Abstracts Schmerz 2007 · [Suppl 1] 21:1–148 DOI 10.1007/s00482-007-0588-6 © Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes 2007. Published by Springer Medizin Verlag – All rights reserved
Veranstalter Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft In Zusammenarbeit mit Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie Deutsche Schmerzgesellschaft Tagungsort Maritim Hotel Berlin Stauffenbergstraße 26 10785 Berlin Kongresspräsidenten Prof. Dr. med. Michael Zenz Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer In der Schornau 23-25 44892 Bochum Priv.-Doz. Dr. med. Uwe Reuter Charité Universitätsmedizin Berlin, Neurologische Klinik und Poliklinik Charitéplatz 1 10117 Berlin Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Komitees R. Baron, Kiel H.-R. Casser, Mainz C. Derra, Bad Mergentheim S. Evers, Münster G. Haag, Königsfeld H. Kayser, Bremen T. Kohlmann, Greifswald P. Kropp, Rostock H. Laubenthal, Bochum G. Lindena, Kleinmachnow W. Magerl, Mainz A. May, Hamburg J. Nadstawek, Bonn F. Nauck, Göttingen P. Nilges, Mainz J. Osterbrink, Nürnberg M. Pfingsten, Göttingen M. Schiltenwolf, Heidelberg C. Sommer, Würzburg H. Sorgatz, Darmstadt A. Straube, München R.-D. Treede, Mainz A. Wiebalck, Bochum A. Willweber-Strumpf, Bremen Posterkommission R. Baron, Kiel W. Magerl, Mainz C. Maier, Bochum P. Nilges, Mainz J. Osterbrink, Salzburg A. Straube, München M. Thomm, Köln T. R. Tölle, München
Deutscher Schmerzkongress 2007
Schmerz in Deutschland
Berlin, 24.–27. Oktober 2007 www.schmerzkongress.de
Grußwort Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, „Schmerz in Deutschland“ – das ist das Motto, unter dem wir Sie herzlich zusammen mit den Präsidien der beiden veranstaltenden Fachgesellschaften, DGSS und DMKG, und zusammen mit den kooperierenden Gesellschaften, DIVS und DSG, wieder nach Berlin einladen. Die bewährte Kooperation dieser medizinischen Fachgesellschaften ist nun schon Tradition und zeigt zugleich an, dass Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie interdisziplinäre Aufgaben geworden sind. Im Besonderen gilt dies sobald der Schmerz chronisch geworden ist und sich zu einer Schmerzkrankheit entwickelt hat. Das Motto für den Deutschen Schmerzkongress 2007 soll umfassend auf die Situation in Deutschland hinweisen: Schmerz in der Forschung – Deutschland nimmt hier eine führende Rolle ein. Schmerz in der Klinik, wo wir immer noch erhebliche Defizite beklagen müssen, obwohl alle Mittel und Methoden zur Verfügung stehen. Schmerz in der Praxis, wo prophylaktische Methoden bisher noch zu wenig Platz gegriffen und immer noch zu viele Patienten durch zu späte oder falsche Therapiemaßnahmen in die Chronifizierung getrieben werden. Schmerz in der Ausbildung – bisher sind weder Schmerztherapie noch Palliativmedizin Pflichtfächer geworden. Schmerz in der Weiterbildung, wo zu wenig Grundlagen für eine qualifizierte Diagnostik und Therapie gelegt wurden. Schmerz und Qualitätssicherung – DGSS und DMKG haben durch eine Vielzahl von Leitlinien und Qualitätssicherungsmaßnahmen hier deutliche Beispiele gesetzt. Schmerz und Studententag, in dessen Rahmen wir uns bemühen wollen, die Defizite im Studium zumindest teilweise zu kompensieren. Und schließlich auch Schmerz in der Gesundheitspolitik, wo das Verständnis für Schmerz als eigenständige Erkrankung weder in der ICD noch in der EBM angekommen ist. Aber auch Schmerz und neue Methoden, Mittel und neues Grundlagenwissen und damit neue Hoffnung für eine bessere und effektivere Therapie. Die 4 Tage im Oktober 2007 werden wieder mehr als 2000 Interessierte zusammenführen und einen update der aktuellen Situation in Deutschland erlauben. Wir freuen uns auf einen lebhaften und interessanten Gedankenaustausch mit Wissenschaftlern, Praktikern, Klinikern, Studenten, Pflegekräften, Politikern und allen, die an einem Fortschritt in der Schmerztherapie interessiert sind. Mit herzlichen Grüßen
Prof. Dr. Michael Zenz Kongresspräsident der DGSS
Priv.-Doz. Dr. Uwe Reuter Kongresspräsident der DMKG Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Der Schmerz Impressum • Imprint Eigentümer: Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007, Springer Medizin Verlag GmbH, Tiergartenstr. 17, 69121 Heidelberg, Tel. +49 6221/487-0, springer.de © Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Published by Springer Medizin Verlag - all rights reserved [2007]. Ausgenommen hiervon sind Beiträge ohne diesen Hinweis in den bibliografischen Angaben. Geschäftsführung: Dr. Georg Ralle (Vorsitzender), Dr. Thomas Thiekötter Leitung Fachzeitschriften Medizin/Psychologie: Dr. Esther Wieland (v.i.S.d.P.) Stellv.: Dr. Nataša Djordjevi´c, Dr. Paul Herrmann Chef vom Dienst/Redaktion: Dr. Frank Sommerauer Redaktion „Der Schmerz“ Dr. Julia Fricke, Tel. -8950, Fax -8461,
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Der Schmerz [Suppl 1] • 2007
Organ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes der Österreichischen Schmerzgesellschaft und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie und der Schweizerischen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und der Sertürner Gesellschaft Federführende Herausgeber/Editors-in-Chief Prof. Dr. L. Radbruch, Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Palliativmedizin, Aachen Assistenz: PD Dr. F. Elsner, Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Palliativmedizin, Aachen Prof. Dr. H.-G. Schaible, Universitätsklinikum Jena, Institut für Physiologie, Jena Herausgeber/Editors Prof. Dr. E. Alon, Praxis für Schmerztherapie, Facharzt FMH für Anästhesiologie, Zürich (Schweizerische Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) Prof. Dr. M. Bach, Abteilung für Psychiatrie Steyr und Department für Psychosomatik Enns, Landeskrankenhaus Steyr (Österreichische Schmerzgesellschaft) Prof. Dr. E. Beubler, Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie, Graz Prof. Dr. A. Doenicke, Institut für Anästhesiologie, München Prof. Dr. G. Geißlinger, Klinikum der Joh. Wolfgang Goethe-Universität, Institut für klinische Pharmakologie, Frankfurt am Main Prof. Dr. H. Göbel, Schmerzklinik Kiel GmbH & Co., Kiel Dr. U. Hankemeier, Klinik für Anästhesiologie, Bielefeld Prof. Dr. M. Hasenbring, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Bochum Prof. Dr. J. H. Laubenthal, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsklinik für Anaesthesiologie am St. Josef Hospital, Bochum (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie) PD Dr. R. Likar, Schmerzzentrum LKH, Klagenfurt Prof. Dr. C. H. Maier, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Bochum PD Dr. A. May, Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (UKE), Neurologische Klinik, Hamburg Prof. Dr. W. Nix, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Johannes Gutenberg Universität Mainz Dr. W. Sohn, Kempen PD Dr. M. Strumpf, Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Rotes Kreuz Krankenhaus Bremen Prof. Dr. R.-D. Treede, Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Mainz Prof. Dr. V. Tronnier, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Klinik für Neurochirurgie, Lübeck Prof. Dr. M. Tryba, Städtische Kliniken, Kassel Prof. Dr. Ralf Wittenberg, St. Elisabeth Hospital, Herten Prof. Dr. M. Zenz, Universitätsklinik BG-Kliniken Bergmannsheil, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Bochum (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) PD Dr. B. Zernikow, Universität Witten/Herdecke, Institut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik, Datteln Prof. Dr. M. Zimmermann, Neuroscience & Pain Research Institute, Heidelberg Rubrikherausgeber/Section Editors Für Sie gelesen/Journal Club Prof. Dr. W. Nix, Mainz • Prof. Dr. M. Tryba, Kassel Weiterbildung • Zertifizierte Fortbildung/Continuing Medical Education Prof. Dr. H. Göbel, Kiel • PD Dr. R. Sabatowski, Dresden Mitteilungen der DGSS/Notifications from the DGSS Prof. Dr. M. Zenz, Bochum International Advisory Board: PhD S. M. Colleau, Madison, USA • MD R. K. Portenoy, New York, USA MD PhD N. Rawa, Örebro, Schweden • S. A. Schug, Perth, Australia MD M. Stanton-Hicks, Cleveland, USA • Dr. R. G. Twycros, Oxford, UK PhD D. Turk, Pittsburgh, USA
Der Schmerz
Der Schmerz [Suppl 1] • 2007
Plenarsitzung Präsidentensymposium
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Berufspolitik, BMBF, Chronifizierung, DGSS meets Entscheidungen für die spezielle Schmerztherapie Wie wird Schmerztherapie in Zukunft vergütet? Gemeinsam den gesundheitspolitischen Herausforderungen begegnen Epidemiologie verschiedener chronischer Schmerzsyndrome Schmerz, Kognition und Emotion Deutsches Kopfschmerzkonsortium Failed Back Surgery Grundlagen und Konzepte der Schmerztherapie in Orthopädie und Unfallchirurgie
5 5 6 8 9 10 11 11
Grundlagenforschung Genetik und Schmerz Zentrale Schmerzverarbeitung und Schmerzmodulation Zytokine bei Schmerz und Analgesie Yin und Yang der Nozizeption: Wenn Hemmmechanismen zur Schmerzursache werden Hyperalgesie durch unterschwellige nozizeptive Signale im ZNS Kontrolle von Schmerz und Entzündung durch das Gehirn Schmerz und Juckreiz Sensibilisierung durch Nervenwachstumsfaktor (NGF)
13 13 14 15 16 17 18 19
Interdisziplinarität Religiosität/Spiritualität bei Patienten mit chronischen Schmerzen Anforderungen an interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie-Programme Physiotherapie: Was kommt an in der Praxis? Schmerz in Grenzsituationen
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Kopfschmerz, Gesichtsschmerz Interdisziplinäre Therapiestrategien bei untersch. Formen von Mundund Gesichtsschmerzen Kopfschmerz und Geld Innovative pharmakologische Therapieansätze der Migräne Verhaltenstherapie bei Kopfschmerzen Mechanismen von NO und CGRP bei idiopathischen Kopfschmerzen Verhaltenstherapie bei Kopfschmerzen Interventionelle Therapieverfahren bei Kopfschmerzen Komorbidität der Migräne
24 24 25 26 26 27 27 28
Neuropathischer Schmerz CRPS: Motorik und Schmerz Sympathikus und Schmerz – ein „3-schneidiges“ Schwert? Schmerz und Nozizeption bei querschnittgelähmten Patienten
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Palliativmedizin Palliativmedizin und Tumorschmerztherapie – Chancen für die Zukunft? Palliativmedizin – Versorgung und Weiterbildung
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Perioperativer Schmerz Adjuvante Verfahren in der Akutschmerztherapie
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Pflegewissenschaften Was ist das Gute an der guten Pflege ? Pflegesymposium
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Pro und Kontra Somatoforme Schmerzstörung
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Psychologie Der Placeboeffekt in der Schmerztherapie Extremtrauma, PTBS und Schmerz Ziele im Umgang mit Schmerz: Kontrolle und Selbstwirksamkeit oder Akzeptanz?
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Der Schmerz
Der Schmerz [Suppl 1] • 2007
Rückenschmerzen Bewegung, Sport und Rückenschmerz: ein rätselhaftes Paradigma? Rückenschmerzen – Bedeutung der funktionellen und strukturellen Integrität Myofasziale Rückenschmerzen: Neues aus Forschung und Klinik Krankheitslast und Kosten des Rückenschmerzes in Deutschland
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Schmerz bei Kindern, Schmerz im Alter Therapie chronischer Nicht-Tumorschmerzen im Kindes- und Jugendalter Evidenz basierte Richtlinien und Empfehlungen für eine Schmerztherapie im Alter
47 47
Tumorschmerz Tumorschmerz – Kontroversen
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Update Primäre Kopfschmerzen Neue Ansätze in der Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome Update Kopfschmerz: Sekundäre Kopfschmerzerkrankungen
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Versorgungsforschung Versorgung von Patienten mit Rückenschmerzen DGSS-Leitlinie über mehrwöchige Opioidanwendungen bei Patienten mit Nicht-Tumor Schmerz Opioidentzug – Indikation, Durchführung und Langzeitprognose bei Patienten mit Opioidabhängigkeit Komplikationen in der Akutschmerztherapie: erkennen, therapieren, vermeiden
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Workshops Chronische Gesichtsschmerzen
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Assoziierte Symposien, Lunchsymposien Schmerztherapie – Quo vadis? Facetten neuropathischer Schmerzen Nie mehr Post Herpetische Neuralgie? Durchbruchschmerz – neue Wege in der Therapie Restless Legs Syndrom – frühe Weichenstellung durch den Schmerztherapeuten Medikamentöse Behandlung von Bewegungsschmerz – Strategien und Evidenzen
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Praktikerseminare
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Studententag
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Poster P1 Pflege I P2 Pflege II P3 Rückenschmerz und Bewegungsapparat I P4 Rückenschmerz und Bewegungsapparat II P5 Experimentelle Schmerzmodelle I – QST (Mensch) P6 Experimentelle Schmerzmodelle II (Tiermodelle) P7 Kopfschmerz I P8 Kopfschmerz II P9 Neuropathischer Schmerz I P10 Neuropathischer Schmerz II P11 Pharmakologische Therapie des Schmerzes I P12 Pharmakologische Therapie des Schmerzes II P13 Psychologie des Schmerzes P14 Psychotherapie und multimodale Therapie P15 Akutschmerz und Palliativmedizin P16 Physikalische und andere Therapieverfahren, Versorgung Poster Preisträger Deutscher Schmerzpreis
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Autorenverzeichnis
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Plenarsitzung Präsidentensymposium Channels, Genes, Hormones and Migraine M. A. Moskowitz Neuroscience Center, Departments of Radiology and Neurology Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Boston, MA USA The molecular and cellular origins of migraine headache are among the most complex problems in contemporary neurology. To meet these challenges, researchers have successfully applied the tools of neuroimaging, neurogenetics, neuropharmacology and neurophysiology. With recent advances, we now have a clearer description of cellular events that characterize the migraine visual aura such as cortical spreading depression, and emerging knowledge about how these events promote the development of headache. This presentation will review translational advances with special emphasis on the evidence implicating genes regulating ion channels and pumps, sex hormones and migraine prophylactic drugs as modulators of cortical spreading depression (CSD). Cortical spreading depression, a slowly propagating wave of neuronal and glial depolarization, was first linked to visual aura in the 1940’s based on the close correspondence between CSDs known neurophysiological characteristics and the evolving visual percept of migraine. High field strength, near-continuous BOLD imaging recordings during visual aura substantiate this association (1) and implicate CSD as a noxious event capable of triggering headache (2). In knock-in mice expressing the Familial Hemiplegic Migraine -1 missense mutation in a gene encoding a subunit of Cav2.1 (P/Q calcium channel), susceptibility to evoked CSDs is enhanced (3), but especially in female mice. This male-female difference in mutant mice is abolished after oophorectomy and in non-estrous cycling aged female mice. In addition to sex hormones and genes regulating ion translocation, CSD is modulated in normal rats by chronic administration of migraine prophylactic drugs (4). Valproate, topirimate, amitriptyline, propranolol and methysergide suppressed CSD susceptibility in a dose and time-dependent manner, whereas the clinically-inactive D-enantiomer of propranolol did not. These and other experimental data are consistent with the notion that headaches developing after migraine aura are caused by CSD-induced release and extracellular buildup of noxious molecules normally sequestered in neuronal and nonneuronal cellular compartments (2,5). Trigeminovascular activation is enabled by CSD-induced protease activation (particularly MMP9) and mild disruption of the blood brain barrier (6), facilitating the movement of algogenic molecules across basement membranes and glial limitans to trigger meningeal perivascular afferents. The translational relevance and congruence of this body of work to the phenotype of common forms of migraine will be discussed. 1. Hadjikhani N, Sanchez del Rio M, Wu O, Schwartz D, Bakker D, Fischl B, Kwong KK, Cutrer FM, Rosen BR, Tootell RBH, Sorensen AG, Moskowitz MA. Mechanisms of migraine aura revealed by functional MRI in human visual cortex. Proc Natl Acad Sci U S A. 2001;98:46874692. 2. Bolay H, Reuter U, Dunn AK, Huang Z, Boas DA, Moskowitz MA. Intrinsic brain activity triggers trigeminal meningeal afferents in a migraine model. Nat Med. 2002;8:136-142. 3. van den Maagdenberg AMJM, Pietrobon D, Pizzorusso T, Kaja S, Bross LAM, Cesetti T, van de Ven, RCG. A Cacnala Knockin migraine mouse model with increased susceptibility to cortical spreading depression. Neuron 2004;41:701-710. 4. Ayata C, Jin H, Kudo C, Dalkara T, Moskowitz MA. Suppression of cortical spreading depression in migraine prophylaxis. Ann Neurol. 2006;59:652-661.
5. Moskowitz MA, Nozaki K, Kraig RP. Neocortical spreading depression provokes the expression of c-fos protein-like immunoreactivity within trigeminal nucleus caudalis via trigeminovascular mechanisms. J Neurosci. 1993;13:1167-1177. 6. Gürsoy-Özdemir Y, Qiu J, Mastuoka N, Bolay H, Bermpohl D, Jin H, Wang X, Rosenberg GA, Lo EH, Moskowitz MA. Cortical spreading depression activates and upregulates MMP-9. J Clin Invest. 2004;113:1447-1455.
Berufspolitik Entscheidungen für die spezielle Schmerztherapie Was erwartet die KV von den Schmerztherapeuten? L. Hansen Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Die Erwartungen, die die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein an die Schmerztherapeuten hat, lassen sich klar formulieren: 1. Sicherstellung der schmerztherapeutischen Versorgung 2. Engagement als qualifizierter Palliativarzt im Rahmen der ambulanten Palliativversorgung 3. Einhaltung der Prinzipien einer rationalen Pharmakotherapie In Fortführung der alten nordrheinischen Schmerztherapievereinbarung hat die kassenärztliche Bundesvereinigung 2005 mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen eine bundeseinheitliche Qualitätssicherungsvereinbarung zur Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen geschlossen. Die Vereinbarung hat das Ziel, Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Versorgung chronisch Schmerzkranker sicherzustellen. Neben Anforderungen an die fachliche Qualifikation sind auch die Voraussetzungen an die räumliche und apparative Ausstattung vereinbart. Der zweite Punkt bezieht sich auf die ambulante flächendeckende palliativmedizinische Versorgung. Das Rahmenkonzept des Landes Nordrhein-Westfalen sieht ein zwei-stufiges Versorgungskonzept vor. Die KV Nordrhein erwartet von den Schmerztherapeuten im Rahmen der entsprechenden Verträge ein Engagement als qualifizierter Palliativarzt. Weitestgehende Schmerzfreiheit respektive Verringerung von Schmerzen ist ein essentieller Bestandteil der palliativmedizinischen Versorgung, um das Therapieziel, nämlich die Aufrechterhaltung einer größtmöglichen Lebensqualität, zu erreichen. Die Einhaltung der Prinzipien einer rationalen Pharmakotherapie ist aus Sicht der KV Nordrhein eine weitere Forderung an die Schmerztherapeuten. Konkretisiert werden die Prinzipien durch Empfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Auch wenn beispielsweise Anästhesisten als Schmerztherapeuten keine Metoo-Quote einhalten müssen, so sollten sie doch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS), der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) folgen und preisgünstige Generika vorrangig vor hochpreisigen, patentgeschützten Arzneimitteln ohne ausreichend nachgewiesenen Zusatznutzen (d.h. „Me-too“-Präparaten) einsetzen.
Wie wird Schmerztherapie in Zukunft vergütet? Stationäre Fallpauschalen: Abbildung der Schmerztherapie im G-DRG-System 2008 C. Jacobs Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) Auf Grundlage der Daten des Jahres 2006 erfolgt im Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) derzeit die Weiterentwicklung des G-DRG-Systems zur Version 2008. Der Vortrag „StatiDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts onäre Fallpauschalen: Wesentliche Änderungen für G-DRG 2008 und Abbildung der Schmerztherapie“ wird die wichtigsten Verbesserungen in Bezug auf die Fallkostenkalkulation sowie bedeutende Veränderungen der DRG-Klassifikation und des Fallpauschalenkatalogs (einschließlich der Zusatzentgelte) vorstellen. Insbesondere wird auch auf die Abbildung schmerztherapeutischer Leistungen eingegangen. Da die Entwicklung der G-DRG-Version 2008 momentan (8.8.2007) noch nicht abgeschlossen ist, ist eine genauere thematische Eingrenzung noch nicht möglich. Anforderungen der Kostenträger an neue Versorgungsformen H. Müller Techniker Krankenkasse, Stabsstelle strategisches Vertrags- und Versorgungsmanagement Die Kostenträger planen neben den kollektiv vertraglich vereinbarten Versorgungsformen zukünftig vermehrt einzelvertragliche Regelungen. Maßgebliche Motivation hierfür liefern politische Vorgaben, der Wettbewerb unter den Krankenkassen und auch die Erwartungen und Forderungen der Leistungserbringer. Im Zuge dieser Entwicklung erhöhen sich die Chancen für von Leistungserbringern und Kostenträgern gemeinsam gestaltete neue Versorgungsformen. Voraussetzung für erfolgreiche gemeinsame Modelle sind Kenntnisse über anschlussfähige Leitbilder der jeweiligen Partner. In dem Beitrag sollen die Potenziale, Erwartungen und Ansprüche hinsichtlich der Evidenzbasierung und der aktiven Patientenbeteiligung in neuen Versorgungsformen aus Sicht eines strategischen Versorgungsmanagements dargestellt werden. Die Evidenzbasierung der gesamten Gesundheitspolitik ist theoretisch und gesellschaftlich konsentiert. In der Umsetzung ergeben sich immer wieder Hindernisse, da mit traditionellen Verhaltensmustern und Ansprüchen gebrochen wird und die Ansprüche der Evidenzbasierung selbst nicht einfach zu erbringen sind. Beispielhaft soll demonstriert werden, dass die Evidenzbasierung von medizinischen Verfahren alternativlos und daher konsequent weiter zu entwickeln ist. Die Patienten verändern ihre Anspruchshaltungen. Die Einbeziehung in die Behandlungs- und auch Pflegeprozesse ist für die Mehrzahl der Menschen ein hohes Gut, das aber in der Versorgungsrealität (oft) nicht erreicht wird. Versichertenbefragungen der TK zur Folge wollen 95% der Patienten allein oder aktiv mit dem Arzt über die medizinische Behandlung entscheiden. Die „informierte Entscheidungs-Findung“ als qualitativer Kern einer optimierten Betreuung setzt evidenzbasierte Informationen voraus und erfordert vermehrt Schulung und Beratung im Behandlungsprozess. Die Evidenzbasierung der Verfahren und die aktive Einbeziehung der Patienten mit dem Ziel einer informierten Entscheidung stellen besonders attraktive Elemente neuer Versorgungsformen dar.
Gemeinsam den gesundheitspolitischen Herausforderungen begegnen – der Berufsverband der Schmerztherapeuten in Deutschland e.V. (BVSD) stellt sich vor Schwerpunkte der schmerztherapeutischen Berufspolitik: Der Standpunkt des Berufsverbandes der Schmerztherapeuten in Deutschland (BVSD) R. Thoma Interdisziplinäres Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin, Krankenhaus der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e. V. Der Berufsverband der Schmerztherapeuten in Deutschland e.V. (BVSD) ist im Dezember 2006 auf Initiative der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) und der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS) sowie mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung e.V. (DGPSF) gegründet worden. Mit dem BVSD hat erstmals eine berufsständische Interessenvertretung die gesundheitspoli-
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tische Bühne betreten, die eine Einigung und Neuordnung der heterogenen schmerztherapeutischen Versorgungslandschaft herbeiführen will. In der Vergangenheit war es nicht immer gelungen, der Schmerztherapie in den Gremien von Politik und Selbstverwaltung Gehör zu verschaffen. Organisationsform des BVSD: Der BVSD wird auf Bundesebene berufspolitisch aktiv. In jedem Geltungsbereich einer Kassenärztlichen Vereinigung wurde ein eigener Landesverband des BVSD gegründet. Die Landesverbände nehmen berufspolitische Aufgaben regional wahr. Auf je 15 ordentliche Mitglieder eines Landesverbandes entfällt ein Delegierter, auf jeden Landesverband mindestens ein Delegierter. Oberstes Organ des BVSD ist die Delegiertenversammlung. Der Vorstand des Verbandes besteht aus dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden sowie 4 weiteren Vorstandsmitgliedern. Je ein Vorstandsmitglied wird von den gründenden Gesellschaften DGSS und DGS berufen. Die anderen Vorstandsmitglieder werden von der Delegiertenversammlung gewählt. Ziele des BVSD: • Förderung der qualitativen und strukturellen Entwicklung der Allgemeinen und Speziellen Schmerztherapie und der Zusammenarbeit seiner Mitglieder • Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der berufspolitischen Belange der in der Schmerztherapie Tätigen • Vertretung und Beratung der berufspolitischen Interessen auf Bundesebene gegenüber den zuständigen politischen und berufspolitischen Institutionen, den Einrichtungen der ärztlichen und psychotherapeutischen Selbstverwaltung, freien ärztlichen Verbänden, den Kostenträgern und andere Behörden und Stellen in allen einschlägigen Fragen • Unterstützung der in der Schmerztherapie Tätigen • Information der Öffentlichkeit über die Belange der Schmerztherapie Aufgaben des BVSD: Primäre Aufgabe des BVSD in seinem ersten Jahr war der Aufbau einer starken berufspolitischen Vertretung der allgemeinen und speziellen Schmerztherapie. Mit Stand vom 15. August 2007 sind bereits 596 ärztliche und psychologische Schmerztherapeuten Mitglied im BVSD. 55,8% der Mitglieder sind im ambulanten, 44,2% im stationären Sektor tätig. Die Landesverbände haben sich großenteils konstituiert und wählten die Delegierten für die Bundesversammlung. Derzeit besteht die Delegiertenversammlung aus 41 Delegierten aus 17 KV-Bereichen sowie dem BVSD-Vorstand. Weitere Aufgaben des BVSD sind • Vertragsentwicklung und Kooperationsmanagement • Versorgungsforschung und Aufbau eines Schmerzregisters • Qualitätssicherung • Reformierung der Weiterbildung • Öffentlichkeitsarbeit und Informationspolitik • Beratung der Mitglieder bei berufspolitischen und Rechtsfragen • Aufbau einer Schlichtungsstelle Über kurzfristig zu organisierende so genannte Task Forces stellt der BVSD Aktions- und Strategieteams in aktuellen Einzelfragen zusammen. Zu den Themenbereichen GOÄ-Reform, EBM-Reform, Spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Finanzierung der teil- und vollstationären Schmerztherapie (DRGs), Definition der Schnittstellen ambulant-stationär-Rehabilitation, Schmerzregister sowie Koordination mit anderen berufspolitisch aktiven schmerztherapeutischen Verbänden wurden bereits Task Forces gegründet. Zusammenfassung: Die Schmerztherapie als interdisziplinäre Therapieform hat es schwer, sich in unserem fragmentierten Gesundheitssystem angemessen Gehör zu verschaffen. Umso wichtiger ist es, aus starken regionalen Netzen eine starke bundespolitische Vertretung zu knüpfen. Fragen der Abrechnung und Vergütung, aber auch eine bundesweit gültige Regelung der Qualitätssicherungsverfahren können nur mit einem starken Berufsverband koordiniert und gegenüber der Politik durchgesetzt werden. Bereits wenige Monate nach seiner Gründung ist es dem BVSD gelungen, bei wichtigen Themen wie GOÄ- und EBMReform sowie der ambulanten Palliativversorgung mitzusprechen.
Antworten an Politik und Kostenträger: Wie arbeiten Schmerztherapeuten im ambulanten Bereich? – Ergebnisse und Konsequenzen der Bestandserhebung von BDA, DGSS und (DGS) H. Kayser, G. Lindena Praxis für Anästhesie und Spezielle Schmerztherapie Dr. Auerswald und Partner, Bremen CLARA, Institut für klinische Analyse, Forschung und Anwendung, Kleinmachnow Die schmerztherapeutische Betreuung an Deutschen Krankenhäusern wurde bereits untersucht und veröffentlicht (G. Lindena et al., Schmerz 2004, 18, 10-16). Kaum verlässliche Daten existieren im ambulanten schmerztherapeutischen Bereich, obwohl in der Diskussion mit Gesundheitspolitikern und Kostenträgern die Fragen nach Struktur- und Prozessqualität der beteiligten Einrichtungen immer evidenter werden, da man beabsichtigt, die Honorierung zukünftig noch mehr an Qualitätskriterien zu knüpfen. Was unterscheidet also den spezialisierten Schmerztherapeuten von einem anderen Arzt konkret? Werden die von den schmerztherapeutischen Gesellschaften schon vor Jahren festgelegten Qualitätskriterien tatsächlich auch erfüllt? Um diese Fragen zu beantworten, initiierte 2006 die berufspolitische Kommission der DGSS, die DGAI und der BDA eine Umfrage bei ihren Mitgliedern und bei den Ärzten, die von ihren Kassenärztlichen Vereinigungen mit einer schmerztherapeutischen Qualifikation geführt werden. Die DGS verwandte parallel den erarbeiteten Fragenkatalog bei der jährlichen Umfrage zu ihrem Mitgliederverzeichnis. Zentrale Fragestellungen waren die Ausstattung, das Vorgehen in der Versorgung und die interdisziplinäre multiprofessionelle Zusammenarbeit. Verschickt wurde ein personenbezogener Fragebogen mit Fragen nach der persönlichen Qualifikation und ein einrichtungsbezogener Bogen, der die personelle und materielle Ausstattung und die Arbeitsweise erfassen sollte. Insgesamt wurden 6600 Mitglieder der Gesellschaften und 519 KVMitglieder, die nicht einer der beteiligten Gesellschaften angehört, befragt. In die Auswertung flossen Antworten von 672 Einzelpersonen und 545 Einrichtungen ein. Dazu muss angemerkt werden, dass der Vorstand der DGS die ihm zugegangenen Antworten bislang nicht einer gemeinsamen Auswertung zugeführt hat. Die persönliche Qualifikation war bei den meisten Antwortenden die Zusatzbezeichnung (75%), die nächst häufige mit 41% die Qualitätssicherungsvereinbarung. Mehr als die Hälfte der Antwortenden hatte mehr als eine Qualifikation. Die Einrichtungen arbeiten in unterschiedlichen Organisationsmodellen und konnten den Kategorien „Schmerzpraxen“, „Praxen mit der Schmerztherapie als einem Schwerpunkt“, „Klinikambulanzen“ und den „neuen Formen (MVZ, Polikliniken)“ zugeordnet werden. In dieser Einteilung gab es teilweise Unterschiede in der Ausstattung, Organisation (z.B. Öffnungszeiten), Anzahl der betreuten Patienten Dokumentation und Zusammenarbeit mit Zuweisern und Mitbehandlern. Am häufigsten, nämlich zu 2/3 werden die schmerztherapeutischen Einrichtungen von Anästhesisten geleitet, es folgen die Orthopäden und die Allgemeinmediziner mit je 5%. Die Anzahl der Patienten, die über 2 Jahre betreut werden, liegt bei 50%. Insgesamt werden in den Einrichtungen, die diese Frage beantwortet haben, 444.000 Schmerzpatienten betreut. Bei der regionalen Verteilung von Praxen und Ambulanzen mit ambulanter Schmerztherapie gibt es große Unterschiede von 2,8 versorgten Schmerzpatienten auf 1000 Einwohnen in Bayern bis zu 9,4 in Thüringen. Die Daten der Umfrage lassen bei relativer Unvollständigkeit u.a. durchaus den Versuch der Erstellung eines Kriterienkatalogs für Qualitätsmerkmale ambulanter Schmerztherapie zu. Diesen gilt es zu diskutieren und als Label den politischen Entscheidungsträgern und Kostenträgern zu präsentieren.
Zwischen GOÄ und Morbi-RLV – quo vadis Schmerztherapie? B. Eberhardt Schmerzpraxis, Frankfurt am Main Die Vergütung der ambulanten Schmerztherapie ist bei Kassenpatienten (vertragsärztliche Versorgung) durch den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) geregelt. Im EBM sind der Inhalt der Leistungen und deren Punktwert durch den Bewertungsausschuss definiert. Dieser hatte sich eine flächendeckende Versorgung der Schmerzpatienten zum Ziel gesetzt. Der EBM 2000plus führte aber in den meisten KVen zu einem wesentlichen Punktverlust in der Schmerztherapie. Im Honorarverteilungsvertrag (HVV) wird die Verteilung der Gesamtvergütung zwischen den Vertragsärzten geregelt. Die Punktleistung des Arztes mal dem Punktwert entspricht der Vergütung. Nur diese ist arztgruppenspezifisch begrenzt: Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumen (RLV), das für jeden Arzt individuell errechnet wird, werden mit „normalen“ Punktwerten abgegolten, die außerhalb mit sehr stark abgesenkten. Bei den meisten KVen wurde das Regelleistungsvolumen für die Schmerztherapeuten wesentlich reduziert. So führten EBM 2000plus und die neuen Honorarverteilungsverträge mit reduzierten Regelleistungsvolumina bei den meisten KVen zu größeren Umsatzverlusten bei den Schmerztherapeuten, die zum Teil über „Härtefallregelungen“ abgefedert werden mussten. Die vertragsärztliche Vergütung soll jetzt mit einem neuen EBM geregelt werden. Hierbei sollen Pauschalen die Einzelleistungen ablösen. Bis zum 31.10.2007 müssen Krankenkassen und KBV den neuen EBM mit Pauschalen beschließen, der ab 1.1.2008 in Kraft tritt. Bis zum 31.08.2008 müssen Orientierungspunktwerte, Morbiditätsmessung und ein Verfahren zur Berechnung und Anpassung von Regelleistungsvolumina festgelegt werden. Ab 1.1.2009 wird der Euro-EBM eingeführt und das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übertragen. Ab 1.1.2011 sollen die Fachärzte diagnosebezogene Fallpauschalen erhalten. Der BVSD setzte zum neuen EBM eine Task-force „EBM“ ein. In ihm sind DGS, DGSS und BSD vertreten und die Aktivitäten finden in enger Absprache mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten statt. Schon anlässlich eines Treffens zwischen Herrn Dr. med. Bernhard Rochell, Honorardezernent der kassenärztlichen Bundesvereinigung, am 13.03.2007 wurde vom Vorstand des BVSD die finanziell prekäre Situation der ambulant tätigen Schmerztherapeuten aufgezeigt und entsprechende Änderungen des neuen EBM vorgeschlagen. Von Mai bis August 2007 fanden Veranstaltungen mit der KBV statt, in denen die einzelnen Berufsverbände, so auch der BVSD, die Möglichkeit hatten, Vorstellungen und Kommentierungen des neuen EBM der KBV darzulegen. Die Vergütung der Selbstzahler ist durch die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) geregelt. Auch diese soll geändert werden. Die Bundesärztekammer ist dabei, einen Vorschlag zur neuen GOÄ zu erarbeiten. Diesbezüglich wurde vom BVSD eine Task-force „GOÄ“ eingesetzt, wobei auch hier DGS, DGSS, DIVS, BSD und BDA eingebunden wurden. Es fanden mehrere Gespräche mit der Bundesärztekammer statt, in denen der BVSD seine Änderungsvorschläge unterbreitete. Hierbei sollen insbesondere Ziffern, die den Schmerztherapiepauschalen 8450 und 8451 im EBM entsprechen, eingeführt werden. Zudem sollen die in der Schmerztherapie üblichen Gesprächsleistungen, interdisziplinäre Koordinationen, Gesprächsleistungen, Schmerzkonferenzen, Medikamenteneinstellungen, Entzugsbehandlungen etc. als Ziffern abgebildet werden. Bei der GOÄ besteht jedoch die Schwierigkeit, dass Komplexziffern gegenüber der Summe von Einzelleistungsziffern abgewertet werden könnten, dass interdisziplinäre Therapiekonzepte mit dem PKV-System, das ein privatwirtschaftliches auf Vertragsfreiheit und Kalkulation von Einzelrisiken basierendes Kostenerstattungssystem ist, kollidieren und dass das Übergriffsrecht auf andere Fachkapitel unangetastet bleiben soll. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts
BMBF Epidemiologie verschiedener chronischer Schmerzsyndrome – eine Datenbankanalyse des DFNS DFNS-Datenbank – Mechanische Hyperalgesie und Allodynie W. Magerl Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz Mechanische Hyperalgesien sind ein Leitmerkmal für das Auftreten zentraler Sensibilisierung des nozizeptiven Systems. Ihre Bedeutung bei verschiedenen Entitäten des neuropathischen Schmerzes wurde auf der Basis der Patienten-Datenbank des Deutschen Forschungsnetzes Neuropathischer Schmerz (DFNS) analysiert. Die Patienten-Datenbank des Deutschen Forschungsnetzes Neuropathischer Schmerz (DFNS) umfasst u.a. die Dokumentation Quantitativer Sensorischer Testung (QST) von 180 gesunden Probanden beiderlei Geschlechts im Altersbereich von 18-75 Jahren (siehe Rolke et al. PAIN 2006) und von 1685 QST-Erhebungen für das betroffene und ein geeignetes Kontrollareal bei 1390 Patienten mit neuropathischem Schmerz unterschiedlicher Genese (Stand 5/2007). Alle Datensätze wurden in die Analyse eingeschlossen und die Analyse entsprechend der Ätiologie des neuropathischen Schmerzes stratifiziert: Komplexes regionales Schmerzsyndrom CRPS (n = 483), Polyneuropathie PNP (n = 472), periphere Nervschädigung PNI (n = 268), trigeminaler neuropathischer Schmerz T-NPP (n = 204), neuropathischer Schmerz nach zentraler Schädigung C-NPP (n = 93), postherpetische Neuralgie PHN (n = 82), Phantomschmerz PhLP (n=9) und andere neuropathische Störungen vNPP (n = 74). Diese Patientengruppen wurden verglichen mit den Daten der Referenzdatenbank gesunder Probanden (n = 180), sowie im Vergleich von betroffenem Gebiet und Kontrollareal. Fünf verschiedene Schmerzmaße für mechanische Stimulation wurden analysiert: Schmerzschwelle für Nadelstiche (MPT), Schmerzrating für Nadelstiche (MPS), Schmerzsummation für Nadelstiche = Wind-Up (WUR), Schmerzschwelle für stumpfen Druck (PPT) und Schmerz bei leichter taktiler Stimulation = dynamische mechanische Allodynie (DMA). Eine Reduktion der MPT wurde gefunden; hochsignifikant bei CRPS und PNP, signifikant bei PNI. Eine Steigerung von MPS wurde gefunden; hochsignifikant bei CRPS, signifikant bei PNI und PHN; bei PNP war dagegen MPS hochsignifikant verringert. Eine Steigerung von WUR wurde gefunden; hochsignifikant bei CRPS, signifikant bei PNI und PHN. Eine Absenkung der PPT wurde gefunden hochsignifikant bei CRPS, PNI und PHN. Diese Veränderungen der mechanischen Schmerzempfindlichkeit fanden sich vor dem Hintergrund einer massiven und statistisch hochsignifikanten Verringerung der Sensibilität bei nicht-nozizeptiven thermischen und mechanischen Modalitäten (kalt, warm, taktil und Vibration). Bei PhLP, C-NPP und vNPP fanden sich keinerlei Veränderungen für MPT, MPS, WUR und PPT. Bei T-NPP fand sich (in ähnlicher Weise für alle 3 Subgruppen Trigeminusneuralgie, trigeminale Neuropathie und atypischer Gesichtsschmerz) bilateral eine hochsignifikante Steigerung von MPS (ohne Änderung von MPT!) und Absenkung von PPT, jeweils ohne bedeutsame Seitendifferenz. Mechanische Allodynie (DMA) im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe (bei gleichzeitig signifikanter Betonung der betroffenen Seite) fand sich bei allen Patientengruppen (mit Ausnahme von PhLP); hochsignifikant für CRPS, PNI, PNP, PHN und T-NPP, signifikant bei C-NPP und vNPP. Bei CRPS und PNP fand sich eine hochsignifikante DMA auch auf der Gegenseite. Die überwiegende Anzahl der Störungsbilder zeigt deutliche Anzeichen für eine zentrale Sensibilisierung des nozizeptiven Systems. Das Muster der Veränderungen ist jedoch über die verschiedenen mecha-
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nischen Schmerzmaße quantitativ sehr unterschiedlich und erstreckt sich über generalisierte Steigerungen der Schmerzempfindlichkeit (z.B. CRPS, P-NPP) und hyperpathieähnliche Veränderungen (MPS ↑, ohne Änderung von MPT bei PHN und T-NPP) bis hin zu gegenläufigen Veränderungen (z.B. MPT ↓ und MPS ↓ bei PNP). Diese Veränderungen lassen sich nur verstehen aus dem komplexen und für die verschiedenen Störungsbilder jeweils unterschiedlichen Zusammenspiel von peripherer Schädigung (Deafferenzierung), sowie peripherer und zentraler Sensibilisierung. DFNS-Datenbank – Thermische Hyperalgesien Valet, Wasner, Binder, Azad, Birbaumer, Flor, Landwehrmeyer, Maihöfner, Schaub, Sommer, Tegenthoff, Tronnier, Baron, Maier, Tölle, Treede Sektion für Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Campus Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein; Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Ruhr-Universität Bochum; Neurologische Klinik und Poliklinik im Neuro-Kopf-Zentrum, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München; Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz; Klinik für Anästhesiologie, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, Eberhard Karls Universität Tübingen; Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Neurologische Klinik, Universität Ulm; Neurologische Klinik, Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Friedrich Alexander Universität ErlangenNürnberg; Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Würzburg Neuropathischer Schmerz zeigt eine große Anzahl von Symptomen, unter denen die Patienten im Verlaufe der Erkrankung in unterschiedlichem Ausmaß leiden können. Neben den Spontanschmerzen treten evozierte Schmerzen auf, zu denen die mechanische und thermische Hyperalgesie zählen. Im Rahmen des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS) konnte unter Einbeziehung von 10 Zentren erstmals die Prävalenz der thermischen Hyperalgesie (auf Kälte und Hitze) beim neuropathischen Schmerz in einer größeren Kohorte untersucht werden. Das sensorische Profil von Patienten mit neuropathischen Schmerzen unterschiedlicher Ätiologie wurde an allen Zentren mit einem standardisierten Protokoll der Quantitativ Sensorischen Testung (QST) untersucht (Rollke et al., 2006). Kälte- oder Hitzehyperalgesie lag dann vor, wenn das sensorische Profil sich um zwei Standardabweichungen außerhalb der Normwerte befand, die an einem Normkollektiv von n=180 Gesunden (spezifiziert nach Alter, Geschlecht und Lokalisation in Gesicht, Hand, Fuß) erhoben wurden. Zum Zeitpunkt der Datenanalyse (12/2006) wurden in der Datenbank insgesamt 683 Patienten geführt. Hierunter fanden sich Diagnosen wie schmerzhafte Polyneuropathie (PNP), Trigeminusneuralgie (TGN), postherpetische Neuralgie (PHN), Zentraler Schmerz (CP) und posttraumatische Neuralgie (PTN). Die Analyse für das komplex-regionale Schmerzsyndrom war zum Zeitpunkt der Abstracterstellung noch nicht fertig gestellt. Patienten mit gleichzeitiger nozizeptiver Schmerzkomponente, einer Doppeldiagnose neuropathischer Schmerzen oder Tumorleiden wurden nicht berücksichtigt. Beim gegenwärtigen Stand der Analyse beträgt die Prävalenz von thermischer Hyperalgesie bei der PNP 17% (3% Kälte, 12% Hitze, 2% Beides), für TGN 22% (8% Kälte, 11% Hitze, 3% Beides), für PHN 25% (9% Kälte, 11% Hitze, 5% Beides), für CP 11% (4% Kälte, 4% Hitze, 3% Beides) und für PTN 31% (9% Kälte, 11% Hitze, 11% Beides). Damit weist die PTN im Vergleich zu den anderen Diagnosen die höchste Prävalenz von thermischer Hyperalgesie (31%), CP dagegen die niedrigste (11%) auf. Kältehyperalgesie scheint am häufigsten bei PHN und PTN (9%) vorzukommen, wohingegen die Hitzehyperalgesie am häufigsten bei der PNP (12%) auftritt. Das gleichzeitige Auftreten beider Formen der Hyperalgesie findet sich am häufigsten bei der PTN.
Das Symptom der thermischen Hyperalgesie tritt bei allen betrachteten Krankheitsentitäten auf, allerdings zeigen sich teilweise deutliche Unterschiede in der Prävalenz. Wenn unterschiedliche biologische Mechanismen das Auftreten von neuropathischen Schmerzsymptomen determinieren, lassen die unterschiedlichen Prävalenzen eine archetypische neurobiologische Grundlage der Schmerzen vermuten. Wie sich diese Symptome im Zeitverlauf ändern und auf unterschiedlich pharmakologische Behandlungsansätze ansprechen, ist Teil der laufenden Analysen. Häufigkeit pathologischer Befunde bei verschiedenen neuropathischen Schmerzsyndromen C. Maier BG-Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum, Abt. für Schmerztherapie Anhand der Daten von mehr als 1200 Patienten mit CRPS, peripherer Nervenverletzung, Polyneuropathie, zentralen Schmerzen, Trigeminus Schmerzen und postzosterischer Neuralgie fanden sich in der quantitativ sensorischen Testung (QST) am häufigsten (40-60% je nach Diagnose) ein Verlust der thermischen Detektionsfähigkeit, die auf eine periphere Funktionsstörung (am häufigsten vom gemischten Typ, ca. 10% Small-fibre Neuropathie) oder auf zentrale Mechanismen zurückzuführen sind. Von den taktilen Detektionsschwellen ist die mechanische am häufigsten pathologisch erniedrigt. Bei den Schmerzschwellen kommt es beim CRPS, peripheren Nervenverletzungen und der postherpetischen Neuralgie (seltener beim zentralen Schmerz) häufig zu einer Kältehyperalgesie (überwiegend Ausdruck einer zentralen Sensibilisierung), während die Pin-Prick-Hyperalgesie seltener ist. Insgesamt erlauben die QST-Profile jedoch keine individuelle Zuordnung zu einer bestimmten neurologischen Entität, weil bei jeder verschiedene Subtypen mit eigenem sensorischen Profilen bestehen, z.B. mit mehr oder weniger ausgeprägter Sensibilisierung und mehr oder weniger ausgeprägtem Verlust peripherer Funktionen. Auf der Grundlage dieser Daten wurde vom DFNS ein neues Klassifikationssystem entwickelt, das es erlauben soll, die Subgruppen zu charakterisieren, um mechanismen-basiert die Effektivität therapeutischer Maßnahmen zu verbessern und multizentrisch vergleichen zu können.
Schmerz, Kognition und Emotion Interaktionen zwischen Aufmerksamkeit und Schmerz M. Ploner Neurologische Klinik, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Schmerz und Aufmerksamkeit verbindet eine enge und wechselseitige Interaktion. Einerseits zieht Schmerz unwillkürlich Aufmerksamkeit auf sich, andererseits beeinflusst Schmerz entscheidend die subjektive Wahrnehmung von Schmerz. Diese Interaktionen sind zum einen therapeutisch nutzbar, zum anderen sind pathologische Veränderungen dieser Interaktionen („hypervigilance to pain“) an der Genese chronischer Schmerzsyndrome beteiligt. In der aktuellen Präsentation werden neue magnetenzephalographische Befunde zu diesen Interaktionen vorgestellt. Die Studien zeigen, dass kurze schmerzhafte Reize eine mehrere Sekunden anhaltende vermehrte Erregbarkeit der somatosensorischen Kortizes zur Folge haben. Gleichzeitig bewirken Schmerzreize eine globale Suppression spontaner neuronaler Oszillationen in den somatosensorischen, motorischen und visuellen Systemen. Beide miteinander korrelierende Phänomene stellen wahrscheinlich physiologische Korrelate eines schmerzbedingt global erhöhten Aufmerksamkeitsniveaus im Sinne eines „alerting“-Effekts von Schmerz dar. Eine weitere Studie zeigt, dass Schmerz nicht nur evozierte Antworten in den somatosensorischen Kortizes hervorruft, sondern auch hochfrequente neuronale Oszillationen im gamma-Frequenzbereich induziert. Diese im primären somatosensorischen Kortex beobachteten schmerzinduzierten gamma-Os-
zillationen geben dabei besonders genau die subjektive Wahrnehmung von Schmerz wieder. Wir vermuten, dass die schmerzinduzierten gamma-Oszillationen die interne Repräsentation attendierter, verhaltensrelevanter und in Folge bevorzugt weiterverarbeiteter sensorischer Reize widerspiegeln. Die Befunde zeigen neue Aspekte der engen und vielfältigen Interaktion zwischen Schmerz und Aufmerksamkeit. Das weitere Studium dieser Phänomene verspricht neue Einblicke in die neuronalen Grundlagen der subjektiven Wahrnehmung von Schmerz bei Gesunden und Kranken. Untersuchung der sensorischen Schmerzkomponente und des Einflusses der Kontrollierbarkeit bei Gesunden und Patienten mit Major Depression N. Trautmann1,2, N. Hausenblas1, U. Baumgärtner1, G. Bleichhardt2, R.-D. Treede1 1 Institut für Physiologie und Pathophysiologie, 2 Psychologisches Institut, Abteilung Klinische Psychologie, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz Kontrolle lässt sich aus kognitionspsychologischer Sicht als HandlungsErgebnis-Kontingenz konzipieren. Hinsichtlich der Konsequenzen für die psychische und körperliche Gesundheit eines Lebewesens spielt die real existierende Kontrollmöglichkeit eine geringere Rolle als die subjektiv wahrgenommene Kontrolle. Wenn Ereignisse unkontrollierbar sind oder solcherart wahrgenommen werden, entsteht ein Zustand erlernter Hilflosigkeit. Menschen mit Depression zeigen häufig Anzeichen erlernter Hilflosigkeit, also der Annahme, keinen Einfluss auf die Geschehnisse um sich herum zu haben. Demgegenüber tendieren gesunde Menschen dazu, ihren tatsächlichen Einfluss zu überschätzen (Illusion of Control). Die Interaktion zwischen Kontrolle, Hilflosigkeit und Schmerzempfinden wurde häufig an Tiermodellen überprüft: Ratten, die wiederholt unkontrollierbare, schmerzhafte Reize bekamen, zeigten daraufhin eine höhere Toleranz gegenüber späteren Schmerzreizen. Im Gegensatz zu Ratten ist der Effekt der Kontrollierbarkeit auf die Schmerzempfindung bei Menschen jedoch komplexer und weniger eindeutig. Während einige Autoren nachweisen konnten, dass Probanden, wenn ihnen die Möglichkeit einer Einflussnahme gegeben war, eine höhere Schmerztoleranz zeigen oder den gleichen Schmerzreiz als weniger schmerzhaft empfinden als in unkontrollierbaren Situationen, fanden andere Autoren keine relevanten Unterschiede im Schmerzempfinden in Abhängigkeit von der Kontrollierbarkeit. Depressive Patienten sollen nun in einer eigenen Untersuchung mit kontrollierbaren vs. nicht-kontrollierbaren schmerzhaften Reizen gesunden Probanden gegenübergestellt werden. Es werden neben der erlebten Kontrolle und der subjektiven Schmerzhaftigkeit auch elektrophysiologische Parameter der Nozizeption (Laser-evozierte Potenziale) gemessen. Hierzu sollen erste Ergebnisse einer Pilotstudie vorgestellt werden. Emotion und Antizipation – Einfluss auf Schmerzsensitivität und Schmerzverarbeitung bei Gesunden und Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeit C. Schmahl, I. Klossika, M. Bohus Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) nehmen das häufig vorkommende selbstverletzende Verhalten nicht als schmerzhaft wahr. Auch experimentell findet man bei diesen Patienten reduzierte Wahrnehmungsschwellen für Schmerz, insbesondere unter starker subjektiver Anspannung, wobei die sensorisch-diskriminative Verarbeitung von Schmerz jedoch nicht beeinträchtigt zu sein scheint. Eine aktuelle bildgebende Studie weist darauf hin, dass bei BPS die affektive Reaktion auf Schmerz durch kognitive Faktoren gehemmt werden könnte. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Der Einfluss affektiver und kognitiver Faktoren auf die Schmerzwahrnehmung von BPS-Patienten wird in einer aktuellen Studie überprüft. Die subjektiven Hitze- und Kälteschmerzschwellen von BorderlinePatientinnen werden dabei mit denen gesunder Probandinnen verglichen, wobei zuvor durch die Präsentation emotionaler Bilder (International Affective Picture System, Lang 2005) negative oder positive Stimmung induziert oder durch die Ankündigung eines intensiven Schmerzreizes Antizipation erzeugt wird. Die Schmerzreize werden mit einer Kontaktthermode (TSA-II, Medoc, Israel) auf den linken Handrücken appliziert. Die unter den experimentellen Bedingungen erhobenen Schmerzschwellen werden in einem intraindividuellen Design mit den Schwellen unter Baseline-Bedingungen (d.h. ohne Manipulation) verglichen. Bisherige Ergebnisse zeigen bei BPS-Patientinnen (n=14) eine unspezifische Erhöhung der Hitzeschwellen unter allen experimentellen Bedingungen im Vergleich zu der Baseline-Bedingung. Bei den Kontrollprobandinnen (n=9) betrifft diese Erhöhung nur die Bedingungen der Emotionsinduktion, nicht die der Antizipation. Die Kälteschmerzschwellen werden bei BPS-Patientinnen nur durch die Emotionsinduktion beeinflusst, die auch hier mit einer reduzierten Empfindlichkeit verbunden ist; bei den Kontrollprobandinnen sind keine Unterschiede zwischen Baseline- und experimentellen Bedingungen festzustellen. Die Ergebnisse dieser Studie deuten also bislang auf einen unspezifischen Einfluss von Emotionen auf die Schmerzwahrnehmung im Sinne einer Reduktion der Schmerzempfindlichkeit hin. Bei Borderline-Patientinnen hat allerdings, anders als bei gesunden Probandinnen, auch die kognitive Antizipation intensiver Schmerzen eine Erhöhung der Schwellen für Hitzeschmerz zur Folge. Die Zusammenhänge zwischen emotionaler und kognitiver Beeinflussung von Schmerz sowie deren zerebrale Grundlagen werden derzeit in einer weiterführenden Studie mit funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht.
Deutsches Kopfschmerzkonsortium Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen – eine längsschnittliche Betrachtung J. Gaßmann, L. Morris, M. Heinrich, B. Kröner-Herwig Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie der Universität Göttingen, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Göttingen Im Rahmen einer vom BMBF geförderten Längsschnittstudie mit 4 jährlichen Erhebungswellen (2003-2006) zur Epidemiologie von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen („Kinder, Jugendliche und Kopfschmerz“) werden ausgewählte Daten zu Prävalenzen und Kopfschmerzverläufen präsentiert. Postalisch wurden zum 1. Erhebungszeitpunkt (2003) an 8800 Haushalte mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 7-14 Jahren (Zufallsstichproben aus vier Landkreisen Südniedersachsens und der Stadt Hannover) Fragebögen für die Kinder (ab 9 Jahren) und die Eltern versandt. 4163 Familien (Rücklaufquote: 47,3%) nahmen an den ersten beiden Untersuchungen teil. Vorgestellt werden erste Auswertungen des Elternfragebogens der 2. Erhebungswelle (2004) zur 6-Monats-Prävalenz von Kopfschmerzen, differenziert nach Typus der Kopfschmerzen (Diagnose), Häufigkeit des Auftretens, Geschlecht und Alter. Ein Jahr nach der Ersterhebung gaben 48,9% der Eltern an, dass ihr Kind in den letzten 6 Monaten Kopfschmerzen hatte. Davon hatten 25,9% der Kinder und Jugendlichen seltener als einmal im Monat, 16,5% mindestens einmal im Monat und 6,5% wöchentlichen Kopfschmerz. Von denjenigen mit Kopfschmerzen sind nach den Kriterien der IHS 2004 55% von Spannungskopfschmerzen betroffen, 11,3% leiden unter Migräne (mit oder ohne Aura) und in 33,7% der Fälle handelt es sich um nicht eindeutig klassifizierbaren Kopfschmerz. Insgesamt sind Mädchen häufiger von Kopfschmerzen betroffen als Jungen. Von wöchentlichem Kopfschmerz sind Mädchen doppelt so häufig betroffen (8,6%) wie Jungen (4,3%). Mit dem Alter steigt die Anzahl der Kinder mit Kopfschmerz kontinuierlich an: über wöchentliche Kopfschmerzen berichten 3,5% der 8-jährigen im
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Vergleich zu 10,1% der 15-jährigen Jugendlichen. Eine Verbesserung der Kopfschmerzhäufigkeit von Welle 1 zu Welle 2 lässt sich in 22,4% und eine Verschlechterung in 20,6% der Fälle feststellen. Von denjenigen, die zum 1. Erhebungszeitpunkt keine Kopfschmerzen aufwiesen, berichten 1 Jahr später 16,7% von Spannungskopfschmerzen, 1,2% von Migräne, 7,5% entwickeln nicht eindeutig klassifizierbare Kopfschmerzen. Weitere differenzielle Veränderungsraten werden berichtet. Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen werden diskutiert. Regulation und nozizeptive Wirkungen Kopfschmerz fördernder Mediatoren im trigeminalen System K. B. Messlinger Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Erlangen-Nürnberg Bei allen Unterschieden, die heute über die Ätiologie der verschiedenen primären Kopfschmerzformen bekannt sind oder angenommen werden, scheinen die nozizeptiven Mechanismen im trigeminalen System der Hirnhäute bemerkenswert ähnlich abzulaufen. Das gilt auch für chemische Mediatoren, die auf den verschiedenen Ebenen des trigeminalen Systems, den Hirnhäuten, dem Ganglion trigeminale und dem spinalen Trigeminuskern zwischen Geweben und Nervenzellen vermitteln und auf diese Weise kaskadenartig nozizeptive Vorgänge auslösen und unterhalten können. Zu diesen endogenen Schlüsselsubstanzen zählen das Neuropeptid Calcitonin gene-related peptide (CGRP), das von aktivierten primären Afferenzen freigesetzt wird, das Radikal Stickstoffmonoxid (NO), welches von Gefäßendothelien, einigen Nervenzellen und Immunzellen gebildet werden kann, und der Entzündungsmediator Histamin, der in Mastzellen gespeichert ist. Für alle drei Mediatoren wurden bei Anfällen primärer Kopfschmerzen wie der Migräne erhöhte venöse Plasmaspiegel gemessen. Die exogene Zufuhr dieser Substanzen löst bei Patienten, die an primären Kopfschmerzerkrankungen leiden, verzögert Kopfschmerzanfälle aus, welche den spontanen Kopfschmerzen sehr ähnlich sind. Es besteht daher schon lange großes Interesse an der Aufklärung dieser Mediatorwirkungen, um über die genauere Kenntnis der zu Grunde liegenden nozizeptiven Mechanismen die Entstehung von Kopfschmerzen zu verstehen und therapeutische Maßnahmen verbessern zu können. Für diese Forschungsaufgaben sind tierexperimentelle Ansätze essentiell, mit denen unsere und andere Arbeitsgruppen auch im Rahmen des Deutschen Kopfschmerzkonsortiums in den letzten Jahren eine Reihe neuer Erkenntnisse gewinnen konnten. Neuerdings wird vor allem dem Neuropeptid CGRP eine zentrale Rolle im Wirkungsgefüge der endogenen Mediatoren zugeschrieben. Die Freisetzung von CGRP scheint auf allen Ebenen des trigeminalen Systems durch NO gefördert zu werden. In den Hirnhäuten wirkt CGRP nicht nur vasodilatorisch, sondern es kann auch die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen fördern und scheint über einen noch unbekannten Mechanismus die Erregbarkeit der primären Afferenzen selbst zu beeinflussen. Im spinalen Trigeminuskern trägt CGRP als Neuromodulator entscheidend zur nozizeptiven Übertragung bei. Selbst im Ganglion trigeminale werden CGRP-Wirkungen postuliert, die über Genexpressionsvorgänge zum Beispiel zu einer erhöhten Produktion von NO führen. So ist es nicht verwunderlich, dass Triptane durch ihre hemmende Wirkung auf die Neuropeptidfreisetzung bei Migräneanfällen therapeutisch sehr wirksam sein können. Konsequenterweise wird nun auch als therapeutisches Konzept der Zukunft die Hemmung der CGRP-Rezeptoren angesehen, die durch neue CGRP-Rezeptorantagonisten möglich geworden ist. Eine Hauptaufgabe der derzeitigen tierexperimentellen Grundlagenforschung besteht deshalb darin, die Wirkungen und Rezeptormechanismen von CGRP durch Hemmung der CGRP-Rezeptoren im trigeminovaskulären System zu untersuchen. Dieses Beispiel zeigt auch, wie Grundlagenforschung und klinische Anwendung wissenschaftlicher Konzepte für den medizinischen Fortschritt Hand in Hand gehen können.
Chronifizierung Failed Back Surgery – Präoperative Entscheidungen und Interventionen zur Vermeidung einer Chronifizierung von Rückenschmerzen Präoperatives (psychologisches) Screening zur Identifikation von Risikofaktoren für einen negativen postoperativen Verlauf M. Pfingsten Schmerzambulanz, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Universitätsmedizin Göttingen In Deutschland werden pro Jahr ca. 230.000 Operationen an der Wirbelsäule durchgeführt. Wenn man nach Ergebnissen der Europäischen Leitlinienkommission zugrunde legt, dass die Fehlschlag- bzw. Komplikationsrate im Durchschnitt bei 15% liegt, dann entspricht dies mindestens 35.000 Patienten, die keinen optimalen Behandlungseffekt haben. Man kann davon ausgehen, dass diese Patienten zu einem erheblichen Anteil in schmerztherapeutischen Einrichtungen anzutreffen sind. Neuere Studien zeigen, dass in der Behandlungseffektivität zwischen operativem Vorgehen einerseits und konservativen, an modernen multimodalen Konzepten ausgerichteten Behandlungsprogrammen andererseits nur geringe Unterschiede bestehen. Zwar zeigen die aktuellen Studien anfangs einen Vorteil zu Gunsten der operativen Vorgehensweise, dieser lässt sich jedoch nach 2 Jahren statistisch nicht mehr nachweisen. Einer adäquaten Patientenselektion sowie der Präferenz der Patienten selbst kommt für die Wahl des Vorgehens entscheidende Bedeutung zu. Dabei sind neben der Eindeutigkeit der Indikation vor allem psychosoziale Faktoren prognostisch bedeutsam. Dies gilt besonders in den Fällen, in denen die Indikation für den operativen Eingriff weniger eindeutig ist. Hierzu liegen auch aus Deutschland aussagekräftige Studienergebnisse und Erfahrungen vor. Die diesbezüglich relevanten Faktoren umfassen neben schmerz- und symptom-bezogenen Parametern wie lange Schmerzdauer, ausgeprägte Ausbreitung der Symptomatik und zusätzliche psycho-vegetative Beschwerden vor allem kognitive, emotionale und Verhaltensfaktoren wie Depressivität, problematische Krankheitsüberzeugungen (fear-avoidance-beliefs) sowie eine negative Behandlungserwartung; auch arbeitsplatzbezogene Parameter spielen eine Rolle. Zur Verbesserung der Ergebnisse ist es unmittelbar nützlich, diese Faktoren möglichst frühzeitig zu erfassen und sie sollten zur Standarddiagnostik in der Wirbelsäulenchirurgie gehören. Derartige Faktoren lassen sich nicht nach dem klinischen Eindruck oder in kurzen Interviews erfassen, sondern verlangen nach einer standardisierten, reliablen und prognostisch-validen Erfassung, die darüber hinaus noch ökonomisch sein muss. Dafür stehen derzeit mehrere, relativ kurze Screening-Verfahren zur Verfügung. Vermeidung einer postoperativen Chronifizierung von Rückenschmerzen aus Sicht des Operateurs (Bandscheibenoperationen) M. Pietrek, L. Papavero Zentrum für Spinale Chirurgie, Klinikum Eilbek-Schön Kliniken, Hamburg Bandscheibenoperationen sind die am zweithäufigsten durchgeführten Operationen an der Lendenwirbelsäule. Trotz insgesamt guter klinischer Ergebnisse im Vergleich zur konservativen Therapie kommt es in 4-30% lediglich zu einer vorübergehenden bzw. zu keiner Beschwerdebesserung oder sogar zu einer Beschwerdezunahme. Das „Failed back surgery syndrome“ (FBSS) führt nicht nur zu einer ReOperationsrate von 5-18%, sondern häufig auch zu einer chronischen Schmerzkarriere mit hohen sozioökonomischen Kosten. Die Ursachen für ein FBSS aus der Sicht des Operateurs sind vielfältig. Die häufigste ist die falsche Indikationsstellung, also die fehlende Korrelation zwischen Anamnese, klinischem Befund und Bildgebung. Grundsätzlich stellen Cauda-Syndrom sowie höhergradige und/oder progrediente motorische Ausfälle eine Operationsindikation dar. Je-
doch bessern sich 90% aller diskogenen akuten radikulären Schmerzen auch unter konservativer Therapie. Bei unzureichender Besserung der Symptomatik unter konservativer Therapie sollte die Entscheidung für oder gegen eine Operation immer zusammen mit dem Patienten unter Abwägung alternativer Verfahren getroffen werden. Weitere Ursachen für ein FBSS sind eine fehlerhafte Operationstechnik oder intraoperative Komplikationen. Desweiteren kann es postoperativ zu Re-Bandscheibenvorfällen kommen (in 4-7%), zu epiduraler Narbenbildung, zu einer segmentalen Instabilität, zu sekundärer Spinalstenose sowie zur Überlastung der kleinen Wirbelgelenke und der Iliosakralgelenke. Schließlich spielen auch die perioperative Schmerztherapie sowie die schnelle Rückkehr zu einer aktiven Lebensführung eine wichtige Rolle in der Vermeidung einer postoperativen Schmerzchronifizierung. Psychologische Kurzinterventionen der Verhaltensänderung im perioperativen Bereich zur Vermeidung postoperativer Chronifizierung von Schmerzen S. Schramm, R. Klinger Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, Psychotherapeutische Hochschulambulanz, Verhaltenstherapie Fragestellung: Anders als in anderen Bereichen der Chirurgie wurde im Bereich der Wirbelsäulenoperationen der Einfluss psychischer Faktoren umfangreich untersucht und in seiner Bedeutung für den periund postoperativen Heilungs- und Schmerzverlauf nachgewiesen. Nur wenige Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob durch gezielte Interventionen ein positiver Einfluss auf den postoperativen Verlauf ausgeübt werden kann. In dem Vortrag soll vor dem Hintergrund psychologischer Interventionsmöglichkeiten im perioperativen Setting eine psychologische Kurzintervention, die sogenannte „Verhaltensimplementierungsmethode“ vorgestellt werden. Diese wurde speziell zur kurzfristig wirksamen Veränderung von Verhalten und Motivation entwickelt. Ihre Effektivität wurde bereits im ambulanten Behandlungskontext nachgewiesen. Methodik: Es werden Möglichkeiten der praktischen Umsetzung der „Verhaltensimplementierungsmethode“ aufgezeigt. Die hierbei zum Einsatz kommenden Strategien zur Optimierung der Zielerreichung aus dem Bereich der Motivationspsychologie werden vorgestellt. Es handelt sich um das „mentale Kontrastieren“ aus der „Fantasy Realization Theory“ (Oettingen, 1996) sowie die Strategie der „Implementation Intentions“ (Gollwitzer, 1999). Beide Strategien werden durch einen knappen Problemlösungsansatz miteinander verknüpft. Die Interventionsdauer liegt insgesamt nur bei einer Stunde. Anhand einer eigenen Untersuchung im ambulanten Bereich mit chronischen Rückenschmerzpatienten wird die Wirksamkeit dieser Kurzintervention verdeutlicht. Ergebnisse: Es werden Möglichkeiten des Transfers und der Realisierung dieser Technik im perioperativen Bereich diskutiert und verdeutlicht, auf welchem Wege hierdurch einer postoperativ auftretenden Schmerzchronifizierung entgegengewirkt werden kann.
DGSS meets Grundlagen und Konzepte der Schmerztherapie in Orthopädie und Unfallchirurgie – Gemeinsame Sitzung der DGSS, DGU, DGOOC und BVOU Die periphere und zentrale Sensibilisierung beim Schmerz J. Sandkühler Zentrum für Hirnforschung, Abteilung für Neurophysiologie, Medizinische Universität Wien, Österreich „Periphere Sensibilisierung“ ist die erhöhte Erregbarkeit nozizeptiver Nervenendigungen bei Entzündungen und Traumata. Sie spielt eine ursächliche Rolle bei der Allodynie und Hyperalgesie. Der Begriff Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts „Zentrale Sensibilisierung“ wird im Gegensatz zur klar definierten „Peripheren Sensibilisierung“ in der Literatur unterschiedlich und teilweise widersprüchlich definiert und oftmals unkritisch verwendet. Einige Autoren verstehen offenbar unter „Zentraler Sensibilisierung“ jene mutmaßlichen Veränderungen im ZNS, die zu einer verstärkten Schmerzempfindung führen. Diese Definition ist jedoch unvereinbar mit der halb offiziellen Definition der „International Association for the Study of Pain“ (IASP), wonach unter „Zentraler Sensibilisierung“ eine erhöhte Erregbarkeit jedweder nozizeptiver Neurone im ZNS zu verstehen ist. Da jedoch nozizeptive Neurone im ZNS eine Vielzahl unterschiedlicher und oftmals antagonistischer Funktionen ausüben, und auch hemmende Neurone umfassen, kann nach der Definition der IASP „Zentrale Sensibilisierung“ sowohl pro- als antinozizeptive Wirkungen haben, oder auch für die Schmerzempfindung gänzlich bedeutungslos sein. Die Verwirrung um diesen Begriff wird noch gesteigert, wenn Autoren beide Bedeutungen unzulässigerweise nebeneinander in derselben Publikation verwenden oder nicht definieren, wie sie den Begriff verstanden wissen wollen. Die heute diskutierten Veränderungen im ZNS, die zu einer gesteigerten Schmerzempfindung führen und somit nach der ersten Definition Mechanismen der „Zentralen Sensibilisierung“ darstellen sollen umfassen u.a.: • „Wind-up“, also ist die anfänglich zunehmende Antwort nozizeptiver Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks während der elektrischen Reizung sensibler Nerven mit niedrigen Reizfrequenzen (0,5-5 Hz). Aus einer Reihe von Gründen kann „wind-up“ jedoch nicht als Modell einer gesteigerten Nozizeption oder gar als Mitursache chronischer Schmerzen angesehen werden. • Das Aussprossen von A-beta Fasern in das oberflächliche Hinterhorn des Rückenmarks nach Nervenverletzungen galt als eine der Ursachen für Allodynie nach Nervenverletzungen. Dieses „Aussprossen“ ist jedoch offensichtlich ein experimentelles Artefakt und spielt keine bedeutende Rolle beim neuropathischen Schmerz. • Die physiologische Hemmung im Hinterhorn des Rückenmarks ist für eine normale Schmerzverarbeitung unverzichtbar. Störungen dieser Hemmung kommen nach Nervenverletzungen und bei Entzündungen vor und könnten eine bedeutende Rolle bei der erhöhten Schmerzempfindlichkeit spielen. • Eine anhaltende Potenzierung der synaptischen Übertragung zwischen nozizeptiven C-Fasern und Nervenzellen im Hinterhorn des Rückenmarks gilt als ein zelluläres Modell für die Hyperalgesie bei Entzündungen, Traumata und Nervenverletzungen. In dem Vortrag werden die aktuellen Modelle der „Zentralen Sensibilisierung“ zur Diskussion gestellt. „Re-Learning“ – Die Lösung und das Überschreiben beim Schmerz W. Zieglgänsberger Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München Nozizeptiver Input löst nicht nur neuroplastische Veränderungen im Rückenmark, Thalamus und Neocortex aus, sondern verändert insbesondere auch die Aktivität limbischer Strukturen wie der Amygdala, dem Hippocampus, großen Anteilen des Frontalcortex und des cingulären Cortex. Die Aktivierung dieser Strukturen führt zu einer pathologisch übersteigerten angstgeprägten Erwartungshaltung gegenüber einem wiederkehrenden akuten Schmerzerleben. Psychische Faktoren wie Angst, Hilflosigkeit und depressive Verstimmung, früher vernachlässigt und als bloße Reaktionen auf Schmerzen eingestuft, sieht man heute als essentielle Komponente der Schmerzverarbeitung an. Inzwischen gibt es sehr detaillierte Erklärungsansätze darüber, wie diese Interaktionen auf molekularer und zellulärer Ebene zustande kommen. Daran beteiligt sind offenbar zelluläre Abläufe, wie wir sie bei allen komplexeren neuronalen Lernvorgängen beobachten können. Klinisch relevant ist insbesondere die Tatsache, dass solche neuroplastischen Veränderungen verhindert werden können, oder wenn sie bereits eingetreten sind, durch eine konsequente Therapie zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden können.
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Bleibt der Schmerz kontinuierlich unter Kontrolle, baut der Patient die Angst vor der nächsten Attacke ab. Durch diesen Lernprozess (relearning) entwickelt der Patient Vertrauen und fokussiert seine Erwartungshaltung nicht mehr ausschließlich auf die Medikamentengabe. Bei dieser Form der pharmakologisch-gestützten kognitiven Verhaltenstherapie tritt der vom Patienten aufgrund seiner früheren Erfahrung erwartete Schmerz („...es tut ja doch wieder weh, von A nach B zu gehen“) durch eine vorherige Schmerzausschaltung (-linderung) nicht auf. Dieser „Vorhersagefehler“ ist ein entscheidender Faktor für das „Überschreiben“ alter und dem Erlernen neuer kontextspezifischer Verhaltensmuster. Es zeichnet sich ab, dass hier zunehmend Substanzen zum Einsatz kommen werden, die die kognitiven Fähigkeiten des Patienten nicht einschränken und ihn so in die Lage versetzen, von einem „enriched environment“, z.B. im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme, nachhaltiger zu profitieren. Die Klassifizierungsmöglichkeiten beim Kreuzschmerz – Organisch-Psychosozial-Neurophysiologisch H.-R. Casser DRK Schmerz-Zentrum, Mainz „Kreuzschmerzen“ ist keine Diagnose, sondern ein Syndrom, das sich in der Regel auf Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule am Übergang LWS-Kreuzbein bezieht. Es handelt sich in der Regel um den Ausdruck eines multifaktoriellen Geschehens, wobei nur ganz selten eine Ursache alleine ausschließlich verantwortlich ist. Die uneinheitliche und häufig nicht völlig geklärte Ursache der Rückenschmerzsymptomatik, die nur in ca. 20% auf nachweisbare strukturelle Veränderungen als sichere Schmerzursachen zurückzuführen ist, und die Variabilität der Rückenschmerzsymptomatik, welche durch die nicht zu unterschätzende Spontanheilungstendenz, das Verhalten des Patienten sowie seiner Überzeugung und Ängste beeinflusst wird, komplizieren das klinische Erscheinungsbild des Rückenschmerzes erheblich und erschweren eine einheitliche Klassifikation. Auch der Versuch einer Klassifizierung des Rückenschmerzes nach zeitlichen Kriterien – akut und chronisch – ist problematisch und therapeutisch wie auch prognostisch häufig nicht zielführend. Abzugrenzen ist der sogenannte chronifizierte bzw. chronifizierungsgefährdete Rückenschmerz, der einen dynamischen Prozess der Verselbständigung des Rückenschmerzes darstellt mit multidimensionaler Beeinträchtigung, d.h. auf physiologisch-organischer Ebene mit Mobilitätsverlust und Einschränkung körperlicher Aktivitäten, auf der kognitiven-emotionalen Ebene durch Störung von Empfindlichkeit sowie ungünstigen Denkmuster, auf der Verhaltensebene durch schmerzbezogenes Verhalten und auf der sozialen Ebene durch Störung der sozialen Interaktion und Behinderung im Alltag. Erfahrungsgemäß werden derartige Schmerzbilder am besten durch den Mainzer Schmerzchronifizierungs-Fragebogen (MPSS) erfasst. Die Ursachen des Rückenschmerzes und damit gezielte therapeutische Maßnahmen lassen sich hierdurch allerdings nicht erfassen. In der täglichen Praxis ist hier das Flaggenmodell weiterführend, bei dem mit sog. „Red Flags“ dringliche somatische Ursachen angezeigt werden, wie Conus-Cauda-Syndrom, Spondylodiszitis, Fraktur, Wurzelkompression und komplizierende Komorbiditäten, die einer fachspezifischen Abklärung und ggf. unmittelbarer therapeutischer Versorgung bedürfen. Des weiteren sind psychosoziale Ursachen (Yellow Flags) abzuklären, vereinfacht durch Screening-Instrumentarien wie den Heidelberger Kurzfragebogen (HKF-R10) oder den Örebro-Fragebogen. Hinweise für psychische Störungen ergeben sich aus psychometrischen Tests, die der Deutsche Schmerzfragebogen enthält, und zur weiteren Abklärung und Diagnostik ist eine psychotherapeutische Exploration erforderlich. Sozialmedizinische Probleme sind durch eine ausführliche Sozialanamnese zu erfassen. Mit diesen Maßnahmen ergibt sich eine Klassifizierungsmöglichkeit des Kreuzschmerzes nach spezifischen medizinischen Ursachen, in der Regel aus der Orthopädie und Neurologie, z.B. sensomotorisches Wurzelsyndrom L5 bei Bandscheibenvorfall L4/5, nach psychologischen
Ursachen im Sinne von psychologischen Begleitphänomenen, psychologischen Störungen und Komorbiditäten, z.B. einer Depression oder Angststörung, sowie sozialen Problemen, wie z.B. Arbeitsunfähigkeit, Partnerprobleme etc. Die häufigsten Rückenschmerzen (> 80%) sind nicht auf relevante strukturelle Veränderungen zurückzuführen und sind den sog. „nicht-spezifischen“ Rückenschmerzen zuzuordnen. Sie bedürfen einer weiteren psychosozialen Abklärung, wobei keinesfalls bei fehlenden organischen Schmerzursachen automatisch auf relevante psychologische Störungen geschlossen werden darf. Vielmehr liegen derartigen Beschwerden „Funktionsstörungen“ zugrunde, die weder bildgebend noch apparativ erfasst werden können, sondern vielmehr durch eine subtile klinische Untersuchung, insbesondere manualmedizinisch. Hierzu gehören myofaszielle Schmerzsyndrome mit Triggerpunkten, statomuskuläre Muskelinsuffizienzen und muskuläre Dysbalancen oder Gelenkdysfunktionen („Blockierungen“), die für den Patienten genauso belastend und schmerzhaft sein können wie strukturelle Schmerzursachen und häufig den Grund für Schmerzchronifizierungen darstellen. Gerade bei chronifizierenden Beschwerden erscheint eine mechanismenbasierte Einteilung der Schmerzen, wie wir sie vom neuropathischen Schmerz kennen, sehr wichtig für das weitere therapeutische Vorgehen. Dabei spielen neurophysiologische Untersuchungstechniken wie die klinische Erfassung von Plus- und Minus-Symptomen, d.h. nicht nur Defizite sondern auch Hyperalgesien und Allodynien zur Erfassung peripherer oder zentraler Sensibilisierung, unabhängig von der Ätiologie der Erkrankung eine wichtige Rolle bis hin zur quantitativen sensorischen Testung (QST). Hierzu gehört auch die Erfassung vegetativer Symptome bei Hinweisen für einen sympathisch unterhaltenen Schmerz (SMP). Die Schmerzdiagnostik sollte deshalb auch eine Analyse der Nozigeneration, der Sensibilisierung und der Inhibition beinhalten, um ggf., soweit möglich, z.B. spezielle Koanalgetika einzusetzen. Entscheidend für die Prognose beim erstmaligen Auftreten von Rückenschmerzen ist neben der fachgerechten Behandlung spezifischer Rückenschmerzen (unter 20%) die sachgerechte Versorgung „nicht-spezifischer Rückenschmerz“, die einerseits eine unnötige Medikalisierung eines weit verbreiteten Symptoms (Prävalenz 80%) vermeiden soll, d.h. Verzicht auf unnötige apparative Diagnostik und Therapie und damit auch Verunsicherung des Patienten, andererseits aber eine Abklärung möglicher Risikofaktoren ggf. mit entsprechender Aufklärung und ausführlicher Verhaltensedukation gegenüber dem Patienten veranlassen soll. Schnittstellenprobleme in der integrierten Versorgung Rückenschmerz am Beispiel des Bertelsmann-Projektes M. Strohmeier Orthopädische Praxis, Ravensburg Die integrierte Versorgung bezieht sich zum Einen auf die bessere Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationären Bereich (sektorenübergreifend), besonders aber auch auf die bessere Verzahnung zwischen den einzelnen Arztgruppen untereinander. In o.g. Projekt der Bertelsmannstiftung wurde ein Modell entwickelt, das als 3 Stufenmodell im ambulanten Bereich die stringente Mit- und Zusammenarbeit der beteiligten Fachgruppen regelt. Darüber hinaus wurde aber auch der Versuch gemacht exakte Vorgaben für den Einbezug stationärer Einrichtungen und Einrichtungen der Rehabilitation zu finden. Erwartungsgemäß gab es erste Probleme im Übergang der Hausarzt- in die Facharztebene, da liebgewonnene Gewohnheiten, wie frühzeitige Bildgebung o.ä. aufgegeben werden mussten. Nicht weniger problematisch war jedoch der Übergang der Facharztebene, hier besonders der Orthopäden, zur interdisziplinären, schmerztherapeutischen Ebene. Massive Widerstände gab es an dieser Stelle auch von den orthopädischen Klinikern, da der Weg zur Operation zunächst über die interdisziplinäre Abklärung und Therapie laufen sollte. An dieser Problematik wäre das Projekt fast gescheitert. Die Integration der rehabilitativen Ebene, die letztlich ein Parallelgesundheitswesen mit eigenen Regeln und Vergütungen darstellt, ist ebenfalls ein Novum in Deutschland.
Dass es gelungen ist, ein tragfähiges Modell integrierter Versorgung für Patienten mit Rückenschmerzen zu entwickeln, ist den Moderatoren des Projektes zu verdanken, die unermüdlich um tragfähige Kompromisse gerungen haben. Die Tatsache, dass keiner mit diesem Modell vollauf zufrieden ist, zeigt, dass jede Gruppe an die Grenze für ihre Fachgruppe vertretbarer Kompromisse gegangen ist. Möglich wurde dadurch andererseits ein Modell, das als beispielgebend für integrierte Versorgungsmodelle gelten darf. Erste Modelle in denen diese Erkenntnisse umgesetzt werden sind bereits entstanden und zeigen, dass die praktische Umsetzung möglich und erfolgreich ist.
Grundlagenforschung Genetik und Schmerz Polymorphismen des COMT-Gens: Was ist wirklich dran? A. Berthele Neurologische Klinik der TU München Das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT) spielt im ZNS eine entscheidende Rolle in der Metabolisierung von biogenen Aminen. Dabei ist bekannt, dass dessen Funktion durch zumindest einen funktionellen Polymorphismus des kodierenden Gens beeinflusst wird. Die bisherigen Forschungsansätze fokussieren einerseits auf die Bedeutung dieses Val108/158Met Polymorphismus im Exon 4 des COMTGens und andererseits auf dessen funktionelle Auswirkungen auf systemische dopaminerge Funktionen. Neuere Untersuchungen belegen, dass die genetisch bedingte Variabilität von COMT aber auch Einfluss auf die Funktion des Opiatrezeptor-Systems nimmt. Das Opiatrezeptor-System ist das wichtigste endogene Schmerzhemmsystem und dessen (Dys-)Funktion ist an die Entwicklung, aber auch die Effektivität der Therapie von Schmerzen und Schmerzkrankheiten gekoppelt. Der molekulare Mechanismus der Interaktion zwischen COMT, biogenen Aminen und dem Opiatrezeptor-System ist jedoch unklar. Zudem zeigen die bisher veröffentlichten Untersuchungen zur Assoziation bestimmter COMT-Genotypen mit verschiedenen klinischen SchmerzPhänotypen widersprüchliche Ergebnisse. Ziel des Vortrags ist es, die aktuellen Ergebnisse kritisch zu bewerten: Ist COMT ein Schmerz-Risikogen?
Zentrale Schmerzverarbeitung und Schmerzmodulation: Aktuelle Erkenntnisse der funktionellen Neurobildgebung Die Schmerzmatrix – Bedeutung nozizeptiver Areale im parasylvischen Kortex R.-D. Treede Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz Schmerz als bewusste Wahrnehmung entsteht nicht im verletzten Gewebe sondern im Gehirn. Daher ist es wichtig, die Signalwege von der Peripherie zum Gehirn und die Signalverarbeitung innerhalb des Gehirns zu kennen, um zu verstehen, wie die verschiedenen Arten von Schmerz entstehen, wie sie mit kognitiven Funktionen interagieren, und wie man sie behandeln kann. Das nozizeptive Netzwerk im Gehirn ist durch anatomische, physiologische und Imaging-Studien inzwischen weitgehend bekannt. In der Großhirnrinde umfasst es den primären und sekundären somatosensorischen Kortex (SI und SII), den Gyrus cinguli, die Inselrinde sowie Teile des parietalen und frontalen Assoziationskortex. An subkortikalen Regionen gehören ferner zum nozizeptiven Netzwerk Teile des Thalamus, der Basalganglien, des Cerebellums und der Amygdala. Als parasylvischen Kortex bezeichnet man die Regionen um die Fissura Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Sylvii herum, d.h. die Inselrinde und diejenigen Teile des Frontal-, Parietal- und Temporallappens, welche die Inselrinde bedecken und daher „Opercula“ heißen. Der parasylvische Kortex ist in nahezu allen Imagingstudien signifikant aktiviert (Apkarian et al. 2005) und weist eine hohe Dichte von Opiatrezeptoren auf (Baumgärtner et al. 2006). Elektrophysiologische Messungen zeigen, dass diese Hirnregion mit kürzerer Latenz auf Schmerzreize anspricht als alle anderen Regionen. Intrakortikale elektrische Reizung in diesem Bereich ist schmerzhaft, während Läsionen zu einem Verlust oder starker Veränderung der Schmerzempfindung führen. Wenn es überhaupt ein nozizeptives spezifisches Areal im Kortex gibt, ist der parasylvische Kortex ein guter Kandidat. Die durch Schmerzreize aktivierbaren Regionen im parasylvischen Kortex gehen weit über das parietale Operculum (SII) hinaus. Die funktionelle Bedeutung der Subareale im parasylvischen Kortex für die Schmerzwahrnehmung und die unterschiedliche Repräsentation von Tast- und Schmerzsinn in dieser Region sind Thema aktueller Forschung, über die in diesem Symposium berichtet wird. Schmerz und Kognition – gegenseitige Modulationen U. Bingel Abteilung für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Die Wahrnehmung von Schmerz ist keine 1:1 Übersetzung der Aktivierung peripherer Nozizeptoren, sondern unterliegt einer ausgeprägten Modulation durch kognitive Faktoren. Hierzu zählen z.B. Einflüsse von Aufmerksamkeit, Erwartung und Stress. Die Plazeboanalgesie ist eines der eindrücklichsten Beispiele einer solchen Schmerzmodulation durch kognitive Prozesse. Mit Hilfe der funktionellen Bildgebung (PET und fMRT) ist es gelungen, die zentralnervösen Mechanismen der Plazeboanalgesie zu entschlüsseln: Sowohl PET als auch fMRT Untersuchungen dokumentieren eine Aktivierung des rostralen anterioren Cingulums (rACC) während der Plazeboanalgesie. Darüber hinaus kommt es zu einer rACC vermittelten Rekrutierung eines subkortikalen Netzwerkes wie dem PAG und der Amygdala, beides Strukturen die bekannt sind für ihre Beteiligung am opiatabhängigen endogenen antinozizeptiven System. Die Bedeutung des endogenen Opiatsystems für die Plazeboanalgesie ist mittlerweile durch pharmakologische Interventionsstudien mit Naloxon, als auch eine Studie mit Opiatliganden-PET belegt. Das Netzwerk aus rACC und subkortikalen Strukturen scheint auch für andere Formen der kognitiven Schmerzmodulation wie z.B. durch Aufmerksamkeit oder Erwartungshaltung eine wesentliche Rolle zu spielen. Die Wirkung von Kognition auf Schmerz ist aber nicht einseitiger Natur. Verhaltensstudien, aber auch Erfahrungen im klinischen Alltag zeigen, dass akute und chronische Schmerzen Aufmerksamkeitsressourcen binden und sich negativ auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken können. Dieses Phänomen ist in den vergangenen Jahren zunehmend ins Interesse der Neurowissenschaften gerückt und erst kürzlich gelang es mit Hilfe der funktionellen Bildgebung Einblicke in die neuronalen Mechanismen dieser „Störwirkung“ von Schmerz zu gewinnen. Der Vortrag vermittelt einen Überblick über die aktuellen Befunde der funktionellen Bildgebung sowie daraus resultierender Modelle zur wechselseitigen Beeinflussung von Schmerz und Kognition.
