V84, V93, P99, P120, P121, P122, P114 P88 V35 V76 V13, P59 V65 V1 V21, V77, P35, P51, P60 V7 P92 P80 P6, P43 P79 V41 V48 V25 V89 V60, V69 V27 P16 V79 V69 V12, P86 V68 P116 P55 P13
I Iachimov, O. Ikematsu, K. Illing, H. Immel, U. Ishida, Y.
P36 P44 P101 V45, P76 V4
J Jachau, K. Jackowski, C. Jacobi, S. Jansen, K. Japes, A. Jellinghaus, K. Jenewein, T. Jeraufke, S. Johanns, S. Jokiel, M. Jung, H. Jung, T. Junker, R.
V63 V53, V57, V56, V85, V89, V91 P104 V103 V30 P69, P70 V2 P74 P55 V15 P95 P69, P70 P77, P78
K Kabiesz-Neniczka, S. P85 Kainz, S. V36, V37, P108 Kamphausen, T. V55
Kanz, F. Karger, B. Kashiwagi, M. Kauczor, H. Kauferstein, S. Kawaguchi, M. Kawaguchi, T. Kawecka-Negrusz, M. Kegler, R. Keil, W. Keller, T. Kempf, J. Keresztesi, A. Kernbach-Wighton, G. Kettner, M. Kiess, W. Kilgenstein, C. Kimura, A. Kinast, R. Kirsch, B. Kislov, M. Kitao, T. Kithinji, J. Klasinc, I. Klein, M. Kleinecke, J. Klevno, V. Klima, M. Klintschar, M. Klohs, G. Klupp, N. Kluza, P. Kneubuehl, B. Knut, B. Koberg, D. Koch, E. Koenemann, N. Kofan, A. Kohl, M. Kondo, T. Konermann, P. Korczyńska, M. Kovacs, A. Kovács, A. Kozlowski, J. Kralj, E. Kramer, L. Krauskopf, A. Krentz, B. Kroll, T. Kröll, A. Krüger, J. Kubat, B. KUBO, S. Kulikowska, J. Kulstein, G. Kuninaka, Y. Kunz, S. Kurenz, A. Kääb, S. Köhler, H. Kölzer, S. König, C.
P64, P71 V61 P42 V95 V1, V2 V4 V4 P82 P53, P54, P55, P98, P105 V43 P89 P57, P86 P95 P13, P35, P39, P40, P60, P100 V19, V35, V39, V44, V84, P102, P123 P29 P55 V4 V49 V75 P9, P10, P73 V26 V13 P30, P32 P77 P74 P10, P73 P57 V98, V102 P27 P64 V9 V53, V57, V70 V63 V65 P109 P15 P12 P83 V4, V43 P64 P87, P111 V80 P112 P98 P34 P31, P47, P48, P49, P91 V62, V90, V94, V95 V92 V78 P102, P123 P109 V11 P42 P87, P111 P80 V4 P89 P27 V1, V2 V16 V28, V35, V39, P96 P29, P33
L Laberke, P. Labudde, D. Lang, J. Lange, L. Laschke, M. Lehmann, C. Lehn, C. Lehr, T. Lessig, R. Lichtinghagen, R. Lindenberger, L. Lindner, I. Lochner, S. Lombardo, P. Longato, S. Lopatin, O. Lutz-Bonengel, S. Lösch, S.
P118 V81, P68, P74, P114 V101, P50 P20, P96 V19 P53 V82 V19 V10, V45, V96, P26, P27 P52, P76, P101 V102 P66 P98 P124 V52, V91 V40, V50 V9 P76 P64
M Madea, B.
Mall, Ge. Mall, Gi. Maltsev, A. Maltseva, N. Mangin, P. Manhart, J. Markert, L. Marschall, C. Martinez, R. Marx, A. Matsusue, A. Mauf, S. Maurer, H. Maus, S. Mausbach, J. Mayer, F. Mehling, L. Meinel, J. Meißner, D. Menger, M. Mercer-ChalmersBender, K. Miederer, I. Miltner, E. Mindiashvili, N. Miny, P. Mitschke, S. Miyaishi, S. Modrow, J. Monticelli, F. Moosmann, B. Morgenthal, S. Morita, S. Mortsiefer, L. Moskała, A. Muggenthaler, H. Murase, T. Musshoff, F. Märtens, G.