Zytokine bei Schmerz und Analgesie Zytokine und Chemokine als Modulatoren der Opioidfreisetzung H. L. Rittner Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin Charité Berlin Schmerzen entstehen, wenn Gewebe zerstört wird. Gewebezerstörung wie auch die anschließende Wundheilung ist mit einer entzündlichen Begleitreaktion verbunden. Dabei kommt es zu einer Aktivierung von Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren). Diese unterliegen mit dem umgebenden entzündlichen Infiltrat aus eingewanderten und gewebeständigen Leukozyten vielfachen Wechselwirkungen. Im frühen Entzün-
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dungsverlauf werden schmerzauslösende endogene Mediatoren wie die Zytokine, der Nervenwachstumsfaktor NGF sowie Bradykinin und Prostaglandine gebildet. Gleichzeitig werden im Immunsystem aber auch schmerzlindernde Mechanismen aktiviert. Opioidpeptide wie Endorphine, Enkephaline und Dynorphine werden von Leukozyten gebildet und können nach Stimulation mit Zytokinen oder Chemokinen lokal im entzündeten Gewebe freigesetzt werden. Durch die Bindung an Opioidrezeptoren auf peripheren sensorischen Neuronen kommt es zu einem schmerzlindernden Effekt. Opioidpeptide werden in Granulozyten in primären Granula gespeichert und über einen Mechanismus sezerniert, der intrazellulär die Freisetzung von Kalzium und die Aktivierung von Phosphoinositol-3-kinase beeinhaltet. Entzündungsschmerz kann daher durch Freisetzung von Opioidpeptiden aus Granulozyten gelindert werden. Experimentell induzierte Neutropenie verhindert die schmerzlindernde Wirkung. Durch lokalen Transfer von Spender-Granulozyten kann die körpereigene Schmerzlinderung wiederhergestellt werden. Die medikamentöse Beeinflussung dieses Wechselspiels (z.B. Immunsuppression) hat daher nicht nur schmerzlindernde Wirkungen, sondern kann auch zur Schmerzverstärkung durch Beeinträchtigung endogener schmerzlindernder Mechanismen führen. Beeinflusst die Reagibilität der HPA-Achse Zytokinspiegel und die Schmerzverarbeitung? F. Anton, U. Hanesch, P.-E. Juif, G. Michaux Labor für Psychobiologie und Neurophysiologie, Universität Luxemburg Seit einigen Jahren häufen sich in der Literatur Hinweise dafür, dass eine Vielzahl an Patienten, die unter funktionellen Schmerzsyndromen leiden, eine reduzierte adrenocorticale Reagibilität aufweisen. Eine weitere Gemeinsamkeit vieler dieser Patienten ist, dass der beobachtete Hypocortisolismus mit anhaltenden Phasen von psychosozialem oder post-traumatischem Stress einherzugehen scheint. Eine Unterdrückung der Freisetzung von Glucocorticoiden könnte u. A. über die enthemmte Freisetzung von Entzündungsmediatoren, wie z.B. pro-inflammatorischen Zytokinen, Erregungs- und Sensibilisierungsprozesse im nozizeptiven System fördern, die ihrerseits zu einer Verstärkung und Chronifizierung des Schmerzerlebens beitragen könnten. Ziel unserer Arbeitsgruppe ist es, kausale Zusammenhänge zwischen HPAAchsenreagibilität und Schmerzverarbeitung in human- und tierexperimentellen Studien nachzuweisen und die zugrunde liegenden Mechanismen zu erforschen. In prospektiven klinischen Studien verglichen wir (a) Patienten, die nach operativer Behandlung eines Bandscheibenvorfalls unter andauernden radikulären Schmerzen litten (FBS, failed back syndrome), mit (b) Patienten, die postoperativ nicht mehr über Schmerzen klagten, gegenüber einer nach Alter und Geschlecht parallelisierten Kontrollgruppe. Hierbei konnten wir bei den FBS-Patienten, die in der Regel unter chronischen präoperativen Stressbelastungen und depressiver Verstimmung litten, in der Tat eine reduzierte adrenocorticale Reagibilität nachweisen, die mit erhöhten Plasmaspiegeln des pro-inflammatorischen Zytokins IL-6 einhergingen. Zusätzlich konnten wir anhand von in vitro Untersuchungen zeigen, dass Monozyten von FBS-Patienten nach LipopolysaccharidStimulation mehr pro-inflammatorische Zytokine freisetzten und eine erhöhte Glucocorticoidresistenz aufwiesen (verminderte Hemmung der Zytokinfreisetzung durch Dexamethason). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass chronisch gestresste Patienten einem erhöhten FBS-Risiko ausgesetzt sind, da ihre verminderte Cortisolfreisetung die anhaltende Synthese von pro-inflammatorischen Zytokinen fördert. In verschiedenen psychophysischen Studien mit gesunden Versuchspersonen sind wir der Frage nachgegangen, ob eine pharmakologische Manipulation der Glucocorticoidspiegel zu einer Veränderung der Schmerzsensibilität führen kann. Hierzu haben wir verschiedene experimentelle Schmerzmodelle eingesetzt (elektrisch und mechanisch induziertes Wind-up, tonische mechanische Reize, intrakutane Capsaicin-Injektion), um den Effekt von oraler Hydrocortisongabe auf die Schmerzwahrnehmung und die Entwicklung von hyperalgetischen Zuständen zu untersuchen. Zusammenfassend zeigten unsere Ergebnisse,
dass Glucocorticoide den Schmerz per se und den Aufbau einer erhöhten Schmerzsensibilität nach wiederholter phasischer Stimulation nicht beeinflussen. Bei den Modellen jedoch, die näher an klinischen Schmerzen sind (d.h. tonische Reize, Capsaicin), konnten wir eine signifikante Glucocorticoid-induzierte Unterdrückung der Hyperalgesie beobachten. Zum Schluss des Vortrags werde ich auf Tierversuche eingehen, die komplentär zu den beschriebenen Humanstudien sind. In einer ersten Serie von Experimenten haben wir zwei Inzuchtstämme von Ratten, die eine unterschiedliche Reagibilität der HPA-Achse aufweisen, miteinander verglichen. Während Fischer 344-Ratten (FIS) erhöhte Glucocorticoidspiegel aufweisen und dementsprechend weniger entzündungsanfällig sind, sind Lewis-Ratten (LEW) durch erniedrigte Glucocorticoidspiegel und eine erhöhte Entzündungsanfälligkeit charakterisiert. Nach Induktion einer Entzündung in der linken Hinterpfote (intraplantare Carrageenan-Injektion) wurden über einen Zeitraum von sieben Tagen Schmerzschwellen erfasst. Zusätzlich wurden aktivierte nozizeptive Hinterhornneurone und Gliazellen, die u.a. pro-inflammatorische Zytokine freisetzen könnten, immunhistochemisch markiert. Die Ergebnisse dieser Studie sollen kurz dargestellt und diskutiert werden. Zytokine bei chronischen Schmerzerkrankungen und Ansatzpunkte für die Behandlung N. Üçeyler Neurologische Klinik der Universität Würzburg Pro- und anti-inflammatorische Zytokine spielen als körpereigene Botenstoffe in zahlreichen physiologischen Regelkreisen eine wesentliche Rolle. Ihre Mitwirkung bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerzen wurde in zahlreichen Tiermodellen erwiesen. Durch die Applikation pro-inflammatorischer Zytokine können Schmerzen induziert werden; bei Schmerzinduktion z.B. durch Nervenläsion verändern sich Zytokinprofile. Neuere Untersuchungen zeigen, dass auch bei chronischen Schmerzerkrankungen die systemische und lokale Zytokinexpression im Vergleich zu Gesunden verändert sein kann. Ein proinflammatorisches Zytokinprofil erscheint dabei eher schmerzfördernd, während ein Überwiegen anti-inflammatorischer Zytokine möglicherweise algopreventiv wirken kann. Dies scheint umso mehr von Bedeutung zu sein, wenn generalisierte Schmerzerkrankungen betrachtet werden. Bislang hat die Bestimmung individueller Zytokinprofile noch keinen Platz in der Routinediagnostik von Schmerzpatienten. In der Zukunft könnten solche Zytokinprofile jedoch zur besseren ätiologischen Einordnung bei Schmerzerkrankungen beitragen und eine Prognose bezüglich des Ansprechens auf bestimmte Therapien erlauben. In diesem Vortrag sollen die bislang verfügbaren Ergebnisse zu Zytokinveränderungen bei chronischen Schmerzerkrankungen präsentiert werden. Zudem geht es um die Diskussion des praktischen Nutzens dieser Daten und um eine Übersicht, wie sich diese Erkenntnisse in der Diagnostik und Therapie chronischer Schmerzen niederschlagen.
Yin und Yang der Nozizeption: Wenn Hemmmechanismen zur Schmerzursache werden Fehlfunktionen der Hemmung als Ursache von chronischen Schmerzen J. Sandkühler Zentrum für Hirnforschung, Abteilung für Neurophysiologie, Medizinische Universität Wien, Österreich Für eine normale Schmerzwahrnehmung ist die physiologische Hemmung im Rückenmark unverzichtbar. Die wichtigsten hemmenden Systeme im Hinterhorn des Rückenmarks verwenden gamma-Aminobuttersäure (GABA) oder Glyzin als Neurotransmitter. Störungen im GABAergen oder glyzinergen System des Rückenmarks können zu schweren Formen der Hyperalgesie, Allodynie und zu spontanen Schmerzen führen. Die Erforschung dieser Hemmsysteme wurde u.a. auch durch die Entwicklung gentechnisch veränderter Tiere verbessert. Verletzungen peripherer Nerven, Entzündungen oder Verletzungen des ZNS können zu lang an-
haltenden Veränderungen dieser Hemmsysteme führen. Die Zahl und die elektrophysiologischen Eigenschaften der hemmenden GABAergen Neurone sind offenbar stabil bei neuropathischen Tieren mit schwerer Allodynie und Hyperalgesie. Nervenverletzungen führen jedoch zu einer verminderten Synthese von GABA und zu einer reduzierten Aufnahme von GABA in die synaptischen Vesikel. Ferner ist die Exocytose an GABAergen Terminalen und damit die Freisetzung von GABA reduziert. Auch die Anzahl und die Funktion der Neurotransmitterrezeptoren für GABA sind im Rückenmark neuropathischer Tiere deutlich eingeschränkt. Durch Verschiebungen im Ionengleichgewicht von Nervenzellen in der Lamina I des oberflächlichen Hinterhorns kann es zu dem, wie ich es nenne, „größten anzunehmenden Unfall“ (GAU) im nozizeptiven System kommen: die Umwandlung der GABAergen Hemmung in eine durch GABA ausgelöste Erregung. Bei diesem GAU im Hinterhorn fehlt nicht nur die unverzichtbare tonische und phasische Hemmung, sondern es kommt darüber hinaus noch zu einer pathologischen Erregung an genau jenen Nervenzellen in Lamina I des Rückenmarks, die für neuropathische Schmerzen eine entscheidende Rolle spielen. Diese multiplen Störungen in der physiologischen Hemmung im Hinterhorn beim neuropathischen Schmerz machen verständlich, wieso monokausale Therapieansätze oft nicht die erwünschte Wirksamkeit erreichen. Yin und Yang von GABA(A)-Rezeptoren im Rückenmark – warum Hemmung auch erregend sein kann C. Grasshoff Sektion Experimentelle Anaesthesiologie, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen Die Begriffe von Yin und Yang bezeichnen im Chinesischen komplementäre Teile eines Ganzen. Im philosophischen Denken hat man die beiden Begriffe, von ihren Grundbedeutungen ausgehend, sinngemäß zur Bezeichnung verschiedener Prinzipien und Sachverhalte in der Natur herangezogen. Hier soll nun versucht werden, die komplementären Wirkungen von GABA(A)-Rezeptoren im Vorderhorn des Rückenmarks darzustellen. Das interneuronale Netzwerk im Vorderhorn des Rückenmarks kontrolliert die Erregbarkeit und die zeitlich gesteuerte Entladung der Motoneurone und stellt somit einen wichtigen Angriffspunkt für die Unterdrückung von Schmerzreflexen durch Anästhetika dar. Aus klinischen Studien ist bekannt, dass vorwiegend über GABA(A)-Rezeptoren wirkende Anästhetika wie Propofol Schmerzreflexe nur schlecht unterdrücken. Experimentelles Korrelat für diese klinische Beobachtung ist eine limitierte Effektivität, die Aktionspotentialaktivität isolierter spinaler Netzwerke zu hemmen. Der Grund für diese Limitierung liegt in der Lokalisation der GABA(A)-Rezeptoren. In dem neuronalen Netzwerk gibt es einerseits GABA(A)-Rezeptoren, die auf erregenden Interneuronen lokalisiert sind und deren Modulation die Netzwerkaktivität hemmt. Andererseits sitzen GABA(A)-Rezeptoren auch auf GABAergen Interneuronen. Ihre Aktivierung hemmt die Freisetzung von GABA in das neuronale Netzwerk. Da klinisch gebräuchliche intravenöse Anästhetika nicht zwischen beiden funktionellen Gruppen von GABA(A)-Rezeptoren differenzieren können, limitiert diese Reduktion der GABA-Freisetzung ihre Effektivität, Schmerzreflexe zu unterdrücken. Im Vorderhorn des Rückenmarks bilden somit GABA(A)-Rezeptoren, je nach Subtypen-Zusammensetzung und Lokalisation, komplementäre Teile der neuronalen Netzwerkaktivität. Die über GABA(A)-Rezeptoren vermittelte Modulation durch Anästhetika bewirkt eine gleichzeitige Hemmung und Akzeleration der Aktionspotentialaktivität. Beide funktionell verschiedenen Typen von GABA(A)-Rezeptoren sind jedoch auf Grund ihrer Subtypen-Zusammensetzung differenzierbar, was eine Grundlage zur Entwicklung neuer und spezifisch wirkender Substanzen zur Unterdrückung von Schmerzreflexen bilden kann. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Spinale GABA-A Rezeptoren: Übeltäter oder doch eher analgetisch? H. U. Zeilhofer Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Zürich, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, ETH Zürich Das Hinterhorn des Rückenmarks spielt eine wichtige Rolle bei der Schmerzkontrolle, indem es die Fortleitung nociceptiver Signale aus dem peripheren Gewebe ins zentrale Nervensystem kontrolliert. Diese Kontrolle wird durch die hemmenden Neurotransmitter g-Aminobuttersäure (GABA) und Glycin vermittelt. Ein Verlust an synaptischer Hemmung im Rückenmark ist ein bedeutender Faktor bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen. Dementsprechend sollten Wirkstoffe, die die GABAerge Inhibition im Rückenmark verstärken, chronische Schmerzen lindern. Trotzdem sind klassische Benzodiazepine, die die Wirkung von GABA an allen hemmenden GABA-A Rezeptoren potenzieren, nicht zur systemischen analgetischen Therapie geeignet. Ursächlich hierfür sind begleitende unerwünschte Wirkungen, wie Sedation, Amnesie, Toleranzentwicklung und ihr Abhängigkeitspotential sowie eine geringe analgetische Wirkung nach systemischer Gabe. Wir haben daher in verschiedenen Tiermodellen chronischer Schmerzen untersucht, ob (1) spinal verabreichte Benzodiazepine analgetisch wirken, (2) welche GABA-A Rezeptor-Isoformen eine mögliche Analgesie vermitteln, (3) ob Subtyp-selektive GABA-A Rezeptorliganden nach systemischer Gabe analgetisch wirksam werden und (4) ob solche Subtyp-selektiven Wirkstoffe ebenfalls zu Sedation oder Toleranzentwicklung führen. In verschiedenen Tiermodellen konnten wir zeigen, dass spinale Gabe von Benzodiazepinen analgetisch gegenüber chronischen entzündlichen und neuropathischen Schmerzen wirkt. Reaktionen auf akute nociceptive Reize wurden dagegen durch spinale Benzodiazepine nicht beeinflusst. Diese Anti-Hyperalgesie wird von speziellen GABA-A Rezeptorsubtypen vermittelt, die die alpha-2 oder alpha-3 Untereinheit enthalten, während die sedierende Wirkung klassischer Benzodiazepine auf ihrer Interaktion mit anderen GABA-A Rezeptorisoformen beruht, die alpha-1 Untereinheiten enthalten. Systemisch verabreichte subtypselektive Benzodiazepinliganden (L-838,417) vermindern entzündliche und neuropathische Schmerzen, ohne sedierend zu wirken und ohne eine Toleranz zu erzeugen. Diese Versuche belegen, dass durch eine selektive Verstärkung der spinalen GABAergen Hemmung einen Erfolg versprechenden neuen Weg für die Behandlung chronischer – auch neuropathischer – Schmerzen darstellt.
Hyperalgesie durch unterschwellige nozizeptive Signale im ZNS Die Bedeutung unbemerkter niederfrequenter Aktivität für Sensibilisierungsprozesse im ZNS W. Zieglgänsberger Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München Sensorische Afferenzen aus der Peripherie und den inneren Organen enden mit ihren präsynaptischen Terminalen an Nervenzellen im Hinterhorn des Rückenmarks oder den analogen Strukturen im verlängerten Mark. Diese Neurone erhalten synaptischen Zustrom von segmentalen Interneuronen und durch aus rostralen Hirnstrukturen deszendierenden Bahnsystemen. Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks fungieren als dynamische Integrations- und Modulationsstationen für Schmerzimpulse. Neurone in Lamina 1 und 5 sind häufig vom sog. wide-dynamic range Typ (WDR-Neurone). Sie reagieren als multirezeptive Neurone nicht nur auf schmerzhafte, sondern auch auf leichte Reize und steigern ihre Aktivität bei einer Zunahme der Reizintensität. Diese Neurone sind häufig durch schmerzhafte Reizung der Peripherie (Haut, Muskel, Gelenk, Gefäße, Meningen) und des Intestinums aktivierbar (Konvergenz). Eine Abschwächung von Interneuronsystemen, die γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glyzin (vorwiegend auf Rückenmarksebene wirksam) als hemmende Überträgerstoffe verwenden, kann zur Verstärkung der
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Schmerzempfindlichkeit führen und letztendlich die Entstehung chronischer Schmerzen begünstigen. Die in ihrem Wirkmechanismus sehr nahe verwandten inhibitorischen Neurotransmitter GABA und Glyzin – beide erhöhen die postsynaptische Leitfähigkeit für Cl-Ionen – sind hierbei als Gegenspieler zum Glutamat zu sehen, das als erregender Neurotransmitter aus nozizeptiven Afferenzen freigesetzt wird. Glutamatrezeptoren sind wesentlich an der Entstehung von neuroplastischen Veränderungen an spinofugal projizierenden Neuronen durch nozizeptive Reizung beteiligt (long-term potentiation, LTP). Diese Form neuronaler Plastizität gilt als ein wichtiger Mechanismus für die Entstehung von Hyperalgesie. LTP kann nach neueren Erkenntnissen auch durch niederfrequente Reizung ausgelöst werden. Diese Befunde lassen vermuten, dass auch schwächere Schmerzreize in der Lage sind, die Reaktionsbereitschaft von Komponenten der Schmerzmatrix nachhaltig zu verändern. Das tierexperimentelle Beispiel: Hyperalgesie durch NGF (Nervenwachstumsfaktor) S. Mense Institut für Anatomie und Zellbiologie III, Universität Heidelberg Früher bestand die Ansicht, dass für die Auslösung einer Übererregbarkeit von ZNS-Neuronen (zentrale Sensibilisierung) ein hochfrequenter Impulseinstrom über afferente nozizeptive Fasern erforderlich ist. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass für diesen Effekt ein niederfrequenter Antrieb oder sogar unterschwellige synaptische Potenziale in Hinterhornneuronen ausreichen. Ein wichtiger Hinweis in diese Richtung stammt aus klinischen Studien, in denen bei Versuchspersonen NGF i.m. injiziert wurde. Die Personen hatten bei der Injektion keine subjektiven Empfindungen, aber nach einigen Stunden trat eine massive Allodynie und Hyperalgesie auf, die sich u.a. in einer gesenkten Druckschmerzschwelle äußerten. Wegen des Fehlens jeder Empfindung bei der NGF-Injektion haben wir die Hypothese aufgestellt, dass NGF nur unterschwellige Potenziale auf Hinterhorn-Ebene auslöst. Die Überprüfung der Hypothese mit intrazellulärer Registrierung der synaptischen Aktivität von Hinterhornzellen bei anästhesierten Ratten zeigte, dass tatsächlich eine i.m.-Injektion von NGF hauptsächlich unterschwellige Potenziale (erregende synaptische Potenziale (EPSPs)) und nur vereinzelte Aktionspotenziale hervorrief. Die unterschwelligen Potenziale werden nicht an höhere nozizeptive Zentren weitergeleitet – sie bleiben im Hinterhorn „stecken“ – und verursachen daher keine Empfindungen. Verhaltensexperimente mit wachen Tieren, die einen Tag vorher eine NGF-Injektion in den M. gastrocnemius-soleus (GS) erhalten hatten, zeigten eine signifikante Senkung der Druckschmerzschwelle des injizierten Muskels. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die NGF-induzierten unterschwelligen Potenziale ausreichen, um die Hinterhornzellen zu sensibilisieren und Hyperalgesie auszulösen. Darüber hinaus bestand eine signifikante Reduktion des Explorationsverhaltens der Tiere (Untersuchung eines unbekannten Käfigs) nach NGF i.m. Dieser Befund könnte auf das Vorliegen von Bewegungsschmerzen hindeuten. Die alte Ansicht, dass eine hochfrequente Aktivierung muskulärer Nozizeptoren für eine Sensibiliserung von Hinterhornneuronen nötig ist, ist damit widerlegt. Da in den elektrophysiologischen Experimenten auch schmerzhaftes Kneifen des GS-Muskels in der Mehrzahl der Hinterhornneurone nur unterschwellige Potenziale auslöste, muss man annehmen, dass die afferente Aktivität von muskulären Nozizeptoren auf Rückenmarksneurone eher eine modulierende als eine erregende Wirkung hat, wenn sie nicht zu hochfrequent ist. Das klinische Beispiel: Pathogenese und Therapie des Schleudertraumas T. Ettlin Reha Rheinfelden Das Schleudertrauma entspricht nach Ausschluss einer Fraktur und Luxation einer Weichteildistorsion der Nacken- und Halsweichteile, d.h. pathophysiologisch einer mechanischen Gewebsschädigung
vom entzündlich reparativen Typ. Die Akutbefunde sind lokalisierter Schmerz, Überwärmung, Schwellung und Funktionseinschränkung. In der chronifizierten Phase besteht die Leitsymptomatik aus Kopf- und Nackenschmerzen (VAS um 5) plus mehrere zervicocephale Zusatzsymptome mit einer hohen Prävalenz an psychopathologischen Auffälligkeiten. Eine aktuelle Studie über die Verteilung von myofascialen Muskelveränderungen nach Schleudertrauma im Vergleich zum nicht traumatischen Zervikalsyndrom, zur Fibromyalgie, zur Depression und zu Normalkontrollen ergab beim Schleudertrauma eine signifikante Häufung von aktiven Triggerpunkten und Taut bands in den hohen Kopfextensoren. Bei den anderen Kontrollgruppen entsprach die Lokalisierung der aktiven Triggerpunkte der Lokalisierung der passiven Triggerpunkte bei den Normalkontrollen. Therapeutisch kommt in der Akutphase einer hoch dosierten analgetisch-antiphlogistischen Medikation in der Diskussion um die Bedeutung anhaltender unterschwelliger nozizeptiver Reize für die Entstehung der Chronifizierung eine besondere Bedeutung zu. Zusätzlich wichtig sind die kongruente hausärztliche, fachärztliche und physiotherapeutische Patienteninformation, die physiotherapeutische Behandlung nach dem Hands off-Prinzip und die symptom- und belastungskorrelierte Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Im chronischen Stadium ist die Therapie zwingend multimodal, bestehend aus Information und Zielvereinbarung, befundgeleitete spezifische Therapien und verhaltenstherapeutisch orientierter, auf Coping fokussierter Psychotherapie.
Kontrolle von Schmerz und Entzündung durch das Gehirn: Rolle des sympathischen Nervensystems und des Immunsystems Kontrolle von Entzündung und Schmerz des Gelenks durch das Gehirn: periphere und spinale Mechanismen H.-G. Schaible Physiologisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena Bei schmerzhaften Entzündungen richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Nervensystem, wenn immer es um die Entstehung und Behandlung des Entzündungsschmerzes geht. Diese sensorische Funktion des Nervensystems ist jedoch nur eine Seite der neuronalen Funktionen bei Entzündung. Eine andere Seite, die bislang wenig beachtet wird, ist die Beeinflussung des Entzündungsprozesses durch das Nervensystem, was einer efferenten Funktion des Nervensystems entspricht. Es gibt inzwischen eine Reihe experimenteller und direkter und indirekter klinischer Befunde, die eine modulierende Funktion des Nervensystems bei Entzündung zeigen. Prinzipiell können efferente Effekte über verschiedene neuronale Kanäle vermittelt werden. Dazu gehören die Primärafferenzen, die nicht nur eine sensorische Funktion besitzen, sondern durch die Freisetzung von Neuropeptiden im innervierten Gewebe auch Einfluss auf das Gewebe nehmen („neurogene Entzündung“). Weitere Ausgangskanäle sind das sympathische Nervensystem einschließlich des Nebennierenmarks, vagale Efferenzen und neuroendokrinologische Systeme. Einflüsse dieser efferent wirkenden Systeme auf das Entzündungsgeschehen wurden in verschiedenen Entzündungsmodellen nachgewiesen. Primärafferenzen sollen proinflammatorisch wirken (Levine et al. 1986; Staub und Cutolo 2001). Sympathische Systeme wirken entweder pro- oder antiinflammatorisch (Jänig und Levine 2005; Levine et al. 1986; Straub und Cutolo 2001). Den Vagusefferenzen wird eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben (deJonge et al. 2005; Tracey 2002). Neuroendokrine Systeme wirken pro- oder antiinflammatorisch (Straub und Cutolo 2001). Trotz des prinzipiellen Nachweises pro- und antiinflammatorischer Wirkungen des Nervensystems ist unser Kenntnisstand über die Bedeutung dieser Systeme sehr rudimentär, weswegen diese Mechanismen in der Entzündungsforschung bisher kaum Berücksichtigung finden. Ausserdem gibt es auch eine Reihe von Widersprüchen. Bei-
spielsweise wurde in verschiedenen Arbeiten berichtet, dass entweder die primär afferenten Fasern oder die sympathischen Efferenzen im entzündeten Gewebe rückgebildet werden. Diese essentiellen Lücken zu füllen ist eine gemeinsame Aufgabe von Neurowissenschaftlern und Entzündungsforschern. 1. Levine JD, Dardick SJ, Roizen MF, et al (1986) Contribution of sensory afferents and sympathetic efferents to joint injury in experimental arthritis. J Neurosci 6, 3423-3429. 2. Straub RH, Cutolo M (2001) Involvement of the hypothalamic-pituitary-adrenal/gonadal axis and the peripheral nervous system in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheumat 44, 493-507. 3. Jänig W, Levine JD (2005) Autonomic-endocrine-immune interactions in acute and chronic pain. In: McMahon SB, Koltzenburg M (eds) Textbook of Pain. Elsevier, London, pp 205-218. 4. Tracey KJ (2002) The inflammatory reflex. Nature 420, 853-859. 5. de Jonge WJ, van der Zanden EP, The FO, et al (2005) Stimulation of the vagus nerve attenuates macrophage activation by activating the Jak2-STAT3 signaling pathway. Nat Immmunol 6, 844-851. Rolle des sympathischen Nervensystems und Immunsystems bei Entzündung und Hyperalgesie W. Jänig Physiologisches Institut, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Die Mechanismen, die Entzündung und Hyperalgesie zugrunde liegen, können nicht auf die peripheren Prozesse reduziert werden, an welchen Zellen des Immunsystems und verwandte Zellen (einschließlich ihrer Signalmoleküle), vaskulären Zellen, primäre afferent nozizeptive Neurone und sympathische Neurone beteiligt sind. Wie werden die zellulären und subzellulären peripheren Abwehrprozesse, die im Zentrum von Entzündung und Hyperalgesie stehen, durch das Gehirn im Rahmen der Protektion des Körpers gegen noxische, mikrobiale, toxische und andere gefährliche Prozesse, die den Körper von außen und von innen kontinuierlich bedrohen, gesteuert? Auf Grund von tierexperimentellen Untersuchungen und klinischen Beobachtungen wird argumentiert, dass das Gehirn in der Organisation und Kontrolle protektiver Körperreaktionen von entscheidender Bedeutung ist. Die efferenten Schenkel, über die das Gehirn diese Kontrolle ausübt, sind neuroendokrine Systeme (das hypothalamo-hypophysäre System, das sympatho-adrenale System [das Nebennierenmark]) und sympathoneuronale Systeme. Die afferenten Rückmeldungen zum Gehirn laufen über nozizeptive and andere afferente Neurone und über Signalmoleküle des Immunsystems (Interleukine) ab. Alle drei Körperdomänen (Haut, tiefe somatische Gewebe, Viszera) sind in diese protektiven Prozesse eingebunden und miteinander integriert. An Hand von experimentelle Daten, die an einem Tiermodell für mechanische Hyperalgesie, an einem Tiermodell für akute experimentelle Entzündung und an Patienten gewonnen worden sind, werden Ideen diskutiert, die uns in Zukunft dem Verständnis der Mechanismen verschiedener klinischer Schmerzsyndrome näher bringen können, wie z.B. der Fibromyalgie, dem chronischen Ermüdungssyndrom, dem Krankheitsverhalten („sickness behavior“), dem irritablen Colon, der funktionellen Dyspepsie, dem CRPS Syndrom, Aspekten chronischer Rückenschmerzen usw. Diese und andere klinische Schmerzsyndrome sollten aus größerem Blickwinkel und im größeren Kontext betrachtet werden. Sie sind Schmerzerkrankungen, an deren Expression das Gehirn über verschiedene efferente (endokrine und autonome) Systeme eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Aufklärung der zentralnervösen Prozesse, über die das Gehirn die Körperabwehr organisiert (von der eine Komponente Nozizeption und Schmerz ist), sollte uns lehren, wie das Gehirn unter physiologischen Bedingungen zur Gesundheit beiträgt und warum das Versagen dieser Integrationsprozesse unter pathophysiologischen Bedingungen Krankheit mit Schmerzen zur Folge hat. Die Kenntnis dieser zentralnervösen Prozesse sollte zu neuen Mechanismus-orientierten Therapien führen, deren Basis die von der Natur entwickelten Regulationsprozesse und Reparationsprozesse sind. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts 1. Jänig, W. Neurobiologische Grundlagen von Reflextherapien in der Naturheilkunde. In Bühring, M, Kremer, F.H. (eds.) „Naturheilverfahren und Unkonventionelle Medizinische Richtungen“, 2. edition (completely revised and rewritten), Sektion 1.06, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, pp. 1-104 (2005) 2. Jänig, W. The Integrative Action of the Autonomic Nervous System: Neurobiology of Homeostasis. Cambridge University Press, Cambridge, New York (2006) 3. Jänig, W., Levine, J.D. Autonomic-endocrine-immune responses in acute and chronic pain. In McMahon, S.B., Koltzenburg, M. (eds.) „Wall and Melzack´s Textbook of Pain“, 5. edition, Elsevier Churchill Livingstone, Amsterdam Edinburgh, pp. 205-218 (2006) Pathogenese von subakuten und chronischen Schmerzen nach Sepsis-induzierter systemischer Entzündung W. Meissner Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Klinikum der FriedrichSchiller-Universität Jena Experimentelle Hinweise als auch Alltagserfahrungen (z.B. Grippeschmerz) deuten an, dass systemische Entzündungszustände mit generalisierten Schmerzen und Hyperalgesie assoziiert sein können („illness response“) (1,2). Mögliche Mechanismen umfassen u.a. die systemische Zirkulation proinflammatorischer Zytokine und ihre Interaktion mit spinalen Gliazellen, zentrale Zytokinfreisetzung und die Aktivierung spinaler COX II. Die wenigen dazu vorliegenden klinischen Studien deuten an, dass ein Zusammenhang zwischen der Höhe proinflammatorischer Cytokinkonzentrationen und der postoperativen Schmerzintensität bzw. einer Hyperalgesie bestehen könnte (3,4). Da eine Sepsis die ausgeprägteste Form einer systemischen Immunaktivierung ist, wären hier am ehesten entsprechende Veränderungen zu erwarten. In Deutschland überleben pro Jahr ungefähr 90.000 Patienten eine Sepsis. Angesichts des immensen Ressourcenverbrauchs der Intensivmedizin, aber auch der erhofften Mortalitätsreduktion kommt der Untersuchung des Langzeit-Outcomes dieser Patienten sowohl unter ethischen als auch gesundheitsökonomischen Aspekten eine immer größere Bedeutung zu. Eine eigene Untersuchung konnte erstmals zeigen, dass 2 Jahre nach Entlassung mehr als 50% der Überlebenden einer Sepsis über chronische Schmerzen klagen (5) und sich damit signifikant von der Normalbevölkerung unterscheiden. Noch unklar ist, ob es sich hierbei um unspezifische Folgen der Grunderkrankung bzw. der Intensivbehandlung oder um eine spezifische Konsequenz der Sepsis handelt. Wegen der Häufigkeit systemischer Inflammationsvorgänge durch SIRS/Sepsis, aber auch durch banale Alltagserkrankungen und Operationen hat die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Inflammation und Schmerzen hohe klinische Relevanz. 1. Wieseler-Frank J, Maier SF, Watkins LR: Immune-to-brain communication dynamically modulates pain: physiological and pathological consequences. Brain Behav Immun 2005;19:104-11. 2. Elenkov IJ, Iezzoni DG, Daly A, Harris AG, Chrousos GP: Cytokine dysregulation, inflammation and well-being. Neuroimmunomodulation 2005;12:255-69. 3. Wu CT, Jao SW, Borel CO et al.: The effect of epidural clonidine on perioperative cytokine response, postoperative pain, and bowel function in patients undergoing colorectal surgery. Anesth Analg 2004;99:502-9. 4. Beilin B, Bessler H, Mayburd E et al.: Effects of preemptive analgesia on pain and cytokine production in the postoperative period. Anesthesiology 2003;98:151-5. 5. Meissner W, Zimmer A, Rothaug J, Mescha S, Reinhart K, Marx G: Quality of life after surviving sepsis. Infection 2005;33:A12.
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Schmerz und Juckreiz Was hat der Juckreiz mit Schmerz zu tun? S. Ständer Klinische Neurodermatologie, Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten, Universität Münster Akuter Pruritus erfüllt eine wichtige sensorische kutane Warnfunktion; er macht auf Fremdkörper und Parasiten auf der Hautoberfläche aufmerksam. Chronischer Pruritus (ab 6 Wochen Dauer) erfüllt indirekt diese Warnfunktion indem er als Symptom internistischer, neurologischer oder dermatologischer Erkrankungen auftritt. Lange Zeit galt Pruritus als Subempfindung des Schmerzes. Durch den Nachweis eigener, ausschließlich Histamin-sensitiver Afferenzen in der Haut und dem Rückenmark wird Pruritus nun als eigenständige Sensation definiert. Die Kenntnis über kutane, pruritogene Botenstoffe nimmt ständig zu. Hierbei spielen insbesondere Keratinozyten und die häufig in der Nähe der Nervenfasern vorhanden Mastzellen eine große Rolle, die diese Mediatoren synthetisieren und freisetzten können. Mediatoren, die ebenfalls Schmerz auslösen können wie Substanz P, Bradykinin oder Endothelin, lösen in der Haut unterschiedliche Qualitäten von Juckreiz aus. Andere Mediatoren wie Tryptase oder Interleukin 31 scheinen ausschließlich Juckreiz zu induzieren. Interessanterweise bewirken einige Mediatoren die Unterdrückung der pruritogenen Sensationen wie z.B. Opioide oder Cannabinoide. Hierzu zählt auch Menthol, der seit Jahren zur topischen Juckreizlinderung eingesetzt wird. Besteht jedoch eine neurogene Entzündung in der Haut, hat Menthol gegenteiligen Effekt und verstärkt Juckrez und löst Brennschmerz aus. Auf spinaler Ebene besteht z.B. im Opioidsystem ein Antagonismus (Morphine unterdrücken Schmerz, induzieren Pruritus). Es lassen sich jedoch auch ähnliche Mechanismen z.B. die periphere oder zentrale Sensibilisierung betreffend feststellen (gleiche Mechanismen bei Allokinesis und Allodynie). Daher sind einige Substanzen, die bei chronischem Schmerz eingesetzt werden ebenfalls bei chronischem Pruritus wirksam – wie das Gabapentin. Zusammenfassend ist Juckreiz als eigenständige Empfindung zu definieren; es bestehen eindeutige Unterschiede zum Schmerz. Darüber hinaus ist Pruritus aber durch spinale Interaktionen von Schmerz beeinflussbar und in neurophysiologischer Hinsicht nicht vollständig von Schmerz zu trennen. Differenzielle Pharmakotherapie bei chronischen Schmerzsyndromen in der Dermatologie I. Gralow Schmerzambulanz und Tagesklinik, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie u. operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum (UKM), Münster Schmerzen gehören neben Juckreiz zu den quälenden Symptomen vieler dermatologischer Erkrankungen: Das Spektrum der Schmerzursachen reicht dabei über ischämisch bedingte inflammatorische Veränderungen bis hin zu Neuropathien und komplexer Ätiologie bei Tumorerkrankungen. Zur pharmakologischen Schmerzbehandlung bei dermatologischen Erkrankungen existieren bisher keine prospektiven placebokontrollierten randomisierten Studien mit spezifischen Schmerzmitteln. Für die Praxis hat sich ein differenzielles Vorgehen basierend auf der Pathophysiologie analoger Schmerzsyndrome als effektiv erwiesen: Bei ulzerierenden Prozessen sind prostaglandinhemmende Substanzen Mittel der ersten Wahl. Ihr Langzeiteinsatz ist allerdings aufgrund neuerer Studien je nach Selektivität der Coxibe durch renale, gastrointestinale oder kardiovaskuläre Nebenwirkungen limitiert. Bei neuropathischen Schmerzen mit einschießender oder dauerhaft brennender Symptomatik, wie z.B. den Herpes Zosterneuralgien, sind neben den altbewährten Antikonvulsiva auch neuere Substanzen wie Gabapentin oder Pregabalin als effektiv nachgewiesen. Die neurologischen Leitlinien empfehlen des Weiteren Antidepressiva, topische Substanzen sowie Opioide. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass auch in der Behandlung chronischer Schmerzen in der Dermatologie ein multifaktorieller Therapieansatz hilfreich ist.
Sensibilisierung durch Nervenwachstumsfaktor (NGF) – relevant für die klinische Schmerzforschung?
Interdisziplinarität
NGF-verursachte periphere und spinale Sensibilisierung bei der Ratte S. Mense Institut für Anatomie und Zellbiologie III, Universität Heidelberg
Religiosität/Spiritualität bei Patienten mit chronischen Schmerzen
Wirkung von NGF auf freie Nervenendigungen des Skelettmuskels: NGF hat eine enge Beziehung zum Skelettmuskel; der Faktor wird im Muskel synthetisiert, er kommt in den freien Nervenendigungen des Muskels vor, und unter pathologischen Bedingungen ist seine Synthese gesteigert. Intramuskuläre Injektion von NGF in relativ geringer Konzentration (0,8 µM) erregt ca. 60% der nozizeptiven freien Nervenendigungen im M. gastrocnemius-soleus (GS) der anästhesierten Ratte. Tatsächlich ist NGF die einzige bisher bekannte Substanz, die selektiv nur die Muskelnozizeptoren aktiviert, ohne gleichzeitig auch die nichtnozizeptiven freien Nervenendigungen zu beeinflussen. Die periphere Sensibilisierung hat eine lange Latenz; 30 min nach der Injektion war keine Steigerung der mechanischen Empfindlichkeit der Nozizeptoren nachweisbar. Erst 5 Tage nach einer einmaligen NGF-Injektion ergab sich eine signifikante Zunahme der Erregbarkeit durch mechanische Reize. Im Verhaltensexperiment zeigten wache Ratte aber bereits einen Tag nach NGF i.m. eine signifikante Allodynie und Hyperalgesie. Offensichtlich sind diese Effekte nicht peripher bedingt, sondern Ausdruck einer zentralnervösen Sensibilisierung. Spinale Sensibilisierung durch NGF i.m.: Experimente an anästhesierten Ratten, in denen die synaptische Aktivität von Hinterhornzellen intrazellulär registriert wurde, haben gezeigt, dass die ersten Zeichen einer zentralen Sensibilisierung bereits 5 min nach der Injektion von NGF in den GS-Muskel auftraten. Die Sensibilisierung bestand in einem Übergang von unterschwelligen Potenzialen in überschwellige, d.h. die Hinterhornneurone reagierten nicht mehr mit (unterschwelligen) synaptischen Potenzialen auf die elektrische Reizung des GSMuskelnerven, sondern feuerten Aktionspotenziale. Auch einen Tag nach NGF i.m. – d.h. noch vor Einsetzen der peripheren Sensibilisierung (s.o.) – waren die Antworten der Hinterhornneurone auf mechanische und chemische Schmerzreize signifikant gesteigert. Die zentrale NGF-induzierte Sensibilisierung beruht zumindest teilweise auf der Aktivierung von NMDA-Kanälen; zumindest konnte die durch NGF bedingte Hyperalgesie der Ratten im Verhaltensexperiment durch prophylaktische Gabe von Ketamin verhindert werden. Eine Blockierung der AMPA-Kanäle hatte dagegen keinen Einfluss auf die Hyperalgesie. Klinisch relevante Rolle von NGF beim Menschen? M. Schmelz Klinik für Anästhesiologie Mannheim, Universität Heidelberg Humane Modelle für neuropathischen Schmerz haben sich bislang insbesondere auf die aktivitätsinduzierte neuronale Sensibilisierung konzentriert, die z.B. durch Injektion von Capsaicin erzeugt wird. Damit wird das klinische Bild von neuropathischen Schmerzen im Hinblick auf einige Symptome, nicht aber in seiner Gesamtheit widergespiegelt. Die subkutane Injektion von Nervenwachstumsfaktor (NGF) beim Menschen ist selber schmerzlos und löst auch keinen Spontanschmerz aus, erzeugt jedoch eine mechanische Überempfindlichkeit, die über die Injektionsstelle hinausreicht und für mehrere Wochen anhalten kann. Bemerkenswert ist damit, dass diese Überempfindlichkeit offensichtlich zu ihrer Aufrechterhaltung keiner Spontanaktivität von Nozizeptoren bedarf. Klinische Hinweise auf eine Bedeutung von NGF für neuronale Überempfindlichkeit bestehen beim Menschen insbesondere bei der atopischen Dermatitis, die durch vielfach erhöhte Serumwerte von NGF auffällt und auch bei der Osteoarthritis, bei der sich eine Anti-NGF Therapie in Phase II Studien als analgetisch erwiesen hat. In diesem Beitrag werden die Daten, die auf eine Rolle von NGF für die Entstehung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen beim Menschen sprechen zusammengefasst und erste direkte Messungen in der Haut von Patienten vorgestellt.
Messung von Religiosität und der „Religiositäts-Struktur-Test (RST)“ S. Huber Kompetenzzentrum Orient-Okzident Mainz Religiosität ist eine komplexe Variable. Ihre adäquate Messung erfordert psychologische, soziologische sowie religionswissenschaftliche und theologische Kompetenzen. Angesichts dieser Problematik ist es nicht erstaunlich, dass bei der Messung der Religiosität oft wichtige Aspekte übersehen werden. Dies führt zu Verzerrungen und beeinträchtigt die Validität der Ergebnisse. In dem Beitrag wird zunächst ein interdisziplinäres Modell der Religiosität vorgestellt (Huber, 2003). Dieses Modell differenziert zwischen drei Ebenen: erstens, der Ebene von fünf soziologisch definierten Kerndimensionen der Religiosität (Intellekt, Ideologie, Erfahrung, private Praxis, öffentliche Praxis), zweitens, der Ebene der psychologischen Kategorie der Zentralität der Religiosität in der Persönlichkeit und drittens, der Ebene religionswissenschaftlich und theologisch reflektierbarer Inhalte der Religiosität. Auf der Basis dieser Differenzierungen werden im zweiten Teil des Vortrags Reichweite und Grenzen von Instrumenten zur Messung der Religiosität diskutiert. Im dritten Teil wird schließlich der „Religiositäts-Struktur-Test“ (R-S-T) vorgestellt. Der R-S-T ist ein umfassender Test zur systematischen Erfassung des religiösen Erlebens und Verhaltens. Sein erstes Konstruktionsprinzip ist die unabhängige Erfassung von Zentralität und Inhalt der Religiosität. Der Zentralitätsfaktor gibt über die psychologische Stärke der Religiosität Auskunft, unabhängig davon wird durch den Inhaltsfaktor ihre psychologische Richtung abgebildet. Das zweite Konstruktionsprinzip ist die durchgängige Erfassung von Zentralität und Inhalt der Religiosität in Bezug auf die fünf soziologischen Kerndimensionen der Religiosität. Dadurch soll sichergestellt werden, dass eine breite und möglichst repräsentative „Verhaltensstichprobe“ von dem religiösen Erleben und Verhalten eines Menschen gewonnen wird. R-S-T-Skalen wurden bisher mit Respondenten aus den religiösen Kulturen des Christentums, des Islams und des Bahai-Glaubens validiert. Bedeutung der Religiosität für die Akzeptanz von chronischen Schmerzen K. Gerbershagen Klinik für Neurologie und Palliativmedizin, Klinikum Köln-Merheim Einführung: Schmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung. In klinischen Subpopulationen wurde das Vorkommen von Schmerzen bisher nur sporadisch untersucht, bei eigenen Untersuchungen in den neurologischen Versorgungssektoren haben wir Schmerzprävalenzen bis 80% erhoben [1]. Die Schmerzpatienten weisen im Vergleich zu den schmerzfreien Patienten signifikant höhere Depressionswerte, eine größere Anzahl körperlicher Beschwerden, schwerere Einschränkungen und eine reduzierte Lebensqualität auf. Der modernen Schmerzmedizin liegt ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell zugrunde, das heißt auch die Religiosität müsste als Modelldimension berücksichtigt werden. In Anamnese und Therapie werden individuelle Glaubensvorstellungen jedoch selten erfragt. Die meisten Arbeiten zu Religiosität, Spiritualität und Gesundheit kommen aus dem US-amerikanischen Raum und haben medizinische Subpopulationen untersucht, die von potentiell lebensbedrohlichen Krankheiten wie Krebserkrankungen und AIDS betroffen waren. Noch fehlt jedoch die Berücksichtigung der bedeutendsten Risikofaktoren bei chronischen Schmerzkranken. So wurden die Schwere und die Chronizität von Schmerzen und die medizinischen und psychischen Begleiterkrankungen, die die Lebensqualität dieser Patientengruppe ausgeprägt einschränken, im Zusammenhang mit der Frage Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts der Religiosität und der religiösen Schmerzverarbeitung bisher nicht analysiert. Solche Untersuchungen sind jedoch für die christlichen und nicht christlichen Bereiche erforderlich. Methodik: 450 neu aufgenommene ambulante und stationäre neurologische Patienten füllten einen epidemiologischen Schmerzfragebogen aus. Dieser enthielt Tests zur Depressivität und Angst (HADS), zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-12) und umfassende soziodemographische Fragen. Die umfangreiche Schmerzanamnese ermittelte auch Schmerzschweregrade mittels der Schmerzgraduierung nach v. Korff [2] und die Schmerzchronifizierung mit den Mainzer Chronifizierungsstadien [3]. 20 Fragen zur Akzeptanz von Schmerzen wurden mittels des Schmerzakzeptanzfragebogens, der deutschen Version des Chronic Pain Acceptance Questionnaire (CPAQ) gestellt [4]. Die Bedeutung der Religiosität wurde mit dem „Religiositäts-Struktur-Test“ (RST) in seiner Kurzform gemessen [5]. In der Kurzform werden folgende Dimensionen berücksichtigt: Kognitives Interesse, Ideologie, Gebet, Erfahrung, Gottesdienst. Die Patienten wurden zusätzlich nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt und u.a. auch gebeten, Fragen zum Schwierigkeitsgrad und Problemen mit den religiösen Fragen zu beantworten. Ergebnisse: 82% der neurologischen Patienten beklagten innerhalb der letzten 3 Monate Schmerzen. Patienten mit Schmerzen erreichten signifikant höhere Depressions- und Angstscores und eine signifikant reduzierte gesundheits-bezogene Lebensqualität. Eine höhere Wichtigkeit von Religiosität für den einzelnen Schmerzpatienten resultierte in einer besseren Schmerzakzeptanz. Das Beantworten der sehr persönlichen Religiositätsfragen war für knapp 60% der Patienten „überhaupt nicht unangenehm“ und für knapp 75% der Patienten „allenfalls mittelschwer“, lediglich 8,2% fiel die Beantwortung der Fragen „sehr schwer“. Schlussfolgerungen: Insgesamt zeigt die Studie, dass Religiosität für einen Teil der untersuchten neurologischen Patienten ein bedeutsames Thema darstellt. Die Beantwortung der sehr persönlichen Fragen zur Religiosität stellt für die überwiegende Mehrheit der Patienten kein Problem dar und ist ihnen insbesondere nicht unangenehm, was zu weiterführenden Studien ermutigen darf, da auswertbare Ergebnisse zu erwarten sind. Dadurch könnten weitere notwendige Erkenntnisse über die Bedeutung der Religiosität im bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell gewonnen werden. 1. Gerbershagen K, Gerbershagen HJ, Lachenmayer L: Schmerzscreening in der Neurologie – eine verantwortungsvolle Aufgabe des Neurologen? Akt Neurol 2006; 33: 485-491. 2. v. Korff M et al (1992) Grading the severity of chronic pain. Pain 50:133-149. 3. Gerbershagen H.U., Waisbrod H. (1986). Organisierte Schmerzbehandlung – Eine Standortbestimmung. Internist 7: 459-469. 4. McCracken LM et al (2004) Acceptance of chronic pain: component analysis and revised assessment method. Pain 107: 159-166. 5. Huber S. (2003). Zentralität und Inhalt. Ein neues, mulitdimensionales Messmodell der Religiosität. Opladen: Leske + Budrich. Religiöses Coping & chronischer Schmerz C. Appel, S. Murken Arbeitsgruppe Religionspsychologie des Forschungszentrums für Psychobiologie und Psychosomatik (FPP) der Universität Trier, Bad Kreuznach Seit der Formulierung von Stress als transaktionaler Prozess (Lazarus & Folkman, 1984) zwischen einer Situation und der Person, die die Situation wahrnimmt, richtet sich das Augenmerk psychologischer Forschung verstärkt auf Bewältigungsprozesse. Stress und Stressverarbeitung werden seitdem als komplexes Geschehen mit kognitiven und emotionalen Komponenten gesehen. Ein besonders breiter Forschungsbereich widmet sich der Anwendung der Stress- und Copingforschung auf die Krankheitsbewältigung bei verschiedensten schweren bzw. chronischen Erkrankungen. Charakteristisch für einen chronischen Stressor wie dem chronischen Schmerz sind – im Gegensatz zu einem plötzlich auftretenden Stressor – psychische Veränderungen, die sich unter anderem in Depression nie-
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derschlagen. Die Spirale der wiederkehrenden Belastung zehrt an den Kräften von Betroffenen bei den Versuchen, einen Umgang mit dem Schmerz und eine gewisse Anpassung zu erreichen. Die Frage nach dem Stellenwert der Religiosität im Prozess der Krankheitsverarbeitung ist besonders im deutschen Sprachraum recht neu. Aus der bisherigen religionspsychologischen Forschung ist bekannt, dass Religiosität insbesondere in Krisenzeiten für den Menschen an Bedeutung gewinnt. Religiosität und religiöse Überzeugungen, Einstellungen und Handlungen gelten für (religiöse) Menschen als wichtige Ressource im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen. In den USA hat diese Erkenntnis eine Fülle von Forschungsarbeiten zu religiösem Coping bei unterschiedlichen, stressbehafteten Lebenssituationen angeregt. Insbesondere Pargament (z.B. 1990) hat durch seine Formulierung spezifischer religiöser Coping-Strategien zahlreiche Studien initiiert und durchgeführt. Sein Konzept ist unter dem Begriff „Religious Coping“ bekannt geworden und von zahlreichen Forschern theoretisch und empirisch aufgegriffen worden. Um der Frage nachzugehen, wie sich religiöses Coping auf das Wohlbefinden und die Gesundheit dauerhaft belasteter Personen im Detail auswirkt, haben wir an der Universität Trier eine entsprechende Studie durchgeführt. In ihr wurden 150 PatientInnen mit chronischen Schmerzen während ihres Aufenthalts in einer Rehabilitationsklinik und im Rahmen einer Zehn-Monatskatamnese mit validierten Befragungsinstrumenten zum Krankheitsstatus, zur Soziodemographie, Persönlichkeit und Religiosität/Spiritualität befragt. Im Beitrag werden die gewonnenen Längsschnittergebnisse vorgestellt und anhand multivariater Kausalanalysen Schlussfolgerungen auf die Rolle von Glaubensaspekten bei der Krankheitsverarbeitung gezogen. Speziell gilt es, die spezifischen Wirkmechanismen religiöser Copingstrategien auf die Anpassung an einen chronischen Stressor aufzudecken. Es zeigt sich zunächst, dass religiöses Coping sich von nicht-religiösem Coping unterscheidet, indem es zusätzliche Varianz aufklärt. Religiöse Menschen finden demnach in ihrer Religiosität eine zusätzliche Verarbeitungsmöglichkeit. Bei ersten Regressionsanalysen haben sich Ängstlichkeit und Depressivität als geeignete Indikatoren für das Bewältigungsergebnis herausgestellt, da sie sich sowohl durch religiöse als auch nicht-religiöse Copingstrategien vorhersagen lassen. Dieses Ergebnis ist vielversprechend für eine weitere Aufklärung der Rolle von Religiosität im Anpassungsprozess. Inwieweit sich z.B. kausale Schlüsse ziehen lassen, soll aufgezeigt werden. Praktisch relevant werden diese Fragen und Ergebnisse dann, wenn es darum geht, im Gesundheitsbereich selbst mit säkularen Methoden ein Verständnis für Glaubensfragen von Patienten zu erreichen und hilfreiche von hinderlichen Umgangsweisen zu differenzieren. Deshalb sollen im Vortrag außerdem Diskussionspunkte zur Bedeutsamkeit einzelner Aspekte und Effekte unserer Untersuchung für den Umgang von Gesundheitsexperten mit Schmerzpatienten zur Sprache kommen. 1. Lazarus, R. S., Folkman, S. (1984). Stress, appraisal and coping. New York: Springer. 2. Pargament, K. I. (1990). God help me. Toward a theoretical framework of coping for the psychology of religion. Research in the Social Scientific Study of Religion, 2, 195-224.
Anforderungen an interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie-Programme Multimodale Therapie: Wie soll sie aussehen? B. Nagel DRK Schmerz-Zentrum Mainz Chronische Schmerzen stellen ein komplexes multidimensionales Geschehen dar, das gleichzeitig somatische, psychische und soziale Dimensionen umfasst. Alle Dimensionen werden dabei als integraler Teil des Schmerzes und nicht nur als Folge der Nozizeption verstanden. Chronifizierung als dynamischer Prozess bedeutet die Ausweitung der Problematik auf allen genannten Ebenen.
Multimodale Therapieansätze versuchen, ausgehend von dieser biopsychosozialen Perspektive, chronischen Schmerz in seiner multifaktoriellen Determination diagnostisch zu erfassen und die einzelnen Ebenen zielgerichtet therapeutisch zu beeinflussen. Behandlungsziel ist somit nicht nur Schmerzlinderung, sondern die Verbesserung somatischer, psychischer sowie sozialer Funktionseinschränkungen. Hieraus ergeben sich die wesentlichen Anforderungen an eine multimodale Schmerztherapie: • An der Behandlung sind stets medizinische Fachdisziplinen, Psychologie oder Psychiatrie sowie körperlich übende Verfahren beteiligt. • Alle Professionen des Behandlungsteams sind an dem diagnostischen Assessment beteiligt und fortlaufend im Therapieprozess involviert. • Diagnostik und Behandlung folgen einem übergeordneten integrativen Konzept mit verhaltensmedizinischer Orientierung. Dies gilt sowohl in Bezug auf einzelne Schmerzsyndrome, als auch auf den einzelnen Patienten. • Organisatorisch muss eine enge zeitliche sowie räumliche Vernetzung gewährleistet sein, um die notwendige Abstimmung in der Diagnostik und im Therapieverlauf zu ermöglichen. Hierzu sind regelmäßige Teamsitzungen mit allen Berufsgruppen erforderlich. Die Teammitglieder benötigen neben ihrer eigenen schmerztherapeutischen Kompetenz ein hohes Maß an Kooperationswissen und die Bereitschaft, sich auf die Denk- und Arbeitsweise der anderen Berufsgruppen einzulassen. Ziel ist eine gemeinsame Sprache und Philosophie des gesamten Teams. Die Therapie wird nach strukturierten, individuell abgestimmten Behandlungsplänen meist im Gruppensetting durchgeführt. Die konkrete Gestaltung der Gruppen wird unterschiedlich gehandhabt. Es werden sowohl indikationsspezifische, als auch indikationsübergreifende Gruppen angeboten. Indikationsspezifische Programme können dabei u.E. sowohl in der somatischen, als auch in der psychologischen Behandlung differenzierter auf die spezifischen Probleme einzelner Schmerzsyndrome eingehen. In „geschlossenen Gruppen“ können sich prozessual entwickelnde Behandlungspläne im Vergleich zu „offenen Gruppen“ besser realisiert werden. Zudem fördern sie Gruppenprozesse und das Lernen der Patienten voneinander. Ergänzende Einzelbehandlungen von Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten sind zur Steuerung der Behandlung von wesentlicher Bedeutung und sollten daher fest im Behandlungsverlauf verankert sein. Zumindest für Patienten mit fortgeschrittener Chronifizierung und hoher Erkrankungsschwere ist eine Behandlungsintensität von mindestens 100 Stunden erforderlich; die tägliche Therapiezeit sollte 5 Std. nicht unterschreiten. Multimodale Therapie: Wer ist geeignet? B. Arnold Klinikum Dachau, Abt. für Schmerztherapie Wie jeder Bereich der medizinischen Akutversorgung unterliegt auch die Schmerztherapie dem Gebot einer abgestuften, an der Schwere des Krankheitsbildes orientierten Versorgungsintensität. Kostenträger und MDK fordern regelmäßig den dokumentierten Nachweis der Notwendigkeit höherintensiver Versorgung. Aufgaben Interdisziplinärer Multimodaler Schmerztherapie sind 1. die frühzeitige Identifikation und Behandlung von Patienten im Chronifizierungsprozess, um die weitere Chronifizierung zu verhindern sowie 2. die umfassende Behandlung bereits chronifizierter Schmerzen entsprechend der Komplexität des Krankheitsbildes im multidisziplinärintegrativen Setting. Als Kriterien zu 1. wurden für Rückenschmerzen z.B. Unzufriedenheit und Stress am Arbeitsplatz, maladaptative Bewältigungsstrategien, Depressivität und Somatisierung identifiziert. Die allgemeine Gültigkeit der Faktoren auch für andere Schmerzarten ist nicht belegt. Diese Kriterien werden in den Versionen des Deutschen Schmerzfragebogen (DSF) nur unzureichend erfasst. Indikationsbegründende Kriterien für 2. betreffen die somatische (De-
konditionierung, neurophysiologische Sensibilisierung, Schmerzgeneralisierung, vegetative Stigmata), psychische (affektive Störung, Maladaptive Bewältigungsstrategien, Somatisierung) und soziale (AU-Zeiten, Gesundheitsleistungen, sozialer Rückzug, Konflikte) Ebene. Auch diese Faktoren werden im DSF nur teilweise abgefragt. Die Identifikation von Patienten, die einer höherintensiven Therapie bedürfen, kann damit alleine auf Basis der im derzeit empfohlenen Fragebogen DSF abgefragten Daten nicht erfüllt werden, vielmehr sind weitere standardisierte und freie Untersuchungen nötig, um diese Kriterien zu belegen. Daneben sind Ausschlusskriterien zu beachten wie unzureichende körperliche Belastbarkeit, Suchtproblematik (exkl. Schmerzmittelfehlgebrauch), unzureichende sprachliche oder intellektuelle Fähigkeiten, behandlungsbehindernde psychische Störungen und Psychopathologien sowie nicht überwindbarer sekundärer Krankheitsgewinn. Die Ausschlusskriterien müssen während des obligaten interdisziplinären Assessments abgeklärt werden, ebenso die zentrale Frage der Therapiemotivation, zu deren Erfassung bisher kein valides Instrumentarium existiert. Der Pflicht zur abgestuften Versorgung entspricht umgekehrt das Recht der Versicherten auf eine der Schwere des Krankheitsbildes angepasste Behandlung. Die umfassende Abklärung und Dokumentation der beschriebenen Kriterien sowie die Befolgung der Konsequenzen daraus gehört deshalb zu den ärztlichen Pflichten der Schmerztherapeuten, die eingefordert werden können. Es ist eine berufspolitische Aufgabe, insbesondere in der ambulanten Versorgung für eine dem hohen zusätzlichen Aufwand adäquate Vergütung zu sorgen, damit diese Aufgabe auch erfüllt werden kann. Multimodale Therapie: Was passiert hinterher? E. Neubauer, M. Moessner, H. Kordy, M. Schiltenwolf Stiftung der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg und Forschungsstelle für Psychotherapie, Universitätsklinikum Heidelberg Einleitung: Viele Patienten wünschen sich eine, an die multimodale stationäre Schmerztherapie anschließende, ambulante Betreuung zur Festigung des Erreichten und seines weiteren Ausbaus – und benötigen eine solche auch nach ärztlichem Eindruck (1). Die Bereitschaft des Patienten Verhaltensweisen und Einstellungen im Umgang mit Schmerzen zu verändern, ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie chronischer Schmerzen. Allerdings ist die Aufrechterhaltung neu erlernter Verhaltensweisen und damit die Nachhaltigkeit der erreichten Verbesserungen unsicher (2). Eine besondere Problematik spielt dabei noch immer die Sicherstellung sektorenübergreifender und konzepttreuer Nachbehandlung. Begrenzte zeitliche Ressourcen von Ärzten und Therapeuten und die oft enormen Wegezeiten für Patienten lassen derzeit eine ambulante Wiedervorstellung nur im Abstand von einigen Monaten zu. Das legt nahe, das Modell „Internet-Brücke“ für diesen Anwendungsbereich zu implementieren. Methodik: Zurzeit wird an der Stiftung der Orthopädischen Universitätsklinik in Kooperation mit der Forschungsstelle für Psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg eine Studie durchgeführt, die untersucht, ob wöchentliche Kontakte nach der stationären Schmerztherapie in Form von Gruppensitzungen in einem Internet-Chatraum die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit einer multimodalen Schmerztherapie unterstützen. Es nehmen bis zu sechs entlassene Patienten und ein Therapeut von der Schmerzstation an einer Sitzung teil. Alle Patienten, die sich im Chatraum treffen, befinden sich entweder in der Orientierungsphase kurz nach Entlassung oder bis zu 12 Wochen nach Entlassung. Die Patienten chatten mit einem anonymen Chatnamen. Name und Person des Therapeuten sind den Patienten bekannt. Ergebnisse: Die einjährige Interventionsphase der Studie wird bis Oktober 2007 abgeschlossen sein. Katamneseergebnisse werden nach sechs und zwölf Monaten erhoben werden. Im Vortrag wird über die Erfahrungen des chattens mit Patienten berichtet und erste statistische Studienergebnisse vorgestellt werden. Bei Abschluss der Gesamtstudie wird der Nachweis erwartet, dass Patienten, die für 12 Wochen an einem Chatraum teilnehmen, ihr schmerzbezogenes Verhalten nachhaltiger verändern als Patienten einer Vergleichsgruppe. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts 1. Schiltenwolf M, Henningsen P (2006) Muskuloskelettale Schmerzen. Diagnostizieren und Therapieren nach biopsychosozialem Konzept. Deutscher Ärzte-Verlag 2. Maurischat C, Auclair P, Bengel J, Härter M (2002) Erfassung der Bereitschaft zur Änderung des Bewältigungsverhaltens bei chronischen Schmerzpatienten. Eine Studie zum Transtheoretischen Modell. Schmerz, 16, 40-43
Physiotherapie: Was kommt an in der Praxis? Sinn und Unsinn von Assessment und Klassifizierungen bei chronischen Rückenschmerzpatienten J. Kool Zürcher Hochschule Winterthur, Schweiz In diesem Vortrag werden die Ergebnisse klinischer Studien präsentiert. Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei Assessments, die für die Praxis relevant sind. Nur 15% aller Rückenbeschwerden haben eine spezifische Ursache. In der Rehabilitation von Patienten mit Arbeitsunfähigkeit wegen nichtakuten, unspezifischen Rückenschmerzen ist das primäre Behandlungsziel die Reduktion der Krankheitsabsenzen. Die Rückkehr zur Arbeit nach einem Jahr ist unwahrscheinlich (< 5%) wenn 2 der folgenden 4 Tests positiv sind: der Waddell-Test, eine Schmerzintensität von 9 oder 10 auf einer Skala von 0 bis 10 und ein vorzeitiger Abbruch vom Stufentest oder Armhaltetest. Ein geringerer Vorhersagewert haben Arbeitslosigkeit, Nationalität und die Schwere der Arbeit. Eine Metaanalyse, die 14 randomisierte kontrollierte Studien zusammenfasste zeigte, dass Bewegungstherapie im Vergleich zur Standardbehandlung (usual care) bei Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen die Krankentage während dem Jahr nach der Behandlung reduziert, insbesondere bei Patienten mit stärkeren Beschwerden (ES -0.30). In einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) untersuchten wir bei 174 Patienten die Effektivität einer funktionsorientierten (function-centered treatment, FCT) und einer schmerzorientierten Behandlung (pain-centered treatment, PCT). Eingeschlossen wurden Patienten mit mehr als 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit wegen chronischen, unspezifischen Rückenschmerzen. FCT (4 Std./Tag, 6 Tage/Woche, 3 Wochen) umfasste arbeitsspezifisches Training und die Verbesserung von Kraft und Ausdauer. PCT (2.5 Std./Tag, 6 Tage/Woche, 3 Wochen) bestand aus einer Mini-Rückenschule, individuell angepasste passive und aktive Mobilisation, Dehnungsübungen und Medizinische Trainingstherapie innerhalb der Schmerzgrenze. Die Anzahl Arbeitstage im Jahr nach der Behandlung war in der FCT Gruppe, im Vergleicht zur PCT Gruppe, signifikant größer (115 vs. 76 Tage). FCT verbesserte auch die Selbstwirksamkeit, das maximal gehobenen, Gewicht und die Schmerzintensität. In der Forschung erhält die Entwicklung diagnostischer Klassifikationen für Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen zunehmende Aufmerksamkeit. Ein Beispiel ist die Untersuchung von Störungen der muskulären Kontrolle der Wirbelsäule. Diagnostische Klassifikationen sind wichtig um innerhalb der heterogenen Gruppe von Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen im Rahmen vom bio-psycho-sozialen Modell die Effizienz der Behandlung zu verbessern. 1. Kool, J., et al., Exercise reduces sick leave in patients with non-acute non-specific low back pain: a meta-analysis. J Rehabil Med, 2004. 36(2): p. 49-62. 2. Kool, J.P., et al., Increasing days at work using function-centered rehabilitation in nonacute nonspecific low back pain: a randomized controlled trial. Arch Phys Med Rehabil, 2005. 86(5): p. 857-64. 3. Kool, J.P., P.R. Oesch, and R.A. de Bie, Predictive tests for non-return to work in patients with chronic low back pain. Eur Spine J, 2002. 11(3): p. 258-66.
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Konsequenzen für die Physiotherapie aus den Erfahrungen mit einem interdisziplinären Behandlungskonzept D. Seeger1,2, M. Pfingsten1, K. Mann1, I. Fährmann2, J. Strube1, J. Hildebrandt1 1 Universitätsmedizin der Georg-August Universität Schmerzambulanz am Zentrum für Anaesthesiologie, 2 Rettungs- und Intensivmedizin / und BE Physiotherapie Wissenschaftlicher Hintergrund: Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) kommen häufig vor. Die Lebenszeitprävalenz wird mit um 70% angegeben; die Punktprävalenz beträgt zwischen 10 und 20% (Nachemson & Jonsson 2000). Die Pathogenese dieser Störungen wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Während lange Zeit strukturelle Veränderungen an knöchernen, discoligamentären oder gelenkigen Strukturen im Vordergrund standen, wird in neuerer Zeit eine Muskelfunktionsstörung (Falla 2006) als weitere Ursache eingeschlossen. Fragestellung: Nach den praktischen Erfahrungen mit der multimodalen interdisziplinären Behandlung (GRIP) bei chronischen Rückenschmerzen stellte sich die Frage, ob ein ähnlicher Ansatz (aktivierend, verhaltenstherapeutisch orientiert, Gruppenprogramm) zum einen monodisziplinär, physiotherapeutisch aber multimodal und zum anderen bei Patienten mit Schmerzen an der HWS wirksam sein kann. Material und Methoden: In einer klinischen randomisierten kontrollierten Studie wurden Patienten, die sich zur Behandlung ihrer HWSSchmerzen in der Schmerzambulanz vorgestellt hatten, mit einem aktivierenden Konzept (N=25) behandelt. Die standardisierte Gruppenbehandlung umfasste 10 Behandlungseinheiten à 60 Min. sowie 1 Kontrolltermin nach 4 Wochen und beinhaltete zusätzlich das Erarbeiten eines Heimübungsprogramms. Die Behandlung war monodisziplinär (Physiotherapie) und multimodal (verhaltenstherapeutisch orientiertes aktives Übungsprogramm, Training, Mobilisation, Dehnungen, Unterricht, individuelle Zieldefinition) konzipiert und wurde in Kleingruppen von 2-4 Patienten durchgeführt. Zur Feststellung von Behandlungseffekten wurden direkt vor und nach der Behandlung körperliche Untersuchungsverfahren durchgeführt, Fragebögen und psychometrische Testverfahren vorgelegt. Eine Kontrollgruppe (N=27) wurde mit physiotherapeutischer Einzeltherapie nach dem Heilmittelkatalog in annähernd gleichem Zeitumfang behandelt. Ergebnisse: Behandlungseffekte vor und 4 Wochen nach der Behandlung: Subjektive Besserung und Zufriedenheit: Die Darstellung der Behandlungseffekte 4 Wochen nach Ende der Behandlung ergab bei 19 Patienten der Experimentalgruppe (76%) eine mindestens deutliche Besserung der HWS-Beschwerden, während dies bei nur 9 Patienten der Kontrollgruppe (33,3%) der Fall war; dieser Unterschied war statistisch hoch signifikant (Chi2 = 9,5**). Gleiches trifft für die „Schulnoten-Bewertung“ der Zufriedenheit mit der Behandlung zu („gut bis sehr gut“ vs. „teilweise zufrieden und unzufrieden“. 88,1% der Patienten (n=22) der Experimentalgruppe waren zufrieden bis sehr zufrieden, während dies in der Kontrollgruppe nur bei 40,7% (n=11) der Fall war (Chi2 = 12,5***). Beweglichkeit: Die Beweglichkeit der HWS verschlechterte sich im Mittel in der Kontrollgruppe, während es in der Experimentalgruppe zu Verbesserungen in allen drei Ebenen kam. Die Veränderungen wurden im Zeitverlauf jedoch nicht signifikant (hohe Variabilität der Messwerte). Schmerzerleben und subjektives Befinden: Bei den subjektiven Parametern des Schmerzerlebens und des Befindens ließen sich auch für den Zeiteffekt signifikante Veränderungen feststellen (Schmerzintensität, affektives Schmerzerleben, depressive Symptome, Zufriedenheit mit körperlichem Befinden (SF-12), Angst-Vermeidungseinstellungen bzgl. körperlicher Aktivität und psycho-vegetative Beschwerden). Der positive Effekt fällt für die Experimentalgruppe größer aus, wird aber statistisch nicht signifikant. Beeinträchtigungserleben: In der Nachbefragung nach 4 Wochen ergab sich eine deutliche Reduzierung der Tage mit starker Beeinträchtigung in der Experimentalgruppe (von 19,6 auf 8,7), während die Werte in der Kontrollgruppe eher sogar anstiegen (von 20,6 auf 22,3). AU-Tage und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen: In der Kon-
trollgruppe war ein leichter Rückgang der AU-Tage (von 18,6 auf 16,9) sowie der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen (Arztkontakte von 3,3 auf 1,3 und Physikal. Beh. von 4,7 auf 2,2) festzustellen, jedoch waren diese Werte nicht signifikant. In der Experimentalgruppe wurde ein deutlich signifikanter Rückgang der AU-Tage (von 22,7 auf 6,8) und der Inanspruchnahme physikalischer Leistungen (Arztkontakte (von 3,9 auf 1,2) und physikalische Behandlungen (von 8,7 auf 2,3)) erzielt. Fazit: Die bessere Wirksamkeit des multimodalen Vorgehens konnte anhand unterschiedlicher Ergebnisparameter klar demonstriert werden, wobei sich insbesondere in den subjektiven Parametern deutliche Verbesserungen in der Experimentalgruppe zeigten. Es scheint möglich zu sein, die Ideen und Grundsätze von interdisziplinären Behandlungsansätzen auch monodisziplinär physiotherapeutisch umzusetzen, wenn eine multimodale Konzeption zugrunde gelegt wird. Das Konzept wird seit der Pilotstudie (2003) und der klinischen, kontrollierten randomisierten Studie (2004) kontinuierlich zur Primär- und Sekundärprävention bei Mitarbeitern der Georg-August-Universität im Bereich Universitätsmedizin (u.a. Hauswirtschaftlicher Dienst) sowie in der Therapie für Patienten mit chronischen Nacken-, Kopf- und Schulter-Armschmerzen erfolgreich eingesetzt. Position der Physiotherapie im interdisziplinären Therapiemanagement M.-A. Laekeman Schule für Physiotherapie der St. Josef- und St. Elisabeth-Hospital gGmbH-Kliniken der Ruhr-Universität, Bochum Es stellt sich die Frage wo die Physiotherapie aktuell im interdisziplinären Team steht. Wie nimmt diese Therapeutengruppe Patienten mit chronischen Rückenschmerzen wahr und wie geht sie mit diesen Patienten um? Oft wird das Spektrum der Physiotherapie als zu stark biostrukturell orientiert eingestuft. In dem vorgesehenen Beitrag sollen erste Ergebnisse über den möglichen Effekt von Schmerzkursen / Schmerzseminaren bezüglich Attitüdenwechsel oder Einstellung der Therapeuten in Richtung biopsychosozialer Orientierung dargestellt und diskutiert werden. Zur Evaluation wurde eine deutsche Kurzversion des „Pain Attitudes and Beliefs Scale“ (PABS) entwickelt und eingesetzt. Die aktuelle Version entstand aus einer bereits 2006 entwickelten deutschen Langversion. Das Instrument beinhaltet, neben einer einleitenden Instruktion und Fragen zu soziodemographischen Angaben 19 Items. Deren Beantwortung weist entweder eher auf eine biomedizinische (Faktor 1) oder eher auf eine biopsychosoziale Therapieorientierung (Faktor 2) hin. Weiterhin wird die Erprobung eines Konzeptes zur Förderung von Clinical-Reasoning-Fähigkeiten im klinischen Umgang mit Rückenschmerzpatienten evaluiert. Erste Erfahrungen mit diesem „kognitiven Trainingsprogramm“ zeigten, dass Physiotherapeuten in ihrer Reflexion bezüglich Patientenfallschilderungen durchaus den Einfluss von psychosozialen Faktoren mit einbeziehen. Auch „graded exposure“- Programme wurden als Lösungsstrategien für chronische Rückenschmerzpatienten in den Seminaren diskutiert. Weitere Schulungsmaßnahmen sollten kontinuierlich angeboten werden um diese Denkansätze in der Physiotherapie zu vertiefen.
Schmerz in Grenzsituationen – Ethische und praktische Aspekte der Schmerztherapie bei lebensbedrohenden Erkrankungen Schmerz in der Intensivmedizin J. Martin Klinik für Anästhesiologie und op. Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinikum am Eichert, Göppingen Analgesie und Sedierung gehören zu den Basismaßnahmen auf der Intensivstation. Über 75% aller kontrolliert oder assistiert beatmeten Patienten erhalten eine kontinuierliche Sedierung und Analgesie (1). Puntilo K.A. befragte Patienten nach einer intensivmedizinischen Be-
handlung nach ihren Erinnerungen auf Intensivstationen (2). 70% der Patienten gaben Schmerzen als Erinnerung an. In einer Metalanalyse zur Analgesie und Sedierung auf der Intensivstation von Ostermann et al. (3) aus dem Jahr 2000 beschäftigten sich von insgesamt 49 Arbeiten nur 2 Publikationen mit Analgetika. Der hohe Stellenwert der Schmerztherapie in der Intensivbehandlung wurde in den amerikanischen(4) und deutschen (5) Guidelines zur Sedierung aus dem Jahre 2001 klar herausgestellt. Ziel einer adäquaten Schmerztherapie ist es eine hohe Patientenzufriedenheit, eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit, eine frühe Mobilisation, eine frühe Rehabilitation, eine kurze Intensivverweildauer und damit eine kurze Klinikverweildauer zu erreichen. Je nach Notwendigkeit der Analgosedierung, die durch ein Scoringsystem quantifiziert werden muss, ist ein multimodulares Vorgehen anzuwenden. Neben der kontinuierlichen Gabe von Opiaten und nichtsteroidalen Antirheumatika sollten patientenkontrollierte Verfahren sowie Regionalverfahren sowohl zentral neuroaxial als auch periphere Blockaden zum Einsatz kommen. 1.Soliman HM et al. Br J Anaesth 2001; 87:186-92 2.Puntillo KA. Heart Lung 1990;19: 526-533 3.Osterman ME et al. JAMA 2000; 283; 1451-1459 4.Jacobi J et al. Crit Care Med 2002; 30:119-141 5.Martin J et al. Anästh Intensivmed 2005;46;Supplement Nr. 1/2005;S1-20 Schmerz in der Palliativmedizin F. Nauck Abteilung Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Eine suffiziente Schmerztherapie bei lebensbedrohlichen Erkrankungen stellt in der Palliativmedizin einen wesentlichen Eckpfeiler in der Betreuung der Patienten dar. Mit dem 1986 veröffentlichten Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Behandlung von Tumorschmerzen liegt ein einfach anzuwendendes Konzept vor. Für die Schmerztherapie gilt der Grundsatz: die richtige Substanz und Applikation, in der richtigen Dosierung, den richtigen Zeitintervallen sowie eine Dosistitration und -anpassung bei Zu- oder Abnahme der Schmerzen. Bei den meisten Patienten lässt sich ein guter Therapieerfolg durch die konsequente Anwendung des WHO-Schemas erzielen. In der Palliativmedizin kommt es aber immer wieder zu Grenzsituationen in der Schmerztherapie, in denen die geäußerten Schmerzen nicht oder nur unzureichend auf die Leitlinienbehandlung ansprechen und den Leidensdruck des Patienten, seiner Angehörigen und letztlich auch des therapeutischen Teams erhöhen. Zu den schwer behandelbaren Schmerzen zählen u.a. Durchbruchschmerzen, Schmerzen unter Belastung und schwer kontrollierbare neuropathische Schmerzen. Etwa zehn Prozent der Patienten können nicht zufriedenstellend schmerztherapeutisch behandelt werden. Analysen der Daten dieser Patientengruppe haben gezeigt, dass bei diesen Patienten nicht alle Möglichkeiten des Stufenschemas der Weltgesundheitsorganisation ausgeschöpft wurden. Schwer behandelbare Schmerzen bei Patienten in der Lebensendphase sind eine große Herausforderung, der sich alle in der Palliativmedizin Tätigen stellen müssen. Die wenigen Patienten, die trotz der Ausschöpfung aller Maßnahmen keine oder eine nur unzureichende Schmerzreduktion erfahren, bedürfen einer besonderen Fürsorge. Hier gilt es, die Patienten nicht alleine zu lassen, und gemeinsam unter Einbeziehung des gesamten multidisziplinären Teams und der Angehörigen in offener Kommunikation zu eruieren, mit welchen Strategien eine Linderung erreicht werden kann. Als Maßnahme zur Symptomkontrolle kann auch die palliative Sedierung gehören. Schmerztherapie bedeutet interdisziplinäre Therapie, wobei die Behandlungsmaßnahmen individuell dem Allgemeinzustand des Patienten angepasst werden müssen. Da psychische und soziale Probleme körperliche Beschwerden verstärken können, ist die Einschätzung aller Mitglieder des Teams von großer Wichtigkeit. Menschliche Begleitung mit maximaler ärztlicher, pflegerischer Kompetenz und Fürsorge ist gefordert. Im Vortrag sollen beispielhaft anhand eines Patientenbeispiels Strategien im Umgang mit Schmerzen in Grenzsituationen in der Palliativmedizin diskutiert werden. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts
Kopf-, Gesichtsschmerz Interdisziplinäre Therapiestrategien bei unterschiedlichen Formen von Mund- und Gesichtsschmerzen Therapieempfehlungen bei myofaszialen Schmerzen H. J. Schindler Universität Heidelberg Myalgien der Kiefermuskulatur sind die häufigsten nicht-infektiösen Beschwerden in der Kiefer-Gesichtsregion. Nach Zusammenfassung des aktuellen Kenntnisstands zur Physiologie, Ätiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und Differentialdiagnostik wird anhand einer Literaturrecherche der aktuelle Stand der therapeutischen Möglichkeiten dargestellt (s. auch Übersicht in Schmerz 2007;21:102-115). Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Mehrzahl der Patienten mit nicht-invasiven reversiblen Maßnahmen Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit erreicht werden kann. Im Kurz- und Langzeitvergleich ergeben verschiedene Behandlungsverfahren vergleichbar gute Resultate. Bei chronischen Verläufen mit ausgeprägter psychosozialer Beeinträchtigung ist neben der Standardtherapie die Betreuung durch einen Psychotherapeuten conditio sine qua non. Therapieempfehlungen bei Arthralgie und aktivierter Arthrose A. Hugger, E. Busche Westdeutsche Kieferklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf Arthralgien der Kiefergelenke kommen im Gegensatz zu Myalgien der Kaumuskulatur selten vor; meist sind sie mit myofaszialem Schmerz kombiniert. Allgemein sind neben der „Arthralgie“ die Begriffe „Arthropathie“, „Arthritis“ und „Arthrose“ zu unterscheiden. Für den Bereich des Kiefergelenkes sind spezielle diagnostische Aspekte zu beachten und die aktuelle diagnosebezogene Differenzierung in periartikuläre Arthralgie, aktivierte Arthrose sowie rheumatoide Arthritis und weitere (seltene) Arthritiden zu berücksichtigen. Anhand einer ausführlichen Literaturrecherche wird der derzeitige Stand des klinischen Managements bei Kiefergelenkarthralgie aufgezeigt (s. auch umfassenden Beitrag in Schmerz 2007;21:116-130). Bei der Mehrzahl der Patienten kann mit noninvasiven reversiblen Maßnahmen Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit erreicht werden. Im Kurz- und Langzeitvergleich ergeben verschiedene Behandlungsverfahren gleich gute Ergebnisse. Bei chronischen Verläufen mit ausgeprägten psychosozialen Beeinträchtigungen ist eine interdisziplinäre Betreuung der Schmerzpatienten unumgänglich. Therapieempfehlungen bei atypischer Odontalgie, anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzen und idiopathischem Mund- und Zungenbrennen J. C. Türp Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin und Myoarthropathien, Universitätskliniken für Zahnmedizin, Basel, Schweiz Atypische Odontalgie, anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz sowie idiopathisches Mund- und Zungenbrennen sind durch mehrere Gemeinsamkeiten gekennzeichnet: Sie weisen eine geringe Inzidenz und Prävalenz auf und ihre Pathogenese ist unbekannt, d.h. es handelt sich um Ausschlussdiagnosen. Die Therapie ist rein symptomatisch (wobei der Patientenaufklärung eine wichtige Rolle zukommt und irreversible Maßnahmen kontraindiziert sind), und die Prognose ist unsicher. Bei der atypischen Odontalgie (Phantomzahnschmerz) handelt es sich um einen neuropathischen Dauerschmerz, der teils ohne offensichtliche Begründung, teils nach Deafferenzierung peripherer trigeminaler Nervenfasern im Zuge einer Wurzelkanalbehandlung, Wurzelspitzenresektion oder Extraktion auftreten kann [4]. Unter Berücksichtigung der Evidenz aus klinischen Studien wird folgender Therapie-Algorithmus vorgeschlagen [1]: 1. Aufklärung des Patienten; 2. therapeutische
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Lokalanästhesie mit vasokonstriktorfreiem Articain [5]; 3. wiederholte lokale Applikation von 0,025%igem Capsaicin und/oder Lidocain; 4. niedrig dosiertes trizyklisches Antidepressivum; 5. Gabapentin oder Pregabalin; 6. Tramadol oder Oxycodon. Ferner sind schmerzpsychologische Verfahren (z.B. Entspannungstherapie) empfehlenswert. Die Behandlung des anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzes ist ähnlich: Nach der Aufklärung sollten (trizyklische) Antidepressiva und Antikonvulsiva versuchsweise eingesetzt werden; darüber hinaus werden verhaltenstherapeutische Maßnahmen empfohlen [3]. Auch beim Mund- und Zungenbrennen liegen für die kognitive Verhaltenstherapie Hinweise für eine therapeutische Wirkung vor. Bedauerlicherweise sind die wenigen Veröffentlichungen zu randomisierten klinischen Studien über pharmakologische Therapiemaßnahmen durch teilweise erhebliche methodische Mängel gekennzeichnet. Dessen ungeachtet scheinen Alpha-Liponsäure und das Benzodiazepam Clonazepam zwei vielversprechende Medikamente für dieses Schmerzbild zu sein [2]. 1. Baad-Hansen L: Atypical odontalgia – pathophysiology and clinical management. J Oral Rehabil 2007;34 [in Druck] 2. Buchanan J, Zakrzewska J, Türp JC [Kommentar]: Mund- und Zungenbrennen. In Ollenschläger G et al. (Hrsg): Kompendium evidenzbasierte Medizin. 6. Aufl. Hans Huber, Bern 2007, 1023-1029 3. Sommer C, Pfaffenrath V, May A, Türp JC, Engelter S, Wöber C: Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz. In Diener HC et al. (Hrsg): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 2007 [eingereicht] 4. Türp JC: Die atypische Odontalgie. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2005;115:1006-1011 5. Türp JC: Therapeutische Lokalanästhesie zur Behandlung der atypischen Odontalgie. Eine Fallserie. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2005;115:1012-1018
Kopfschmerz Kopfschmerz und Geld Ambulante Versorgung mit bürokratischen Daumenschrauben V. Malzacher Reutlingen Die ambulante Versorgung von Kassenpatienten mit Kopfschmerzen zeigt in den letzten Jahren eine zunehmende Erschwerung durch bürokratische Hemmnisse bei sinkender Bezahlung. Trotz politischen Ankündigungen von Bürokratieabbau wird die Praxis der ambulanten Behandlung – nicht nur von Kopfschmerzpatienten – zunehmend von Reglementierungen und komplexen Vorschriften geprägt. Auf wissenschaftlich fragwürdigen Grundlagen führt die neueste Reform der Sozialgesetzgebung durch Umsetzung von Rabattverträgen und der Bonus-Malus Regelung zu einem Verordnungswirrwarr, welches zudem umfangreiche Kontrollen und Prüfungen nach sich zieht. Die praktischen Auswirkungen der komplexen ökonomischen Regelungen auf den betroffenen Patienten und Arzt werden ausführlich dargestellt. Integrierte Versorgung – Weg aus der Sackgasse A. Gendolla Universitätsklinikum, Klinik für Neurologie Am 1.02.2005 startete in der neurologischen Abteilung der Universitätsklinik Essen das deutschlandweit erste Konzept zur Betreuung von Kopfschmerzpatienten im Rahmen der Integrierten Versorgung. Während es sich zunächst um einen Exklusivvertrag mit der KKH handelte, wurde nun die Vertragsgestaltung erweitert auf mehrere Krankenkassen und somit der Patientenzufluss drastisch vergrößert. Den Kopfschmerzpatienten werden je nach Diagnose und Ausprägung der Erkrankung
verschiedene Behandlungsmodule angeboten, die entweder in einer rein ambulanten Betreuung durch Ärzte, Psychologen und Physiotherapeuten bestehen, wobei dann im Rahmen der Integrierten Versorgung Kopfschmerz der Patient zu einem Kooperationspartner der intergrierten Versorgung (niedergelassener Schmerztherapeut / Neurologe in NRW, 56 bisher) weiterverwiesen wird und dort weiter behandelt wird. Die andere Möglichkeit besteht in einer tagesklinischen Behandlung über 5 Tage im Westdeutschen Kopfschmerzzentrum mit edukativen und schmerzpsychologischen Elementen über die reine medikamentöse Behandlung hinaus. In diesem Symposium werden Erfahrungen und Ergebnisse der 3-, 6- und 12-monatigen Follow ups der jeweiligen Patienten vorgestelllt. Die Abrechnungsmöglichkeit für die niedergelassenen Kollegen im Rahmen der Integrierten Versorgung bietet, wenn nicht einen Porsche doch einen Roller aus der Sackgasse. Stationäre Kopfschmerzbehandlung – Sinkflug in den Ruin? K. H. Grotemeyer Neurologische Klinik, Klinikum Saarbrücken gGmbH Die Kalkulation der DRG`s wurde (wird) „top down“ durchgeführt. Damit wird eine Unschärfe in Kauf genommen, die besonders dann problematisch wird, wenn die nunmehr indirekt miteinander verglichenen medizinischen Disziplinen ihr „Budget“ mit einer unterschiedlichen Zahl an DRG`s, in denen noch unterschiedliche Diagnosen aufgehen, erbringen müssen. Je mehr verschiedene, aber dafür seltene DRG`s notwendig sind, je weniger haben die DRG`s mit den echten Kosten zu tun. So bilden sie im Extremfall gemäß dem Kalkulationshandbuch nur die „Liegezeit“ ab. Es bleibt daher nur der Weg langfristig „bottom-up“ die DRG`s nachzukalkulieren um so zu Splitkriterien oder „Prozeduren“ zu kommen. 272 konstitutiv aufgenommene Kopfschmerzpatienten einer „Versorgungs-Neurologie“ wurden einer kalkulatorischen Nachanalyse unterzogen. Es wurden aufgrund der individuell durchgeführten Leistungen die verursachten Real-Kosten kalkuliert. Es zeigt sich, dass bereits bei diesem in der Neurologie noch relativ häufigen Krankheitsbild für ein nicht spezialisiertes Krankenhaus der maximalen Versorgungsstufe die Kosten nur noch grenzwertig zur Deckung gebracht werden können. Das wirtschaftliche Risiko ist für Langlieger (>10 Tage) deutlich geringer als bei (der üblichen) „Schnellabklärung“ (<48 Stunden). Der Einsatz von MRT`s ist hier besonders unwirtschaftlich. Kopfschmerzpatienten sind problematisch, weil sie nicht als Kopfschmerzpatienten eingewiesen werden, sondern unter einer Verdachtsdiagnose wie Meningitis (23%), Blutung (25%), Sinusthrombose (2%), TIA (10%) kommen. Nach der Abklärung handelt es sich dann oft „nur“ um einen Spannungskopfschmerz (64%). Gerade diese Mischung unterschiedlicher Einweisungsbilder induziert zwingend technische Diagnostik zum Ausschluss der Einweisungsdiagnose. Verschlüsselt und damit bezahlt wird aber derzeit nur die Diagnose Kopfschmerz (B 77 Z). Es bleibt daher langfristig zu fordern, dass nicht nur sukzessive eine BasisKalkulation aus Einzelkosten erfolgt, sondern auch, dass kurzfristig in Abklärungsfällen die Kosten verursachenden Einweisungsdiagnosen für ein Splitting der späteren Diagnose „Kopfschmerz“ herangezogen werden.
Innovative pharmakologische Therapieansätze der Migräne Neue Substanzen in der akuten Migränetherapie M. Marziniak Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Neurologie Zahlreiche aktuelle zum Teil experimentelle Substanzen haben sich in ersten Studien in der Akuttherapie der Migräne als wirksam erwiesen. Calcitonin gene-related peptide (CGRP) Rezeptorantagonisten sind wirksam in der Therapie der Migräneattacke ohne einen vasokonstriktiven Mechanismus. BIBN-4096BS, ein intravenöser CGRP-Rezeptorantagonist, wurde in einer randomisierten doppelblinden Multicen-
terstudie an 126 Migränepatienten untersucht. Die 2,5 mg Dosis zeigte eine Ansprechrate von 65,6% gegenüber 26,8% für Placebo. Der erste orale CGRP-Rezeptorantagonist, MK-0974, befindet sich aktuell in der klinischen Prüfung. Die Vorstellung einer primär nicht vaskulär bedingten Genese der Migräneattacke konnte ebenfalls durch erfolgreiche Therapiestudien mit 5-HT1F Rezeptoragonisten, u.a. LY-344370, unterstrichen werden. Weitere Substanzgruppen in der Mehrzahl noch basierend auf präklinischen Untersuchungen oder Phase I und II-Studien wie die Serotonin 5-HT1D and 5-HT1F Rezeptoragonisten, die Glutamatrezeptor-Antagonisten, die Stickoxid (NO) Synthase Inhibitoren, und die Adenosin A1 Rezeptoragonisten können mögliche Therapiealternativen zu den Triptanen in Zukunft darstellen. Überzeugende Hinweise für die Wirksamkeit von Oktreotid, einem Somatostatin-Analogon, konnten trotz guter tierexperimenteller Daten nur für den Clusterkopfschmerz, nicht aber für die Migräne gefunden werden. Die Entwicklung einer erfolgreichen nicht-vasokonstriktiven Akuttherapie der Migräne bedeutet für Patienten, insbesondere mit kardiovaskulären Erkrankungen, neue Perspektiven. Zusätzlich unterstreichen diese Ergebnisse die pathophysiologische Bedeutung der zentralen neuronalen Genese der Migräneattacke gegenüber der vaskulären Theorie. Neue Substanzen in der Migräneprophylaxe A. Straube Neurologie, Universität München Die Migräne ist mit einer 12-Monatsprävalenz von ca. 8,5% der Bevölkerung (13,1% der Frauen, 3,9% der Männer) eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Neben den Kopfschmerzattacken sind bei der Migräne eine Reihe von assoziierten Symptomen und Erkrankungen zu beachten. Lange Jahre wurde dabei die Meinung vertreten, dass die Migräne typischerweise bei Patienten mit niedrigen Blutdruck und daher auch niedriger kardio-vaskulärer Morbidität zu beobachten ist (z.B. junge Frauen mit einer orthostatischen Hypotonie). Diese Einschätzung hat sich aber in mehreren großen Studien als falsch herausgestellt. So wurde in einer Analyse der Women´s Healthy Study gezeigt, dass Patientinnen mit einer Migräne mit Aura nicht nur eine erhöhte Häufigkeit an Schlaganfällen sondern auch an kardio-vaskulären Ereignissen haben und ein im Mittel erhöhter Blutdruck sich findet (Kurth T et al., JAMA 2006). Ähnliche Resultate wurden auch für die Framingham-Studie berichtet (Scher AI et al., Neurology 2005). Eine weitere häufige Ko-Morbidität der Migräne ist die Depression, die etwa 3mal häufiger als in der Kontrollbevölkerung auftritt. Die neuen Therapiestrategien der Migräne versuchen nun diesen Risikoprofilen gerecht zu werden. Neben einigen spezifischen b-Blockern, die schon lange als Migräneprophylaktischwirksam eingeordnet werden, wurde in den letzten Jahren auch eine Wirksamkeit für ACE-Hemmern in kleineren Studien belegt. Wegen des Nebenwirkungsprofils beider Medikamentengruppen (Depressions-auslösend bzw. Husten-auslösend) lag es nahe die besser verträglichen AT1Blocker auch auf ihre Migräneprophylaktischen Eigenschaften zu untersuchen. Für Candesartan und Olmesartan liegen jetzt entsprechende Daten vor, die auch für diese Medikamente eine Wirksamkeit nachweisen (Tronvik E et al., JAMA 2003; Charles JA et al., Headache 2006). Dabei liegt die Effektstärke etwa in dem Bereich der b-Blocker Propranolol und Metoprolol, dem Goldstandard in der medikamentösen Migräneprophylaxe. Das Nebenwirkungsprofil der AT1-Blocker ist aber gerade in Blick auf das Risikoprofil der Migräne deutlich günstiger, so dass sich diese AT1-Blocker als Antihypertensiva bei Patienten mit arterieller Hypertonie und Migräne anbieten. Neue Ergebnisse sprechen dafür, dass ACE-Hemmer und möglicherweise auch AT1-Blocker die Aktivierung von Metalloproteinasen (MMP-3 und MMP-9) verhindern und so möglicherweise das Bindeglied sind zwischen der kortikalen Erregung und der Aktivierung der trigeminalen Afferenzen. Dieser Wirkmechanismus wäre damit gänzlich anders als der der bisher bekannten Prophylaktika, die vorwiegend die kortikale Erregbarkeit modulieren. Möglicherweise wirkt in dieser Weise auch Venlafaxin, ein Serotonin-Noradrenalin-ReUptake-Hemmer, von dem angenommen werden kann, dass er ebenfalls primär die kortikale Erregbarkeit moduliert. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Alte Substanzen in neuer Indikation I. W. Husstedt Klinik und Poliklinik für Neurologie UKM Münster Die Lebenszeitprävalenz der Migräne beträgt etwa 12%, die Gesamtkosten werden für Deutschland auf 4 Milliarden Euro geschätzt, wobei für Diagnostik und Therapie nur ca. 180 Millionen Euro ausgegeben werden. In einer kürzlich publizierten Studie wurde festgestellt, dass nur 56% der Patientin, bei denen die Befragung eine Migräne ergab, wussten, dass sie unter einer Migräne leiden. 57% der Patienten mit Migräne verwenden frei verkäufliche Medikamente. Eine Metaanalyse zu Metamizol zeigte, dass 1 g Metamizol wirksamer als 1 g ASS war. Nur in zwei Studien wurde über Nebenwirkungen unter Metamizol berichtet, die sich jedoch nicht von denen unter Placebo und ASS unterschieden. Studien zur intravenö sen Applikation von Metamizol ergaben eine frühzeitige Besserung der Schmerzen, von Schwindel, Photo- und Phonophobie. Untersuchungen zu ASS als Brausetablette im Vergleich zu Sumatriptan, Ibuprofen und Placebo wiesen nach, dass 1000 mg ASS als Brausetablette genauso effektiv ist wie Triptane und Ibuprofen bezüglich der Schmerzreduktion um eine Stufe. Für die Anzahl der Patientin mit Beschwerdefreiheit nach zwei Stunden war Sumatriptan den anderen Substanzen statistisch signifikant überlegen. Paracetamol wird seit langem zur Behandlung von Kopfschmerzen eingesetzt. 1000 mg Paracetamol i.v. appliziert bei Pa tienten mit schweren Migräneattacken ergab keine besseren Ergebnisse im Vergleich zu Placebo für die Schmerzfreiheit nach 2 und 24 Stunden. Metoclopramid weist neben den antiemetischen Effekten gute Resultate bei der Reduktion migränetypischer Symptome auf, die bei intravenöser Applikation besonders ausgeprägt sind. Metoclopramid in Kombination mit Acetylsalicylsäure und auch mit Sumatriptan ergab in kleinen Studien überraschende Resultate. Eine umfangreiche Studie untersuchte die Kombination von Sumatriptan und Naproxen im Vergleich zu den Monosubstanzen und Placebo. Es stellte sich heraus, dass die Kombination von Sumatriptan mit Naproxen wesentlich effektiver war im Vergleich zu den Monosubstanzen. Änderungen haben sich auch für die Bewer tung der Kombination ASS plus Paracetamol plus Koffein ergeben. Während früher vor dieser Kombination gewarnt wurde, wird sie nun nach umfangreichen neuen Studienergebnissen als ein Mittel der ersten Wahl zur Selbstmedikation empfohlen. Für Valproinsäure konnte in mehreren Studien eine große Effektivität in der Migräneprophylaxe nachgewiesen werden. Vergleiche zu Propranolol wiesen keine gravierenden Unterschiede nach. Die Behandlung der akuten Migräneattacken mit Valproinsäure i.v. ergab eine gute Wirksamkeit bezüglich der Reduktion von Kopfschmerzen und assoziierten Symptomen. Für Kinder weisen Paracetamol und Ibuprofen in der Akuttherapie und Propranolol und Flunarizin zur Prophylaxe die beste Evidenz auf. Die therapeutischen Mög lichkeiten der alten Substanzen müssen durch neuere, umfangreichere und modere Studien weiter analysiert werden, da deren therapeutisches Potential nicht in allen Aspekten klar analysiert ist.
Verhaltenstherapie bei Kopfschmerzen Biofeedbackverfahren bei Erwachsenen und Kindern mit Kopfschmerzen – State of the art C. Hermann Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie RuprechtKarls-Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim Biofeedback ist eines der ältesten verhaltensorientierten Behandlungsverfahren in der Schmerztherapie bei Erwachsenen und Kindern. Allerdings wird BFB in der klinischen Praxis eher selten angewendet. Angesichts der zunehmenden Bedeutung einer evidenzbasierten Perspektive erfolgt basierend auf dem Therapierational von Biofeedback ein Überblick über die verschiedenen Biofeedbackverfahren zur Behandlung von Kopfschmerzen und deren empirisch abgesicherte Wirksamkeit. Speziell bei Kindern liegen kontrollierte Studien zur
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Schmerzbehandlung mit Biofeedback ohnehin fast ausschließlich für Kopfschmerzen und speziell Migräne vor. Zumindest das Hauttemperaturbiofeedback kann als empirisch gesichert wirksames Verfahren bei Migräne sowohl bei Erwachsenen wie auch Kindern gelten. Bei Erwachsenen ist auch die Wirksamkeit von EMG-Biofeedback in der Behandlung sowohl von Migräne wie auch Kopfschmerz abgesichert. Weniger ist über mögliche Indikationskriterien und Erfolgsprädiktoren von Biofeedback bekannt. Vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen und spezifischen Anforderungen für den Einsatz von Biofeedback werden mögliche Gründe für den zurückhaltenden Einsatz von Biofeedback in der klinischen Praxis aufgezeigt und Möglichkeiten zu deren Lösung diskutiert. Kognitive Verhaltenstherapie B. Kröner-Herwig Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie Abt. Klinische Psychologie und Psychotherapie, Göttingen Psychologische Prozesse spielen bei gegebener Disposition eine bedeutsame Rolle bei der Auslösung von Kopfschmerz, sei es Migräne oder KST. Auch die Konsequenzen einer Kopfschmerzerkrankung können wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität des Betroffenen nehmen, so z.B. Medikamentenmissbrauch oder angstmotiviertes Vermeidungsverhalten. Psychologische Therapieverfahren haben in der Regel das Ziel, zum einen die Anzahl der Kopfschmerzepisoden zu reduzieren und die Beeinträchtigung in der Lebensführung zu verringern. Neben Relaxationsverfahren und Biofeedback gehört die Kognitive Verhaltenstherapie zu den bevorzugten, da positiv evaluierten Ansätzen der Schmerzpsychotherapie. Basierend auf der Analyse des individuellen Falles werden Verhaltensweisen identifiziert, von denen angenommen werden kann, dass sie sich ungünstig auf das Erleben und Befinden des Pat. auswirken. Dabei geht die KVT davon aus, dass Verhalten und Emotionen unter der Steuerung von kognitiven Prozessen stehen. Es ist also das doppelte Ziel der KVT sowohl dysfunktionale Kognitionen wie Verhaltensweisen zu modifizieren. Die kognitiven Interventionen sind zum großen Teil aus der Therapie der Depression wie Stressimmunisierungs-Programmen entlehnt. Der Vortrag veranschaulicht das Vorgehen und gibt einen Überblick über den Stand der Evidenzbasierung.
Mechanismen von NO und CGRP bei idiopathischen Kopfschmerzen NO und CGRP bei der Migräne U. Reuter Charité-CCM, Neurologische Klinik und Poliklink, Berlin NO und CGRP werden als Schlüsselmediatoren in der Pathophysiologie vieler Kopfschmerzerkrankungen u.a. Migräne und Clusterkopfschmerz angesehen. Im Rahmen diese Symposiums soll im Besonderen auf die neuesten Erkenntnisse aus experimentellen Studien zur Bedeutung von NO und CGRP in der Pathophysiologie der Migräne eingegangen werden. Hierzu werden Daten aus in vivo und in vitro Untersuchungen aufgezeigt und ihre Implikation für die akute und prophylaktische Therapie der Migräne skizziert. NO und CGRP beim Spannungskopfschmerz J. Ellrich Center for Sensory-Motor Interaction, Department of Health Science and Technology, Aalborg University, Aalborg, Denmark Fragestellung: Der Spannungskopfschmerz (TTH) ist die häufigste Form primärer Kopfschmerzen. Trotz seiner großen klinischen und sozioökonomischen Relevanz ist die Pathophysiologie unklar. Klinische Untersuchungen betonen die Schmerzempfindlichkeit der perikranialen Muskulatur als herausragendes Symptom. Basierend
auf dieser klinischen Beobachtung wurde ein Tiermodell zur Untersuchung der nozizeptiven Signalverarbeitung der Nackenmuskulatur entwickelt (Cephalalgia 26: 697-706, 2006). Die Aktivierung von P2X3-Rezeptoren in der Nackenmuskulatur der Maus durch ATP führt zu einer nachhaltigen zentralen Sensibilisierung im Hirnstamm. Im Trigeminusganglion tragen 80% aller CGRP-positiven Neurone auch den P2X3-Rezeptor (J Neurosci 26: 6163-71, 2006). Die anatomische Kolokalisierung könnte für eine Interaktion sprechen. Die intravenöse Gabe des NO-Donors Glyceroltrinitrat (GTN) ruft bei gesunden Versuchspersonen und bei TTH-Patienten innerhalb von 20 Minuten Kopfschmerzen hervor (Brain 123: 1830-7, 2000). Nur bei Patienten kommt es zu einer typischen TTH-Attacke etwa acht Stunden nach GTN-Gabe. Der unspezifische NOS-Inhibitor L-NMMA reduziert bei TTH die Intensität der Kopfschmerzen und die Schmerzempfindlichkeit der perikranialen Muskulatur (Lancet 353: 287-9, 1999; Brain 122: 1629-35, 1999). NO scheint demnach eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Bedeutung von NO und CGRP wurde in dem beschriebenen Tiermodell untersucht. Angewandte Methodik: Die elektrophysiologischen Experimente wurden an 81 männlichen C57BL/6-Mäusen in Allgemeinanästhesie durchgeführt (Bain Res Prot 11: 178-88, 2003). Noxischer Input aus dem Musculus semispinalis capitis wurde durch Injektion von α,βmeATP hervorgerufen (ATP, 20 µl, 100 nmol/l). Effekte auf die kraniofaziale nozizeptive Signalverarbeitung wurden durch Ableitung des Kieferöffnungsreflexes nach elektrischer Stimulation der Zungenmuskulatur erfasst. Der Reflex wurde in Serien von je 8 Reizen ausgelöst (0.1 Hz), die Serien wurden alle fünf Minuten wiederholt. Die intramuskuläre Injektion erfolgte nach der dritten Serie, danach wurden die Reflexserien für mindestens eine Stunde fortgeführt. Latenz, Dauer und Integral des Reflexes wurden gemessen. Die mögliche Beteiligung von CGRP und NO wurde durch intraperitoneale Gaben des CGRPAntagonisten BIBN4096BS (0.1, 0.3, 1 mg/kg, 100 µl) bzw. des unspezifischen NOS-Inhibitors L-NMMA (0.05, 0.1, 1 mg/kg, 100 µl) vor oder nach intramuskulärer ATP-Gabe überprüft. Zur Kontrolle wurde isotonische Kochsalzlösung eingesetzt. Ergebnisse: Die Gabe von BIBN4096BS reduzierte signifikant den ATP-Effekt in einem Zeitraum von zwei Stunden von ursprünglich 122% Integralzunahme auf unter 40% bei 1 mg/kg (p<0.001). Innerhalb der ersten Stunde nach ATP-Gabe verhinderte BIBN4096BS die Reflexbahnung vollständig. Die nachträgliche Gabe von BIBN4096BS 15 bzw. 60 min. nach ATP-Injektion blieb ohne Effekt. L-NMMA reduzierte konzentrationsabhängig den ATP-Effekt nachhaltig (p<0.001). Die Gabe von L-NMMA bei bereits etablierter Reflexbahnung nach ATP führte zur völligen Normalisierung des Reflexes innerhalb von zwei Stunden (p<0.001). Schlussfolgerungen: Die eindeutige Wirkung des CGRP-Antagonisten bei vorheriger Gabe spricht für eine Rolle bei der Induktion der zentralen Sensibilisierung. Der deutliche Effekt von L-NMMA auf die ATP-Wirkung weist auf eine maßgebliche Beteiligung von NO bei der Induktion und der Aufrechterhaltung des Bahnungseffektes. Somit scheinen CGRP und NO bei der zentralen Sensibilisierung in diesem Tiermodell unterschiedlich involviert zu sein.
Verhaltenstherapie bei Kopfschmerzen Entspannungsverfahren und neuere Ansätze M. Lüking Interdisziplinäres Schmerzzentrum im Neurozentrum, Universitätsklinikum Freiburg Seit den 70-ger Jahren haben Entspannungsverfahren (traditionell: Progressive Muskelentspannung u. Autogenes Training) in der Behandlung primärer Kopfschmerzerkrankungen einen festen Platz. Dabei variieren die Ziele des Entspannungstrainings (Prophylaxe und/ oder Schmerzreduktion) in Abhängigkeit von der Grunderkrankung. Über die Jahre hat sich das Konzept der Entspannung erweitert: ne-
ben den o.g. traditionellen Entspannungsverfahren werden bei der Therapie chronischer Schmerzen vermehrt imaginative und hypnotherapeutische sowie meditative Techniken (Achtsamkeitstraining) und Biofeedbackverfahren eingesetzt. Gleichzeitig hat sich das Wissen über die pathogenetischen Mechanismen der unterschiedlichen primären Kopfschmerzerkrankungen weiterentwickelt. Im Rahmen des Vortrags wird unter Einbeziehung des aktuellen Wissenstandes diskutiert, welcher Stellenwert der Entspannung generell sowie den verschiedenen Strategien im Einzelnen bei der Behandlung primärer Kopfschmerzerkrankungen zukommt.
Interventionelle Therapieverfahren bei Kopfschmerzen Verschluss des PFO bei Migräne S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Große epidemiologische Studien haben in den letzten ca. 10 Jahren gezeigt, dass eine Assoziation zwischen Migräne und einem persistierenden offenen Foramen ovale (PFO) besteht. Diese Assoziation ist bei Migräne mit Aura eindeutig ausgeprägt (ca. 50% der Betroffenen haben ein offenes PFO, wogegen nur 20% der Bevölkerung ein PFO aufweisen), bei Migräne ohne Aura ist die Datenlage weniger eindeutig. Auch ein umgekehrter Zusammenhang konnte mehrfach gezeigt werden (d.h. vermehrt Migräne bei Menschen mit einem PFO). Retrospektive Beobachtungen haben darauf hingewiesen, dass der Verschluss eines PFO zu einer Verbesserung der Migräne führen kann. In den Fallserien war dies so bei bis zu 80% der Migränepatienten. Auch prospektive offene Untersuchungen konnten diesen Zusammenhang bestätigen. In einer im Jahr 2006 veröffentlichten Studie, die in einem placebokontrollierten Design den Verschluss eines PFO bei Migränepatienten mit Aura untersucht hatte, konnte keine signifikante Attackenfreiheit bei Migränepatienten erreicht werden. Allerdings zeigte sich eine signifikante Reduzierung der Attackenfrequenz. Derzeit wird in weiteren Studien untersucht, ob der Verschluss eines PFO zu einer relevanten Senkung der Attackenfrequenz führen kann. Der pathophysiologische Mechanismus, wenn überhaupt einer besteht, ist noch völlig unbekannt. Spekuliert wird über eine Attackenauslösung der Migräne durch Mikrothromben oder durch vasoaktive Substanzen aus dem rechten Vorhof. Destruierende Verfahren in der Behandlung von Kopfschmerzen A. Frese Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Destruierende Verfahren werden für die Behandlung unterschiedlicher Kopfschmerzentitäten eingesetzt und haben als gemeinsames Therapieprinzip die Ausschaltung nozizeptiver Afferenzen. Etabliert ist die operative Therapie für die Trigeminusneuralgie, wenn Patienten unter medikamentöser Behandlung nicht schmerzfrei werden oder die Medikamente nicht tolerieren. Die am häufigsten durchgeführte mikrovaskuläre Dekompression nach Janetta beseitigt den ursächlichen Gefäß-Nerven-Kontakt und ist somit ein kausaler, nicht destruierender Therapieansatz. Für Patienten mit hohem OP-Risiko stehen als alternative invasive Verfahren die Thermokoagulation nach Sweet oder die perkutane retroganglionäre Glycerolinjektion zur Verfügung. Die Rezidivraten nach diesen destruierenden Verfahren liegen bei ca. 20-40%, als gefürchtete Komplikation kann eine Anästhesia dolorosa auftreten. Weniger gesichert ist der Erfolg unterschiedlicher destruierender Therapieansätze für den zervikogenen Kopfschmerz. Voraussetzung ist die sichere Identifikation der Schmerzquelle durch kontrollierte diagnostische Blockaden. Für therapierefraktäre Patienten mit Clusterkopfschmerz wurde wiederholt als ultima ratio eine Durchtrennung der trigeminalen sensorischen Nervenwurzel durchgeführt. Das Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Ausbleiben jeglichen Effekts dieser Maßnahme bei einzelnen Patienten weist auf die führende Rolle des zentralen Nervensystems in der Pathophysiologie des Clusterkopfschmerzes hin. Seit einiger Zeit wird die Durchtrennung des M. corrugator supercilii zur Migränebehandlung propagiert. Ausreichende kontrollierte Studien zur Wirksamkeit dieser Therapiemethode fehlen ebenso wie verläßliche Daten zu Langzeiteffekten.
Komorbidität der Migräne Migräne und vaskuläre Krankheiten H.-C. Diener Universitätsklinik für Neurologie und Westdeutsches Kopfschmerzzentrum, Essen Eine Reihe von retrospektiven und prospektiven Studien hat einen Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und einem persistierenden offen Foramen ovale (PFO) gefunden. Der Zusammenhang ist noch nicht geklärt, es spricht aber Vieles für eine gemeinsame Vererbung. Eine kausale Verursachung der Migräne mit Aura und einem PFO ist bisher nicht belegt. Eine Reihe von retrospektiven Studien fand eine Besserung der Migräne nach Schirmchenverschluss eines PFO. Dieses Ergebnis konnte in der einzigen bisher bekannt gewordenen randomisierten Studie (MIST) nicht belegt werden. Bis zum Beweis des Gegenteils sollte daher kein Verschluss eines PFO bei Patienten mit Migräne mit Aura erfolgen. Eine Vielzahl epidemiologischer Studien hat einen Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und einem erhöhten Risiko von ischämischen Insulten bei jüngeren Menschen gefunden. Migräne mit Aura ist auch ein Risikofaktor für kardiale vaskuläre Ereignisse. Dies hängt zum Teil mit dem Muster vaskulärerer Risikofaktoren bei Patienten mit Migräne zusammen (höherer Blutdruck, häufigeres Rauchen). Insgesamt ist das Schlaganfallrisiko in absoluten Zahlen gering. Migräne und psychiatrische Krankheiten S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Eine Komorbidität der Migräne mit psychiatrischen Erkrankungen ist in vielen Feldstudien, Fall-Kontroll-Studien und sogar genetischen Studien nachgewiesen worden. Hierbei handelt es sich nicht um eine einseitige Beziehung aufgrund psychiatrischer Folgen der Belastung durch Migräne, sondern um eine echte zweiseitige Komorbidität. Die größte Evidenz besteht für den Zusammenhang zwischen Migräne und depressiven Störungen, insbesondere der Major Depression. Hier besteht ein um den Faktor 2 bis 3 erhöhtes Risiko jeweils die andere Erkrankung zu entwickeln, wenn die erste sich bereits manifestiert hat. Dieses Risiko besteht in geringerem Ausmaß auch für die Blutsverwandten der Betroffenen, sodass von einer genetischen Veranlagung für diese Komorbidität ausgegangen werden muss. Ähnliche Zusammenhänge, wenn auch mit geringerer Datenlage und in geringerer Ausprägung, sind auch für Angststörungen und für Zwangserkrankungen beobachtet worden. Das Erkennen einer Komorbidität von Migräne mit psychiatrischen Krankheiten hat auch praktisch-therapeutische Relevanz. So kann die Wahl eines prophylaktischen Medikaments auf die komorbide Erkrankung abgestimmt werden. Auch verhaltenstherapeutische Verfahren können auf beide Erkrankungen eingestellt werden.
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Neuropathischer Schmerz CRPS: Motorik und Schmerz CRPS und Motorik – aktuelle Erkenntnisse durch die funktionelle Bildgebung C. Maihöfner Neurologische Klinik mit Poliklinik der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Die Komplex-Regionalen Schmerzsyndrome (CRPS) wurden früher als Morbus Sudeck bzw. Kausalgie bezeichnet. Prinzipiell kann ein CRPS in circa 5% der Fälle als Komplikation nach Extremitätenverletzungen, Bagatelletraumen, Schlaganfall oder Nervenverletzungen resultieren. Die Symptomatik umfasst eine klinische Trias, bestehend aus autonomen, motorischen und sensorischen Störungen. Zu den sensorischen Störungen zählen heftigste Spontanschmerzen und Schmerzen, die durch mechanische Reize (z.B. Berührung mit einem Zahnstocher oder Wattebausch) ausgelöst werden können. Typischerweise lässt sich die Ausbreitung der Spontanschmerzen und der Hyperalgesie bei Patienten mit CRPS nicht auf das Verteilungsmuster eines einzelnen peripheren Nerven limitieren, sondern sind entweder handschuhförmig oder strumpfförmig ausgebildet. Die Ursachen dafür sind weitgehend unklar, vermutet wird aber unter anderem eine Beteiligung des zentralen Nervensystems (ZNS). In unserer Arbeitsgruppe verwenden wir Methoden der funktionellen Neurobildgebung, um potentielle Veränderungen im Gehirn von Patienten mit CRPS zu untersuchen. Normalerweise ist jeder Körperteil in einer bestimmten Region des Gehirnes, nämlich der postzentralen Gehirnwindung (Gyrus postcentralis) repräsentiert. Dabei sind wichtige Körperpartien, z.B. die Hände überrepräsentiert. Vergleicht man nun die somatotope Anordnung im Gyrus postcentralis bei CRPS- Patienten mit gesunden Personen, zeigt sich überraschenderweise, dass die Handrepräsentation auf der betroffenen schmerzhaften Seite erheblich kleiner ist. Diese Abnahme der Handrepräsentation im Gehirn korreliert positiv mit der Schmerzhaftigkeit der Erkrankung und der Ausdehnung der mechanischen Hyperalgesie. Entsprechend liefern diese zentralen Veränderungen einen ersten Beitrag um die komplexen sensiblen Symptome an der betroffenen Extremität bei CRPS-Patienten zu erklären. Das Ausmaß der Nervenschmerzen steht in direktem Zusammenhang mit den kortikalen Reorganisationsphänomenen. Interessanterweise zeigte sich, dass eine suffiziente Schmerztherapie in der Lage ist mit den plastischen Veränderungen im Gehirn zu interferieren. Nach multimodaler Therapie der Patienten ist die Handrepräsentation im Gehirn wieder normal groß. Neue Befunde deuten auch darauf hin, dass die charakteristischen motorische Dysfunktionen durch fehlgeleitete motorische Programme im Gehirn erklärt werden könnten. Die Analyse von zielgerichteten Bewegungen bei CRPS-Patienten legt bereits eine gestörte sensomotorische Integration im posterioren parietalen Kortex nahe. Dieser Kortex ist essentiell für die Raumorientierung. Störungen, z.B. durch einen Schlaganfall, führen häufig zu einem Neglekt. Dies wird durch aktuelle fMRI- Studien nachhaltig unterstützt, denn das Ausmaß der motorischen Einschränkung korreliert bei CRPS mit Fehlaktivierungen in motorischen und parietalen Gehirnarealen. Daraus könnten sich neue Therapieansätze für die Neurorehabilitation von CRPS-Patienten ergeben. 1. Maihöfner C. et al. (2003) Patterns of cortical reorganisation of in complex regional pain syndrome. Neurology. 61:1707-15. 2. Maihöfner C. et al. (2004) Cortical Reorganization during Recovery from Complex-Regional Pain Syndrome. Neurology, 63:1-9. 3. Maihöfner C. et al. (2007) The motor system shows adaptive changes in complex regional pain syndrome. Brain, 2007 Jun 15; [Epub ahead of print]
Beeinflussung der motorischen Erregbarkeit und Hemmbarkeit durch verschiedene neuropathische Schmerzsyndrome P. Schwenkreis Neurologische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil
Sympathikus und Schmerz – ein „3-schneidiges“ Schwert?
Aus Untersuchungen bei Patienten nach Extremitätenamputation sowie beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom existieren Hinweise für einen Zusammenhang zwischen chronifiziertem Schmerz und Reorganisation im sensomotorischen Kortex. Als Basis kortikaler Reorganisation können intrakortikale Exzitabilitätsveränderungen angenommen werden, welche insbesondere auf einer reduzierten GABAergen Hemmung, aber auch auf LTP-ähnlichen Mechanismen im Sinne einer verstärkten glutamatergen Transmission via NMDA-Rezeptoren beruhen. Solche auf einer veränderten Aktivität GABAerger und glutamaterger Interneurone beruhenden Exzitabilitätsveränderungen können nicht-invasiv durch Erfassung der intrakortikalen Inhibition (ICI) und Fazilitierung (ICF) mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS) in Doppelreiztechnik untersucht werden. Diese Methodik wurde mittlerweile bei einer Reihe von chronischen neuropathischen und nicht-neuropathischen Schmerzsyndromen angewandt. Dabei zeigte sich bei Patienten mit Extremitätenamputation eine reduzierte Inhibition und verstärkte Fazilitierung im motorischen Kortex der zugeordneten Hemisphäre, welche allerdings nicht in einem Zusammenhang zu Auftreten und Intensität von Phantomschmerzen stand. Bei Patienten mit posttraumatischer Neuralgie des N. medianus bzw. ulnaris konnte ebenfalls eine Disinhibition im zugeordneten motorischen Kortex nachgewiesen werden, welche in ihrem Ausmaß abhängig von der geklagten Schmerzintensität war. Patienten mit CRPS I wiesen eine solche Disinhibition nicht nur im kontralateralen, sondern auch im ipsilateralen motorischen Kortex auf, wobei das Ausmaß der Disinhibition im kontralateralen Motorkortex ebenfalls in Zusammenhang mit der Schmerzintensität stand. Bei Patienten mit Osteoarthrose und chronischem nozizeptivem Schmerz waren hingegen keinerlei Exzitabilitätsveränderungen im Motorkortex nachweisbar. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Schmerzsyndromen sprechen für ein unterschiedliches Ausmaß der ZNS-Reorganisation im Rahmen der Schmerzchronifizierung und legen pathophysiologische Unterschiede insbesondere zwischen neuropathischen und nozizeptiven Schmerzsyndromen nahe. Diese Ergebnisse haben mögliche therapeutische Implikationen, da erste Untersuchungsergebnisse für eine Beeinflussbarkeit des chronischen Schmerzes durch eine Modifikation der Erregbarkeit des motorischen Kortex mittels repetitiver TMS sprechen.
Jeglicher akute Stress, insbesondere wenn er die körperliche Integrität bedroht, aktiviert substantiell das sympathische Nervensystem. Akuter Schmerz, der ja bei Gewebeschädigung auftritt, ist ein solcher Stressor. Die sympathische Reaktion, welche gemessen werden kann, beinhaltet je nach Stressreiz akrale Vasokonstriktion, Aktivierung der palmaren Schweißdrüsen, Beschleunigung von Puls und Erhöhung von Blutdruck, sowie Aktivierung des Muskeltonus vor allem der stammnahen Muskulatur. Stress und damit Sympathikusaktivierung unterdrückt zumindest bei Gesunden auch die Schmerzempfindung, wie in Experimenten nachgewiesen werden konnte. Die Stress-induzierte Analgesie ist somit ein wichtiger Faktor, die körperliche Funktion bei akuten Schmerzsituationen über einen gewissen Zeitraum aufrecht zu erhalten. Dabei kommt es zu einer „top-down“ Kontrolle des Schmerzempfindens über kognitivemotionale Kortexareale und Stammganglien, sowie einer „bottom-up“ Reflexkontrolle bei nozizeptivem Input in die wichtigsten Kerngebiete der stressinduzierten Analgesie im Hirnstamm (PAG, RVM, Locus Coeroleus). Die wichtigsten Neurotransmitter sind Noradrenalin, Endorphine und auch Dopamin. Klinische Indizien dafür finden sich in der Wirksamkeit von Monoamin-Reuptakehemmern und Opioiden bei vielen Formen von Schmerz, sowie der vermehrten Schmerzempfindlichkeit von Patienten mit Störungen des Dopamin-Stoffwechsels.
Sensory-motor incongruence in chronic pain-symptoms, signs and therapy C. McCabe Royal National Hospital for Rheumatic Diseases & School for Health, University of Bath, Bath UK The motor-control system usually operates below our conscious level and we only become aware of the complex interaction between desired movements and actual, when an irregularity in the system occurs. Recently it has been proposed that such discordances in sensory-motor function may generate pain and other somaesthetic disturbances. This presentation will describe the sensory-motor model of pain and see how it may be applied to a range of chronic pain conditions where there is a lack of obvious causal pathology, including Complex Regional Pain Syndrome. Finally, I will discuss the clinical implications of such a theory and see how enhancing sensory feedback may reduce chronic pain.
Sympathikusaktivierung macht Analgesie F. Birklein Neurologische Universitätsklinik Mainz
Sympathikusaktivierung macht Schmerz J. Schattschneider, R. Baron Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Neurologie, Campus Kiel Sektion für neurologische Schmerzforschung- und Therapie Die Durchführung von Sympathikus-Blockaden ist ein Baustein in der Therapie von Patienten mit einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom sowie in der Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome. Das Vorhandensein eines sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP) stellt hierbei jedoch lediglich ein Symptom der Erkrankung dar welches nicht bei jedem Patienten vorhanden ist. Weiterhin finden sich bei Patienten mit einem SMP unterschiedliche Ausprägungen sowohl in Bezug auf den Spontanschmerz als auch evozierte Schmerzkomponenten. Schließlich kann im Verlauf der Erkrankung der Anteil der sympathisch unterhaltenen Schmerzkomponente abnehmen. Im Rahmen experimenteller Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei Anwendung von adrenergen Substanzen (z.B. Noradrenalin) in pharmakologischen Dosierungen eine Sensibilisierung von nozizeptiven C-Fasern auch in gesunder Haut auftritt, wohingegen eine Freisetzung von Noradrenalin durch physiologische Stimulation des Sympathikus keinen Effekt auf das Antwortverhalten nozizeptiver Fasern hat. Bei Patienten mit neuropathischen Schmerzerkrankungen und einem SMP ändert sich diese Situation dahingehend, dass jetzt auch durch eine physiologische Aktivierung des Sympathikus eine Aktivierung von C-Fasern erreicht werden kann, welche bei Patienten ohne sympathisch unterhaltenen Schmerz nicht auftritt. Die Ausbildung eines SMP scheint somit mit einer Sensibilisierung nozizeptiver Fasern einherzugehen. Neure Daten sprechen dafür, dass es sich hierbei um eine direkte Sensibilisierung gegenüber adrenergen Substanzen handelt. Vergleiche des analgetischen Effekts einer vollständigen Blockade der sympathischen Aktivität einer betroffenen Extremität mit einer selektiven Blockade der sympathischen Innervation der Haut deuten auf die Ausbildung einer solchen Form von sympathisch-afferenter Kopplung nicht nur in der Haut sondern insbesondere in tieferen Geweben hin. Es ist unklar, welche pathophysiologischen Veränderungen der Entstehung eines SMP vorausgehen. Untersuchungen bei Patienten mit chronischer Nervenläsion und neuropathischen Schmerzen sprechen dagegen, dass der Nervenläsion eine alleinige Rolle in der Entstehung eines SMP zukommt. Es sind vielmehr Co-Faktoren, wie z.B. das Auftreten entzündlicher Veränderungen zu vermuten. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Schmerz macht Sympathikusaktivierung T. Schlereth Johannes Gutenberg Universität Mainz Schmerz ist affektiv behaftet und aktiviert das sympathische Nervensystem, was zu einer „defense reaction“, einer Verteidigungsreaktion, führt. Dies beinhaltet eine vermehrte Schweißfreisetzung, beschleunigten Puls, erhöhten Blutdruck sowie erhöhten Blutfluss in den Skelettmuskeln. Parallel kommt es generalisiert zu einer Reduktion des Blutflusses in der Haut, den Nieren und dem Verdauungstrakt. Diese sympathischen Reaktionen werden durch Verknüpfung von nozizeptivem und autonomem Nervensystem auf mehreren Ebenen des peripheren und zentralen Nervensystems ausgelöst. So erreichen nozizeptive Afferenzen zentrale autonome Areale. Der Nucleus tractus solitarii ist eine erste Umschaltstation viszeraler Afferenzen und kontrolliert im wesentlichen vagale Funktionen. Im Mesencephalon erhält das periaquäduktale Grau nozizeptiven Input und initiiert sympathische Reaktionen auf Schmerzreize. Die benachbarte Formatio reticularis reguliert den Gefäßtonus und die Respiration. Von hier projizieren Neurone zum Hypothalamus, der eine zentrale Rolle in der Integration autonomer Prozesse spielt. Im Bereich des Kortex gibt es eine auffällige Überlappung von autonomen und nozizeptiven Arealen, die zum medialen Schmerzsystem gezählt werden. So ist die Inselrinde sowohl an der Verarbeitung nozizeptiver Reize als auch an der Generierung vegetativer Antworten beteiligt, genauso wie das anteriore Cingulum und die Amygdala. Neben diesen seit längerem bekannten Interaktionen auf zentraler Ebene findet sich aber auch eine Interaktion im Bereich der peripheren Nozizeptoren. Schmerzreize aktivieren Nozizeptoren, was neben der zentral generierten Schmerzempfindung in der Peripherie über einen Axonreflex zu einer Hautrötung durch Freisetzung von Neuropeptiden wie CGRP und Substanz P führt. CGRP wiederum steigert in bestimmten Konzentrationen die Schweißfreisetzung, während Substanz P sie unterdrückt. Je nachdem, welche Neuropeptide vorherrschen, kann es dadurch zu einer Hyper- oder Hypohidrose kommen. Das Schwitzen kann sich dann über periphere Axonreflexmechanismen selbst verstärken.
Schmerz und Nozizeption bei querschnittgelähmten Patienten Neuronale Grundlagen von Schmerz, Nozizeption und autonomer Dysregulation bei querschnittgelähmten Patienten W. Jänig Physiologisches Institut, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Partielle oder komplette Unterbrechung des Rückenmarkes erzeugt multiple zelluläre plastische Veränderungen in Neuronen und nichtneuronalen Zellen des peripheren und zentralen Nervensystems unterhalb und oberhalb der Rückenmarksläsion, deren Folgen die makroskopischen klinischen Veränderungen bei Patienten mit Rückenmarksläsionen sind. Diese Veränderungen finden statt: 1. Am Läsionsort im Rückenmark. 2. Kaudal des Läsionsortes im Rückenmark (autonome und somatomotorische Reflexkreise), in den peripheren vegetativen Neuronen (ganglionäre Übertragung und neuroeffektorische Übertragung) und in den spinalen afferenten Neuronen. 3. Rostral des Läsionsortes in den somatischen und viszeralen sensorischen Zentren, die Schmerz und andere Körperempfindungen repräsentieren (Rückenmark, Hirnstamm, Thalamus und Kortex), vermutlich in den zentralen vegetativen Repräsentationen (z.B. im unteren Hirnstamm und Hypothalamus) und in den Repräsentationen der endogenen Systeme, die Nozizeption und Schmerz sowie andere Körperempfindungen kontrollieren. Die Mechanismen und pathophysiologischen Folgen dieser plastischen Veränderungen werden an Hand von zwei Beispielen diskutiert: 1. Die Entstehung der vesiko-sympathischen Hyperreflexie, einschließlich der
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Detrusor-Sphinkter Dyssynergie. Hieran sind beteiligt die Harnblase und ihre afferente und efferente Innervation, die Innervation aller Blutgefäße, die spinale Nozizeption, spinale autonome Systeme, die ganglionäre Übertragung und die neuroeffektorische Übertragung auf die Blutgefäße. 2. Die hypothetische Entstehung der neuropathischen Schmerzen als Folge der größten „Nervenläsion“, die beim Menschen mit kompletter Durchtrennung des Rückenmarks stattfindet. An der Entstehung dieser Schmerzen sind die Deafferenzierung zentraler Repräsentationen von Schmerz und anderen Körperempfindungen im Thalamus und Hirnstamm und die endogenen Kontrollsysteme beteiligt. Das Ziel der Forschung am Patienten und im Tierexperiment ist, diese plastischen Veränderungen im peripheren vegetativen Nervensystem, im Rückenmark, in den nozizeptiven Systemen und in den supraspinalen somatosensorischen, autonomen und endogenen Kontrollsystemen aufzuklären. Diese Forschung wird sich konzentrieren auf die frühen zellulären Prozesse, welche die plastischen Veränderungen initiieren, und die späteren zellulären Prozesse, die zur Chronifizierung führen. Sie betrifft: 1. Die Regulation von Nozizeption und Schmerz (spinale Nozizeption und Hyperreflexie; neuropathischer Schmerz, Nozizeptorschmerz). 2. Die Regulation spinaler autonomer Systeme (Hyperreflexie und spinaler Schock; Reorganisation spinaler vegetativer Systeme und Rolle der spinalen Nozizeption im Hinterhorn; Rolle der Erregung tiefer somatischer und viszeraler Afferenzen). 3. Die Regulation der Beckenorgane, des kardiovaskulären Systems, des Magen-Darm-Traktes, der Thermoregulation usw. 4. Die Regulation der Körperabwehr (des Immunsystems). 5. Die Veränderungen der Körperperzeption und der Emotionen im Rahmen der Reorganisation in den supraspinalen Systemen. 1. Jänig, W. The Integrative Action of the Autonomic Nervous System: Neurobiology of Homeostasis. Cambridge University Press, Cambridge, New York (2006) Klassifikation von Schmerzen bei querschnittgelähmten Patienten G. Wasner, R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Etwa 70-80% querschnittsgelähmter Menschen leiden unter chronischen Schmerzen. Die Schmerzen sind dabei eine der Hauptursachen für eine reduzierte Lebensqualität, eine verminderte Aktivität im täglichen Leben und für die Arbeitsunfähigkeit der Patienten. Nach der Einteilung der ‚International Association for the Study of Pain’ (IASP) werden verschiedene Arten chronischer Schmerzen klassifiziert, deren Unterscheidung gerade unter therapeutischen Gesichtspunkten berücksichtigt werden sollte (Siddall et al. 2000). Nozizepitve skeletomuskuläre Schmerzsyndrome treten typischerweise oberhalb der Querschnittsläsion auf, sind oft Lage- oder Belastungs-abhängig und können Folge einer mechanischen Instabilität oder einer inadäquaten Überlastung sein, wenn beispielsweise die oberen Extremitäten unverhältnismäßig vermehrt gebraucht werden beim Paraplegiker. Nicht selten ist eine solche Überlastung auch Ursache von neuropathischen Schmerzen oberhalb der Läsion, wenn beispielsweise Engpassyndrome auftreten. Insgesamt leiden 35-40% der Patienten an neuropathischen Schmerzen, wobei die Schmerzen oberhalb der Läsion eine untergeordnete Rolle spielen im Vergleich zu Schmerzen auf Höhe und unterhalb der Läsion. Typischerweise werden dort brennende Spontanschmerzen angegeben, die als sehr quälend empfunden werden. Zusätzlich können auf Höhe der Querschnittsläsion evozierte Schmerzen hinzukommen, wie eine mechanische oder eine Kälte-Allodynie, die unterhalb der Läsion eher selten sind. Die neuropathischen Schmerzen sind nicht von mechanischen Faktoren wie Lage und Belastung abhängig, allerdings klagen die Patienten regelmäßig über eine Verschlechterung durch Stress oder körperliche Anstrengung im Allgemeinen. Eine akute Exazerbation neuropathischen Schmerzen kann Ausdruck einer aufgetretenen internistischen Komplikation im Rahmen der Querschnittslähmung sein, wie beispielsweise ein Harnwegsinfekt oder eine autonome Dysreflexie. Pathophysiologisch geht man davon
aus, dass bei den neuropathischen Schmerzen auf Höhe der Läsion, die oft sehr zeitnah nach der Querschnittsläsion auftreten, sowohl zentrale als auch periphere Mechanismen eine Rolle spielen. Die Schmerzen unterhalb der Läsion, die mit einer Latenz von bis zu mehreren Monaten entstehen können, werden als rein zentrales Schmerzsyndrom aufgefasst. Zu unterscheiden sind die neuropathischen Schmerzen unterhalb der Läsion insbesondere von nozizeptiven Schmerzen im Rahmen einer Paraparese-bedingten Spastik. Etwa 5% der Patienten leiden unter sehr therapie-resistenten viszeralen Schmerzen, deren Ursachen bis heute kaum erforscht sind. 1. Siddall PJ, Yezierski RP, Loeser JD. Pain following spinal cord injury: clinical features, prevalence and taxonomy. IASP Newsletter 2000;3:3-7. Therapie von Schmerzen bei querschnittgelähmten Patienten mit besonderer Betonung zentraler Schmerzen W. Schleinzer Institut für Anästhesiologie / Schmerzklinik Nottwil Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil Zwei Drittel der Patienten mit kompletten oder inkompletten Parabzw. Tetraplegien entwickeln z.T. starke chronische Schmerzen oder schmerzhafte Dysästhesien. Etwa 40% dieser Schmerzen werden als muskuloskelettale Schmerzen bezeichnet, 35% als neuropathische Schmerzen auf der Höhe der Rückenmarksläsion („at level pain“), 20% als neuropathische Schmerzen „below level“ und 5% als viszerale Schmerzen (Siddall et al, Pain, 1999; Eide et al, Neurosurgery, 1998; Störmer et al, Spinal Cord, 1997). Siebzig Prozent der Patienten geben Schmerzintensitäten von >6 und 43% >7 (VAS 0-10) an. 41% der Schmerzpatienten leiden unter multilokulären Schmerzen. Die muskuloskelettalen Schmerzen sind wesentlich auf Funktionsstörungen – wie z.B. Instabilitäten – der Wirbelsäule und des Schultergürtels zurückzuführen. Diese Schmerzen bedürfen einer sorgfältigen Aufklärung des Patienten, der intensiven Physiotherapie, der Verhaltenstherapie und deutlich seltener der Pharmakotherapie (NSAIDS / COX-2, Paracetamol, Metamizol, Opioide). Die Notwendigkeit der medikamentösen Schmerztherapie nimmt deutlich ab, wenn die anderen Methoden adäquat angewandt werden. Therapiealgorithmen scheitern oft daran, dass die aufgezeigte Vorgehensweise von Patient oder Arzt nicht eingehalten wird und dass sie auf Datenbasen mit unterschiedlichen diagnostischen Kriterien beruhen (Attal et al, European Journal of Neurology, 2006). In den operationalisierten Kriterien werden bisher kaum Schwere und Chronizität der Schmerzstörung und psychischen und somatischen Komorbiditäten berücksichtigt. Gerade die letzteren werden oft als Ausschlusskriterien angegeben (Siddall et al, Neurology, 2007). Als Erfolgsparameter werden meistens Schmerzintensitätsmaße (z.B. durchschnittlicher Score der morgendlichen Schmerzstärke), die Beeinträchtigung des Schlafes und der globale Gesamtstatus am Therapieende (Selbsteinschätzung des Patienten) berücksichtigt. Wenn als Erfolgskriterium bei neuropathischen Schmerzen „nur“ die Schmerzlinderung gilt, wird folgende Reihenfolge der Medikamentenwahl benutzt: Trizyklische Antidepressiva (TCA) > Opioide > Tramadol > Gabapentin / Pregabalin (Finnerup et al, Pain, 2005). Für TCA, Carbamazepin und Phenytoin liegen aber für die Kriterienwahl der Schmerzlinderung und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität keine Studien vor. Deshalb sollte wahrscheinlich die Therapiereihenfolge Gabapentin / Pregabalin > Tramadol > Opioide > TCA gewählt werden. Die Wirksamkeit der Pharmaka bei zentralen Schmerzen sind kaum in randomisierten kontrollierten Studien untersucht worden. Die wenigen Untersuchungen wurden an kleinen Patientenkollektiven und z.T. ohne Plazebokontrolle durchgeführt. In einer multizentrischen Studie von Siddall et al. (Neurology, 2007) erhielten 137 Patienten mit zentralen Schmerzen (Schmerzen zumindest in 1 Dermatom unterhalb der Rückenmarkläsion) über 12 Wochen in randomisierter Reihenfolge entweder eine flexible Dosis von 150 bis 600mg/Tag Pregabalin oder Plazebo. Die Ergebnisvariablen waren: 1.
durchschnittliche Schmerzstärke in der Woche vor der Therapie und am Ende der Studie, 2. die Responderrate, 3. Schlafstörungen, 4. Stimmung und 5. die Patienteneinschätzung der globalen Änderung des Gesamtstatus. Pregabalin zeigte im Vergleich zum Plazebo deutliche positive Änderungen aller Messgrößen. Aufschlussreich ist die Responderrate: Basierend auf einer 30% Responderrate (ca. 42 Patienten) lag die NNT bei 3,9; bei 50% Responderrate (ca. 22 Patienten) war diese auf 7,1 gestiegen. In der Pregabalingruppe gaben 56,5% eine Besserung ihres Zustandes an, in der Plazebogruppe 21,5%. Die zentralen Nebenwirkungen waren in der Pregabalintherapie deutlich ausgeprägter als in der Plazebogruppe. Es liegen keine Untersuchungen darüber vor, ob neuropathische Schmerzen unterhalb der Rückenmarkläsion anders behandelt werden sollten als neuropathische Schmerzen auf oder oberhalb der Läsionshöhe. Diese Unterscheidung könnte von Bedeutung sein, da z.B. die Nervenwurzelreizungen auf Läsionshöhe muskuläre Funktionsstörungen und Schmerzen auslösen. Die Ergebnisse der invasiven Verfahren (Spinal Cord Stimulation, intrathekale Medikation, Dorsal Root Entry Zone Lesion etc.) und ein eigener Medikamentenalgorithmus werden in dem Symposium vorgestellt.
Palliativmedizin Palliativmedizin und Tumorschmerztherapie – Chancen für die Zukunft? Tumorschmerztherapie 1980 bis 2006 – was hat sich getan? R. Sabatowski UniversitätsSchmerzCentrum, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden 1986 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation erstmalig ihre Empfehlungen zur Behandlung von Tumorschmerzen. In den folgenden Jahren wurden diese Empfehlungen hinsichtlich ihrer Praktikabilität und Effektivität in verschiedenen großen Studien bestätigt. Parallel mit der Einführung neuerer Analgetika, hier insbesondere der retardierten Opioide, und dem Kenntnisgewinn in der Schmerztherapie, verbesserten sich die schmerztherapeutischen Möglichkeiten für Tumorpatienten deutlich. Aber zwischenzeitlich wurde auch immer wieder diskutiert, ob dieses Schema noch zeitgemäß sei. Es darf sicherlich angezweifelt werden, ob die Medikamente, die vor 20 Jahren von der WHO benannt wurden, zumindest für die Industrienationen noch zeitgemäß sind; doch die Basis des WHO-Stufenschemas als 3-stufiges Modell hat nichts an Aktualität verloren und wird auch heute noch in nationalen Empfehlungen zur Tumorschmerztherapie aufgeführt. Palliative Medicine challenges for the year 2020 R. G. Twycross Oxford University Forty years ago, St Christopher’s Hospice opened in London. Its founder and first Medical Director, Cicely Saunders, became a unique catalyst in relation to the evolution of compassionate-scientific ‘end-of-life care’ in the United Kingdom, and in more than 100 countries around the world. By her dynamism, she inspired thousands of others, and thereby initiated a global movement for improvement in the care of people with progressive end-stage disease. However, although great progress has been made, in many ways we are still only just beginning. Thus, worldwide: • the provision of palliative care is still patchy • it is not an essential component of most national Health Services • in most countries it is not fully accepted by the medical profession • it is not available for most of those who need it. The WHO has emphasized the need for three ‘foundation measures’: governmental policy, professional and community education, and drug Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts availability (particularly of morphine). Further, there is need for truthful communication between health professionals and patients. This is basically an ethical challenge, but also relates to the underlying attitude of the professionals towards their patients. Thirty years ago, palliative care still generally implied inpatient terminal care for cancer patients. Since then, the term has expanded to describe a concept of care with its own defining characteristics which is applicable to all forms of end-stage disease, and which is delivered more in the community than in an inpatient hospice or hospital. The expansion of palliative care in this way will be a continuing challenge to those whose clinical experience is largely limited to terminal cancer. Social movements tend to oscillate between charisma and routinization. ‘Charisma’ refers to the ability of exceptional individuals (such as Cicely Saunders) to act as catalysts for change. With much still to achieve, a major challenge is to prevent palliative care from moving from the creative and disruptive influence of charisma to the cosy ambience of routinization. The 20th Century was a time of unparalleled, and at times incredible, advances in medical science and the treatment of disease. Let us hope that the 21st Century will be the time when Medicine generally becomes holistic, with attention being paid to the whole person, and not just to the disease process. Dialogvortrag: Schmerztherapie und Palliativmedizin wo ist das Gemeinsame, wo die Unterschiede? M. Zenz Universitätsklinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum und Universitätsklinik für Anaesthesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Knappschaftskrankenhaus Langendreer, Bochum Palliativmedizin erschöpft sich nicht in Schmerztherapie allein. Die Definition der WHO belegt dies: Palliativmedizin ist die aktive totale Pflege von Patienten und ihren Angehörigen durch ein multiprofessionelles Team, wenn die Krankheit des Patienten einer kurativen Therapie nicht mehr zugänglich ist. Aber Schmerztherapie ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Palliativmedizin. 69% der Tumorpatienten denken an Selbstmord, wenn der Schmerz nicht ausreichend behandelt wird (Cleeland 1989). Der erste Wunsch von terminal Kranken ist auf Schmerzlinderung gerichtet (Steinhauser et al. 2000). Schmerztherapie ist also eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Palliativmedizin. Gemeinsamkeiten finden sich auch im interdisziplinären Ansatz und dem Verständnis der Erkrankung als eine umfassende Erkrankung mit körperlichen, seelischen und sozialen Aspekten. Im Gegensatz zur Schmerztherapie sind in der Palliativmedizin die Angehörigen ebenfalls im Zentrum, und auch spirituelle Ansätze spielen eine Rolle. Für beide gilt: es wird höchste Zeit, dass die Approbationsordnung und auch die Weiterbildungsordnung einen klaren Schwerpunkt bei Schmerztherapie und Palliativmedizin setzen. Man sollte weder einen Gegensatz aufbauen noch Unterschiede nivellieren zwischen Schmerztherapie und Palliativmedizin. Man sollte aber auch klar betonen: nur gemeinsam sind wir stark, um die notwendigen Veränderungen im Gesundheitssystem zu bewältigen. Dialogvortrag: Schmerztherapie und Palliativmedizin wo ist das Gemeinsame, wo die Unterschiede? E. Klaschik, H. Hoffmann-Menzel, K. E. Clemens Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, Zentrum für Palliativmedizin am Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg Um Vergleiche zwischen der Schmerztherapie und der Palliativmedizin vornehmen zu können, werden im Folgenden die Begriffe Schmerztherapie und Palliativmedizin definiert. In der Palliativmedizin werden Patienten mit einer nicht-heilbaren, weit fortgeschrittenen und fortschreitenden Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung behandelt. Hauptziel der Behandlung ist die Verbesserung der Lebensqualität.
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In der Therapie von Patienten mit chronischen und chronifizierten Schmerzen steht die Behandlung der somatischen, psychischen und sozialen Beeinträchtigungen im Vordergrund mit dem Ziel, die Lebensqualität zu verbessern und die Erwerbstätigkeit wieder herzustellen oder zu erhalten. Gemeinsam ist beiden Fachdisziplinen die zeitintensive, personenbezogene, individuelle, ganzheitliche, symptombezogene, symptomatische und interdisziplinäre Therapie mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität. Wesentliche Unterschiede sind auf Seiten der Palliativmedizin der hohe Therapieerfolg trotz häufig kurzer Betreuungsdauer durch die Lebensbegrenzung, das intensive Vertrauensverhältnis zwischen Patient/ Familie und therapeutischem Team und die teilweise hohe Schmerzdynamik. Die Behandlung von Patienten mit chronischen und chronifizierten Schmerzen ist häufig geprägt von einer langen Patientenkarriere, ziellosem „Doctor-Shopping“, langjährigen Missbrauchs- und Entzugsperioden, Polytoxikomanien, ungünstige Bewältigungsstrategien und Therapieresistenzen mit hohen ökonomischen Folgen.
Palliativmedizin – Versorgung und Weiterbildung Palliativmedizin 2007 – Chancen und Aufgaben im Rahmen der Gesundheitsreform H. C. Müller-Busch Abt.f. Anästhesie, Schmerztherapie und Palliativmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin, Universität Witten/Herdecke Die Entwicklung der Palliativmedizin hat in den letzten Jahren in Deutschland eine im Vergleich zu vielen anderen Ländern Europas außergewöhnliche Dynamik angenommen. Dies spiegelt sich nicht zuletzt auch in dem besonderen Stellenwert, der der ambulanten Palliativversorgung im Rahmen der im April 2007 in Kraft getretenen Gesundheitsreform zugekommen ist. Seit Beginn der 90er-Jahre hat sich die Anzahl der Einrichtungen zur spezialisierten Palliativversorgung im stationären Bereich verzehnfacht. Mit insgesamt ca. 2500 Betten in über 250 stationären Hospize und Palliativstationen liegt der Bettenbedarf zwar immer noch deutlich unter dem nach Erfahrungen in Großbritannien errechneten Bedarf von ca. 50 – 60 Betten / 1 Mio Einwohner, so dass sicherlich noch lange nicht von einer ausreichenden Versorgung gesprochen werden kann. Auch im ambulanten Bereich sind viele Initiativen entstanden, hinzugekommen sind viele Fort- und Weiterbildungsangebote sowie 5 Lehrstühle für Palliativmedizin im Jahre 2007, weitere sind geplant. Hinzugekommen ist eine große Zahl ambulanter Hospizdienste, die sich die Sterbebegleitung zur Aufgabe gemacht haben, es fehlt jedoch weitgehend die Koordination der medizinischen und pflegerischen und psychosozialen Strukturen, die eine qualifizierte palliativmedizinische Versorgung sterbenskranker Menschen zu Hause ermöglicht würde. Ziel der Gesundheitsreform ist deshalb durch eine flächendeckende spezialisierte Palliativversorgung im ambulanten Bereich diese Versorgungslücke zu schließen. In verschiedenen Modellprojekten sowie in einigen wenigen Projekten der Integrierten Versorgung nach § 140a–d SGB V konnte in den letzten 15 Jahren an verschiedenen Standorten gezeigt werden, wie wichtig und sinnvoll Einrichtungen bzw. Teams mit spezialisierter palliativmedizinischer und palliativpflegerischer Expertise als komplementäres Angebot zur allgemeinen Palliativversorgung sein können, um die Betreuung auch Schwerstkranker in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Diese Palliativ Care Teams (PCT) sollen dazu beitragen die Zahl der stationären Einweisungen und Aufnahmen zu verringern. Richtlinien zum Versorgungsbedarf, den Leistungen sowie Inhalt und Umfang der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sollen bis zum 30.9.2007 im Gemeinsamen Bundesausschuss erarbeitet werden. Für die Umsetzung und weitere Qualitätsentwicklung von entscheidender Bedeutung wird sein, wie sich in diesem Versorgungsbereich und dem vorgesehenen Kostenrahmen zur Finanzierung der spezialisierten
ambulanten Palliativversorgung auch sektorübergreifende Strukturen bilden können und wie die in der allgemeinen und spezialisierten Palliativbetreuung engagierten Versorgungsangebote im ambulanten und stationären Sektor miteinander kooperieren bzw. im Sinne der betroffenen Patienten ihre Aufgaben bestimmen können. HOPE – Versorgungswege und Qualitätssicherung in Palliativmedizin und Hospizarbeit G. Lindena CLARA Klinische Forschung Kleinmachnow Einleitung: Seit 1999 wurden in jährlichen Dokumentationsphasen Versorgungsauftrag, Behandlungsziele und -ergebnisse – im Sinne eines Qualitätszyklus – in einem wachsenden Kreis von nun 150 Palliativstationen, onkologischen Stationen, stationären Hospizen, ambulanten Ärzten und Pflegediensten diskutiert und die Dokumentation bis zur Standarddokumentation für Palliativpatienten weiterentwickelt. Die Dokumentation ist im derzeitigen Aufbau der Versorgungsstrukturen nach dem GKV-WSG §73c als gemeinsame Informationsbasis für die Betreuungsebenen und die Evaluation essentiell (KBV 2006). HOPE kann schon jetzt wichtige Informationen zu den Versorgungswegen liefern. Methoden: Anhand der Daten aus HOPE werden anhand von 6958 Patientenverläufen in den Jahren 2004-2006 (1999-2002 veröffentlicht in Lindena, Nauck et al. 2005) Versorgungswege und Charakteristika der spezialisierten Versorgung von Palliativpatienten aufgezeigt. In 2004 wurde neben demographischen und krankheitsbezogenen Angaben, aktueller Symptomausprägung und eingeleiteten Maßnahmen, der aktuelle Behandlungsort, Art und Ort der Entlassung sowie die Betreuungszeit erfasst, ab 2005 zusätzlich die überweisende Institution. Die Daten der jeweiligen Dokumentationsphasen wurden zunächst verglichen und wenn möglich, hier gemeinsam beschrieben. Ergebnisse: Die meisten Patienten wurden auf Palliativstationen dokumentiert (Tab.1). Von Jahr zu Jahr nimmt die Anzahl weiterer stationärer Einrichtungen (onkologische Stationen und Hospize) sowie ambulanter Ärzte und Pflegedienste und der von ihnen dokumentierten Patienten zu. Auf onkologischen Stationen ist der Anteil der männlichen Patienten höher, im ambulanten Bereich etwa gleich, auf Palliativstationen ein wenig, in Hospizen deutlich geringer als der der weiblichen Patienten. Das Alter der Patienten ist auf onkologischen Stationen etwas niedriger, in Hospizen höher als der Durchschnitt. Der Anteil der Patienten mit Tumordiagnosen liegt nur in den Hospizen gering unter 90%. Der Anteil der Patienten in den hohen ECOG-Stufen 3 (begrenzte Selbstversorgung, >50% der Wachzeit bettlägerig) und 4 (voll pflegebedürftig, permanent bettlägerig) ist in Hospizen am höchsten, gefolgt von Palliativstationen > ambulante Pflege > ambulante Ärzte > onkologische Stationen. Die Verweildauer ist im ambulanten Bereich länger, der Anteil der verstorbenen Patienten am höchsten im Hospiz gefolgt von den ambulanten Einrichtungen. Die Unterschiede zwischen den Einrichtungen sind groß und werden als benchmark zur Verfügung gestellt. Der größte Anteil von Palliativpatienten kommt von zu Hause, in ein Hospiz oder in die ambulante Pflege häufiger aus einem Krankenhaus. Aus onkologischen Stationen und Palliativstationen werden 54% bzw. 44% Patienten nach Hause entlassen, aus einem Hospiz werden nur 4% der Patienten entlassen, aus Palliativstationen und ambulanten Pflegeeinrichtungen gehen 5 bzw. 4% der Patienten in ein Hospiz.
Der Anteil mit Palliativpflegedienst oder Palliativärzten betreuter Patienten war in den Jahren 2004 bis 2006 mit insgesamt 2,1 bzw. 0.3% aller betreuten Patienten, 8,0 bzw. 1,2% der nach Hause entlassenen Patienten niedrig. Diskussion: Daten wie die hier präsentierten zur Versorgungssituation von Palliativpatienten liegen nur aus wenigen regionalen Netzwerken (Schindler T, Rieger A et al. 2003), nicht bundesweit vor. Die Datenbasis von HOPE ist sowohl durch die beschriebenen Patientenzahlen, als auch durch die Jahresvergleiche solide. Die Spanne in der Ausprägung diverser Kriterien wird den Einrichtungen als Benchmarking rückgemeldet und dient der Qualitätsentwicklung. Der Anteil an stationär versterbenden Patienten kann sich mit der Ausgestaltung der ambulanten Strukturen verringern, sobald es gelingt, Patienten auch in schwierigen Krankheitsphasen zu Hause qualifiziert zu betreuen. In HOPE reicht der Anteil der entlassenen Patienten von 100% (meist onkologische Einrichtungen) bis 0% (meist Hospize), Palliativstationen gehen über die gesamte Bandbreite. Die niedrige Zahl der mit Palliativpflegediensten oder einem qualifizierten Palliativmediziner betreuten Patienten deutet auf eine unzureichende Versorgungssituation und stellt nicht den Bedarf dar. Selbstverständlich sollte der Anteil der nicht zu Hause versterbenden Patienten nur im Zusammenhang mit weiteren Krankheitsfaktoren, des häuslichen und medizinischen Umfeldes betrachtet werden. 1. KBV, B. K. (2006). „Vertragsentwurf zur palliativmedizinischen Versorgung auf der Grundlage § 73 c SGB V.“ 2. Lindena, G., F. Nauck, et al. (2005). „Qualitätssicherung in der Palliativmedizin - Ergebnisse der Kerndokumentation 1999-2002.“ Z Arztl Fortbild Qual Gesundh wes 99: 555-65. 3. Schindler T, Rieger A, et al. (2003). „Home Care Berlin - Daten zur häuslichen Versorgung schwerkranker und sterbender Tumorpatienten.“ Onkologie 26: 184-9. Weiterbildung Schmerztherapie und/oder Palliativmedizin L. Radbruch, F. Elsner Klinik für Palliativmedizin, RWTH Aachen Universität Palliativmedizin hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem eigenständigen Fach in der Medizin entwickelt. Die Curricula der Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin und der Grundlagen der Palliativmedizin für Studierende der Medizin sind sowohl das Ergebnis langjähriger palliativmedizinischer Lehrerfahrung in Deutschland als auch Resultat der Auseinandersetzung mit Konzepten aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland. Übereinstimmend zeigt sich, dass eine angemessene Differenzierung der prä- und postgraduierten Qualifikation nicht durch Vermittlung unterschiedlicher Inhalte, sondern durch die abgestufte Intensität der Auseinandersetzung mit den entsprechenden Themen erreicht wird. Daher sind die curricularen Empfehlungen für Studenten und Ärzte thematisch gleich gegliedert und umfassen folgende, in den übergeordneten Lehr- und Lernzielen formulierten Bereiche: Behandlung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen, Auseinandersetzung mit psychologischen, sozialen und spirituellen Aspekten, ethische und rechtlichen Fragestellungen, Kommunikation, Teamarbeit und Selbstreflexion. Die neue (Muster-) Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (BÄK) mit der Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin wurde im Sommer 2003 veröffentlicht. In Anlehnung an diese Muster-Weiterbil-
Tab.1: Patienten Versorgungsort, Demographie und Krankheitssituation 04-06 Anteil am Kollektiv weiblich Alter Einrichtungsart N % % Mittelwert Palliativstation 4405 63,3 52,0 67,2 Onkolog. Station 356 5,1 41,9 64,8 Stationäres Hospiz 953 13,7 59,2 69,9 Ambulanter Arzt 816 11,7 50,3 67,1 Ambulante Pflege 428 6,2 48,6 67,7 Gesamt 6958 100 52,1 67,4
Tumordiagnose % 94,4 94,7 89,0 92,8 93,0 93,4
ECOG % 3 und 4 77,9 44,9 89,4 53,0 70,1 74,3
Verweildauer Mittelwert 13,2 11,7 17,1 32,4 25,0 16,6
verstorben % 45,6 19,0 90,6 69,3 65,1 53,2
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Abstracts dungsordnung wurden aus bestehenden Fortbildungsangeboten anerkannte Weiterbildungsmaßnahmen bzw. -kurse entwickelt. Inhalte dieser Weiterbildungsmaßnahmen basieren auf Grundlage des Curriculums für die ärztliche (Zusatz-)Weiterbildung Palliativmedizin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). In den Weiterbildungskursen für Ärzte bringen alle Teilnehmer Erfahrungen und Wissen mit und können in der Gruppe Unterstützung suchen, um innovative Strategien zu entwickeln, Veränderungsprozesse zu initiieren und neue Strukturen aufzubauen. Neben der Vermittlung von evidenz-basiertem Wissen höchst-möglichen Grades spielt das Erfahrungswissen der praktisch tätigen Referenten eine tragende Rolle. Ziel der Kompetenzentfaltung in der Palliativmedizin ist ein sicherer und reflektierter Umgang mit den somatischen, seelischen, sozialen und spirituellen Fragen und Problemen, denen Schwerkranke und Sterbende mit ihren Angehörigen ausgesetzt sind. Zusätzlich zur Wissensvermittlung stellt der konkrete Umgang mit den Belastungen und Herausforderungen in Grenzsituationen einen zentralen Aspekt der Qualifizierung dar. Hier können entsprechende Erfahrungen reflektiert werden. Der Austausch der Teilnehmenden untereinander sowie mit den Lehrenden trägt dazu bei, mehr Sicherheit bei der Behandlung unheilbar erkrankter Menschen zu gewinnen. Neben kognitiven Prozessen soll auch der reflektierte Umgang mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Ängsten unterstützt werden. Der Umfang dieser Weiterbildungskurse beträgt 4 Wochen. Der ersten Woche einer eher Theorie-orientierten Kurs-Weiterbildung folgen drei weitere Fallseminar-Wochen. In einer dieser drei Wochen wird der Schwerpunkt auf Kommunikation, psychosoziale Aspekte, soziales Umfeld und Symptomkontrolle gelegt, in einer anderen auf ethische Fragestellungen, den Umgang mit Trauer und ebenfalls auf Symptomkontrolle. In der abschließenden vierten Wochen werden die Teilnehmer gebeten, eigene konkrete Fallbeispiele von Patienten mit komplexen Fragestellungen in schriftlicher Form vor Beginn der Weiterbildungswoche einzureichen, die dann unter Moderation der Kursleiter aufgearbeitet werden.
Perioperativer Schmerz Adjuvante Verfahren in der Akutschmerztherapie Akupunktur M. Karst Zentrum Anästhesiologie/Schmerzambulanz, Medizinische Hochschule Hannover Berichte über erfolgreich perioperativ eingesetzte Akupunktur Anfang der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts sowie ein zunehmendes Patienteninteresse an solchen Behandlungsformen haben dazu beigetragen, dass sowohl die Grundlagenforschung als auch die klinische Forschung sich in diesem Bereich intensiviert haben. Hierbei ist deutlich geworden, dass Akupunktur keine Anästhesie, Bewusstlosigkeit oder Muskelrelaxation erzeugt. Dagegen deuten vorliegende Daten darauf hin, dass Akupunktur sinnvoll zur perioperativen Anxiolyse und Analgesie sowie zur Reduktion von Übelkeit und Erbrechen (PONV) und zur Reduktion von gastralem Reflux beitragen kann. Punktlokalisation inklusive Berücksichtigung von Mikrosystemen (Ohrakupunktur) und von Stimulationsform- und stärke (Elektroakupunktur) stellen wichtige Einflussgrößen dar. 1. Chernyak GV, Sessler DI. Perioperative acupuncture and related techniques. Anesthesiology 2005;102:1031-49. 2. Lee A, Done ML. Stimulation of the wrist acupunture point P6 for preventing postoperative nausea and vomiting. Cochrane Database Systematic Rev 2004;3:CD003281. 3. Lewith GT, White PJ, Pariente J. Investigating acupuncture using brain imaging techniques: the current state of play. eCAM 2005;2:315-19.
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Psychologische Verfahren M. Hüppe Universität zu Lübeck, Klinik für Anästhesiologie Die Beeinflussung postoperativer Schmerzen (Akutschmerz) durch psychologische Ansätze ist bislang nur unzureichend untersucht. Die aktuelle Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ vom Mai 2007 (AWMF, Nr. 041/001) empfiehlt, psychologische Maßnahmen in das perioperative Schmerzmanagement zu integrieren. Der Beitrag behandelt zum einen die Bedeutung der Informationsvermittlung (Patientenedukation) für postoperative Schmerzen. Dabei wird deutlich, dass die Berücksichtigung psychologischer Merkmale des Patienten für die Wirkung der Patientenaufklärung von erheblicher Bedeutung ist. Des weiteren werden kurzfristig realisierbare kognitiv-verhaltenstherapeutische Intenventionsmöglichkeiten sowie Entspannungs- und Suggestionsverfahren in ihren Wirkungen auf postoperative Schmerzen diskutiert.
Pflegewissenschaften Was ist das Gute an der guten Pflege ? Erkennen von Schmerzzuständen bei der Pflege alter aphasischer Menschen U. Bornschlegel Graduiertenkolleg Multimorbidität im Alter und ausgewählte Pflegeprobleme, Charité Berlin Hintergrund: Obwohl das Erkennen von Schmerzen bei nicht sprachfähigen Patienten als Herausforderung für die Pflege erkannt worden ist, gibt es kaum spezifische Studien zur Schmerzversorgung aphasischer Menschen. In Deutschland leiden nach Schätzungen des Bundesverbandes für die Rehabilitation von Aphasikern ca. 500 000 Menschen an Aphasien, meist in Folge von Schlaganfällen. Aphasien sind zentrale Störungen der Sprachfähigkeit, die in der Regel alle sprachlichen Modalitäten – also Sprachproduktion und Sprachverstehen, sowohl mündlich als auch schriftlich – betreffen. Außer dem Verlust der Sprache sind aphasische Menschen jedoch kognitiv kaum eingeschränkt und deshalb zur Interaktion mit ihren Pflegenden fähig. Die zur Erfassung von Schmerzen beim sprachlosen Patienten entwickelten, auf Beobachtungen basierenden Assessment-Verfahren berücksichtigen diese Interaktionsfähigkeit aphasischer Menschen nicht. Deshalb wurde in einer explorativen Studie die Interaktionen von aphasischen Menschen und Pflegekräften untersucht. Methode: Die Studie erforscht mit einem qualitativen Ansatz, welche Strategien aphasische Menschen und deren Pflegende zur Klärung von Schmerzsituationen einsetzen und unter welchen Voraussetzungen diese funktionieren. Dazu wurden Interviews mit Pflegekräften und aphasischen Menschen, deren Störungsbild rückläufig war, sowie teilnehmende Beobachtungen bei der morgendlichen pflegerischen Versorgung aphasischer Patienten durchgeführt. Ergebnisse: Ausschlaggebend für das Gelingen von Interaktionen ist der Aufbau einer Person-zu-Person-Beziehung zwischen Aphasiker und Pflegekraft. Dazu sind auf Seiten der Pflegekräfte grundlegendes Wissen über die Art der Störung, ein optimierter Informationsfluss zwischen den Pflegekräften und vor allem ausreichend Zeit für die Versorgung des Patienten notwendig (Tabelle 1). Bei der pflegerischen Versorgung werden Schmerzmomente teilweise übersehen, wenn sie lediglich kurz mimisch (z.B. Zusammenkneifen der Augen) oder durch ein kurzes Körpersignal (z.B. Zucken) angezeigt werden. Deutliche Schmerzsignale, die mehrere körperliche Schmerzsignale (z.B. Verziehen des Gesichts + Abwehrbewegung + Stöhnen) werden
Tab. 1: Erfolgreiche Strategien bei Erkennen und Aushandeln von Schmerzsituationen Pflegekräfte: Zugewandt sein Aufmerksam sein Vorinformationen verwenden Ruhiges Vorgehen
Aphasiker: Zugewandt sein Offensiv sein Schmerzlaute
sofort als Schmerzsituationen interpretiert, auf die Pflegekräfte reagieren, indem sie nachfragen oder den Patienten aus der schmerzhaften Position bringen. Auch Lautäußerungen wie Stöhnen, Schreien, Jammern, führen in der Regel zu sofortiger Reaktion der Pflegekräfte. Der Einsatz von Hilfsmitteln, wie beispielsweise Visueller Analogskalen zur Abklärung von Schmerzsituationen wird sowohl von Betroffenen als auch von Pflegekräften überwiegend als nicht praktikabel erachtet und im beobachteten Pflegealltag auch nicht eingesetzt. Entwicklung eines Instruments zum Assessment von Schmerzen bei alten Menschen mit schwerer Demenz T. Fischer, R. Neubart, M. Hasseler Charité - Universitätsmedizin Berlin, AG Pflegerische Versorgungsforschung Evangelisches Krankenhaus Woltersdorf, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fachbereich Soziale Arbeit und Pflege Sowohl die Prävalenz von Schmerzen als auch von demenziellen Erkrankungen ist im Alter hoch. Ein besonderes Problem entsteht, wenn Menschen aufgrund einer schweren Demenz ihre Sprachfähigkeit verlieren und somit keine Auskunft mehr zu möglichen Schmerzen geben können. Pflegepersonen sind in diesen Fällen darauf angewiesen, das Verhalten der Betroffenen zu beobachten und daraus entsprechende Schlussfolgerungen über Schmerzen abzuleiten. In Studien haben sich diese Globaleinschätzungen jedoch als unzuverlässig erwiesen. Daher wurden international zahlreiche standardisierte Instrumente entwickelt, mit denen das Verhalten der Patienten durch Pflegende eingeschätzt und Rückschlüsse auf Schmerzen gezogen werden können. Ziel der Studie ist es, eines der im Ausland entwickelten Instrumente nach festgelegten Kriterien auszuwählen, es systematisch zu übersetzen sowie die Gütekriterien der deutschen Fassung zu testen. Das Instrument soll durch Pflegefachpersonen im Pflegeheim bei Betroffenen mit schwerer Demenz (GDS - Stadium 7) anwendbar sein. Die Auswahl eines geeigneten Instruments erfolgt anhand der nachgewiesenen Güte, der Angemessenheit für das beabsichtigte Setting sowie der Praxistauglichkeit und -akzeptanz. An die systematische Übersetzung (Vor- und Rückwärtsübersetzung) schließt sich ein Pretest an. Die Validierungsstudie bedient sich einer Gelegenheitsstichprobe von schwer demenziell erkrankten Bewohnern von Pflegeheimen sowie einer Vergleichsgruppe von Heimbewohnern mit mittlerer Demenz. Da ethisch bei diesen selbst nicht einwilligungsfähigen Patienten äußerste Zurückhaltung geboten ist, kann kein Experiment durchgeführt werden. Stattdessen werden zwei alltägliche Pflegesituationen beim Bewohner beobachtet, wobei zur Kontrastierung eine Situation mit viel Bewegung verbunden ist (z.B. ein Transfer) die andere mit wenig Bewegung. In beiden Situationen wird die Mimik des Betroffenen auf Video aufgezeichnet und mittels des Facial Action Coding Systems auf Anzeichen von Schmerz untersucht. Die Bezugspflegeperson füllt in jeder Situation das Instrument zur Schmerzbeobachtung aus. Außerdem werden erhoben: Vorliegen schmerzverursachender Erkrankungen, agitierte Verhaltensweisen mittels Cohen – Mansfield – Agitation – Inventory sowie, sofern möglich, die Selbstauskunft zur Schmerzstärke. Die Übereinstimmungsvalidität dieser Faktoren mit der zu testenden Skala wird mittels eines Strukturgleichungsmodells geprüft. Zur Übersetzung ausgewählt wurde das französische Instrument ECPA (Deutsch: BISAD – Beobachtungsinstrument für das Schmerzassessment bei alten Menschen mit Demenz), das bereits in einer vorläufigen deutschen Fassung in Umlauf war. In die Auswertung flossen Daten von 149 Bewohnern aus 27 Pflegeheimen in drei Bundesländern ein.
Bei 49% der Patienten lag eine schmerzverursachende Erkrankung vor, 3,4% gaben in der Bewegungssituation an, Schmerzen zu haben, 12,3% gaben keine Schmerzen an, 83,3% waren zu einer Selbstauskunft nicht fähig. Anders als erwartet, war der mimische Ausdruck oft stark verflacht und auch agitierte Verhaltensweisen waren eher selten. Die Interne Konsistenz des BISAD erwies sich als zufriedenstellend und die für das Ursprungsinstrument postulierte zweifaktorielle Skalenstruktur ließ sich weitgehend reproduzieren. Die Modellanalyse insgesamt lässt auf eine moderate Korrelation zwischen BISAD und den gewählten weiteren Faktoren schließen. Einflussmöglichkeiten nicht medikamentöser Maßnahmen auf den postoperativen Schmerz A. Ewers Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft Der Einsatz nichtmedikamentöser Maßnahmen stellt, nach entsprechender Indikationsstellung, einen wichtigen Beitrag zur postoperativen Schmerztherapie dar. Dabei sind lokale Maßnahmen wie z.B. die Anwendung von Eis von kognitiven Maßnahmen wie z.B. postoperative Entspannungsübungen und bewegungsorientierten Maßnahmen wie z.B. der Mobilisation zu unterscheiden. Grundsätzlich gilt es, dem Patienten sinnvolle nichtmedikamentöse Maßnahmen für die postoperative Phase bereits in der präoperativen Phase vorzustellen und ihn in deren Durchführung anzuleiten. Diese Anleitung setzt ein entsprechendes Schulungskonzept voraus, das auf die individuelle Situation des Patienten angewandt werden kann. Zur Umsetzung eines solchen Schulungskonzeptes müssen die Pflegenden in der Lage sein, die individuelle Situation des Patienten zu erkennen, geeignete Maßnahmen auszuwählen und diese Maßnahmen dem Patienten verständlich zu vermitteln. Um Aussagen über den Erfolg der nichtmedikamentösen Maßnahmen treffen zu können, sind regelmäßige Audits bzw. Evaluationen notwendig. Die Rolle von CRNAs im Rahmen der schmerztherapeutischen Versogung in den USA J. P. McDonough University of North Florida There are approximately 35.000 members of the American Association of Nurse Anesthetists (AANA). To be an AANA member one most hold the title of „Certified Registered Nurse Anesthetist“ (CRNA). To begin to become a CRNA one must first be a Registered Nurse and hold a Bachelor of Science degree (usually a BSN degree) from an accredited university. This means that the nurse has graduated from the nursing school and passed the state administered examination to be granted a government issued license to practice nursing. After this has been completed, the nurse must get at least 1 year experience in a critical care (ICU) unit. They are then qualified to seek admission to a graduate program in anesthesiology nursing to qualify them to take the National Certification Examination to obtain the CRNA credential. Nurse anesthesia educational programs in the United States average 30 continuous months long, are based in the universities, and upon graduation the academic degree Master of Science (MS) is awarded. The curriculum in these nurse anesthesia programs cover both lectures and clinical experience in the administration and management of both general and regional anesthesia to all types of ages of patients for all types of surgical and diagnostic procedures. As the very nature of anesthesia deals with the control of consciousness and pain during surgery, it was a natural progression for CRNA care to be extended to the areas of acute post operative pain and chronic pain as well. In addition to the techniques of surgical anesthesia, CRNA’s are also trained in the use of the World Health Organization „pain treatment ladder“. This training includes the theoretical and practical information on all analgesia agents, to include types, dosing, indications, contraindications, and recognition and treatment potential complications. After graduation from their anesthesia program, most CRNA’s routinely Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts manage post operative pain in their patients through the use of systemically acting analgesics (injected and orally administered agents), patient controlled analgesia, and agents administered via the spinal or epidural route. Some CRNA’s choose to work in the clinics that specialize in treating chronic pain of both malignant and non-malignant origin. These CRNA’s are members of multidisciplinary teams of healthcare providers that include specialists in neurology, orthopedics, oncology, physical therapy, behavioral science, and nurses in other specialties. The expansion of CRNA practice to include service other than the traditional role of the administration of anesthesia in the operating rooms has made pain therapy more affordable and accessible to the patients. As CRNA’s are nurses who are trained anesthesia specialists, the services they provide to pain patients are provided from a different prospective than those provided by other types of practitioners. Their approaches include traditional nursing measures to alleviate pain, pharmacological, and other invasive measures that they learned in anesthesia training. Specialized nurses, such as CRNA’s, providing pain treatment permits treatment to be available in smaller cities and rural areas in which such treatment has not been available in the past. This serves to increase access to high quality treatment to many more patients and makes better utilization of the healthcare resources.
Pflegesymposium Interprofessionelle Schmerztherapie: Erforderlich oder weiter wie bisher? Erfahrungen aus dem Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ J. Osterbrink Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft Im Krankenhaus beschreibt, unabhängig von der Schmerzform fast jeder zweite Patient starke bis stärkste Schmerzen (Ripamonti et al. 2000). Auch in Hospizen ist die Schmerztherapie verbesserungswürdig: Vaino und Auvinen (1996) berichteten das von 1.060 Patienten 30% mittelstarke und 21% starke Schmerzen erleiden. In Pflegeheimen ist ebenfalls eine deutliche Unterversorgung zu beklagen: Fox et al. (1999) beschrieb Schmerzprävalenzen in Pflegeheimen zwischen 49% und 83%. Vielen Patienten könnten Schmerzen erspart bleiben, wenn die Erkenntnisse der modernen Schmerztherapie konsequent umgesetzt würden. Mangelndes Wissen und falsche Überzeugungen seitens Pflegender, Ärzten wie auch Patienten behindern den adäquaten Umgang mit Schmerz und schmerzbezogenen Symptomen. Ein weiterer Grund für ein inadäquates Schmerzmanagement ist, dass eine systematische Einschätzung der Schmerzintensität mittels Schmerzskalen zur genauen Bedarfsermittlung und Erfolgskontrolle selten praktiziert wird (DNQP, 2004). Strukturelle Defizite tragen ebenfalls zu einem Rückstand in der Schmerzversorgung bei. Das Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ trägt mittels eines Pre- Posttestdesigns aktiv dazu bei, in den teilnehmenden Krankenhäusern eine qualifizierte Schmerztherapie bei akuten und chronischen Erkrankungen fach- und berufsgruppenübergreifend zu etablieren. Im Rahmen des Pretestes galt es die Schmerztherapie der bisher teilnehmenden 25 Kliniken zu quantifizieren und spezifizieren. Dies beinhaltete sowohl die Erhebung von Strukturdaten der Kliniken, wie auch durch standardisierte bzw. halbstandardisierte Befragungen von bisher 2780 Ärzten, 4650 Pflegenden und 6200 Patienten zur Analyse der Prozess- und Ergebnisqualität der Schmerztherapie. Darüber hinaus konnten durch nicht-intervenierende Beobachtung die schmerztherapeutischen Handlungsabläufe beschrieben werden. Es ist deutlich, dass Schmerzerfassung und -dokumentation von beiden Berufsgruppen unzureichend durchgeführt wird. Dadurch werden Maximalschmerzzeiten zu ungezielt erkannt und demnach unzureichend therapiert. Das Risiko nicht-wirksame, zu kurz wirksame oder zu schwach wirksame Medikationen zu erhalten liegt bei konservativen Patienten bei 45% und bei operativen Patienten bei 32%. Schmerzbezogene Symptome bei konservativ wie auch bei operativ zu versorgenden Patienten wie Luftnot, Husten, Angst, Schlafstörungen und Müdigkeit
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sind deutlich ausgeprägt und behindern die Rekonvaleszenz oder erhöhen die Pflegeabhängigkeit. Aber auch auslösende Faktoren starker Schmerzen wie zum Beispiel Lagewechsel (bis zu 50%), Entfernen von Drainagen (bis zu 22%) sind unakzeptabel hoch, wobei der nächtlichen schmerztherapeutischen Versorgung eine besonders negative Bedeutung zukommt. Durch gezieltes interprofessionell geplantes und durchgeführtes Schmerzmanagement unter Berücksichtigung der geltenden Leitlinien und Standards konnte in den beteiligten Krankenhäusern eine deutliche Optimierung der Versorgungsstruktur nachgewiesen werden. 1. DNQP, 2004. Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“. Schriftenreihe des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege. 2. Fox, P., Raina, P., und Jadad, A. 1999. Prevalence and treatment of pain in older adults in nursing homes and other long-term care institutions: a systematic review. CMAJ 160 (3):329-33. 3. Ripamonti, C. et al. 2000. Pain experienced by patients hospitalized at the National Cancer Institute of Milan: Research project‚ towards a pain-free hospital“. Tumori 86:412-418. 4. Vaino, A., und Auvinen, A. 1996. Prevalence of symptoms among patients with advanced cancer: an international collaborative study. Journal of Pain and Symptom Management 12 (1):3-10. Die pflegerisch relevanten Kernaussagen der S-3 Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ M. Thomm Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Schmerzambulanz-Uniklinik Köln Die deutschen Leitlinien „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ sind im Leitlinienregister der AWMF seit April 2007 auf S3-Niveau publiziert worden. In die Entwicklung der S3 Leitlinie wurden alle Berufsgruppen einbezogen, die in die Behandlung perioperativer und posttraumatischer Schmerzen involviert sind. Ziel war es, „Evidenz“-basierte und konsentierte Empfehlungen für die Praxis zu entwickeln. In den Konsensusprozess waren Vertreter der wissenschaftlichen – medizinischen Fachgesellschaften, (Ärzte, Pflegende, Physiotherapeuten) eingebunden. Die Rolle der Pflege bei der Erstellung und Entwicklung der S3-Leitlinien sowie deren Bedeutung und Umsetzung werden dargestellt. Schwerpunkte sind die Patienteninformation und -schulung sowie die Schmerzmessung und -dokumentation bei Erwachsenen, bei Kindern, bei älteren und kognitiv und/oder kommunikativ eingeschränkten Patienten. Als Grundlage für die Kernaussagen wurde die Evidenzklassifizierung des Oxford Centre of Evidenced-based Medicine (2001) verwendet. Für die pflegerisch relevanten Aussagen dienten u. a. der Expertenstandard Schmerzmanagement des Deutschen Netzwerkes für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP, 2005) sowie die Leitlinien der Registered Nurses Association of Ontario (RNAO, 2002) und des Institutes for Clinical Systems Improvement (ICSI, 2004). Ziel der Leitlinie ist es, Empfehlungen für eine möglichst effektive Schmerztherapie zu geben. Die Empfehlungen sollten zur Optimierung der Struktur- und Prozessqualität in den Kliniken beitragen und durch die Umsetzung die Ergebnisqualität verbessern helfen. Die Lüge der professionellen Helfer oder: Der Wert der effektiven interprofessionellen Kommunikation beim Schmerzpatienten N. Nestler Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum Das Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ untersuchte das Schmerzmanagement in 25 bundesdeutschen Krankenhäusern. Neben der Befragung von Patienten erfolgte auch eine Erhebung bei Pflegenden und Ärzten zur Situation des Schmerzmanagements in ihrer Klinik.
Die Studie war in einem quasi-experimentellen Design als Pre-Posttest angelegt und es fanden Befragungen von Patienten, Pflegenden (n=2840, konservativ n=1192, operativ n=1419, keine Angabe n=229) und Ärzten (Anästhesisten: n=378; Stations- und Oberärzte: n=772, konservativ n=307, operativ n= 462, keine Angabe n=2) statt. Die meisten der befragten Anästhesisten (43,17%) und Pflegenden (55,47%) waren bereits länger als 12 Jahre im Beruf, fast die Hälfte der Stationsärzte (43,48%) zwischen 0 und 6 Jahren. Die Mitarbeiterbefragung hat berufsgruppenspezifisch die persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen zur Qualität der Schmerztherapie selber aber auch von Prozessen erhoben. Die Patientenbefragung erfolgte als Querschnitterhebung in den konservativen Fächern und am ersten postoperativen Tag bei allen operierten Patienten (Laufzeit ca. 14 Tage pro Klinik); nach der Ersterhebung fanden Interventionen zur Optimierung des Schmerzmanagement in den Kliniken statt, abschließend erfolgte die Zweitbefragung. Die Mitarbeiter antworteten bei der Ersterhebung zu vorhandenen Therapieplänen zu 29% (Pflegende) bis 34% (Anästhesisten) unkorrekt. Besonders häufig wurden Therapiepläne als vorhanden dargestellt, obwohl sie nicht gegeben waren. Noch drastischer stellte sich die Situation bei der Frage nach Zuständigkeitsregelungen dar. Hier antworteten 37% der Pflegenden, 60% der Stationsärzte und sogar 80% der Anästhesisten, dass Zuständigkeitsregelungen vorhanden seien, obwohl sie nicht bestanden. 80% der Pflegenden und Ärzte gaben an, Schmerzen einzuschätzen, allerdings stellten sich diese Angaben als unplausibel dar, wenn die Angaben durch eine differenzierte Darlegung der Schmerzerfassung mittels Skalen hinterfragt wurde. Bei Fragen nach der Verbesserungsnotwendigkeit der Schmerztherapie in einzelnen Situationen wie der postoperativen Phase, einem akuten Krankheitsstadium, aber auch generell tags oder nachts wurde aber eine deutlich realistischere Einschätzung der Pflegenden gegenüber den Ärzten deutlich (80% gegenüber 60%). Auch die intra- wie interprofessionelle Kommunikation wurde sehr unterschiedlich beurteilt. Hier betrugen die Differenzen zum Teil bis zu drei Schulnoten. Der Vortrag wird mögliche Gründe für das Antwortverhalten der Mitarbeiter darstellen und aufzeigen, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Kommunikation und des Wissens der Mitarbeiter zu Schmerztherapiekonzepten genutzt werden können. Komplexe Palliativmedizin unter Vorgabe der OPS im stationären Setting P. Paul Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin, St. Marienhospital Lünen Seit dem Jahr 2004 erfolgt die Vergütung von stationär erbrachten Leistungen mit Ausnahme psychiatrischer Einrichtungen und der Palliativstationen nach einem System der Pauschalvergütung – dem sog. DRG-System (Diagnosis Related Group). Seit 2007 werden palliativ zu versorgende Patienten auf der Palliativstation nach dem DRG System vergütet. Im Rahmen dieses Vergütungssystems ist spezifisch für jedes Krankenhaus ein dem durchschnittlichen Ressourcenverbrauch pro Fall errechneter Geldwert, die sog. Base-Rate definiert und in den Pflegesatzverhandlungen der Kliniken vereinbart. Die Vergütung im Einzelfall richtet sich nach dem sog. Schweregrad (CW-Wert) des Behandlungsfalles, welcher sich aus der Kombination von Haupt- und Nebendiagnosen (ICD 10) und aus den in einem jährlich aktualisierten OPS-Katalog niedergelegten Leistungen ergibt. Für besonders kostenintensive Leistungen sind sog. Zusatzentgelte mit festen Beträgen definiert, welche zusätzlich zur DRG den Kostenträgern berechnet werden können. Für die Erbringung komplexer palliativmedizinischer Leistungen ist der OPS 8-982 definiert. Dieser Schlüssel ist bei der komplexen palliativmedizinischen Versorgung von Patienten anwendbar, welche unter einer progredienten und bereits fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leiden, ohne dass eine kurative Intention der Behandlung besteht. Die Voraussetzungen zur Dokumentation der OPS 8-982 sind eindeutig definiert. Mit der Dokumentation der OPS 8-982 ist ein Sonderentgelt in Höhe von 1.101,46 € abzurechnen.