V21, V22, V24, V77, V83, V100, V104, P13, P25, P35, P38, P39, P40, P41, P51, P60, P63, P84, P100 V44 V60, V69, V97 P12 P11 P119 P54, P98 P106, P107 V2 P2, P28 V99 P42 P28 V19 V74 V33 V27 P51 P1 P98 V19 V59 V74 P80 V76 V2 P51 V26 P77, P78 V38, P89 V12, P59, P61 P45 P92 V72 V9 V60, V69 P44 V17, V77, P58, P109 V64
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Autorenindex Möhle, F. Müller, E. Müller, K. Müller, R. K. Müller, R.
P39, P40, P100 P71 P33 V72 P67
Port, A. P54, P90 Preuß-Wössner, J. V32, V58 Prüfer, S. V95 Pülschen, D. P54 Püschel, K. V66, V67, V86, P19, P21 P121, P122 Pădure, A. P36
N Nagy, M. Nahrmann, J. Nastainczyk-Wulf, M. Naue, J. Naylor, C. Nerlich, A. Neuhuber, F. Neukamm, M. Nickel, P. Niederegger, S. Niederstadt, T. Nishi, K. Niznansky, L. Nižnanský, L. Nogina, A. Nosaka, M. Nowicka, J. Nowotni, C. Nowotnik, J.
V47 P23 P82 P81 P24 V25 P71 P57 P29 V97 V61 P92 V80 P112 P12 V4 P87, P111 P81 P54
O Ohm, C. Ondruschka, B. Ondruscka, B. Ormandy, L. Ortmann, J. Osterhues, H. Oswald, S. Ottilinger, T. Ottow, C. Oude Grotebevelsborg, B.
P78 V23, V30, P45 V6 P6 V22, P25, P38, P41 V2 V24 P4 V87 V11
Paul, L. Paulke, A. Peldschus, S. Persson, A. Peschel, O. Pfeiffer, H. Pflugbeil, A. Philipp, K. Pieprzyca, E. Pietsch, J. Pircher, R. Plenzig, S. Podbregar, M. Poetsch, M. Pollak, S.
Rabl, W. Ramsthaler, F.
V50 V28, V44, V84, V86, P102, P123 Rentsch, D. P55, P56, P98, P105 Richter, C. P52 Riener-Hofer, R. V36, V37, P30, P108 Rindlisbacher, A. V52 Ritter, A. P52 Rittner, C. P65 Ritz-Timme, S. V27, V76 Riva, F. V52 Rixecker, R. V44 Riße, M. V101, P8 Roider, G. P109 Romanko, N. P9, P73 Romaszko, K. V9 Romodanovsky, P. P11 Rosendahl, W. P51, P63, P70 Ross, S. P118 Roth, E. V76 Rothschild, M. V55, V59 Rothämel, T. V98 Roßmann, A. V82 Ruder, T. P118 Rudolph, T. P33 Rummel, J. P54, P90 Rygol, K. V8, P85 Rzepecka – Woźniak, E. V9 Röcker, T. P8 Röhrig, J. V74 Rönsch, M. V96
S
P Padure, A. Pallua, J. Paradowski, I. Parzeller, M.
R
P97 V40 V67 V34, V35, P14, P20, P23, P66, P103, P106, P107, P110 P109 V20 P15, P18 V85, V89 V3, V5, V7, V25 V16, V61, V86, V87, P79 P68, P74 P46 P87, P111 V18, P104 P31, P47, P48, P49, P91 V39, P96 P34 V46 P31, P47, P48, P49, P91, P113
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Sachs, H. Sakamoto, S. Saternus, K. Scharf, F. Scharte, P. Schebesta, N. Scheibe, E. Scheiper, S. Scheurer, E. Schick, S. Schiwy-Bochat, K. Schlegel, J. Schlemmer, H. Schlote, J. Schmauder, M. Schmeling, A. Schmidt, P. Schmidt, S. Schmidt, Ul. Schmidt, Uw. Schober, K. Schreckenberger, M.