Die Organisation palliativmedizinischer Versorgung von Patienten geschieht in deutschen Kliniken zurzeit in zwei Formen. Die optimale Patientenversorgung ist sicher diejenige auf einer Palliativstation – einem abgeschlossenen, eigenständigen Stationsbereich unter ärztlicher Leitung eines Facharztes mit der Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“, mit speziellen Personalschlüsseln der Pflegekräfte sowie dem regelhaften Tätigwerden psychosozialer Berufsgruppen. Eine zweite Organisationsform ist der sog. palliativmedizinische Konsiliardienst; hier bleiben die Patienten auf den Stationen ihres Fachgebietes und werden zusätzlich durch ein Palliativteam (Palliativmediziner, in Palliative-Care ausgebildete Pflegende, Psychologen, Kreativ-Therapeuten sowie Sozialarbeiter) betreut. Diese Organisationsform vermag die Patientenbetreuung deutlich bessern – palliativmedizinische Einstellungen und Überzeugungen und daraus abgeleitetes Handeln entwickelt sich auf den Stationen erfahrungsgemäß verzögert. Die Atemstimulierende Einreibung (ASE): eine pflegerische Interventionsstudie zur Reduzierung von Schmerzen bei Menschen mit hüftgelenksnahen Frakturen K. Kopke Charité Universitätsmedizin Das besonders im Alter auftretende Phänomen der Multimorbidität ist durch chronische Krankheitsverläufe und zunehmende Hilfebedürftigkeit gekennzeichnet. Diese Zustände werden häufig durch Schmerzen begleitet. Fälschliche Annahmen, dass Schmerzen eine Folge des Alterungsprozesses sind und die Schmerzwahrnehmung mit zunehmendem Alter abnimmt, bilden Ursachen einer zu Weilen auftretenden defizitären Schmerzbehandlung hochaltriger Menschen. Fox et al. (1999) belegen diese Aussagen mit Zahlen zur Schmerzprävalenz, die nach Selbstauskunft älterer Menschen zwischen 49% und 83% liegen. Um dem mehrdimensionalen Schmerzgeschehen in seiner Behandlung gerecht zu werden, ist die Anwendung multimodaler Therapiekonzepte notwendig. Vor dem Hintergrund dieser interdisziplinären Ansätze nehmen Pflegefachkräfte in der Versorgungspraxis aufgrund ihrer Patientennähe eine zentrale Rolle innerhalb des Schmerzmanagements ein. Neben der Schmerzeinschätzung und Symptomkontrolle gehört ebenso zum pflegerischen Aufgabenspektrum die Durchführung nicht-medikamentöser Maßnahmen zur Schmerzreduktion. Die Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen scheint offensichtlich effektiv, doch macht eine häufig fehlende Ergebnisdokumentation sowie wenig vorhandene Forschung eine Rechtfertigung der Verwendung schwer. Intervention: Die ASE ist eine Einreibung zur Atemtherapie, welche Elemente der schwedischen Massage, des Shiatsu und der rhythmischen Einreibung miteinander verbindet. Kennzeichnend ist der fortlaufende Körperkontakt während der Einreibung, die in kreisenden Bewegungen beider Hände entlang der Wirbelsäule vorgenommen wird. Eine unterschiedliche Druckverteilung mit den Handinnenkanten bei flach aufliegenden Handflächen hat eine Beeinflussung des Atemrhythmus zur Folge. Mit der Anwendung ist die Vermittlung von Bewusstheit, Entspannung und Sicherheit verbunden. Je nach Indikationsstellung dauert die Anwendung zwischen 3 und 10 Minuten. Ziele: Da die epidemiologische Krankheitsentwicklung eine Bereitstellung spezieller, auf die Gruppe älterer Menschen zugeschnittener, Therapieangebote notwendig macht, hat diese Studie zum Ziel: • einen wissenschaftlichen Beitrag zur begründeten Anwendung einer pflegerischen Intervention, • den Wirksamkeitsnachweis der ASE als komplementäre Methode zur Schmerzreduktion und • die Konzeption neuer Behandlungsansätze für eine professionellere Pflege zu leisten. Fragestellung/Hypothesen: Für die wissenschaftliche Betrachtung der nicht-medikamentösen Schmerztherapie im Bereich der pflegerischen Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Interventionen setzt sich diese Untersuchung mit der Forschungsfrage auseinander: Ist die ASE eine geeignete komplementäre Methode zur Schmerzreduktion? Grundannahme für die Wirksamkeitsprüfung ist die allgemeine Hypothese: Die Anwendung der ASE wird die Situation von Schmerzzuständen bei mehrfach erkrankten älteren Patienten mit schmerzhaften Veränderungen an der Hüfte erleichtern, da die Wahrnehmung von Schmerz durch die angewandte Intervention verringert wird. Darüber hinaus werden weitere vier Hypothesen formuliert, die durch Anwendung der ASE positive Auswirkungen auf: • die Schmerzintensität, • den Verbrauch von analgetischer und hypnotischer Bedarfsmedikation, • das Ein- und Durchschlafverhalten sowie • das Konzentrationsvermögen annehmen. Methode: Diese Untersuchung ist eine unizentrische, randomisiert kontrollierte Interventionsstudie mit einem pretest-posttest Design und als Pilotprojekt angelegt. Eine Gesamtstichprobengröße von n = 40 wird zu gleichen Teilen in einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe abgebildet. Der Probandeneinschluss erfolgte anhand formulierter Ein- und Ausschlusskriterien im Rahmen des ärztlichen Aufnahmeverfahrens. Nach Information und Einwilligung der Patienten wurde bei den Probanden der Versuchsgruppe die ASE zweimal täglich über einen Zeitraum von sieben Tagen angewendet. Die Kontrollgruppe erhielt in gleicher Intensität und Dauer mit einem unsystematischen Einreiben des Rückens („gewöhnliche Pneumonieprophylaxe“) ein entsprechendes Placebo. Die Datenerhebung wurde mittels standardisierter und validierter Messinstrumente in Interviewform durchgeführt. Um die für die Studie relevanten Variablen zu untersuchen, wurden Angaben zur Schmerzsituation (Schmerzempfinden; Schmerzwahrnehmung, Schmerzintensität), des Schlafverhaltens, des Medikamentenverbrauchs und der Konzentrationsfähigkeit sowie Entspannungsparameter (Vitalzeichen) erfasst. Der Datensatz wird durch soziodemographische Angaben und Diagnosestellungen vervollständigt. Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass durch die regelmäßige Interventionsanwendung stärkste Schmerzen, welche von den Betroffenen angegeben werden, auf einer elfstufigen Skala (NRS) durchschnittlich um 1,5 Punkte gesenkt werden konnten. Dies geht über die Annahme hinaus, dass es vorrangig zu einer positiven Veränderung der Schmerzwahrnehmung kommt. Das soviel bedeutet, dass die Betroffenen die vorhandenen Schmerzen als nicht mehr so beeinträchtigend erleben, obwohl sich die Schmerzstärke kaum verändert hat. In begründeten Zusammenhängen – Alter der Betroffenen und Art der Erkrankung – kann mit dem gezielten Einsatz der ASE eine Optimierung der Schmerzbehandlung erreicht werden. Nach entsprechender Schulung ist die untersuchte Maßnahme von Pflegefachkräften in allen Bereichen der pflegerischen Versorgung (stationäre, vollstationäre und ambulante Versorgung) anzuwenden. Anwendungsgebiete der Aromatherapie bei chronischen Schmerzpatienten E. Löseke Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn Als Pflegekräfte in der Schmerztherapie begegnen uns überwiegend chronisch kranke Patienten. Um eine chronische Schmerzerkrankung multimodal zu behandeln, müssen wir den Patienten auf verschiedenen Ebenen erreichen. Hier können naturheilkundliche Pflegemaßnahmen eine wichtige Rolle spielen. Naturheilkundliche Verfahren wie z.B. die Aromatherapie geben uns die Möglichkeit, der Komplexität von chronischen Krankheiten besser gerecht zu werden und können zu einer entscheidenden Schmerzreduktion führen und/oder Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen, Angstzustände, Stress und depressive Zustände reduzieren. Aromatherapeutische Pflegemethoden in der Schmerztherapie sind z.B.:
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• Kompressen • Inhalationen • Einreibungen • Wickel/Auflagen • Orale Einnahme • Diffusionsgerät/Aromalämpchen • Bäder oder Teilbäder Pflegerische schmerztherapeutische Einsatzgebiete für die Aromatherapie sind u. a. Kopfschmerztherapie, rheumatische Erkrankungen, komplexe Schmerzerkrankungen wie Fibromyalgie oder somatoforme Schmerzstörungen, Tumorschmerztherapie sowie ihre Begleitsymptome, Neuralgien. Die naturheilkundlichen Verfahren wie die Aromatherapie haben eine regulierende Wirkung, d.h. es wird ein Reiz gesetzt, der vom Organismus mit einer Gegenreaktion beantwortet wird. Diese Gegenreaktion kann gleichzeitig eine Linderung von Beschwerden oder gar eine Ausheilung der Krankheit bewirken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der pflegerische Beitrag zur Aromatherapie sehr vielfältig ist, zum einen in der Durchführung der oben aufgezählten Verfahren, zum anderen aber auch in der Schulung von Patienten und deren Angehörigen. Die Aromatherapie ist in Deutschland in einer berufsbegleitenden Ausbildung auch für Pflegekräfte zu erlernen.
Pro und Kontra Somatoforme Schmerzstörung: Diagnostische Sackgasse oder Weg aus der dualistischen Falle? Somatoforme Schmerzstörung – ein Weg aus der dualistischen Falle W. Häuser Zentrum für Schmerztherapie und Medizinische Klinik I (Gastroenterologie, Hepatologie, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten, Psychosomatik), Klinikum Saarbrücken Thesen: 1. Trotz des biopsychosozialen Modells chronischer Schmerzen benötigt die Schmerztherapie eine Klassifikation chronischer Schmerzsyndrome. Eine Einteilung in nozizeptive und neuropathische Schmerzsyndrome sowie in funktionelle und psychische Störungen mit Leitsymptom chronischer Schmerz ist eine klinisch sinnvolle Unterteilung und kein Dualismus. Sie ermöglicht eine Wichtung biologischer und psychosozialer Faktoren in der Ätiologie von chronischen Schmerzsyndromen. 2. Es besteht eine starke Evidenz für die Unterscheidung von chronischen Schmerzsyndromen bei strukturellen Schädigungen und bei funktionellen und somatoformen Störungen. Es besteht eine starke Evidenz für die Unterscheidung von funktionellen Störungen von seelischen Störungen (Angststörungen, Depressionen, somatoformer Schmerzstörung). 3. Die Verwendung der ICD-10 Diagnose „Anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ ist den DSM-IV-Diagnosen der „Somatoformen Schmerzstörung“ vorzuziehen, da • In der medizinischen Versorgung in Deutschland Diagnosen nach ICD-10 verschlüssselt werden müssen. • Die DSM-IV-Kategorien der somatoformen Schmerzstörung noch unpräziser als die des ICD-10 sind und zu einem inflationären Gebrauch der Diagnose führen. 4. Die übergeordneten ICD-10 Kriterien der somatoformen Störung enthalten für eine Untergruppe von Patienten mit chronischen Schmerzen typische Kognitionen (somatische Fixierung) und Verhaltensmuster (aufmerksamkeitssuchendes Verhalten, dysfunktionelles Krankheitsverhalten), die sich in keiner anderen diagnostischen Kategorie des ICD-10 und DSM-IV finden. Weiterhin wird die die Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung berücksichtigt.
5. Es liegen empirische Befunde vor, die eine Präzisierung der Kriterien einer somatoformen Schmerzstörung auf Achse I der anstehenden Neuauflagen des ICD (ICD 11) und DSM (DSM-V) in dem Kapitel „seelische Störungen“ ermöglichen. 6. Die Diagnose „somatoforme Schmerzstörung“ ist eine klinisch nützliche Kategorie, die eine Orientierung für die Schmerztherapie gibt: Psychodynamisch-interaktionelle Gruppentherapie statt kognitiv-behavioraler Schmerzbewältigung und Antidepressiva statt Opioide.
Psychologie Der Placeboeffekt in der Schmerztherapie: Zielgerichtete Beeinflussung von Schmerzen und Funktionskapazität Placeboeffekte bei viszeralen Schmerzsyndromen P. Enck, S. Klosterhalfen Abt. für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen Generell werden die Placebo-Effekte in klinischen Studien bei funktionellen Magen-Darm-Störungen (Reizdarmsyndrom, funktionelle Dyspepsie) als besonders hoch erachtet, und ihr Wirkmechanismus sei nach wie vor ungeklärt. Neuere sowohl klinische wie experimentelle Befunde verweisen jedoch auf andere Momente: 1. Metaanalysen von mehr als 80 randomisierten, placebokontrollierten Studien (RPCS) zeigen, dass die Placeboresponserate insgesamt bei ca. 40% liegt und somit nicht höher ist als bei anderen, funktionellen wie organischen Erkankungen des Magen-Darm-Traktes oder anderer Systeme. 2. Re-Analysen der Daten einzelner Studien zeigen eine Bereitsschaft von Patienten, in RPCS auf Placebogabe zu reagieren, die in Abhängigkeit sowohl von individuellen Merkmalen der Patienten (Alter, Geschlecht, Copingstrategie, Gesundheitskonzepte) oder der Studienleiter (Geschlecht, Erfahrung) wie auch von strukturellen Merkmalen der Studien selbst (Anzahl, Dauer der Kontakte zwischen Patient und Studienleiter etc.) variiert und die Plazeboantwort vorhersagt. 3. Systematisch lassen sich Placeboantworten nach drei zugrundeliegenden Mechanismen unterscheiden (Pavlovsche Konditionierung, Signalentdeckung, Regression zum Mittelwert), die einzeln oder in Kombination wirksam sein können; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Mechanismen existieren. 4. Insbesondere Brain-Imaging-Studien haben es im vergangenen Jahrzehnt erlaubt, die neurobiologischen Grundlagen der Placeboantwort besser zu verstehen. 5. Experimentelle Placebo-Forschung hat schließlich die Bedeutung einzelner Faktoren des Placeboresponse, z.B. Geschlecht von Versuchsleitern und Versuchspersonen, herausgearbeitet. Beeinflussung des Schmerzverhaltens durch Placeboeffekte bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen R. Klinger, A. Vogt, R. Kothe, J. Tretrop Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, Psychotherapeutische Hochschulambulanz, Verhaltenstherapie, Klinikum Dortmund, Wirbelsäulenzentrum Theoretischer Hintergrund: Seit den fünfziger Jahren belegen klinische Studien, dass Placebos, d.h. wirkstofffreie Scheinmedikamente oder -handlungen, z.B. Placebo-Operationen, Ergebnisse erzielen, die mit dem echten Medikament, dem Verum oder der echten Operation, vergleichbar sind. Die gegenwärtig zunehmende Aktualität dieses Themas liegt v.a. an der nachgewiesen analgetischen Wirksamkeit von Placebos. Dabei gibt es nur wenige Studien, die den Placeboeffekt objektivierbar (Fremdrating) auch auf der Ebene des beobachtbaren Verhaltens untersuchen. Dieses spielt jedoch bei der Bewertung von Schmerzlinderung
eine erhebliche Rolle. Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen steht auf der Verhaltensebene häufig das Schonverhalten und Vermeiden körperlicher Bewegung im Vordergrund. Eine Steigerung ihrer körperlichen Funktionskapazität ist das Behandlungsziel. Fragestellung: Lässt sich durch ein Placebopräparat die körperliche Funktionskapazität von Rückenschmerzpatienten steigern? Lässt sich diese Placebowirksamkeit durch Lernen (klassische Konditionierung) steigern? Methode: In einer klinisch-experimentellen Studie wurden 72 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen untersucht. Sie führten definierte körperliche Alltagsbewegungen (in vivo Übungen entsprechend der Items des FFbH-R von Kohlmann et al.) durch, einmal vor und einmal nach der Verabreichung eines als Opioid mit bewegungssteigernder Wirkung deklarierten Präparates, welches jedoch pharmakologisch völlig wirkstofffrei war. Der Lerneinfluss wurde in 2 Untergruppen durch Manipulation der Schmerzerfahrung in Koppelung mit der Placebovergabe erreicht. Die Bewegungen wurden durch eine unabhängige Person mit einem Beobachtungssystem kategorial ausgewertet. Ergebnisse und Diskussion: Durch das Placebopräparat ließ sich eine objektivierbare Verbesserung der Beweglichkeit der Rückenschmerzpatienten (Steigerung der Funktionskapazität) erreichen. Dabei zeigte die Gruppe mit zusätzlichem Lerneinfluss auf das Placebopräparat die günstigsten Ergebnisse. Es wird diskutiert, welche praktische Relevanz der Placeboeffekt hat, wie er sich sinnvoll und zielgerichtet in den klinischen Alltag integrieren lässt und wie er die rein pharmakologische Wirksamkeit eines Analgetikums positiv ergänzen kann. Der Placeboeffekt bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen: Eine klinisch-experimentelle Studie J. Tretrop, R. Kothe, R. Klinger Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, Psychotherapeutische Hochschulambulanz, Verhaltenstherapie, Klinikum Dortmund, Wirbelsäulenzentrum Theoretischer Hintergrund: Der Placeboeffekt lässt sich insbesondere bei der Analgesie nachweisen. In nur wenigen Studien wurde die Beeinflussung von Verhaltensmerkmalen durch Placeboeffekte untersucht. Es existieren kaum Studien zur Placeboanalgesie mit chronischen Rückenschmerzpatienten, in denen ihnen suggeriert wurde, dass das Placebopräparat eine zentrale Wirksamkeit („Opioid“) habe. Fragestellung: In einer klinisch-experimentellen Studie wurde untersucht, ob sich bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (N = 72) durch die ihnen über eine Placebotinktur gegebene Information ein Placeboeffekt aufbauen lässt und ob ein solcher Effekt durch aktuelle Lernerfahrungen im Rahmen einer experimentellen Konditionierungsprozedur noch erhöht bzw. dadurch ebenfalls aufgebaut werden kann. Methode: Als Placebo wurde eine wirkstofffreie Tinktur angewandt, der entweder eine zentrale, hochanalgetische und beweglichkeitssteigernde Wirksamkeit („Opioid“) oder keine Wirkung („Placebo“) zugesprochen wurde. Diese beiden Gruppen wurden nochmals in weitere Gruppen unterteilt, die unterschiedliche experimentelle Konditionierungsprozeduren durchliefen. Ergebnis: Es ergab sich insbesondere durch die explizite Erwartungsmanipulation ein klinisch relevanter Placeboeffekt. Es ließ sich durch die Information „Opioid“ eine Placeboanalgesie mit großen Effektstärken bzgl. der Wahrnehmung experimenteller Schmerzreize und der klinisch relevanten Rückenschmerzen in Ruhe und bei der Ausführung von komplexen alltagsnahen Aktivitäten aufbauen. Außerdem wurden die vor Durchführung dieser Aktivitäten bestandenen bewegungsbezogenen Ängste verringert und Verhaltensmerkmale während der Durchführung der Aktivitäten beeinflusst (Verbesserung von subjektiv erlebter Beeinträchtigung und Funktionskapazität, Verkürzung der benötigten Ausführungszeit). Schlussfolgerung: Es lässt sich bei chronischen Rückenschmerzpatienten insbesondere durch die ihnen explizit gegebene Information „Opioid“ und die dadurch aufgebauten hohen Erwartungen ein klinisch relevanter Placeboeffekt aufbauen. Zusammenhänge zum „Fear-Avoidance-Modell“ der Chronifizierung von Rückenschmerzen werden diskutiert. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Extremtrauma, PTBS und Schmerz Forensic examination for torture victims with pain problems and everyday practice for physicians S. Korur-Fincanci Istanbul University, Istanbul Faculty of Medicine, Department of forensic Medicine Torture victims admit to the hospitals for several reasons, and often they might not mention their torture history but appear with some obscure complaints such as only pain on a certain body part or more than one region. Pain is a common complaint among most of the trauma patients, and regarded as a very prominent sign of somatization, though it should never be overlooked for other underlying pathological changes, and should not be underestimated since only this sign can serve as a significant tool for diagnosing trauma and its nature. An outpatient clinic have been established in the Department of Forensic Medicine, Istanbul Faculty of Medicine, Istanbul University in 1999, and accepts individual applications for trauma patients as well as referrals from other clinical departments since then. Torture victims have either applied on their own or with their lawyers, and more than 90% of the cases were chronic cases with a history of torture from one month to 8 years prior to their admittance. All of the subjects had a complaint of pain, and most of them described pain on their head. They had at least one admittance to an health care service prior to their application for our institute, and they had not received any treatment before although they had mentioned about their pain, but not torture history at all. A prominent number of the cases described blunt trauma on their heads during detention, and complained of pain on their heads had been found to have soft tissue immobility of the scalp on medical examination, and thickening of aponeurosis layer with increased fibrosis had been observed in the MRI. Osseous Bankart lesion had been detected in one of the torture victims with shoulder pain and a suspension torture history of 7 years before admittance. A torture victim with a history of blunt chest trauma, and a complaint of pain on his chest had 3 healed rib fractures. Most of the cases had been diagnosed to have Posttraumatic Stress Disorder, or major depression and no underlying pathological changes could be revealed in more than half of the torture victims with pain, and somatization was decided to be the cause of pain. These torture victims recovered considerably after psychological treatment. Pain can be the only symptom of trauma, and taking the story of cases with a complaint of pain should be regarded properly. Psychische und körperliche Symptome in Abhängigkeit von Extremtraumatisierung, kultureller Erfahrung und Gender N. Leißner, G. Dötsch, H. C. Traue Behandlungszentrum für Folteropfer, Univ. Ulm Gegenstand: Viele Opfer von Folter und organisierter Gewalt leiden in Reaktion auf ihre traumatischen Erfahrungen langfristig unter posttraumatischen Symptomen. Bestandteil extremer Traumata sind oft absichtlich zugefügte Körperverletzungen, verbunden mit starken, unerträglichen Schmerzen. Obgleich körperliche Symptomatik und Schmerzen unterschiedlicher Lokalisation in dieser Gruppe traumatisierter Patienten häufig vorkommen, findet diese Tatsache in der PTSD Diagnose und in der Behandlung Traumatisierter keine Berücksichtigung. Während einige Studien Zusammenhänge zwischen Traumatisierung und Symptomatik zeigen (Lindert & Traue, 2003) wird in dieser Arbeit der Zusammenhang zwischen Trauma, Gender und Symptommuster untersucht. Methode: Der komplette Datensatz von 406 traumatisierten Patienten des Jahres 2004 des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm wurde hinsichtlich soziodemographischer Variablen, Art der Traumatisierung, klinischer Diagnosen, psychischer und körperlicher Symptomatik analysiert. Informationen über die Art der Traumatisierung wurden im klinischen Gespräch erhoben. Häufigkeiten, Korrelationen sowie Gruppenunterschiede zwischen Geschlecht, Art der Traumatisierung sowie
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geographischer Herkunft der Traumatisierten wurden berechnet. Ergebnisse: Häufigste psychische Symptomatik ist die depressive Episode sowie die Posttraumatische Belastungsstörung. Unter den körperlichen Beschwerden sind Kopfschmerzen, Bauch- und Muskelschmerzen besonders häufig. In Abhängigkeit von Geschlecht, Art der Traumatisierung und Herkunftsland zeigen sich unterschiedliche Symptommuster. Diskussion: Die gängige Praxis psychiatrischer Diagnostik auf der Basis von ICD 10 oder DSM IV wird der Vielzahl psychischer Beschwerden nach Extremtraumatisierung nicht gerecht und ignoriert die körperlichen Konsequenzen von Folter. Zu berücksichtigen ist, das Asylsuchende für körperliche Symptome eher Behandlung durch Allgemeinmediziner erwirken als für die Präsentation psychischer Beschwerden. Dies dürfte insbesondere für sexuell traumatisierte Frauen der Fall sein. Die große Anzahl von Schmerzsymptomen spricht für eine stärkere Beteiligung von schmerztherapeutisch ausgebildeten Fachkräften bei der Behandlung von Folteropfern. 1. Lindert, Jutte U. & Traue, Harald, C. (2003) Trauma nach Flucht und Vertreibung – Flüchtlinge in Deutschland, Psychosozial, 26, 91, 1, 137141 Veränderte Schmerzwahrnehmung bei psychiatrisch relevanten Erkrankungen – Schmerzwahrnehmung bei (Major) Depression K.-J. Bär Klinik für Psychiatrie Universität Jena Bei depressiven Patienten wurde eine veränderte Schmerzwahrnehmung beschrieben. Klinisch ist dabei ein vermehrtes Klagen über Schmerzen (z.B. Magenschmerzen) zu beobachten. Andererseits konnte gezeigt werden, dass experimentell gemessene Schmerzschwellen, beispielsweise für Hitzeschmerz, bei depressiven Erkrankungen deutlich erhöht sind, diese also weniger Schmerz an der Haut verspüren. Die Ursache für dieses Phänomen ist bisher ungeklärt. Im Vortrag wird zunächst dargestellt, dass depressive Patienten eine unterschiedliche Schmerzwahrnehmung für „innere“ und „äußere“ Schmerzen haben. Im zweiten Teil wird dann gezeigt, wie die zentrale Schmerzverarbeitung während der depressiven Episode verändert ist. Dabei wird eine fMRT-Studie vorgestellt, die im Ergebnis zeigt, dass bei depressiven Patienten in Schmerzregionen die besonders mit der affektiven Komponente von Schmerz assoziiert werden (z.B. Insel) eine verminderte Aktivierung gemessen wurde, in präfrontalen Regionen aber eine verstärkte Aktivierung. Schmerzwahrnehmung bei Angststörungen, am Beispiel der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) C. Schmahl1, A. Jochims1, E. Geuze2, E. Vermetten2, W. Greffrath3, R.-D. Treede3, M. Bohus1 1 Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim; 2 Military Mental Health Defense, Utrecht, Niederlande; 3 Abteilung für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim, Medizinische Fakultaet Mannheim, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Die Posttraumatische Belastungsstörung tritt nach traumatischen Lebensereignissen, wie z.B. Kriegserlebnissen auf und ist gekennzeichnet durch häufige Erinnerungen an das Trauma, Alpträume, Schreckhaftigkeit und ein psychophysiologisches Hyperarousal. Viele dieser Patienten berichten über eine erhöhte subjektive Belastung durch Schmerzen bis hin zu komorbiden chronischen Schmerzerkrankungen; dies steht im Wiederspruch zu den vorliegenden Hinweisen auf reduzierte Schmerzsensitivität bei PTBS-Patienten in experimentellen Untersuchungen. Wir untersuchten daher die Schmerzsensitivität bei 10 männlichen Patienten mit PTBS in Folge eines Kriegseinsatzes, 10 Männern, die nach einem Kriegseinsatz keine PTBS entwickelt hatten, und 10 Männern ohne Kriegseinsatz. Mittels der method of limits fanden sich keine Defizite für die Detektion nicht-noxischer Temperaturreize. Die
Hitze- und Kälteschwellen waren jedoch in den beiden Kriegseinsatz-Gruppen im Vergleich zu der Gruppe ohne Kriegseinsatz erhöht. Mittels tonischer (30 Sek.) überschwelliger Hitzereize fand sich eine signifikant niedrigere Schmerzsensitivität bei den PTBS-Patienten im Vergleich zu den beiden Kontrollgruppen. Diese Ergebnisse sprechen für einen dualen Einfluss sowohl der traumatischen Erlebnisse als auch der Erkrankung auf die Schmerzsensitivität. In einer fMRI-Studie wurden die beiden Gruppen der Kriegsteilnehmer mit und ohne PTBS verglichen. Hier zeigte sich während der Stimulation mit tonischen Hitzereizen bei der PTBS-Gruppe eine gesteigerte Aktivität im linken Hippocampus sowie eine reduzierte Aktivität im ventrolateralen präfrontalen Kortex sowie der rechten Amygdala.
eine (durch das selbstverletzende Verhalten) erworbene Störung der Schmerzverarbeitung handelt (schmerzinduzierte gesteigerte Antinozizeption). Diese Antinozizeption betrifft aber nicht die aufsteigenden nozizeptiven Bahnen (normales LEP, normale Diskrimination, normale Plastizität), sondern wahrscheinlich eine höhere kortikale Ebene der nozizeptiven Verarbeitung (Suppression des nozizeptiven „Post-Processing“ mit der Folge einer Segregation von Schmerzdetektion und Schmerzevaluation). Diese Ergebnisse beleuchten gleichzeitig die Kapazität zur Modulation der menschlichen Schmerzempfindlichkeit.
Schmerzwahrnehmung bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen mit selbstverletzendem Verhalten W. Magerl Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz
Selbstwirksamkeitserwartung und die Bewältigung von Alltagsaufgaben trotz Schmerz A. Wendt1, M. Pfingsten2, B. Kröner-Herwig3, S. Lüder2, T. Störmer2, J. Hildebrandt2 1 Göttinger Rehazentrum Rainer Junge, Göttingen; 2 Ambulanz für Schmerzbehandlung, Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Klinikum der Georg- August-Universität Göttingen; 3 Abteilung Klinische Psychologie, Georg Elias Müller Institut für Psychologie, Göttingen
Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörungen (BPS; typischerweise weiblichen Geschlechts) zeigen häufig das auffällige Verhalten der Selbstverletzung, einem intentionalen autoaggressiven Verhalten ohne suizidalen Hintergrund. Die Mehrzahl der Patienten beschreibt eine reduzierte oder gar völlige Abwesenheit der Schmerzempfindung während der Selbstverletzung. Die Schmerzempfindlichkeit von Patienten mit BPS für experimentell induzierte Schmerzreize wurde von uns in den vergangenen Jahren systematisch mit den Methoden der Quantitativ Sensorischen Testung (QST), Laser-evozierten Potentialen (LEP) und bildgebenden Verfahren (fMRI) untersucht (Schmahl et al. Pain 2004, Schmahl et al. Arch. Gen. Psychiatry 2006). Es zeigte sich dabei, dass bei Patienten mit BPS die Reduktion der Schmerzempfindlichkeit experimentell verifiziert werden kann. Die Reduktion der Schmerzempfindlichkeit ist generalisiert und betrifft alle Modalitäten der Schmerzempfindung (Kälte-, Hitze-, mechanisch und chemisch induzierten Schmerz) ohne eine Störung der nicht-nozizeptiven Sensibilität (kalt, warm, taktil). Auffälligerweise ist das evozierte Potential durch Hitzereize (LEP) bei stark reduzierter Schmerzhaftigkeit nahezu unverändert (Schmahl et al. Pain 2004). Differenzierte Abbildungen der nozizeptiven Verarbeitung (räumliche Diskrimination, Modulation durch Aufmerksamkeitssteuerung) sind ebenfalls unbeeinträchtigt. Patientinnen mit BPS zeigen jedoch im funktionellen Kernspin eine signifikant reduzierte kortikale Aktivierung durch schmerzhafte Hitzereize parallel zur verringerten Schmerzempfindlichkeit (Schmahl et al. Arch. Gen. Psychiatry 2006). Wird die Reizstärke experimentell so verändert, dass eine gleichstarke Schmerzempfindung, wie in der Kontrollgruppe psychiatrisch und neurologisch gesunder Probanden erreicht wird (gematchte wahrgenommene Schmerzstärke), ergibt sich ebenfalls eine global vergleichbare zerebrale Aktivierungsstärke. Jedoch zeigen sich auffällige Binnenunterschiede zwischen Patientinnen mit BPS und Kontrollpersonen. Eine Region des Frontallappens (dorsolateraler prefrontaler Cortex, dlPFC) ist verstärkt aktiviert, während andere schmerzrelevante Regionen der Schmerzmatrix (Gyrus cinguli, posteriorer parietaler Cortex, Amygdala) dynamisch deaktiviert erscheinen. In neueren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass auch die Schmerzwahrnehmung eines tonischen Schmerzreizes (intrakutane Injektion von Capsaicin) dynamisch reguliert wird; während zum Zeitpunkt der Injektion die Schmerzstärke vergleichbar der Kontrollgruppe eingeschätzt, zeigt sich eine beschleunigte Suppression der Schmerzstärke innerhalb eines Zeitraums von ca. 10-20 s (Magerl et al. 2007). Interessanterweise ist das Ausmaß der Suppression der Schmerzempfindlichkeit über einen weiten Zeitbereich (Tage bis Jahre) signifikant korreliert mit dem zeitlichen Abstand zur letzten Selbstverletzung (gleichzeitig besteht keine Korrelation mit Maßen der psychometrischen BPS-Diagnostik). Die Capsaicin-induzierte Hyperalgesie (als Maß der spinalen Plastizität) ist gleichzeitig normal ausgeprägt. Aus der Zusammenschau der Ergebnisse schließen wir, dass es sich bei der Suppression der Schmerzempfindlichkeit bei Patienten mit BPS um
Ziele im Umgang mit Schmerz: Kontrolle und Selbstwirksamkeit oder Akzeptanz?
Fragestellungen: Für eine wirksame Behandlung von Personen mit chronischen Rückenschmerzen gilt eine differenzierte Betrachtung von Schmerzerleben, Impairment, Disability, Funktionskapazität sowie kognitiven Mustern und sozialen Faktoren als unabdingbar. Bei fortschreitender Chronifizierung nimmt die Bedeutung von organischen Schädigungen deutlich ab, während bspw. die Disability an Einfluss gewinnt. Zur Erfassung der Disability stehen eine Reihe von Messinstrumenten zur Verfügung, in der Regel handelt es sich hierbei um Selbsteinschätzungsfragebögen, bei denen die Betroffenen einschätzen sollen, ob sie sich in der Lage sehen, bestimmte Aufgaben (trotz Rückenschmerzen) auszuführen. Hier wird eine große inhaltliche Nähe zum Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung deutlich. Bestätigt sich dieser Zusammenhang auch in der empirischen Überprüfung? Ein weiteres Problem besteht in der Übertragbarkeit der Selbsteinschätzungen auf die tatsächlich beobachtbare Bewältigung von Aufgaben. Kommt es hierbei vorwiegend zu Über- oder Unterschätzungen? Weisen Personen, die sich über- bzw. unterschätzen spezifische Charakteristika auf? Welche Rolle spielt hierbei die Selbstwirksamkeitserwartung? Eine Differenzierung in diesem Bereich birgt wichtige Hinweise zur Behandlungsplanung und -steuerung. Methodik: Zur Untersuchung dieser Fragestellungen wurden 71 chronische RückenschmerzpatientInnen und 48 Rückengesunde einer umfangreichen medizinischen und psychologischen Diagnostik unterzogen, bei denen sowohl Selbsteinschätzungsfragebögen, klinische Untersuchungen, als auch Verhaltens- und Funktionstests zum Einsatz kamen. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse erhellen Zusammenhänge der oft uneinheitlich verwendeten Begrifflichkeiten von Disability, Funktionskapazität und Impairment sowie die Rolle der Selbstwirksamkeitserwartung. So zeigt sich bei den meisten Messinstrumenten – wie theoretisch bereits erwartet – eine enger Zusammenhang zwischen Disability und Selbstwirksamkeitserwartung. Bei der Übereinstimmung von Disability und Funktionskapazität (beobachtbarem Verhalten) zeigen sich je nach verwendetem Messinstrument deutliche Unterschiede, bei den Rückengesunden besteht sogar kein signifikanter Zusammenhang mehr. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass bei einer aussagekräftigen Diagnostik sowohl Selbsteinschätzungsverfahren als auch Verhaltenstests eingesetzt werden sollten. Betrachtet man die Über- bzw. Unterschätzer, so zeigen sich deutliche Unterschiede zu den Rückengesunden, sowie zwischen den Geschlechtern. Zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung bestehen jedoch kaum Zusammenhänge. Die spezifische Selbstwirksamkeitserwartung spielt also – je nach verwendetem Messinstrument – eine bedeutsame Rolle, im Gegensatz zur allgemeinen. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Veränderung der Selbstwirksamkeitserwartung im therapeutischen Prozess W. Eich, A. Müller, K. Blumenstiel Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin, Universität Heidelberg Der Vortrag soll die zentrale vermittelnden Rolle der krankheitsspezifischen Selbstwirksamkeit für einen langfristigen Behandlungserfolg von Fibromyalgie-Patienten (FM) darstellen. Weiterhin wurde der Frage nachgegangen, ob die Verbesserung der Selbstwirksamkeit im Therapieprozess eine grundlegende Vorraussetzung, für eine anhaltende Besserung auf Symptomebene anhand der Hauptzielkriterien Schmerzintensität und Depressivität darstellt. Hierfür wurden n=43 FM-Patienten vor und nach einer bereits gut evaluierten und bewährten multimodalen ambulanten Gruppentherapie, sowie sechs Monate nach Therapieende mittels Fragebogenerhebung und einer Zeitreihenanalyse untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Umsetzung neuer Bewältigungsstrategien im therapeutischen Rahmen und einer Zunahme der krankheitsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartung besteht. Schmerzen akzeptieren – wie geht das? J. Korb DRK Schmerz-Zentrum Mainz Der positive Effekt kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierter Schmerzbewältigungsprogramme ist empirisch vielfach belegt und unbestritten. Diese zielen auf eine höhere Eigenverantwortlichkeit des Patienten und fördern internale Kontrollattributionen mit der Verbesserung adäquater coping-Strategien. Andererseits kann der wiederholt vergebliche Versuch der Schmerzbeeinflussung und Kontrolle wesentliche Energie und Aufmerksamkeit von anderen wichtigen Lebensbereichen abziehen. Einige Patienten neigen im Kampf den Schmerz zu eliminieren dazu, immer neue Behandlungsmöglichkeiten zu suchen, die ihnen das versprechen. McCracken und Eccleston (2003) verglichen verschiedene copingStrategien (Coping strategies questionnaire) mit der Haltung der Akzeptanz (Chronic pain acceptance questionnaire). Dabei zeigten die coping-Strategien nur geringe oder sogar ungünstige Korrelationen mit körperlicher und psychischer Beeinträchtigung, Arbeitsstatus, Depressivität und schmerzbezogenen Ängsten, während Patienten mit hohen Werten bezüglich Akzeptanz in allen Variablen deutlich weniger beeinträchtigt waren. Wenn eine höhere Schmerzakzeptanz offenbar eine protektive Wirkung haben kann, stellt sich die Frage, inwieweit diese Haltung auf therapeutischem Wege veränderbar ist. Schon seit einigen Jahren haben Achtsamkeits- und Akzeptanzbezogene Interventionen in verschiedenen Anwendungsgebieten Einzug gehalten, wie z.B. als mindfulness based stress reduction (Kabat-Zinn), dialektisch-behaviorale Therapie der Borderlinestörung (Linehan), Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie bei Depressionen (Segal, Williams, Teasdale), Akzeptanz- und Commitment Therapie (Hayes) sowie die Contextual cognitive behavioral Therapy for chronic Pain (McCracken). In experimentellen (Guitierrez et al. 2004) und klinischen Studien (Dahl et al., 2004; Kabat-Zinn, 1985; McCracken et al., 2005) gibt es Belege für die Wirksamkeit dieser Methoden auch in der Schmerztherapie. Noch nicht geklärt scheint die Frage einer möglichen Integration in bewährte kognitiv-behaviorale Therapieprogramme. 1. Dahl et al. (2004). Acceptance and Commitment Therapy and the Treatment of Persons at Risk for Long-Term Disability Resulting From Stress and Pain Symptoms: A Prelimary Randomized Trial. Behavior Therapy 35: 785-801 2. Gutiérrez et al. (2004). Comparison Between an Acceptance-Based and an Cognitive-Control-Based Protocol for Coping With Pain. Behavior Therapy 35:767-783
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3. Kabat-Zinn (1985). The Clinical Use of Mindfulness Meditation for the Self-Regulation of Chronic Pain. Journal of Behavioral Medicine 8: 163-190 4. McCracken und Eccleston (2003). Coping or acceptance: what to do about chronic pain? Pain 105: 197-204 5. McCracken et al. (2005) Acceptance-based treatment for persons with complex, long standing chronic pain: a preliminary analysis of treatment outcome in comparison to a waiting phase. Behav.Res.Ther. 43: 1335-1345
Rückenschmerzen Bewegung, Sport und Rückenschmerz: ein rätselhaftes Paradigma? Wie sind Muskelfunktions- und Bewegungsstörungen bei Wirbelsäulenpatienten erklärbar? G. Ebenbichler Universitätsklinik für Physikalische Medizin & Rehabilitation, MUW, AKH-Wien Ein rezentes internationales wissenschaftliches Projekt hat aus der von der WHO approbierten „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICF) Core Sets für chronische Kreuzschmerzen (cLBP) identifiziert. Eine Kurzversion dieses Core Sets, die insgesamt 3 Kategorien der Körperfunktion umfasst, findet die Beurteilung der Muskelfunktion zur Dokumentation des Ausmaßes der Behinderung und der Ergebnisqualität nach Therapie besonders bedeutsam. Ziel dieses Vortrages ist, einen Überblick über die Physiologie und Pathophysiologie der Rumpfmuskelfunktion und ihre Auswirkungen auf die Stabilisierung des multisegmentalen Achsenorgans zu geben. Rezente Erkenntnisse über die motorische Kontrolle der Wirbelsäule unterstreichen die Wichtigkeit einer optimal funktionierenden Rumpf, Rücken-, und Atemmuskulatur für eine sichere verletzungsfreie Bewegung der Wirbelsäule. Zusätzlich zu den mit Schmerzen assoziierten pathologisch veränderten Bewegungs- und Verhaltensmustern funktioniert bei Patienten mit chonischen Wirbelsäulenbeschwerden die Rumpfmuskulatur nur mangelhaft. Die respektiven Defizite und Störungen können den neuesten Erkenntnissen entsprechend wie folgt zusammengefasst werden: 1) Muskelschwäche/ funktionelle Parese und reduzierte muskuläre Ausdauer der Rumpfmuskulatur, 2) gestörte Muskelkoordination und verzögerte automatische muskuläre Reaktionen der die Wirbelsäule stabilisierenden Muskel und der Atemmuskulatur, 3) veränderte Bewegungs- und Atemmuster und 4) die zunehmende allgemeine muskuläre Dekonditionierung mit Reduktion der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit. Aus biomechanischer Sicht destabilisieren die (neuro-)muskulären Funktionsstörungen bei Patienten mit chronischen Wirbelsäulenbeschwerden die Bewegungssegmente und setzen die nicht muskulären Strukturen der Wirbelsäule wie Bandscheiben, Bänder und Gelenke einer erhöhten Vulnerabilität aus. Bewegung, Bewegungsübungen und Training können zum einen die Muskelfunktionsdefizite günstig beeinflussen. Zum anderen kann aber falsch durchgeführtes oder zu stark forciertes Üben oder Übertraining durch muskuläre Überlastung die Schmerzen verstärken und/oder infolge einer muskulären Überlastung die nicht muskulären Anteile der Bewegungssegmente überbeanspruchen und so vor allem bei mechanischem Rücken- Kreuzschmerz eine Zunahme der Beschwerden erklären. 1. Cieza A, Stucki G, Weigl M, Disler P, Jackel W, van der Linden S, Kostanjsek N, de Bie R. ICF Core Sets for low back pain. J Rehabil Med. 2004 Jul;(44 Suppl):69-74.
Einflussfaktoren und Wirkungen körperlicher Aktivität für die Entstehung und den Umgang mit Rückenschmerzen K. Pfeifer Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Sportwissenschaft und Sport Als Strategien für die Prävention von Rückenschmerzen bzw. deren Chronifizierung wird die Vermittlung rückenschmerzbezogenen Wissens auf Basis des biopsychosozialen Modells und körperliche Aktivität empfohlen (Burton 2005). Dabei erscheint insbesondere die Kombination beider Maßnahmen als Erfolg versprechend. Offen ist aber, welche Interventionsform in welchem Umfang notwendig ist, um die erwünschten Effekte zu erreichen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde in Kooperation mit der BKK-Bertelsmann und der Bertelsmann-Stiftung eine dreiarmige randomisiert-kontrollierte Studie durchgeführt, bei der die Effekte einer spezifischen rückenschmerzspezifischen Intervention (Versuchsgruppe 1 (VG1): Wissensvermittlung, Hinführung zu körperlicher Aktivität, n= 59) mit denen einer unspezifischen bewegungsbezogenen Intervention (VG2, n= 62) und einer Kontrollgruppe (KG, n = 98) verglichen wurde. Über ein Anschreiben der BKK-Bertelsmann wurden gezielt Versicherte angesprochen, die im zurückliegenden Jahr wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig waren. Die Interventionen in VG1 und VG2 erfolgte einmal wöchentlich über einen Zeitraum von drei Monaten, die Probanden der KG erhielten lediglich eine Broschüre zum Umgang mit dem Rückenschmerz. Im 1-Jahres Follow-up wurde über alle drei Gruppen eine Reduktion der Anzahl von Rückenschmerztagen beobachtet (108,82 ± 112,0 Tage vs. 89,73 ± 115,2 Tage, p <.01). Dabei ergaben sich keine Interaktionseffekte, die auf die Überlegenheit einer der Interventionsformen hinweisen würde. Differenzielle Effekte können hingegen für weitere Outcome-Variablen (körperliche Aktivität, schmerzbezogene Kognitionen) berichtet werden. Der Zusammenhang zwischen habitueller körperlicher Aktivität und dem Auftreten von Rückenschmerzen wurde weiterhin in einer bevölkerungsbezogenen Befragung in Magdeburg untersucht (n = 988). Hier ergaben sich Rückenschmerzprävalenzen, wie sie ähnlich auch in anderen Studien berichtet werden (1-Jahres Prävalenz: 64%, 5-Jahres-Prävalenz: 75%). Dabei konnten nur schwache Korrelationen zwischen der Anzahl von Tagen mit Rückenschmerzen im zurückliegenden Jahr, der erlebten Schmerzstärke sowie schmerzbedingten Funktionseinschränkungen einerseits und der körperlichen Aktivität (Sportindex, Arbeitsindex, Freizeitindex) andererseits ermittelt werden ( r zwischen .10 und .33, p <.05). Der Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Rückenschmerzen bleibt vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten unklar, ähnlich wie dies auch in anderen Arbeiten berichtet wird (Hamberg-van Reenen et al. 2006). Für ein besseres Verständnis sind weitere Informationen zur Art und Qualität von körperlicher und sportlicher Aktivität und deren DosisWirkungsbeziehungen, zur Bedeutung der körperlichen bzw. muskulären Fitness und der Qualität der motorischen Kontrolle sowie den Beziehungen zu kognitiven bzw. psychosozialen Faktoren notwendig. 1. Burton, A.K. (2005). How to prevent back pain? Best Pract Res Clin Rheumatol, 19,4: 541-555 2. Hamberg-van Reenen, H. et al. (2006). A systematic review of the relation between physical capacity and future low back an neck/scoulder pain. Pain 130:93-107 Beeinflussen latente Variablen die Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Rückenschmerz? C. Leonhardt1, D. Lehr1, A. Becker2, S. Keller3, E. Baum2, N. Donner-Banzhoff2, M. Pfingsten4, J. Hildebrandt4, J.-F. Chenot5, M. M. Kochen5, H.-D. Basler1 1 Institut für Medizinische Psychologie, Philipps-Universität Marburg, 2 Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive- und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universität Marburg, 3 Department of Public Health & Epidemiology, University of Hawaii at Manoa, 4 Algesiologie/Schmerzambulanz, Georg-August-Universität Göttingen, 5 Abteilung für Allgemeinmedizin, Georg-August-Universität Göttingen Einleitung: In mehreren Studien der letzten Jahre konnte nicht uneingeschränkt bestätigt werden, dass Rückenschmerzpatienten ihre körperliche Aktivität generell reduzieren, wie dies im Rahmen von
Fear-Avoidance-Modellen im Sinne einer „Dekonditionierungshypothese“ angenommen wird (Bousema et al., 2007). Schmerzbezogene Angst und Angst-Kognitionen (FABs) sollen in diesen Modellen ursprünglich den Übergang des akuten zu einem chronischen Stadium der Schmerzerkrankung mitbestimmen. Eine Beeinflussung der Funktionsfähigkeit durch schmerzbezogene Ängste und Kognitionen wird durch mehrere Studien gestützt, Auswirkungen auf die allgemeine körperliche Fitness jedoch kontrovers diskutiert. Die meiste Forschung hat sich mit chronischen Schmerzpatienten beschäftigt, Längsschnittstudien sind insgesamt rar (Leeuw et al., 2007). Fragestellung und Methode: Im Rahmen einer Sekundäranalyse von Daten eines BMBF-Rückenschmerzprojektes (Förderkennzeichen 01 EM 0113) wird untersucht, ob sich kausale Effekte zwischen aktivitätsbezogenen FABs und körperlicher Aktivität über 12 Monate nachweisen lassen. Dazu werden mittels Strukturgleichungsmodell, das einem Cross-lagged-panel-Design folgt, die Daten von N= 746 Patienten mit Rückenschmerz zu zwei Zeitpunkten analysiert. Darüber hinaus soll untersucht werden, inwieweit diese Effekte für Subgruppen akuter (N= 432) und chronischer (N= 314) Patienten stabil sind. Die Aktivität wurde mit dem „Freiburger Fragebogen zur körperlichen Aktivität“, (Frey et al., 1999), die FABs mit dem „Fear Avoidance Beliefs Questionnaire“ (Subskala 1 der deutschen Fassung von Pfingsten et al., 2000) erfasst. Ergebnisse: Für die Gesamtstichprobe zeigte sich eine akzeptable bis gute Passung der Daten zum Modell (χ²=23.28, df=5, p<.001; CFI=.98; RMSEA=.07; SRMR=.02). Während die Stabilitätskoeffizienten für FABs und körperlicher Aktivität hoch waren, konnten keine signifikanten Pfadkoeffizienten zwischen FABs und körperlicher Aktivität über die Zeit nachgewiesen werden. In den Subgruppenanalysen der akuten und chronischen Patienten zeigten sich jeweils leicht bessere Fitindices. Unabhängig von der untersuchten Stichprobe erwiesen sich weder die FABs als Prädiktoren für körperliche Aktivität noch vice versa. Zusammenfassung: Fear-Avoidance-Beliefs können sich an dieser Stichprobe überwiegend akuter Rückenschmerzpatienten nicht als bedeutsame Prädiktoren körperlicher Aktivität nach 12 Monaten erweisen. Es fanden sich weder bei akuten noch bei chronischen Schmerzpatienten Hinweise darauf, dass körperliche Dekonditionierung eine Folge hoher aktivitätsbezogener FABs ist. Beachtet werden müssen methodische Einschränkungen wie die lediglich im Selbstbericht erhobene körperliche Aktivität. 1. Bousema EJ, Verbunt JA, Seelen HA, Vlaeyen JW, Andre Knottnerus J. Disuse and physical deconditioning in the first year after the onset of back pain. Pain. 2007; 130, 279-286. 2. Frey I, Berg A, Grathwohl D, Keul J. Freiburger Fragebogen zur körperlichen Aktivität – Entwicklung, Prüfung und Anwendung. Soz Präventivmed 1999; 44: 55-64. 3. Leeuw M, Goossens MEJB, Linton SJ, Crombez G, Boersma K, Vlaeyen JWS. The fear avoidance model of musculoskeletal pain: current state of scientific evidence. Journal of Behavioral Medicine 2007; 30, 77-94. 4. Pfingsten M, Kröner-Herwig B, Leibing E, Kronshage U, Hildebrandt J. Validation of the German version of the Fear-Avoidance Beliefs Questionnaire (FABQ). European Journal of Pain 2000; 4: 259-266.
Rückenschmerzen – Bedeutung der funktionellen und strukturellen Integrität Funktionelle Instabilität – Definition, Wertigkeit, Therapiemöglichkeiten M. Legat Schmerzzentrum Mainz Als Auslöser, auch von degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule wird immer mehr, auch wissenschaftlich untersucht, eine segmentale funktionelle Instabilität angeschuldigt (Panjabi M, 1992). Hier kommt es insbesondere in der Initialbewegung der Anteflexion und Retroflexion in den ersten Millisekunden zu einer minimalen Verschiebung der Wirbel gegeneinander, da die tiefe Rückenmuskulatur Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts (M. multifidii) und der M. transversus zu spät ansprechen. Auslöser hierfür können vorangegangene Traumen oder muskuläre Dekonditionierung sein. Hier setzen nun moderne Therapiekonzepte an. Beispielsweise ist es möglich, durch gezielte Übungen gleichzeitig den M. transversus abdominis und die M. multifidii in einen Anspannungszustand zu bringen und damit zu trainieren. Insbesondere die neuromuskuläre Ansteuerung und damit die Reaktionszeit wird verbessert (Hamilton C, 1996). Dabei wird durch eine sogenannte Pressure-Body-Unit (spezielles Kissen mit Druckmesseinheit) dem Patienten visuell die Aktion des M. transversus vermittelt. Die Anspannung der Multifidii werden durch den Therapeuten palpiert. Zusätzlich ist eine Größenzunahme der autochtonen Rückenmuskulatur nachgewiesen, dementsprechende Untersuchungsergebnisse liegen durch sonographische Messungen vor (Hides et al. 1995). Eine weitere Möglichkeit stellt das gezielte Langhanteltraining dar (Narcessian RP et al., 1997). Dabei werden durch Aufrichtungsmechanismen des gesamten Körpers und durch Verbesserung der neuromuskulären Steuerung eine Kräftigung der autochthonen Rückenmuskulatur und eine Verbesserung der Reaktionszeit der M. multifidii auf Bewegungsveränderungen der Wirbelsäule erzielt. Zusätzlich kommt es zu einer vermehrten Stiffness der Muskulatur (Andersson et al., 1990). Dabei ist eine bestimmte Positionierung der Wirbelsäule im Raum unter dementsprechendem Gewicht axial (30-50 kg) notwendig. Dies erfordert auch ein 1 zu 1 Verhältnis (Patient zu Therapeut), um eine genaue Überwachung der Bewegungen zu gewährleisten. Welcher Patient welcher Therapie zugeordnet wird, entscheidet auch die muskuläre Gesamtsituation. Hier können der „Motor control impairment“ vom „Movement impairment“ (O`Sullivan, 2006) oder der hypotone vom hypertonen Muskeltyp (Janda, Lewit 1976) unterschieden werden. Indikation und Technik der operativen Therapie der lumbalen Instabilität K.-S. Delank Orthopädische Universitätsklinik Köln Die richtige Indikation für eine operative Stabilisierung im Bereich der Wirbelsäule ist schwierig zu stellen und bis heute äußerst umstritten. Eine wesentliche Ursache ist darin zu sehen, dass die Kenntnisse über die physiologisch notwendige segmentale Stabilität unzureichend sind und der Begriff der Instabilität nicht klar definiert ist. Darüber hinaus sind die diagnostischen Möglichkeiten zur Bewegungsanalyse an der Wirbelsäule nur wenig präzise und weisen oftmals eine mangelnde Korrelation zu den Beschwerden auf. Die möglichen Ursachen für einen lumbalen Rückenschmerz sind vielfältig und können sowohl vertebragen aber auch fern der Wirbelsäule lokalisiert sein. Vor diesem Hintergrund ist die klinische Bedeutung der segmentalen Stabilität häufig schwer zu beurteilen. Die operativen Techniken zur Stabilisierung eines oder mehrerer lumbaler Bewegungssegmente sind sehr vielfältig. Mit den heute zur Verfügung stehenden Implantaten ist eine hohe Fusionsrate zu erzielen, und dank der zunehmenden Verbreitung minimalinvasiver Techniken konnte in der jüngeren Vergangenheit das Zugangstrauma deutlich reduziert werden. Jede Fusionstechnik bietet jedoch spezifische Vor- und Nachteile bzw. spezielle optimale Indikationsgebiete und Risiken. Die genannten Problemfelder, welche mit der Indikation und technischen Durchführung bei der operativen Stabilisierung an der Lendenwirbelsäule verbunden sind, werden auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse analysiert. Beckenboden, Diaphragma und Transversus abdominis: Ihre Rolle bei lumbopelvischer Instabilität C. Hamilton Physiotherapeutische Praxis, Erlangen Instabilität der Wirbelsäule wird häufig postuliert als Ursache von rezidiven Rückenschmerzen. Neuere Forschung zeigt, dass moderate chro-
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nische Rückenschmerzen viel mehr mit fehlender aktiver oder funktioneller Stabilität als mit Defiziten in den Strukturen zusammenhängen. Vor allem spielt die tiefe lokale Rumpfmuskulatur eine kritische Rolle in der funktionellen segmentalen Stabilität der Wirbelsäule. Überdies demonstrieren motorische Kontrolledefizite in diesem Muskelsystem einen festen Zusammenhang mit der Entwicklung von rezidiven Rückenschmerzen. Folglich erweisen sich spezifische therapeutische Übungen, die die motorische Kontrolle berücksichtigen, als äußerst effizient in der Reduzierung der Rezidivität von Kreuzschmerzen. Mehrere Studien deuten auf die segmentale stabilisierende Funktion der Bauchholraummuskeln (Transversus abdominus, Beckenboden, Diaphragma und Multifidus). Übt dieses segmentnahe lokale Muskelsystem ihre schützende Funktion aus, bleibt die Person schmerzfrei, unabhängig von nachweisbaren strukturellen Defiziten. Rezidive Rückenschmerzenpatienten dagegen zeigen mehrfache motorische Defizite in diesem System [1]. Zum Beispiel bei chronischen Kreuzschmerzen ist die segmentale stabilisierende Aktivität von Transversus Abdominus verzögert und bietet weder rechtzeitigen noch ausreichenden Schutz für die LWS bei täglichen Belastungen [2]. Solche Koordinationsstörungen sind unabhängig von diagnostischen Bildverfahren und bleiben weiterhin trotz Remission der Symptome und Wiederaufnahme von täglichen Bewegungen. Auch unspezifische Kreuzschmerzen zeigen diese Motordefizite. Das tiefe lokale Muskelsystem könnte daher den fehlenden Zusammenhang zwischen strukturellen Defiziten und Schmerzen erklären. Die tiefen Bauchhohlraummuskeln haben jedoch eine vielfältige Aufgabe. Normalerweise müssen die Muskeln des Bauchhohlraums segmentalen Schutz, Respiration, viscerale Stütze, Gleichgewicht und effiziente Bewegung gleichzeitig gewährleisten. Neue Forschung weist auf eine komplexe Wechselwirkung der verschiedenen Funktionen hin. Ferner zeigen umfangreiche Komorbiditätsstudien, dass die Multidysfunktionen der Bauchhohlraummuskulatur in der Anemese und Rehabilitation von Rückenschmerzen ebenso mitberücksichtigt werden sollen [3]. Bei respirativem Stress schränken sich Diaphragma und Transversus Abdominus in ihrer stabilisierenden Funktion zugunsten der respirative Funktion ein. Umgekehrt verlieren Rückenschmerzenpatienten nicht nur den Schutz der tiefen lokalen Muskeln sondern verändern auch ihre Atem- und Beckenbodenstrategien [4, 5]. Dies erklärt, weshalb respirative Krankheiten oder Harninkontinenz stärker als Obesität oder körperlichen Belastungen mit der Entwicklung von rezidiven Kreuzschmerzen assoziiert sind [3]. Ziel der Rehabilitation ist daher die Normalisierung der gesamten tiefen lokalen Muskelfunktionen: die Wiederherstellung von Koordination und Timing [6]. Dafür scheinen spezifische sensomotorische Programme sinnvoller als ein allgemeines Krafttraining. Solche Ansätze haben sich mehrfach als besonders erfolgreich in der Prävention von rezidivem Rückenschmerz erwiesen [7]. Weiterhin sollen zukünftige Rehabilitationsprogramme die stabilisierende Funktion der Muskeln im Kontext mit der Atem- und der visceralen Stützfunktion berücksichtigten. Zum Schluss: Die Meinungen über die Übungstherapie bei chronischen Schmerzen teilen sich in zwei Gruppen: spezifische vs. unspezifische. Die unspezifische Gruppe argumentiert, dass Bewegung per se einen positiven Effekt auf die zentrale und periphere Sensibilisierung des Nervensystems hat. Dagegen argumentiert die spezifische Gruppe, dass segmentale Instabilität eine angehende noziozeptive Quelle sei. Folglich seien spezifische stabilisierende Übungen nötig. Diese Kontroverse zeigt, dass Schmerzen ein hoch individuelles, komplexes, biologisches und neurophysiologisches Ereignis darstellen. Dennoch bleiben spezifische stabilisierende Übungen für die funktionelle Wirbelsäulenstabilität sicherlich ein wichtiger Teil der Therapie in dem chronischen Schmerzpuzzle. 1. Richardson, C., et al., Therapeutic Exercise for Spinal Segmental Stabilization in Low Back Pain: Scientific basis and clinical approach. 2 ed. 2004, London: Churchil Livingstone. 2. Hodges, P.W. and C.A. Richardson, Inefficient muscular stabilization of the lumbar spine associated with low back pain. A motor control evaluation of transversus abdominis. Spine, 1996. 21(22): p. 2640-50.
3. Smith, M.D., A. Russell, and P.W. Hodges, Disorders of breathing and continence have a stronger association with back pain than obesity and physical activity. Aust J Physiother., 2006. 52(1): p. 11-6. 4. Smith, M.D., M.W. Coppieters, and P.W. Hodges, Postural response of the pelvic floor and abdominal muscles in women with and without incontinence. Neurourol Urodyn., 2007. 26(3): p. 377-85. 5. O‘Sullivan, P.B., et al., Altered motor control strategies in subjects with sacroiliac joint pain during the active straight-leg-raise test. Spine, 2002. 27(1): p. E1-8. 6. Tsao, H. and P.W. Hodges, Persistence of improvements in postural strategies following motor control training in people with recurrent low back pain. J Electromyogr Kinesiol, 2007. 1: p. 1. 7. O‘Sullivan, P.B., et al., Evaluation of specific stabilizing exercise in the treatment of chronic low back pain with radiologic diagnosis of spondylolysis or spondylolisthesis. Spine, 1997. 22(24): p. 2959-67.
Myofasziale Rückenschmerzen: Neues aus Forschung und Klinik Neurobiologie des Rückenschmerzes S. Mense Institut für Anatomie und Zellbiologie III, Universität Heidelberg Myofaszial bedingte Rückenschmerzen haben eine hohe Prävalenz in der Bevölkerung, über die Neuroanatomie und Neurophysiologie der kaudalen Rückenmuskeln liegen jedoch bisher praktisch keine Erkenntnisse vor. Den folgenden Experimenten liegt die Fragestellung zugrunde, über welche neuroanatomischen Wege der myofasziale Rückenschmerz vermittelt wird und auf welche Reize Hinterhornneurone des Rückenmarks reagieren, die Antrieb von den kaudalen Rückenmuskeln und der Fascia thoracolumbalis haben. Alle Ergebnisse stammen aus Tierexperimenten an Ratten. Die Daten wurden teils mit neuroanatomischer teils mit elektrophysiologischer Methodik gewonnen. Neuroanatomie: Wider Erwarten erhält der M. multifidus (MF, einer der autochthonen Rückenmuskeln) in Höhe des WK L5 nicht aus dem entsprechenden Rückenmarksegment L5 seine sensorische Versorgung, sondern die meisten afferenten Fasern entspringen im Spinalganglion L3, d.h. 2 Segmente rostraler. Hinterhornneurone, die auf schmerzhafte Reizung des MF L5 mit verstärkter Expression des Aktivitätsmarkers c-Fos reagieren, finden sich in vielen Segmenten des Rückenmarks, d.h. die Wirkungen eines nozizeptiven Impulseinstroms von den Rückenmuskeln verteilen sich im Rückenmark über viele Segmente. Elektrophysiologie: Registrierungen der Aktionspotenziale von Hinterhornzellen mit Mikroelektroden zeigten, dass die stärksten Erregungen und die größte Zahl der erregten Zellen in den Segmenten L3 und L2 vorhanden waren, also in bei weitem nicht in allen Segmenten, die eine starke c-Fos Expression aufwiesen. Die große kraniokaudale Verbreitung der c-Fos exprimierenden Zellen nach schmerzhafter Reizung des MF ist offensichtlich zum großen Teil durch unterschwellige Potenziale bedingt und nicht durch (überschwellige) Aktionspotenziale. Viele der Zellen, die auf schmerzhafte Reizung reagierten, konnten auch durch Reizung der Fascia thoracolumbalis erregt werden. Die erste supraspinale Umschaltung von aszendierenden nozizeptiven Signalen aus dem MF erfolgt nicht nur im lateralen Thalamus, sondern auch in Zentren des Hirnstamms wie z.B. der periaquäduktalen grauen Substanz des Mesenzephalons. Die diffuse Natur von Rückenschmerzen könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass sich die Information von den Nozizeptoren der kaudalen Rückenmuskeln über viele Rückenmarksegmente verteilt. Die traditionelle Annahme, dass die autochthonen Rückenmuskeln durch das zugehörige spinale Segment sensorisch versorgt werden, scheint in dieser absoluten Form nicht zu gelten; zumindest bei der Ratte findet sich eine systematische Verschiebung um 2 Segmente zwischen einem bestimmten Muskelabschnitt und dem Rückenmarksegment, das ihn versorgt.
Pathogenese und Multidimensionale Diagnostik myofaszialer Rückenschmerzen M. Schiltenwolf Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Sektion Schmerztherapie Für Muskelschmerzen existieren vorwiegend tierexperimentelle Daten, die modellhaft verwendet werden. Akute Muskelschmerzen wie Muskelkater haben kein Chronifizierungsrisiko, obwohl sie alle Kriterien bekannter Muskelschmerzmodelle erfüllen. Es ist für den klinischen Alltag nicht davon auszugehen, dass periphere Muskel-Störungen alleine zu einem chronischen Muskelschmerzbild führen können. Hilfreich ist daher z.B. für das Fibromyalgiesyndrom anzuerkennen, dass zentralnervöse Netzwerke nicht nur periphere Afferenzen modulieren, sondern selbst erregend und hemmend auf periphere Funktionen einwirken. Für die Diagnostik und Therapie chronischer Muskelschmerzen sind daher Störungen der ZNS-Homöostase zu würdigen. Therapie: Geht es auch unimodal? W. F. Beyer Orthopädie-Zentrum Bad Füssing, Deutsche Rentenversicherung Bayern, Bad Füssing Multimodale Therapiekonzepte gelten beim chronisch unspezifischen Rückenschmerz als international akzeptiert und als der Therapieansatz der Wahl. Aus Sicht des Klinikers und des Manualmediziners stellt sich zum einen die Frage, ob die Differenzierung in unspezifischen und spezifischen Rückenschmerz überhaupt möglich und sinnvoll ist. Per definitionem spricht man dann von einem spezifischen Rückenschmerz, wenn die Zuordnung zu einer pathologisch-anatomischen Struktur eindeutig möglich ist. Dies gelingt jedoch selbst bei so klar definierten Krankheitsbildern wie dem M. Bechterew auch nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von bis zu 20 Prozent, beim sogenannten diskogenen Schmerz mit einer von bis zu 40 Prozent. Andererseits stellt sich die Frage, ob es sich beim sogenannten unspezifischen Rückenschmerz nicht nur um einen nicht ausreichend diagnostizierten oder aber diagnostizierbaren „spezifischen“ Rückenschmerz handelt. Die Grenzen sind hier mit Sicherheit fließend. Auch weiß jeder am Patienten tätige Arzt und Therapeut aus täglicher Erfahrung, dass sich unter dieser Entität Patienten mit völlig unterschiedlichen Anamnesen, körperlichen und psychosozialen Befunden finden. Allein aus grundsätzlichen, aber auch aus finanziellen Überlegungen stellt sich die Frage, ob der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht in einer besseren Differenzierung bzw. Schaffung von Subgruppen bestehen sollte, als alle diese Patienten zu einer Gruppe zusammenzufassen und dann breit gefächert „schrotschußartig“ zu therapieren. In dem Referat wird zunächst der Erfolg multimodaler Therapieprogramme in der Literatur kritisch hinterfragt. Im Anschluss erfolgt dann ebenfalls anhand der aktuellen Literatur eine Übersicht über die Möglichkeiten und Grenzen einer je nach Diktion unimodalen oder befundadaptierten Therapie bzw. „Reha light“.
Krankheitslast und Kosten des Rückenschmerzes in Deutschland Rückenschmerz: Wie lassen sich gravierende Sozialschicht-Unterschiede in Prävalenz und Prävention erklären? S. Schneider Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Hintergrund: Die Prävalenz von Rückenbeschwerden stagniert seit Mitte der 1990er Jahre auf hohem Niveau. Hierzulande sind etwa 15% aller Arbeitsunfähigkeitstage und 18% aller Frühberentungen auf Rückenerkrankungen zurückzuführen. Dabei sind Arbeiter deutlich häuDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts figer von Rückenschmerz betroffen als Angestellte. Dieses sowohl aus Sicht der Prävention als auch im Blick auf die volkswirtschaftlichen Folgekosten bedeutsame Phänomen lässt sich nur zu einem kleinen Teil mit unterschiedlichen Arbeitsbelastungen erklären. Fragestellung: Warum ist das komplexe Beschwerdebild „Rückenschmerz“ zwischen Arbeitern und Angestellten ungleich verteilt? Es soll ein theoretisches Erklärungsmodell zur multifaktoriellen Genese gesundheitlicher Ungleichheit vorgestellt und auf das Beispiel „Rückenschmerz“ angewandt werden. Daten und Methoden: Das vorgestellte Modell und dessen empirische Validierung sind Ergebnis eines interdisziplinären Drittmittelprojektes, welches an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg durchgeführt wurde. Datenbasis war der „Bundes-Gesundheitssurvey“. Ergebnisse: Jeder dritte Berufstätige litt innerhalb der letzten Woche an Rückenschmerz, die Ein-Jahres-Prävalenz betrug 60%. Insbesondere zeigte sich ein deutlicher Schichtgradient. Dabei spielt ein komplexes Gefüge biopsychosozialer Einflussgrößen die entscheidende Rolle: Neben arbeitsplatz- und lebensstilspezifischen Risikofaktoren und Noxen werden die Bedeutung von Begleiterkrankungen und kognitiver Bewertungsprozesse diskutiert. Insbesondere die suboptimale und risikoinadäquate Nutzung von Rückenschulkursen und sonstigen Präventionsstrategien spielt eine bedeutende Rolle bei der Erklärung sozialer Unterschiede bei der Ätiologie des Rückenschmerzes. Diskussion: Unsere Daten belegen zum einen die multifaktorielle Ätiologie dieses Beschwerdebildes. Zum anderen offenbart sich ein von uns als „Preaching to the Converted“ bezeichnetes Phänomen, wonach Präventionsangebote gerade von denjenigen Bevölkerungsgruppen mit dem geringsten Erkrankungsrisiko genutzt werden. Im Fall der Rückenschulen sind dies die privat versicherten, oberen Statusgruppen mittleren Alters mit ohnehin aktivem und gesundem Lebensstil. Diesen Überversorgten stehen die unterversorgten Hochrisikopatienten gegenüber, welche sich unter anderem aufgrund psychischer Barrieren und sozialer Schließungsprozesse nicht zur Teilnahme an solchen Angeboten motivieren lassen. Abschließend zeigt ein Ausblick, dass sich das Phänomen des „Preaching to the Converted“ auch für andere Präventionsfelder belegen lässt. Fazit: In der volkswirtschaftlich immer bedeutsamer werdenden Schmerzprävention zementieren die aktuellen Versorgungsstrukturen koinzidente Unter- und Überversorgung. Dies führt nicht nur zu einer Ressourcenverschwendung, sondern auch zu einer weiteren Aufspreizung sozialer Ungleichheit. 1. Schneider S (2007) Rückenschmerz: Verbreitung, Ursachen und Erklärungsansätze. Habilitationsschrift im Fachbereich „Sozialmedizinische Epidemiologie“, Universität Heidelberg, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken. Ergebnisse zum Verlauf über zwei Jahre aus der DFRS Längsschnittstudie T. Kohlmann, C. O. Schmidt Institut für Community Medicine, Universität Greifswald Hintergrund und Fragestellung: Deutsche sowie internationale Studien belegen, dass Schmerzsymptome einer der häufigsten Gründe für die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sind. Rückenschmerzen spielen hierbei eine herausgehobene Rolle. Längsschnittliche Daten zum Verlauf der rückenschmerzbedingten Krankheitslast in einer Bevölkerungskohorte sind in Deutschland hingegen kaum vorhanden. Im Rahmen dieses Beitrages werden die Schmerzgraduierung sowie die Inanspruchnahme über einen Zeitraum von 2 Jahren in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung betrachtet. Methodik: Datengrundlage ist die multizentrische epidemiologische Längsschnittstudie des Deutschen Forschungsverbundes Rückenschmerz (DFRS). Insgesamt nahmen 3.839 Personen an drei postalischen Erhebungen über einen Zeitraum von 2 Jahren teil. Der Schweregrad der Rückenschmerzen wurde mit der Graduierung nach Von Korff erhoben. Der Schmerzmittelkonsum sowie die Inanspruch-
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nahme medizinischer Leistungen und der Medikamentenkonsum wurde zu allen drei Messzeitpunkten für die drei Monate vor der jeweiligen Befragung erhoben. Ergebnisse und Schlussfolgerung: Rund zwei Drittel aller untersuchten Personen berichteten von Rückenschmerzen während der drei Monate vor dem ersten Erhebungszeitpunkt. Hiervon hatten 11% zumindest schwere Rückenschmerzen (Von Korff Grad II) und 13% Rückenschmerzen mit Funktionsbeeinträchtigungen (Von Korff Grad III/IV). Diese Verteilung änderte sich über die drei Messzeitpunkte praktisch nicht. Da zwischen den Messzeitpunkten umfangreiche Wanderungsbewegungen zwischen den Korff-Schweregraden bestanden, belegen die relativ konstanten Anteile ein Fließgleichgewicht über den untersuchten Zeitraum. Auch der Anteil der Personen mit Schmerzmittelkonsum oder Arztkonsultationen wegen Rückenschmerzen blieb mit einem Anteil von jeweils einem Drittel über die Beobachtungszeit beinahe konstant. Dabei gab insbesondere nur jeder Zehnte ohne vorherige Inanspruchnahme oder Medikamentenkonsum zu dem folgenden Messzeitpunkt einen Arztbesuch oder die Einnahme von Medikamenten wegen Rückenschmerzen an. Rund ein Drittel aller Personen, die einen Arzt aufsuchten, wurden beim Hausarzt vorstellig, etwas mehr als ein Viertel beim Orthopäden und jeder Zehnte ging entweder zu einem einzigen Arzt anderer Fachrichtung oder zu der Kombination Hausarzt und Orthopäde. Erwartungsgemäß bestand ein sehr enger Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Störung und dem Inanspruchnahmeverhalten. Während weniger als jeder Fünfte mit dem Schweregrad I den Arzt aufsuchte, war dies bei vier von fünf Personen mit dem Schweregrad IV der Fall. Die Ergebnisse belegen die erhebliche rückenschmerzbedingte Krankheitslast, geben Einblick in das Inanspruchnahmeverhalten der Bevölkerung und zeigen dadurch Möglichkeiten der Verbesserung der Versorgung auf. Analyse der Krankheitskosten in Deutschland B. Schweikert1, C. Wenig2, C. O. Schmidt3, T. Kohlmann3 1 GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, 2 Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, 3 Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald, Institut für Community Medicine Hintergrund: Mit Prävalenzraten von über 60% gehören Rückenschmerzen zu den wichtigsten Gesundheitsproblemen in der deutschen Bevölkerung. Bisher gibt es kaum Studien, die basierend auf Mikrodaten, die durch Rückenschmerzen verursachten gesellschaftlichen Krankheitskosten abschätzen. Fragestellung: Ziel dieser Arbeit ist es, die Krankheitskosten von Rückenschmerzen aus der gesellschaftlichen Perspektive zu berechnen und bezüglich ihres Verlaufs, ihrer Zusammensetzung sowie möglicher Einfluss- und Risikofaktoren zu analysieren. Methoden: Basierend auf einer Querschnittsbefragung der Langzeitstudie im Rahmen des Deutschen Forschungsverbunds Rückenschmerz (DFRS), an der 9.267 Personen teilnahmen, wurden die Krankheitskosten in einem bottom-up Ansatz berechnet. Berücksichtigt wurden direkte Kosten durch die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sowie indirekte Kosten aufgrund von Produktionsausfällen durch Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit. Basisjahr für die kostenmäßige Bewertung ist 2005. Ergebnisse: Die mittleren Gesamtkosten pro Patient betragen in dieser Studie 653 € für ein Jahr. Sie teilen sich auf in direkte Kosten (54%) und indirekte Kosten (46%). Die direkten Kosten wiederum lassen sich untergliedern in Arzneimittelkosten (7%), Arztkosten (19%), Kosten für Heil- und Hilfsmittel (20% bzw. 4%), Kosten für stationäre Krankenhausaufenthalte (18%) oder Rehabilitations-Maßnahmen (12%) sowie die Kosten, die durch eigene Aktivitäten zur Vorbeugung und Linderung seitens der Patienten anfallen (20%). Bivariate Analysen für die Variablen Alter, Geschlecht, Bildung und Stärke der Rückenschmerzen zeigen deutliche Unterschiede zwischen den untersuchten Subgruppen. Es konnte weiterhin ein signifikanter Einfluss der Variablen Alter,
Geschlecht, Familienstand, Bildung, Erwerbstätigkeit und Stärke der Schmerzen auf die Höhe der Krankheitskosten gezeigt werden. Diskussion: Die wichtigsten Einschränkungen dieser Studie bestehen einerseits in den Annahmen, die zur Konstruktion des Mengen- und Preisgerüsts getroffen werden mussten sowie in der eingeschränkten Repräsentativität der Stichprobe. Trotz dieser Limitationen zeigt diese Untersuchung wichtige Anhaltspunkte für die gravierende ökonomische Bedeutung des Problems Rückenschmerz in der deutschen Bevölkerung. Sie bietet ferner wichtige Informationen für Entscheidungen, sowohl zur medizinischen Versorgung als auch zur Allokation von Forschungsmitteln.
Schmerz bei Kindern Therapie chronischer Nicht-Tumorschmerzen im Kindes- und Jugendalter - wissenschaftliche Evidenz und praktisches Vorgehen Ambulante Therapieprogramme B. Kröner-Herwig Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie Abt. Klinische Psychologie und Psychotherapie, Göttingen Rekurriender Kopfschmerz bei Kindern tritt nach den Ergebnissen einer neueren deutschen epidemiologischen Studie bei ca. 16% der befragten Kinder und Jugendlichen im Alter von 9-14 J. auf. Schwedische und finnische Studien machten deutlich, dass bei mehr als der Hälfte der Kinder der Kopfschmerz bis weit in das Erwachsenenalter beibehalten wird. Die Lebensqualität kann auch schon bei Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigt sein. Deshalb ist eine frühzeitige Sekundärprävention als wünschenswert zu betrachten. Seit den neunziger Jahren haben Arbeitsgruppen aus verschiedenen Ländern an Interventionsprogrammen für Kinder gearbeitet und diese evaluiert. Unsere eigene Arbeitsgruppe hat im Jahr 2000 das Gruppenprogramm „Stopp den Kopfschmerz“ für Kinder von 9-14 Jahren entwickelt und seine Wirksamkeit untersucht. Im letzten Jahr konnte eine Praxisstudie mit 23 niedergelassenen Therapeuten abgeschlossen werden, die die allgemeine Wirksamkeit des Programmes weiter belegen konnte, ebenso wie dessen hohe Akzeptanz bei Eltern und Kindern. Im Augenblick untersucht unsere Arbeitsgruppe, wie Jugendliche ab 14 J., die wir bisher mit unserem Behandlungsangebot nur schwer erreichen konnten, mit der Internetversion dieses Programmes umgehen und welche Wirkung es hat. Der Vortrag berichtet über die Trainings und stellt sie in den allgemeinen Forschungskontext. Stationäre, multimodale Therapieprogramme M. Dobe Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und pädiatrische Palliativmedizin In einer kurzen Einleitung soll vor allem auf die Prävalenz von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen eingegangen werden, die eine stationäre multimodale Schmerztherapie benötigen. Es wird ein objektivierbares Vorgehen vorgeschlagen, anhand dessen diejenigen Kinder und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen identifiziert werden können, die initial eine stationäre multimodale Schmerztherapie benötigen. Im folgenden wird die Evidenzlage evaluierter stationärer schmerztherapeutischer Programme für Kinder und Jugendliche dargestellt und miteinander verglichen. Zwei Fallberichte sollen schließlich die Komplexität einer stationärer Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen veranschaulichen.
Stellenwert medikamentöser Behandlungsstrategien C. Hasan, B. Zernikow Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und pädiatrische Palliativversorgung Chronische Schmerzen bei Kindern/Jugendlichen sind ein bedeutsames aktuelles gesundheitliches Problem. Die hohen Prävalenzen sind vor dem Hintergrund erheblicher psychischer und psycho-sozialer Konsequenzen für das Kind und seine Familie zu betrachten. Anhaltende Schmerzen im Kindesalter können zudem prädisponierend für die Entwicklung chronischer Schmerzen im Erwachsenenalter sein. Multimodale Behandlungskonzepte bergen die Chance, die chronische Schmerzkrankheit zu überwinden und wieder ein normales altersentsprechendes Leben zu führen. Der Stellenwert medikamentöser Therapien ist begrenzt. Sinnvolle Einsatzgebiete von Analgetika und Co-Analgetika bei chronischen oder chronisch rezidivierenden NichtTumorschmerzen im Kindes- und Jugendalter sehen wir bei: • Migräne => aggressive Attackentherapie und in Ausnahmefällen medikamentöse Prophylaxe • Paroxysmale Hemikranie => Indometacintherapie • Schwere, über lange Zeit persistierende Wachstumsschmerzen => orale Selentherapie und u.U. abendliche Indometacingabe • Therapierefraktäre rheumatische Erkrankungen => NSAR, u.U. Opioide • Lebenslimitierende Erkrankungen wie schwere Formen der Epidermolysis bullosa => Opioide auch topisch • Starke Schmerzen bei schwerer Spastik => Antispastika, Myotonolytika, Metamizol, u.U. Opioide • Rezidivierende Frakturen und chronische Knochenschmerzen bei schwerer Osteoporose oder -penie => Bisphosphonate, NSAR, u.U. Opioide • Neuropathische Schmerzen (v.a. postoperativ) => Opioide, Anticonvulsiva, Antidepressiva, Lidocainpflaster • Extensortherapie zur Extremitätenverlängerung => Opioide Die wichtigsten Indikationen werden anhand von Fallbeispielen verdeutlicht, die wissenschaftliche Evidenz wird dargestellt.
Schmerz im Alter Evidenz basierte Richtlinien und Empfehlungen für eine Schmerztherapie im Alter Evidenz basierte Richtlinien und Empfehlungen für die Therapie chronischer Schmerzen im Alter – eine Übersicht H.-D. Basler Institut für Medizinische Psychologie der Philipps-Universität Marburg Der ältere Patient mit Schmerzen ist häufig charakterisiert durch Multimedikation, psychische und physische Komorbidität, sensorische, motorische und kognitive Beeinträchtigung sowie eingeschränkte Aktivität und Partizipation. In der Akutgeriatrie finden sich z.B. bei der Hälfte der Personen, die über Schmerz berichten, depressive Verstimmungen, ein Drittel ist aufgrund der Schmerzen nicht mehr in der Lage, sich selbständig zu versorgen. Schmerz, insbesondere der chronische Schmerz, stellt eine ernsthafte Bedrohung der Teilhabe am sozialen Leben und der selbständigen Lebensführung dar. In den letzten Jahren haben verschiedene Fachgesellschaften Leitlinien und Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie von Schmerzpatienten in höherem Lebensalter publiziert. Soll die Versorgungssituation verbessert werden, so sind insbesondere die folgenden Anregungen zu beachten: (1) Es soll eine altersadäquate Schmerzdiagnostik vorgenommen werden. Hierzu gehört, dass insbesondere bei kognitiver Beeinträchtigung statt des Einsatzes eines Fragebogens ein Schmerzinterview durchgeführt und dass bei nicht kommunikationsfähigen Patienten mit Demenz auf die Beobachtung des SchmerzverhalDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts tens zurückgegriffen wird. (2) Es soll die psychische Komorbidität in Diagnostik und Therapie beachtet werden. Insbesondere sollte in diesem Fall der Einsatz von Opioiden in ein interdisziplinäres Konzept eingebunden sein. (3) Es sollen die vorhandenen therapeutischen Optionen frühzeitig genutzt werden. In den publizierten Leitlinien der Fachgesellschaften wird z.B. der Förderung der körperlichen Aktivität und der Vermittlung von Techniken des Schmerzmanagements neben der pharmakologischen Therapie große Bedeutung zugemessen. (4) Der Erfolg der Therapie soll nicht nur an der Schmerzreduktion, sondern auch an dem Erhalt und der Förderung der Funktion sowie an der Lebensqualität des Patienten beurteilt werden. Hierzu sind standardisierte hinsichtlich ihrer psychometrischen Qualität überprüfte Fragebögen einzusetzen. Evidenz basierte Therapie von Gelenkschmerz im Alter M. Schuler Diakonie-Krankenhaus, Mannheim Der Schmerz, der vom Gelenk oder von Gelenken ausgeht, ist sicherlich eine der häufigsten Schmerzerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung. Besonders die Schmerzen in den großen Gelenken der unteren Extremität scheinen mit zunehmendem Alter an Häufigkeit und Bedeutung zu gewinnen, da sie unmittelbaren Einfluss auf das Sturzrisiko, die Alltagskompetenz und Lebensqualität haben. So haben schätzungsweise die Hälfte der über 65-Jährigen eine Arthrose zumindest eines Gelenks. Umso erstaunlicher ist es, dass in Deutschland bisher nur Orthopädische Leitlinien aus dem Jahr 2002 zu dem Thema Gon- und Coxarthrose publiziert sind, die sich auf die Indikationen zur Operation und die verschiedenen Operationstechniken konzentrieren. Manche hausärztlichen Leitlinien zur Schmerztherapie greifen kurz das Thema Arthrose-Schmerz auf. Die vermeintlich beste Evidenz liegt für die medikamentösen Therapieoptionen vor, die allerdings gerade bei multimorbiden Patienten nicht unproblematisch sind. Der Vortrag wird sich deshalb auf Erkenntnisse zur nicht-pharmakologischen Therapie bis zur Operation und nach der Operation und auf die nicht operablen Patienten fokussieren. Die Prävention und Therapie der Arthrose insbesondere der großen Gelenke der unteren Extremität stützen sich auf die bekannten und beeinflussbaren Risikofaktoren wie Übergewicht, Muskelschwäche, zu viel und zu wenig körperliche Aktivität. Verschiedene Übungsprogramme sind inzwischen in ihrer Wirksamkeit belegt. Bausteine einer solchen Therapie sind Patienten-Schulung, physikalische Interventionen und Übungsbehandlungen, die Flexibilität, Kraft und Ausdauer fördern. Sie in Abhängigkeit von Comorbiditäten, Aktivitätsstadium der Arthrose und den Fähigkeiten des Betroffenen zielgerichtet und ökonomisch einzusetzen, ist die ärztliche und physiotherapeutische Herausforderung. Der Vortrag wird hierzu Stellung nehmen. Evidenz basierte Therapie neuropathischer Schmerzen im Alter G. Wasner, R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Epidemiologisch nimmt die Häufigkeit neuropathischer Schmerzen im Alter derart zu, dass höheres Alter bei bestimmten Ätiologien als Risikofaktor zur Entstehung neuropathischer Schmerzen zu bewerten ist. Typische Beispiele hierfür sind die schmerzhafte diabetische Neuropathie und die postzosterische Neuralgie. Dabei könnte die altersbedingte Degeneration von Neuronen im zentralen und peripheren Nervensystem pathophysiologisch von Bedeutung sein. Somit scheint die Aufstellung einer Evidenz-basierten Therapie bei neuropathischen Schmerzen eine vordergründig denkbar leichte Aufgabe darzustellen, da die meisten kontrollierten Studien zu den wesentlichen Medikamenten wegen der Häufigkeit der neuropathischen Schmerzerkrankungen im Alter an älteren Patienten durchgeführt wurden (z.B. trizyklische Antidepressiva, Gabapentin, Pregabalin, Oxycodon). In der täglichen Praxis der Therapie
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neuropathischer Schmerzen allerdings spielen altersbedingte Faktoren unter verschiedenen Gesichtspunkten eine wesentliche Rolle. So betreffen physiologische Altersprozesse sowohl die Schmerzerfassung an sich, wie auch die Pharmakokinetik von Medikamenten. Allein die Tatsache, dass viele ältere Patienten dazu neigen, Schmerzen herunterzuspielen wegen der irrigen Meinung, dass Schmerzen im Alter dazugehören und ertragen werden müssen, kann die Schmerzanamnese und -diagnostik bedeutend erschweren. Kommen dann noch andere Alterserkrankungen wie Demenz oder Depression hinzu, gelingt es oft nicht, den Beschwerdegrad der Schmerzen ausreichend herauszustellen. Pharmakokinetisch ist beim Einsatz von lipophilen Substanzen zu bedenken, dass im Verlauf des Lebens zwischen 25 und 75 Jahren der Fettanteil des Körpergewichtes von 14% auf 30% auch bei gutem Trainingszustand ansteigt. Demgegenüber nimmt die Anzahl funktionstüchtiger Nephrone in der Niere im Alter stetig ab, was bei renaler Elimination von Medikamenten zu bedenken ist. Schließlich spielt die Morbidität des Alters eine ganz wesentliche Rolle bei der Auswahl der Pharmakotherapie. Einerseits sind einige Substanzgruppen kontraindiziert, wenn bestimmte Alterserkrankungen vorliegen, wie beispielsweise die Gabe von trizyklischen Antidepressiva bei Prostatahyperplasie. Andererseits sind wegen der gleichzeitigen Einnahme von anderen Medikamenten zahlreiche mögliche Medikamenten-Interaktionen zu bedenken. Schließlich ist die im Allgemeinen schlechtere Verträglichkeit von Pharmaka im Alter mit Neigung zu vermehrten Nebenwirkungen wesentlich bei der Medikamentenauswahl zu berücksichtigen. All diese Faktoren bedingen, dass die Evidenz-basierte Pharmakotherapie neuropathischer Schmerzen im Alter zu einer fein abgestimmten individuell-angepassten Therapie wird, um auf dem schmalen Grad zwischen ausreichender Wirkung und akzeptabler Nebenwirkung zu bestehen.
Tumorschmerz Tumorschmerz – Kontroversen Berechtigung der WHO-Stufe 1 M. Strumpf Rotes Kreuz-Krankenhaus, Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Bremen Nicht-Opioidanalgetika (NSAID, Coxibe, Paracetamol, Metamizol und Flupirtin) sollen entsprechend der Stufe I des analgetischen Stufenplans der WHO bei leichten Schmerzen eingesetzt werden. Erst wenn damit keine ausreichende Schmerzreduktion erzielt wird, erfolgt auf der Stufe II eine Kombination mit einem Opioid. In einer vor 12 Jahren publizierten Studie mit 2118 Patienten zur Validierung des WHO-Stufenschemas (Zech et al. 1995) wurden Nicht-Opioidanalgetika der Stufe I nur an 11% der Behandlungstage eingesetzt. An allen anderen der insgesamt 140478 Behandlungstage waren Opioide erforderlich. Eine noch aktuelle Metaanalyse über NSAID und Paracetamol bei Tumorschmerzen kommt zu dem Schluss, dass NSAID Placebo zwar überlegen sind, dass es aber für die Überlegenheit eines bestimmten NSAID hinsichtlich Sicherheit oder Effektivität keine Evidenz gibt. Die schlechte Studienlage, insbesondere die kurzen Studiendauern, ließen keine allgemeine Einschätzung zur Effektivität und Sicherheit von NSAID bei Tumorschmerzen zu (McNicol et al. 2005). In der klinischen Praxis mehren sich Diskussionen, dass Opioide wegen fehlender Organtoxizität sicherer sind als Nicht-Opioidanalgetika, weshalb bei Tumorschmerzen auf die Stufe I verzichtet werden könne. Nicht-Opioidanalgetika können jedoch auch in Kombination mit Opioiden auf der Stufe II und III des WHO-Stufenschemas eingesetzt werden und auch dabei potenziell die bekannten, zum Teil gefährlichen Nebenwirkungen haben. Dies zu vermeiden ist eine Frage der Beachtung von Kontraindikationen und der Therapieüberwachung. Aus klinischer Sicht ist die alleinige Gabe von Nicht-Opioidanalgetika bei vielen Tumorpatienten für eine effektive Schmerztherapie nicht ausreichend, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung. Bei einem
schlechten Allgemeinzustand der Patienten müssen mehr Kontraindikationen beachtet werden. Je nach Substanzgruppe sind Nicht-Opioidanalgetika jedoch zusätzlich zum analgetischen Effekt antipyretisch, antiinflammatorisch und spasmolytisch wirksam. Analgetika sollten nicht, wie im WHO-Stufenschema vorgegeben, nur anhand der Schmerzintensität (leicht – mittel – stark) ausgewählt werden, sondern auch anhand ihres Wirkungsmechanismus und ihres Wirkungsspektrums. Unter Berücksichtigung einer mechanismenorientierten medikamentösen Schmerztherapie sind Nicht-Opioidanalgetika damit in der Tumorschmerztherapie unverzichtbar. 1. McNicol E, Strassels SA, Goudas L, Lau J, Carr DB: NSAID or paracetamol, alone or combined with opioids, for cancer pain. Cochrane Database Syst Rev 2005, 25 (1): CD005180 2. Zech DF, Grond S, Lynch J, Hertel D, Lehmann KA: Validation of World Health Organization Guidelines for cancer pain relief: a 10-year prospective study. Pain 1995, 63 (1) 65-76 Berechtigung von invasiven Methoden A. Schwarzer Universitätsklinik Bergmannsheil Bochum, Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie Die invasiven Verfahren sind zu unterteilen in direkte neuroaxiale Medikamentenapplikation, Nervenblockaden und Neuroablation. Gegenwärtig werden in deutschen Schmerzambulanzen in 0,2% und 2% der Einrichtungen neuroablative Verfahren und Neurolysen vorgenommen; intrathekale und epidurale Verfahren werden von 76% der Schmerzambulanzen eingesetzt (1). Die Berechtigung invasiver schmerztherapeutischer Verfahren in der Tumorschmerztherapie ist auf Grund fehlender kontrollierter Studien nicht abschließend geklärt. So zeigte eine aktuelle Metaanalyse (5 RCT) zur Bedeutung der Coeliacus Blockade bei Patienten mit Pankreaskarzinom zwar eine signifikante Schmerzreduktion im Vergleich mit einer Standardbehandlung, allerdings keine Verbesserung der Lebensqualität für die betroffenen Patienten (2). Damit war das wichtigste Kriterium für einen Therapieerfolg bei Tumorpatienten nicht erreicht. Zur Chordotomie bei einseitigem Tumorschmerz in der unteren Körperhälfte – der klassischen Indikation für diese Methode – gibt es keine kontrollierten Studien. Es wird jedoch von eindrucksvoller Schmerzreduktion nach perkutaner Chordotomie bei unilateralem Tumorschmerz berichtet (3). Die intrathekale Medikamentenapplikation, kritisch bei Nicht-Tumorschmerzpatienten zu betrachten, zeigte in der einzigen kontrollierten Studie bei Tumorpatienten eine verbesserte Schmerzreduktion im Vergleich mit einer Standardtherapie (4); eine Konsensus Konferenz betonte auf Basis nicht kontrollierter Studien die Bedeutung der intrathekalen Opioidmedikation (5). Die intrathekale Medikamentenapplikation besitzt unter den pflegenden Angehörigen eine hohe Akzeptanz (6). Kontrollierte Studien und klinische Fallberichte kommen nicht zu demselben Ergebnis bei invasiven Methoden. Es soll der Versuch unternommen werden, die bisherigen Studien und Erfahrungsberichte zu einer Synthese zusammenzufassen. 1. Willenbrinck, (2007) 2. Yan et al., (2007) 3. Crul et al., (2005) 4. Smith et al., (2002) 5. Stearns et al., (2005) 6. Cahana et al., (2007) Voraussetzungen zur palliativen Sedierung H. C. Müller-Busch Abtlg.für Anästhesie, Palliativmedizin und Schmerztherapie am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin, Universität Witten/Herdecke Palliative Sedierung ist eine effektive medizinische Therapieoption in Extremsituationen „unerträglichen Leids“. Persistierende, therapieresistente Symptome werden in den meisten Übersichten als Hauptindi-
kationen für eine Sedierung in terminalen Krankheitsstadien genannt. Dazu gehören therapieresistentes agitiertes Delir (39%), Atemnot (38%), Schmerz (22%), Angst und Stress (21%), akute Blutungen (9%) sowie Übelkeit und Erbrechen (6%). Unter den medizinischen Indikationen, die zum Einsatz einer Sedierung führen, werden in verschiedenen Untersuchungen Schmerzen in 3 – 50% der Fälle genannt. Die Indikation zum Einsatz wird nicht nur von den schmerztherapeutischen Erfahrungen der Experten, sondern in besonderer Weise auch von den Wertvorstellungen der Beteiligten bestimmt. Die Sedierungstiefe und -art sollte individuellen Bedürfnissen angepasst werden, die Durchführung erfordert Aufklärung aller Beteiligten und „informierte Zustimmung“. Die Möglichkeit des Missbrauchs einer Sedierung zur Beschleunigung des Sterbens erfordert nicht nur fachliches Wissen über Indikation, Art und Voraussetzungen ihres Einsatzes, sondern auch hohe ethische Kompetenz und Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse und Nöte der betroffenen Menschen. Frühzeitige Aufklärung, Kommunikation über Ziele und Absichten einer terminalen Sedierung, Richtlinien zur Durchführung, Dokumentation und Transparenz sind notwendig und sollten dazu beitragen, den Stellenwert der Sedierung im Rahmen der palliativen Betreuung am Lebensende zu verdeutlichen. Die durch eine medikamentöse Bewusstseinsdämpfung intendierte Symptomlinderung sollte von einer gezielten Beschleunigung des Todes deutlich unterschieden werden – auch wenn mit dem Einsatz von Sedativa eine unbeabsichtigten Lebenszeitverkürzung verbunden sein kann, jedoch nicht notwendigerweise sein muss. Nicht die Sedierung soll zum Tode führen, sondern die zugrunde liegende Erkrankung. Literatur: Müller-Busch HC et al. Empfehlungen zur Palliativen Sedierung DMW 2006, 131: 2733-2736
Update Primäre Kopfschmerzen Therapie der Migräne S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Die Therapie der Migräne stützt sich auf die medikamentöse Akuttherapie, die medikamentöse Prophylaxe und nicht-medikamentöse Maßnahmen. In diesem Beitrag sollen die wichtigsten Grundlagen und jüngsten Neuerungen in diesen verschiedenen Ebenen der Migränetherapie vorgestellt werden. In der Akuttherapie werden zunehmend Kombinationen aus Triptanen und NSAR eingesetzt, hierzu liegen auch klinische Studien vor. Neue Substanzgruppen mit einem anderen Wirkansatz sind in der klinischen Entwicklung. In der medikamentösen Prophylaxe haben in den letzten Jahren die Antiepileptika Topiramat und Valproat eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Bei den nicht-medikamentösen Verfahren sind in den letzten Jahren mehrere große Studien zur Akupunktur durchgeführt worden. Hier hat sich ein nicht eindeutiges Bild ergeben, da Akupunktur zwar wirksamer war als zu erwarten, jedoch kein Unterschied zwischen Schein- und VerumAkupunktur nachgewiesen werden konnte. In jüngster Zeit werden zunehmend interventionelle Verfahren (Stimulation des N. occipitalis major, Verschluss eines PFO) diskutiert und in klinischen Studien untersucht. Therapie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp G. Haag Michael-Balint-Klinik Königsfeld Die Behandlung des Kopfschmerzes vom Spannungstyp kann grundsätzlich medikamentös und/oder nicht-medikamentös erfolgen. Dabei kann entweder die Behandlung des akuten Kopfschmerzes oder eine prophylaktische Therapie im Vordergrund stehen. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Nach evidenzbasierten Kriterien sollten zur medikamentösen Akuttherapie folgende Wirkstoffe zum Einsatz kommen: • 550 bis 1 000 mg Acetylsalicylsäure (ASS) • 500 bis 1 000 mg Paracetamol • 200 bis 400 mg Ibuprofen • 500 bis 1 000 mg Naproxen • 500 bis 1 000 mg Metamizol • fixe Kombination von 250 mg ASS, 250 mg Paracetamol und 65 mg Koffein Mittel der 1. Wahl zur medikamentösen Prophylaxe des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp ist das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin oder Amitritylinoxid in der Dosierung von 25 bis 150 mg tgl. Alternativ können auch Doxepin, Imipramin oder Clomipramin verordnet werden. Alle Antidepressiva müssen langsam aufdosiert werden. Als Alternative bietet sich das Muskelrelaxans Tizanidin in der Dosierung 4 bis 16 mg an. Mittel der 2. Wahl sind Mirtazapin, Valproinsäure, Moclobemid, Fluoxetin oder Sulpirid. Die Ergebnisse der Studien zur Anwendung von Botulinumtoxin bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp waren negativ. Die Behandlung des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp mit Medikamenten sollte durch nicht-medikamentöse Maßnahmen ergänzt werden. Nach evidenzbasierten Kriterien sind neben eingehender Beratung und Führung des Patienten dabei vor allem Entspannungsmethoden, Biofeedbackverfahren und kognitive Verhaltenstherapie zu empfehlen. Sowohl „klassische“ Akupunktur wie Schein-Akupunktur ist in ihrer Wirkung medikamentöser Therapie vergleichbar. Positive Ergebnisse liegen auch für die Kombination von antidepressiver Therapie und Verhaltenstherapie („Stressbewältigungstraining“), der Kombination verschiedener Antidepressiva sowie der Kombination eines Antidepressivums mit Akupunktur vor.
Neue Ansätze in der Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome Die Rolle der interindividuellen genetischen Disposition bei der Schmerzchronifizierung und dem unterschiedlichen Ansprechen auf die medikamentösen Therapiestrategien I. Tegeder Pharmazentrum Frankfurt, Institut für Klinische Pharmakologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt Das Enzym GTP Cyclohydrolase (GCH1) katalysiert die Synthese des Kofaktors, Tetrahydrobiopterin (BH4), der für die Bildung wichtiger Neurotransmitter, Dopamin, Noradrenalin und Serotonin, als auch des Botenstoffes Stickstoffmonoxid (NO) essentiell benötigt wird. Nach einer Nervenschädigung und bei Entzündungen wird durch verstärkte Expression und/oder Steigerung der GCH1 Aktivität exzessiv BH4 in sensorischen Neuronen gebildet. Wird dies durch Hemmung der GCH1 blockiert, werden neuropathische und entzündliche Schmerzen im Tierversuch reduziert. Injektion von BH4 löst dagegen Schmerzen aus. BH4 ist daher ein essentieller Mediator bei der Schmerzentstehung. Polymorphismen in nicht-kodierenden Regionen der GCH1 bewirken bei Vorliegen eines bestimmten Haplotyps eine Schmerzprotektion. Leukozyten von Trägern dieses Haploytps zeigen eine normale basale BH4 Bildung. Jedoch kommt es nach Stimulation nicht zu einem exzessiven Anstieg der BH4 Produktion, bedingt durch fehlende Hochregulation der GCH1. Die akute Schmerzempfindlichkeit ist bei gesunden Probanden kaum verändert, jedoch entwickeln Träger des GCH1 Haplotyps eine geringere Hyperalgesie bei einer Entzündung. Patienten, die Träger des Haplotyps sind, hatten nach operativer Behandlung einer chronischen Lumboischialgie einen deutlich stärkeren Behandlungseffekt als Nichtträger. Der GCH1 Haplotyp schützt daher partiell sowohl vor inflammatorischen als auch neuropathischen
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Schmerzen. Die genauen Mechanismen sind noch nicht bekannt, jedoch scheint eine Steigerung der NO Produktion als auch eine direkte Aktivierung bestimmter Calcium Kanäle durch BH4 für die schmerzauslösende Wirkung (mit)-verantwortlich zu sein. Eine diagnostische Bestimmung des GCH1 Genotyps könnte helfen, das individuelle Risiko eines Patienten für die Entwicklung chronischer Scherzen abzuschätzen, beispielsweise vor Operationen oder Chemotherapie, die mit einem hohen Risiko einer Nervenschädigung einhergehen. Es ist bisher nicht bekannt, inwieweit der GCH1 Genotyp erwünschte oder unerwünschte Wirkungen einer Therapie mit Analgetika beeinflusst. Neue diagnostische Verfahren bei der Identifizierung neuropathischer Schmerzen – ein Vergleich der Chancen und Einschränkungen der quantitativ sensorischen Testung und der Hautbiopsie A. Scherens, C. Maier Abt. für Schmerztherapie, BG Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum In den letzten Jahren hat die Klassifikation neuropathischer Schmerzen erhebliche Fortschritte gemacht. Die von den Patienten verwendeten Deskriptoren (brennend, ziehend, usw.) haben sich hierfür als nicht ausreichend spezifisch erwiesen. Mittels der QST lassen sich dagegen mit hoher Spezifität verschiedene Subtypen, wie solche mit alleinigem Verlust der kleinen Nervenfasern (small fiber Neuropathie), reinem Untergang von großkalibrigen Nervenfasern oder Mischtypen ebenso unterscheiden wie unterschiedliche Sensibilisierungstypen (z.B. periphere/zentrale Sensibilisierung, (Pinprick-)Hyperalgesie, positive wind-up Phänomene und anderen Charakteristika). Durch die im Netzwerk (DFNS) geschaffenen Möglichkeiten des Abgleichs dieser Daten mit alters- und geschlechtsgematchen Normwerten lassen sich neben eindeutig pathologischen Werten in fast allen Körperarealen auch, bei Gesunden nicht vorkommende, ausgeprägte Seitendifferenzen diagnostizieren. Die Hautbiopsie ist ein minimal invasives Verfahren, das im Wesentlichen über Rarefizierungsvorgänge in der Epidermis Auskunft gibt, die überwiegend auf einem Verlust der kleinkalibrigen Fasern (IENF) beruhen. Eine weitergehende Klassifikation gegenüber der QST ist dadurch nicht möglich. Eigene Untersuchungen zeigen, dass die Hautbiopsie zumindest am Fuß eine höhere Sensitivität als QST hat, da auch Patienten mit ausgeprägter Dysästhesie noch ein normales QST-Profil aufweisen können, obgleich schon eine Rarefizierung der IENF aufgetreten ist. Offensichtlich ist die Kompensationsmöglichkeit inter-individuell unterschiedlich ausgeprägt. Aus diesen Daten ergibt sich ein Algorithmus für die diagnostischen Klassifizierung: Nach Durchführung konventioneller neurologischer Untersuchung ist die Erhebung eines sensorischen Profils mittels QST Methode der ersten Wahl. Bei pathologischen Detektionswerte (Minussymptomatik) ist eine Hautbiopsie für die individuelle Diagnostik nur noch in Einzelfällen erforderlich. Jedoch kann bei normalen Detektionswerten nur durch eine Hautbiopsie ein Normalbefund gesichert werden. 1. Lauria G, Cornblath DR, Johansson O, McArthur JC, Mellgren SI, Nolano M, Rosenberg N, Sommer C; European Federation of Neurological Societies. EFNS guidelines on the use of skin biopsy in the diagnosis of peripheral neuropathy. Eur J Neurol. 2005 Oct;12(10):747-58. 2. Loseth S, Lindal S, Stalberg E, Mellgren SI. Intraepidermal nerve fibre density, quantitative sensory testing and nerve conduction studies in a patient material with symptoms and signs of sensory polyneuropathy. Eur J Neurol. 2006 Feb;13(2):105-11. 3. Rolke R, Baron R, Maier C, Tolle TR, Treede RD, Beyer A, Binder A, Birbaumer N, Birklein F, Botefur IC, Braune S, Flor H, Huge V, Klug R, Landwehrmeyer GB, Magerl W, Maihofner C, Rolko C, Schaub C, Scherens A, Sprenger T, Valet M, Wasserka B. Quantitative sensory testing in the German Research Network on Neuropathic Pain (DFNS): standardized protocol and reference values. Pain. 2006 Aug; 123(3):231-43. Erratum in: Pain. 2006 Nov; 125(1-2):197.
Update Kopfschmerz: Sekundäre Kopfschmerzerkrankungen
Versorgungsforschung
Kopfschmerzen bei Vaskulären Erkrankungen U. Reuter Charité-CCM, Neurologische Klinik, Berlin
Versorgung von Patienten mit Rückenschmerzen
Kopfschmerzen bei vaskulären Erkrankungen stellen in der Notfallmedizin häufig eine Herausforderung dar. Im Rahmen dieses Vortrags werden die wichtigsten Erkrankungen – u.a.die Aneurysmablutung, Dissektion der hirnversorgenden Arterien, Sinus- und Hirnvenenthrombose und Arteriitis cranialis – mit ihrem typischen Kopfschmerzsyndrom und anderen Leitsymptomen dargestellt. Neben bekannten und neuen klinischen Daten soll auch auf die neuesten diagnostischen Verfahren eingegangen werden. Kopfschmerzen bei Störungen der Liquorzirkulation K. Gerbershagen Klinik für Neurologie und Palliativmedizin, Klinikum Köln-Merheim Kopfschmerzen in Assoziation zu Liquorzirkulationsstörungen zählen zu den symptomatischen bzw. sekundären Kopfschmerzen. Die Kopfschmerzen treten hierbei als Leitsymptom eines abnormen Liquordrucks auf. Liquorzirkulationsstörungen entstehen im Rahmen eines Ungleichgewichts zwischen Liquorproduktion und -resorption. Durch Druck- oder Zugkräfte auf die Hirnnerven V, IX und X, auf die drei obersten Zervikalnerven sowie auf die meningealen Blutgefäße können die Kopfschmerzen entstehen. Dies sind die wesentlichen Strukturen im Gehirn, die schmerzempfindlich sind. Ein Hydrocephalus, der meist durch eine Störung der Liquorresorption einen erhöhten Liquordruck bedingt, führt zu diffusen, schlecht lokalisierbaren Kopfschmerzen in Verbindung mit einem Drückgefühl, bei Fortschreiten auch zu Übelkeit und Erbrechen. Auch dem Pseudotumor cerebri („idiopathic intracranial hypertension“) liegt eine Steigerung des Liquordrucks zugrunde. Das Leitsymptom ist der lageabhängige Kopfschmerz. Dieser ist ein- oder beidseitig lokalisiert mit einem eher pulsierenden Schmerzcharakter. Die neue Klassifikation der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft (ICHD – II, [1]) unterscheidet drei Arten von Kopfschmerzen, die auf Liquorunterdruck zurückzuführen sind: Postpunktioneller Kopfschmerz, Kopfschmerzen bei Liquorfistel, und Kopfschmerzen, die auf ein spontanes (oder idiopathisches) Liquorunterdrucksyndrom zurückzuführen sind. Diesen gemeinsam ist die orthostatische Komponente, so beginnen die Kopfschmerzen meist innerhalb 15 Minuten nach dem Aufsitzen oder Aufstehen. Meist bessert sich die Symptomatik wieder, wenn die Patienten sich hinlegen. Die Diagnosestellung bei sekundären Kopfschmerzen im Rahmen von Liquorzirkulationsstörungen kann schwierig sein, vor allem wenn außer den Kopfschmerzen (noch) keine weiteren Symptome zu erheben sind. Die genaue Anamnese über die Entwicklung des Kopfschmerzes, Intensität und Lokalisation des Schmerzes sowie die klinische Untersuchung können sehr hilfreich sein, um die Verdachtsdiagnose zu stellen und um gezielte weiterführende Diagnostik in die Wege zu leiten. 1. Headache Classification Committee of the International Headache Society. The International Classification of Headache Disorders: 2nd edition. Cephalgia 2004; 24 Suppl 1: 9-160.
Screening in der ambulanten primär- und fachärztlichen Behandlung M. Pfingsten Schmerzambulanz, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Die Mehrzahl der in den letzten Jahren durchgeführten prospektiven Studien hat gezeigt, dass psychosoziale Faktoren für den Krankheitsverlauf von (nicht-spezifischen) Rückenschmerzen eine entscheidende Rolle spielen. Dies trifft insbesondere für den Übergang vom akuten zum chronischen Schmerz zu. Während körperliche Faktoren (radiologische Befunde; Leistungsparameter) und Befunde aus der körperlichen Untersuchung kaum prognostische Bedeutung aufwiesen, zeigte sich insbesondere für kognitive und emotionale Variablen ein deutlicher Zusammenhang zur Entwicklung von chronischen Verläufen. Zur Verhinderung derartiger, auch kostenintensiver Verläufe ist es sinnvoll, diese Risikofaktoren möglichst frühzeitig (möglichst innerhalb der ersten 14 Tage ab Beginn der akuten Phase) zu erfassen. Eine aufwändige Exploration ist dafür in den meisten Fällen nicht durchführbar und wenig ökonomisch, so dass der Einsatz kurzer Fragebogen-Verfahren sinnvoll erscheint. Es gibt aktuell 3 Screening-Verfahren, die dafür prinzipiell geeignet erscheinen. Mit einer Itemanzahl zwischen 20 und 35 Items ist ihr Einsatz sowohl in Arztpraxen als auch physiotherapeutischen Einrichtungen noch praktikabel und ökonomisch durchführbar. Die meisten (auch internationalen) Erfahrungen bestehen für das Örebro Musculoskeletal Pain Screening Questionnaire (MPSQ) von Steven Linton aus Schweden. Das Verfahren umfasst insgesamt 25 Items und berücksichtigt neben einer Reihe von Items zur Erfassung von Schmerz und Beeinträchtigungserleben jeweils ein 1 Item zur Erfassung von depressiver und ängstlicher Stimmung, zur Arbeitszufriedenheit und zu schmerzbezogenem Coping sowie 3 Items zur Erfassung von Fear-Avoidance-Beliefs. Der Fragebogen ermöglicht bei den Risikopatienten noch eine weitergehende Subgruppendifferenzierung, die insbesondere im Hinblick auf die dadurch gegebene Möglichkeit eines gezielten Einsatzes Problemorientierter Interventionen große Bedeutung hat. Die Autoren konnten durch die Verwendung von nur 8 Items des Fragebogens 4 unterschiedliche Risikogruppen identifizieren (low risk, distressed fear-avoidant, fear avoidant, low risk depressed). Die Gruppe der „low-risk-„Patienten machte 60% der Stichprobe aus, bei denen einfache bzw. unaufwändige Maßnahmen in der weiteren Behandlung ausreichen sollen. Aus der Zugehörigkeit zu einer der drei Risiko-Gruppen konnten die Autoren jeweils fokussierte therapeutische Empfehlungen ableiten. Multimodale Behandlungsangebote in der medizinischen Rehabilitation B. Greitemann, S. Dibbelt, C. Büschel Klinik Münsterland der Deutschen Rentenversicherung Zusammenfassung: Chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates stehen in Deutschland an erster Stelle als Ursache für die Frühberentung. Insbesondere chron. Rückenschmerzen machen hier einen wesentlichen Teil aus. In letzter Zeit mehren sich kritische Stimmen, die speziell auf die mangelhafte Langzeitnachhaltigkeit stationär-orthopädischer Rehabilitationsinterventionen hinweisen. Das Programm IopKo (Intensivierte orthopädisch-psychosomatisches Konzept in der Rehabilitation) sollte dabei speziell die Behandlung dieser Problempatienten verbessern, besonderen Fokus auf Patienten mit beruflichen Problemlagen setzen und die Nachhaltigkeit dieser Maßnahme evaluieren. Im Rahmen des IopKo-Programmes wurde eine Reihe von Interventionsmaßnahmen entwickelt und evaluiert. Diese Maßnahmen umfassen: Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts • Interaktive Schulungsmodule zur Praxis der Leistungsbeurteilung Rentenrecht und zur Teilhabe am Arbeitsleben •. Intensive multiprofessionelle Eingangsdiagnostik und schnelle Zuweisung zu Psychologen und Sozialdienst bei beruflichen und psychischen Problemen • Die Bildung homogener Patientengruppen auf der Basis einer multiprofessionellen Diagnostik • Differenzielle Behandlungsangebote, darunter ein multimodales Therapieprogramm „Rückenfit“ für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen Methode: Teilnehmer der quasi-experimentellen Fragebogenstudie mit einem Längsschnittvergleichsgruppendesign waren 482 LVA-Versicherte im Heilverfahren, von denen 307 der Studiengruppe und 176 der Kontrollgruppe zugeordnet wurden. Zur Erhebung der Kontrollgruppe wurden die oben genannten Maßnahmen ausgesetzt. Die Vergleichs- und Studiengruppen wurden alternierend in Zeitblöcken von 3 Monaten erhoben. Ergebnisse: Einschränkungen der Funktion, Schmerzen, psychische Belastungen sowie die Krankheitstage reduzierten sich zu den Katamnesen nach 10 Monaten in der Studiengruppe stärker als in der Vergleichsgruppe. In Bezug auf die genannten Parameter ergaben sich in der Studiengruppe moderate bis starke Effekte und übertragen die der Kontrollgruppe. Die Teilstichprobe der Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die das multimodale Programm „Rückenfit“ durchliefen, verbesserte sich ebenfalls stärker als eine Gruppe mit vergleichbaren Einschränkungen, die ein Standard Reha-Programm erhielt. Auch für die Teilstichprobe fanden wir überlegene starke bis moderate Effektstärken im Hinblick auf Funktion und psychische Belastungen. In Bezug auf die Schmerzmaße dagegen verbesserten sich beide Gruppen ohne Unterschied. Schlussfolgerung: Das Projekt konnte eindeutig nachweisen, dass ein spezifisches Rehabilitationsprogramm mit multidisziplinärer Arbeitsweise und dem Fokus auf Patientenempowerment sowie Verhaltensmodulation langzeiteffektiv ist. Wir interpretieren die Effekte als Ergebnis der multiprofessionellen Diagnostik und Zuweisung, die zu homogeneren und damit effektiveren Behandlungsgruppen führt und der gesteigerten Therapiemotivation durch Information, Aufklärung und Beratung in den Modulen zur beruflichen Orientierung. Multimodale Behandlungsangebote in Schmerzzentren H.-R. Casser DRK Schmerz-Zentrum, Mainz Die ambulante, tagesklinische wie auch die stationäre Behandlung ist geprägt von der biopsychosozialen Genese chronischer Schmerzerkrankungen. Dies gilt sowohl für muskuloskelettale, neuropathische wie auch Tumorschmerzen. Entsprechend der Definition der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) ist ein Schmerz-Zentrum definiert durch mindestens fünf ständig anwesende Fachdisziplinen, mindestens zwei Ärzte verschiedener Fachrichtungen sowie Psycho-, Physio- und Pflegetherapeuten. Es sollten verschiedene Therapieansätze verfügbar sein. Aus- und Weiterbildung sowie Therapieevaluation, ggf. Forschung und Lehre sollten integriert sein. Hauptaufgaben eines Schmerzzentrums sind ein interdisziplinäres Assessment zur Klärung unklarer Schmerzzustände, die Entwicklung und Durchführung eines multimodalen Therapieprogramms und die Evaluation desselben. Entsprechend der Komplexität chronischer Schmerzerkrankungen und der schon umfangreichen vorausgegangenen Therapie ist insbesondere das Prinzip der Interdisziplinarität ein wichtiges Charakteristikum für ein Schmerz-Zentrum. Dies bedeutet: Gemeinsames Konzept, gemeinsame Verantwortung, gemeinsame Untersuchung, Vermeidung von Auftragsarbeiten, enge zeitliche, räumliche und inhaltliche Vernetzung, fortlaufende Abstimmung der Befunde und Maßnahmen während der Behandlung, gemeinsame Sprache und Philosophie, insbesondere auch gegenüber den Patienten, und fachübergreifende Kenntnisse der beteiligten Ärzte und Thera-
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peuten. Dazu gehören je nach Bedarf das gesamte Spektrum der medizinischen Therapie von konservativen bis hin zur interventionellen und ggf. auch operativen Maßnahmen, unterschiedliche psycho- und physiotherapeutische Behandlungen sowohl in kleinen Gruppen als auch mittels Einzelmaßnahmen. Nachdem die Risikofaktoren für eine Chronifizierung von Schmerzerkrankungen insbesondere im psychosozialen Bereich weitgehend geklärt sind, ist es sehr wichtig, aufgrund dieser Erkenntnisse auch im frühen Stadium einer beginnenden Chronifizierung des Schmerzes (Schmerzen über 6 Wochen, AU über 4 Wochen) bzw. Nachweis von Chronifizierungsfaktoren anhand eines Screeningbogens diesbezüglich auffällige Patienten frühestmöglich in ein Schmerz-Zentrum zur interdisziplinären Abklärung (Assessment) zu überweisen und ggf. auch zur Einleitung eines interdisziplinären multimodalen Therapieprogramms. Die Prognose derartiger Schmerzustände hängt vom Zeitpunkt der interdisziplinären Intervention ab. Die Indikation zu einem derartigen Therapieprogramm wie auch die Nachsorge sollte in enger Zusammenarbeit mit dem Vor- und Nachbehandler geschehen, damit erfolgreiche Programme auch einen nachhaltigen Effekt erzielen können
Evidenzen zur DGSS-Leitlinie über mehrwöchige Opioidanwendungen bei Patienten mit Nicht-Tumor Schmerz Analgetische Effekte mehrwöchiger Schmerztherapien H. Sorgatz Technische Universität, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Darmstadt Eine systematische Literatursuche nach RCT-Studien zur Wirkung von Analgetika der drei WHO Stufen ergab 62 metaanalytisch auswertbare Studien (27.444 Patienten mit nicht-tumor bedingten Schmerzen) über einen Behandlungszeitraum von drei bis 13 Wochen. Mit Hilfe dieses Datenmaterials sollen im Vortrag u. a. folgende Fragen „evidenz-basiert“ beantwortet werden: 1) Ist das WHO-Stufen Schema auf mehrwöchige Behandlungen von nicht-tumor Schmerzen anwendbar? 2) Wie groß ist die durchschnittlich durch Analgetika zu erwartende Schmerzreduktion im Vergleich zu unbehandelten Kontrollgruppen? 3) Welche Belege existieren für eine Abnahme der analgetischen Wirkung im Verlauf einer mehrwöchiger Anwendung. 4) Gibt es Belege für eine syndromspezifische Indikation bestimmter Substanzgruppen? Konsequenzen der zum Teil überraschenden Ergebnisse für Klinik, Forschung und Leitlinienentwicklung werden erörtert. Analyse der Nebenwirkungsspektren von Schmerzmitteln H. Reinecke Technischen Universität Darmstadt Institut für Psychologie Bei ungefähr gleich potenten Analgetika können unerwünschte Arzneimittelwirkungen und erwünschte psychische Folgen für die Auswahl und Compliance von Bedeutung sein. Im Rahmen einer metaanalytischen Auswertung über 62 Studien und 27.444 Patienten wurden die Häufigkeiten von Nebenwirkungen bei verschiedenen Substanzgruppen mit anderen Maßen (Schmerzreduktion, Studienabbruchsquoten, Indikatoren der Lebensqualität) in Zusammenhang gesetzt. Resümee: Welche Analgetika wirken über längere Zeiträume? C. Stein Klinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin Freie Universität Berlin, Charité Campus Benjamin Franklin In diesem Symposium werden medikamentöse und nicht-medikamentöse Verfahren zur Therapie von chronischem nicht-Tumorschmerz diskutiert. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf randomisiert-kontrollierten Studien liegen, die analgetische Wirksamkeit, funktionelle Verbesserung sowie Lebensqualität dieser Patienten untersucht haben.
Opioidentzug – Indikation, Durchführung und Langzeitprognose bei Patienten mit Opioidabhängigkeit Diagnostik der Opioidabhängigkeit bei Patienten mit chronischem Schmerz; Prognose der Entzugstherapie, Schweregrad von Entzugssymptomen und ihre Therapie J. Jage UniversitätsklinikumSchmerzambulanz / Klinik für Anästhesiologie Einige diagnostische Kriterien des ICD für eine psychische Abhängigkeit von psychotropen Substanzen – hier Opioiden – gelten nur eingeschränkt für Schmerzpatienten, weil die Kriterien „physische Abhängigkeit“ oder „Toleranz“ physiologische Reaktionen auf eine dauerhafte Opioidexposition sind. Zutreffende Kriterien sind hingegen: zwanghafter Gebrauch, Kontrollverlust, fortgesetzter Gebrauch trotz Schädigung, Substanzhunger/Distressminderung. Missbräuchliches Verhalten ist zu beachten, so verschwiegener zusätzlicher Gebrauch psychotroper Substanzen, Opioidverschreibung/Verschreibung weiterer psychotroper Substanzen durch mehr als einen Arzt, Episoden selbst vorgenommener Dosiserhöhungen ohne analgetische Wirksamkeit, starke Bindung an Opioideinnahmen trotz fehlender Wirksamkeit hinsichtlich Schmerzlinderung und/oder funktioneller Verbesserung. Die Prognose einer Opioidtherapie ist günstig, wenn es gelingt, die Ursachen der unzureichenden Opioidwirksamkeit zu klären, denn häufig wurden bis dahin psycho-soziale Faktoren chronischer, nicht tumorbedingter Schmerzen unzureichend diagnostiziert. Eine Entzugstherapie ohne Beachtung dieser Einflüsse hat eine schlechte Prognose. Das Paradigma „Erst Entzugstherapie, dann Schmerztherapie“ wird nicht mehr dem gegenwärtigen Wissensstand gerecht. Während des Opioidentzugs können die aus der Suchtszene bekannten, typischen Symptome auftreten. Körperliche Symptome sind eher milde ausgeprägt, aber psychische Symptome (Labilität, innere Unruhe, Schlafstörungen, Angst) machen nachhaltige Beschwerden. Schwierig ist die parallel nötige Fortsetzung einer neu orientierten Schmerztherapie, sie muss nun interdisziplinär/interprofessionell sein. Vor Entzugsbeginn ist es nötig, mit dem Patienten und möglichst mit einer nahe stehenden Bezugsperson die Ziele der Therapie und deren Durchführung zu besprechen. Ein Entzugsvertrag ist sinnvoll, um die Autonomie es Patienten zu stärken. Zu diesem Zeitpunkt müssen weitere Optionen der interdisziplinären Re-Evaluation des bestehenden chronischen Schmerzes angesprochen werden. ... bei Heroinabhängigen B. Lieb, F. Rist, N. Scherbaum Rheinische Kliniken Essen, Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, Universität Duisburg-Essen, Institut für Psychologie, Westf. Universität Münster Die Zahl der Opiatabhängigen in Deutschland wird auf ca. 180.000 Personen geschätzt. Ein wesentlicher Schritt der abstinenzorientierten Behandlung der Opiatabhängigkeit ist die Entzugsbehandlung. Ziele der Entzugsbehandlung sind die Drogenfreiheit (bestimmt über ein drogenfreies Urin-Screening auf Suchtmittel), die Remission der Entzugsbeschwerden sowie die Vermittlung in eine weiterführende Behandlung. Die am häufigsten verwendete medikamentöse Strategie zur Linderung von Entzugsbeschwerden ist der methadongestützte Entzug: hierbei werden die Patienten, sofern sie nicht ohnehin in Substitutionsbehandlung sind, auf Methadon eingestellt, das im weiteren Verlauf schrittweise abdosiert wird. Symptomorientiert werden auch Clonidin (gegen sympathische Hyperaktivität), sedierende Antidepressiva (gegen innere Unruhe und Schlafstörungen) sowie nicht-steroidale AntiRheumatika bei Schmerzen gegeben. Für alternative Entzugsstrategien, insbesondere für die Kurzentgiftung in Narkose, konnte eine Überlegenheit gegenüber der Standardmethode nicht belegt werden. In einer eigenen Untersuchung wurde der Zusammenhang von Intensität der Entzugsbeschwerden bzw. Intensität des Opiat-Cravings und
einem Abbruch der Entzugsbehandlung geprüft. Bei insgesamt niedrigem Niveau von Entzugsbeschwerden und Craving hatten Therapieabbrecher in den letzten drei Tagen ihrer stationären Behandlung eine niedrigere Intensität der Entzugsbeschwerden als in Hinblick auf Geschlecht und Methadonausgangsdosis ausgewählte Kontrollpatienten an den analogen Tagen ihrer Entzugsbehandlung. Das Opiat-Craving hatte keinen Einfluss auf den Behandlungsabbruch. Nach dieser Untersuchung gelingt im Regelfall eine wirksame Unterdrückung des Opiatentzugsyndroms. Für die mittelfristige Abstinenz der Patienten dürften motivationale Faktoren insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme einer Anschlussbehandlung von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Komplikationen in der Akutschmerztherapie: erkennen, therapieren, vermeiden Komplikationen durch Regionalanalgesieverfahren T. Volk Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Campus Charité Virchow Klinikum und Mitte, Berlin Da Verfahren zur postoperativen Regionalanalgesie häufig genutzte Standardverfahren sind und immer differenzierter eingesetzt werden treten auch Fehlerquellen auf, deren Schwere und Häufigkeit einer systematischen Risikoanalyse zugeführt werden können. Diese Fehler können zweidimensional über die Auftretenswahrscheinlichkeit und Bedeutsamkeit bewertet werden. Häufigkeitsdefinitionen der Pharmakovigilanz (häufig: ≥1-<10%; selten: ≥0,01-<0,1%) sind auch hierfür hilfreich. Aufklärungs-, Indikations- und Durchführungsfehler können von ihrer Charakteristik hoch komplex sein (Unkenntnis, Verwechslungen, u.v.m.). Das Auftreten von Krampfanfällen nach rm-nahen Verfahren ist eher sehr selten und wird in der Häufigkeit überschätzt [1]. Neuere Metaanalysen zu transienten Radikulopathien oder Neuropathien nach epiduralen Verfahren sind wahrscheinlich selten und nach peripheren Katheterverfahren häufig, permanente Schäden allerdings sehr selten [2]. Kathetertechniken sind sehr häufig mit technischen Schwierigkeiten behaftet (17,9%)[3], wobei häufig ein akzidenteller Verlust verzeichnet wird (10,5%)[3]. Auffällige Fehllagen, Fehl- oder Überdosierungen und schwierige Entfernungen kommen vor (Fallberichte), sind aber quantitativ nicht hinreichend dokumentiert. Infektionen, die im Rahmen von peripheren Katheterverfahren auftreten sind häufig [4] tiefer liegende Abszesse rm-naher Verfahren sind sehr selten [5,6]. Von der Umsetzung evidenzbasierter Standards kann zwar hierbei eine Verbesserung erwartet werden, zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung benötigen wir allerdings weitaus mehr Fakten, um systematisch diese Verbesserung auch nachweisen zu können. Hierfür setzen sich zahlreiche Zentren im Arbeitskreis Regionalanästhesie derzeit gemeinsam ein [7]. Neben dieser wissenschaftlichen Verfügbarkeit von Daten ist in den vergangenen Jahren das analytisch zumindest gleichwertige Instrument von anonymen Meldesystemen etabliert worden [8]. Hierbei können äußerst relevante Faktoren, die die weiterführenden Aspekte Mensch-Technik-Organisation betreffen, erkannt werden. Der erwartete Sicherheitsgewinn durch einen solchen Ansatz, der bei anderen öffentlichen Prozessen selbstverständlich ist, darf nicht ökonomischen Interessen weichen. 1. Brull et al. RegAnesthPainMed 2007 2. Brull et al. AnesthAnalg 2007 3. Capdevila Anesthesiology 2005 4. Neuburger Anaesthesist 2006 5. Ruppen Anesthesiology 2006 6. Christie Anaesthesia 2007 7. www.dgai.de/nra 8. Rall et al. Anästh Intensivmed 2006 Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Workshop Chronische Gesichtsschmerzen: Aktueller Stand der Diagnostik und mechanismenorientierte interdisziplinäre Therapiekonzepte Myoarthropathie M. Daubländer, D. Pfau Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie, Mainz Patienten mit craniomandibulärer Dysfunktion berichten häufig nicht nur über Schmerzen im orofazialen Bereich, sondern auch in anderen, nichttrigeminalen Körperregionen. Es wurde daher geprüft, ob bei CMD-Patienten zusätzlich zum bekannten Konzept der myofaszialen Schmerzentstehung eine zentrale Störung der schmerzverarbeitenden Systeme vorliegen könnte. Zu diesem Zweck erstellten wir ein vollständiges somatosensorisches Profil mit der Methode der quantitativen sensorischen Testung (QST), welche über zugrunde liegende Schmerzverarbeitungsstörungen Aufschluss geben kann. 23 Patienten mit chronischer craniomandibulärer Dysfunktion (CMD) sowie 18 gesunde, alters- und geschlechtsgematchte Kontrollprobanden wurden im Rahmen eines interdisziplinären Projektes der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie, der Klinik für Neurologie sowie dem Institut für Physiologie und Pathophysiologie mithilfe einer quantitativen sensorischen Testung (QST) über Gesicht, Rücken und Hand untersucht. Diese beinhaltete die Erfassung von Kälte- und Wärmedetektionsschwellen, thermischen Unterschiedsschwellen, paradoxen Hitzeempfindungen, Kälte- und Hitzeschmerzschwellen, mechanischen Detektionsschwellen für von Frey-Filamente, mechanischen Schmerzschwellen und Stimulus Response-Funktionen für Nadelstiche, dynamisch mechanischer Allodynie, Wind-up für repetitive Nadelreize, Vibrationsschwellen und Druckschmerzschwellen. Die Patienten wurden in eine sensitive Gruppe mit einem hohen Tender Point Score nach den Kriterien des American College of Rheumatology (≥10 Tender Points, n=11) und eine insensitiven Gruppe mit einer geringeren Anzahl an Tender Points (<10 Tender Points; n=12) unterteilt. CMD-Patienten mit einer hohen Anzahl an Tender Points zeigten generalisierte, also über allen Testorten vorhandene Plussymptome mit einer deutlich gesteigerten Empfindlichkeit auf unterschiedliche Schmerzstimuli. Diese Befunde weisen auf eine mögliche Hemmung der deszendierenden Schmerzkontrollmechanismen hin, welche zusätzlich zu dem Konzept der myofaszialen Schmerzentstehung pathogenetische Bedeutung haben kann. Patienten mit CMD sollten auf das Vorliegen generalisierter Schmerzverarbeitungsstörungen untersucht und neue medikamentöse Therapieoptionen zur Verminderung einer zentral bedingten Schmerzempfindlichkeit bei sensitiven CMD-Patienten geprüft werden. Trigeminusneuralgie C. Rolko Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Lehrstuhl für Neuropsychologie Die Differentialdignose bei idiopathischer Trigeminusneuralgie (ITN), Trigeminusneuropathie (TNP) und idiopathischem Gesichtsschmerz (IGS, früher atypischem Gesichtsschmerz) gestaltet sich oft schwierig. V.a. bei längerer Krankheitsdauer kommt es zu einer nicht unerheblichen Überlappung der Krankheitsbilder. Deshalb erscheint eine mechanismen-orientierte Klassifikation sinnvoll und hilfreich. Berichtet wird von einer Untersuchung, in der 42 Patienten mit ITN, 15
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Patienten mit TNP, 15 Patienten mit IGS sowie 24 gesunde Personen einer ausführlichen Quantitativen Sensorischen Testung (QST) nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz unterzogen wurden (Rolke et al., 2006). Die QST-Messwerte der Patienten wurden anhand der Messwerte der gesunden Personen normalisiert und verschiedenen Cluster-Analysen zugeführt (hierarchisch, k-means). Eine Zwei-Cluster-Lösung stellte sich als die robusteste Lösung zur Beschreibung der Daten dar, wobei die verschiedenen Patientengruppen in etwa gleich auf die beiden Cluster verteilt waren. Die beiden Cluster unterschieden sich signifikant in den thermischen Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen wie auch in den mechanischen Schmerzschwellen, wobei das eine Cluster hohe Wahrnehmungsschwellen aufwies und das andere Cluster durch niedrige Schmerzschwellen charakterisiert werden konnte. Primär idiopathischer Gesichtsschmerz M. Daubländer1, C. Rolko2, S. Seddigh3 1 Universitätsklinik Mainz, 2 ehemals: Insitut für seelische Gesundheit, Mannheim, jetzt: BG-Klinik Murnau, 3 DRK Schmerz-Zentrum Mainz Chronische Gesichtsschmerzen: aktueller Stand der Diagnostik und mechanismenorientierte interdisziplinäre Therapiekonzepte. Die Differentialdignose bei idiopathischer Trigeminusneuralgie (ITN), Trigeminusneuropathie (TNP) und idiopathischem Gesichtsschmerz (IGS, früher atypischem Gesichtsschmerz) gestaltet sich oft schwierig. Häufig finden sich zusätzlich klinische Zeichen einer Myoarthropathie (MA) bei den Patienten, oder die MA stellt die Ursache von Gesichtsschmerzen dar. Die Differentierung schmerzursächlicher Befunde kann Schwierigkeiten bereiten. V.a. bei längerer Krankheitsdauer kommt es zu einer nicht unerheblichen Überlappung der Krankheitsbilder. Deshalb erscheint eine mechanismen-orientierte Klassifikation sinnvoll und hilfreich. Berichtet wird von einer Untersuchung, in der 42 Patienten mit ITN, 15 Patienten mit TNP, 15 Patienten mit IGS sowie 24 gesunde Personen einer ausführlichen Quantitativen Sensorischen Testung (QST) nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz unterzogen wurden (Rolke et al., 2006). Die QST-Messwerte der Patienten wurden anhand der Messwerte der gesunden Personen normalisiert und verschiedenen Cluster-Analysen zugeführt (hierarchisch, k-means). Die Cluster-Analyse dient dem Auffinden von Teilgruppen mit ähnlicher Merkmalsausprägung in verschiedenen Variablen in einer Gesamtgruppe. Eine Zwei-Cluster-Lösung stellte sich als die robusteste Lösung zur Beschreibung der Daten dar, wobei die verschiedenen Patientengruppen in etwa gleich auf die beiden Cluster verteilt waren, die sich signifikant in den thermischen Wahrnehmungsund Schmerzschwellen wie auch in den mechanischen Schmerzschwellen unterschieden. Ein Cluster wies hohe Wahrnehmungsschwellen auf und das andere eher niedrige Schmerzschwellen. In einer weiteren Untersuchung wurden 15 Patienten mit einer MA und 15 Patienten einem IGS sowie 15 Normalpersonen ebenfalls mit der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz untersucht. Bei den Patienten mit MA ließen sich vermehrt Zeichen der zentralen Sensibilisierung (mechanische Hyperalgesie und Kälterhyperalgesie) nachweisen, während ein Teil der Patienten mit IGS auch Zeichen der Deafferentierung aufwiesen. Der IGS scheint keine einheitliche Krankheitsentität darzustellen. Untersuchungstechniken zur Offenlegung klinischer Plus- und Minusphänomene im Gesicht werden dargelegt und gemäß einem mechanismenorientierten Ansatz Therapiekonzepte abgeleitet.
Assoziierte Symposien Schmerztherapie – Quo vadis? Janssen-Cilag GmbH Therapie chronischer Schmerzen: Galenik – Pharmazeutischer Meilenstein der Schmerztherapie? K. Güttler Institut für Pharmakologie, Uniklinik Köln In der pharmakologischen Bewertung eines Arzneistoffes dominiert seine pharmakodynamische Wirkung, d.h. das Verhältnis von erwünschten zu unerwünschten Wirkungen: das Nutzen-Risko-Profil. Danach folgen die pharmakokinetischen Kriterien der Substanz, die nach dem LADME-Konzept aus der Freisetzung des Wirkstoffes (Liberation), Absorption im Gastro-Intestinal-Trakt, Verteilung im Organismus (Distribution), seiner Metabolisierung und Elimination bestehen. Dabei ist die Freisetzung, die sog. Galenische Phase im Regelfall für den Pharmakologen eher zweitrangig. Die Galenik (heutzutage auch pharmazeutische Technologie genannt) determiniert durch entsprechende Vermischung von Hilfsstoffen und mittels komplexer Herstellungsprozesse die Metamorphose des Arzneistoffes zum Fertigarzneimittel und bestimmt damit die Dar reichungsform oder Arzneiform, also die Zubereitung, in der ein Wirkstoff appliziert wird. Die heute zur Schmerztherapie verfügbaren Opioide sind seit Jahrzehnten, z.T. seit Jahrhunderten bekannt (z.B. Morphin 1806, Heroin 1874, Oxycodon 1915, Hydromorphon 1925, Pethidin 1939, Methadon 1949, Fentanyl 1960, Piritramid 1969, Tilidin 1970, Tramadol 1977, Buprenorphin 1981). Nicht etwa eine neu-entdeckte pharmakologische Besonderheit bei einem dieser Opioide, sondern die innovative pharmazeutische Technologie hat das Verdienst, Stern- und Geburtsstunde für eine effektive Therapie chronischer Schmerzpatienten zu sein: die Zulassung am 7. Dez. 1983 des ersten oralen Opioidpräparates mit retardierter Freisetzung. Statt in praxi nicht durchführbarer 4-stündlicher Injektionen genügte nun die 8-stündliche orale Einnahme der Retardtablette, um eine suffiziente Schmerztherapie zu gewährleisten. Dies bedeutete eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität insbesondere für Tumorkranke. In der Schmerztherapie wurde zunehmend evident, dass die Behandlung chronischer Schmerzen eine Rund-um-die-Uhr-Analgesie erfordert und nicht eine Analgesie nur bei Bedarf, deshalb wuchs die Bedeutung von retardierten Analgetika und damit die Anforderungen an die pharmazeutische Technologie ständig. Die Einführung (1991) des sog. Transdermalen Therapeutischen Systems (TTS) durch Janssen mit dem Fentanyl-Schmerzpflaster löste einen regelrechten „Pflaster-Boom“ aus. Erstmals waren nahezu stabile Opioid-Plasmaspiegel über 3 Tage Realität geworden. Inzwischen sind Pflastersysteme auf dem Markt, die eine Wirkdauer von ca. 7 Tagen haben. Parallel zu den transdermalen Formen versuchte man, diese Rundum-die-Uhr-Analgesie auch auf dem oralen Weg möglich zu machen. Dabei sind die Galeniker nicht von Fehlschlägen verschont geblieben wie etwa beim Gastrointestinalen Therapeutischen System (GITS) in AMUNO-GITS, wo eine unerwartete lokale Wechselwirkung vom Wirkstoff Indometacin mit Kaliumionen aus dem Hilfsstoff Kaliumbicarbonat in der Darmschleimhaut zu fatalen Perforationen führte. Bei einer nur in den USA zugelassenen 24-Stunden-Retardform von Hydromorphon (PALLADON XL) kam es 2005 bei gleichzeitigem Alkoholgenuß zu schwersten Intoxikationen, weil der Alkohol die Retardwirkung aufhob und die gesamte Opioidmenge unvermittelt freigesetzt wurde (>5-facher Anstieg der maximalen Plasmakonzentration). Im Gegensatz dazu zeigt die 24-Stunden-Retardierung von Hydro-
morphon, die im Jahr 2006 von Janssen-Cilag eingeführt wurde, im ausgereiften oralen osmotisch-aktiven System (OROS) mit dem inerten Quellstoff Polyethylenglykol gute Therapieerfolge ohne derartige Interaktionen. Nachdem anfangs besonders die Verlängerung der analgetischen Wirkung von kurzwirkenden Opioiden Schwerpunkt der galenischen Forschung war, steht inzwischen auch die Suche nach Zubereitungen für eine effektive Koupierung der oft schlagartig einsetzenden sog. Durchbruchschmerzen im Fokus der pharmazeutischen Technologie. So verläuft z.B. die Entwicklung der Opioid-Nasalsprays bisher durchaus erfolgversprechend. Zusammenfassend ist aus pharmakologischer Sicht zu konstatieren, dass die pharmazeutische Technologie entscheidende Innovationen in der Therapie chronischer Schmerzpatienten geleistet hat – und hoffentlich weiterhin leisten wird. Therapie chronischer Schmerzen: Immer Stufenschema? M. Strumpf Rotes Kreuz-Krankenhaus, Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Bremen Das Stufenschema der WHO wurde 1986 als didaktisches Instrument entwickelt. Ziel war es, mit möglichst wenigen Substanzgruppen, die in vielen Ländern verfügbar und möglichst preiswert sein sollten, die Tumorschmerztherapie weltweit zu verbessern. Die einzelnen Stufen orientieren sich an der Schmerzstärke. Dieses einfache Schema war in Anwendungsbeobachtungen so effektiv, dass es bald auch zur Behandlung chronischer nicht-tumorbedingter Schmerzen eingesetzt wurde, allerdings mit weniger Erfolg als in der Tumorschmerztherapie. Die neurobiologischen Erkenntnisse der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass weder eine Charakterisierung der in der Schmerztherapie verwendeten Medikamente nach ihrem Wirkungsort (zentral, peripher) sinnvoll ist, noch eine Indikationsstellung nach der Intensität der Schmerzen. Schmerz ist ein äußerst komplexes Symptom, dem verschiedene pathophysiologische Mechanismen zugrunde liegen, die sich zudem im Laufe der Erkrankung verändern können. Um eine effektive medikamentöse Schmerztherapie durchführen zu können, ist es erforderlich, bei jedem Patienten individuell die Schmerzmechanismen zu diagnostizieren und eine individuelle, mechanismenorientierte Pharmakotherapie durchzuführen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass verschiedene pathophysiologische Mechanismen nicht nur nacheinander, sondern auch parallel oder sich gegenseitig beeinflussend ablaufen. Erforderlich ist also häufig eine sinnvoll aufeinander abgestimmte Kombination von Substanzen, für die uns heute eine große Palette von Medikamenten zur Verfügung steht. Das WHO-Stufenschema hat als simples Basiskonzept seine Berechtigung. Die spezialisierte Schmerztherapie darf aber nicht nur symptomlindernd sein, sondern es müssen möglichst früh ursachenorientierte und krankheitsbeeinflussende Medikamente eingesetzt werden, die in ein interdisziplinäres Gesamtkonzept integriert sind.
Facetten neuropathischer Schmerzen Pfizer Pharma GmbH Mixed Pain bei Tumorpatienten R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Chronische Schmerzsyndrome bei Tumorpatienten sind häufig durch ein Nebeneinander von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzkomponenten gekennzeichnet (mixed-pain). In einer epidemiologischen Studie traten Knochen- und Weichteilschmerzen in 35% der Patienten auf, viszerale Schmerzen bei 17% und neuropathische Schmerzen bei 9%, während bei den übrigen 39% mehrere Schmerzkomponenten kombiniert waren. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Ursachen nozizeptiver Tumorschmerzen sind vielfältig: Im Rahmen des progressiven Wachstums des Tumors und des begleitenden peritumorösen Ödems lösen der mechanische Druck und die Kapselspannung innerer Organe sowie die freigesetzten Entzündungsmediatoren und die Ischämie Schmerzen aus. Knochenmetastasen verursachen Schmerzen durch Reizung des Periosts und durch Aktivierung nozizeptiver Nerven im Knochenmark. Haut- und Schleimhauttumoren erregen Nozizeptoren zusätzlich durch entzündliche Vorgänge im Rahmen einer Superinfektion. Zu den Ursachen neuropathischer Schmerzen bei Tumorpatienten rechnet man eine Verletzung von Nervenstrukturen bei der Operation, eine Kompression oder Infiltration von Nervenstrukturen durch den Tumor oder durch Metastasen, eine Querschnittverletzung des Rückenmarks durch infiltrierte Wirbelkörper, Verletzungen der Nerven durch die Strahlentherapie und die schmerzhafte Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie. Da nozizeptive und neuropathische Schmerzen durch unterschiedliche Entstehungsmechanismen gekennzeichnet sind, müssen beide Schmerzkomponenten auch unterschiedlich therapiert werden. Liegen Mischformen vor ist demnach eine duale Behandlungsstrategie erforderlich. Bei diesen Mischformen ist es zur Therapieplanung wichtig, den Anteil der neuropathischen Schmerzkomponente an den Gesamtschmerzen abzuschätzen. Mit painDETECT® ist im deutschsprachigen Raum ein Fragebogen erhältlich, der ein einfaches und zuverlässiges Screening-Tool zur Aussage der Wahrscheinlichkeit einer neuropathischen Schmerzkomponente bei chronischen Schmerzerkrankungen darstellt. Dieser Fragebogen wird vom Patienten ausgefüllt und erfasst Schmerzintensität, -muster und -qualität. Daher liefert der Fragebogen zwar einen wichtigen Hinweis auf das mögliche Vorliegen neuropathischer Schmerzen, aber keine sichere Diagnose. Die Sensitivität und Spezifität liegt bei über 80%. Neuropathischer Rückenschmerz R. Freynhagen Universitätsklinikum Düsseldorf Typischerweise wird im klinischen Alltag zwischen radikulären und pseudoradikulären Rückenschmerzen unterschieden. Theoretisch lassen sich für die Entstehung chronischer Rückenschmerzen vier algogene Szenarien diskutieren. Pathophysiologisch sind neben überwiegend nozizeptiven Schmerzkomponenten auch lokale-neuropathische, mechanisch-neuropathische sowie entzündlich-neuropathische Rückenschmerzen vorstellbar 1. Schmerzen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates sind damit keinesfalls immer nur auf eine Stimulation oder Sensibilisierung peripherer Nozizeptoren zurückzuführen sondern können auch neuropathischen Ursprungs sein. Eine aktuelle QST-Studie konnte eindrucksvoll belegen, das auch anhand vermeintlich charakteristischer klinischer Symptome eine Einordnung der verschiedenen Schmerzkomponenten (selbst unter Zuhilfenahme apparativer Zusatzdiagnostik) nicht sicher vorgenommen werden kann und das Patienten mit pseudoradikulären Rückenschmerzen sehrwohl an einer neuropathischen Schmerzkomponente leiden können 2. Genaue epidemiologische Daten zur Häufigkeit neuropathischer Komponenten bei chronischen Rückenschmerzen gab es bislang jedoch nicht. Eine unängst publizierte Studie an annähernd 8000 Rückenschmerzpatienten belegte aber jetzt erstmalig bei 37% der untersuchten Studienteilnehmer das Vorliegen einer neuropathischen Schmerzkomponente mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90% (3). 1. Baron R, Binder A. How neuropathic is sciatica? The mixed pain concept. Orthopäde 2004;33(5):568-75. 2. Freynhagen R, Rolke R, Baron R, et al. Pseudoradicular and radicular low-back pain - A disease continuum rather than different entities? Answers from quantitative sensory testing. Pain (accepted) 2007. 3. Freynhagen R, Baron R, Gockel U, Tolle TR. painDETECT: a new screening questionnaire to identify neuropathic components in patients with back pain. Curr Med Res Opin 2006;22(10):1911-20.
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Nie mehr Post Herpetische Neuralgie? Sanofi Pasteur MSD GmbH Herpes zoster - eine Erkrankung die niemand braucht K.-U. Kern Schmerz - und Palliativzentrum Wiesbaden Herpes zoster kann sowohl in der Aktuphase der Erkrankung, als auch später als sogenannte ‚Postzoster-Neuralgie (PZN)’ oder ‚postherpetische Neuralgie (PHN)’ heftigste Schmerzen auslösen, welche als definitive, neuropathische und sehr quälende Schädigung lebenslang fortbestehen können. Die Definition einer PHN ist nicht einheitlich geregelt, was die Vergleichbarkeit von Studien über Prävalenz und Prognosen erheblich erschwert. Von ‚30. Tag nach Effloreszenzen-Beginn’ über ‚3 Monate nach Verkrustung’ bis zu ‚6 Monate nach Abheilung’ werden viele Zeitpunkte als Beginn einer PHN verwendet. Die meisten Erkrankungen betreffen den N. trigeminus und die thorakalen Segmente, Befall lumbal und sacral hingegen ist eher selten. Besonders die craniale Erkrankung, der Befall des Plexus brachialis und die thorakale Lokalisation sind häufiger durch eine PHN gekennzeichnet. Frühe, starke Schmerzen und hämorrhagische Verlaufsformen erhöhen das Risiko, aber auch frühe, sensible Ausfälle können Ausdruck einer schweren peripheren Nervenschädigung mit der Folge anschließender, schwerer Neuralgien sein. Besonders Patienten jenseits des 50. Lebensjahres haben ein drastisch erhöhtes Risiko für eine PHN, im Alter über 70 Jahre beträgt dies sogar ca. 75% ! Aus schmerztherapeutischer Sicht ist daher die frühzeitige, konsequente Intervention beim akuten H. zoster eine entscheidende Maßnahme, präventiv am besten eine rechtzeitige Impfung. Die Pfeiler der Akuttherapie sind : 1. Frühzeitige und lückenlose (!) antivirale Therapie (bes. bei älteren Pat. und Risiko-Pat.) zur Eindämmung der entzündlichen Nervenschädigung, 2. Vermeidung einer peripheren und zentralen Sensibilisierung durch konsequente Analgetika-Gabe, 3. Sympathikus-Blockaden zur Beendigung der reaktiven, schädigenden Vasokonstriktion bei Risikogruppen. Die Behandlung der PHN berücksichtigt nun den mehr neuropathischen und weniger akut-entzündlichen Schmerzcharakter: Gut belegt ist die Wirksamkeit von Antikonvulsiva (bes. Gabapentin und Pregabalin) und trizyklischer Antidepressiva. Die Datenlage für Opiate ist weniger gut, jedoch sollen ca. 2/3 der Patienten gut behandelbar sein. Orale Kortikoide sind wirkungslos bzgl. der PHN, der rückmarksnahe Einsatz ist umstritten und die Datenlage nicht hinreichend. Lokale Anwendung von Capsaicin, Lidocain-Pflaster und ASS sind beschrieben, jedoch selten eine Option für eine Dauerbehandlung. Eine interessante Option ist der Einsatz von NMDA-Antagonisten, er gehört wie auch Spinal cord stimulation und implantierbare Morphinpumpen in die Hand des Erfahrenen. Eine interessante Option zur Prophylaxe stellt die Zoster-Impfung dar, mit welcher in einer Studie mit großer Teilnehmerzahl die Inzidenz von Herpes zoster und PHN eindrucksvoll reduziert werden konnte. Die Schmerzproblematik im Krankheitsverlauf des Herpes zoster R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Die klinische Schmerzsymptomatik des akuten Herpes zoster und der PZN ist charakteristisch. Es lassen sich, in individuell unterschiedlicher Ausprägung und veränderlich über den Krankheitsverlauf, drei verschiedene Schmerzformen unterscheiden: 1. ein brennender Dauerschmerz, 2. kurze, einschießende Schmerzattacken und 3. heftigste Berührungsschmerzen, die sogenannte mechanische Allodynie. Die Dauerschmerzen sowie die Allodynie können sich im Krankheitsver-
lauf in benachbarte Dermatome ausbreiten, ohne dass in diesen kutane Veränderungen sichtbar waren. Zusätzlich kann im befallenen Areal eine Hyp- oder Anästhesie, Hypalgesie, aber auch Par- und Dysästhesien bestehen. In manchen Fällen tritt ein zum Teil quälender Juckreiz auf. Als Residuen der Effloreszenzen können Narben, z. T. mit einem pigmentierten Randsaum, verbleiben. Die populations-basierte Inzidenz des akuten Herpes zoster beträgt 22,6 auf 10.000 Personen. In 54% der Fälle sind thorakale Dermatome, insbesondere Th5 (15%), und das Innervationsgebiet des N. trigeminus (20%), hier insbesondere der erste Ast (Zoster ophthalmicus, 13%), betroffen. In ca. 50% der Fälle sind zwei oder mehr Dermatome betroffen, ohne dass es eine Seitenpräferenz gibt. Zum Zeitpunkt der Abheilung der Effloreszenzen bestehen noch bei 12-20% der Patienten Schmerzen, einen Monat später ca. 9-15%, ein Jahr später 2-5%. Die Inzidenz der PZN ist altersabhängig. Im Lebensalter von 60-70 Jahren beträgt diese 50-75%. Das Alter ist somit auch ein gewichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer PZN. Bei der pharmakologischen Therapie der postzosterischen Neuralgie ist häufig bereits in der Frühphase eine Kombination aus verschiedenen Substanzklassen mit unterschiedlichen Angriffspunkten notwendig. Die Basistherapie besteht aus tricyklische Antidepressiva ± Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Calciumkanäle ± Antikonvulsiva mit membran-stabilisierender Wirkung ± langwirksame Opioide. Topische Therapieoptionen mit Lidokain-Pflastern sind vor allem bei lokalisierten Symptomen, wie der Allodynie hilfreich.
Die wesentlichen Studienendpunkte waren die Zosterinzidenz, die Schwere der Erkrankung (Score, bezogen auf Häufigkeit, Dauer und Schwere des Zosterschmerzes über 6 Monate) und die Inzidenz der PZN. Der Beobachtungszeitraum betrug im Durchschnitt 3,1 Jahre. Während dieser Zeit kam es bei 957 Personen zu einem Zoster, von denen 315 die VZV-Impfung und 642 Placebo erhalten hatten. Die Wirksamkeit der Impfung, bezogen auf die Studienpunkte, ist überzeugend: • Reduktion der Zosterinzidenz 51% • Reduktion der PZN 67% • Reduktion der Schwere des Zosterschmerzes 61%
Die Krankheitslast durch Herpes zoster reduzieren? P. Wutzler Friedrich Schiller Universität Jena, Institut für Antivirale Chemotherapie
Durchbruchschmerz – neue Wege in der Therapie Cephalon GmbH
Fast jeder Erwachsenen hat Varizellen durchgemacht und ist somit Träger des Varicella-Zoster-Virus (VZV), das nach der Primärinfektion latent in den sensiblen Spinal- bzw. Hirnnervenganglien verbleibt. Eine Reaktivierung dieser Viren kann sich klinisch als Zoster manifestieren, wobei Häufigkeit und Schwere der Erkrankung mit dem Lebensalter zunehmen. Auf die gesamte Lebensspanne bezogen, beträgt das geschätzte Risiko an einen Zoster zu erkranken ca. 25%. Bei 1020% dieser Patienten kommt es zu einer postzosterischen Neuralgie (PZN), die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann und mit hohen Behandlungskosten verbunden ist. Es sei daran erinnert, dass das „Heilige Feuer“, wie Celsus den Zosterschmerz beschrieb, eine der häufigsten Ursachen für Suizide bei den über 70-Jährigen in Deutschland ist. Damit stellt der Zoster eine nicht unerhebliche gesundheitliche und ökonomische Belastung dar. Eine Zosterprävention durch Impfung kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Eine Möglichkeit ist die VZV-Schutzimpfung im frühen Kindesalter. Das Impfvirus etabliert zwar eine Latenz in den Neuronen und kann auch wieder reaktiviert werden, ein Zoster tritt jedoch wesentlich seltener auf und nimmt einen leichteren Verlauf als nach einer Wildvirusinfektion. So war z.B. in einer Fallkontrollstudie an leukämiekranken Kindern die Inzidenzrate bei Geimpften mit 0,8/100 Personenjahre versus 2,64/100 Personenjahre signifikant niedriger als bei ungeimpften Kindern mit vorausgegangener natürlicher Infektion. Die zweite Möglichkeit zur Senkung der Zostermorbidität besteht in der Boosterung der zellvermittelten Immunität bei Personen, die bereits mit dem Wildvirus latent infiziert sind. Ältere Menschen, die die Zielgruppe für eine solche Auffrischungsimpfung sind, reagierten mit einem nachhaltigen Anstieg der zellulären Abwehr. In einer orientierenden Fallkontrollstudie wurden vielversprechende Ergebnisse erzielt. Sie bildeten die Basis für die sogenannte „Shingles Prevention Study“, mit der geprüft werden sollte, ob durch die Impfung mit einer VZV-Lebendvakzine die Inzidenz und Schwere des Zoster sowie der PZN bei Personen ab dem 60. Lebensjahr reduziert werden können. Die Rekrutierung der insgesamt 38.546 Probanden erfolgte von November 1998 bis September 2001, der Beobachtungszeitraum endete im April 2004. Mitte 2005 wurden die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Untersuchungen vorgestellt.
Die Impfung erfolgte mit einer VZV-Vakzine, deren Viruskonzentration ca. 14-fach höher ist als die des Varizellenimpfstoffes. Diese Vakzine wurde von den Probanden generell gut toleriert, auch wenn es häufiger zu Reaktionen an der Impfstelle kam als in der Plazebogruppe. Varizellen- oder Zoster-ähnliche Exantheme traten selten auf. Neben der frühzeitigen Behandlung mit selektiven Virostatika, die einen milderen Krankheitsverlauf und eine Schmerzreduktion bewirken, bietet die Impfung mit der Lebendvakzine eine weitere Möglichkeit, die gesundheitlichen Belastungen durch den Zoster zu verringern. Die generelle Varizellenimpfung im Kindesalter und die in Zukunft verfügbare Zosterimpfung für ältere Menschen werden dazu beitragen, dass auch der Zoster seinen Schrecken verliert.
Durchbruchschmerz – ein offensichtliches Problem? T. Wagner Klinik für Schmerztherapie Medizinisches Zentrum Kreis Aachen Die Inzidenz von Durchbruchschmerzen wurde in unterschiedlichen Untersuchungen (1-6) zwischen 40 – 80% geschätzt. Diese erhebliche Diskrepanz der Auftretenshäufigkeit solcher episodischer Schmerzen ist nicht nur durch inhomogene Patientenpopulationen bedingt, sondern findet seine Ursache vielmehr in einer Vielzahl differierender Definitionen des Terminus „Durchbruchschmerz“. Während einige Autoren davon ausgehen, dass jeglicher episodisch auftretender Schmerz (also auch Migräneattacken) als Durchbruchschmerzen bezeichnet werden sollten, sind andere Autoren der Überzeugung, dass der Terminus Durchbruchschmerz nur bei Tumorschmerzpatienten verwendet werden sollte und dann nur auf dem Boden einer sonst suffizienten Schmerzeinstellung mit stark wirkenden Opioiden. Die Konsensus-Konferenz der European Association for Palliative Care definiert Durcbruchschmerz als vorübergehende Schmerzexazerbation in sonst stabilen Schmerzzverhältnissen, also eine hohe Schmerzintensität für eine begrenzte Zeit oder anders ausgedrückt: eine Episode unkontrollierten Schmerzes. (7) Des Weiteren sollten Durchbruchschmerzen von neuropathischen Schmerzsyndromen abgegrenzt werden, die ebenfalls attackenförmig auftreten, aber durch einen speziellen Pathomechanismus von einem nozizeptiven Durchbruchschmerz abgegrenzt werden müssen und entsprechend auch anderen therapeutischen Maßnahmen zugänglich sind (7). Ebenso sollte die sogenannte „end-of-dose-failure“, also ein für den betreffenden Patienten nicht optimales Einnahmeintervall der jeweiligen Medikation mit vorzeitig absinkendem Wirkspiegel und konsekutivem Schmerzanstieg abgegrenzt werden (6). Neben der Schwierigkeit einer einheitlichen Definition von Durchbruchschmerzen gibt es mehrere differentialdiagnostische Erwägungen, die zur Diagnose von Durchbruchschmerzen führen. Neben der körperlichen Untersuchung ist hier vor allem die korrekte Anamneseerhebung sowie die entsprechende Verlaufskontrolle des Therapieerfolges Ziel führend. Bei dem - häufig bei älteren Patienten – beobachteten Phänomen des „under-reporting“ (der Patient sagt Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts nichts, der Arzt fragt nichts) sollten standardisierte Frageninventare und Verlaufskontrollen zur Erhebung des Durchbruchschmerzes, vor allem im palliativen Setting, angewendet werden. Einige der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel werden in dem Referat vorgestellt und in ihrer Handhabbarkeit bewertet. 1. Portenoy RK in Pain 1990 2. Fine PG in J pain sympt. Manage 1998 3. Petzke F in J pain symptom manage1999 4. Portenoy RK in Pain1999 5. Zeppetella G in J pain symptom manage 2000 6. Svendsen KB in European journal pain 2005 7. Mercadente S in Cancer 2002
Lunchsymposien Restless Legs Syndrom – frühe Weichenstellung durch den Schmerztherapeuten GlaxoSmithKline GmbH Aktuelle Leitlinien zur Therapie des RLS S. Happe Abtlg. für Klinische Neurophysiologie, Klinikum-Bremen-Ost, Bremen / Universität Göttingen Das Restless Legs Syndrom (RLS) zählt mit einer Prävalenz von ca. 10% in Deutschland zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Patienten leiden mehrfach wöchentlich unter sensiblen und motorischen Beschwerden der Beine, die vor allem abends und nachts in Ruhe auftreten. Der daraus resultierende Bewegungsdrang und die Besserung der quälenden Unruhe durch z.B. Umherlaufen führen bei vielen Patienten zu ausgeprägten Schlafstörungen, die wiederum die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität am Folgetag einschränken können. Die Pathophysiologie des RLS ist bis heute nicht vollständig geklärt, das dopaminerge System scheint jedoch neben dem opioidergen System und dem Eisenstoffwechsel eine bedeutende Rolle zu spielen. Die typische Anamnese ermöglicht in den meisten Fällen rasch die klinische Diagnosestellung (nach Allen et al. 2003). Bei differenzialdiagnostischer Unsicherheit kann eine polysomnographische Untersuchung durch den Nachweis der periodischen Beinbewegungen als stützendes diagnostisches Kriterium (Periodic Limb Movements = PLM) weiterhelfen. Die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN, 2005) empfehlen L-Dopa und Dopamin-Agonisten als Therapie der ersten Wahl. Seit Frühjahr 2006 sind neben L-Dopa/Benserazid (Restex®) in Deutschland nun auch die Dopaminagonisten Pramipexol (Sifrol®) und Ropinirol (Adartrel®) in der Behandlung des RLS zugelassen, in naher Zukunft wahrscheinlich auch transdermale Dopaminagonisten. Alternativen stellen Opiate, Antikonvulsiva und Benzodiazepine dar. In den letzten Jahren ist zunehmend das Phänomen der Augmentation in das Zentrum des wissenschaftlichen Interesses gerückt, d.h. die Zunahme der Schwere der Symptome sowie die Vorverlagerung am Tage unter einer dopaminergen Therapie über den Schweregrad vor Beginn der medikamentösen Behandlung hinaus. Hier empfehlen die aktuellen DGN-Leitlinien als Vorgehen der Wahl eine Umstellung auf Dopamin-Agonisten, die in der Langzeitbehandlung des RLS eine geringere Augmentationsrate zeigten als L-Dopa. Bei Auftreten einer Augmentation unter einem Dopaminagonisten sollte auf ein Antikonvulsivum oder ein Opiat umgestellt werden. In diesem Vortrag werden die neueren Entwicklungen in der Behandlung und insbesondere die Leitlinien zur Therapie des RLS dargestellt und diskutiert.
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Medikamentöse Behandlung von Bewegungsschmerz – Strategien und Evidenzen MSD Sharp & Dohme GmbH Molekulare Zielstrukturen für moderne Analgetika K. Brune Institut für Exp. und Klin. Pharmakologie und Toxikologie, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen Akute und rezidivierende Schmerzen beruhen überwiegend auf dem Phänomen der Hyperalgesie. Dabei kommt es zu einer erhöhten Empfindlichkeit peripherer Schmerzsensoren und einer verstärkten Weiterleitung nozizeptiver Informationen aus der Peripherie über das Hinterhorn des Rückenmarks zu höheren Zentren und damit zur Bewusstwerdung. In den vergangenen Jahren wurden die molekularen Signaltransduktionswege, die im traumatisierten Gewebe und im Hinterhorn des Rückenmarks zur Hyperalgesie beitragen, identifiziert. Im Vordergrund steht dabei die Erhöhung der Sensibilität des TRPV-1-Rezeptors in nozizeptiven C-Faser-Nervenendigungen und eine verminderte Wirksamkeit glutaminerger, inhibitorischer Interneurone im Rückenmark. Beide Phänomene werden überwiegend durch die peripher und zentral frei gesetzten Prostaglandine vermittelt. Diese Schmerzmediatoren werden mit Hilfe des Enzyms Zyklooxygenase-2, das bei Gewebeschäden vermehrt exprimiert wird, produziert. Die Möglichkeiten, akute und subchronische Schmerzen zu beeinflussen, haben durch die Einführung der selektiven Zyklooxygenase-2-Hemmer einen bedeutenden Fortschritt erhalten. Diese Substanzgruppe hat innerhalb kürzester Frist einen wesentlichen Teil des Nicht-Opiatmarktes übernommen. Wie bei intensiver Anwendung üblich, zeigen aber auch die Coxibe gelegentlich unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Sie betreffen vor allen Dingen die Funktion der Niere, sie können aber gelegentlich auch die Haut und die Hautanhangsgebilde und Andere betreffen. Die auf dem deutschen Markt vorhandenen selektiven Zyklooxygenase-2-Hemmer unterscheiden sich in ihrer Selektivität, ihren pharmakokinetischen Eigenschaften (Anflutung, Verteilung, Elimination) und hinsichtlich ihrer Arzneimittelinteraktionen. Dementsprechend bestimmen Schmerzintensität, Schmerzdauer und Komedikation die rationale Auswahl.
Praktikerseminare PS1 Rückenschmerzen – ein Seminar zur Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen Psychologische Diagnostik und Therapie M. Pfingsten Schmerzambulanz, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Es werden die psychologischen Anteile in der Diagnostik und Therapie eines multimodalen Behandlungsvorgehens nach den Konzepten „Functional Restoration“ und „Fear Avoidance“ vorgestellt. Rückenschmerzen sind mitnichten eine genuine psychosomatische Erkrankung, jedoch zeigen epidemiologische Studien, dass psychosoziale Faktoren den Krankheitsverlauf und die Chronifizierung von Rückenschmerzen besser vorhersagen können als biographische und somatische Parameter. In zahlreichen experimentellen Studien konnte darüber hinaus belegt werden, dass sowohl das Verhalten als auch das Erleben von Patienten mit Rückenschmerzen durch kognitive Faktoren, wie z.B. Katastrophisieren, Schmerzerwartungen und krankheits- und bewegungsbezogene Ängste in erheblicher Weise moduliert wird. Für Patienten mit Rückenschmerzen haben sich insbesondere so genannte Angst-Vermeidungseinstellungen als verhaltenswirksame Chronifizierungsbedingungen erwiesen.
Aus den Ergebnissen dieser Studien ergeben sich wichtige Konsequenzen für die Prävention wie für die Behandlung von Rückenschmerzen und es lassen sich wichtige Parallelen zu bewährten Therapieansätzen aus der Behandlung von Angststörungen aufzeigen. Daraus abgeleitete Behandlungsprinzipien sind in alle Behandlungsteile eines multimodalen Vorgehens integriert. Auch die körperlich orientierten Therapiebausteine wie die Trainingstherapie oder das Arbeitstraining orientieren sich dabei an kognitiv-verhaltenstherapeu tischen Prinzipien. In der Phase der Diagnostik und der Therapieplanung erfolgt die Erfassung individueller bewegungsbezogener Ängste und der daraus resultierende (Vermeidungs-)Verhaltensweisen der Patienten. Unter Berücksichtigung einer funktions-orientierten Sichtweise werden konkrete Zielsetzungen u.a. in Bezug auf das Bewegungsverhalten mit den Patienten vereinbart. In der Informationsvermittlung werden bewegungsbezogene Ängste fokussiert und im Sinne der Reassurance kognitiv-emotionale Unsicherheiten abgebaut. Das körperliche Training wird nach den Prinzipien einer graduellen Exposition und Konfrontation im Sinne eines kontra-phobischen Ansatzes durchgeführt. Wie bei einem Extinktions-Training sollen die Betroffenen die körperlich erlebbare Erfahrung machen, das sie Bewegungen und Belastungen durchführen können, ohne dass es zu einer Verschlimmerung der Schmerzen kommt. Kognitive Techniken unterstützen diesen Prozess. Bei diesem Vorgehen kommt dem spezifischen BehandlungsSetting und dem Verhalten des gesamten therapeutischen Teams eine besondere Bedeutung zu. 1. Hildebrandt J, Pfingsten M et al. (2004) Das Manual - Göttinger Rücken-Intensiv-Programm (GRIP). congress compact verlag, Berlin 2. Pfingsten M (2005) Bio-psycho-soziale Einflussfaktoren beim Rückenschmerz und Konsequenzen für die Bewegungstherapie. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 21:152-158
PS2 Biofeedback und Neurofeedback
P. Kropp1, U. Niederberger2 1 Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Nervenheilkunde, Rostock; 2 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Institut für Med. Psychologie und Med. Soziologie, Kiel Neben Entspannungsverfahren, operanten und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätzen hat sich in den letzten Jahren zunehmend die Biofeedback-Therapie zur Behandlung chronischer Schmerzzustände und funktioneller Störungen etabliert. Das Grundprinzip dieser Behandlung ist einfach: Grundsätzlich können alle autonom oder zentral ablaufenden Körperfunktionen über Biofeedback beeinflusst werden. Sie müssen nur bewusst wahrgenommen werden. Dadurch lassen sich diese Funktionen willentlich beeinflussen und so in die gewünschte Richtung verändern. Dies gilt in besonderem Maße auch für Schmerzzustände. Im Praktikerseminar werden die Grundlagen der Biofeedbacktherapie vorgestellt und es folgen einige Fallbeispiele bei der Anwendung im Bereich chronischer Schmerzzustände. Abgerundet wird das Seminar mit praktischen Übungen der Teilnehmer an verschiedenen Biofeedbackgeräten.
PS3 Besonderheiten der Pharmakotherapie beim alten Patienten
I. Gralow Schmerzambulanz und -Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum (UKM), Münster Die demographische Entwicklung der Bevölkerung in westlichen Industrienationen macht es erforderlich, sich zunehmend mit den spezifischen Gesundheitsproblemen, insbesondere mit altersspezifischen Schmerzsyndromen auseinander zu setzen. Nachlassende Funktion
der für den Metabolismus entscheidenden Organe, Arzneimittelinteraktionen bei Multimorbidität, eingeschränkte Evaluation sowie fehlende Studien erschweren die praktische Umsetzung der berechtigten Forderung nach weitgehender Schmerzlinderung auch im höheren Lebensalter. Altersspezifische Besonderheiten einer differenzierten Pharmakotherapie und Tipps für den klinischen Alltag sollen vermittelt werden.
PS4 Bauchtänzer und Dickköpfe
U. Damschen, A. Menke Vestische Kinder-/Jugendklinik, Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und pädiatrische Palliativmedizin, Datteln Organisation und Inhalte der ambulanten Schmerzgruppen für Kinder im Alter von 9 - 14 Jahren mit chronischen Bauch- bzw. Kopfschmerzen. Folgende Schwerpunkte sollen vorgestellt werden: Patientenakquisition, Aufbau der einzelnen Gruppenstunden/Kursinhalte, Qualifikation der Trainer und Finanzierung der Kurse.
PS5 „Fallstricke“ einer iatrogenen Chronifizierung und iatrogene Nervenschädigungen
I. Gralow1, I. W. Husstedt2 1 Schmerzambulanz und -Tagesklinik, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, 2 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum (UKM), Münster Anhand von Fallbeispielen aus der eigenen klinischen sowie gutachterlichen Praxis sowie von möglichen Fallbeispielen der Teilnehmer (diese sollten explizit dazu aufgefordert werden, eigene Problemfälle beizusteuern) sollen Fehlindikationen spezifischer schmerztherapeutischer Verfahren und nicht hinreichend berücksichtigte Risikofaktoren einer Chronifizierung analysiert werden, um die „Fallstricke“ (oft nicht nur fehlende interdisziplinäre Differentialdiagnostik, sondern auch problematische Verstrickung in der Arzt-Patient-Beziehung) erkennen und vermeiden zu können.
PS6 Problempatienten in der Akutschmerztherapie Patienten mit chronischen Schmerzen, Drogen abhängige Patienten W. Meißner Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie Friedrich-Schiller-Universität Jena Die Schmerztherapie bei opioidgewöhnten Patienten ist häufig durch folgende Merkmale erschwert: • Toleranzentwicklung hinsichtlich Analgesie, Sedierung, Übelkeit, nicht jedoch gegenüber gastrointestinalen Motilitätsstörungen • Opioid-Kreuztoleranz • Erhöhte Schmerzempfindlichkeit • Kachexie, Eiweißmangel • Reduzierte Immunkompetenz • Beikonsum weiterer Substanzen (z.B. Benzodiazepine, Ketamin), auch • während des Krankenhausaufenthaltes • Schlechte Venenverhältnisse • Spritzenphobie • Angstzustände, Psychosen Die Grundzüge der Therapie akuter Schmerzen bei diesen Patienten sollten sich daran orientieren, eine effektive Analgesie zu erreichen und eine perioperative Entzugssymptomatik zu verhindern. Bei Drogenmißbrauch sollte eine Verstärkung der Abhängigkeitsproblematik vermieden werden. Dabei werden – in der Regel auf empirischer Basis – folgende Aspekte empfohlen: Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts • Fortsetzung bzw. Substitution einer kontinuierlichen Opioidzufuhr zur Vermeidung von Entzugssituationen • Ausnutzen anderer pharmakologischer Strategien (Nichtopioide, Antiepileptika, evt. NMDA-Rezeptorantagonisten) • Ausnutzen regionalanästhesiologischer Verfahren • Beachten möglicher Organfunktionseinschränkungen • Bei Drogenmißbrauch: Vermeiden der Gabe schnell wirksamer, vor allem lipophiler Opioide am wachen Patienten (möglichst keine PCA mit Opioiden) (Insbesondere ehemalige Drogenabhängige sollten nicht erneut mit schnell anflutenden Opioiden konfrontiert werden) • Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, Angstreduktion (dazu gehört auch striktes Einhalten der ärztlichen Schweigepflicht – unter Einbeziehung des nichtärztlichen Personals!!) • Sorgfältige Entlassungsplanung Opioidabhängige Patienten haben das gleiche Recht auf eine differenzierte Schmerztherapie wie alle anderen Patienten – dabei ist es gleichgültig, ob eine therapeutische oder mißbräuchliche Einnahme vorliegt. Eine offene Kommunikation sowie eine Vermittlung realistischer Therapieziele sind dabei unabdingbar.
PS7 Der „schwierige“ Schmerzpatient: Lösungsansätze im interdisziplinären Team Was verstehen wir unter einem „schwierigen“ Schmerzpatienten? M. Legat Schmerzzentrum Mainz Sowohl in der Schmerzpraxis als auch in der Klinik begegnen dem Therapeuten immer wieder Schmerzpatienten, die von einem interdisziplinär arbeitenden Team übereinstimmend als „schwierig“ bezeichnet werden. Dabei können im wesentlichen 2 Aspekte heraus gearbeitet werden. Einmal bestehen Zielkonflikte. Dies kann zum Beispiel ein laufendes Rentenverfahren sein, indem es dem Patienten unter anderem darum geht eine adäquate, meist somatische Diagnose zu erhalten, während das Behandlungsergebnis eher in den Hintergrund tritt. Es können aber auch ganz unterschiedliche Erwartungen in das Behandlungsergebnis existieren. So wird bspw. der Patient eine inadäquate Schmerzreduktion oder Schmerzfreiheit, der Behandler zunächst eine Verbesserung der Funktion und ein Undulieren der Schmerzstärke erwarten. Der zweite Aspekt beruht eher auf Differenzen betreffend dem „Weg zum Ziel“. So können sowohl psychische als auch körperliche Beeinträchtigungen hier multimodale Konzepte erheblich beeinträchtigen. Hier spielen gewisse Persönlichkeitsakzentuierungen, Demotivation, Angstkomponenten, Multimorbidität eine erhebliche Rolle. Die einzelnen Aspekte und ihre Einflüsse auf Teilkomponenten des multimodalen Schmerztherapieprogramms werden im Vortrag ausführlich dargestellt. Psychische Komorbidität – Konsequenzen für die Therapie T. Müller DRK-Schmerzzentrum Mainz Ein Schmerzpatient wird in der täglichen Praxis von einem interdisziplinär arbeitendem Team dann als schwierig erlebt, wenn Vorstellungen über die Durchführung der Therapie konfligieren. Die Behandlung verläuft in diesem Fall für das Behandlungsteam (und den Patienten) oftmals frustran und führt zu negativen Emotionen – die dann auch dem Patienten gegenüber empfunden und / oder gezeigt werden – da Hilfsangebote nicht so wie erwartet angenommen werden und so einem Behandlungskonzept, das auf einer aktiven Mitarbeit des Patienten ausgerichtet ist, Grenzen aufgezeigt werden. Häufig wird der Patient dementsprechend als nicht motiviert oder widerständig wahrgenommen. Grundlegend hierfür können verschiedene psychische Komorbiditäten oder Mechanismen sein. So kann beispielsweise Inaktivität aufgrund von depressiven Störungen entstehen oder Angststörungen ein massives Vermeidungsverhalten bedingen,
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das wiederum einen aktiven Umgang mit der Schmerzerkrankung verunmöglicht. Weiterhin relevant erscheinen ‚Zielkonflikte‘, etwa bei einem parallel zur Behandlung laufenden Berentungsverfahren. Besonders belastend für die interaktiven Ressourcen des Behandlungsteams können ausgeprägte Persönlichkeitsakzentuierungen oder im Extremfall Persönlichkeitsstörungen sein. Aufgrund dieser verschiedenen Faktoren resultiert in der Regel ein gestörter Interaktionsprozess, in dem der Patient in einem bestimmten situativen Kontext (etwa einer Klinik) mit seinen verschiedenen Persönlichkeitsanteilen und Motiven als ‚schwierig‘ wahrgenommene Verhaltensweisen darbietet und auf Behandler trifft, die wiederum selbst verschiedene Persönlichkeitsanteile und Motive aufweisen und verschiedene Handlungen durchführen, die möglicherweise dann vom Patienten als ‚schwierig‘ erlebt werden. Die psychologischen Mechanismen dieses Prozesses sollen anhand von konkreten Beispielen dargestellt und Lösungsmöglichkeiten dieses Dilemmas aufgezeigt werden, die zuerst ein Verstehen der verschiedenen Aspekte dieses Prozesses als Grundlage haben und auf deren Basis dann eine komplementäre Gestaltung der Interaktion von Behandlerseite realisiert werden kann.
PS8 Tumorschmerztherapie
F. Nauck1, B. Zernikow2 1 Universität Göttingen, Abt. für Palliativmedizin, 2 Institut für Kinderschmerztherapie, Pädiatrische Palliativmedizin, Datteln Das Praktikerseminar mit dem Themenkomplex Tumorschmerztherapie soll aktuelle Entwicklungen aufzeigen. An Fallbeispielen soll der Einsatz von Opioiden und die Indikation für einen Opiatwechsel dargestellt und diskutiert werden. Bei vielen Unterschieden sollen die Gemeinsamkeiten in der Tumorschmerztherapie beim Kind aufgezeigt und erörtert werden. Diskutiert werden soll, was auf dem Weg zu einer Verbesserung der Tumorschmerztherapie von Erwachsenen und Kindern hilfreich sein kann.
PS9 Motivierende Gesprächsführung bei chronischen Schmerzpatienten C. Derra, B. Eberhardt Taubertal-Klinik der BfA, Bad Mergentheim; Schmerzpraxis Frankfurt
Das Konzept der motivierenden Gesprächsführung wurde von Miller und Rollnick als Alternative zur sonst üblichen ärztlichen pathogenetisch orientierten Gesprächsgestaltung entwickelt. Es wurde bisher insbesondere im Suchtbereich evaluiert und eignet sich besonders gut bei Patienten, die eine ungünstige Motivationslage in die Behandlung einbringen. Passive Versorgungserwartung, inadäquates Hilfesuchverhalten, mangelnde Compliance und ähnliche Probleme kennzeichnen das Interaktionsverhalten vieler chronischer Schmerzpatienten. Das Seminar gibt einen Einblick in das Konzept der motivierenden Gesprächsführung und möchte an praktischen Beispielen die Möglichkeiten des Vorgehens bei der Diagnostik und Therapie mit den Teilnehmern diskutieren. Die Rolle der interdisziplinären Kooperation und der Schmerzkonferenzen erhält dadurch neue Impulse.