V17, P58, P109 V4 P72 V7 V86 P17 P75 V1 P30, P117 P15, P16, P17 V59 P93 V90, V95 V19, V44, P102, P123 P63 V86, V87 V19, P38, P84, P102 V87, V86 V2, P31, P81 V64, P1 V6, V23 V74
Schröder, A. Schröder, C. Schulz, K. Schulz, R. Schwark, T. Schwarz, G. Schweigmann, U. Schweitzer, W. Schwendener, N. Schwender, H. Schwerer, M. Schwörer, N. Schyma, C. Schäfer, N. Schäfer, T. Schärli, S. Schöpfer, J. Schürenkamp, J. Schürenkamp, M. Seifert, D. Seitz, A. Shoichi, S. Sibbing, U. Šidlo, J. Sidlova, H. Siegenthaler, L. Siems, A. Šikuta, J. Simons, D. Sirko, S. Skopp, G. Skowronek, R. Sobieszczanska, M. Sommer, G. Sperhake, J. Spiridonov, V. Stachel, N. Steinecke, H. Steinhagen, R. Steinhäuser, A. Steinmeier, E. Steinmetz, S. Stern, D. Sterzik, V. Steube, X. Stiegler, F. Stockhausen, S. Stoevesandt, D. Stronczek, C. Stumm, C. Szczepański, M.
P3, P99 P5 V18 V86, V87 P30, P32, P77, P78, P114, P115, P116 V17, P58 V50 V33, P118 V85, V89, V91 V76 V3, V5, P7, P37 P62 V52, V53, V54, V56 V70, P67 V19 V102 P2 P93 V16 V16, P79 V66, V67 V62 V43 P79 V80, P112, P94 V80 V53, V57, V70 P14 V80, P94, P112 V90 P93 V15, V73 V8, P85, P111 P82 V23 V103, P3, P99, P122 P22 V73 V79 P105 P54 P78 V17 V88 V71 V97 P33 V104, P13, P40, P100 V96 P86 P117 V8, P85
T Takata, T. Takayama, M. Temme, O. Thali, M. Thiel, G. Thiele, K. Thome, J. Tighineanu, S. Tiltmann, P. Trauer, H. Trübner, K.
V26 P42 V78 V33, P118 V1 P74, P75 P55 P97 V97 V14 V29, P95
Turcu, M. Tzikas, A. Tönnes, S.
P95 V93, P120 V20
U Uebbing, K. Umehara, T. Urban, R. Urschler, M.
V65, V68, V74 P44 V65, V68, V74 V88
V Valent, D. van Wijk, M. Varfolomeiev, E. Vennemann, M. Verhoff, M. Vieth, V. Vogel, B. Vogel, H. Vogl, S. Vogt, S.
V80, P94, P112 V11 V51 V16, P79 V20, V28, V35, V39, V41 V48, V84, V49, P14, P20, P96 P106, P107, P123 V86 P121, P122 V93, P120, P121, P122 V3, V5 P86
Voichenko, V. Volker, V. von WurmbSchwark, N.
V51 V87 P77, P78
W Wagner, A. Wagner, R. Wagner, W. Warntjes, M. Waters, B. Weber, M. Weinfurtner, G. Weinzierl, W. Weise, A. Weiß, I. Widek, T. Wiegand, P. Wilde, A. Wilke-Schalhorst, N. Windfuhr, J. Wingenfeld, L. Wittig, H. Wittschieber, D. Wittwer-Backofen, U.
P18 V83, V100 P80 V85, V89 P42 P52 P62 P70 P74 P52 P30 P80 V2 P99 P99 P92 P117 V61, V86 P70
Wojtyniak, J. Wollersen, H. Wolpert, C. Woźniak, K. Wulff, B. Wunder, C. Wöllner, K. Wöss, C.
V19 V75 V2 V9 P21 V20 V21, V77, P100 V40, V50
Y Yamamoto, T. Yamasaki, Y. Yen, K.
P44 V26 V62, V90, V94, V99
Z Zack, F. Zajac, B. Zander, J. Zaumsegel, D. Zech, W. Zehner, R. Zerlauth, J. Zesch, S. Zindler, K.
P90 V48 V47 P70 V85, V89, V91 V48, V49, P23 P119 P63 P6, P4
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