PS10 Patientengruppen in der Akutschmerztherapie Kinder E. Hoffmann1, A. Wiebalck2, H. Hagmeister3, S. Kljucar1 1 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, DRK - Kliniken Berlin Westend, Berlin, 2 Universitätsklinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin BG - Kliniken Bergmannsheil, Bochum, 3 Kliniken für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, CVK und CVM, Berlin Kinder reagieren empfindlicher auf Schmerzreize als erwachsene Patienten aufgrund anatomischer, physiologischer und psychologischer Besonderheiten, die Schmerzverarbeitung und Sensibilisierungspro-
zesse betreffen. Scheinbar harmlose Schmerzreize können das nozizeptive System bis zu Jahren ungünstig beeinflussen (Grunan RE 2000) und im Verlauf zu einer generalisiert erniedrigten Schmerzschwelle führen (Taddio et al.1997). Die natürliche Schmerzabwehr durch segmentale und absteigende Schmerzhemmung ist bei Neugeborenen noch nicht entwickelt und die rezeptiven Felder sind hier größer, dies führt zu einer Beschleunigung von Sensibilisierungsprozessen mit konsekutiver Hyperalgesie oder Allodynie. Spätfolgen sind neurobehaviorale und psychologische Entwicklungsstörungen – sie können durch eine frühzeitige adäquate Schmerztherapie vermieden werden. Auch emotionale Belastung wie Angst oder Stress führt zu einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung (McGrath 1994), sodass bei Folgeeingriffen die Schmerztherapie immer schwieriger wird (Blount et al. 2003). Kognitiv-behaviorale Techniken wie Distraktion, guided imagary und Entspannung können hier erfolgreich eingesetzt werden. Im perioperativen Setting profitiert fast jedes Kind von Regionalanästhesieverfahren, die als sicher und komplikationsarm gelten. Additive Gabe verschiedener Adjuvanzien kann die Effektivität oder die Wirkdauer verbessern. 60-80% der bei Kindern verwendeten Schmerzmedikamente besitzen jedoch keine Zulassung und müssen im „off-label-use“ eingesetzt werden. Signifikante, altersspezifische Unterschiede der Pharmakokinetik müssen bezüglich Resorption, Verteilungsvolumen, Proteinbindungskapazität und Organreife für die Metabolisierung von Analgetika bedacht werden. So haben Früh- und Neugeborene höhere KG-bezogene cerebrale Medikamentenkonzentrationen und sind deshalb als Risikogruppe hinsichtlich Atemdepression und toxischer Reaktionen einzustufen. Bei 2-6jährigen sind höhere KG-bezogene Dosierungen und verkürzte Dosisintervalle für hepatisch metabolisierte Analgetika (z.B. Paracetamol) erforderlich. NSAID wie Ibuprofen dienen als potente Basisanalgetika. Bei starken Schmerzen sind als Alternative zu kontinuierlichen Regionalanästhesieverfahren Medikamente der WHO-Stufe III unentbehrlich. Perioperativ ist die PCA-Therapie mit µ-Agonisten ab dem „Gameboyalter“ eine gute Option. Morphin hat den Nachteil der Kumulation seiner Metaboliten und muß insbesondere bei kleinen Kindern mit Hintergrundinfusion (1-20 µg/kg/h) streng überwacht werden. Als Alternativopiat hat sich das 5mal stärkere Hydromorphon bewährt. Bei stärksten und neuropathischen Schmerzen nimmt der NMDA-Rezeptorantagonist Ketamin einen festen Platz im Behandlungsregime ein. Anhand praktischer Tipps und fallbezogener Dosierungsanleitungen wird demonstriert, wie im klinischen Alltag Kinder mit akuten Schmerzen suffizient behandelt werden.
PS11 Diagnostik bei neuropathischen Schmerzen
S. Rehm, M. Stengel Klinik für Neurologie, Sektion für Neurologische Schmerzforschung und Therapie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Im Rahmen des Seminars werden die einzelnen neurologischen Untersuchungsschritte in der Diagnostik neuropathischer Schmerzen dargestellt. Insbesondere wird auf die Bedeutung der erhobenen Befunde in Hinblick auf die zugrunde liegende Pathophysiologie eingegangen. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die in der Routinediagnostik verwandten elektrophysiologischen Verfahren sowie die elektrophysiologische Diagnostik gelegt.
PS12 Neurologische Basisdiagnostik
V. Lindner Klinikum der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Neurologische Klinik Im Rahmen des Kurses erfolgt die Vermittlung des neurologischen Untersuchungsganges. Es werden die einzelnen Untersuchungsschritte in ihrem praktischen Vollzug mit Beschreibung häufig entstehender Fehler bei Durchführung und Befundeinschätzung demonstriert. Ein
besonderer Schwerpunkt wird auf die Einordnung der erhobenen Befunde unter Berücksichtigung neurologisch-topischer in die diagnostische Einschätzung algesiologischer Erkrankungen gelegt.
PS13 Psychiatrische Erkrankungen und Schmerz
V. Lindner Klinikum der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Neurologische Klinik Im Rahmen des Kurses erfolgt zunächst die Erläuterung der Erlebnisprozesse zur Schmerzentstehung und -verarbeitung in ihrer Beziehung zu psychiatrischen Krankheitsbildern. Im weiteren wird die Arzt-Patienten Beziehung als Ausgangspunkt für eine Erhellung des seelischen Belastungsspektrums des Patienten betrachtet. Schließlich erfolgt die Darstellung der Beurteilungskriterien für eine psychiatrische Statusevaluation.
PS14 Ethnizität, Schmerz und Analgesie: Morbus mediterrane oder welche Patienten machen wirklich Probleme? Genetik, Schmerz und Analgesie U. Stamer Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhlems-Universität Bonn Die ethnische Zugehörigkeit eines einzelnen Patienten kann wesentlichen Einfluss auf Effektivität und Nebenwirkungen einer Pharmakotherapie haben. So können Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Medikamenten / Analgetika durch genetische Varianten, die z.B. spezifisch für Bevölkerungsgruppen aus bestimmten geographischen Regionen der Erde sind, beeinflusst werden. Polymorphismen metabolisierender Enzyme führen zu einer schnelleren, langsameren oder auch fehlenden Transformation entsprechender Substrate. Patienten mit fehlender Enzymaktivität von CYP2D6 (Poor Metabolizer, PM) erfahren keine Analgesie durch Codein und eine reduzierte Analgesie mit höherem Analgetikaverbrauch unter Tramadol verglichen mit Patienten, die mindestens ein funktionelles Allel besitzen. Davon sind 10% der Kaukasier betroffen, während bei Asiaten diese PM-assoziierten Polymorphismen selten sind. In China wurden hauptsächlich „Intermedaite Metabolizer“ mit einer eingeschränkten, aber nicht vollständig aufgehobenen Enzymfunktion mit entsprechender Abweichung im postoperativen Analgetikaverbrauch beschrieben. Patienten mit einer Genduplikation (Ultrarapid Metabolizer, UM), sind durch rasche und intensive Transformation von Tramadol, und Codein in ihre aktiven Metabolite gefährdet für eine Opioid induzierte Atemdepression. Trizyklische Antidepressiva und einige 5-HT3-Rezetorantagonisten werden bei erhöhter Enzymfunktion so schnell abgebaut, dass keine suffizienten Spiegel erreicht werden. Die mangelnde Effektivität könnte durch den behandelnden Arzt als Noncompliance des Patienten fehl gedeutet werden. Die genetische Variante des UM betrifft nur ca. 4% der Menschen in Mitteleuropa. Im Mittelmeerraum steigt die Häufigkeit der UM auf 10%, in Saudi-Arabien und Äthiopien auf bis zu 29%. Die 118GG Variante des mu-Opioidrezeptors ist in einem chinesischen Kollektiv (postoperative Patienten, Morphin-PCA) mehr als doppelt so häufig als bei Patienten aus Mitteleuropa. Da diese Variante im Vergleich zum Wildtyp-Rezeptor mit einem erhöhten Opioidbedarf assoziiert wird, könnten individuelle Dosierungsrichtlinien entsprechend des Genotyps hilfreich sein. Weitere Polymorphismen, z.B. der COMT oder des MC1R Gens (bessere Wirksamkeit von k–OpioidrezeptorAgonisten bei rothaarigen, hellhäutigen Frauen) scheinen eine Bedeutung zu haben. Obwohl in den USA mittlerweile ein nur für Schwarzafrikaner zugelassenes Antihypertensivum auf dem Markt ist, müssen zukünftige Untersuchungen zur Pharmakogenetik zeigen, in wieweit eine individualisierte medikamentöse Therapie realistisch und kosteneffektiv ist. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts PS15 Probleme der Invasiven Schmerztherapie
PS19 Invasive Schmerztherapie – was ist gesichert?
Zahlreiche Fälle aus der Gutachterpraxis zeigen, dass die Indikation für eine Invasive Schmerztherapie oftmals zu schnell und ohne Beachtung der vorliegenden Komorbidität gestellt wird. Anhand von Gutachtenfällen soll diese Problematik dargestellt und interaktiv erarbeitet werden.
Die invasive Schmerztherapie hat sich in den letzten Jahren etwas zum „Stiefkind“ der Speziellen Schmerztherapie entwickelt. Der invasiven Schmerztherapie wird sogar ein bedeutender Faktor bei der Entstehung einer Chronifizierung zugewiesen. Der vorliegende Workshop soll darstellen, was in der invasiven Schmerztherapie tatsächlich gesichert ist und welche Interventionen auf wissenschaftlich sicheren Füßen stehen. Alle in der Schmerztherapie üblichen invasiven Verfahren zur Diagnostik und Therapie werden vorgestellt.
H. Harke (Krefeld), J. Nadstawek (Bonn) Praxis für Schmerztherapie, Krefeld; Schmerzambulanz, Universitätsklinikum Bonn, Med. Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
PS16 Probleme in der Tumorschmerztherapie
M. Schenk, S. Wirz Klinik Havelhöhe Berlin; Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Bonn Dieses Praktikerseminar soll interaktiv mit dem Zuhörer Probleme der praktischen Tumorschmerztherapie erarbeiten. Ziel ist es, die Zuhörer durch Problemfälle der Tumorschmerztherapie zu führen und mehrere Lösungsmöglichkeiten anzubieten.
PS17 Der deutsche Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“: Bedeutung für und Implementierung in die pflegerische Praxis
N. Nestler, J. Osterbrink Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil Bochum; Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft Salzburg Schmerzen beeinflussen das physische, psychische und soziale Befinden und somit die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Darüber hinaus entstehen dem Gesundheitswesen durch schmerzbedingte Komplikationen und einer daraus oft erforderlichen Verweildauerverlängerung im Krankenhaus sowie durch die Chronifizierung von Schmerzen beträchtliche Kosten, die durch ein frühzeitiges Schmerzmanagement in den meisten Fällen erheblich verringert werden könnten. Der vom BMfG in Auftrag gegebene und seit 2004 gültige Expertenstandard beschreibt den pflegerischen Beitrag zum Schmerzmanagement und hat zum Ziel, die Schmerzwahrnehmung der Pflegefachkräfte zu verbessern und so die Zeit zwischen dem Auftreten von Schmerzen und deren Linderung deutlich zu verkürzen. Er berücksichtigt alle Patienten mit akuten oder chronisch-tumorbedingten Schmerzen, schmerzbedingten Problemen oder zu erwartenden Schmerzen in allen Bereichen der pflegerischen Versorgung. Dieses Praktikerseminar beschreibt die unterschiedlichen Ebenen des Standards wie auch das Vorgehen bei der Implementierung in die klinische Praxis und Ergebnisse der Umsetzung aus einer Klinik der Maximalversorgung.
PS18 Diagnostik und Therapie chronischer Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen S. Schroeder, C. Wamsler Institut für Kinderschmerztherapie, Pädiatrische Palliativmedizin, Datteln
Im Rahmen des Praktikerseminars werden wir, anhand von Fallbeispielen aus unserer Kinderschmerzambulanz, auf der Grundlage eines bio–psycho–sozialen Schmerzmodells, Diagnostik und multimodale Therapie im ambulanten Setting bei chronischen Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter diskutieren. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf den häufigsten Kopfschmerzformen wie Migräne und Spannungskopfschmerzen, wir werden aber auch auf Kopfschmerzen bei sehr jungen Kindern und seltene Kopfschmerzformen eingehen.
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H. Harke, J. Nadstawek Praxis für Schmerztherapie, Krefeld; Schmerzambulanz, Universitätsklinikum Bonn, Med. Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
PS20 Quantitative Sensorische Testung
R. Rolke, J. Ludwig Klinik und Poliklinik für Neurologie, Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität Mainz; Universitätsklinikum, Klinik f. Neurologie, Kiel Die quantitative sensorische Testung (QST) umfasst verschiedene psychophysikalische Methoden zur Quantifizierung positiver und negativer sensorischer Symptome, wie z.B. der Allodynie, Hyperalgesie und Hypästhesie. Im Rahmen eines standardisierten und validierten Testprotokolls wird hierbei die Funktion verschiedener Nervenfasern erfasst, die z.T. mit den Standardmethoden, z.B. der Neurographie, nicht erfasst werden. Nach der Dokumentation pathologischer Befunde können sensorische Profile erstellt werden, die zum einen Rückschlüsse auf die Funktionsänderung einzelner Nervenfasern (C- und A-Fasern) geben, zum anderen aber auch im Verlauf der Schmerztherapie kontrolliert und somit als zusätzliche Parameter zur Dokumentation des Therapieeffekts genutzt werden. Dieser Workshop wird die Methodik der QST, die Analyse der Ergebnisse und Beispiele für krankheitsbezogene sensorische Profile vermitteln.
PS21 Gesprächsführung mit chronisch schmerzkranken Kindern bei schwierigen therapeutischen Prozessen A. Doil, R. Pothmann Zentrum Kinderschmerztherapie, Klinikum Heidberg, Hamburg
Die zunehmende Chronifizierung von Schmerzen ist auch schon im Kindesalter eine Herausforderung für komplexe und multidisziplinäre Lösungsansätze. Dies stellt besondere Anforderungen an die professionelle Herangehensweise. Beispielhaft sollen typische potenziell kritische Situationen interaktiv identifiziert und praktisch umsetzbare Lösungswege erarbeitet werden.
PS22 Gesichtsschmerz
S. Förderreuther Neurologische Klinik und Poliklinik der LMU, Konsiliardienst, München Schwerpunkt dieses Seminars sind die neurologischen Ursachen für Gesichtsschmerzen. Nicht alles, was im Gesicht schmerzt ist eine Trigeminusneuralgie! Das Spektrum ist weit und umfasst neben den klassischen Neuralgien – von denen symptomatische Fälle abgegrenzt werden müssen – auch den anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz und verschiedene andere, oft periorbital lokalisierte Schmerzsyndrome, wie zum Beispiel das Tolosa-Hunt Syndrom oder die diabetische kraniale Neuropathie. Neben den differentialdiagnostischen Überlegungen werden auch – soweit relevant – die neurologische Untersuchung, bildgebende Befunde und die Therapie der einzelnen Erkrankungen besprochen.
PS23 Verhaltenstherapie bei chronischem Schmerz Verhaltenstherapie bei chronischem Schmerz J. Korb DRK Schmerz-Zentrum Mainz Psychotherapeutische Methoden haben im Rahmen einer multimodalen Schmerzbehandlung schon lange einen festen Platz. In diesem Seminar wird zunächst Fragen nachgegangen, die sich häufig in der Phase der Diagnostik und Einleitung der Behandlung stellen: Wann besteht die Indikation für eine begleitende psychologische Behandlung? Wie können Vorbehalte auf Seiten der Patienten verringert und die Motivation erhöht werden? Auf welche Weise lässt sich anschaulich (z.B. mit Metaphern) ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell vermitteln? Welche Punkte sollten in einer psychologischen Anamnese erfasst werden? Es werden dann wesentliche verhaltenstherapeutische Methoden, wie die kognitive Umstrukturierung und stufenweise Aktivierung vorgestellt, auf die Problematik „Schmerzbewältigung vs. Akzeptanz“ eingegangen, Möglichkeiten der Vermittlung und Einbindung von Entspannungsverfahren aufgezeigt. Dabei sollen auch Grenzen und Schwierigkeiten der Verfahren zur Sprache kommen. Die Themen werden anhand praktischer Beispiele dargestellt und es besteht die Gelegenheit für Fragen und Diskussion.
PS24 Schmerzerkennung bei Menschen mit kognitiven Defiziten T. Fischer, J. Osterbrink Charité-Universitätsmedizin Berlin; Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft, Salzburg Im Mittelpunkt dieses Workshops steht die Schmerzerkennung und Schmerzeinschätzung bei Menschen mit mittlerer bis schwerer Demenz. Zunächst werden aktuelle Befunde und Überlegungen zum Einfluss demenzieller Erkrankungen auf die Schmerzverarbeitung und das Schmerzerleben hinsichtlich ihrer Bedeutung für den klinischen Alltag untersucht. Im Hauptteil werden dann die beiden auf Deutsch verfügbaren Instrumente zur Schmerzeinschätzung bei Menschen mit schwerer Demenz (BESD, beruhend auf dem US-amerikanischen ������ PAINAD �������������������������������������������������������������� und BISAD, beruhend auf dem französischen ECPA) im Detail vorgestellt. Neben der aktuellen Studienlage wird es dabei vor allem um Einsatz und Nutzen im Alltag gehen, insbesondere bei der ärztlichen und pflegerischen Versorgung im Pflegeheim. Als komplementäres Verfahren wird außerdem die aus den USA stammende Serial Trial Intervention diskutiert werden.
PS25 Triggerpunktbehandlung mit der Nadel D. Irnich Klinikum der Universität/Innenstadt, Klinik für Anaesthesiologie, Schmerzambulanz, München Die Behandlung primärer oder sekundär bedingter myofaszialer Triggerpunkte stellt eine wichtige Behandlungssäule im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte für Patienten mit chronischen Schmerzen am Bewegungssystem dar. Dabei haben Studien gezeigt, dass es für den Erfolg der Behandlung wesentlich ist, relevante Triggerpunkte mittels funktionell-anatomischer Untersuchung exakt zu identifizieren. Mit der Injektion oder der trockenen Nadelung (Dry Needling) können diese dann effizient behandelt werden. Voraussetzung dafür ist eine optimale Technik und die Kenntnis sicherer Zugänge für die Injektion oder Nadelung. In diesem Workshop werden Charakteristik, Lokalisation und Behandlungstechnik der 16 wichtigsten myofaszialen Triggerpunkte (z.B. HWS- und Schultergürtelmuskulatur, M. piriformis, paravertebrale Muskulatur, u.a.) vorgestellt.
PS26 Update der Nichtopioide in der Akutschmerztherapie COX2-Hemmer G. Brodner Fachklinik Hornheide, Universitätsklinikum Münster Cox-2 Hemmer galten als sicherere Alternative zu den NSAID`s. Allerdings findet inzwischen eine Neubewertung des Risikos der Therapie mit Cox-2 Hemmern statt. Rofecoxib und Valdecoxib wurden vom Markt genommen, nachdem in zwei großen randomisierten Studien bei Patienten mit rheumatoider Arthritis [1] und kolonrektalem Karzinom [2] ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Thrombosen und Herzinfarkt beobachtet wurde. Als möglicher Pathomechanismus für dieses Phänomen wird eine Verschiebung der Prostacylin (PGI2) / Thromboxan – Ratio diskutiert. Aufgrund der selektiven Cox-2 Blockade wird das vasodilatierende PGI2 blockiert, während die Plättchenaggregation weitgehend unverändert bleibt, so dass prothrombotische Einflüsse überwiegen. Inzwischen wurden zahlreiche Untersuchungen zum Thema publiziert und in Metaanalysen aufgearbeitet. Scott et al [3] publizierten im März 2007 eine aktuelle Analyse über 14 Fallkontrollstudien (74673 Herzinfarktpatienten; 368968 Kontrollpersonen), sechs Kohortenstudien (387983 Patientenjahre, 1120812 Kontrolljahre), 4 randomisierte kontrollierte Studien bei Patienten mit Kolonadenom (6000 Patienten) und 14 randomisierte kontrollierte Studien bei Patienten mit Arthritis (45425 Patienten). Insgesamt finden sie sowohl bei NSAID`s als auch bei Coxiben eine geringe Risikoerhöhung für Herzinfarkt. Das höchste Risiko wird für Rofecoxib berichtet, der Risikoanstieg bei Coxiben ist ausgeprägter als bei NSAID`s. Im November 2007 wurde eine aktualisierte Empfehlung des „Committe for Medical Products for Human Use“ der europäischen Zulassungsbehörde EMEA veröffentlicht [4]. Nach dieser Empfehlung wird daraufhingewiesen, dass: • die Datenlage für alle Coxibe immer noch nicht für eine abschließende Risikobewertung ausreicht, so dass ein Risikoanstieg insgesamt nicht ausgeschlossen werden kann; • der Risikoanstieg insgesamt eher gering ist, dass aber bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen oder Risikofaktoren eine erhöhte Komplikationswahrscheinlichkeit besteht; • auch Diclofenac und Ibuprophen besonders bei hoher Dosierung (Diclofen: 150 mg / Tag; Ibuprophen (>= 2400 mg / Tag) das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen können; einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko bei Ibuprophen in Dosierungen<= 1200 mg / Tag gibt es nicht. 1. Bombardier, C., et al., Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. VIGOR Study Group. N Engl J Med, 2000. 343(21): p. 1520-8, 2 p following 1528. 2. Bresalier, R.S., et al., Cardiovascular events associated with rofecoxib in a colorectal adenoma chemoprevention trial. N Engl J Med, 2005. 352(11): p. 1092-102. 3. Scott, P.A., et al., Non-steroidal anti-inflammatory drugs and myocardial infarctions: Comparative systematic review of evidence from observational studies and randomised controlled trials. Ann Rheum Dis, 2007. 4. Medicinal products containing non-selective non steroidal antiinflammatory drugss (NSAID`s). 2006, EMEA.
PS27 Physiotherapeutisches Assessmentverfahren bei Patienten mit Rückenschmerzen D. Seeger1,2, S. Lüder1 Universitätsmedizin der Georg-August Universität, Schmerzambulanz am Zentrum für Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin¹/BE Physiotherapie²
Zu Beginn einer physiotherapeutischen Behandlungsplanung ist eine funktionelle Befundaufnahme erforderlich, mit deren Messungen auch die Therapieerfolge im Behandlungsprozess evaluiert werden sollten. Damit Daten therapeutenunabhängig und transparent erhoben und Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts weiter gegeben werden können, bedarf es wenige, leicht anwendbare aber standardisierte Untersuchungsverfahren. Wir teilen die erforderlichen Tests in die ICF-Ebenen Struktur-Funktion, Aktivität, Partizipation ein und erheben jeweils relevante Untersuchungsparameter. Neben Untersuchungsverfahren auf der Ebene körperlicher Strukturen und ihrer Funktionsfähigkeit, ist weitergehend eine Evaluation auf der Ebene der Aktivitäten bzw. Partizipation am Alltagsleben notwendig. So werden einerseits Tests dargestellt, die durch eine alltagsrelevante Bewegungsaufgabe eine Messung der Aktivitätskapazität ermöglichen und anderseits wird ein Testverfahren zur Evaluation der Hebefähigkeit durchgeführt. Dieses Fremdbeurteilungsverfahren von motorischen Aktivitäten für Rückenschmerzpatienten wird praktisch demonstriert, mit den Teilnehmern geübt und soll als physiotherapeutisches Verfahren innerhalb eines interdisziplinäres Assessmentverfahrens diskutiert werden. Wir wissen, dass 95% der Patienten mit Rückenschmerzen an unspezifischen Funktionsstörungen leiden, woraus sich gemäß EvidenceBased-Medicine ein Konsens gebildet hat: lumbale Rückenschmerzen sollten als ein multidimensionales Gesundheitsproblem angesehen werden und durch einen multimodalen Behandlungsansatz im interdisziplinären Team versorgt werden. Ein physiotherapeutisches Assessmentverfahren ist nach dem „Gesundheitspfad Rücken“ [1] in der interdisziplinären Versorgung ein unabdingbares Handlungsfeld. Doch sollte auch schon im Vorfeld in der physiotherapeutischen Praxis ein Rückschluss aus den modernen Erkenntnissen von heute gezogen werden. Die Verbesserung der Beeinträchtigungen von Bewegungsaktivitäten und der Partizipation am Berufs- und Alltagsleben sind für die Patienten am wichtigsten. Im Zusammenhang mit der ICF werden auf der Ebene Struktur und Funktion wenige messbare Parameter (Beweglichkeit, Fragebogen, Palpation) [5] vorgestellt. Die noch wenig etablierten aktivitätsorientierten Messinstrumente (z.T. aus der BackPerformance-Scale [2, 6]) und ein Hebekapazitätstest (PILE-Test)[3, 4] werden demonstriert und mit dem der Versuch der Quantifizierung der lebensnahen körperlichen Leistungsfähigkeit, bzw. der mentalen Bewegungsmotivation, praktisch geübt. Diese körperlichen Messinstrumente können als Testbatterie oder Einzelitems in der physiotherapeutischen Praxis durchgeführt werden. Spätestens auf der interdisziplinären Versorgungsebene sollten Messinstrumente zur Abklärung des weiteren Therapiepotenzials des Patienten für eine geeignete Therapieempfehlung Anwendung finden. Zusätzlich sollen sie Erfolgsergebnisse während und nach der Therapie quantifizieren und somit transparent im interdisziplinären Team kommunizierbar machen. 1. Gesundheitspfad Rücken, Expertenpanel „Rückenschmerz“ der Bertelsmann Stiftung 2007: www. bertelsmann-stiftung.de 2. Lüder, S (2006): Kann die Aktivitätskapazität von Patienten mit Rückenschmerzen objektiv und reliabel gemessen werden? physioscience 2, 4:147-155 3. Mayer TG, Barnes D, Kishino ND, Nichols G, Gatchel RJ, Mayer H, Mooney V, (1988): Progressive isoinertial lifting evaluation. I. A standardized protocol and normative database. Spine.13(9):993-7. Erratum in: Spine 1990 Jan;15(1):5 4. Mayer TG, Barnes D, Nichols G, Kishino ND, Coval K, Piel B, Hoshino D, Gatchel RJ (1988): Progressive isoinertial lifting evaluation. II. A comparison with isokinetic lifting in a disabled chronic low-back pain industrial population. Spine. 13(9):998-1002. Erratum in: Spine 1990 Jan;15(1):5 5. Seeger D, Physiotherapie bei Rückenschmerzen – Indikationen und Grenzen (2001): Der Schmerz 15:461-467 6. Strand LI, Moe-Nilsson R (2002): Back Performance Scale for the assessment of mobility-related activities in people with back pain. Phys Ther. 82(12):1213-23
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PS28 Differentialdiagnose und Therapie von Fuß-/Beinschmerzen Radikulopathie S. Seddigh DRK Schmerz-Zentrum Mainz In diesem Symposium werden medikamentöse und nicht-medikamentöse Verfahren zur Therapie von chronischem nicht-Tumorschmerz diskutiert. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf randomisiert-kontrollierten Studien liegen, die analgetische Wirksamkeit, funktionelle Verbesserung sowie Lebensqualität dieser Patienten untersucht haben.
Studententag Begrüßung G. Lindena CLARA klinische Forschung Kleinmachnow Die Schmerztherapie beklagt zu recht, dass im Medizinstudium nur wenig Zeit für die Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie zur Verfügung steht. Der Studententag ist ein konstruktiver Weg aus diesem Dilemma. Im letzten Jahr haben sehr viele Studenten unterschiedlicher Studiensemester und Universitäten den Tag und die Einladung zum Schmerzkongress genutzt. Dieses Jahr wurden systematisch alle Fakultäten angeschrieben. Dank an alle Referenten, die nun schon im 2. Jahr die interdisziplinäre Diagnostik und Therapie glaubwürdig „rüberbringen“. Sie werden hoffentlich auch dieses Jahr viele Fragen beantworten und vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen der Studierenden diskutieren dürfen. Vorstellung von DGSS und DMKG, deren internationale Kooperationen und wissenschaftliche Einbindung R.-D. Treede Designierter Präsident der DGSS (2008-2009), Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz Während auf internationaler Ebene die International Association for the Study of Pain (IASP) und die International Headache Society (IHS) immer noch getrennte Wege gehen, veranstalten die nationalen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) inzwischen schon traditionell gemeinsam jährlich den Deutschen Schmerzkongress. Diese Kongressreihe dient dem Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse aus der Schmerzforschung und der Fortbildung in Verfahren der Diagnostik und Therapie akuter und chronischer Schmerzen. Durch die Zusammenarbeit von DGSS und DMKG werden die unter epidemiologischen Gesichtspunkten wichtigsten chronischen Schmerzsyndrome Rückenschmerz, Kopfschmerz, Neuropathischer Schmerz und Tumorschmerz unter einem Dach behandelt; dies ist im internationalen Vergleich leider noch nicht überall üblich. Da ca. 70% aller Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen zunächst den Hausarzt aufsuchen, und da eine funktionierende Akutschmerztherapie inzwischen ein Markenzeichen aller operativen und zunehmend auch der konservativen Disziplinen ist, sollen diese Inhalte im Rahmen des Studententags den Studierenden der Medizin und Zahnmedizin frühzeitig näher gebracht werden. DGSS und DMKG wollen hiermit auch Defizite in der geltenden Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 kompensieren; darin fehlt nämlich der für jeden Praktiker wichtige Querschnittsbereich „Schmerztherapie und Palliativmedizin“.
Akute perioperative oder posttraumatische Schmerzen A. Wiebalck Universitätsklinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum
Fallseminar zum Tumorschmerz S. Michel2, R. Scharnagel1 1 UniversitätsSchmerzCentrum Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, 2 MDK Sachsen
Ziel des Vortrages ist es, einen Überblick zur Bedeutung und Therapie akuter Schmerzen zu geben. Einerseits können akute Schmerzen vor einer Gefahr warnen oder auf ein Problem hinweisen, andererseits haben sie bei einer gewissen Intensität krank machenden Charakter, weil sie einen Stress darstellen, der die Homöostase des Körpers stört. Daher müssen Therapieziele festgelegt werden, um die schädigenden Einflüsse des Schmerzes eindämmen zu können. Die Schmerztherapie unterliegt vielfältigen Anforderungen. Humanitäre, rechtliche, infrastrukturelle, interdisziplinäre, organisatorische und nicht zuletzt ökonomische Gesichtspunkte müssen berücksichtigt werden. Wichtige Prinzipien zur erfolgreichen Durchführung der Akutschmerztherapie werden dargestellt: Systematik, Individualität, Sicherheit, Effektivität. Die Umsetzung in die Praxis erfolgt am besten mit einem auf der Pflege basierenden Therapieschema für die systemische Behandlung sowie Katheterverfahren, die bei sehr schmerzhaften Situationen gezielt eingesetzt werden. Durch regelmäßige Kontrollen der Behandlung können Defizite erkannt werden. Weiterbildungen binden alle Mitarbeiter mit ein, so kann ein hohes Niveau der Behandlung etabliert werden. Ein gutes Akutschmerzmanagement führt zu • Geringeren Schmerzen • Weniger Nebenwirkungen • Weniger akuten Komplikationen • Geringeren Krankenhauskosten • Weniger Spätschäden (chronische Schmerzen)
Schmerzen bei Tumorerkrankungen sind häufig, deren Ursachen vielfältig. Zudem sind sie eine große emotionale Belastung für den Patienten, da ihre Präsenz bzw. die Veränderung ihrer Qualität oder Intensität auch immer an die Lebensbedrohlichkeit der Grunderkrankung erinnert. Eine gute Schmerzbehandlung verbessert deshalb nicht nur die Lebensqualität, sondern initiiert auch Hoffnung und neuen Lebensmut. Prinzipiell sprechen Tumorschmerzen gut auf die große Palette verfügbarer Schmerzmedikamente an. Der Einsatz dieser Schmerzmedikamente folgt einem einfachen Stufenschema, welches bereits vor 20 Jahren etabliert wurde und bei adäquatem Einsatz bei 70-95% aller Tumorpatienten zu einer ausreichenden Schmerzlinderung führt. Trotz dieser scheinbar einfachen Konstellation ist die Versorgung der Schmerzpatienten in Deutschland noch immer unzureichend. Nur ein Drittel aller Tumorschmerzpatienten in Deutschland erhält eine ausreichende Schmerztherapie. Als mögliche Gründe kommen neben der eher geringen Zahl an schmerztherapeutischen Problemfällen (z.B. begleitende schwere neuropathische Schmerzkomponente bei Nervenirritationen, ausschließlich belastungsabhängige Schmerzen, psychisch bedingte Schmerzexacerbationen) u.a. patientenbedingte Ängste vor einer Opioidtherapie und ärztlicherseits v.a. Unsicherheiten infolge unzureichender Kenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen der Schmerztherapie in Frage. Weiterhin spielen Kostenfaktoren, Zeitmangel, Hilflosigkeit, ungenügende Informationen über Patientenwünsche und -vorstellungen, selten auch Desinteresse, eine Rolle. Wichtig für eine erfolgreiche Schmerztherapie ist ein medikamentöses Basiswissen und dessen frühzeitiger adäquater Einsatz entsprechend den Prinzipien des WHO-Stufenschemas – Medikamenteneinnahme oral, nach festem Zeitschema, mit individueller Dosis, nach Stufenleiter, mit symptomatischer Therapie der Nebenwirkungen und langfristiger Verlaufskontrolle. Nicht weniger wichtig ist auch die emotionale Zuwendung und ein richtiges Timing für die Auswahl der Therapiebausteine, angepasst an die individuellen Bedürfnisse des Patienten. So sind neben der medikamentösen Therapie auch nichtmedikamentöse supportive Ansätze (manchmal auch nur das ärztliche Gespräch) erforderlich. Hierfür ist es wichtig, Patientenwünsche zu kennen und zu respektieren, beratend zur Verfügung zu stehen, aber Aktionismus zu vermeiden. Das Fallseminar zum Tumorschmerz möchte beispielhaft die Vielfalt der Therapieverläufe und Behandlungsentscheidungen in Abhängigkeit der Patientenpersönlichkeit und seiner Ressourcen darstellen und diskutieren.
1. Werner et al.: Anesth Analg: 2002: 95:1361 Chronischer Schmerz – Eine bio-psycho-soziale Störung P. Nilges DRK Schmerz-Zentrum Mainz Trotz großartiger Erfolge der Medizin bei der Heilung spezifischer Erkrankungen gibt es bei chronischem Schmerz eine merkwürdige Panne: „Die beeindruckende medizinische Technologie scheint ungeeignet für die Diagnostik und Behandlung von chronischen Schmerzen“ (Bilkey). Chronische Schmerzen sind nicht einfach länger anhaltende akute Schmerzen, sie sind mit den für diese entwickelten – durchaus erfolgreichen – Konzepten nicht mehr ausreichend erklärbar und therapierbar. Das führt zwangsläufig zu Irritationen und zu Erklärungsversuchen, die außerhalb somatischer Kausalmodelle liegen. Ein bio-psycho-soziales Schmerzkonzept als Grundlage von Diagnostik und Therapie berücksichtigt die dynamische und je nach zeitlicher Entwicklung unterschiedliche Relevanz der verschiedenen Komponenten. Von besonderem Interesse ist dabei die Bedeutung psychischer Faktoren, deren Diagnose und Integration in die Behandlung. Vorgestellt werden Konzepte, mit denen Mechanismen von Schmerzchronifizierung beschrieben und das Ausmaß im Praxisalltag erfasst werden können (Mainzer Stadienmodell, Grading nach von Korff). Die Beziehungen zwischen dem Chronifizierungsgrad und den Folgen für Patienten auf verschiedenen Ebenen werden dargestellt. Typische Fehler bei der Interpretation diagnostischer Ergebnisse und bei therapeutischen Empfehlungen werden diskutiert und Lösungen vorgeschlagen, mit denen das Risiko einer Chronifizierung reduziert werden kann. Wichtige Unterschiede in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen werden vorgestellt. Dieser Beitrag soll dabei helfen, Schmerzchronifizierung besser zu verstehen, zu diagnostizieren, wenn möglich zu verhindern oder – falls bereits eingetreten – in der Behandlung angemessen zu berücksichtigen.
Interdisziplinäres Schmerzassessment beim chronischen Rückenschmerz K. Hafenbrack, U. Marnitz Rückenzentrum am Markgrafenpark Berlin Ein abgestuftes ganzheitliches Versorgungskonzept, bestehend aus spezieller Diagnostik und speziellen Behandlungsprogrammen, ist vornehmlich aktivierend und verhaltensmedizinisch ausgerichtet. Das interdisziplinäre Team des Rückenzentrums besteht aus Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und Sportlehrern. Hierbei wird sicher gestellt, dass nicht nur Wirbelsäulenbefunde, sondern auch die funktionellen, psychischen und sozialen Faktoren des Rückenschmerzes berücksichtigt werden. Anhand von Patientenbeispielen wird in diesem Vortrag das interdisziplinäre Schmerzassessment im Rückenzentrum veranschaulicht, welches anhand medizinisch-funktioneller und psychologisch-sozialer Diagnostik in eine Risikobewertung und differentielle Indikationsstellung mündet. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Interdisziplinäres Schmerzassessment beim chronischen Rückenschmerz U. Marnitz, K. Hafenbrack Rückenzentrum am Markgrafenpark
Poster
Im Rückenzentrum am Markgrafenpark wird der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand in Diagnostik und Therapie chronischer Rückenbeschwerden umgesetzt. Ein abgestuftes ganzheitliches Versorgungskonzept, bestehend aus spezieller Diagnostik und speziellen Behandlungsprogrammen, ist vornehmlich aktivierend und verhaltensmedizinisch ausgerichtet. Das interdisziplinäre Team des Rückenzentrums besteht aus Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und Sportlehrern. Hierbei wird sicher gestellt, dass nicht nur Wirbelsäulenbefunde, sondern auch die funktionellen, psychischen und sozialen Faktoren des Rückenschmerzes berücksichtigt werden. Anhand von Patientenbeispielen wird in diesem Vortrag das interdisziplinäre Schmerzassessment im Rückenzentrum veranschaulicht, welches anhand medizinisch-funktioneller und psychologisch-sozialer Diagnostik in eine Risikobewertung und differentielle Indikationsstellung mündet.
P1.1 Implementierung des Expertenstandards: Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten oder tumorbedingten chronischen Schmerzen am Universitätsklinikum Halle/Saale G. Blättermann, K. Angermann, K. Böhm, I. Brückner, S. Epperlein, Y. Frömme, K. Kaiser, A. Lärz, S. Pannwitz, R. Preuß, S. Scheerschmidt, B. Tamke, A. Trieger Universitätsklinikum der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät
Differentialdiagnostik und -therapie von Kopf- und Gesichtsschmerzen U. Reuter, L. Neeb, J. Hoffmann Charité-CCM, Berlin Im Rahmen dieser Veranstaltung werden die häufigsten idiopathischen Kopf- und Gesichtsschmerzen aufgezeigt. Hierzu gehören Migräne, Spannungskopfschmerzen, Cluster Kopfschmerz, CPH und Hemicrania continua. Daneben sind unter den Gesichtsschmerzen die Trigeminusneuralgie und der atyp. Gesichtsschmerz zu nennen. Zusätzlich zu den differentialdiagnostischen Kriterien wird auch die Medikamenten basierte und nicht medikamentöse „State of the Art“ Therapie der Erkrankungen aufgezeigt. Schmerzpraxis, wie geht das? O. Emrich Schmerzzentrum Ludwigshafen am Rhein, Schmerzklinik Bad Dürkheim Seit etwa 25 Jahren haben zunächst Anästhesiologen damit begonnen Praxen oder Schmerzambulanzen aufzubauen, die sich überwiegend oder ausschließlich mit der Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten beschäftigen. Die heute gültigen Qualitätsstandards in der Schmerztherapie wurden in diesem Zeitraum vorzugsweise aus der Praxis heraus entwickelt und haben mittlerweile in das Behandlungsspektrum, das gesetzlich Krankenversicherten zusteht, Eingang gefunden. Gleichwohl sind die wirtschaftlichen Probleme weiterhin ein drängendes Problem und konterkarieren die hohen normativen Inhalte der speziellen Schmerztherapie. Damit ist es für Studenten der Humanmedizin nicht gerade leicht sich für diesen spezialisierten interdisziplinären Versorgungszweig zu entscheiden. Allerdings bieten die neuen gesetzlichen Vorgaben der Gesundheitspolitik neue interessante Chancen für junge Mediziner. Spannendes Feld oder Spannungsfeld ? - Perspektiven aus der Praxis für die Praxis... Schwerpunkt Schmerztherapie im Reigen der Fächer M. Strumpf Rotes Kreuz-Krankenhaus, Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Bremen Die Therapie chronischer Schmerzen erschließt sich nur im interdisziplinären Reigen der beteiligten Fachdisziplinen. Diese Auffassung hat auch in Deutschland, spätestens seit Beginn der 90er Jahre, Gültigkeit. Voraussetzung ist, dass der Reigen der Fächer lernt, miteinander zu tanzen. Dazu ist es notwendig, synchrone Schritte zu entwickeln, um die Therapie chronischer Schmerzen effizient zu gestalten. Dies bedeutet auch, dass es ohne eine gemeinsame Sprache und Philosophie nicht geht und dass „Eifersüchteleien“ bezüglich der Kompetenz einzelner Fachbereiche zum Stolpern führen. Anhand von Fallbeispielen aus der klinischen Praxis wird demonstriert, wie der Reigen der Fächer gemeinsam das Parkett der Therapie chronischer Schmerzen betritt.
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P1 Pflege I
Hintergrund: Der Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ eine umfassende Überblicksarbeit zur aktuellen Studienlage mit den entsprechenden Qualitätsrichtlinien sowie das Buch „Der Schmerzpatient in der Pflege“ bildeten die Basisliteratur für die inhaltliche Implementierung. Mit folgenden Schlagworten sollen die wissenschaftlich-theoretischen Ansätze skizziert werden, die bei der praktischen Umsetzung maßgebend waren: intrinsische Motivation (Heckhausen, 1976, Deci & Ryan, 1980), Selbstverwirklichung (Maslow, 1958), Bedürfnis nach Leistung (McClelland & Atkinson, 1953), Rubikonmodell des Handelns (Heckhausen, 1989) sowie Erwartungstheorien (Atkinson, 1957). Ziel: Eine praxisnahe, klinikspezifische Umsetzung des nationalen Expertenstandards „Schmerzmanagement in der Pflege“ zur Optimierung der Situation von Schmerzpatienten an der Universitätsklinik Halle. Methode: Bildung einer aus freiwilligen Mitgliedern bestehenden berufsgruppenübergreifenden Arbeitsgemeinschaft aus Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, einer Physiotherapeutin, einer Ärztin (Oberärztin der Schmerzambulanz), einer Psychologin und einer Studentin der Gesundheits- und Pflegewissenschaft. Die Erhebung einer Ist-Analyse zum aktuellen Schmerzmanagement diente der effektiven Gestaltung eines Schulungsprogramms. Von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft wurde, entsprechend ihrer Professionen unter Beachtung der Qualitätsrichtlinien, eine praxisnahe 8-stündige Fortbildungsveranstaltung zu folgenden Themen entwickelt: 1. Schmerzarten, Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes 2. Schmerzeinschätzung und Dokumentation 3. Schmerzmanagement bei Säuglingen und Kindern 4. Medikamentöse Schmerztherapie 5. Schmerzpumpen 6. Nebenwirkungen der medikamentösen Schmerztherapie 7. Nichtmedikamentöse Schmerztherapie 8. Information, Beratung und Schulung Nach einer Pilotphase wurden die Schulungsmodule leicht modifiziert. Von jeder Station konnten sich ein bis zwei Mitarbeiter für die Schulung bewerben, welche dann geschult mit Unterstützung von Handouts, als so genannte Schmerzexperten, für die Weiterleitung der Informationen an die Mitarbeiter auf ihren jeweiligen Stationen verantwortlich waren (Multiplikatoren). Die geschulten Mitarbeiter erwarben dabei ein klinikinternes Zertifikat. Die Schulung wurde mit Hilfe eines Fragebogens evaluiert. Ergebnisse: Die Befragung zur Schulungsevaluation erreichte einen Rücklauf von 83/90 (92%). Aus den Fragebögen ergab sich, dass sich 85% der Geschulten befähigt fühlen, die Schulungsinhalte zum Thema: Schmerzeinschätzung und Dokumentation in die Praxis umzusetzen, 70% der Teilnehmer gaben an, dass sich der Besuch dieser Fort- und Weiterbildung für sie gelohnt hätte. Schlussfolgerung: Aufgrund der selbstbestimmten Entwicklung eines umfassenden Schulungsprogrammes durch ein Mitarbeiterteam konnte eine praxisnahe und effektive Implementierung des Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ im Universitätsklinikum Halle durchgeführt werden. Einschränkend muss dabei die Augenscheinvalidität als Gütekriterium für das Vorgehen genügen.
1. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2004). Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege. Osnabrück. Rheinberg, F. (1997). 2. Motivation. Kohlhammer: Stuttgart. Osterbrink, J. & Stiehl, M. (2004). Der Schmerzpatient in der Pflege. Com Med Healthcare: Basel. P1.2 Pflege und Aphasie – Erkennen von Schmerzen beim aphasischen Patienten U. Bornschlegel Graduiertenkolleg Multimorbidität im Alter, Charité Berlin Nach Schätzungen des Bundesverbandes zur Rehabilitation von Aphasikern gibt es in Deutschland ca. 500 000 Menschen, die nach einer Hirnschädigung an bleibenden Sprachstörungen leiden. Aphasien betreffen in der Regel alle sprachlichen Modalitäten, d.h. Sprachproduktion und Sprachverstehen, sowohl schriftlich als auch mündlich sind durch die Störung beeinträchtigt. Aphasien stellen für die Pflege von Schlaganfallpatienten eine große Herausforderung dar, da Kommunikation ohne Sprache als Medium häufig scheitert. Grundlegende Bedürfnisse der Betroffenen werden somit oft nicht erkannt. Das Erkennen von Schmerzzuständen bei sprachlosen Menschen wird zunehmend als Herausforderung für Pflegende betrachtet. Die zur Erfassung von Schmerzzuständen bei nicht sprachfähigen Patienten entwickelten Assessment- Verfahren sind aber häufig auf demenziell erkrankte Menschen ausgerichtet und berücksichtigen die erhaltene Interaktionsfähigkeit aphasischer Menschen nicht. Deshalb wurde in dieser Studie die Interaktion von Aphasikern und Pflegenden untersucht. Zielsetzung: Analyse der Interaktion von Pflegenden und Patienten, die unter aphasischen Störungen leiden • Welche Schmerzsignale sendet der aphasische Patient aus? • Welche Signale werden von Pflegenden als Schmerzsignale interpretiert? • Welche Strategien führen zu erfolgreicher Kommunikation? • Werden Hilfsmittel zur Kommunikation eingesetzt? Methoden: Qualitative Feldstudie – Methodentriangulation: • Teilnehmende Beobachtung in verschiedenen Pflegeumgebungen (Akutklinik, Pflegeheim, ambulante Versorgung) • Problemzentrierte Interviews mit vorübergehend aphasischen Patienten (N=18) • Problemzentrierte Interviews mit Pflegenden (N=9) • Schmerzprotokolle Ergebnisse: Ausschlaggebend für die Interpretation von Schmerzsituationen und Schmerzsignalen ist die Qualität der Beziehung, die Pflegende und Aphasiker aufbauen. Diese Beziehung wird durch Faktoren wie Wissen über das Störungsbild, organisatorische (z.B. Zeit für den Patienten, ausführliche Pflegeübergaben) und persönliche (z. B. Biographiearbeit, Empathie) Faktoren grundlegend beeinflusst. Das Einsetzen von Hilfsmitteln wie Bilderkarten oder Skalen wird von Betroffenen und Pflegenden überwiegend als wenig hilfreich und nicht praktikabel eingeschätzt. P1.3 Optimierung der Therapie des akuten und chronischen Schmerzes mittels standardisierter Schmerzkarte – Das St.Galler Schmerzkonzept U. Buschmann, P. Höderath, D. von Ow,� G. Hildebrandt, N. Rose Abteilung für Qualitätsmanagement, Klinik für Neurochirurgie Einleitung: Im Rahmen der Zertifizierung des Kantonsspital St. Gallens (Zentrumsspital) nach sanaCERT suisse im Jahr 2004 wurde der Standard Schmerzbekämpfung eingeführt. Zur konsequenten Umsetzung des Schmerzkonzeptes und Optimierung einer qualitativ hoch stehenden Therapie von sowohl akuten als auch chronischen Schmerzen wurde 2004/2005 eine spitalweit geltende, einheitliche Schmerzkarte entwickelt. Im Folgenden erläutern wir die Erarbeitung und Einführung der standardisierten Schmerzkarte und zeigen den Nutzen dieser für die Patienten/-innen sowie Mitarbeiter/-innen auf.
Methode: • A Erarbeitung: In mehreren Etappen wurde die Schmerzkarte unter der Leitung des Qualitätsmanagements durch ein Expertenteam bestehend aus Schmerzspezialisten der Anästhesiologie, Chirurgie, Inneren Medizin, Neurochirurgie, Notfallmedizin, Pharmakologie und Pflege nach wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen konzipiert. Inhaltliche Schwerpunkte der Schmerzkarte betreffen: 1. Schmerzanamnese und -evaluation mittels Visueller Analog Scala (VAS) als Basis für eine korrekte Schmerztherapie. Bei hospitalisierten Patienten wird die VAS-Skala analog der Vitalparameter in die Patientenkurve eingetragen. 2. Therapieschemata chronischer und akuter Schmerzen. 3. Standardisierte Opioid-, insbesondere Morphintherapie, die bei entsprechender ärztlicher Verordnung nach Schema eigenverantwortlich durch die Pflege durchgeführt werden kann. 4. Behandlung von Nebenwirkungen und Intoxikationen. • B Einführung: Die initiale Testung der Praktikabilität der Schmerzkarte erfolgte in einer Pilotphase auf 10 Stationen mit paralleler Wissensüberprüfung der Mitarbeiter/-innen (Pflege und Ärzte) vor und nach Verteilung der Schmerzkarte. In einer zweiten Phase wurde die Schmerzkarte mittels obligatorischer Schulungen spitalweit eingeführt. Die Kontinuität der Anwendung wird seitdem durch vierteljährliche Schulungen, obligatorisch für alle neuen Mitarbeiter/-innen, gewährleistet. • C Nutzen: Zur erneuten Überprüfung des Nutzens wird zur Zeit (2007) eine weitere Wissensüberprüfung der Mitarbeiter/-innen durchgeführt und mit den Ergebnissen von 2004 verglichen. Ebenfalls werden die für den Schmerzstandard relevanten Ergebnisse der standardisierten stationären Patientenbefragung (MeCon) von 2007 mit denen von 2003 (MeCon) vor Einführung der Schmerzkarte verglichen. Ergebnisse: In der Pilotphase zeigte sich nach Einführung der Schmerzkarte eine Verbesserung des Wissenstandes der Mitarbeiter/innen (Ärzte und Pflege) bezüglich der Therapie von akuten und chronischen Schmerzen. Infolge der obligatorischen Schulungen findet sich ein breiter, spitalweiter Durchdringungsgrad des Schmerzkonzeptes. Die Ergebnisse der laufenden Patientenbefragung (MeCon) und Wissensüberprüfung der Mitarbeiter/-innen werden zum Zeitpunkt des Kongress auf dem Poster präsentiert. Mittels Schmerzkarte wird eine standardisierte und – dank VAS – eine dem Patienten trotzdem individuell angepasste Schmerztherapie zur Optimierung der bestehenden Therapieverfahren gewährleistet. Durch enge Einbindung des Pflegeteams können auch Therapieschemata mit hochpotenten Medikamenten wie z.B. i.v. Morphingabe nach Verordnung des Schmerzkarten-Schemas durch die Pflege selbständig appliziert werden. Dies führt für die Patienten/-innen zu einer besseren Steuerung der Schmerztherapie gemäß ihrem individuellen Bedarf durch die direkte Pflegebezugsperson. Schlussfolgerungen: Die Standardisierung der Therapie sowohl des akuten als auch des chronischen Schmerzes mittels Schmerzkarte hat sich seit Einführung des Konzeptes sowohl für die Patienten als auch die Mitarbeiter/-innen bewährt. Insbesondere die gemeinsame Anwendung nur einer Karte durch die Ärzte/innen und das Pflegeteam führt zur Optimierung des Behandlungsablaufs und raschere Anpassung der Therapie an die Bedürfnisse des Patienten. Die Übertragung von mehr Kompetenzen an das Pflegeteam auch bei i.v. Gabe von hochpotenten Medikamenten ist für das Funktionieren des Konzeptes von elementarer Bedeutung, bedingt jedoch auch entsprechende rechtliche Grundlagen. P1.4 Pflegerisches Schmerzmanagement bei kognitiv beeinträchtigten Menschen in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen C. Hartlapp Niederau Fragestellung: Die Untersuchung bezog sich auf die Umsetzung des nationalen Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege (DNQP 2004) in Einrichtungen der Altenpflege sowie beobachtete bzw. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts erfragte Schmerzzustände bei kognitiv beeinträchtigten Pflegebedürftigen ab 70 Jahren. Die Erhebung fand in der sächsischen Kleinstadt Meißen statt. Von allen zwölf in Meißen bestehenden Pflegeeinrichtungen erklärten sich zwei ambulante und zwei vollstationäre Einrichtungen zur Mitarbeit bereit. Die Untersuchung fand Anfang 2005 über einen Zeitraum von 4 Wochen statt. Material, Methode: Einbezogen in die Erhebung wurden zunächst alle Empfänger von Pflegesachleistungen nach SGB XI, die in einer Einrichtung leben oder mindestens täglich aufgesucht werden (ambulant). Da die Fragestellung speziell in Richtung Schmerzerleben / Schmerzmanagement bei kognitiv beeinträchtigten älteren Personen ging, waren weitere Kriterien Mini-Mental-Status-Test (Folstein et al. 1975) < 24 Punkte und Alter ab 70 Jahre. Insgesamt waren 151 Betroffene in vier Einrichtungen in die Befragung / Beobachtung einbezogen. Als Fragebogen wurde der Brief Pain Inventory (DNQP 2004) verwendet. Die Befragung oder Beobachtung erfolgte einmal wöchentlich über 4 Wochen durch die Bezugspflegekraft. Stichprobenweise wurden die Pflegedokumentationen bezüglich der Berichterstattung eingesehen. Ergebnisse: Die Selbsteinschätzung durch die Betroffenen betrug 77 Prozent. Von den Befragten hatten 78 Prozent Schmerzen; 46 Prozent Schmerzen über 3/10 nach Numerischer Ratingskala. Als Ursachen der Schmerzen ergaben sich in 8 Prozent der Fälle Tumorschmerzen; 7 Prozent hatten akute Schmerzen und 63 Prozent chronische Schmerzen. Bei 22 Prozent wurden keine Schmerzen angegeben. Die Schmerzintensität änderte sich im Befragungszeitraum kaum. Von den vier Einrichtungen hatte eine stationäre Einrichtung signifikant niedrigere Schmerzintensitäten (p=0,035). In dieser Einrichtung erfolgten nahezu alle überhaupt angewendeten nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Schmerzlinderung sowie eine stärkere Aktivierung und Mobilisation als in den Vergleichseinrichtungen. Eine systematische Schmerzeinschätzung, wie im nationalen Pflegestandard gefordert, erfolgte in keiner der Einrichtungen. Die Berichterstattung über Schmerzzustände war allgemein und teilweise widersprüchlich formuliert. Angeordnete Bedarfsmedikationen bei Schmerzen waren selten bekannt und wurden meist nicht genutzt. Diskussion / Schlussfolgerung: Alte Menschen mit kognitiven und sensorischen Einschränkungen haben geringe Chancen, eine adäquate Schmerzlinderung zu erreichen. Das Wissen der Pflegekräfte zur Erfassung und zum Umgang mit Schmerzzuständen ist mangelhaft; ebenso die berufsgruppenübergreifende Kommunikation und der Einsatz nichtmedikamentöser Maßnahmen. Die Bedeutung der Bewegung und Ablenkung durch Tagesstrukturierung insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen ist den meisten Pflegenden nicht bewusst. Die Ausrichtung des nationalen Expertenstandards Schmerz vor allem auf akute und maligne Schmerzen erfordert rasches berufgruppenübergreifendes Handeln und Forschung bezüglich der Anwendung nichtmedikamentöser Maßnahmen zur Schmerzlinderung angesichts der ständig steigenden Zahl Pflegebedürftiger mit mehr oder weniger chronischen Schmerzzuständen. In den verwendeten Pflegemodellen (Krohwinkel 1993) und Pflegedokumentationen ist das Phänomen „Schmerz“ stärker zu berücksichtigen. 1. Basler, H.-D., Casser, H.-R., Gerbershagen, H.-U., Grießinger, N., Hankemeier, U., Hesselbarth, S., Lautenbacher, S., Nikolaus, T., Schröter, C., Weiß, L. (2005): Strukturiertes Schmerzinterview für geriatrische Patienten. Online im Internet: „URL: http://www.dgss.org./neu/ alter.asp (Stand: 18.7.2005)“ Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (2004): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege. Osnabrück: DNQP. 2. Folstein, M.F., Folstein, S.E., McHugh, P.R. (1975): Mini-Mental State: a practical method for grading the cognitive state of patients for the clinician. Journal of Psychiatric Research. 12, 189 – 198. 3. Krohwinkel, M. (1993): Der Pflegeprozess am Beispiel von Apoplexiekranken. Baden-Baden: Nomos
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P1.5 Von der Theorie zur Praxis E. Krull Asklepios Harzkliniken GmbH Implementierung des Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege im interdisziplinären Projekt auf einer hämatologisch/onkologischen Station anhand des Managementkreislaufs. Projektzeitraum November 2004 bis Mai 2005. Situationsbeschreibung: Hämatologisch/onkologische Station mit 23 Betten. Etwa 95% der Patienten im palliativen Stadium einer Tumorerkrankung. Zielsetzung: Jeder Patient mit tumorbedingten chronischen Schmerzen sowie zu erwartenden Schmerzen erhält ein angemessenes Schmerzmanagement, das dem Entstehen von Schmerzen vorbeugt, sie auf ein erträgliches Maß reduziert oder beseitigt (Standardaussage des Expertenstandards). Vorgehen Plan: • Down-up-Ansatz: Initiative geht von einer Fachkraft für onkologische Pflege/Pain Nurse aus • Bildung einer ärztlich/pflegerischen Projektgruppe mit weisungsbefugten Mitarbeitern: Oberarzt, Stationsleitung, Einbezug von Physiotherapie, Apotheke, QM • Literaturrecherche • Zielsetzung (s. oben) und Planung der Maßnahmen Do: • Regelmäßige Meetings der Projektgruppe mit Teilnehmerliste und Protokoll • Themenspezifische Weiter- und Fortbildungen: Fachkraft für onkologische Pflege, Palliative care, Pain Nurse, medikamentöse Schmerztherapie, unterstützende pflegerische Maßnahmen, Kommunikation, Hospitation in der Schmerzambulanz des Hauses • Erarbeitung einer interprofessionell geltenden Verfahrensanweisung zur medikamentösen Schmerztherapie nach dem WHO-Stufenschema durch Stations- und Oberarzt • Entwicklung und Einführung eines bedarfsgerechten Schmerzerfassungsbogens, themenbezogener Standards, Anpassung der Dokumentation • Erarbeitung schriftlicher Patientenempfehlungen nach dem KISSPrinzip • Schulung ärztlicher und pflegerischer Mitarbeiter Check: • Probelauf mit regelmäßigem Feedback durch Patienten, Angehörige und Mitarbeiter, erforderliche Anpassungen • Stichprobenartige Kontrolle der Wirksamkeit des Schmerzmanagements durch Pflegevisiten Ergebnisse: • Erfolgreiche externe Auditierung der Implementierung mittels des Auditinstrumentes des DNQP mit dem Zertifikat „Initiative schmerzfreie Pflege“ • Hohe berufsübergreifende Motivation und Identifikation der MA durch selbstentwickelten Schmerzerfassungsbogen und Patientenbroschüren, bedarfsgerechte, realisierbare Standards • Hohe Sensibilität bezüglich Schmerzen bei allen MA: Schmerztherapie ist und bleibt ein wichtiges Thema im täglichen Austausch! Act: • Gezielte Einarbeitung und Anleitung neuer Mitarbeiter und Auszubildender • Kontinuierliche themenbezogene Weiter- und Fortbildung • Vorstellung der Projektarbeit, der Ergebnisse und Erfahrungen innerhalb der Asklepios Harzkliniken GmbH, Hospitationsangebot für Mitarbeiter anderer Stationen • Beratungsangebot für Menschen mit einer Tumorerkrankung und ihre Angehörigen • Regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit des Schmerzmanagements durch Patientenbefragung und Re-Audit
1. Bauer, R.; Ahrens, R. (1998): Psychotherapie und Psychosomatik in der Pflege, Wiesbaden 1998, Ullstein Medikal 2. Dennis, C.M. (2001): Dorothea Orem Selbstpflege- und Selbstpflegedefizittheorie, 1.Auflage, Bern 2001, Huber 3. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) 2005: Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege, Osnabrück 2004, Schriftenreihe des DNQP 4. Ewers, M. (2005): Dimensionen von Patientenorientierung in der Pflege Schwerkranker in: Pleschberger, S.; Heimerl, K.; Wild, M. (Hrsg.): Palliativpflege, 2. aktualisierte Ausgabe, Wien 2005, Facultas Universitätsverlags- und Buchhandels AG 5. Hannich, H.-J. (2005): Schmerz aus psychologischer und psychotherapeutischer Sicht, in: Fernlehrgang Pain nurse, Klinikum Nürnberg, Kapitel 8, Nürnberg 2005, S. 1-19 6. Heckl, U. (2004): Beraterkompetenz: Anforderungen an eine patientenzentrierte Beratung, in: Bartsch, H.H.; Weis, J. (Hrsg.): Gemeinsame Entscheidung in der Krebstherapie, Freiburg 2004 7. Jage, J. (2003): Medikamente gegen Krebsschmerzen, 4. völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2003, Georg Thieme Verlag 8. Klaschik, E. (2002): Palliativmedizin Praxis, 2. überarbeitete Auflage, Bonn 2002, Pallia Med Verlag 9. Kloke, M., Hense, J., Stahl, M., Schmuhalek, B., Stark, B. (2004): Onkologische palliativmedizinische Fallkonferenz, Köln 2004, Deutscher Ärzte verlag Köln 10. Koller, M.; Schmitz, G.; Becker, K.; Lorenz, W.; Engenhart-Cabillic, R. (2004): Welche Art von Informationen brauchen Krebspatienten? Patientenaufklärung und das Erleben der Strahlentherapie, in: Bartsch, H.H.; Weis, J. (Hrsg.): Gemeinsame Entscheidung in der Krebstherapie, Freiburg 2004, S. 46-57 11. Kostrzewa, S., Kutzner, M. (2002): Was wir noch tun können, Basale Stimulation in der Sterbebegleitung, 1. Auflage, Bern 2002, Hans Huber Verlag 12. Leigh, S.A.; Stowall, E.L. (2001): Stadien des Überlebens und der Lebensqualität, Überleben nach dem Tumor – Qualität für Leben, in: King, C.R.; Hinds, P.S. (Hrsg.): Lebensqualität, 1. Auflage, Bern 2001, Huber, S. 403-421 13. Marguiles, A., Fellinger, K., Kroner, Th., Gaisser, A. (2006): Onkologische Krankenpflege, 4. vollständig überarbeitete Auflage, Heidelberg 2006, Springer Medizin Verlag 14. Osterbrink, J. (2005): Beratung und Schulung von Patienten und Angehörigen, in: Fernlehrgang Pain nurse, Klinikum Nürnberg, Kapitel 9, Nürnberg 2005, S. 1-16 15. Sailer, M. (2004): Praxishandbuch Patientenedukation – Schulung, Anleitung, Beratung, 1. Auflage, Elchingen 2004, WK-Fachbücher Datadruck 16. Saunders, C. ; Baines, M. (1991): Leben mit dem Sterben, 1. Auflage, Bern 1991, Huber 17. Stetz, K.M. (2001): Lebensqualität in Familien mit tumorkranken Angehörigen, in: King C.R.; Hinds, P.S. (Hrsg.): Lebensqualität, 1. Auflage, Bern 2001, Huber, S. 229-255 18. Strittmatter, G. (1993): Hilfe bei der Akzeptanz der nicht veränderbaren Beeinträchtigungen. Die Bedeutung der Unterstützung der Familie für die Krankheitsbewältigung des Krebskranken in: Aulbert, E. (Hrsg.): Bewältigungshilfen für den Krebskranken, Stuttgart 1993, Thieme, S. 92-112 19. Twycross, R. (1997): Symptomatische Therapie bei fortgeschrittener Krebserkrankung, Deutsche Ausgabe bearbeitet und herausgegeben von Porzsolt, F. u. Wachsmuth, J., Berlin/Wiesbaden 1997, Ullstein Mosby GmbH & Co 20. Zech, A. (1997): Lehrbuch der Palliativmedizin, Stuttgart 1997, Schattauer Verlagsgesellschaft mbH 21. Zech, D., Schug, St. A., Grond, St. (1999): Therapiekompendium Tumorschmerz und Symptomkontrolle, 5. überarbeitete Auflage, Balingen 1999, Spitta Verlag GmbH
P1.6 PainNurse als Teil der Umsetzung des Schmerzkonzeptes am SPITAL NETZ BERN, Spital Ziegler M. Marfurt Spital Netz Bern, Spital Ziegler Ausgangslage: Eine optimale Versorgung von Schmerzpatienten erfordert die Umsetzung von multidisziplinärenTherapiekonzepten, die auf die Aktivierung der Betroffenen hin ausgerichtet sind. Am SPITAL NETZ BERN, Ziegler haben ärztlicher Dienst und Pflegedienst im Oktober 2005 beschlossen, gemeinsam ein Schmerzkonzept auszuarbeiten und umzusetzen. Fragestellung: Wie kann in einem Regionalspital der Grundversorgung ein interdisziplinär erarbeitetes Schmerzkonzept erfolgreich umgesetzt werden? Material, Methode: Interdisziplinäre Arbeitsgruppe (ärztlicher Dienst, Pflegedienst, Physiotherapie) Ergebnisse: Die Inhalte, das Vorgehen und das aktuelle Wissen zum Thema Schmerz ist für alle Mitarbeiter zugänglich und wird in internen Weiterbildungen interdisziplinär geschult und angeboten. Die Schulungen stehen als Präsentation und als mp3Datei auf dem Intranet zur Verfügung. Die Zielsetzung und Evaluation zum Thema Schmerz ist allen bekannt. Es wurden verschiedene Abläufe im Schmerzmanagement angepasst und das Angebot der medikamentösen Maßnahmen um nichtmedikamentöse Maßnahmen ergänzt. 1. Centrum für Kommunikation, Information und Bildung (CeKIB). (Hrsg.) 2006, Fernlehrgang PainNurse – Schmerzmanagement in der Pflege, Nürnberg. 2. DNQP (Hrsg.). 2004: Expertenstandard: Schmerzmanagement in der Pflege, Osnabrück. 3. Neugebauer, E. (2005). Initiative Schmerzfreie Klinik. Die schmerzfreie Klinik – (k)eine Vision? Deutsches Ärzteforum, (2005), 279281. P1.7 Implementierung des Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege am St. Marien-Hospital Hamm F. Marquardt, K. Naber, I. Warnat St. Marien-Hospital Hamm Fragestellung: Ziel ist die vollständige Implementierung des Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege des Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)1 am St. Marien-Hospital Hamm. Schmerzmanagement beschreibt einen umfassenden, multidisziplinären Prozess, Schmerzen eines Patienten zu erkennen, einzuschätzen und zu lindern. Jeder Patient erhält ein angemessenes Schmerzmanagement, das dem Entstehen von Schmerzen vorbeugt und sie auf ein erträgliches Maß reduziert. Material und Methoden: Grundlage hierzu bildete der Fernlehrgang „Pain Nurse“ des Klinikums Nürnberg, an dem 3 Ärzte und 6 Pflegekräfte teilnahmen, woraus sich die Projektgruppe zusammensetzte. Der erste Schritt (2005-2007) erfolgte in der Betriebsstätte mit vorwiegend operativen Fachabteilungen. Zum Projektstart und im Verlauf erfolgten im Rahmen der Ist-Analyse Befragungen mittels Fragebogen der pflegerischen und ärztlichen Mitarbeiter. Zur Evaluation der Zielerreichung wurde neben der Mitarbeiter- auch eine Patientenbefragung durchgeführt. Ein Schulungskonzept für ärztliche / pflegerische Mitarbeiter wurde in der Projektgruppe erarbeitet und in Kooperation mit der Innerbetrieblichen Fortbildung, in Anlehnung an die Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“2, umgesetzt. Die Schulungsinhalte umfassten die Themen: Schmerzmessung, Dokumentation, Medikamentöse Schmerztherapie, WHO-Stufenschema, Kathetertechniken, Akutschmerzdienst und nichtmedikamentöse Schmerztherapie. Intensive Öffentlichkeitsarbeit in Form eines jährlichen Schmerztages, Presseartikel, Internetauftritt und Informationsstände, waren ebenfalls Bestandteil der Projektarbeit. Flächendeckende Einführung der standardisierten Schmerzmessung und Dokumentation zum Januar 2006. Entwicklung und ImplementieDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts rung von medikamentösen Standards und Algorithmen in Form von Verfahrensanweisungen und Flow-Charts in den einzelnen Fachabteilungen. Ergebnisse: Im Rahmen der Ist-Analyse waren folgende Ergebnisse der Befragung ärztlicher und pflegerischer Mitarbeiter zum Projektstart zu erheben: keine einheitliche Dokumentation in der Tageskurve (100%), keine transparente Dokumentation (100%), häufige Telefonate müssen diesbezüglich geführt werden (80%), keine Schmerzskalen (80%), hoher Schulungsbedarf (70%), Schmerzmanagement wird als nicht einheitlich/zu unstrukturiert erlebt (65%), kein standardisiertes Vorgehen (60%). Die Ergebnisse nach Einführung des Expertenstandards stellen sich wie folgt dar: Ergebnisse der Befragung ärztlicher und pflegerischer Mitarbeiter zur Evaluierung sind in Tab.1 dargestellt. In der Patientenbefragung zur Evaluierung in der Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie antworteten auf die Frage: Wie war die Behandlung ihrer Schmerzen? 50% genügt sogar mehr als meinen Ansprüchen, 40% genügt vollständig meinen Ansprüchen, 10% genügt nur zum Teil meinen Ansprüchen und 0% genügt gar nicht meinen Ansprüchen. Die standardisierte Schmerzmessung und Dokumentation3, die zum 01.01.2006 eingeführt wurde, wird von 50% der Stationen mindestens 3 x täglich, bei 25% mindestens 1 x täglich und bei 25% gar nicht durchgeführt. Kontinuierliche Schulungen für Pflegekräfte und Ärzte mit jeweils 4 x 2 Stunden und ca. 30 Teilnehmern pro Termin werden durchgeführt. Den Schmerztag besuchten ca. 140 Teilnehmer. In enger Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen wurden Behandlungsstandards entwickelt, visualisiert und als Verfahrensanweisung implementiert. Schlussfolgerung: Nach Einführung des Expertenstandards rückte das Thema Schmerztherapie deutlicher in den Focus. Regelmäßige Schmerzmessung und Dokumentation ermöglichte intensiver auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen. Von den Pflegekräften wurde die Erweiterung des Handlungsspielraums durch Algorithmen als effektiv empfunden. Hierdurch verkürzte sich die Reaktionszeit zur Anpassung der Schmerztherapie, wodurch eine höhere Patientenzufriedenheit erreicht wurde. Durch Schulungsmaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit wurde eine größere Durchdringung bei den Mitarbeitern erreicht. Die kurzfristige Zielerreichung ist ohne freigestellte Projektleitung oder externe Begleitung erschwert. Für Januar 2008 ist die Implementierung in der zweiten Betriebsstätte terminiert. Angestrebt wird die Zertifizierung des Schmerzmanagements. 1. Moers M, Schiemann D, Hrsg.: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege, 2005, Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege, Entwicklung – Konsentierung – Implementierung (DNQP), ISBN: 3-00-012743-7, Fachhochschule Osnabrück 2. Laubenthal H, Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung Schmerztherapie (DIVS); AWMF, Nr. 41/001, 2007; Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ 3. Jage J, Tryba M, et al.; Dtsch Arztebl 2005; 102:A 361–366 [Heft 6] Postoperative Schmerztherapie – eine interdisziplinäre Notwendigkeit P1.8 Was verursacht Patienten wirklich Schmerzen – Ist Pflege schmerzhaft? N. Nestler1,2, A. Ewers, J. Osterbrink3, H. Richter2, S. Herzog2, S. Fiedler2, M. Zenz1, C. Maier1,2 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum, 2 Abteilung für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum, 3 Institut für Pflegewissenschaft, Parcelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg; Institut für Pflegewissenschaft, Universität Witten-Herdecke Hintergrund: Patienten beklagen immer noch unzureichend behandelte Schmerzen im Krankenhaus. Häufig werden die Schmerzen mit der durchgeführten Operation oder ärztlichen Interventionen wie Punktionen oder Verbandwechsel in Verbindung gebracht (1, 2). Dies ergibt sich durch den zeitlichen Zusammenhang der auftretenden Schmerzen
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und der zugrunde liegenden Ursache. Der Auslöser der Schmerzen erscheint aber vielfach nicht klar. Im Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ wurden daher mögliche Schmerzauslöser und eine mögliche nachfolgende schmerztherapeutische Versorgung erhoben. Methode: Die Studie untersuchte das Schmerzmanagement in 25 bundesdeutschen Krankenhäusern. Der Aufbau nach einem quasiexperimentellen Design war als Pre-Posttest angelegt und es fanden Befragungen von Patienten, Pflegenden und Ärzten statt. Die Patientenbefragung erfolgte als Querschnitterhebung in den konservativen Fächern und am ersten postoperativen Tag bei allen operierten Patienten (Laufzeit ca. 14 Tage); nach der Ersterhebung fanden Interventionen zur Optimierung des Schmerzmanagement in den Kliniken statt, abschließend erfolgte die Zweitbefragung. Ergebnisse: Bei der Ersterhebung hatten 41% der Patienten schmerzverursachende oder schmerzverstärkende Anlässe vor allem durch pflegerische Maßnahmen wie das Aufstehen und Gehen (39,3%) und die Lagerung (29%). Diagnostische und therapeutische Maßnahmen wie Punktionen (1,1%) oder Verbandwechsel (4,7%) wurden deutlich weniger häufig genannt. Bei der Zweitbefragung wurden deutlich weniger Anlässe stärkerer Schmerzen angegeben (Aufstehen und Gehen 26%, Lagerung 18,4%). Auch hatte sich der Anteil der Patienten, die sich wegen Schmerzen nicht meldeten, deutlich gesenkt (am Tag von 24,3% auf 12%, in der Nacht von 29,2% auf 19%). Die von den Patienten dargestellten schmerzhaften Anlässe wurden ebenso von Pflegenden und Ärzten als solche eingeschätzt. Bei der Erstbefragung war weniger Problembewusstsein der Ärzte vorhanden. Fazit: Patienten geben vor allem Schmerzen bei alltäglichen pflegerischen Maßnahmen an. Dies lässt auf eine mangelnde Schmerztherapie bei solchen Anlässen schließen. Die Pflegenden sahen bereits bei der Erstbefragung einen Handlungsbedarf, dem aber noch nicht ausreichend begegnet werden konnte. Das Problembewusstsein bei allen Beteiligten, vor allem aber bei den Ärzten muss gesteigert werden. Das Projekt hat gezeigt, dass durch gezielte Interventionen wie Schulung der Mitarbeiter und Erarbeitung von klinikspezifischen schmerztherapeutischen Konzepten der Anteil von Patienten mit Schmerzen durch alltägliche Verrichtungen deutlich gesenkt werden kann, diese nicht zuletzt durch gesteigertes Problembewusstsein der Mitarbeiter. 1. Ripamonti C. et al. 2000, Pain experienced by patients hospitalized at the National Cancer Institute of Milan: Research project `towards a pain-free hospital`, Tumori 86 : 412 – 418; 2. DNQP 2005, Nationaler Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege, Osnabrück P1.9 Ergebnisse der Implementierung systematischer Schmerzmessung auf einer Intensivstation A. Parthum, I. Pillipp Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Erlangen Hintergrund: Postoperativer Schmerz im intensivstationären Setting erschwert die Erholung. Neben pflegerelevanten Auswirkungen starker Schmerzen bestehen die Gefahren vital gefährdender Komplikationen sowie der Chronifizierung [1]. Auf der Interdisziplinären Operativen Intensivstation (IOI) wurde der Bedarf einer systematischen Schmerzmessung gesehen [2]. Ein am nationalen Expertenstandard [3] orientiertes, stationsspezifisches Schmerzassessment wurde implementiert und Veränderungen des Schmerzerlebens nach Standardeinführung untersucht. Methode: Grundlage der quasiexperimentellen, sequentiellen Studie war der Datensatz einer RCT mit 73 kardiochirurgischen Patienten (Studie 2004) [4]. Den Daten zur Schmerzintensität, -dauer, -medikation und -befragung dieser Voruntersuchung wurden neuere Zahlen einer vergleichbaren Kohorte (Studie 2006) gegenübergestellt. Ein- und Ausschlusskriterien der Voruntersuchung wurden übernommen. Als unabhängige Variable fungierte der Standard der Schmerzmessung. Aufgrund der generalisierten Implementierung auf der IOI ließ sich kein Parallelgruppenvergleich vornehmen.
Ergebnisse: An der Nachuntersuchung nahmen 73 Patienten teil. Die Gruppen waren hinsichtlich Alter, Geschlecht, BMI, ASA, Art der Herz-OP und Aufenthaltsdauer auf IOI vergleichbar. Die Verteilung des eingesetzten Narkoseopioides unterschied sich zwischen Vor- und Nachuntersuchung (c2, p<0,001). Menge und Häufigkeit auf der IOI verabreichter Opioide zeigten keine Abweichungen. Mehr Patienten der Nachuntersuchungsgruppe erhielten vor und nach der Extubation Nichtopioide (c2, p<0,05). Retrospektiv angegebene Ruhe- und Belastungsschmerzen waren 2006 geringer (T-Test, p<0,05). Patienten dieser Gruppe erlebten in Ruhe weniger häufig Schmerzwerte >3/10 (c2, p<0,05). Für den Belastungsschmerz war diese Häufigkeitsverteilung nicht signifikant. Bei Erinnerung an eine Schmerzmessung auf der IOI gaben mehr Patienten der Nachuntersuchung mindestens eine Befragung pro Tag an (c2, p<0,05). Der Schmerzverlauf war bei Patienten 2004 überwiegend periodisch, 2006 empfanden mehr Patienten kurz andauernde Schmerzen (c2, p<0,05). Diskussion: Nach 2004 verbesserte sich das Schmerzerleben kardiochirurgischer Patienten auf der IOI. Schmerzen werden vermehrt als kurz andauernd erlebt, die Intensität ist geringer. Die Umsetzung des Standards spiegelt sich in häufigerer Erinnerung an Schmerzbefragungen wider. Die zeitversetzte Untersuchung der beiden Kohorten schließt Confounder nicht aus und schränkt die Vergleichbarkeit der Studiengruppen ein. Ob die reduzierten Schmerzwerte Folge der Standardimplementierung sind, bleibt offen. Dennoch ist davon auszugehen, dass die regelmäßige Schmerzmessung mittels Instrument als Voraussetzung der Schmerztherapie zur verbesserten Patientensituation beiträgt. 1. Tryba M, Wegermann: „Analgesie und Sedierung bei kardiochirurgischen Intensivpatienten“ In: Zerkowski H-R, Baumann G (Hrsg.): HerzAkutMedizin, Darmstadt: Steinkopff, 2006, S. 56-74 2. Parthum A: „Schmerz lass nach“ In: intensiv 2005; 13(4): 174-181 3. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.) (2005): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege. Osnabrück 4. Parthum A, Weinzierl A, Grässel E, Koppert W: „Präoperative Schmerzschulung. Fehlender Einfluss auf postoperativ erlebtes Schmerzempfinden kardiochirurgischer Patienten“ In: Schmerz 2006; 20(4): 314-326
Ergebnisse: Von den 108 PCA-Protokollen gingen für die ersten drei postoperativen Tage pro Messzeitpunkt durchschnittlich 91 Werte für Ruhe- und 72 Werte für Belastungsschmerzen in die Auswertung ein. Die Anzahl verfügbarer Werte ist dabei ab dem Abend des OP-Tages relativ konstant, nachts sind weniger Einträge für den Belastungsschmerz verzeichnet. Im mittleren Verlauf schwankt der Ruheschmerz bis zum dritten postoperativen Tag zwischen eins und zwei, der Belastungsschmerz nimmt in diesem Zeitraum Werte von zwei bis drei an. Weiter wurde analysiert, wann gehäuft Schmerzwerte >3/10 auftraten. Ruheschmerzen überschreiten diesen gemäß Expertenstandard [2] angestrebten Zielwert mit geringer Häufigkeit vor allem am ersten postoperativen Tag. Belastungsschmerzen >3/10 treten vielfach bis zum dritten Tag nach der Operation auf. Diskussion: Aus dem Kurvenverlauf lässt sich ableiten, dass mit ansteigender Schmerzintensität im Verlauf der Nacht nach dem Eingriff zu rechnen ist. Das höhere Niveau reicht bis zum zweiten postoperativen Tag, die Abnahme der Schmerzen bei Belastung erfolgt später als in Ruhe. Die Betrachtung der Schmerzwerte > 3/10 lässt erkennen, dass bis zum Vormittag des zweiten postoperativen Tages bei ca. jedem fünften Patienten mit Ruheschmerzen >3/10 zu rechnen ist. Unter Belastung betrifft dies bis zum dritten Tag deutlich mehr Patienten, auffällig ist die wiederholte Häufigkeit um 8:00 Uhr. Verantwortlich dafür könnten Aktivitäten im Zusammenhang mit Körperpflege, Atemtherapie oder Mobilisation sein. Schlussfolgerung: Die Erkenntnisse sollten genutzt werden, um Patienten präoperativ über mögliche Zeitpunkte ansteigender Schmerzstärken zu informieren. Pflegende können im Vorfeld zunehmender Schmerzen die Patienten zur PCA-Bolusgabe anregen oder Bedarfsmedikationen verabreichen. 1. Weber PG, Hümmer HP: „Die ´neue` Erlanger Trichterbrustkorrektur – Minimalisierung eines bewährten Verfahrens“ In: Zentralbl Chir 2006; 131: 493-498 2. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.) (2005): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege. Osnabrück: Fachhochschule Osnabrück
P1.10 Postoperativer Schmerzverlauf unter PCEA nach Korrektur angeborener Brustwanddeformitäten A. Parthum, N. Grießinger, G. Littschwager, D. Märkert, R. Sittl Schmerzambulanz, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Erlangen
P1.11 Kann der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege, auf einer endokrinologischen Station mit zum Teil geriatrischen Patienten/innen die an unterschiedlichen chronischen Schmerzzuständen leiden, angepasst werden I. Weisse Medizinische Universitätsklinik Abt. IV, Universitätsklinikum Tübingen
Hintergrund: Brustwanddeformitäten werden bei Einengung des Brustraumes und Behinderung der Brustorgane operativ korrigiert. Daneben führt der Leidensdruck der Betroffenen durch starke psychische Belastung und schwere psychosoziale Probleme zur Entscheidung für eine Operation [1]. In unserer Klinik wird die anschließende postoperative Schmerztherapie überwiegend als epidurale PCA (PCEA) mit Lokalanästhetikum und Opioid durchgeführt. Optional werden zusätzlich Nichtopioide intravenös verabreicht. Die Überwachung erfolgt durch Pflegende der Station. Ruhe- und Belastungsschmerzen werden regelmäßig mittels numerischer Ratingskala (NRS; Werte von 0-10) erfasst und in ein standardisiertes PCA-Protokoll dokumentiert. Mit welchem Verlauf ihrer Schmerzen müssen Patienten nach operativer Korrektur der Brustwanddeformität in den ersten drei Tagen unter PCEA rechnen? Patienten & Methode: In einer retrospektiven Studie wurden 108 Patienten mit einem mittleren Alter von 18 Jahren (Median) ausgewertet, 97 waren männlichen und elf weiblichen Geschlechts. Eingeschlossen wurden Patienten mit angeborener Brustwanddeformität, die 2005/2006 operiert und mit einer PCEA versorgt wurden. Aus den verfügbaren Ruhe- und Belastungsschmerzwerten der PCA-Protokolle wurde für jeden Zeitpunkt der Mittelwert (Median) bestimmt.
Material/Methoden: • Schulung der Mitarbeiter/innen über bevorstehende Maßnahmen. • Selbst erarbeiteter Schmerzfragebogen und strukturiertes Schmerzinterview der DGSS (nur Bildmodell) zum Einzeichnen der schmerzenden Areale. • Schmerz-Assessment-Instrumente • Gesichter-Rating-Skala, Abwandlung dieser Skala in eine Notenskala (1-6) für viele, vorallem geriatrische Patienten sehr hilfreiches Instrument, das sehr valide Aussagen macht. Note 1 kein Schmerz und lachendes Smiley, Note 6 stärkster vorstellbarer Schmerz, weinendes Smiley. Kombination mit der NRS (0-10) zur Umrechnung. • Als zweite Skala Verwendung von Begriffen (VRS)/1-6 Adjektive und eine Kombination mit der NRS zur Umrechnung, diese Skala ist vorallem für ausländische Patient/innen geeignet, die nicht mit dem deutschen Notensystem vertraut sind (verwenden wir allerdings selten). Anpassung des „Cutt off Punktes“, von 3-4 auf 2-3 bei dem die Bedarfsmedikation feststehen und angeboten werden sollte. Ergebnisse: • Notenskala ist für die Patient/innen dieser Station ein sehr valides Instrument zur Schmerzerfassung • Die Patienten/innen können durch Erfahrungen mit dem SchulnoDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts tensystem mit diesem Instrument umgehen und valide Aussagen machen • Durch die Kombination mit der NRS-Skala ist jederzeit eine Umrechnung möglich, was wir derzeit so handhaben, da andere Abteilungen (Schmerzambulanz) nur mit NRS arbeiten. • Patienten die nach NRS befragt werden können, werden nach NRS befragt Schlussfolgerungen: • Zum Einstieg für eine Schmerzerfassung auf Station scheint es, dass das Instrument sehr geeignet ist, da sich sowohl die Mitarbeiter/ innen als auch die Patient/innen mit dem Instrument Notenskala identifizieren können. • Es ist möglich Noten und Schmerzen in ein valides Verhältnis zu stellen • Valides Instrument zur Erfassung von Schmerzen bei älteren, sehbehinderten Patient/innen mit chron. Schmerzen. Wunsch: Der Einsatz einer einzigen Messskala die alle Möglichkeiten der Schmerzerfassung abbildet wäre hilfreich. 1. Klinikum Nürnberg: Fernlehrgang „Pain-Nurse“, Schmerzmanagement in der Pflege 3/2005 2. DNQP, Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege 05/2005 3. Schlunk T., Schmerztherapie bei Tumorpatienten, ITZ Tübingen 2003 4. Huber H./Winter E., Checkliste Schmerztherapie, Thieme Verlag 2005 P1.12 Ist es trotz aktueller Personalreduktion möglich, den Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege, auf freiwilliger Basis einzuführen I. Weisse Universitätsklinikum Tübingen, Abt. IV Material/Methoden: Ist die Einführung auf freiwilliger Basis als Projekt erwünscht? -->Fragestellung an ->Oberarzt ->PDL ->Stationsleitung ->Pflegepersonal der Station wurde von allen Beteiligten erwünscht Maßnahmen: • Schulung der Mitarbeiter/innen zur Schmerzerfassung sowie Medikamentenwirkung/Wechselwirkung/Äquivalenzen • Schmerz Ja/Nein in der pflegerischen Stammblattdokumentation, um Schmerzpatient/innen zu identifizieren • Eingliederung der Schmerzdokumentation in dem vorhandene Patientenkardex, Schmerzerfassung bei Schmerzpatient/innen 1x/ Schicht, • Umgang mit Widerständen im Team (Mitarbeiter/innenbefragung nachdem die Schmerzerfassung nicht durchgeführt wurde) Ergebnisse: • Zeitaufwand bei Einführung sehr hoch • Geriatrische Patient/innen geben ihre Schmerzen häufig nicht an, wenn sie danach gefragt werden, wird allerdings klar, dass viele dieser Patient/innen Schmerzen haben (Mehraufwand durch Befragen - man muss sich dann auch kümmern) • Motivation der Mitarbeiter/innen wegen Überlastung zum Teil sehr schwierig Schlussfolgerungen: • Kolleginnen muss die Zeitersparnis und die Patient/innenzufriedenheit deutlicher werden, auch bei Patient/innen die erst durch die Schmerzerfassung ihre Schmerzen melden, denn durch eine adäquate Schmerztherapie sind andere zeitaufwendige Maßnahmen (Mobilisation, Störungen der Nachtruhe der Patient/innen durch Schmerz etc.) einfacher und zeitsparender zu behandeln, außerdem sind schmerzfreie Patient/innen in der Regel zufriedener • Grundsätzlich ist es möglich, allerdings für einführende Pflegekraft sehr mühsam
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• Zielvereinbarungen erforderlich • mehr Fortbildungen erforderlich 1. Klinikum Nürnberg „Pain-Nurse“, Schmerzmanagement in der Pflege, Fernfortbildung 3/2005 2. DNQP, Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege 05/2005 3. Schlunk T., Schmerztherapie bei Tumorpatienten, ITZ Tübingen 2003 4. Huber H./Winter E., Checkliste Schmerztherapie, Thieme Verlag 2005
P2 Pflege II P2.1 Dem Schmerz begegnen Basale Stimulation® – Pflegeinterventionen zur Beeinflussung des subjektiven Schmerzerlebens im Rahmen der nicht-medikamentösen Schmerztherapie G. Bartoszek Bildungsakademie am UK, Essen Einleitung: Pflegende nehmen auf Grund ihrer Patientennähe im Rahmen einer effektiven interdisziplinären Schmertherapie eine zentrale Rolle im Versorgungsmanagement ein. Als ein grundlegendes pflegerisches Handlungsfeld deklariert der Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ u. a. die nicht-medikamentösen Maßnahmen im Sinne einer wirkungsvollen Begleittherapie zum medikamentösen Schmerzmanagement (www-dnqp.de 2005). Die nachgewiesene Wirksamkeit der nicht-medikamentösen Therapie (Bernatzky et al. 2007) hat nicht nur die Verminderung der Schmerzqualität, -intensität und/ oder Schmerzdauer zur Folge, sondern führt auch zu einer Verringerung der stressbedingten physischen (z.B. Bluthochdruck, Anstieg des Muskeltonus) und psychischen Einflüsse (Schlafstörung, Unruhe, Angst). Ziel ist es die Lebenszufriedenheit und das Wohlbefinden des vom Schmerz Betroffenen entscheidend zu verbessern. Hintergrund: Insbesondere schwerstbeeinträchtigte pflegebedürftige Menschen erleben durch das Schmerzengeschehen ihren eignen Körper als bedrohlich (Fröhlich 2006). Der Körper wird als feindlich wahrgenommen. Hier bietet das Konzept der Basalen Stimulation® in der Pflege einen Zugang zu dem vom Schmerz betroffenen Menschen. Mittels köperorientierter sensorischer Angebote soll versucht werden, die individuelle Befindlichkeit des Betroffenen positiv anzusprechen. Dabei soll der betroffene Mensch eine angenehme und eindeutig wahrnehmbare Information (Stimulation) zu sich selbst und seiner Umwelt erfahren, die an bekannte und elementare (basale) Erfahrungen anknüpfen – jenseits der sprachlichen Kommunikation (vgl. Bienstein & Fröhlich 2003, Bartoszek & Nydahl 2003). Vorgehen: Literatursichtung von Forschungsarbeiten und Erfahrungsberichten der Basalen Stimulation® zur Identifikation schmerzreduzierender Effekte im Kontext der nicht-medikamentösen Schmerztherapie. Ergebnis: Im Kontext der nicht-medikamentösen Schmerztherapie werden in der Literatur spezifische Einzelinterventionen der Basalen Stimulation® (u. a. Atemstimulierende Einreibung, beruhigende Waschung) schmerzreduzierende Effekte zugeschrieben. Nachfolgend werden beispielhaft für die Atemstimulierende Einreibung (ASE) beobachtete Effekte (vgl. Schiff 2006), denen eine Beeinflussung des Schmerzerlebens zugesprochen wird, aufgezeigt: 1. emotionale/ psychische Auswirkungen • Zunahme von Entspannung und Wohlbefinden, Verbesserung der Schlafqualität • Verminderung von Angstzuständen 2. physische Auswirkungen • Zunahme der Muskelentspannung • angenehme Wärmeempfindung • Abnahme der vegetativen Parameter (Puls, Blutdruck, Atmung) Die Annahme, dass die hier aufgezeigten Effekte eine positive Auswirkung auf das Schmerzerleben der Betroffenen haben, wurde bereits in zahlreichen Veröffentlichungen aufgezeigt (vgl. Osterbrink & Stiehl 2004). Ebenso lassen sich die beobachteten Effekte bzgl. der positiven Beeinflussung des Schmerzerlebens mittels der Gate-Control-Theorie erklären (Carr & Mann 2002): Positive Empfindungen, wie beispielsweise bei der kuta-
nen Stimulation (u. a. Wärme- oder Kältebehandlungen, Einreibungen) werden über die schnell leitenden a-β Fasern zum Gehirn weitergeleitet und unterbinden bzw. verlangsamen die spezifische Schmerzweiterleitung auf Rückenmarksebene. Des Weiteren können absteigende schmerzhemmende Systeme des Gehirns durch positive Empfindungen (u. a. Ablenkung, Entspannung) aktiviert werden (Carr & Mann 2002). Schlussfolgerung: Es kann also angenommen werden, dass Angebote der Basalen Stimulation® im Rahmen der pflegerischen nicht-medikamentösen Schmerztherapie zur positiven Beeinflussung des subjektiven Schmerzerlebens für den Betroffenen beitragen. Daher besteht der Bedarf an weiteren differenzierten Studien, die darstellen, welche Ausprägungsgrade der aufgezeigten Effekte zur Schmerzlinderung beitragen können. Wünschenswert wäre hier, dass gerade vulnerable Patientengruppen, wie hochbetagte ältere oder demente Menschen, in Untersuchungen miteinbezogen würden, da hier das Konzept der Basalen Stimulation® eine große Bedeutung hat und die Implementierung in die Praxis vielerorts zu beobachten ist. 1. Bernatzky, G.; Likar R.; Wendler F.; Wenzel G.; Ausserwinkler, M.; Sittel, R.: Nichtmedikamentöse Schmerztherapie. Springer Verlag 2007 2. Bienstein, Ch.; Fröhlich, A.: Basale Stimulation in der Pflege. Kallmeyer Verlag 2003 3. Carr, E.; Mann, E.: Schmerz und Schmerzmanagement. Huber Verlag 2002 4. Fröhlich, A.: Basale Stimulation in der Pflege – Das Arbeitsbuch. Kallmeyer Verlag 2006 5. Nydahl, P.; Bartoszek, G.: Basale Stimulation - Neue Wege in der Pflege Schwerstkranker Elsevier Verlag 2003 6. Osterbrink, J.; Stiehl, M.: Der Schmerzpatient in der Pflege. ComMed Verlagsagentur 2004 7. Schiff, A.: Schlafförderung durch Atemstimulierende Einreibung bei älteren Menschen. Huber 2006 P2.2 Umsetzung des Schmerzmanagement in der Pflege N. Meyer, P. Estner BG Unfallklinik, Murnau Das Poster, dass wir Ihnen vorstellen werden, zeigt Ihnen den Weg auf, den wir bei der Umsetzung des Expertenstandard Schmerzmanagement in den vergangenen Jahren gegangen sind. Ebenfalls die Zwischenergebnisse und die Schlussfolgerungen. Es entstand auch eine Vision für die Zukunft, auf dem Weg zum „schmerzfreien Krankenhaus“, dass ein Fernziel für uns darstellt. Im Anschluss sehen Sie, mit welcher Literatur wir gearbeitet haben. Zunächst sollte der Expertenstandard umgesetzt werden, klarer Auftrag unserer Pflegedirektion. Vorausgesetzt wird von den Leserinnen und Lesern, dass der Inhalt des Expertenstandard bekannt ist. Die Tagung wird sicherlich jedem Interessierten einen Einblick geben können. Wir beginnen zunächst mit der Gründung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, mit jeweils einer Multiplikatorin bzw. einem Multiplikator von allen Stationen aus der Pflege unseres Hauses. Mit ihnen und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus weiteren Berufsgruppen planten wir unser Projekt und entwickelten einige Arbeitsmaterialien, die Sie dem Poster entnehmen können. Die Implementierung der Ergebnisse aus der Arbeitsgruppe in die Praxis war das Kernstück, dass über das Gelingen der Umsetzung zu entscheiden hatte. Hier wird aufgezeigt, welche Schritte wir eingeleitet haben. Dann wurde nach einem Jahr evaluiert, welche Probleme aufgetaucht sind, welche Erfolge wir alle zusammen erreicht haben. Im Poster wird ganz offen aufgezeigt, was wir zusammengetragen haben und welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen konnten. Dies hieß für uns weitere Aufgaben, die wir gemeinsam angehen mussten. Nun gilt es in die Zukunft zu schauen, zu visionieren. Wir bereiten uns auf den nächsten Expertenstandard des chronischen Schmerzpatienten vor und wir haben vor, den Schmerzstandard auch beim kognitiv eingeschränkten Patienten anzuwenden. Hierfür wollen wir eine Skala vorbereiten und ausprobieren. Die Anwendbarkeit soll dann ebenfalls evaluiert werden.
Haben wir die Umsetzung dann damit erreicht? Haben wir auch den Menschen erreicht, bei der Umsetzung des Expertenstandard Schmerzmanagement oder nur den Arbeitsauftrag erfüllt? Es gibt nicht „den“ Schmerz, sondern nur den Menschen, der ihn erleidet. Dieser Akzent macht viel aus, suchen wir gemeinsam die Antwort in dem Poster. Wie nähern wir uns dem Ziel, „ das schmerzfreie Krankenhaus“? Darüber möchten wir gerne mit Ihnen diskutieren. Wir wünschen Ihnen bei der Betrachtung des Posters viel Vergnügen und freuen uns schon jetzt auf einen intensiven Erfahrungsaustausch. P2.3 Selbstauskunft zum Schmerz bei schwerer Demenz T. Fischer, R. Neubart, M. Hasseler Charité - Universitätsmedizin Berlin, AG Pflegerische Versorgungsforschung / Graduiertenkolleg Multimorbidität im Alter und ausgewählte Pflegeprobleme; Evangelisches Krankenhaus Woltersdorf, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Schmerz als subjektives Phänomen ist nur durch den Betroffenen selbst zuverlässig einzuschätzen. Die Selbstauskunft gilt deshalb als Goldstandard des Schmerzassessments. Bei Menschen mit schwerer Demenz ist die Fähigkeit zur Selbstauskunft jedoch deutlich eingeschränkt. Dennoch wird vielfach berichtet, dass auch Menschen mit fortgeschrittener Demenz in der Lage sind, mit Hilfe standardisierter Skalen zuverlässige Aussagen zur Stärke ihrer Schmerzen zu machen. Im Rahmen einer Studie zur Validierung eines Instrumentes zur Schmerzeinschätzung bei Menschen mit schwerer Demenz in Pflegeheimen, wurden Betroffene mit verbliebener verbaler Kommunikationsfähigkeit gebeten, ihre Schmerzen mittels einer verbalen Rangskala (VRS) einzuschätzen. Die Erhebung erfolgte jeweils in einer bewegungsarmen und in einer bewegungsreichen Situation. Die Studienteilnehmer hatten zuvor keine Erfahrungen mit standardisierter Schmerzerfassung gemacht. Das Demenzstadium wurde mittels Functional Assessment Staging (FAST) nach Reisberg erfasst. Von insgesamt 149 Studienteilnehmern, waren 81 Personen oder 53,7% dem FAST – Stadium 5 oder 6 zuzuordnen. Sie wiesen also erhebliche Einschränkungen durch die Demenz, aber verbliebene verbale Kommunikationsfähigkeit auf. Davon waren wiederum 21 Personen in der Lage anzugeben, ob eine bewegungsarme Situation ihnen Schmerzen verursacht, 22 konnten dies in einer bewegungsreichen Situation. 60 bzw. 59 Personen konnten jedoch keinerlei Auskunft in dieser Hinsicht geben. 3 Personen berichteten in der bewegungsarmen Situation über Schmerzen, 4 in der bewegungsreichen. Keine dieser Personen war in der Lage, die Schmerzstärke mittels VRS genauer zu definieren. In einem fortgeschrittenen Demenzstadium erweist sich trotz verbliebener verbaler Kommunikationsfähigkeit die Selbstauskunft zu Schmerzen als sehr schwierig. Die Mehrzahl der Betroffenen kann keinerlei Angabe machen, die Anwendung einer standardisierten Skala misslingt. Daraus ist einerseits zu schließen, dass in Klinik und Forschung bei dieser Personengruppe kaum mit einer Selbstauskunft zu Schmerzen gerechnet werden kann. Insbesondere für die Forschung ist dies im Untersuchungsdesign zu berücksichtigen. Andererseits sollte der Versuch unternommen werden, durch frühzeitige Anwendung von Schmerzskalen in weniger schweren Demenzstadien und angepasste Hinführung zu ihrer Anwendung, die Rate der erfolgreichen Schmerzeinschätzungen auch bei fortgeschrittener Demenz zu erhöhen. Dies kann im Rahmen einer dauerhaften Pflegebeziehung am ehesten gelingen. P2.4 Schmerzeinschätzung bei kognitiv beeinträchtigten Menschen – Die Testung des Einschätzungsinstruments ZOPA© I. Gnass, E. Sisch Willich Diese Untersuchung entstand im Rahmen einer Qualifikationsarbeit zur Erlangung des Grades MScN im Studiengang Pflegewissenschaft an der Privaten Universität Witten/Herdecke gGmbH. (BetreuerIn Prof. Dr. S. Bartholomeyczik, Dr. H. Mayer). Die Einschätzung von Schmerzen in der Pflege von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen fordert die Nutzung spezifischer ErfasDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts sungsinstrumente. Aus dieser Problemlage heraus entwickelten Mitarbeiter des UniversitätsSpital Zürich und des Zentrums für Forschung in der Pflege (ZEFP) seit 2001 ein Schmerzeinschätzungsinstrument (ZOPA©) für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Das Instrument erfasst in 4 Kategorien Verhaltensmerkmale und physiologische Indikatoren auf nominalem Niveau. Seit November 2005 ist ZOPA© auf den neurologischen und neurochirurgischen Stationen implementiert. Das Forschungsvorhaben hat die Weiterentwicklung des Instruments und die Überprüfung der Validität zum Ziel. Das Forschungsdesign ist deskriptiv/explorativ. Die Kantonale Ethikkommission Zürich stimmte dem Vorhaben zu. Im Zeitraum von drei Monaten wurden, auf der Neurologie, der Neurochirurgie und der Intensiv- u. Überwachungsstation, alle erfassten Erhebungen ausgewertet. Die Schmerzeinschätzung mittels ZOPA© wird durch diplomierte Pflegefachpersonen durchgeführt. Die auftretenden Häufigkeiten und Kombinationen der Verhaltensmerkmale werden detailliert dargestellt. Zur Prüfung der Konstruktvalidität wird unter bestehender Schmerztherapie die Verringerung der Verhaltensmerkmale ausgewertet. Die Datenanalyse von insgesamt 1355 Erhebungen zeigte 557 Erhebungen, bei denen mindestens ein Verhaltensmerkmal dokumentiert wurde und für 88,8% der Erhebungen, dass < 5 Verhaltensmerkmale pro Erhebung dokumentiert wurden. Es wurden Kombinationen von Verhaltensmerkmalen identifiziert, die sich spezifisch für Patienten und Patientinnen mit und ohne Beatmungstherapie darstellten. Bei 644 Erhebungen konnten zwei bzw. drei Erhebungszeitpunkte zugeordnet werden. Für 73,3% der Erhebungen konnte eine Verringerung der Verhaltensmerkmale auf 0 aufgezeigt werden. Unter Berücksichtigung diverser Schmerztherapieformen zeigte sich die Verringerung als hochsignifikant (p<0,001). Die Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Anzahl der Verhaltensmerkmale im Instrument verringert werden konnten und das Instrument dennoch die relevanten Verhaltensmerkmale zur Erfassung von Schmerz beinhaltet. P2.5 Die Rolle der Pflegekraft im interdisziplinären Behandlungsteam einer Schmerztagesklinik. Ergebnisse einer Patientenbefragung C. Hafner, G. Littschwager, D. Märkert, D. Boujong, P. Mattenklodt, C. Geiss, C. Wille, R. Sittl Schmerzzentrum Erlangen Einleitung: Mit der Entwicklung von multimodalen Gruppentherapieprogrammen für chronisch schmerzkranke Menschen ist ein neuer Arbeitsbereich für Pflegekräfte im schmerztherapeutischen Arbeitsfeld entstanden. Fragestellung: Ziel dieser Befragung war es, innerhalb der Aufgabenvielfalt eine Wertigkeit aus Patientensicht zu erfahren, die Rolle der Pflegekraft genauer zu definieren und somit das pflegerische Potential in der Gruppentherapie bedarfsgerechter nützen zu können. Methode: Die Erhebung der Daten wurde mit Hilfe eines eigens dafür entwickelten Fragebogens durchgeführt. Sie erfolgte anonym jeweils am Ende des fünfwöchigen Therapieprogramms. Inhaltlich wurden Fragen zu vier Themenbereichen gestellt: Organisatorische Aufgaben, edukative Aufgaben, cotherapeutische Aufgaben, Rolle der Pflegekraft als Bezugsperson. Ergebnisse: In die Auswertung gingen insgesamt 94 Patientenbefragungen ein, der Altersdurchschnitt betrug 50 Jahre (21 – 71 Jahre). Die Teilnehmer beurteilten die Betreuung durch die Pflegekraft insgesamt als sehr wichtig und unterstützend. Dies spiegelt sich in der Beantwortung des ersten Fragenteils wieder, der die verschiedenen Aufgabenbereiche der Pflegekraft umfasste. Auf einer Bewertungsskala von 0 – 10 ergaben sich Mittelwerte von 9 – 10 für alle aufgeführten pflegerischen Einsatzbereiche. In der Rangliste von erwünschten Eigenschaften der Pflegeperson lagen die Ansprechbarkeit/Gesprächsbereitschaft und die Freundlichkeit mit 62 bzw. 52 von 94 Nennungen an erster Stelle. Zur Auswertung der Antworten auf die Frage: „In welcher Hinsicht war die Pflegekraft für Sie konkret hilfreich? – Nennen Sie konkrete Beispiele“ wurden sechs Kategorien gebildet.
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Ergebnis: 1. Empathie: 35% 2. Ansprechbarkeit/Gesprächsbereitschaft 27% 3. Edukation 15% 4. Organisation 14% 5. Entspannungstraining 6% 6. pflegerische Maßnahmen 3% Zusammenfassung: Die bisherigen Ergebnisse dieser Befragung unterstreichen die Bedeutung der Pflegekraft bei der Begleitung der Patienten im multimodalen Schmerztherapieprogramm. Dabei steht eindeutig die Rolle als Bezugsperson im Vordergrund. Deshalb sollte eine Pflegekraft, die in ein solches Arbeitsfeld wechseln möchte, die innere Bereitschaft mitbringen und Freude daran haben, sich auf den Patienten einzulassen und sich mit ihm auch in schwierigen Situationen auseinander zu setzen. Eine Weiterbildung der Pflegekraft im Bereich der Psychosomatik und der Gesprächsführung erscheint notwendig, um ihre Kompetenz für dieses Arbeitsfeld zu erweitern. P2.6 Zertifizierung von Schmerzmanagementsystemen in Altenpflegeeinrichtungen A. Haupt, C. Offermann ZertSozial, Stuttgart Die Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) geben für die Pflege in den Gesundheitsund Pflegeeinrichtungen wichtige Orientierungen und sind von der Pflege anerkannt. Besondere Bedeutung für die leibliche Betroffenheit nicht nur für Pflegebedürftige sind Schmerzerfahrungen. Eine Einrichtung der Pflege, die sich offensiv um Schmerzmanagement bemüht und Schmerzen den Kampf ansagt, wird daher besondere Aufmerksamkeit erfahren. Immerhin leiden zwischen 50 und 70% der Bewohnerinnen von Altenpflegeeinrichtungen mehr oder weniger an Schmerzen. Grundlage des Kriterienkatalogs zu Schmerzmanagement sind die Vorgaben des Expertenstandards Schmerzmanagement mit seinen Qualitätsvorgaben zu Struktur, Prozess und Ergebnis. Darüber hinaus sind die „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung“ und die Anforderungen der ISO 9001:2000 berücksichtigt. Schmerzmanagement wird im Rahmen dieser Prüfung durch ZertSozial verstanden als zentrales nachweisbares Anliegen der Einrichtung oder des Trägers der Einrichtung. Es werden dazu Nachweise schriftlicher Art (Regelungen, Dokumentation) aber auch mündlicher Art (Wissen von Mitarbeiterinnen) von den Prüferinnen erhoben. Die DRK-Senioreresidenz Bad Friedrichshall ist die erste Pflegeeinrichtung, die ein Schmerzmanagement-Zertifikat erwerben konnte. P2.7 Kann die Quantität der Schmerzerhebung auf peripheren Stationen durch regelmäßige Schulungen verbessert werden? A. Henck, L. Salecker, G. Friess-Ott Chirurgische Klinik und Klinik für Anaesthesiologie, Universitätsklinikum Heidelberg Einleitung: Im Mittelpunkt des Projektes zur postoperativen Schmerztherapie steht die Realisierung einer „Schmerzfreien Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg“. Eine der größten Sorgen unserer Patienten stellt die Angst vor starken Schmerzen nach operativen Eingriffen dar. Um Schmerzen effektiv behandeln zu können, müssen diese zunächst von den beteiligten Pflegekräften auf Station erfragt und dokumentiert werden. Ziel unserer Erhebung war die Evaluation, inwieweit Schulungsmaßnahmen für Pflegekräfte die Quantität bei der Dokumentation der Schmerzstärke verbessern. Material und Methode: In der prospektiven Studie wurden alle Patienten in zwei vierwöchigen Untersuchungszeiträumen (Gruppe I: 09/2006; n=77 vs. Gruppe II: 02/2007; n=153) untersucht, die postoperativ durch den Akut-Schmerz-Dienst (ASD) der Klinik für Anaesthesiologie betreut wurden. Die Erhebung der Schmerzstärke, gemäß der Visuellen Analog Skala (VAS), wurde nach dem Kriterium „Vollständigkeit“ beurteilt. Zwischen den beiden Evaluationszeiträumen fan-
den Schulungsmaßnahmen statt. Die Schulungsmaßnahmen fanden in Form von vier Einzelfortbildungen, einem zweitägigen SchmerzSymposium, In-House-Schulungen auf den Stationen und in der Innerbetrieblichen Fortbildung statt. Zusätzlich wurden Pflegekräfte der peripheren Stationen als „Schmerzmentoren“ im Rahmen des zweiten vierwöchigen Untersuchungszeitraumes eingesetzt, die als Ansprechpartner auf den Stationen und als Schnittstelle zu den Pflegekräften des ASD auftraten. Für diese „Schmerzmentoren“ fand einmal im Monat ein Treffen zum Austausch und zu weiterer Fortbildung statt. Ergebnisse: Während des jeweiligen Evaluationszeitraumes wurde die Vollständigkeit der VAS-Erhebung untersucht. Dabei konnten erhebliche Unterschiede festgestellt werden. Insbesondere wurden nach Durchführung der Schulungsmaßnahmen und der Einrichtung von Schmerzmentoren auf den peripheren Stationen deutlich mehr VAS erfasst (Tab. 1). Tab.1: Optimierung der VAS-Erfassung durch Schulungsmaßnahmen und Schmerzmentoren Gruppe I
Gruppe II
vollständig erfasst
18%
33%
unvollständig erfasst
12%
19%
nicht erfasst
70%
48%
Schlussfolgerung: Die Einführung von regelmäßigen Fortbildungen und Einrichtung von Schmerzmentoren im pflegerischen Bereich verbessert die Quantität der Schmerzerhebung. Weitere Erhebungen müssen nun zeigen, ob durch die Fortführung regelmäßiger Schulungsmaßnahmen die Schmerzerfassung weiterhin verbessert werden kann und ob dies auch Auswirkung auf den Behandlungserfolg und die Qualität der Schmerztherapie hat. P2.8 Eine Verbesserung der Schmerztherapie ist möglich – Erste Abschlussergebnisse aus dem Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ S. Herzog2, A. Scherens1,2, N. Nestler1,2, A. Ewers3, J. Osterbrink3, H. Richter2, M Zenz1, C. Maier1,2 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum, 2 Abteilung für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum, 3 Institut für Pflegewissenschaft, Parcelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg; Institut für Pflegewissenschaft, Universität Witten/Herdecke Einleitung: Das interdisziplinäre und interprofessionelle Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ sollte Strukturen zur Sicherstellung eines effektiven Schmerzmanagements schaffen. Dazu wurden Patienten, Pflegende und Ärzte aus 25 Kliniken in Deutschland befragt. Die Erhebung erfolgte mittels standardisierter Befragung vor und nach den Interventionen im Zeitraum von Sommer 2004 bis Frühjahr 2007. Vorgehen: Das Interventionskonzept umfasste fünf Säulen: I. acht Optimierungskriterien zur Sicherstellung einer effektiven Schmerztherapie II. zweitägige interprofessionelle Fortbildungsveranstaltung zur Optimierung des Schmerzmanagements durch ärztliche und pflegewissenschaftliche Experten III. Bereitstellung von Service-Material (Literatur, Patienteninformationsbroschüren, Skalen zur Messung der Schmerzintensität) IV. Kommunikation und Moderation der klinikeigenen Aktivitäten durch jährliches Treffen der Klinikkoordinatoren sowie einer Internet-Plattform V. Enge Begleitung der Klinikkoordinatoren durch das Expertenteam Ergebnisse: • In allen 25 Klinken wurde eine multiprofessionelle, fachübergreifende Arbeitsgruppe etabliert, die federführend die Optimierungskriterien umsetzte. • Die Verwendung eines Instrumentes zur Messung der Schmerzintensität stieg von 30% auf ca. 90% in den beteiligten Krankenhäusern.
• Die Schmerzerfassung findet nun mehrmals täglich statt. • Nach Patientenaussagen nahm die Effektivität von schmerzreduzierenden Medikamenten und Maßnahmen von 66,2% auf 90,6% signifikant zu. • Die Auswertung der Patientendaten ergab eine signifikante Reduzierung der Schmerzen in Ruhe (von NRS 3,0 auf 2,2) und bei Belastung (von NRS 4,3 auf 3,4). Darüber hinaus wurde in allen Kliniken die ärztliche Zuständigkeit für die postoperative Schmerztherapie geklärt. Entwicklung von Richtlinien für die Dokumentation, Leitlinien für medikamentöse / nichtmedikamentöse Schmerztherapie entwickelt, interne Schulungen und Bereitstellung von Informationsmaterial für Patienten waren weitere Maßnahmen. Die klinikeigenen Konzepte wurden über die Plattform „Schmerzfreies Krankenhaus“ den anderen Projektkliniken zur Verfügung gestellt und genutzt (z.B. verschiedene Medikationsschema, Schmerzmentorenschulung, Patienteninformationsbroschüren und eine sogenannte „Kitteltaschenkarte“). Schlussfolgerungen: Das Interventionskonzept im Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ hat zu einem optimierten Schmerzmanagement in den beteiligten Kliniken geführt. Die enge Vernetzung von intern und extern gesteuerten Interventionen ermöglichte eine effektivere Schmerztherapie. P2.9 Die Atemstimulierende Einreibung (ASE): eine pflegerische Interventionsstudie zur Reduzierung von Schmerzen bei älteren mehrfach erkrankten Menschen mit hüftgelenksnahen Frakturen K. Kopke, D. Dräger, R. Neubart Graduiertenkolleg „Multimorbidität im Alter und ausgewählte Pflegeprobleme“ Das besonders im Alter auftretende Phänomen der Multimorbidität ist durch chronische Krankheitsverläufe und zunehmende Hilfebedürftigkeit gekennzeichnet (vgl. Kröner-Herwig/Hoefert 1999). Diese Zustände werden häufig durch Schmerzen begleitet. Fälschliche Annahmen, dass Schmerzen eine Folge des Alterungsprozesses sind und die Schmerzwahrnehmung mit zunehmendem Alter abnimmt, bilden Ursachen einer zu Weilen auftretenden defizitären Schmerzbehandlung hochaltriger Menschen (vgl. McCaffery/Pasero 1999). Fox et al. (1999) belegen diese Aussagen mit Zahlen zur Schmerzprävalenz, die nach Selbstauskunft älterer Menschen zwischen 49% und 83% liegen. Um dem mehrdimensionalen Schmerzgeschehen in seiner Behandlung gerecht zu werden, ist die Anwendung multimodaler Therapiekonzepte notwendig (McCaffery/Pasero 1999). Vor dem Hintergrund dieser interdisziplinären Ansätze nehmen Pflegefachkräfte in der Versorgungspraxis aufgrund ihrer Patientennähe eine zentrale Rolle innerhalb des Schmerzmanagements ein (Müller-Mundt et al. 2000). Neben der Schmerzeinschätzung und Symptomkontrolle gehört ebenso zum pflegerischen Aufgabenspektrum die Durchführung nicht-medikamentöser Maßnahmen zur Schmerzreduktion (vgl. DNQP 2005). Die Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen scheint offensichtlich effektiv, doch macht eine häufig fehlende Ergebnisdokumentation sowie wenig vorhandene Forschung eine Rechtfertigung der Verwendung schwer (Carroll 1997; Mobily et al. 1994; Katz et al. 1999; Taylor et al. 2003; Piotrowski et al. 2003). Intervention: Die ASE ist eine Einreibung zur Atemtherapie, welche Elemente der schwedischen Massage, des Shiatsu und der rhythmischen Einreibung miteinander verbindet. Kennzeichnend ist der fortlaufende Körperkontakt während der Einreibung, die in kreisenden Bewegungen beider Hände entlang der Wirbelsäule vorgenommen wird. Eine unterschiedliche Druckverteilung mit den Handinnenkanten bei flach aufliegenden Handflächen hat eine Beeinflussung des Atemrhythmus zur Folge. Mit der Anwendung ist die Vermittlung von Bewusstheit, Entspannung und Sicherheit verbunden. Je nach Indikationsstellung dauert die Anwendung zwischen 3 und 10 Minuten (vgl. Nydahl/Bartosek 2003, S. 206 ff; Bienstein/Fröhlich 2004, S.174 ff). Ziele: Da die epidemiologische Krankheitsentwicklung eine Bereitstellung spezieller, auf die Gruppe älterer Menschen zugeschnittener, TheDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts rapieangebote notwendig macht, hat diese Studie zum Ziel, • einen wissenschaftlichen Beitrag zur begründeten Anwendung einer pflegerischen Intervention, • den Wirksamkeitsnachweis der ASE als komplementäre Methode zur Schmerzreduktion und • die Konzeption neuer Behandlungsansätze für eine professionellere Pflege zu leisten.
P2.10 Netzwerkbildung zur Verbesserung der Strukturqualität der stationären Schmerztherapie im Bereich der Krankenpflege – Ausbildung zum Schmerzmentor/in im Rahmen des Schmerzmanagements H. Sterzer1, K. Post1,2 1 Abteilung für Anästhesiologie, 2 Schmerzambulanz, Klinikum Coburg gGmbH
Fragestellung, Hypothesen: Für die wissenschaftliche Betrachtung der nicht-medikamentösen Schmerztherapie im Bereich der pflegerischen Interventionen setzt sich diese Untersuchung mit der Forschungsfrage auseinander: Ist die ASE eine geeignete komplementäre Methode zur Schmerzreduktion? Grundannahme für die Wirksamkeitsprüfung ist die allgemeine Hypothese: Die Anwendung der ASE wird die Situation von Schmerzzuständen bei mehrfach erkrankten älteren Patienten mit schmerzhaften Veränderungen an der Hüfte erleichtern, da die Wahrnehmung von Schmerz durch die angewandte Intervention verringert wird. Darüber hinaus werden weitere vier Hypothesen formuliert, die durch Anwendung der ASE positive Auswirkungen auf: • die Schmerzintensität, • den Verbrauch von analgetischer und hypnotischer Bedarfsmedikation, • das Ein- und Durchschlafverhalten sowie • das Konzentrationsvermögen annehmen
Hintergrund: Pflegekräfte im Krankenhaus spielen aufgrund ihrer Nähe zu den betreuenden Patienten eine zentrale Rolle in der Versorgung. Da Schmerz ein zentrales Problem im Krankenhaus darstellt, gilt es die Kenntnisse von Pflegekräften im Bereich der Schmerztherapie zu verbessern, um damit die Versorgung stationärer Patienten zu optimieren. Ziel ist eine Netzwerkbildung innerhalb der Pflege im gesamten Krankenhaus auf der Basis des Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege mit einer Fortbildung zum Schmerzmentor/in. Als Ansprechpartner für betroffene Patienten, Angehörige und auch Kollegen soll der Schmerzmentor/in im Bereich Schmerztherapie als qualifizierte Pflegekraft mit speziellem Wissen die Strukturqualität bei der Versorgung von Patienten mit Schmerzen im Krankenhaus verbessern. Methodik: Durch Zusammenarbeit mit der Pflegedienstleitung konnten 23 Fachpflegekräfte von 16 bettenführenden Stationen innerhalb der Klinikum Coburg gGmbH gewonnen werden, sich zum Schmerzmentor/in fortzubilden. Durch Koordination der Schmerzambulanz des Klinikums und der Abteilung für Anästhesie sowie Referenten aus den Bereichen Orthopädie, Neurologie, Psychologie und Physiotherapie wurde ein 50 stündiges „Curriculum Schmerztherapie für Pflegekräfte mit Ausbildung zum Schmerzmentor/in“ erarbeitet. Auf der Basis des Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege wurden im Zeitraum von Januar bis Mai 2006 sechs Unterrichtsblöcke mit Themen zur Schmerzphysiologie und Pathophysiologie, Pharmakologie, Schmerzmessung und Schmerzdokumentation, medikamentöse und nichtmedikamentöse Schmerztherapieverfahren, postoperative Schmerztherapie, Tumorschmerztherapie und chronischer Rückenund Kopfschmerz abgehalten. Nach erfolgreicher Durchführung von Lernzielgesprächen erhielten die Teilnehmer ein Zertifikat zum Nachweis ihrer Fortbildung. Im Intervall werden regelmäßige Auffrischungskurse durchgeführt. Ergebnisse: Ein Jahr nach Durchführung des Fortbildungskurses hatte sich ein gut organisiertes Netzwerk innerhalb der Pflege bei der Versorgung von Patienten mit Schmerzen sowohl im operativen wie auch nichtoperativen Bereich gebildet. Auf den Stationen wurden Fortbildungen zu Schmerzthemen abgehalten, Aufklärung bei Patienten und Angehörigen durchgeführt. Verschiedene Projekte konnte initiiert und abgeschlossen werden: 1. Einführung einer einheitlichen Schmerzmessung und Dokumentation in graphischer Form in der Patientenpflegekurve mit entsprechender Einweisung des gesamten Pflegepersonals des Klinikums Coburg. 2. Etablierung eines Akutschmerzdienstes Pflege für die Betreuung von Patienten in der postoperativen Phase. 3. Entwicklung eines Schmerz-Aufklärungsbogens für Patienten des Klinikums. Schlussfolgerungen: Durch eine einfache und zielgerichtete Fortbildungsmaßnahme konnte ein Netzwerk Schmerz innerhalb der Krankenpflege am Klinikum Coburg etabliert werden und die Strukturqualität zur Versorgung von Patienten mit Schmerzen deutlich verbessert werden. Durch Aufklärung und Information erhöhte sich sowohl die Zufriedenheit der Patienten und Angehörigen, als auch der Mitarbeiter. Weitere Maßnahmen wie Einbeziehung des ärztlichen Personals in dieses Konzept und Etablierung einer PAIN Nurse sowie eines Casemanagements Schmerz sind mittelfristig weitere Ziele.
Methode: Diese Untersuchung ist eine unizentrische, randomisiert kontrollierte Interventionsstudie mit einem pretest-posttest Design und als Pilotprojekt angelegt. Eine Gesamtstichprobengröße von n = 50 wird zu gleichen Teilen in einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe abgebildet. Der Probandeneinschluss erfolgte anhand formulierter Ein- und Ausschlusskriterien im Rahmen des ärztlichen Aufnahmeverfahrens. Nach Information und Einwilligung der Patienten wurde bei den Probanden der Versuchsgruppe die ASE zweimal täglich über einen Zeitraum von sieben Tagen angewendet. Die Kontrollgruppe erhielt in gleicher Intensität und Dauer mit einem unsystematischen Einreiben des Rückens („gewöhnliche Pneumonieprophylaxe“) ein entsprechendes Placebo. Den an der Studie teilnehmenden Pflegefachkräften wurde die notwendigen Fertigkeit zur Anwendung der ASE im Rahmen einer dreistufigen Interventionsschulung vermittelt. Eine anschließende Praxisbegleitung durch die Forscherin gewährleistete die sichere und korrekte Interventionsanwendung. Die Datenerhebung wurde mittels standardisierter und validierter Messinstrumente in Interviewform durchgeführt. Um die für die Studie relevanten Variablen zu untersuchen, wurden Angaben zur Schmerzsituation (Schmerzempfinden; Schmerzwahrnehmung, Schmerzintensität), des Schlafverhaltens, des Medikamentenverbrauchs und der Konzentrationsfähigkeit sowie Entspannungsparameter (Vitalzeichen) erfasst. Der Datensatz wird durch soziodemographische Angaben und Diagnosestellungen vervollständigt. Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass durch die regelmäßige Interventionsanwendung stärkste Schmerzen, welche von den Betroffenen angegeben werden, auf einer elfstufigen Skala (NRS) durchschnittlich um 1,5 Punkte gesenkt werden konnten. Dies geht über die Annahme hinaus, dass es vorrangig zu einer positiven Veränderung der Schmerzwahrnehmung kommt. Das soviel bedeutet, dass die Betroffenen die vorhandenen Schmerzen als nicht mehr so beeinträchtigend erleben, obwohl sich die Schmerzstärke kaum verändert hat. In begründeten Zusammenhängen – Alter der Betroffenen und Art der Erkrankung – kann mit dem gezielten Einsatz der ASE eine Optimierung der Schmerzbehandlung erreicht werden. Nach entsprechender Schulung ist die untersuchte Maßnahme von Pflegefachkräften in allen Bereichen der pflegerischen Versorgung (stationäre, vollstationäre und ambulante Versorgung) anzuwenden.
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1. Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege; Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP), Osnabrück, Mai 2005. 2. Beratung in der Pflege; Ursula Koch-Straube, Hans Huber Verlag, Berlin, 2001 3. Schmerz und Schmerzmanagement; Eloise C.J.Carr/Eileen M. Mann
P2.11 Fernlehrgang Pain Nurse: Evaluation eines Fortbildungsangebots für Pflegekräfte und Ärzte M. Öchsler, H. Beck CeKIB - Centrum für Kommunikation - Information - Bildung, Klinikum Nürnberg Schmerzen nach Operationen oder bei Tumorerkrankungen stellen heute immer noch ein häufiges Problem im Gesundheitswesen dar, obwohl längst effektive Behandlungskonzepte vorliegen. Offenkundig ist die Durchdringung der Theorie in die Berufspraxis innerhalb der komplexen Klinikstrukturen bislang nur unzureichend erfolgt. Der vom CeKIB (Centrum für Kommunikation – Information – Bildung) des Klinikum Nürnberg angebotene Fernlehrgang »PainNurse – Schmerzmanagement in der Pflege« möchte einen Beitrag leisten, um Pflegende, wie auch Ärzte in der Evaluation, Dokumentation, Behandlung und Beratung bei postoperativen und tumorbedingten Schmerzen weiterzubilden. Wissenschaftliche Grundlage des Fernlehrgangs ist der vom DNQP (www.dnqp.de) erarbeitete »Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege«, sowie die ärztlichen Leitlinien der Schmerztherapie. In der neunwöchigen Studienphase werden pro Woche ein Lehrbrief (insgesamt neun Lehrbriefe) mit je 20 – 30 Seiten berufsbegleitend von den Teilnehmenden bearbeitet. Begleitet wird die Studienphase von einer webbasierten Kommunikationsplattform, auf der die Teilnehmer miteinander in Kontakt treten können. Inhaltliche Fragen, die auf der Kommunikationsplattform auftauchen, werden zeitnah vom wissenschaftlichen Betreuungsteam, das auch für die Kurskonzeption verantwortlich zeichnet, beantwortet. Die Konzeption des Fernlehrgangs erfolgte dabei interprofessionell, so dass sowohl pflegerisches Personal, als auch Ärzte vom Kurs angesprochen werden. Zum Abschluss des Fernlehrgangs finden zwei Präsenztage in Nürnberg statt, an denen die Lehrgangsinhalte im Rahmen von Vorträgen aufgegriffen, ergänzt und reflektiert werden. Am zweiten Tag vertiefen die Teilnehmer praxisrelevante Themenaspekte in Workshops. Der Fernlehrgang ist von der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zugelassen und wird von der Bayerischen Landesärztekammer mit 66 Fortbildungspunkten für Ärzte honoriert. Kooperationspartner des Kurses sind die DGSS, sowie der DBfK. Die Evaluation des Kurses erfolgte mittels eines empirischen Fragebogens; die Bewertungen wurde mittels 5-stufiger Skalen erhoben; 1300 Fragebögen bilden die Evaluationsbasis (n = 1.300). Das Teilnehmerfeld des Fernlehrgangs setzt sich wie folgt zusammen: mit einem Anteil von 39,2% fühlt sich insbesondere die Gruppe der 36 – 45-Jährigen vom Kurs angesprochen, gefolgt von den 26–35-Jährigen, die rund 26% des Teilnehmerfeldes stellen. Alles in allem bewerten die Teilnehmenden den Fernlehrgang in der Rückschau fast durchgängig als Erfolg (Wert: 1,5, wobei 1,0 die volle Zustimmung auf einer 5-stufigen Skala anzeigt), auch die persönlichen Erwartungen an Lehrbriefe, Vorträge und Workshops können mit einem Wert von 1,7 als sehr gut erfüllt angesehen werden. Mit Ende des Kurses hat der Ordner seinen Zweck für viele noch lange nicht erfüllt: fast drei Viertel (74,8%) der Teilnehmenden greifen auch weiterhin auf die Lehrbriefe als Nachschlagewerk zurück. Ein konstantes Merkmal, das bei allen »Pain Nurse«-Kursen beobachtet werden konnte, ist die hohe Identifikation der Teilnehmer mit dem Kurs. Dies zeigt sich zum einen in der Vielzahl der positiven Rückmeldungen, die jede Evaluation begleiten (bisher 1.300 Teilnehmer, die einen Evaluationsbogen abgegeben haben), aber auch in den Anregungen, die vom Veranstalter kontinuierlich und zeitnah aufgegriffen und zur Kursoptimierung umgesetzt werden. Auf eine hohe Identifikation deutet auch die Tatsache hin, dass die Studienunterlagen auch nach Kursablauf als Nachschlagewerk herangezogen werden (74,8 Prozent). Durch die Lernform »Fernlernen« lässt sich abschließend feststellen, dass der Fernlehrgang »Pain Nurse« sowohl für Teilnehmer/innen, als auch für Arbeitgeber eine gute und ressourcenschonende Form der Fortbildung darstellt.
P3 Rückenschmerz und Bewegungsapparat I P3.1 Rückenschmerz, Lebensstil und Sportaktivität im höheren Erwachsenenalter – Repräsentative Analysen für die 50-70jährige baden-württembergische Bevölkerung S. Becker, M. Zimmermann-Stenzel, T. Klein 1 Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, 2 Institut für Soziologie, Universität Heidelberg Hintergrund: Im Zusammenhang mit der gestiegenen Lebenserwartung und der Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wächst auch die Bedeutung des Sports für die Prävention bzw. Kuration von zahlreichen Krankheiten, die im höheren Alter weit verbreitet sind. Als erwiesen gilt beispielsweise, dass Bewegungsmangel ein Einflussfaktor bei der Entstehung von Rückenschmerzen ist. Ziel: Ziel der Studie ist die Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Rückenschmerzen, Sport und einem gesundheitsorientiertem Lebensstil (z.B. Ernährung, Tabak, Alkoholkonsum, Übergewicht). Daten und Methoden: Die Untersuchung basiert auf einer von der Landesstiftung Baden-Württemberg geförderten Studie. Insgesamt wurden 2.002 50-70jährige Baden-Württemberger im Rahmen eines Telefoninterviews befragt. Neben bivariaten Verfahren finden Regressionsverfahren Anwendung. Ergebnisse: Bei den Analysen zeigt sich, dass weder bei Männern noch bei Frauen, die bereits mindestens einmal unter länger anhaltenden Rückenschmerzen gelitten haben, signifikant seltener den Sportlern zuzurechnen sind. Zudem sind es gemäß durchgeführten Analysen insbesondere 50-70jährige Personen mit niedriger Schulbildung, Raucher und Personen mit einem schlechten Gesundheitszustand die einen eher inaktiven Lebensstil führen. Es bestätigt sich das Phänomen des “Preaching to the converted”, nach dem ausgerechnet diejenigen Bevölkerungsgruppen mit dem soziodemographisch höchsten Morbiditätsrisiko (und auch Rückenschmerzrisiko) sportlich inaktiv sind. Schlussfolgerungen: Aufgrund des positiven Zusammenhangs zwischen Inaktivität und Rückenschmerzen wird aus biologisch-medizinischer Sicht dem Alterssport eine gesundheitserhaltende Wirkung zugeschrieben. Die Ergebnisse dieser Studie legen die Vermutung nahe, dass dem Sport eine geringere Bedeutung zukommt wie vermutet und auch psychische Faktoren einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben. P3.2 QST-Profil bei Patientinnen mit Fibromyalgie – korreliert es mit klinischem Schmerz und mit Druckschmerzempfindlichkeit? H. Marcus1, J. Samel1, H. Gerbershagen1, R. Rolke2, R. D. Treede3, F. Petzke1 1 Klinik für Anästhesiologie, Uniklinik Köln, 2 Klinik für Neurologie und 3 Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz Fragestellung: Fibromyalgie (FM) ist charakterisiert durch generalisierten Spontanschmerz und erhöhte Druckschmerzempfindlichkeit. Psychophysische Studien verschiedener Sinnesmodalitäten bei Patienten mit FM zeigten überwiegend normale Wahrnehmunsschwellen aber erniedrigte Schwellen für noxische Reize. Dies wurde mit einer zentralen Augmentation der Schmerzverarbeitung aber auch mit psychologischen Faktoren wie etwa Hypervigilanz erklärt. Allerdings ist die Vergleichbarkeit dieser Studien durch kleine Fallzahlen und methodologische Unterschiede limitiert. In dieser Studie nutzten wir das standardisierte Protokoll zur quantitativen sensorischen Testung (QST) des Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (1), um die Wahrnehmung thermischer und mechanischer Reize in Patienten mit FM zu evaluieren und die Vorergebnisse zu überprüfen. In dieser Untersuchung wollten wir weiter zeigen, in wie weit das QST-Profil mit klinischem Schmerz und anderen Maßen der Druckschmerzempfindlichkeit korreliert. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Methodik: 82 weibliche Patientinnen und 38 gesunde Kontrollen (KP) entsprechenden Alters (FM: 55,5±8,5 vs. KP: 53,7±8,9, p=n.s.) wurden eingeschlossen. Patientinnen setzten schmerzrelevante Medikamente ab unter Berücksichtigung angemessener Auswaschphasen. Die Quantitativ Sensorische Testung wurde wie in (1) beschrieben an der rechten Hand durchgeführt. Detektions- und Schmerzschwellen für Hitze und Kälte wurden mit einem Thermotester, kutane mechanische Detektionsschwellen mit van Frey Filamenten, Vibrationsempfinden mit einer 64Hz Stimmgabel und mechanische Schmerzschwellen mit kalibrierten Pin Prick Reizen und Druckalgometrie ermittelt. Weiter wurde in einem randomisierten Paradigma die Schmerzempfindlichkeit auf Pin Prick Reize (MPS) und dynamisch mechanische Allodynie ermittelt sowie das Wind-up Phänomen untersucht. Die Schmerzempfindlichkeit wurde durch Bestimmung der Zahl positiver Tender Points, mit der Dolorimetrie und mit Hilfe der MRS-Testung (multiple randomisierte Stufenleiter) gemessen. Bei letzterer Methode wurden am Daumen des Patienten applizierte Druckstimuli wechselnder Intensität (in kg/cm²) mit einer kombinierten numerischen Deskriptionsskala bewertet. Der klinische Schmerz wurde auf einer visuellen Analogskala (=durchschnittlicher Schmerz am Untersuchungstag) und der Short-Form des McGill Schmerzfragebogens beschrieben. In einer Korrelationsanalyse wurde der Zusammenhang zwischen klinischem Schmerz sowie der Druckschmerzempfindlichkeit mit den QST Parametern ermittelt. Ergebnisse: Die Kalt- und Warmschwellen von FM Patienten unterschieden sich nicht signifikant von denen der KP. Hitzeschmerz- und Kälteschmerzschwelle waren signifikant niedriger bei FM (Kälte: 16,5±1,0 vs. 8,9±1,2 ºC, p<0,001; Hitze: 41,9±0,4 vs. 45,1±0,5 ºC, p<0,001). Die mechanische Testung ergab eine leicht erhöhte mechanische Detektionsschwelle in FM verglichen mit KP (2,4±0,2 vs. 1,17±0,4 mN, p<0,001). Mechanische Schmerzschwellen waren in FM für Pin Prick Stimuli (37,1±0,3 vs. 61,9±0,4 mN, p<0,01) als auch für stumpfen Druck (271±16 vs. 467±19 kPa, p<0,0001) signifikant niedriger. MPS und Vibrationsschwellen unterschieden sich nicht zwischen FM und KP. Wind-Up war jedoch erhöht bei FM (p<0,05). Der klinische Schmerz korrelierte mit der MPS (p<0,001) und der Druckalgometrie (p<0,02). Es gab keine signifikante Korrelation mit den anderen Parametern. Die Anzahl der Tender Points, die Druckalgometrie und die MRS korrelierte mit den Schmerzschwellen für Kälte (p<0,02 – 0,05), stumpfen Druck (Druckalgometrie) (p<0,01) und der MPS (p<0,02). Schlussfolgerung: Diese Studie replizierte mit dem QST-Protokoll des DFNS die psychophysiologischen Vorbefunde bei Patientinnen mit FM. Es gab keine Hinwesie für eine generalisierte Hypervigilanz auf somatosensorische Stimuli sondern eher für eine Verstärkung noxischer Reize. Das QST Protokoll des DFNS schafft eine valide methodologische Grundlage, das „FM-Profil“ mit QST-Profilen bei anderen somatischen, funktionellen und psychologischen Krankheitsbildern zu vergleichen, bei denen die sensorische und nozizeptive Verarbeitung gestört ist. Es könnte weiter als klinischer Verlaufsparameter dienen. Von allen QST Parametern scheint die Schmerzempfindlichkeit auf Pin Prick Reize und die Kältehyperalgesie am ehesten mit der erhöhter Schmerzempfindlichkeit und klinischem Schmerz verbunden zu sein. 1. Rolke R. et al. Pain 123 (2006) 231-243 P3.3 Einfluss von Subgruppen von Fibromyalgiepatienten auf das QST Profil H. Marcus1, J. Samel1, R. Rolke2, R. D. Treede3, F. Petzke1 1 Klinik für Anästhesiologie, Uniklinik Köln, 2 Klinik für Neurologie und 3 Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz Fragestellung: Auf der Basis von Druckschmerzschwellen, kognitiven (Katastrophisieren und Schmerzkontrolle) und psychologischen Faktoren (Angst und Depression) konnten Patientinnen mit Fibromyalgie (FM) sinnvoll subgruppiert werden (1). In einer kürzlichen Untersuchung an einer deutschen Stichprobe waren diese Parameter ebenfalls
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geeignet, sinnvolle Subgruppen zu identifizieren. Entgegen der Ergebnisse der amerikanischen Stichprobe entsprachen die Subgruppen einer Schweregradeinteilung des FM-Kollektivs: je ausgeprägter kognitive und affektive Störungen waren, desto schmerzempfindlicher waren die Patientinnen. Hier präsentieren wir die Ergebnisse der somatosensorischen Profile dieser unterschiedlichen Subgruppen nach dem Protokoll der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) des Deutschen Forschungsverbund neuropathischer Schmerz (DFNS). Methodik: 85 Patienten (84 W/1M) erfüllten die ACR Kriterien für Fibromyalgie und wurden eingeschlossen. Alle Patienten erhielten die gleiche Batterie an Fragebögen und eine Schmerztestung zur Subgruppenanalyse. Analysiert wurde dabei die Depressivität (BDI), die Ängstlichkeit (STAI), kognitive Faktoren wie das Katastrophisieren und die Kontrolle über den Schmerz (CSQ). Die Schmerzempfindlichkeit wurde durch Dolorimetrie und mit Hilfe einer MRS-Testung (multiple randomisierte Stufenleiter) gemessen, bei der Druckstimuli wechselnder Intensität (in kg/cm²) auf den Daumen des Patienten appliziert und mit einer kombinierten numerischen Deskriptionsskala bewertet wurden. Mit diesen Daten wurde eine hierarchische Clusteranalyse durchgeführt. Außerdem wurde die Quantitativ Sensorische Testung (QST) nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) durchgeführt. Dabei wurden verschiedene sensorische Modalitäten an der rechten Hand getestet. Das QST Profil aller Fibromyalgiepatienten wurde mit dem von 38 altersgematchten gesunden Kontrollen verglichen. Das QST Profil der einzelnen Subgruppen wurde untereinander mit einer Oneway ANOVA verglichen. In der Posthoc Analyse wurde die Ausprägung der Gruppenunterschiede ermittelt. Ergebnisse: 78 komplette, valide Datensätze konnten analysiert werden. Eine Lösung mit drei Clustern gruppierte die Daten am besten. Eine multivariate ANOVA bestätigte, dass die Untergruppen sich mit Ausnahme des Alters in allen Variablen signifikant unterscheiden. Die Untergruppen unterscheiden sich in ihrem Schweregrad: Je schmerzempfindlicher die Patienten waren, desto eher war dies auch mit kognitiven und psychischen Störungen vergesellschaftet. Die QST Profile der drei Untergruppen waren für stumpfen Schmerz (Druckalgometrie, p<0,001), die Stimulus-Antwort Funktion für Pinprick Stimuli (MPS=Mechanical Pain Sensitivity, p<0,0001) und die Kälteschmerzschwelle (p<0,02) signifikant verschieden. Patienten, die in der QST Testung am schmerzempfindlichsten auf Kälte und auf stumpfen Druck reagierten und bei der MPS durch die höchsten Schmerzbewertungen charakterisiert waren, fanden sich typischerweise in der Subgruppe mit den stärksten FM-Beschwerden. Es gab keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Hitzeschmerzschwelle, der Schmerzschwelle für Pinprick Stimuli, des Wind-up Phänomens, der mechanisch dynamischen Allodynie sowie der Detektionsschwellen für Kälte, Wärme, Berührung und Vibration innerhalb der Subgruppen. Mit Ausnahme der MPS waren Patienten mit FM bei allen noxischen Stimuli signifikant schmerzempfindlicher im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Schlussfolgerung: Mit Hilfe der drei Domänen Psyche, Schmerzkognition und Schmerzempfindlichkeit lassen sich auch in Deutschland drei klinisch signifikant verschiedene Subgruppen von Fibromyalgiepatienten identifizieren. Die Gruppen sind durch eine Schweregradeinteilung charakterisiert. Die Unterschiede des QST Profils in Bezug auf Kälteschwelle, stumpfen Druckschmerz und die MPS entsprechen der Subgruppeneinteilung: Je schmerzempfindlicher und psychisch und kognitiv auffälliger Patienten waren, desto mehr weicht das QST Profil für diese noxischen Reize von gesunden Kontrollen ab. Insbesondere die Gruppe mit dem höchsten Schweregrad zeigte diese Unterschiede für Kälte- und Druckschmerz. Die Wahrnehmungsschwellen sind für die Subgruppen und die gesunden Kontrollen nicht signifikant verschieden. Das QST ist kein von anderen Faktoren unabhängiges Instrument: Auch psychische/kognitive Faktoren können die Messung beeinflussen. 1. Giesecke T et al. Arthritis and Rheumatism 48 (2003), 2916-2923. 2. Rolke R. et al. Pain 123 (2006), 231-241
P3.4 Die Latenzdifferenz der dermatomal Laser evozierten Potentiale als Prognosekriterium der akuten monosegmentalen Wurzelläsion M. Quante1,2, J. Lorenz2,3, M. Hauck2 1 Klinik für Orthopädie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, 2 Institut für Neurophysiologie und Pathophysiologie, Universitätskrankenhaus Eppendorf, Hamburg 3 Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg Fragestellung: Dermatomal Laser Evozierte Potentiale (dLEP) sind aufgrund neuroanatomischer Voraussetzungen anderen evozierten Potentialen in der Diagnostik von Hinterwurzelläsionen überlegen. Die Möglichkeiten zur Objektivierung einer Hinterwurzelläsion sind nachgewiesen. Die Frage dieser Arbeit war, ob typische Veränderungen der dLEP, wie sie bei Wurzelläsionen gemessen werden können, auch eine prognostische Relevanz für den weiteren Verlauf der Wurzelreizung haben. Methoden: 54 Patienten mit akuter, klinisch und bildgebend hart definierter Radikulopathie (< 10 Wochen) wurden eingeschlossen. Es wurden zum Zeitpunkt T0 im betroffenen Dermatom und dem identischen Dermatom der Gegenseite über je 80 leicht schmerzhafte Laser-Stimuli (Aktivierung des Schmerzfaser-Systems) durch Mittelbildung im Elektroenzephalogramm dLEP induziert und im Seitenvergleich intraindividuell ausgewertet. Die Messungen wurden 3 Monate später wiederholt (T1). Bei T1 wurden zusätzlich klinische Kriterien der Persistenz der Wurzelreizung als outcome Parameter definiert: ein positives Laségue-Zeichen, eine persistierende Ischialgie sowie ein subjektiv eingeschränktes Gesundheitsgefühl (nach VAS). In einer Diskriminanzanalyse wurde prädiktive Faktoren der dLEP (nach Z-Transformation) hinsichtlich der Persistenz der Wurzelreizung analysiert. Ergebnisse: Signifikante Prädiktoren für eine persistierende Ischialgie waren die LEP-Amplitude (F = 4,5, p = 0,007) und – deutlicher – die Latenz (F = 3,2, p = 0,001). Für einen subjektiv schlechter empfundenen Gesundheitszustand fand sich die Latenz (F = 6,2, p = 0,03). Für die Kriterien „Persistenz positives Laségue-Zeichen und Ischialgie“ fand sich die Latenz (F = 8,2, p = 0,006) ebenso wie für die Persistenz aller drei Kriterien (F = 9,1, p = 0,004). Insgesamt ist die Latenz für die einzelnen outcomeFaktoren als auch das Summen-outcome hochsignifikant prädiktiv. Schlussfolgerung: Erstmals konnte gezeigt werden, dass die segmentspezifische Diagnostik der Hinterwurzelläsion durch dLEP eine Aussage über die Prognose des Wurzelreizsyndromes im Verlauf von 3 Monaten zulässt. Da in diesem Zeitfenster der Übergang zur Chronifizierung stattfindet ist die entsprechende Prognoseabschätzung besonders wertvoll. Das objektive dLEP Kriterium erlaubt die Erarbeitung prognoseorientierter Therapiealgorithmen. Die Therapieentscheidung wird bei der Wurzelläsion bislang anhand des eintretenden Verlaufes – also letztlich ex post – gefällt, was eine Negativselektion erzeugt. Eine prognoseorientierte Therapiezuteilung hingegen könnte eine entsprechende Verbesserung der Ergebnisse erwarten lassen. Diese Frage wird Gegenstand weiterer Studien. P3.5 Lebensqualität, Krankheitsverständnis, Funktion und Depression im frühen Verlauf der akuten Wurzelreizung: Hat das Ergebnis etablierter Fragebögen prognostische Relevanz? M. Quante1,2, J. Lorenz2,3, M. Hauck2 1 Klinik für Orthopädie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, 2 Institut für Neurophysiologie und Pathophysiologie, Universitätskrankenhaus Eppendorf, Hamburg 3 Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg Fragestellung: Für lumbale Rückenschmerzen haben sich Fragebögen und Funktionstests zur Abschätzung einer drohenden Chronifizierung bewährt. Für die akute Wurzelreizung liegen einerseits keine Erhebungen dieser Art vor. In der Studie wurden die akuten Veränderungen entsprechender mehrdimensionaler Fragebögen (Lebensqualität, Funktion, psychische Einflussfaktoren, Erklärungsmodelle) dokumentiert. Weiterhin wurde untersucht, ob für die Wurzelreizung die Erarbeitung von Prognosekritieren anhand der Ergebnisse möglich ist.
Methoden: Bei 54 Patienten mit akuter (< 10 Wochen) monoradikulärer Symptomatik wurden zum Zeitpunkt T0 sowie 3 Monate später (T1) validierte Fragebögen abgefragt: Euro Qol, ADS, FFbH-R, FABQ, SF 36. Definierte outcome Kriterien waren im Sinne der Persistenz: Positiver Laségue-Test, persistierende Ischialgie und subjektiv als schlecht empfundener Gesundheitszustand (VAS). Die Ergebnisse der klinischen Testung und der Fragebögen wurden in einer Diskriminanzanalyse hinsichtlich deren prädiktiven Wertes für die positiven outcome-Kritieren untersucht. Ergebnisse: In den Fragebögen ergaben sich bei T0 Zeichen der allgemeinen körperlichen und psychischen Funktionseinschränkung, die in T1 weitgehend reversibel waren. Mindestens ein Residualsymptom der Wurzelreizung (positives outcome-Kriterium) bei T1 fand sich bei 32 der 54 Patienten. Sichere Hinweise für eine Prädiktiven Wert der Fragebögen ergaben sich für das kombinierte outcome (alle 3 Faktoren) nicht. Harte Prognosekriterien für einzelne outcome-Faktoren fanden sich ebenfalls nicht. Marginale Hinweise bestehen für einen prädiktiven Wert der körperlichen Funktionsstörung. Schlussfolgerung: Die Erfassung von Lebensqualität, Krankheitsverständnis, Funktion und Depression durch Fragebögen bei akuter Radikulopathie sind als Prädiktoren eines potentiell schlechten Verlaufes im kurzzeitigen follow up insgesamt nicht geeignet. Aufschlussreich sind die Ergebnisse der Arbeit zur Interpretation von Ergebnissen der verwendeten Fragebögen in weiteren Studien. Zukünftig muss geprüft werden, ob Fragebögen möglicherweise zusammen mit weiteren diagnostischen Verfahren (Elektrophysiologie, bildgebende Verfahren) geeignet sind, eine prognoseorientierte Therapie in frühen Krankheitsstadien zu beginnen. Eine solche Möglichkeit ist wünschenswert, da bislang keine vergleichbaren Kriterien bestehen und Therapieentscheidungen erst anhand des beobachteten Verlaufes gefällt werden. P3.6 Sensorisches Profil bei Patienten mit unilateralem, nicht-neuropathischem Arthroseschmerz der Hand A. Rönnau1, A. Scherens1, P. Schwenkreis2, H. Richter1, C. Maier1 1 Abteilung für Schmerztherapie, 2 Neurologische Klinik, BG Universitätsklinikum Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum Einleitung: Ob nicht-neuropathische Schmerzen Auswirkungen auf das sensorische Profil haben, wurde bisher nicht mittels standardisiertem Protokoll der Quantitativ Sensorischen Testung (QST) geprüft (1). Daher ist nicht bekannt, ob nozizeptive Schmerzen die Wahrnehmung thermischer und taktiler Reize oder die Schmerzschwellen beeinträchtigen. Dies wurde anhand des unilateralen Schmerzmodells des Arthroseschmerzes untersucht. Methodik: Eingeschlossen wurden 20 Patienten (♂: 50%; Alter 56.6±10.2 Jahre) mit einseitiger (70%) oder einseitig dominierender, schmerzhafter Handarthrose (HA) sowie 20 in Alter und Geschlecht angepasste Kontrollpersonen. QST wurde gemäß dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS) bilateral (laterale Handinnenfläche) durchgeführt (1): Erhebung der Detektions- und Schmerzschwellen für thermische (CDT, WDT, TSL, PHS, CPT, HPT) und mechanische Reize (MDT, MPT), des Vibrationsempfindens (VDT), der Druckschmerzschwellen (PPT), der Empfindlichkeit gegenüber spitzen und stumpfen Reizen (MPS, DMA), der zentralen Sensibilisierung durch mechanische Reize (WUR) und anschließende Z-Transformation. Desweiteren wurden Funktionsparameter sowie klinische Angaben zu Dauer und Art der Erkrankung erfasst. Statistik: Varianzanalyse. Ergebnisse: Bei keinem Patienten lag eine pathologische Diskrimination vor. Bis auf vereinzelte Schwellenwerte lagen alle QST-Parameter im Normbereich (1). Innerhalb der Patientengruppe zeigten sich jedoch für die erkrankten Hände signifikant höhere Schwellen bei CDT und TSL (kranke vs. gesunde Hände, °C: CDT -1.9±0.8 vs. -1.5±0.6, p=0.004; TSL 3.5±1.5 vs. 2.8±1.7, p=0.03). Patienten mit stärkeren Schmerzen hatten signifikante erhöhte CDT, TSL und zusätzlich WDT (kranke vs. schwerkranke Hände: CDT -1.8±0.8 vs. -2±0.8, p=0.02; WDT 1.9±0.6 vs. 2.2±0.7, p=0.03; TSL 3±0.9 vs. 3.9±1.7, p=0.006). Außerdem war die MDT der Patienten (1.1±1.3 vs. 0.4±0.5, mN; p=0.002) Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts beidseits höher als die der Kontrollen. Die Schmerzschwellen waren generell kaum verändert, einzig an der Arthrose-Hand war die MPS (kranke vs. gesunde Hände: 0.6±0.7 vs. 0.9±0.8, p=0.005) erniedrigt. Schlussfolgerung: Arthroseschmerzen führen zu einer geringgradigen, aber signifikanten sensorischen Beeinträchtigung. Diese beruht nicht auf einer pathologischen Funktionsstörung der Nervenfasern. Daher ist am ehesten eine Störung der zentralen sensorischen Reizverarbeitung im Sinne einer Körperschemastörung zu diskutieren (2). Die Zunahme der Störung bei höheren Schmerzen stützt diese Hypothese. Erniedrigte Schmerzschwellen treten bei diesem Modell nicht auf. Das QST-Profil bei Arthroseschmerz unterscheidet sich somit in vielen Punkten von neuropathischen Schmerzen. 1. Rolke et al.: Quantitative sensory testing in the German Research Network on Neuropathic Pain (DFNS): standardized protocol and reference values. Pain 2006 Aug; 123(3):219-220 2. Morseley et al.: Experimental hand pain delays recognition of the contralateral hand-evidence that acute and chronic pain have opposite effects on information processing? Brain Res Cogn Brain Res. 2005 Sep;25(1):188-94 P3.7 Erfassung der erlebten Beeinträchtigung durch Rückenschmerzen mit einer deutschen Version des Oswestry Low Back Pain Disability Questionnaire (ODQ) T. Schmidt, E. Mette, C. Gaul Medizinische Psychologie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost, Halle, Klinik für Orthopädie 2, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau gGmbH; Klinik und Poliklinik für Neurologie, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg; Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Einleitung: Rückenschmerzen können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und der Alltagsfunktionen führen. Häufig findet sich jedoch nur ein geringer Zusammenhang zwischen medizinischen Untersuchungsbefunden und der subjektiven Beeinträchtigung. Der ODQ wird in den Leitlinien der Orthopädie zur standardisierten Erfassung der Beeinträchtigung durch Rückenschmerzen empfohlen. Eine validierte deutsche Übersetzung und entsprechende Daten zur Praktikabilität des Verfahrens in Deutschland lagen zu Beginn der Untersuchung jedoch nicht vor. Methodik: 148 stationär behandelte Rückenschmerzpatienten zweier orthopädischer Kliniken wurden mit einer deutschen Übersetzung des ODQ (forward-backward-translation-Methode) untersucht, zusätzlich wurden Schmerzcharakteristika und soziodemographische Daten erhoben. Ergebnisse: Es zeigten sich Zusammenhänge zwischen einer höheren Beeinträchtigung im ODQ und dem Alter, wahrgenommenen Einschränkungen im sozialen Leben, der Schmerzstärke, Analgetikakonsum, niedrigem Einkommen, weiblichem Geschlecht, nicht Erwerbstätigen sowie bei Patienten der Klinik im Osten Deutschlands. Die Größe der Zusammenhänge war jedoch eher gering. Diskussion: Der ODQ ist ein von Patienten gut akzeptiertes, rasch auswertbares Verfahren, das auch außerhalb von Spezialambulanzen leicht einzusetzen ist. Komplexere Bedingungen des Beeinträchtigungserlebens werden durch den Fragebogen allerdings nicht aufgezeigt. In der alltäglichen Praxis ist der ODQ eher als Screening-Instrument (z.B. zur standardisierten Verlaufsuntersuchung) bzw. zur Ergänzung des persönlichen Arzt-Patienten-Gesprächs zu sehen. P3.8 Classification of Low Back Related Leg Pain – a Study Protocol A. Schäfer, T. Hall, K. Lüdtke, J. Mallwitz, G. Müller, V. Carrero, K. Briffa Curtin University of Technology, Perth, Australien, Rückenzentrum am Michel, Hamburg This paper describes a study protocol currently in progress. The objective of this study is to explore the utility of a physical examination protocol developed to classify low back related leg pain. Low back related
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leg pain arising from neural structures can be classified as neuropathic pain, from musculoskeletal structures as nociceptive pain. It is proposed that neuropathic leg pain can be further divided into three subgroups according to the predominating pathomechanisms involved. The first subgroup involves denervation with axonal damage showing predominantly negative sensory symptoms and possibly motor loss, the second subgroup features central sensitization with mainly positive symptoms such as hyperalgesia and the third subgroup involves mechanosensitization of nerve tissue. Accordingly, four groups of patients with leg pain associated with structures in the lower back can be identified: • Neuropathic Central Sensitization • Neuropathic Denervation • Neuropathic Peripheral Sensitization • Nociceptive Musculoskeletal An iterative process of three component validation studies will be undertaken. The studies proposed will include firstly an inter-rater reliability study and secondly an investigation of the discriminative capacity of the physical examination protocol compared with thermal and mechanical quantitative sensory testing (QST). The third component consists of a treatment trial to investigate if a positive treatment response to neural mobilisation manual therapy techniques correlates with the diagnostic group. Main outcome measures are global perceived change, pain intensity measured on a 11 point numerical rating scale, the Roland Morris Disability score and the SF-36 score. If valid, the classification system will facilitate diagnosis and optimal treatment. P3.9 Neuroinflammatorische Mediatoren bei Patienten mit chronischem myofaszialen Rückenschmerz H. Wang, M. Buchner, M. Moser, M. Schiltenwolf Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Ziel dieser prospektiven Längsschnittstudie war die Darstellung des Verlaufs von Zytokinen bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe. Desweiteren soll untersucht werden, ob die quantitative Zusammensetzung dieser Entzündungsmediatoren mit dem Schmerzausmaß und der Funktion der Patienten korreliert und somit als Prädiktor für den Behandlungserfolg herangezogen werden kann. Fragestellungen: Welche proinflammatorischen und antiinflammatorischen Zytokine sind beteiligt bei der Entwicklung von chronischen Rückenschmerzen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Schmerzausmaß, Funktion sowie Therapieoutcome dieser Patienten auf der einen sowie dem Serumspiegel der pro- und antiinflammatorischen Zytokine auf der anderen Seite? Methodik: Diese klinische prospektive Längsschnittstudie lief über einen Zeitraum von 6 Monaten. 120 Patienten mit chronischen myofaszialen Rückenschmerzen, die in der schmerztherapeutischen Tagesklinik der Orthopädischen Universitätsklinik einer standardisierten 3-wöchigen multimodalen Schmerztherapie unterzogen wurden, wurden mit 84 Kontrollpersonen verglichen. Für beide Gruppen galten klar definierte Ein- und Ausschlusskriterien. Vor, während und nach dem Therapieprogramm wurden die Serumspiegel der Mediatoren gemessen (vor Therapie, nach 10 und 20 Tagen, nach 6 Monaten) und in Beziehung zu einer nach Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollgruppe von 86 Personen gesetzt. Desweiteren wurden zu den genannten Untersuchungszeitpunkten jeweils eine Schmerzevaluation sowie klinische und fragebogengestützte Untersuchungen durchgeführt. Folgende Untersuchungen werden zu den genannten Zeitpunkten durchgeführt: Standardisierte Bestimmung der Serumspiegel von pro-inflammatorischen (IL-6, IL-8, TNF-α ) und anti-inflammatorischen Mediatoren (IL-4, IL-10) Korrelationsberechnung zwischen den Mediatorspiegeln und den klinischen Befunden (Schmerz, Funktion, etc).
Evaluation der prädiktiven Bedeutung der proinflammatorischen Mediatoren auch im Hinblick auf eine mögliche spezifisch antiinflammatorische Therapie. Ergebnisse: Die hohe Patienten- und Probandenzahl sowie die nahezu vollständige Datenerhebung nach 6 Monaten (Nachuntersuchungsrate 92%) erlaubt eine repräsentative Auswertung der Ergebnisse. Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Ergebnisse dargestellt: 1. Zu Beginn der Studie war das TNF-α bei den Patienten mit chronischem Rückenschmerz im Vergleich zu den gematchten Kontrollpersonen signifikant erhöht und die Interleukine IL-8 sowie IL-10 signifikant erniedrigt. 2. Auch im Verlauf der sechs Monate zeigt sich ein signifikant erhöhtes TNF-α bei den Patienten im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen ohne signifikante Veränderungen zu den einzelnen Zeitpunkten. 3. Bei den Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zeigte sich im Verlauf der Nachuntersuchungszeit von 6 Monaten eine signifikante Schmerzreduktion und eine signifikante Funktionsverbesserung. Eine Korrelation des Verlaufs mit den gemessenen Entzündungsmediatoren oder eine prädiktive Funktion der Marker im Hinblick auf den klinischen Verlauf oder das Therapieergebnis ergab sich allerdings nicht. Diskussion: • TNF-α ist bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz erhöht und scheint folglich bei diesem Krankheitsbild eine (noch nicht näher definierte) Rolle zu spielen • Eine eindeutige und klar messbare Beteiligung weiterer pro- oder antiinflammatorischer Mediatoren beim chronischen Rückenschmerz konnte durch diese Studie nicht bestätigt werden. • Die multimodale Schmerztherapie führt bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz zu einer signifikanten Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung nach 6 Monaten • Die in dieser Studie gemessenen Entzündungsmediatoren weisen keine Korrelation mit dem klinischen Verlauf der Patienten auf und eignen sich somit nicht als prognostische oder prädiktive Faktoren für den Therapieerfolg dieses Krankheitsbildes • Die Genese und Pathologie des chronischen Rückenschmerzes ist multifaktoriell, die Bedeutung von Entzündungsmediatoren, v.a. des TNF-α muss durch weitere Untersuchungen detaillierter definiert werden. P3.10 Rentenwunsch und selbsteingeschätzte Schmerzintensität und Behinderung von Probanden mit Fibromyalgiesyndrom S. Ziehl, W. Häuser Zentrum für Schmerztherapie, Saarbrücken Fragestellung: Die Verwendung von Schmerzskalen und psychometrischen Tests bei der Begutachtung im Rentenverfahren wird in der gutacherlichen Literatur kritisch bewertet, da die Angaben der Probanden durch Verdeutlichungstendenzen beeinflusst werden können. Eine empirische Überprüfung dieser klinischen Erfahrung wurde unseres Wissens bisher nicht durchgeführt. Weiterhin wurde bisher nicht untersucht, welchen Einfluss ein Rentenbegehren im Vergleich zu anderen biopsychosozialen Variablen auf die Selbsteinschätzung von Schmerz und schmerzassoziierten Behinderungen bei Patienten mit chronischen Schmerzen hat. Methodik: Die Schmerzintensitäten und der Summenwert des Pain ���� Disabilitiy������������������������������������������������������������ Index (PDI) von 83 konsekutiven Probanden mit der Diagnose Fibromyalgiesyndrom (FMS) und Rentenbegehren im Rahmen der sozialgerichtlichen Begutachtung wurden mit 43 konsekutiven Patienten mit der Diagnose FMS ohne Rentenbegehren einer Schmerzambulanz verglichen. Weiterhin wurde der relative prädiktive Wert eines Rentenbegehrens im Vergleich zu anderen soziodemographischen (Geschlecht, Alter, soziale Schicht, aktueller Berufsstatus) und klinischen Prädiktoren (Dauer generalisierter Schmerzsymptomatik, Anzahl aktiver somatischer Komorbiditäten, aktuelle psychische Störung) auf die genannten Selbsteinschätzungsparameter bei 104 Probanden mit
der Diagnose FMS mit und ohne Rentenbegehren aus der Begutachtung und bei 59 FMS-Patienten mit und ohne Rentenbegehren einer Schmerzambulanz verglichen. Ergebnisse: Probanden mit Rentenbegehren im Sozialgerichtsverfahren gaben höhere Schmerzintensitäten und einen höheren Summenwert des PDI an als Patienten ohne Rentenbegehren der Schmerzambulanz (alle p<0.01). Ein aktuelles Rentenbegehren war ein unabhängiger Prädiktor der minimalen (korr. R² = 0.10; p=0.02) und maximalen Schmerzintensität (korr. R² = 0.16; p=0.002) sowie des Summenwertes des PDI (korr. R² = 0.08; p=0.008). Psychische Komorbidiät war der stärkste Prädiktor des Summenwertes des PDI (korr. R² = 0.32; p<0.0001). Schlussfolgerung: Rentenbegehren bei FMS-Patienten ist mit höheren selbsteingeschätzten Schmerzintensitäten und schmerzassoziierte Behinderungen assoziiert. Diese Assoziation ist sowohl im Kontext der schmerztherapeutischen Behandlung als auch der Begutachtung zu berücksichtigen. P3.11 Fibromyalgie ist mehr als eine „Schmerzkrankheit – Ergebnisse der Umfrage der Deutschen Fibromyalgievereinigung zu Begleitsymptomen der Fibromyalgie C. Zimmer1, S. Ziehl1, E. Felde2, W. Häuser1 1 Zentrum für Schmerztherapie, Klinikum Saarbrücken, 2 Deutsche Fibromyalgievereinigung Einleitung: Die Definition der Fibromyalgie durch die Klassifikationskriterien (chronisch weitverbreiteter Schmerz, Druckschmerzhaftigkeit an mindestens 11 von 18 Tenderpoints) des ACR wird zunehmend in Frage gestellt. Aus rheumatologischer Sicht wird eine symptombasierte Neudefinition ohne Tenderpoints diskutiert. Aus klinisch-psychologischer Sicht wird das Fibromyalgiesyndrom (FMS) wegen der häufigen Überlappung mit anderen funktionellen somatischen Syndromen als Somatisierungsstörung konzeptualisiert. Studien zu den „Kernsymptomen“ und Begleitsymptomen der Fibromyalgie wurden bisher in Deutschland nicht durchgeführt. Methodik: Die deutsche Fibromyalgievereinigung DFV entwickelte aus eigener Initiative und ohne Bezug zur Diskussion zur Klassifikation und Definition des FMS einen „Fragebogen zu möglichen Begleitsymptomen bei Fibromyalgie“ . Die Items des Fragebogens wurden vom Vorstand der DFV auf der Grundlage eines über mehrere Jahre von DFV-Mitgliedern auf Grund eigener Beschwerden entwickelten Symptomfragebogens abgeleitet. Der Fragebogen enthielt 54 Symptome. Die Ausprägung der Beschwerden wurde auf einer von 0=keine bis 3= stark reichenden Skala angegeben. Weiterhin bestand die Möglichkeit, im Freitext weitere Beschwerden und Erkrankungen anzugeben. Der Fragebogen wurde am 01.07.2006 der Ausgabe 02/2006 des Publikationsorgans der DFV „Optimist“ mit der Bitte um Beantwortung und Rücksendung an die DFV beigelegt und an alle 3996 Mitglieder der DFV verschickt. Ergebnisse: 699 Fragebögen (96% Frauen, Altersgipfel 50-60 Jahre) wurden ausgewertet. Die Rangfolge der häufigsten Symptome war: Muskelschmerzen wechselnder Lokalisation (99.7%); Rückenschmerzen (99.6%); Müdigkeit (99.1%); Gelenkschmerzen wechselnder Lokalisation (98.7%); Gefühl, schlecht geschlafen zu haben (98.1%), Morgensteifigkeit (97.6%), Konzentrationsschwäche (97.0%), Antriebsschwäche (97.0%) , geringe Leistungsfähigkeit (96.7%) und Vergesslichkeit (96.5%). Alle Antwortenden gaben mindestens 15 weitere Beschwerden an. Diskussion: In Übereinstimmung mit einem rheumatologischen Expertenkonsens zu den Leitsymptomen des FMS sind chronisch weitverbreitete Schmerzen, nicht-erholsamer Schlaf und Leistungseinschränkungen die konstitutiven Symptome des FMS. Aus psychosomatischer Perspektive ist das FMS eine Variante eines allgemeinen funktionellen somatischen Syndroms. Schlussfolgerung: Die Diskussion über die Klassifikation und Definition des FMS ist Teil einer Debatte um eine neue Klassifikation körperlicher Beschwerden ohne erklärende strukturelle Läsion in den anstehenden Neuauflagen des Diagnostischen und Statistischen Manuals seelischer Störungen DSM V und der Internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD 11. Hoffentlich wird bei den Neufassungen der genannten Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Klassifikationssysteme nicht nur die Expertise von Psychiatern, sondern auch von Allgemeinärzten und Internisten sowie von Betroffenen berücksichtigt. P3.12 Tabakkonsum, seelische Probleme und chronischer Rückenschmerz. Ergebnisse des Telefonischen Gesundheitssurveys 2003 M. Zimmermann-Stenzel, J. Mannuß, S. Schneider, M. Schiltenwolf Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Einleitung, Hintergrund: Tabakkonsum birgt das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko für eine große Anzahl schwerwiegender Erkrankungen [1]. So konnten vor allem für Krebs-, Atemwegs- und Herzkrankheiten diese Zusammenhänge eindeutig belegt werden. Bezüglich des Zusammenhangs zwischen orthopädischen Erkrankungen und Tabakkonsum konnten internationale Untersuchungen jedoch nicht zu einem einheitlichen Ergebnis [2]. Bisherigen Studien fehlen meist wichtige Verlaufsdaten zur Rauchkarriere sowie die Berücksichtigung möglicher Scheinkorrelate und Konfounder wie z.B. Stress, sodass potentielle Interaktionseffekte nicht ausgeschlossen werden können. Die vorliegende Studie versucht nun diese Forschungslücke hinsichtlich des Zusammenhangs von Tabakkonsum und Rückenschmerzen mit einem repräsentativen Datensatz und einer detaillierten Erfassung des individuellen Rauchverhaltens zu schließen. Daten, Methoden: Die vorliegende Untersuchung basiert auf den Daten des ersten telefonischen Gesundheitssurvey des Jahres 2003 (GsTel03). Dabei handelt es sich um eine epidemiologische Repräsentativstudie auf Bundesebene, die durch das Robert-Koch Institut in Berlin erstmals in Form computergestützter Telefoninterviews durchgeführt wurde. Die Feldzeit des GsTel03 begann im September 2002 und endete im März 2003. Insgesamt wurden 8362 Frauen und Männern ab 18 Jahren befragt. Ergebnisse: Tendenziell haben Personen die täglich, gelegentlich oder nicht mehr rauchen, ein signifikant höheres Risiko, jemals in ihrem Leben drei Monate oder länger an Rückenschmerzen gelitten zu haben, als Personen, die noch nie geraucht haben. Dieses Ergebnis bleibt auch unter Einbeziehung eines Interaktionseffektes zwischen Rauchen und seelischen Beschwerden konstant, während weder die Intensität des Zigarettenkonsums noch das Einstiegsalter Effekte auf die Rückenschmerz-Prävalenz aufzeigen. Nur die Dauer des Zigarettenkonsums hat einen Einfluss auf das Rückenschmerzrisiko. Diskussion, Schlussfolgerung: Eine Scheinkorrelation zwischen Nikotinabusus – ungünstigem Lebensstil / psychischer Belastung – Morbidität kann somit ausgeschlossen werden, da ein Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und Rückenschmerzen auch unter Einbeziehung möglicher Konfounder, wie Angaben zu seelischen Problemen und Angaben zur Beeinträchtigung der normalen Tätigkeiten durch seelische Probleme jeweils 4 Wochen vor der Befragung bestehen bleibt. Allerdings muss bei den Angaben zur seelischen Gesundheit beachtet werden, dass es sich dabei nicht um Arztdiagnosen handelt, sondern um Selbstangaben, deren Validität nicht überprüft werden konnte. 1. Pötschke-Langer, Martina; Schulze, Alexander (2005): Ausmaß und Folgen des Tabakkonsums in Deutschland, In: Deutsches Krebsforschungszentrum, Bundesärztekammer (Hrsg): Dem Tabakkonsum Einhalt gebieten – Ärzte in Prävention und Therapie der Tabakabhängigkeit, Heidelberg: 7-9. 2. Leboeuf-Yde C. (1999): Smoking and low back pain. A systematic literature review of 41 journal articles reporting 47 epidemiologic studies. Spine 24 (14): 1463-1470. P3.13 Leitlinien Rückenschmerzen: Sind sie bei der Allgemeinbevölkerung angekommen? M. Zimmermann-Stenzel, A. Keller, M. Schiltenwolf, E. Neubauer Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Einleitung, Hintergrund: Die von der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin e. V.) entwickelte Leitlinie „Kreuzschmerzen“ soll Hausärzte und ihre Patienten bei der Wahl einer wissenschaftlich
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begründeten, sachgerechten und im Einzelfall sinnvollen Diagnostik und Therapie unterstützen. Zur Aufklärung der Patienten gibt es ein Patientenfaltblatt, das die wichtigsten Informationen über die Aussagen der Leitlinie enthält. Die Studie „Leitlinien Rückenschmerz“ untersucht, ob die in der DEGAM Leitlinie „Kreuzschmerzen“ formulierten Verhaltensempfehlungen in der Bevölkerung angekommen sind. Es wird überprüft, ob diejenigen, die am stärksten von Rückenschmerzen betroffen sind, die 50 – 70 jährige Bevölkerung, leitliniengerechte Verhaltenstrategien kennen und welches die wichtigsten Aufklärungsdefizite sind. Daraus können Empfehlungen für künftige Präventionsstrategien abgeleitet werden und Hinweise darüber, welche Bevölkerungsgruppen gezielter informiert werden müssen. Material und Methoden: Für diese Querschnittsstudie wurden von Mai bis Juni 2006 per Quotenverfahren insgesamt 903 Personen anhand von face-to-face in-home Interviews befragt. Die Stichprobenziehung wurde auf 50 - 70 jährige Männer und Frauen, die ihren Wohnsitz in der BRD haben und über ein ausreichendes Deutschverständnis verfügen, beschränkt. Anhand bivariater und multivariater Verfahren wurden Risikofaktoren des Rückenschmerzes und Einflussfaktoren des Wissens über leitliniengerechtes Verhalten bei Rückenschmerzen analysiert. Dabei wurden auch Effekte des Geschlechts und der Bildung überprüft. Ergebnisse: Hinsichtlich der Zeitpunktprävalenz des Rückenschmerzes bestehen deutliche Unterschiede in Bezug auf die Bildung: 50% der Personen mit Hauptschulabschluss (ohne Lehre), aber nur 28% der Befragten mit abgeschlossenem Studium gaben an, in den letzten 7 Tagen zum Zeitpunkt der Befragung Rückenschmerzen gehabt zu haben. Außerdem zeigt sich, dass noch immer teilweise große Wissensdefizite in Bezug auf leitliniengerechtes Verhalten bei Rückenschmerzen bestehen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Bildungsschicht: je höher die Bildungsschicht ist, desto geringer sind die Wissensdefizite. Diskussion, Schlussfolgerungen: Vor allem die Bevölkerungsgruppen mit dem größten Schmerzrisiko besitzen die größten Wissensdefizite in Hinblick auf leitliniengerechtes Verhalten. Dies macht deutlich, dass die offen gelegten Lücken in der Informationskette Wissenschaftler – Facharzt – Hausarzt – Patienten noch zu schließen sind.
P4 Rückenschmerz und Bewegungsapparat II P4.1 Retardiertes Oxycodon/Naloxon im praktischen Einsatz wirksam und sicher O. Emrich1, M. Kässner-Sohn2 1 Praxis für Spezielle Schmerztherapie, Ludwigshafen, 2 Klinische Forschung Schmerz, Mundipharma GmbH, Limburg Fragestellung: Als Nebenwirkung der Opioid-Therapie von Patienten mit starken und sehr starken Schmerzen tritt bei der Mehrzahl der Patienten dauerhaft eine Opioid-induzierte Obstipation auf, die symptomatisch mit Laxanzien behandelt werden muss. Die fixe Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon verhindert – zusätzlich zu der analgetischen Wirkung – kausal die Opioid-induzierte Obstipation. Daten aus klinischen Studien mit Oxycodon/Naloxon weisen die starke analgetische Wirkung bei gleichzeitiger Verbesserung der Darmfunktion bei Patienten mit starken und sehr starken chronischen Schmerzen nach. In einer multizentrischen Beobachtungsstudie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit der Fixkombination aus Oxycodon und Naloxon im breiten praktischen Einsatz bei mehreren Tausend Patienten untersucht. Methodik: Die Beobachtungsdauer betrug 4 Wochen. Insgesamt konnten an vier Terminen (Eingangstermin, nach einer Woche, nach 2 und nach 4 Wochen) Daten dokumentiert werden, wobei der 2. Kontrolltermin optional war. Die Wirksamkeit von Oxycodon/Naloxon wurde anhand der Veränderung der Schmerzintensität (Numerische Rating-Skala, 0 - 10 = keine - stärkste vorstellbare Schmerzen) gemessen. Die Lebensqualität wurde anhand eines Summenscores aus Aktivität, Stimmung, Gehvermögen, normale Arbeit, Beziehung zu an-
deren Menschen, Schlaf und Lebensfreude (0 - 70 = keine - stärkste Einschränkung) bestimmt. Die Darmfunktion der Patienten wurde anhand der folgenden drei Parameter erhoben (NAS 0 - 100), wobei aus den Einzelwerten das arithmetische Mittel gebildet wurde: Leichtigkeit des Stuhlgangs (0 - 100 = leicht/ohne - größte Schwierigkeit), Gefühl der unvollständigen Darmentleerung (0 - 100 = gar nicht - sehr stark) und der Beurteilung von Obstipation (0 - 100 = gar nicht - sehr stark). Die Intensität verschiedener Magen-Darm-Probleme und anderer Symptome wurde rückwirkend für die letzten 24 Stunden bei jedem Termin abgefragt. Ärzte und Patienten beurteilten zum Abschluss der Untersuchung nach 4 Wochen die Wirksamkeit und Verträglichkeit, Ärzte zusätzlich die Compliance. Ergebnisse: An der Studie nahmen mehr als 6000 Patienten mit starken und sehr starken Schmerzen, hauptsächlich im Bereich des Bewegungsapparates, teil. Nahezu alle Patienten waren mit Analgetika und z. T. auch Koanalgetika vorbehandelt. Die Wirksamkeit der bisherigen Schmerztherapie war zumeist unzureichend. Mehr als 80% der Patienten, die bereits ein WHO-Stufe-III-Präparat erhielten, nahmen auch Laxanzien ein. Die Mehrzahl der Patienten wurde zu Beginn der Behandlung auf 2 x 10/5 mg Oxycodon/Naloxon eingestellt. Im Verlauf der Behandlung nahmen die Schmerzen signifikant ab. Die Darmfunktion, das Auftreten und die Intensität verschiedener Magen-DarmSymptome sowie die Lebensqualität verbesserten sich deutlich. Der Anteil der Patienten ohne Obstipation oder Problemen beim Stuhlgang nahm signifikant zu. Die Verträglichkeitsanalyse der vorliegenden Daten ergab eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung für den Einsatz von Oxycodon/Naloxon. In der Abschlussbeurteilung bewertete die Mehrzahl der Ärzte und Patienten die Wirksamkeit und Verträglichkeit mit „sehr gut“ und „gut“. Die Akzeptanz durch die Patienten war bei den meisten Patienten ebenfalls „sehr gut“ und „gut“. Schlussfolgerung: Die Fixkombination aus Oxycodon/Naloxon hat sich im breiten praktischen Einsatz bei mehreren tausend Patienten mit starken und sehr starken Schmerzen unterschiedlicher Genese hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit bewährt. Die starke analgetische Wirksamkeit, kombiniert mit der Verbesserung der Darmfunktion, steigert deutlich die Lebensqualität der Patienten. P4.2 Coxarthose bei ASA IV Patient - Fallbericht J. Andreas Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Ernst-Moritz-ArndtUniversität, Greifswald Die Totalendoprothese des Hüftgelenkes ist bei schwerer Coxarthose die Behandlung der Wahl zur Verringerung der Schmerzen und Verbesserung der Bewegung. Wir berichten über einen 78 jährigen, normgewichtigen Patienten mit multiplen internistischen Vorerkrankungen (hochgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion-Ejektionsfraktion 27%, ventrikuläre Tachykardien, Z.n. ICD Implantation, Z.n. 2fach Herzinfarkt, Z.n. 4fach aortokoronarer Bypass, art. Hyptertonus). Die internistischen Kollegen sprachen sich aufgrund möglicher kardialer Komplikationen gegen die Operation aus. Der Leidensdruck des Patienten war erheblich: 3/10 NAS in Ruhe, bei Belastung 8-10/10, laufen war nur noch in der Wohnung möglich. Methoden: Eine ausreichende Schmerzreduktion konnte mit NSAR, Physiotherapie nicht erreicht werden. Wir begannen einen Therapie mit Stufe III Opiat bis 240 mg Morphiumtagesdosis. Dies brachte nur leichte Schmerzlinderung aber massive Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Sturzgefahr. Der Kardiologe stimmte unter dieser ineffektiven Therapie, aufgrund der schlechten Lebensqualität des Patienten der Operation bei hohem Risiko zu. Nach interdisziplinärem Gespräch (Orthopäde, Intensivmediziner, in Kardiochirurgie erfahrener Anästhesist) wurde die Operation erfolgreich unter erweitertem Monitoring in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Postoperativ verblieb der Patient für einen Tag auf der Intensivstation, für 3 Tage insgesamt am hämodynamischen Monitoring. Es folgte eine rehabilitative Nachbehandlung. Ergebnisse: Nach Operation und Rehabilitation ist der Patient in Ruhe komplett Schmerzfrei (NAS Ruhe 0/10, Belastung 3/10). Das Stufe III
Opiat konnte vollständig reduziert werden. Die Gehstrecke des Patienten außerhalb der Wohnung sowie die Lebensqualität haben sich deutlich erhöht. Schlussfolgerung: Eine Totalendoprothesenoperation ist bei starker Coxarthose die Behandlungsmethode der Wahl. Diese kann auch bei schweren kardiologischen Vorerkrankungen sinnvoll sein, wenn andere Behandlungsmethoden versagen und der Leidensdruck des Patienten hoch ist. Das Verfahren ist mit hohem Risiko behaftet, das nur verringert werden kann, wenn interdisziplinär zusammengearbeitet wird. P4.3 Komplikation bei Umstellung einer intrathekalen Morphiumpumpe auf Palladon A. Jülich Klinik für Anästhesiologie, EMA- Universität Greifswald Ein Patient mit chronischen Rückenbeschwerden wurde mehrfach operiert. Die Schmerztherapie brachte jahrelang keine ausreichende Linderung. 2004 wurde die Indikation zur Implantation einer intrathekale Morphiumpumpe gestellt. Diese funktionierte bis 2006 problemlos – der Patient war damit zufrieden. Es zeigte sich in diesem Jahr eine Rötung der Haut im Bereich der Pumpentasche. Nach erfolgloser Antibiotikabehandlung wurde die Pumpe operativ freigelegt. Es ergab sich kein entzündliches Korrelat. Die Rötung blieben und wurden stärker. Es wurde die Diagnose einer möglichen Allergie gegen die Pumpe gestellt. Die Pumpe wurde daraufhin entfernt. Während der Umstellung der intrathekalen Morphindosis (7 mg/Tag) auf Palladon kam es immer wieder zu Problemem mit Unter- und Überdosierungen bzw. Entzügen. Nach Hinzuziehen unserer Internisten wurde ein bisher nicht bekanntes Pankreas Ca mit Metastasierung in die Leber festgestellt – das die zusätzlichen Schmerzschübe auslöste. Der Patient konnte zusammen mit den Onkologen erfolgreich palliativmedizinisch behandelt werden. P4.4 Wechsel auf einen Spinal Cord Stimulator (SCS) der zweiten Generation nach erfolgloser Ersttherapie bei Failed Back Surgery Syndrom (FBSS) (Casereport) A. Koulousakis1, A. C. Khodavirdi2 1 The University Hospital of Cologne, Cologne, Germany, 2 Boston Scientific International Neuromodulation, Valencia, CA, U.S.A. Einleitung: SCS bei FBSS gilt seit langem als eine der besten Indikationen (North, 1994, 2004). Die heute verfügbaren SCS Systeme der unterschiedlichen Hersteller variieren in ihren technischen Möglichkeiten. Das klinische Ergebnis der Therapie kann direkt von diesen Parametern abhängig sein. Wenn ein bereits implantiertes SCS-System keine adäquate Schmerzreduktion mehr gewährleistet, kann der Wechsel auf ein System mit anderen technischen Möglichkeiten eine suffiziente Fortführung der Therapie erlauben. Methodik: Ein 54-jähriger männlicher Patient mit rechtsseitigen Schmerzen im Gesäß und in der rechten Wade nach ���������������� Failed Back Surgery Syndrom �������������������������������������������������������� (2005: Nukleotomie und Hemilaminektomie rechts, nach Bandscheibenvorfall L4-5). Im gleichen Jahr wurde eine 4-polige Elektrode auf Höhe von T10-T11 platziert und ein spannungskontrolliertes SCS-System implantiert. Nach wenigen Monaten waren sowohl das Parästhesieempfinden als auch die leichte Schmerzreduktion deutlich verringert. Eine adäquate Stimulation konnte auch durch mehrfache Re-Programmierung nicht erreicht werden. 2007 wurde das vorhandene System durch eine 8-polige Elektrode mit engen Polabständen in gleicher Ebene (T10-T11) und einem 16-kanal stromgesteuerten, wiederaufladbarem SCS-System (PRECISION, Boston Scientific Neuromodulation, Valencia, CA) ersetzt. Ergebnisse: Nach dem Wechsel des Systems berichtete der Patient über eine deutliche Schmerzreduktion unter angenehmerer und besser lokalisierter Stimulation. Die gewählten Programme für unterschiedliche Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Körperhaltungen wurden auf 800µs Impulsbreite eingestellt. Unter Stimulation mit dieser langen Impulsbreite konnte ein optimal breites Stimulationsfeld in Gesäßbereich und in der Wade erreicht werden. Stimulation mit höheren Impulsbreiten scheint nach aktueller Literatur (Gould, 2006) ein probates Mittel zu sein, komplexe Schmerzmuster umfassend zu therapieren. Ein weiterer positiver psychologischer Effekt für den Patienten wurde durch den wiederaufladbaren Akku des Stimulators erreicht. Diskussion: Die therapeutischen Erfordernisse und der Umfang der unterschiedlichen Schmerzbilder variieren deutlich von Patient zu Patient. Die Verfügbarkeit von verschiedenen SCS Systemen und deren unterschiedliche technischen Eigenschaften ermöglichen es dem Arzt, das Gerät zu wählen, welches für die Behandlung der Schmerzmusters des jeweiligen Patienten am besten geeignet erscheint. Dabei erscheint die Rolle der Impulsbreite nach neueren Erkenntnissen (Gould, 2006) eine besondere Rolle zu spielen. Der Wechsel auf SCS-Systeme mit erweitertem Therapiespektrum sollte, nach unserer Meinung, bei Patienten mit fehlgeschlagener Ersttherapie, öfter in Betracht gezogen werden. Zusammenfassung: Nach erfolgloser SCS Therapie bei Failed Back Surgery Syndrom wurde ein SCS System der zweiten Generation implantiert. Durch die erweiterten Therapiemöglichkeiten (größere Impulsbreite, enge Elektrodenabstände, Stromsteuerung je Kanal) konnte der Patient nach dem Wechsel suffizient therapiert werden. P4.5 Integrationsversorgung bei Rückenschmerzen (DAK-BerlinBrandenburger Rückennetz) G. Müller, U. Marnitz, W. Seidel, K. Bienek, A. Gussek, L. Gabriele Rückenzentrum Hamburg, Rückenzentrum Berlin, Klinik für Manuelle Medizin Sommerfeld, Rehazentrum Pankow, DAK Berlin, CLARA Klinische Forschung Kleinmachnow Einleitung: Seit einem Jahr bietet die DAK Versicherten mit länger dauernder Arbeitsunfähigkeit wegen Rückenschmerzen ein interdisziplinäres standardisiertes und multiprofessionelles Assessment, zur Zeit in 2 Einrichtungen in Berlin an. Methoden: Nach ausführlicher Anamnese (auf Basis) unter Einbeziehung des Deutschen Schmerzfragebogens (DSF), körperlicher ärztlicher und physiotherapeutischer Untersuchung sowie psychologischer Exploration wird der Versicherte über die weitere Vorgehensweise beraten. Diese kann aus gezielter Diagnostik, ambulanter monomodaler Therapie, tagesklinischem Programm mit 2 Intensitäten oder einer stationären Therapie bestehen. Das Projekt nutzt eine gemeinsame online-Dokumentation, erfasst den Verlauf nach 6/12 Monaten und wird wissenschaftlich begleitet. Ergebnisse: Die Fallmanager der DAK wurden an 2 Terminen ausführlich über das Konzept informiert und in die Dokumentation eingewiesen. Letztere wurde sukzessive, beginnend mit einem Kalender mit Terminfreischaltung und -buchung aufgebaut. Die Fallmanager erhalten die Kostenübernahmeanträge aus dem Assessment und Termine in ihrer Verlaufsübersicht, die Zentren geben ihre Dokumente ggf. auch zur Weitergabe an die Mitbehandler ein. Den aktuell 285 ausgewählten Versicherten mit den führenden Diagnosen M54 (67,1%) oder M51 (42%), 32,8% männlich, 48,6 Jahre alt, 47% bzw. 46% Stadium 1 bzw. 2 nach Gerbershagen, 101,3 Tage aktuell arbeitsunfähig, 165 Tage in den letzten 2 Jahren wurde 18 kein Assessment angeboten. 51,6% erhielten das intensive tagesklinische Programm, 16,8% ein weniger intensives, 6,5% kamen stationär, 10,3% kein Programm (davon 2 Reha und 1 eine OP), 6,0% Diagnostik. Die Verlaufsdaten werden vorgestellt. Schlussfolgerungen: Das DAK-BBR-Konzept belegt die Praktikabilität des frühzeitigen Assessments mit interdisziplinärer Spezialisierung und Facharztstandard. Es ermöglicht die zeitgerechte und gezielte befundgerechte und alle Risikofaktoren berücksichtigende Therapie. Die Ergebnisse müssen sich an denen anderer Integrationsansätze messen lassen.
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P4.6 Anwendung komplementärer Therapieverfahren bei Rückenschmerzen E. Mette1, T. Schmidt2, C. Gaul3,4 1 Klinik für Orthopädie 2, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau gGmbH 2 Medizinische Psychologie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost, Halle, 3 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, 4 Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Einleitung und Zielstellung: Die Anwendung komplementärer Therapiemethoden (Complementary and Alternative Medicine; CAM), insbesondere zur Behandlung chronischer Erkrankungen nimmt nach klinischem Eindruck in den letzten Jahren zu, epidemiologische Daten dazu fehlen jedoch weitgehend. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Erfassung von CAM und deren Bedingungen sowie die Motivation bei Patienten mit Rückenschmerzen zur Nutzung dieser Therapieverfahren. Methodik: Die Datenerhebung erfolgte konsekutiv über einen Fragebogen mit 44 Items bei 200 stationär behandelten Rückenschmerzpatienten (Lumbalgie, Lumboischialgie, Failed Back Surgery-Syndrom) in zwei orthopädischen Kliniken. Erfragt wurden soziodemographische Angaben, die Krankengeschichte, bisherigen Therapien sowie die Nutzung von komplementären Therapieverfahren und Behandlungspräferenzen. Ergebnisse: Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 96%. Davon hatten 71% alternative Heilmethoden angewandt. Es zeigte sich eine häufigere Anwendung von CAM bei längerer Krankheitsdauer (p = .001), bei Patienten der Klinik im Westen Deutschlands (82%West vs. 66%Ost; p = .012) sowie insgesamt bei Patienten mit höherer Therapiezufriedenheit (p=.003). Es ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich der Schmerzcharakteristika (Schmerzintensität, Analgetikabedarf, Beeinträchtigung durch den Schmerz), Alter, Geschlecht und Einkommen. Gründe für die Anwendung von CAM waren „aktiv gegen die Krankheit vorzugehen“ (36%) und „nichts unversucht zu lassen“ (43%). Eine eher geringe Rolle spielten „schlechte Erfahrungen mit der Schulmedizin“ (3%) sowie der „Wunsch nach einer nebenwirkungsfreien Therapie“ (12%). Bei den CAM-Anwendern zeigten sich keine subjektiven Unterschiede in der Wirksamkeit von CAM und „schulmedizinischen“ Maßnahmen. Diskussion: Ohne gezielte Nachfrage berichten Patienten kaum über die Nutzung von CAM, obwohl diese sehr häufig angewandt werden (71% aller Patienten). Die alternativen Verfahren die zur Anwendung kamen sind weitgehend nicht in Studien untersucht, die den Ansprüchen evidenzbasierter Medizin genügen. Interessanterweise greifen nicht nur „Therapieversager“ der herkömmlichen Behandlung zu solchen Verfahren. Der Wunsch der Patienten selbst aktiv gegen die Erkrankung anzugehen, sollte unterstützt werden und kann die Motivation zur Teilnahme der Patienten an aktiven Therapieprogrammen stärken. P4.7 Radiofrequenzablation und Vertebroplastie schmerzhafter Wirbelkörpermetastasen T. Paduch, A. Gevargez, D. H. W. Grönemeyer Grönemeyer-Institut für Mikrotherapie, Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie, Universität Witten/ Herdecke, Bochum Frühere Erfahrungen mit der Radiofrequenzablation (RFA) von Weichteil- und spinalen Tumoren zeigten bereits ermutigende Ergebnisse. Auch bei nicht operablen Wirbelkörpermetastasen, die starke Schmerzen verursachen, stellt die RFA und anschließene Vertebroplastie, eingebettet in ein onkologisches Gesamtkonzept eine effiziente und sichere Therapieoption dar. Die RFA erfolgt CT- und durchleuchtungsgesteuert in Lokalanästhesie und leichter Sedierung. Bei 38 Patienten mit Wirbelkörpermetastasen verschiedener Primärtumore, bei denen keine chirurgische Therapieoption bestand, wurden insgesamt 64 RFA und 30 Vertebroplastien durchgeführt. Die Indikation wurde bei drohender Wirbelkörperfraktur, Tumorprogress unter Chemotherapie oder Bestrahlung und beeinträchtigenden lokalen oder radikulären Bechwerden gestellt. Das Hauptsymptom Rückenschmerz besserte sich innerhalb 6 Wochen nach der Behandlung und stabilisierte sich mittelfristig (6 Monate) signifikant von durchschnittlich VAS 5 auf VAS 3 und ebenso langfristig bis
zum Ende der Nachbeobachtung (durchschnittlich 12,8 Monate). Während der Allgemeinzustand, dokumentiert mit dem Karnofsky-Index (Ausgangswert durchschnittlich 65) stabil war, verbesserte sich der funktionelle Befund, gemessen mit dem Hannover-Score sowohl mittelfristig wie auch langfristig. Bei fünf Patienten wurde eine lokale Tumorprogression nach einem Zeitraum von 10 Tagen bis 13 Monaten beobachtet. In drei Fällen traten Komplikationen ohne bleibende Folgeschäden auf, in keinem Fall kam es zu einer neurologischen Verschlechterung oder Zunahme der lokalen Schmerzen. Auch Patenten in schlechtem Allgemeinzustand konnten ohne hohes Risiko behandelt werden. Die lokale Tumortherapie mit RFA und Vertebroplastie ist somit als wertvolle Ergänzung zu etablierten onkologischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Optionen anzusehen. P4.8 Multimodale Schmerztherapie in der Neurochirurgie D. Rasche, M. Batke, N. Goltz, A. Möllgaard, V. M. Tronnier Neurochirurgische Klinik, Psychosomatische Klinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Fragestellung: Die interdisziplinäre Betreuung von Patienten mit chronischen Wirbelsäulenbeschwerden stellt Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten, Psychologen und operativ-invasiv tätige Behandler vor große Probleme. Vor dem Hintergrund der DRG-Abbildung und -Vergütung der Multimodalen Schmerztherapie (MMS) soll hier das Konzept der stationären multimodalen Behandlung in einer universitären Neurochirurgie vorgestellt werden. Angewandte Methodik: Im Rahmen der MMS ist die Diagnostik und Behandlung durch zwei in der Schmerztherapie erfahrene Fachdisziplinen, hier die Neurochirurgie und die Psychosomatik, vorgeschrieben. Die Ein- und Ausschlusskriterien für die MMS sind festgelegt und z. B. Patienten mit organischer Ursache (Bandscheibenvorfall, Spinalkanalstenose), welche operativ behoben werden kann, ausgeschlossen. Eine ambulante medikamentöse Schmerztherapie und physiotherapeutische Maßnahmen sollten erfolglos durchgeführt sein. Mindestens drei Aufnahmekriterien zur MMS müssen erfüllt sein. Ergebnisse: Nach stationärer Aufnahme wird der Patient von einem Team aus in der Schmerztherapie erfahrenen Neurochirurgen, Psychosomatikern, Physiotherapeuten, speziell geschultem Pflegepersonal und einer Sozialpädagogin betreut und ein Behandlungsplan sowie -ziele erarbeitet. Anwendung finden sowohl weitere medikamentöse, minimal-invasive, physiotherapeutische Behandlungen, die psychosomatische Gesprächstherapie, aktive Teilnahme an Entspannungsverfahren (z. B. Autogenes Training) als auch komplementäre Behandlungsformen in Form von Aromatherapie, Fußreflexzonenmassage etc. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes, welches zwischen sieben und 21 Tage beträgt, finden regelmäßige interdisziplinäre Teamsitzungen statt. Schlussfolgerungen: Das vorgestellte Behandlungskonzept stellt eine sinnvolle Erweiterung der interdisziplinären und multimodalen Betreuung von Patienten mit chronischen Wirbelsäulenbeschwerden dar. In diesem Rahmen sollen für den Patienten primär eine subjektive und objektivierbare Schmerzlinderung als auch sekundär die eigenständige Entwicklung einer individuellen Strategie zum besseren Umgang mit der Schmerzproblematik und Überleitung in eine ambulante Weiterbehandlung erzielt werden. P4.9 Patienten mit chronischen Schmerzen infolge degenerativer und entzündlicher Erkrankungen des Bewegungssystems – Subanalyse dreier Anwendungsbeobachtungen bei Patienten mit einer Dosierung von 600 mg oder mehr retardiertem Tilidin/Naloxon (Gepoolte Daten) U. Junker, E. Sarnow Sana-Klinikum Remscheid GmbH, Remscheid; Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe Zielsetzung: Erfassung von Dosierung, Wirksamkeit und Verträglichkeit von retardiertem Tilidin/Naloxon bei Patienten mit chronischen Schmerzen infolge degenerativer und entzündlicher Erkrankungen des
Bewegungssystems unter Hochdosistherapie in der täglichen Praxis niedergelassener Ärzte. Methodik: Patienten mit chronischen Schmerzen infolge degenerativer und entzündlicher muskuloskelettaler Erkrankungen und einer Indikation für eine Behandlung mit Tilidin/Naloxon Retardtabletten wurden in die Anwendungsbeobachtungen aufgenommen und mit individuell titrierter Tagesdosis behandelt. Nach 1-2 bzw. 2-4 Wochen wurden die Veränderung der Schmerzintensität sowie Sicherheits- und Verträglichkeitsparameter analysiert. Für diese Subanalyse wurden zwei Populationen definiert. Gruppe 1: Patienten, die während der gesamten Beobachtungsdauer 600 mg Tilidin/Naloxon oder mehr erhalten haben. Gruppe 2: Patienten, die zu Beginn der Behandlung mindestens 300 mg Tilidin/Naloxon erhalten haben, bei denen die Dosis jedoch auf 600 mg oder mehr erhöht wurde und über mindestens 14 Tage erhalten blieb. Ergebnisse: 267 Patienten (Gruppe 1: n=120, Gruppe 2: n=147) mit einer mittleren Schmerzintensität von 7.9 (Skala 0-10), die die o.g Bedingungen erfüllten, wurden in die Auswertung aufgenommen. Ein Wert von durchschnittlich 3,5 (Gruppe 1) und 2,9 (Gruppe 2) auf der VAS wurde von den Patienten als erträglicher Schmerz bezeichnet. Die Intensität der Schmerzen ging im Verlauf der Behandlung um 4,6 (Gruppe 1) bzw. 4,5 (Gruppe 2) Punkte zurück. In Gruppe 1 traten bei 4 Patienten (3,3%) unerwünschte Ereignisse während der Beobachtungsperiode auf, auch in Gruppe 2 wurden bei 4 Patienten (2,7%) unerwünschte Ereignisse berichtet. Bei jeweils 3 Patienten( 2,5% bzw. 2,0%) wurden diese in einen vermuteten oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Medikation gebracht. Schlussfolgerung: Auch bei einer Dosierung von 600 mg und mehr Tilidin/Naloxon-Retardtabletten profitieren die Patienten noch bzgl. der Schmerzreduktion. Im Mittel wurde eine Reduktion von 4.6 in Gruppe 1 und von 4.5 in Gruppe 2 erreicht. Die Rate der unerwünschten Ereignisse von 3.3% bzw. 2.7% bei den Hochdosispatienten entspricht in etwa der Rate der Gesamtpopulation. P4.10 Pain mediation in prostate cancer bone metastasis via NGF S. Schröck, K. Ackermann, T. Neidhart, W. Pyerin Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) Abteilung Biochemische Zellphysiologie (A135) Bone is the most common site of prostate cancer metastasis resulting in osteoblastic (bone forming) lesions accompanied by osteolytic (bone destructing) components. Frequently, bone pain is an early event, usually increasing in intensity with progression of disease. Available therapies are insufficient. Various factors are known to be involved in pain mediation, including diverse tumor-secreted factors that sensitize or directly excite primary afferent neurons such as the nerve growth factor (NGF). Discovered for its ability to stimulate survival and differentiation of peripheral neurons, NGF is now known as an important player in onset and maintenance of all types of pain i.e. acute, surgical, inflammatory, visceral and neuropathic pain by modulating expression of pain-related transmitters, receptors and ion channels. Concordantly, treatment with NGF antibodies resulted in a significant reduction of bone-cancer pain related behaviours of experimental animals. Little is known of a NGF involvement in bone pain of prostate cancer bone metastasis. We are investigating this relationship in a cell culture model system of bone metastasis (Knerr et al., 2004, Int J Cancer, 111:1529). Osteoblastic (LNCaP, C4-2 and B4) and osteolytic (PC3, DU145) prostate cancer cells were allowed to crosstalk via secreted factors with osteocytes (MLOY4). Determination of NGF expression at mRNA and protein level by qPCR and Western Blot analysis, respectively, revealed that the crosstalk had no effect on NGF expression in PC3 and DU145 or in MLOY4. Instead, NGF mRNA and protein levels were strongly increased in LNCaP, C4-2 and B4. Consistently, increased active NGF was detected in LNCaP/MLOY4-coculture-conditioned medium using a bioactivity assay. Furthermore, qPCR showed that osteocytes express both NGF receptors, trkA and p75, and, interestingly, that their expression is upregulated due to the crosstalk with LNCaP. The data apDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts pear to demonstrate that the crosstalk of osteoblastic but not osteolytic prostate cancer cells with bone cells results in an increased expression and secretion of active NGF in cancer cells and of NGF receptors in osteocytes, causing cancer cell-induced NGF signalling in osteocytes and expression of NGF target genes encoding pain-mediating proteins. P4.11 Funktionsuntersuchungen bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz vor und nach Periduralanalgesie oder Facettennervenblockade M. Stingl, D. Follmer, H. G. Kress, E. Caus, S. Kozek-Langenecker Klinische Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie, Medizinische Universität Wien Hintergrund: Unspezifische chronische Kreuzschmerzen sind eine häufige Erkrankung (1). Invasive Therapieoptionen sind die Periduralanalgesie (PDA) und die Facettennervenblockade (FB) (2). Diese offene, prospektive Verlaufsbeobachtung sollte prüfen, ob PDA oder FB neben einer Schmerzreduktion auch zu einer Verbesserung der Wirbelsäulenfunktion führen. Methodik: Es wurden 35 Patienten untersucht, welche sich an unserer Schmerzambulanz einer PDA (n = 22) oder FB (n = 13) unterzogen. Indikationsstellung und Durchführung der Blockaden erfolgte nach den Abteilungs-internen Standards (PDA: Punktion L3/4 median mit Ropivacain 2 mg/ml 5-8 ml; FB: Punktion einseitig L2-L4 unter Durchleuchtung mit Bupivacain 0,5% je 0,5-2 ml). Die Schmerzintensität wurde mittels visueller Analogskala (VAS) und McGill-Melzack Schmerzfragebogen evaluiert. Zur Funktionsdiagnostik erfolgte eine physikalische Untersuchung der Wirbelsäule und der benachbarten Gelenke (3) vor und 30 Minuten nach der Blockade. Statistik: gepaarter t-Test, Chi-Quadrat Test. Ergebnisse: Sowohl PDA, als auch FB brachten eine signifikante Verbesserung der Wirbelsäulenfunktion und eine signifikante Schmerzreduktion (Tab. 1). Schlussfolgerung: Diese Ergebnisse dienen der Hypothesengeneration für zukünftige prospektive, plazebo-kontrollierte Projekte, welche auch den Langzeiteffekt der PDA und FB prüfen sollen. Die Durchführung von Wirbelsäulenfunktionstests erlaubt eine objektive Erfassung des Effektes schmerztherapeutischer Interventionen. Geeignete Funktionstests sollten zusätzlich zum subjektiven Parameter der Schmerzintensität erhoben werden. 1. Cassidy JD, Carroll LJ, Cote P. The Saskatchewan health and back pain survey. The prevalence of low back pain and related disability in Saskatchewan adults. Spine 1998; 23(17):1860-6 2. Boswell MV, Trescot AM, Datta S et al. Interventional Techniques: Evidence-based Practice Guidelines in the Management of Chronic Spinal Pain. Pain Physician 2007; 10(1):7-111 3. Eder M, Tilscher H. Chirotherapie. Vom Befund zur Behandlung. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1998; 83-136
P4.12 Schmerz bei Osteoporose – Antworten von der Basis: Versorgungssituation (älterer) Menschen bei nur einer Erkrankung des muskulo-skelettalen Halte- und Bewegungssystems M. Söhling, W. Steweling, U. Deuss Praxis für Orthopädie, spezielle Schmerztherapie, Osteologisches Schwerpunktzentrum, Willich-Anrath Die Erfolge der verschiedenen osteologischen Therapieoptionen bei Osteoporose (OP) sind studienmäßig gut belegt, doch im Praxisalltag zeigt sich die Therapie des Einzelnen anspruchsvoll und schnell mißerfolgsträchtig, wenn es nicht gelingt, das Individuum in seiner Gesamtproblematik zu erfassen. Um die Compliance von Patienten mit osteoporosebedingten Schmerzen zu verbessern, ist es daher notwendig die Wahrnehmung der Erkrankung durch den Patienten sowie seine persönlich empfundene Versorgungssituation besser zu verstehen. Hierzu wurde in NRW eine Patientenbefragung bei OP-Selbsthilfegruppen durchgeführt. Insgesamt wurden 315 Personen (92% Frauen, Durchschnittsalter 70 J., durchschnittliche Erkrankungsdauer 10 J.) befragt. Bei etwa 1/3 lagen Frakturen vor, aber 2/3 klagten über Schmerzen nach Bewegung/ Alltagsbelastung und n=70 über anhaltende,regelmäßige Schmerzen; dennoch wurden nur bei 41% Schmerzmedikamente verordnet und wiederum nur 1/3 von diesen geben an, dass ihre Schmerzen adäquat behandelt seien. 70% berichteten über depressive Symptome. 90% nehmen regelmäßig an der selbsthilfegruppeorganisierten Gymnastik mit fester Bezugsperson (Übungsleiter) teil. Auf die Frage „Was hilft Ihnen am besten mit der Erkrankung auszukommen?“ gaben 80% die Gymnastikgruppe und nur 44% den betreuenden Arzt an. Auf die Frage nach den Quellen für eine Ratsuche bei Schmerzen gaben 56% den Facharzt an, 54% die Selbsthifegruppe und nur 30% den Hausarzt. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Versorgungssituation von Osteoporosepatienten bzgl. „Schmerz“ verbessert werden muß. Die Rolle des Arztes als zentraler Ansprechpartner für Schmerzproblematik um die Osteoporose muss gestärkt werden. Der Stellenwert einer organisierten Bewegungstherapie als Baustein eines multimodalen schmerzdistanzierendes Konzeptes muss erkannt und bestätigt werden. P4.13 Sakrale Zysten: ein seltenes Schmerzsyndrom J. Weber Klink für Neurochirugie, Unfallkrankenhaus Berlin Fragestellung: Die klinische Beurteilung von sakralen Zysten ist kontrovers. Die Therapieempfehlungen stützen sich auf Fallbeschreibungen und kleine Fallserien und sind daher nicht gesichert. In dieser retrospektiven Studie wird die operative Therapie und das mehrjähriges Outcome bei symptomatischen sakralen Zysten vorgestellt. Methodik: Über einen Zeitraum von 15 Jahren wurden 19 Patienten
Tab. 1: Veränderung der ausgewählten Funktionsparameter nach Periduralanalgesie (PDA) oder Facettennervenblockade (FB) (mean ± SD) VAS (cm) McGill-Melzack (items) Finger-Boden-Abstand (cm) Schober-Zeichen (cm) Functional Reach (%) Up-and-Go Test (s) 6-Minuten Wegstrecke (m) Lateralflexion links (cm) Lateralflexion rechts (cm) Rotation links (°) Rotation rechts (°) Springing test (Score items) segm. Anteflexion (Score items)
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Veränderungen nach PDA -3,2 ± 2,9 -5,9 ± 5,2 -3,7 ± 6,7 0,8 ± 1,4 8,2 ± 8,6 -1,2 ± 1,8 26,4 ± 55,0 2,8 ± 3,0 2,5 ± 3,1 8,2 ± 9,0 7,1 ± 9,3 0,2 ± 0,6 0,7 ± 0,6
p-Wert 0,000 0,000 0,016 0,016 0,001 0,007 > 0,05 0,000 0,001 0,000 0,002 > 0,05 > 0,05
Veränderungen nach FB -3,8 ± 2,6 -8,8 ± 6,9 -3 ± 7,5 1,0 ± 1,4 3,8 ± 5,5 -2,6 ± 4,1 76,2 ± 81,4 1,9 ± 2,4 2,6 ± 3,0 6,9 ± 9,9 9,3 ± 9,9 0,3 ± 0,5 0,4 ± 0,7
p-Wert 0,000 0,005 0,176 0,031 0,019 0,040 0,005 0,013 0,008 0,028 0,005 > 0,05 > 0,05
mit sakralen Zysten operiert. Es wurde eine dorsale knöcherne Dekompression mit Teilresektion der Zyste vorgenommen. Der Zystenverschluss erfolgte mit Hilfe von epiduralem Fett und/oder Fibrinkleber. Folgende präoperative Diagnostik wurde vorgenommen: MRT, CT und Myelographie. Die durchschnittliche postoperative Beobachtungszeit betrug 6,8 Jahre (von 1-15 Jahren). Das Outcome wurde mit Hilfe der modifizierten Prolo-Skala erhoben (beruflicher Status, Schmerzintensität und Analgetikaeinnahme). Ergebnisse: Mit Hilfe der Prolo-Skala konnte ein sehr gutes (n=6), gutes (n=2) oder befriedigendes (n=7) Outcome bei 79% der Patienten festgesellt werden. Bei 5 Patienten mit Blasendysfunktion besserte sich dies in vier Fällen deutlich. Es fand sich keine Korrelation von: Zystengröße, knöcherner Erosion, der Kommunikation zwischen dem Zysteninhalt bzw. dem Subarachnoidalraum (verzögerte Myelo-CT Untersuchung) und dem Outcome. Lediglich ein Patientenalter von weniger als 50 Jahre und eine Anamnesedauer von weniger als einem Jahr korrelierten mit einem guten Outcome. Postoperativ fand sich kein Liquorleck oder neue neurologische Defizite. Schlussfolgerungen: Etwa 80% der mikrochirurgisch operierten sakralen Zysten zeigen auch nach vielen Jahren eine deutliche Besserung der klinischen Symptome. Kein präoperatives bildgebendes Verfahren kann das Outcome nach operativer Therapie vorhersagen.
P5 Experimentelle Schmerzmodelle I – QST (Mensch) P5.1 Elektrodermale Aktivität bei Frühgeborenen -Parameter der Stress- und Schmerzmessung A. Demel, C. Hünseler, A. Kribs, F. Schaefer, B. Roth Klinik und Poliklinik für Allgemeine Kinderheilkunde der Universität zu Köln, Bereich Neonatologie, Institut für Physiologische Psychologie, Bergische Universität Wuppertal Hintergrund: Das Erkennen von Schmerz und Stress bei Frühgeborenen ist schwierig. Die Hautleitfähigkeit (EDA) reflektiert corticale und subcorticale Verarbeitungsprozesse, die objektiv erfasst werden können. Bei Frühgeborenen besteht eine Abhängigkeit der EDA von der Entwicklung der Haut und des sympathischen Nervensystems. Im Gegensatz zu den physiologischen Parametern der Herzfrequenzvariabilität, der Sauerstoffsättigung, den endokrinologischen Messwerten und Schmerzscores ist die EDA unmittelbar zu verwenden. Bei Frühgeborenen > 29. Schwangerschaftswoche (SSW) ist dies bereits bekannt (1;2). Fragestellung: Sind emotional-affektive Zustandsveränderungen auch bei Frühgeborenen unter der 29. SSW durch Messung der Frequenz, des Levels und der Amplitude der elektrodermalen Reaktion erfassbar? Material und Methode: In einer prospektiven Studie an frühgeborenen Kindern unter der 31. SSW bei der Geburt wurden 6 sukzessive Messungen der EDA in wöchentlichem Abstand durchgeführt. Diese erfolgten während einer routinemäßigen Blutentnahme mit non-nutritivem Saugen bei den ersten 3 und der 5. Beobachtung. Zu dem 4. und 6. Messzeitpunkt wurde die EDA während einer Känguru-Sitzung mit Haut-zu-Haut-Kontakt erfasst. Die Messungen wurden mittels konstanter Gleichspannung durchgeführt. Ausgewertet wurden die Parameter Frequenz, Amplitudenhöhe und das Level der elektrodermalen Aktivität. Als Vergleichsparameter wurden Schmerzscores: VAS (Visuelle Analog Skala); NIPS (Neonatal Infant Pain Scale) zur Beurteilung der Blutentnahmesituation erhoben. Ergebnisse und Diskussion: Es konnten Daten von 25 Kindern mit einem Geburtsalter zwischen der 23+1-30+7 SSW erfasst werden. Zum ersten Messzeitpunkt betrug das durchschnittliche postnatale Alter 26+4 SSW. Bei allen Frühgeborenen dieser Studie wurde elektrodermale Aktivität nachgewiesen. Die Frequenz der EDA während der Känguru-Sitzung ist im Vergleich zur Blutentnahme signifikant (p < 0,05) erniedrigt, während bei der Amplitude und dem Level keine signifikanten Unterschiede bestehen. Da die Frequenz der Wert ist, der bei Frühgeborenen am schnellsten reagiert wurde er mit den
Schmerzscores korreliert. Dabei zeigten sich im Verlauf der vier Blutentnahmen positiv ansteigende Korrelationskoeffizienten für NIPS (0,436 bis -0,513) und VAS (0,404 bis -0,535). Es wurden jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen Kindern unter und über der 29. Schwangerschaftswoche gemessen. Schlussfolgerung: EDA ist auch bei Frühgeborenen unter der 29. Schwangerschaftswoche messbar. Unterschiede zwischen Schmerzund Entspannungssituationen können mit der EDA dargestellt werden. Ein zukünftiger Einsatz als Routineparameter wäre vorstellbar, um Schmerz und Stress unmittelbar zu erfassen und adäquat reagieren zu können. 1. Harrison D. et al.: Early Human Dev 82, 603-608 (2006) Skin conductance as a measure of pain and stress in hospitalised infants 2. Storm H.: Arch Dis Child 83, F143 (2000) Skin conductance and the stress response from heel stick in preterm infants P5.2 Untersuchungen zum Einfluss einer exogen induzierten Hypalgesie auf die periphere und trigeminale Schmerzfazilitation M. Dirkwinkel, M. Marziniak, I. W. Husstedt, S. Evers WWU Münster In den letzten Jahren ist die Frage in den Mittelpunkt der Schmerzforschung gerückt, wie sich Schmerzbahnung und Schmerzhemmung gegenseitig beeinflussen und wie diese Phänomene gemessen werden können. Einige asiatische Kampfkunstarten, wie z. B. Kung Fu, arbeiten mit antinozizeptiven Übungen zur verminderten Schmerzwahrnehmung. Diese Übungen können ein Modell bilden, um eine exogen erworbene Hypalgesie zu untersuchen. Diese Arbeit stellt die Frage, ob das Trainieren von Analgesie zu veränderten peripheren und trigeminalen Schmerzschwellen und damit zu einer Veränderung von Schmerzfazilitation und Schmerzinhibition führt. In die experimentelle Untersuchung wurden 30 gesunde Probanden eingeschlossen. Diese wurden in 2 Gruppen unterteilt: die 15 Probanden hatten ein 14-tägiges Abhärtungstraining zu absolvieren, die 15 Kontrollpersonen nicht. Zu Anfang (U1) und nach Ablauf (U2) des Abhärtungstrainings wurden die Personen untersucht. Es wurden die Sensibilitäts- und Schmerzreizschwellen am M. tibialis anterior und am M. masseter gemessen. Beide Schwellen waren sowohl bei den Probanden als auch bei den Kontrollen am M. masseter signifikant niedriger. Wir fanden einen Trend, dass die Probanden eine im Zeitverlauf durchschnittlich höhere Schmerzreizschwelle als die Kontrollen hatten. Dies könnte bedeuten, dass die Probanden aus der Kung-Fu-Trainingsgruppe besser adaptieren. Der Vergleich der Messdaten am M. masseter zum Zeitpunkt U1 und U2 bei den Kontrollen zeigt, dass die Schmerzreizschwelle sinkt und die Schmerzstärke sinkt, aber weniger ausgeprägt als bei den Probanden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Abhärtungstraining auch auf das trigeminale System Einfluss nimmt. Dauernder nozizeptiver (= physiologischer) Schmerzreiz führt möglicherweise auch im Hirnstamm zu einer Habituation. P5.3 Cross-Over Studien-Design zur Evaluierung oral applizierter Substanzen auf elektrisch induzierten Schmerz, Hyperalgesie und Axonreflex Flare M. Dusch1, B. Namer2, M. Strupf2, M. Schley1, R. Rukwied1, M. Schmelz1, W. Koppert3 1 Universitätsklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Medizinische Fakultät Mannheim Universität Heidelberg, 2 Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie Universität ErlangenNürnberg, 3 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Universität Erlangen-Nürnberg In vorangegangenen Studien konnte eine Verringerung der experimentell induzierten Hyperalgesie und des Schmerzes in Abhängigkeit der Untersuchungsdauer und des Untersuchungszeitraumes beobachtet werden. Ziel dieser Studie war die Etablierung eines neuen experimentellen Protokolls elektrisch induzierter Schmerzen und Hyperalgesie Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts zur Untersuchung oral applizierter Medikamente. Vierundzwanzig Probanden wurden in diese Placebo-kontrollierte, doppelblinde und im Cross-over Design randomisierte Studie aufgenommen und erhielten als Studienmedikation 2 g Paracetamol oral. Es wurde ein Schmerzmodell angewendet, das durch intradermal am Unterarm applizierte Strompulse (monophasische Rechteck-Impulse von 0,5 ms Dauer und einer Frequenz von 2 Hz mit wechselnder Polarität) sowohl Spontanschmerz als auch Hyperalgesie induziert. Die Stromstärke der Stimulation wurde während der ersten 15 Versuchsminuten solange stufenweise erhöht, bis ein Schmerzwert von 5 - 6 auf einer 11-PunkteSkala angegeben wurde (NRS 0: kein Schmerz; NRS 10: maximal tolerierbarer Schmerz). Danach wurde die Stromstärke für die 75minütige Gesamtdauer des Versuches konstant gehalten. Am ersten Versuchstag wurde jeweils dieses Schmerzmodell zweimal in einem Abstand von vier Stunden durchgeführt. Dabei diente die erste Untersuchung als Baseline-Session. Zwei Stunden vor der Untersuchungs-Session wurde die Studienmedikation appliziert. Nach einer einwöchigen Auswaschphase wurde dieses Protokoll wiederholt. Während der Experimente wurden die Intensität der Schmerzen im fünfminütigen Abstand, die Flächen der sekundären Hyperalgesie und des Axonreflexes im zwanzigminütigen Abstand bestimmt. Eine hohe Reproduzierbarkeit der Angabe von Schmerzintensität und des Axonreflex Flare wurde sowohl bei Messwiederholung am selben Tag (r=0.77 und r=0.79) als auch bei Messwiederholung mit einwöchigem Abstand (r=0.6 und r=0.71) beobachtet. Die ermittelten Flächen von Hyperalgesie und Allodynie korrelierten dagegen bei Messwiederholung am selben Tag in vierstündigem Abstand deutlich besser (r=0.8 und r=0.75) als im Vergleich zu den Messwiederholungen, die in einwöchigem Abstand durchgeführt wurden (r=0.54 und r=0.53). Wie bereits in früheren Studien berichtet konnten auf Schmerz (p=0.7, ANOVA) und Axonreflex Flare (p=0.96) keine signifikanten Effekte von Paracetamol im Vergleich zu Placebo beobachtet werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung demonstrieren, dass bei im Cross-over Design durchgeführten pharmakologischen Studien oral wirksamer Substanzen eine Baseline-Session, im Abstand von wenigen Stunden als interne Kontrolle vor der Untersuchungs-Session durchgeführt, zu einer erheblichen Validierung der erhobenen Parameter beiträgt. Dieses Protokoll stellt somit eine weitere Option zur verbesserten Einschätzung der Effektivität analgetisch wirksamer Substanzen auf Hyperalgesie und Schmerz dar. P5.4 Ist Kälteschmerztoleranz vererbt? T. Eberle, C. Depmeier, R. Rolke, C. Hansen, B. Rautenstrauss, D. Prawitt, W. Magerl, F. Birklein Department of Neurology, University Mainz; Department of Human Genetics, Friedrich-Alexander University of Erlangen; Department of Pediatric, University Mainz; Institute of Physiology, University Mainz; Department of Neurology, University Mainz In der folgenden Studie soll die Frage beantwortet werden, ob sich einzelne Familien bezüglich ihrer Kälteschmerzempfindlichkeit in einem experimentell erzeugten Schmerzmodell unterscheiden und ob sich ein möglicher Unterschied auf eine hereditäre Ursache zurückführen lässt. Die Studienpopulation wurde anhand der Ergebnisse eines Familienmitgliedes in die Gruppen „sehr empfindlich“ und „sehr unempfindlich“ eingeteilt. Aus insgesamt 232 gesunden Medizinstudenten wurden je 2 empfindliche und unempfindliche bezüglich der Kälteschmerztoleranz mit Hilfe des Eiswassertestes ausgewählt. Die Wassertemperatur betrug 1°C; die maximale Dauer der Kälteapplikation betrug 3 Minuten. Der Kälteschmerz wurde jede 10. Sekunde an einer 101 stufigen VRS gemessen. Anschließend wurden die Familienmitglieder untersucht. Neben dem Eiswassertest wurden die Pinprick-Schmerzschwelle, die Druckschmerzschwelle und die Hauttemperatur bestimmt. Darüber hinaus wurde mittels Fragebögen die Ängstlichkeit gegenüber Krankenhäusern sowie das Vorliegen einer Depression ermittelt. Bis auf 3 Personen wurde alle Probanden bezüglich des COMT-Polymorphismus untersucht.
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Mit Hilfe einer ANOVA konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse des Eiswassertestes der einzelnen Studenten bezüglich des Ratings (p<0,04) und der Zeit im Eiswasser (p<0,03) die Ergebnisse ihrer Familien vorhersagen konnten. Darüber hinaus zeigte sich, dass andere Schmermaße, wie die Schmerzschwelle für Nadelstiche (Pin Prick, p<0,002), sowie die Schmerzschwelle für stumpfen Druck (p<0,03) ebenfalls mit den Ergebnissen des Eiswassertestes korrelierten. Alle anderen Variablen, einschließlich des COMT-Polymorphismus, scheinen nicht mit der Kälteschmerztoleranz verbunden zu sein. P5.5 Einfluss von emotionalem Stress auf die Schmerzwahrnehmung in einem experimentellen Schmerzmodell M. Féchir, T. Schlereth, S. Kritzmann, M. Gamer, F. Birklein Neurologische Klinik; Psychologisches Institut Hintergrund: Studien über den Einfluss von Stress auf die Schmerzwahrnehmung bei Patienten haben bisher unterschiedliche Ergebnisse gezeigt. Je nach untersuchtem Patientenkollektiv und eingesetztem Stressreiz sind sowohl schmerzmindernde als auch schmerzverstärkende Effekte beschrieben. Unsere aktuelle Studie stellt ein experimentelles Modell vor, dass den Einfluss eines emotionalen Stressreizes auf die Schmerzwahrnehmung in einem tonischen Stromschmerzmodell an gesunden Probanden untersucht. Hierfür wurde der Farb-Wort-Interferenz-Tests (FWT) nach Stroop eingesetzt. Für diesen Stressreiz konnten wir in vorherigen Untersuchungen zeigen, dass hierdurch eine stabile, reproduzierbare Aktivierung des sympathischen Nervensystems hervorgerufen wird. Methoden: Nach Erreichen stabiler Schmerzratings wurde der FWT jeweils in einer interferenten und einer kongruenten (Farbe und Wort stimmen überein) Version präsentiert. Die Dauer betrug jeweils zwei Minuten, die Präsentation erfolgte in einer balancierten Reihenfolge. Die Probanden bewerteten den wahrgenommenen Schmerz auf einer visuellen Analogskala. Zur Registrierung der durch den Stressreiz induzierten Aktivierung des autonomen Nervensystems wurden Funktionsparameter (kardio-vaskuläre Parameter, emotionales Schwitzen, Hautleitfähigkeit, Katecholamine im Serum, EMG des M. trapezius) registriert. Ergebnisse: Die Schmerzwahrnehmung war direkt im Anschluss an den interferenten FWT signifikant geringer als vorher (3,1 vs 3,9 cm VAS; p < 0,01). Die kongruente Version des FWT führte zu keiner geringeren Schmerzwahrnehmung (3,5 vs 3,6 cm VAS; n.s.). Auf Ebene der sympathischen Aktivierung bewirkte der interferente FWT einen signifikant höheren systolischen Blutdruckanstieg (9 vs 4 mmHg; p < 0,05) sowie der Herzfrequenz (4/min vs 2/min; p < 0,01). Außerdem bewirkte der interferente FWT ein signifikant gesteigertes emotionales Schwitzen (AUC der kumulativen Schweißfreisetzung: 17 vs 8 V*s; p < 0,05). Schlussfolgerung: Unsere Daten zeigen, dass der Farb-Wort-Interferenz-Test als Stressreiz bei gesunden Probanden eine Reduktion der Schmerzwahrnehmung in einem experimentell induzierten elektrischen Stromschmerzmodell bewirkt. Die hieran beteiligten Mechanismen werden Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. P5.6 Differenzierung der analgetischen und antihyperalgetischen Effekte von Opioiden in einem experimentellen Schmerzmodell am Menschen J. Filitz, A. Tröster, A. Wehrfritz, H. Ihmsen, J. Schüttler, W. Koppert Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen Fragestellung: Opioide lassen sich nicht alleine durch ihre analgetischen Wirkungen charakterisieren, sondern auch durch ihre antihyperalgetischen Eigenschaften. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, Sensibilisierungsprozesse zu unterdrücken bzw. zu verhindern. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, analgetische und antihyperalgetische Wirkkomponenten von in der Anästhesie häufig eingesetzten Opioiden in einem experimentellen Schmerzmodell am Menschen [1,2] zu differenzieren.
Methodik: Nach Zustimmung durch die Ethikkommission wurden die Datensätze von 122 gesunden Probanden (Alter: 25,4 ± 8,3 Jahre) aus fünf Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien eingeschlossen. Eine transkutane elektrische Stimulation mit hoher Stromdichte (31,5 ± 18,0 mA) induzierte einen Spontanschmerz, der auf einen Wert von 5 - 6 auf einer Skala von 0 bis 10 (Numerische Rating-Skala; NRS, 0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz) eingeregelt wurde. Gleichzeitig wurden durch die elektrische Stimulation Sensibilisierungsprozesse initiiert, welche als Hyperalgesie auf mechanische Reizung imponierten („Pinprick-Hyperalgesie“). Schmerzwerte und Hyperalgesieareale wurden vor, während und nach intravenösen Infusionen von Morphin (0,15 µg•kg-1 in 10 Minuten), Fentanyl (1,5 μg•kg-1 in 10 Minuten), Sufentanil (0,15 μg•kg-1 in 10 Minuten), Alfentanil (20 μg•kg-1 in 2 Minuten), Remifentanil (0,1μg kg-1•min-1 in 30 Minuten) oder Buprenorphin (1,5 μg•kg-1 in 10 Minuten) über insgesamt 180 Minuten wiederholt bestimmt. Die unterschiedlichen Infusionsdauern wurden aufgrund der spezifischen Pharmakodynamik der verschiedenen Opioide so gewählt, dass ein maximaler analgetischer Effekt über einen vergleichbaren Zeitraum angenommen werden konnte. Mittels pharmakodynamischer und -kinetischer Modellbildung unter Verwendung von Datensätzen aus der Literatur wurden für alle Opioide Dosiswirkungskurven für den analgetischen und den antihyperalgetischen Effekt berechnet und die halbmaximalen Effektkonzentrationen (EC50) verglichen. Ergebnisse: Die experimentell ermittelten analgetischen Wirkstärken entsprachen den klinisch üblichen Annahmen über die relativen Potenzen der Opioide. Dagegen wiesen die einzelnen Substanzen antihyperalgetische Eigenschaften auf, deren halbmaximale Effektkonzentrationen entweder identisch mit der halbmaximalen Effektkonzentration für die analgetische Wirkung waren (z.B. Fentanyl: EC50Analgesie 1,00 ng/ml vs. EC50Antihyperalgesie 1,03 ng/ml; Alfentanil: EC50Analgesie 35,4 ng/ml vs. EC50Antihyperalgesie 30,9 ng/ml), oder aber auch deutlich darunter (z.B. Buprenorphin: EC50Analgesie 0,3 ng/ml vs. EC50Antihyperalgesie 0,11 ng/ml) oder darüber (Sufentanil: EC50Analgesie 0,07 ng/ml vs. EC50Antihyperalgesie 0,18 ng/ml). Morphin zeigte keine antihyperalgetischen Effekte. Schlussfolgerungen: Wir konnten mit der vorliegenden Arbeit erstmals eine vergleichende Differenzierung analgetischer und antihyperalgetischer Effekte der perioperativ eingesetzten Opioide vorstellen. Während die experimentell ermittelten analgetischen Wirkstärken weitgehend die klinisch üblichen Annahmen über die relativen Potenzen der Opioide reflektierten, zeigte sich ein signifikanter Unterschied in deren antihyperalgetischen Wirkstärken. Sollte sich die klinische Relevanz dieser Beobachtung bestätigen, könnte die Tatsache, dass Opioide in unterschiedlichem Maß Sensibilisierungsprozesse unterdrücken, zu einem differenzierteren Einsatz dieser Substanzgruppe führen. 1. Koppert W, Dern SK, Sittl R, Schüttler J, Schmelz M. A new model of electrically evoked pain and hyperalgesia in human skin. Anesthesiology 2001;95: 395-402. 2. Koppert W, Ihmsen H, Körber N, Wehrfritz A, Sittl R, Schmelz M, Schüttler J. Different profiles of buprenorphine-induced analgesia and antihyperalgesia in a human pain model. Pain 2005;118: 15-22. P5.7 Schmerzinduzierte kortikale Rhythmen: Eine neue Analysetechnik für die Klinische Forschung? M. Hauck, C. Nohn, A. K. Engel Institut für Neurophysiologie und Pathophysiologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Fragestellung: Elektro- (EEG) und Magnetoenzephalographie (MEG) sind nicht-invasive Untersuchungsmethoden, mit denen Schmerzverarbeitung im menschlichen Gehirn mit hoher zeitlicher und guter räumlicher Auflösung analysiert werden kann. Die klassische Untersuchung mit schmerzevozierten Potentialen hat erheblich zum Verständnis zentraler Schmerzverarbeitungsmechanismen beigetragen. Allerdings wird ein großer Teil der neuronalen Kommunikation inner-
halb des Kortex durch diese klassische Technik (der Mittelung) nicht erfasst. Dazu müssen Zeitfrequenzanalysen herangezogen werden und entsprechend analysiert werden. Methodik: Nach schmerzhafter Reizung durch Laser- und Elektroreizung am Menschen wurden mit Hilfe des Elektro- und Magnetenzephalogramms (EEG/MEG) schmerzinduzierte elektrophysiologische Daten erfasst. Diese wurden aus verschiedenen Studien akquiriert. Mit Hilfe von Zeitfrequenzdekomposition (Multitaperanalyse) auf Single Trial Ebene konnten diese Daten visualisiert und mit klassischen evozierten Feldern und Potentialen verglichen werden. Des Weiteren konnten Veränderungen in der Frequenzdomäne mit Hilfe des Beamformings kortikalen Arealen zugeordnet werden, welcher in ihrer Interaktions mit Hilfe der Kohärenzanalyse untersucht werden konnten. Resultate: Nach klassischer Analyse der evozierten Felder und Potentiale konnten die bekannten phasengelockten schmerzevozierten Generatoren registriert werden. Allerdings wurden mit Hilfe der Zeitfrequenzanalyse spätere schmerzinduzierte Aktivitäten mit Latenzen nach 300 ms sichtbar, die z.B. kognitiven Prozessen oder C-Faser Entzündungsschmerzaktivitäten zugeordnet werden konnten. Diese blieben durch den klassischen Analyseweg der Schmerzevozierten Potentiale unentdeckt. Des Weiteren konnte gezeigt werden wie die beteiligten kortikalen Schmerzareale interagieren. Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit Hilfe von Zeitfrequenzanalysen auf Single Trial Ebene Kortikale Prozesse sichtbar werden, die zuvor durch Mittelungstechniken der evozierten Potentiale oder Felder verborgen blieben. Hierzu gehören u.a. die Visualisierung von Entzündungsschmerz oder schmerzrelevanten Aufmerksamkeitsprozessen. Wir Schlussfolgern, dass Zeitfrequenzanalysen neurophysiologischer EEG und MEG Daten es ermöglichen, zentrale Schmerzprozesse detailliert zu untersuchen. Dies ermöglicht z.B. den Pathomechanismus chronischer Schmerzen oder die zentrale Wirkungsweise von Analgetika detailliert zu evaluieren. P5.8 Neural processing of cold-induced pain relief in heat allodynia (fMRI study) C. Mohr, C. Helmchen Universität Lübeck, Neurologische Klinik Background: Thermal (heat) allodynia or hyperalgesia is a core symptom of neuropathic pain syndromes resulting from sensitization of peripheral C-fiber afferents (primary hyperalgesia). Neural processing in the brain is distinctly different in capsaicin-induced thermal allodynia, when compared to perceptionally identical pain intensities elicited by thermal stimuli on normal skin. The goal of this study was to identify central neural mechanisms of pain relief from primary hyperalgesia by using thermal cooling. We hypothesized that apart from peripheral antiinflammatory mechanisms cooling might fascilitate endogenous descending inhibitory mechanisms. Methods: We directly compared intraindividual neuronal responses of 15 healthy right-handed, male volunteers (mean age 27.7 ± 6.2 years) to cold (20°, 0°C) and warm / heat stimuli (30°, 43°) on capsaicin (2.5%) sensitized vs. normal skin using event-related fMRI (2 x 4 factorial design). Thermal stimuli (Pelthier-element, Medoc TSA II) were applied at the back of the right hand in two separate imaging sessions. Psychophysical ratings were obtained after each stimulus to relate stimulus elicited activations to different perceptional qualities (painful, unpleasant and pleasant) and levels (visual analogue scale, VAS, 1-100). Results: Behavioral results revealed a decrease of heat pain threshold from 47.9 ± 0.4 °C on normal to 38.9 ± 0.4 °C on the sensitized skin. The 43° stimulus was perceived as excessively painful (79.8 ± 5.2) on the sensitized skin as opposed to a non-painful unpleasant sensation on the normal skin (37.4 ± 7.9). In contrast, the 0° stimulus was perceived as unpleasant when applied on the normal skin (61.2 ± 8.4) while subjects rated the same stimulus as highly pleasant in the capsaicin treated condition (53.4 ± 5.2). Common neural responses (irrespective of skin sensitization) for all thermal stimuli were found in the thalamus, with the largest activation peaks for the 0° and the 43° stimulus. Categorical Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts comparison of neural responses to the 43° stimulus between the normal and sensitized skin condition revealed activation in SI, SII, ACC, anterior insula, prefrontal cortex and cerebellar vermis consistent with previous fMRI studies on heat allodynia. Cooling (0°) of capsaicin-sensitized skin, compared to stimulation on normal skin, elicited prefrontal cortex and periaqueductal grey (PAG) activation, strongly correlated with the perception of pleasantness (VAS). Conclusion: We propose that cold-induced pain relief in primary hyperalgesia / allodynia not only results from peripheral antiinflammatory mechanisms but also from activation of endogenous descending inhibition of nociception. P5.9 Neuronale Korrelate schmerzhafter Hitzereizung bei gesunden Kontrollkindern und Kindern mit neonatalen Schmerzerfahrungen J. Hohmeister1, I. Wollgarten1, A. Kroll1, K. Zohsel1, S. Demirakça2, C. Hermann1,3 1 Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie an der Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, 2 Pädiatrische Intensivstation und pädiatrische Pulmologie, UniversitätsKinderklinik Mannheim, 3 Abteilung für Klinische Psychologie, Universität Leipzig Fragestellung: Das schmerzverarbeitende System ist zum Zeitpunkt der Geburt aufgrund anhaltender Reifung besonders anfällig für aktivitätsabhängige Modulation. Langfristige plastische Veränderungen in den Schmerzbahnen infolge neonataler Schmerzerfahrungen, z.B. aufgrund medizinischer Prozeduren auf Intensivstation, werden daher diskutiert. Bisherige Humanbefunde stützen sich in erster Linie auf Schmerzempfindlichkeitsmaße. Mit dieser Untersuchung sollten erstmals langfristige Veränderungen in der Hirnantwort auf Schmerzreize bei betroffenen Kindern untersucht werden. Dies ist zudem die erste Studie überhaupt, die die cerebrale Schmerzantwort bei Kindern untersucht. Angewandte Methodik: Untersucht wurden 9 früh- (≤ 31 SSW) und 9 reifgeborene (≥ 37 SSW) Kinder und Jugendliche (11-16 Jahre), die direkt nach der Geburt ≥ 7 Tage stationär, davon ≥ 3 Tage intensivmedizinisch, in der Universitäts-Kinderklinik Mannheim behandelt und retrospektiv über die Krankenakten rekrutiert worden waren. Die Kontrollgruppe umfasste 9 altersgleiche Kontrollprobanden ohne Krankenhausaufenthalt im ersten Lebensjahr. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie wurde die Hirnantwort auf tonischen Hitzeschmerz und nicht-schmerzhafte Wärme erfasst (je n = 6 Reize à 30 s, Reizort: Thenar). Die subjektive Reizintensität wurde von den Probanden während der Reizung auf einer visuellen Analogskala (0… gerade warm, 40…gerade schmerzhaft, 100…sehr starker Schmerz) eingeschätzt. Die objektiven Reizintensitäten wurden vorab individuell adjustiert; Kriterium war eine Intensitätseinschätzung zwischen 50 und 70 für die Schmerzreize und zwischen 10 und 30 für die Wärmereize. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die drei Gruppen unterschieden sich nicht signifikant hinsichtlich der objektiven Reizintensitäten. Bei den Kontrollkindern zeigte sich bei schmerzhafter Stimulation signifikante Aktivierung in S2, der Insel, im posteriorem Parietalkortex, im Cerebellum, im supplementär-motorischen Areal sowie in mehreren frontalen Regionen. Ein vergleichbares Aktivierungsmuster ergab sich für die reifgeborenen Kinder mit neonatalen Schmerzerfahrungen. Die Frühgeborenen zeigten ausgedehntere und/oder eine größere Anzahl signifikanter Aktivierungen in den genannten Region sowie zusätzliche Aktivierungen im Thalamus, S1, dem anterioren Cingulum, M1, den Basalganglien und dem periaquäduktalen Höhlengrau. Dieses Muster war nicht auf eine generell erhöhte zerebrale Aktivierung bei thermischer, nicht-schmerzhafter Stimulation zurückzuführen. Bei den frühgeborenen Kindern wurde außerdem eine signifikant geringere Habituation der subjektiv empfundenen Schmerzintensität über die sechs Schmerzreize hinweg beobachtet. Unsere Ergebnisse zeigen bei frühgeborenen Kindern mit neonatalen Schmerzerfahrungen erstmalig Veränderungen im Aktivierungsmuster der Schmerzmatrix bei tonischer Hitzeschmerzstimulation.
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P5.10 Experimentelle Untersuchung des Schmerzgedächtnisses – eine Capsaicin-Studie H. H. F. Jantsch, W. Magerl, M. Gawlitza, C. Geber, F. Birklein, R.-D. Treede, U. Baumgärtner, H. H. Krämer Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes-Gutenberg Universität Mainz. Neurologische Klinik, Johannes-Gutenberg Universität Mainz In dieser Studie wurde das Schmerzgedächtnis experimentell untersucht. Neun gesunden männlichen Probanden wurden drei verschiedene Dosen Capsaicin (0,05 µg, 1 µg und 20 µg) an drei unterschiedlichen Orten (Unterarme und Oberschenkel) intrakutan nach einem nach Dosis, Injektionsort und Ratingzeitpunkt balancierten Schema appliziert. Hierbei wurde das Schmerzrating zu jeder Injektion nur einmal erfragt – entweder während der Injektion oder nach einer Stunde oder nach einem Tag. Zusätzlich wurden eine Woche später alle drei erinnerten Ratings erhoben. Das Rating wurde auf einer VAS (visuellen Analogskala) mit dem Programm DapSys 3 aufgezeichnet. Hierbei sollten die Probanden mit Hilfe einer Maus ihr Rating auf einem Laptopbildschirm, der einen Balken mit der Beschriftung „kein Schmerz“ bei VAS 0 und „maximaler Schmerz“ bei VAS 10 zeigte, abgeben. Der Vergleich der Schmerzratings „während der Injektion“, „eine Stunde“ und „einen Tag“ später zeigte, dass die Probanden sich präzise an Dauer (ANOVA: F=295,75, p<<0,001) und Intensität (ANOVA: F=23,97, p<<0,001) der Schmerzen erinnern konnten. Der Zeitpunkt des Ratings scheint keine Rolle zu spielen (ANOVA: F=3,54, p>0,05). Unsere Untersuchungen belegen das Vorhandensein eines guten Erinnerungsvermögens für schmerzhafte Erfahrungen. P5.11 Elektrische Niederfrequenzstimulation induziert eine Langzeithemmung der sensorischen und affektiven Komponenten des Schmerzes bei gesunden Versuchspersonen S. Rottmann1,2, K. Jung1, J. Ellrich1,3 1 Neurochirurgische Klinik, Experimentelle Neurochirurgie, 2 Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, 3 Center for Sensory-Motor Interaction SMI, Department of Health Science and Technology, Aalborg University, Aalborg Fragestellung: Noxische elektrische Niederfrequenzstimulation (LFS) kutaner Afferenzen induziert eine Langzeithemmung (LTD) von Nozizeption und Schmerz beim Menschen. Ziel dieser Studie war die Erfassung des LFS-Effektes auf die sensorischen und affektiven Komponenten der Schmerzempfindung. Angewandte Methodik: Bei 20 gesunden Versuchspersonen (10 weiblich, 10 männlich; 22-31 Jahre) wurden mittels einer konzentrischen Elektrode kutane Aδ-Fasern des linken Handrückens elektrisch stimuliert. Die Intensität der Teststimulation (15 pro Serie, 0.125 Hz) und der konditionierenden Stimulation (LFS: 20 Min, 1 Hz, 1200 Pulse) betrug mit 2.5±0.2 mA das 9fache der Empfindungsschwelle und das 4fache der Schmerzschwelle. Die Testreizserien wurden im Abstand von acht Minuten wiederholt, drei Prä-Serien vor der LFS und drei Post-Serien nach der LFS. In einem Kontrollexperiment wurde keine LFS appliziert, sondern eine 20minütige Pause eingelegt. Die Versuchspersonen nahmen an beiden Experimenten teil, zehn begannen mit der LFS-Sitzung und zehn mit der Kontrollsitzung. Die Probanden wurden gebeten, nach jedem Testreiz zu beurteilen, wie intensiv (I) und unangenehm (U) dieser war (numerisches Rating: 0-100). Während der LFS wurden diese beiden Werte jede Minute erfragt. Nach jeder Testreizserie und während der LFS, nach zehn Minuten und am Ende, wurde ein SES-Fragebogen (Schmerzempfindungs-Skala, Geissner, 1996) ausgefüllt, der aus 19 sensorischen und 14 affektiven Items besteht (4: „trifft genau zu“ – 1: „trifft nicht zu“). Ergebnisse: Nach der LFS beurteilten die Probanden ihre Schmerzempfindung als weniger intensiv und unangenehm im Vergleich zu den Prä-LFS-Serien (I: 28.1 Ž 19.5 a.E.; U: 20.8 Ž 15.6 a.E.; p<0.05). Das Intensitätsrating blieb während der Kontrollsitzung konstant. Die unangenehme Empfindung ließ nach der Pause nach (p<0.05), die Re-
duktion nach der LFS war jedoch stärker (p<0.05). Der SES zeigte ausschließlich nach der LFS eine signifikante Abnahme der sensorischen (p<0.05) und affektiven (p<0.05) Komponenten bei einem Vergleich der Prä- und Post-Serien. Die sensorischen Items „brennend“, „stechend“, „ziehend“, „scharf “ und „einschießend“ und das affektive Item „heftig“ wurden nach der LFS geringer bewertet (p<0.05). Bei der Kontrollsitzung zeigte der SES auch bei den einzelnen Items keine Veränderung. Während der LFS nahmen die Intensität und das unangenehme Gefühl kontinuierlich ab. Die zweiten zehn Minuten der LFS wurden deutlich schwächer bewertet als die ersten zehn Minuten (I, U: p<0.001). Auch die sensorische (p<0.01) und affektive (p<0.05) Komponente des Schmerzes war während der zweiten Hälfte der LFS signifikant geringer ausgeprägt als während der ersten. Die sensorischen Items „reißend“, „stechend“ und „durchstoßend“ (p<0.05) und das affektive Item „heftig“ (p<0.01) wurden in der zweiten Hälfte der LFS geringer beurteilt. Schlussfolgerungen: Elektrische LFS induziert eine LTD der sensorischen und affektiven Komponenten des Schmerzes beim Menschen. Sowohl das numerische Rating als auch der SES-Fragebogen zeigen einen signifikanten Rückgang beider Komponenten. Auch während der LFS zeigt sich eine deutliche Verbesserung des Schmerzempfindens. Mit Hilfe dieses Schmerzfragebogens kann zukünftig der LTDEffekt bei wiederholter LFS an mehreren Tagen untersucht werden, um den Nutzen eines möglichen Einsatzes in der Therapie chronischer Schmerzpatienten beurteilen zu können. P5.12 Zerebrale Aktivierung nach Simulation einer Zahnarztbehandlung S. Said Yekta1,2, R. Vohn2, J. Ellrich1,3 1 Experimentelle Neurochirurgie, Neurochirurgische Klinik, RWTH Aachen, 2 Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung, RWTH Aachen, 3 Center for Sensory-Motor Interaction SMI, Department of Health Science and Technology, Aalborg University, Aalborg Einleitung: Viele Erwachsene meiden aus Angst vor Schmerzen dringend nötige Behandlungen beim Zahnarzt. Andere fühlen sich äußerst beklommen, sobald sie auf dem Behandlungsstuhl Platz genommen haben. Fast scheint es, als könne der bloße Gedanke an die bevorstehende Zahnbehandlung bereits Schmerzen auslösen. Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) ist ein bildgebendes Verfahren, welches die Darstellung der Hirnaktivität bei Schmerzen ermöglicht. Mittels dieses Verfahrens wurden nach noxischer elektrischer Stimulation der Zähne Aktivierungen im bilateralen primären und sekundären somatosensorischen Kortex, in der Insula, dem Gyrus cinguli, im motorischen und frontalen Kortex gemessen. Diese Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob auch ohne direkten Kontakt des Bohrers mit dem Zahn typische akustische und optische Sinneseindrücke der Behandlungssituation zentralnervöse Aktivierungen hervorrufen können, die der Aktivierung durch Zahnschmerzreize ähneln. Methodik: Zwanzig männliche Probanden nahmen in jeweils einer Sitzung an der fMRT-Studie teil. Für diese Studie wurde ein Box-car Design mit alternierenden Ruhe- (15 s) und Aktivierungsphasen (30 s) gewählt. Die gesamte Stimulationsdauer betrug 9 Minuten. Die Messung wurde mit folgenden Parametern in einem 3 Tesla MR-Scanner durchgeführt: Scans=200, TR=2800 ms, Voxelgröße=3x3x4 mm3, Schichtdicke=3.5 mm. Als Stimuli wurden in den Aktivierungsphasen zwei Filmausschnitte (Test- und Kontrollfilm) über eine Videobrille präsentiert. Der Testfilm präsentierte eine Zahnbehandlung im Bereich des rechten Unterkiefers. Dabei sahen die Probanden die behandelnde Hand, den Bohrer und hörten die dazu gehörenden Bohrergeräusche. Dieser Film sollte ihnen somit das Gefühl vermitteln, selbst behandelt zu werden. Der Kontrollfilm präsentierte eine Hand, welche eine elektrische Zahnbürste benutzte, und die dazu gehörenden Geräusche. Um zu untersuchen, ob die Umgebungsvariablen bei der Zahnbehandlung Schmerzen erzeugen, wurde das zerebrale Aktivierungsmuster während des Bohrerfilms mit dem Muster während der Betrachtung eines Kontrollfilms verglichen und ausgewertet. Für die Auswertung (Ran-
dom-effects-Analyse, p<0.001, unkorrigiert) wurde das Programm SPM 2 angewandt. Weiterhin wurde der erlebte Schmerz mittels der Schmerzempfindungsskala (SES), die eine differenzierte Beschreibung des affektiven und sensorischen Aspekts des Schmerzempfindens ermöglicht, erfasst. Ergebnisse: Der Vergleich des Aktivierungsmusters während des Bohrerfilms mit dem während des Kontrollfilms zeigte signifikant stärkere Aktivierungen in den Arealen des kontralateralen primären somatosensorischen Kortex, in der Insula, im Gyrus cinguli und im motorischen und frontalen Kortex bei Bohrersimulation. Das SES-Rating zeigte, dass der Bohrerfilm signifikant höhere sensorische und vor allem deutlich mehr affektive Empfindungen hervorrief als der Kontrollfilm. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sensorische und affektive Empfindungen auch ohne echte noxische Reize ausgelöst werden können. Die Aktivierung der für den Schmerz typischen Areale passt zu der Vorstellung, dass eine virtuelle Zahnbehandlung echte Schmerzen hervorrufen kann. Die fMRT-Untersuchungen sollen dazu dienen, die Schmerzverarbeitung und die verschiedenen Komponenten des Zahnschmerzes besser zu verstehen, damit unter Minimierung der Schmerzen eine Optimierung der Behandlungssituation ermöglicht werden kann. P5.13 Recognition of Prototypical Dynamic Expressions of Pain and Associated Physiological Responses D. Simon1,5,6, K. D. Craig2, F. Gosselin3, P. Belin4, W. H. R. Miltner5, P. Rainville6 1 Department of Clinical Psychology, Humboldt University of Berlin, 2 Department of Psychology, University of British Columbia, 3 Departement de Psychologie, Université de Montréal, 4 Department of Psychology, University of Glasgow, 5 Department of Biological and Clinical Psychology, FSU Jena, 6 Departement de Stomatologie, Université de Montréal The facial expression of pain has recently become an area of interest in functional neuroimaging. To date, there is a lack of appropriate stimulus material to explore the neurobiological processes underlying the perception of pain expression and its role in the regulation of social behavior. In order to substantially advance work in the field a set of one-second film clips displaying facial expressions of pain and the six basic emotions was developed. Study 1 directly compared the recognition and discrimination of these dynamical stimuli by naïve observers. Coding of facial muscle activity using the Facial Action Coding System confirmed the distinct configuration of pain and basic emotion expressions. Prototypical pain expressions were readily recognized and the discrimination with the basic emotions revealed high sensitivity and specificity. The data further suggests that, for comparable expression intensity, pain is perceived as most arousing and unpleasant, possibly reflecting its higher bio-psychosocial significance. Study 2 assessed physiological responses to pain, angry and neutral faces taken from this newly developed set of stimuli. ECG, EDA and facial EMG were recorded while subjects (n=24) performed a gender-discrimination task. Type and amount of physiological mobilization and facial mimicry in the observer were analyzed. P5.14 Veränderungen der grauen Hirnsubstanz in schmerzprozessierenden Strukturen bei Patienten mit somatoformer Schmerzstörung – eine voxelbasierte morphometrische (VBM) Studie M. Valet, H. Gündel, T. Sprenger, C. Sorg, M. Mühlau, T. R. Tölle Neurologie, Klinikum r.d. Isar, TU München, Psychiatrie, Klinikum r.d. Isar, TU München, Psychosomatik, Medizinische Hochschule Hannover Vor kurzem konnten strukturelle Veränderungen des Gehirns bei Patienten mit chronischer Schmerzerkrankung (Fibromyalgie) mit Hilfe der VBM nachgewiesen werden. Mit Hilfe dieser Technik haben wir nun Patienten mit einer psychosomatischen Erkrankung, der somatoformen Schmerzstörung, auf strukturelle Veränderungen der grauen Hirnsubstanz untersucht. Für diese Studie wurden 14 Frauen (Durchschnittsalter 51 Jahre) eingeschlossen, die die DSM-IV Kriterien einer somatoformen SchmerzDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts störung erfüllten und eine hohe affektive Bewertung der Schmerzen aufwiesen (auf der Schmerzempfindungsskala nach Geissner mind. 40 von 56 Punkten). Ausgeschlossen wurden Patienten, die die Diagnosekriterien einer Fibromyalgie erfüllten. Die somatoformen Symptome wurden mit Hilfe des SOMS-2 Fragebogen erfasst. Das Spektrum und Ausmaß psychiatrischer Komorbiditäten wurde mit einem strukturierten klinischen Interview (SKID-I) und mit Hilfe des Beck Depression Inventory (BDI) erfasst. 25 gesunde Frauen, angepasst an Alter (Durchschnitt: 52 Jahre), dienten als Kontrollen. Von allen Teilnehmern wurden hochaufgelöste Aufnahmen des Gehirns mit einer T1-gewichteten Sequenz auf einem 1.5 Tesla Siemens Symphony MRT angefertigt. Die voxelbasierte Morphometrie wurde mit Hilfe der Bildgebungssoftware SPM2 durchgeführt. Die Analyse wurde um Störeinflüsse wie Alter und Depression korrigiert, in dem diese Variablen als ‚covariates of no interest’ definiert wurden. In der Patientengruppe wurden signifikante Verluste (p<0.05 FDR korrigiert) der grauen Substanz im cingulären Kortex (anterior u. posterior), der anterioren Insel und im präfrontalen Kortex festgestellt. Wir hypothetisieren, dass diese strukturellen Änderungen einen pathophysiologischen Marker für die Erkrankung einer somatoformen Schmerzstörung darstellen und auf eine Beeinträchtigung von Hirnstrukturen hinweisen, die eine wichtige Rolle bei der Schmerzverarbeitung und -modulation spielen. P5.15 Determinants of thermal pain thresholds in normal subjects G. Wasner, J. A. Brock Prince of Wales Medical Research Institute, University of New South Wales, Randwick, Sydney, NSW, Australia Division of Neurological Pain Research and Therapy, Department of Neurology, University Clinic Kiel Measurement of thermal pain thresholds is an essential part of quantitative sensory testing (QST). However, databases of QST show limited sensitivity due to large inter-individual variations including unreasonably low thresholds for thermal pain, lack of data on reproducibility between trials and lack of data on the quality of perception at pain thresholds. In the present study, thermal pain thresholds were investigated in 20 healthy subjects over three weeks using two modified protocols that included determining ratings of pain and temperature perception at the cold and heat pain thresholds. The results showed a) large inter-individual variations including very low thermal pain thresholds that were not influenced by making the subjects familiar with the range of applied temperatures beforehand, b) good reproducibility of thermal pain thresholds in any individual and c) the usefulness of subjective ratings of pain and temperature at threshold for evaluating mechanisms of thermal pain. P5.16 Schmerzempfindlichkeit bei Kindern mit Verbrühungen im frühen Kleinkindalter I. Wollgarten-Hadamek1, J. Hohmeister1, K. Zohsel1, S. Demirakça2, I. Jester3, C. Hermann1,4 1 Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie, RuprechtKarls-Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, 2 Pädiatrische Intensivstation und pädiatrische Pulmologie, Universitäts-Kinderklinik Mannheim, 3 Kinderchirurgische Klinik und pädiatrische Pulmologie, Universitätsklinikum Mannheim, 4 Abteilung für Klinische Psychologie, Universität Leipzig Fragestellung: Verbrühungen und Verbrennungen stellen im Kleinkindalter eine der häufigsten Unfallursachen dar und gehen mit massiven, traumatischen Schmerzerfahrungen einher. In dieser Studie soll untersucht werden, ob Schmerzerfahrungen im frühen Kleinkindalter zu langfristigen Veränderungen der Schmerzempfindlichkeit führen. Diese Frage ist insbesondere vor dem Hintergrund experimenteller Studien relevant, die Veränderungen in der Schmerzempfindlichkeit bei Kindern und Jugendlichen mit neonatalen Schmerzerfahrungen nachweisen konnten. Angewandte Methodik: An der Untersuchung nahmen 48 reifgeborene Kinder im Alter von 9 bis 16 Jahren teil. Die Kinder wurden alle zwi-
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schen dem 6. und 24. Lebensmonat auf Grund einer Verbrühung oder Verbrennung in der Universitäts-Kinderklinik Mannheim stationär behandelt. 24 Kinder wiesen zweit- und drittgradige Verbrühungen mit einer betroffenen Körperoberfläche (KOF) ≥ 10% auf. Die anderen 24 Kinder wiesen mittelstarke, überwiegend erst- und zweitgradige Verbrühungen mit einer betroffenen KOF < 10% auf. Als Kontrollgruppe wurden 24 reifgeborene Kinder ohne Krankenhauserfahrungen in den ersten 6 Lebensmonaten und ohne ein derzeitiges Schmerzproblem untersucht. Erhoben wurden Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen für thermische (Wärme) und mechanische Reize. Zusätzlich wurde die Sensibilisierung bei tonischer Hitzereizung und bei repetitiver mechanischer Stimulation bestimmt. Messorte waren der Thenar und die Wangenregion (R. Maxillaris des N. Trigeminus). Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Vorläufigen Analysen zufolge berichteten ca. 40% der Kinder mit schweren Verbrühungen und 20% der Kinder mit mittelschweren Verbrühungen/Verbrennungen über regelmäßige Schmerzepisoden. In der Wärmewahrnehmung und den Hitzeschmerzschwellen zeigten sich keine Gruppenunterschiede. Die Kinder mit den schweren Verbrühungen sensibilisierten jedoch bei der tonischen Hitzereizung am Thenar signifikant stärker als die Kontrollkinder und die Kinder mit den mittelstarken Verbrühungen/Verbrennungen. Hinsichtlich der mechanischen Reize zeigten die Kinder mit den mittelstarken Verbrühungen/Verbrennungen deutlich erhöhte Wahrnehmungschwellen am Thenar und wiesen an beiden Messorten deutlich erniedrigte Schmerzschwellen und erhöhte mechanische Sensibilisierung auf. Wie weitere Analysen zeigten, erklärt sich dieser Effekt nicht durch die aktuellen Schmerzbeschwerden. Diese Ergebnisse legen nahe, dass auch Schmerzerfahrungen im frühen Kleinkindalter langfristige Veränderungen in der Schmerzverarbeitung zur Folge haben können. P5.17 Schmerzsensitivität und Mutterverhalten bei Kindern mit rezidivierenden Bauchschmerzen während eines Kaltwassertests K. Zohsel1, J. Hohmeister1, I. Wollgarten-Hadamek1, C. Hermann1,2 1 Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie, RuprechtKarls-Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, 2 Abteilung für Klinische Psychologie, Universität Leipzig Fragestellung: Rezidivierende Bauchschmerzen stellen eine der häufigsten Schmerzbeschwerden im Vorschul- und Schulalter dar. Mit einem Fortbestehen der Symptomatik in ca. 50% der Fälle bis ins Erwachsenenalter weisen sie eine relativ schlechte Langzeitprognose auf. Zumeist finden sich keine organischen Auffälligkeiten, die Ätiologie ist weitgehend unklar. Als mögliche Faktoren werden eine erhöhte Schmerzsensitivität sowie die operante Verstärkung von Schmerzverhalten, z. B. durch die Eltern, diskutiert. Ziel dieser Studie war es, die Schmerzsensitivität von Kindern mit rezidivierenden Bauchschmerzen sowie gesunden Vergleichskindern während eines Kaltwassertests zu untersuchen. Zusätzlich wurde die Anwesenheit der Mutter variiert und das Mutterverhalten während des Kaltwassertests erfasst. Angewandte Methodik: 23 Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen und 24 gesunde Vergleichskinder im Alter von 8 bis 15 Jahren nahmen zweimal an einem Kaltwassertest teil. Dabei sollten sie ihren Unterarm möglichst lange in 10°C kaltes Wasser eintauchen (max. Dauer: 5 Minuten). Der Kaltwassertest wurde einmal in Ab- und einmal in Anwesenheit der Mutter durchgeführt, die Reihenfolge war über die Teilnehmer hinweg ausbalanciert. Vor dem Eintauchen wurden Aufregung und erwarteter Schmerz und während der Eintauchphase mehrmals die aktuelle Schmerzintensität auf einer Visuellen Analogskala eingeschätzt. Außerdem wurden Schmerz- und Toleranzschwellen erhoben. Verbale Äußerungen der Mutter während das Kaltwassertests wurden mittels eines etablierten Kategoriensystems („Child-Adult Medical Procedure Interaction Scale-Revised“, CAMPIS-R, Blount et al., 1990) analysiert. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Vor dem Kaltwassertest waren die Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen signifikant aufgeregter als die Vergleichskinder. In Anwesenheit ihrer Mütter erwarteten sie eine im Vergleich zu den gesunden Kindern erhöhte Schmerzintensität in der Eintauchphase. War die Mutter nicht anwesend, so war die erwartete
Schmerzintensität in beiden Gruppen vergleichbar. Außerdem hatten die Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen in Anwesenheit ihrer Mütter niedrigere Schmerzschwellen als in ihrer Abwesenheit. Schmerztoleranz, eingeschätzte Schmerzintensität sowie die verbalen Äußerungen der Mutter unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen. Insgesamt unterstützen die Befunde einer erhöhten Schmerzerwartung sowie einer niedrigeren Schmerzschwelle der Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen in Anwesenheit ihrer Mütter eine mögliche Rolle operanter Faktoren bei der Aufrechterhaltung der Schmerzsymptomatik. Belege für eine grundsätzlich erhöhte Schmerzsensitivität bei Kindern mit rezidivierenden Bauchschmerzen fanden sich nicht.
P6 Experimentelle Schmerzmodelle II (Tiermodelle) P6.1 Intact and regenerating cutaneous afferent fibers show two types of cold-sensitivity N. Gorodetskaya, L. Großmann, A. Teliban, R. Baron, W. Jänig Physiologisches Institut und Sektion Neurologische Schmerzforschung und Therapie, Klinik für Neurologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Pavlov Institute of Physiology of the Russian Academy of Sciences, St. Petersburg, Russia Hairy skin of the rat is innervated by various types of primary afferent neurons. Cold sensitivity is mediated by small diameter myelinated fibers (low representation) or by unmyelinated primary afferent fibers (Leem et al 1993). Their cold sensitivity can be an unique property or combined with mechano- and/or heat sensitivity (Kress et al 1992; Leem et al 1993). Recently we have shown that following a lesion of cutaneous (sural) nerve many of regenerating nerve fibers not only exhibit spontaneous activity but are also responsive to thermal (both cold and/or heat) and mechanical stimuli applied to their path of regeneration in the nerve. Using an electrophysiological approach in vivo in the rat, we investigated the functional properties of intact as well as lesioned and regenerating cold sensitive afferents in the sural nerve. Intact sural afferent nerve fibers. Cold sensitivity is represented by two functionally distinct types of fibers with little or no overlap (called here type 1 or type 2 cold-sensitivity). Most afferents with type 1 cold sensitivity have a high rate of ongoing activity (4.9±0.7 imp/s) at a skin temperature of 28°C, exhibit strong and graded responses to cooling, have low activation thresholds (from 15 to 28°C), are inhibited by heat stimuli and have almost no mechano- and/or heat sensitivity. Many of these afferents respond to small changes (< 1°C) of skin temperature. Most of them are unmyelinated; a few are thin myelinated fibers. Type 2 cold sensitivity is present only in C-fibers. These fibers have no ongoing activity at a skin temperature of 28°C. Their activation thresholds are high and never exceed 10°C; the maximal discharge rate during activation to maximal cooling is low. Most of them are additionally activated by strong mechanical and/or heat stimuli. Regenerating sural afferent nerve fibers. These fibers were studied 7 to 14 days after nerve crush. Forty-six per cent of the afferent C-fibers exhibiting ectopic activity are cold sensitive. Their receptive fields are distributed along the path of their regeneration. As is the case with the intact afferent fibers the cold sensitivity could be classified into two functional types which were equally represented. Afferent fibers with type 1 cold sensitivity have a high rate of ongoing activity (3.5±0.6 imp/ s) at a nerve temperature of 28 °C, show graded responses to cooling with maximal discharge rates of 11.5±1.1 imp/s, are mostly inhibited by warm and do not respond to mechanical stimulation. Half of the Cfibers with type 1 sensitivity are additionally excited by heat stimuli of high intensity. C-fibers with type 2 cold sensitivity are silent or exhibit low rate ongoing activity. They show graded responses and have high activation thresholds (9.4±1.2 °C) with low maximal discharge rates (2.4±0.4 imp/s) to cold stimulation. Most afferents with type 2 cold sensitivity are excited by heat and mechanical stimulation. In conclusion, both lesioned and intact afferent nerve fibers have at least two transduction mechanisms underlying cold-sensitivity. These two types of cold sensitivity are present in lesioned afferent neurons
over long time period after nerve injury (at least 15 months) and may contribute to central sensitization and cold hyperalgesia/allodynia which is a symptom of many painful neuropathies. These two types of ectopic cold sensitivity could be possibly differentially modulated by pharmacological interventions. P6.2 Thermo- and mechanosensitivity of afferent fibers in the rat sural nerve before and after acute transection N. Gorodetskaya, L. Großmann, R. Baron, W. Jänig Physiologisches Institut und Sektion Neurologische Schmerzforschung und Therapie, Klinik für Neurologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Pavlov Institute of Physiology of the Russian Academy of Sciences, St. Petersburg, Russia After lesion of a cutaneous nerve many afferent A- and C-fibers can be activated by mechanical and/or thermal stimulation of the nerve lesion site. The fraction of lesioned C-fibers being activated by physiological stimuli is about 20% when they terminate in a neuroma (Michaelis et al. 1999) and 30-50% when they regenerate in the nerve distal to the lesion site but have not reached the skin yet (Gorodetskaya et al. 2003, Großmann et al. 2007). Using an electrophysiological recording from single nerve fibers in vivo in the rat, we investigated the hypothesis whether cutaneous myelinated or unmyelinated afferents activated by mechanical, heat and/or cold stimuli applied to the skin retain their responsiveness to these stimuli applied to the sural nerve after acute transection. Results: The responses to mechanical, cold and heat stimuli were recorded before and after section of the sural nerve in 25 myelinated (A-) fibers and 37 unmyelinated (C-) fibers. 1. Twenty-four of the A-fibers were activated by mechanical stimuli applied to the skin but not by mechanical stimulation of the nerve. After transection only 1/24 mechanosensitive A-fibers could be activated by mechanical stimulation of the lesion site of the nerve but not from the nerve. 2. Five out of 6 of the cold-sensitive A-afferents (2 of them also being mechanosensitive) could be activated by cold stimuli applied to the sural nerve before as well as after nerve transection. 3. Two out of 3 heat-sensitive A-fiber (all of them also being mechanosensitive) could be activated from the lesion site but not from the nerve. 4. Six out of 24 C-fibers sensitive to mechanical stimulation of the skin could be activated by mechanical stimulation of the lesion site of the nerve after transection but not by mechanical stimulation of the nerve before nerve transection or proximal to the site of nerve transection. 5. All 20 C-afferents activated by cooling of the skin were responsive to cold stimuli applied to the lesion site of the nerve. Fifteen of these 20 cold-sensitive C-fibers were additionally activated by cold stimuli applied to the nerve before nerve transection as well as and/or after nerve transection. 6. Fifteen out of 20 C-afferents activated by cutaneous heat stimuli were activated by heat stimuli applied to the lesion site of the sural nerve. Fourteen of these 20 heat-sensitive C-fibers were activated by heat stimuli applied to the nerve before and/or after nerve transection Conclusions: (1) Cold- and heat-sensitivity are not only restricted to the receptive terminals in the skin but extend over the axons along the nerve. Both types of thermosensitivity are preserved acutely after transection of the nerve in most thermosensitive afferent nerve fibers. (2) Mechanosensitivity is restricted to the receptive endings in the skin and in few afferents to the nerve lesion site acutely after nerve transection. (3) The patterns of responses to mechanical, cold and heat stimuli are preserved after nerve transection. P6.3 Sind spinale Mikrogliazellen an der Entstehung chronischer Muskelschmerzen beteiligt? Eine Verhaltensstudie an Ratten M. Chacur, U. Hoheisel, S. Mense Institut für Anatomie und Zellbiologie, Universität Heidelberg Fragestellung: In letzter Zeit vermehren sich die Hinweise, dass bei der Entstehung chronischer Schmerzen nicht nur Neurone, sondern auch spinale Gliazellen eine entscheidende Rolle spielen. Die vorliegende Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Studie untersucht im Verhaltensexperiment inwieweit Mikrogliazellen an der Entstehung chronischer Muskelschmerzen beteiligt sind. Methodik: Bei Ratten wurde im linken Gastrocnemius-soleus (GS) Muskel durch Injektion von Komplettem Freunds Adjuvans eine chronische Entzündung ausgelöst. Vor bzw. 1, 3, 6 und 12 Tage nach dem Setzen der Entzündung wurde bei den Tieren mit einem elektronischen Algesiometer die mechanische Schmerzschwelle bestimmt und die spontane Bewegungsaktivität in einem Explorationstest ermittelt. Durch einen chronisch implantierten Katheter, der an eine osmotische Minipumpe (Alzet) angeschlossen war, wurden über die gesamte Versuchsdauer 100 µg oder 200 µg Minocyclin pro Tag intrathekal appliziert. Minocyclin gilt als spezifischer Blocker von Mikrogliazellen. Als Kontrollpopulation dienten 1. Tiere mit chronisch implantiertem Katheter und Vehikelapplikation sowie 2. Tiere ohne jeglichen Eingriff. Je Versuchsgruppe wurden mindestens 5 Tiere untersucht. Ergebnisse: Ein Tag nach dem Setzen der Entzündung war die Schmerzschwelle bei mechanischer Testung des entzündeten Muskels signifikant (P < 0,05) reduziert. Die reduzierte Schwelle bestand über die gesamte Beobachtungszeit von 12 Tagen. Die Myositistiere zeigten bei Testung des kontralateralen intakten Muskels keine gesenkte Druckschmerzschwelle. Im Vergleich zu Kontrolltieren wiesen alle Myositistiere eine signifikant niedrigere Bewegungsaktivität auf (P < 0,05). Intrathekale Applikation von Minocyclin reduzierte dosisabhängig alle Myositis-induzierten Verhaltensänderungen. Der MinocyclinEffekt setzte ein Tag nach der Entzündungsauslösung ein, zeigte aber die deutlichste Ausprägung erst nach 6 bis 12 Tagen. Schlussfolgerung: Die tierexperimentellen Befunde deuten darauf hin, dass an der Entstehung chronischer Muskelschmerzen auf Rückenmarkebene nicht nur neuronale Prozesse, sondern auch Einflüsse von Mikrogliazellen beteiligt sind. P6.4 Effects of carrageenan-induced inflammation on pain behavior, FosB expression and glia cell activation in Lewis- and Fischer rats P.-E. Juif, F. Anton, U. Hanesch Department of Neurophysiology & Psychobiology, University of Luxembourg, Luxembourg Introduction: Clinical studies have shown that many patients suffering from functional pain syndromes are characterized by a reduced adrenocortical reactivity. This may result in a disinhibition of the secretion of inflammatory mediators e.g. by immunocompetent or glia cells, which in turn may lead to an ongoing sensitization of nociceptive neurons and hence to an enhanced pain sensitivity. To examine the role of the hypothalamic-pituitary-adrenal (HPA) axis on inflammatory pain we used the comparison between the two rat inbred strains, Lewis (LEW) and Fischer 344 (FIS), that display genetically determined differential reactivities of the HPA-axis. Whereas FIS rats are characterized by a raised HPA axis activity, elevated corticosterone levels, and a decreased susceptibility for the development of chronic inflammation, the HPA axis of LEW rats is hyporesponsive to stressors, the animals show reduced corticosterone levels and a higher susceptibility to inflammatory stimuli. The aim of this study was to investigate strain-related differences in the inflammatory response to carrageenan (model of sub-chronic hind paw inflammation), the onset and maintenance of thermal hyperalgesia and mechanical allodynia and the activation of neurons (marker: FosB) and glia cells (marker: GFAP for astrocytes, OX-42 for microglia) in the spinal cord. Methods: Seven male Lewis and six male Fischer 344 rats were used in this study. On three consecutive days the paw volume and baseline pain thresholds for thermal (Hargreaves radiant heat test) and mechanical (von Frey monofilament test) stimuli were assessed. On the test day (day 0) rats received an intraplantar injection of 2.7% carrageenan into the left hind paw and an injection of 0.9% saline into the right hind paw. Paw volume and pain thresholds were taken on day 1, 2, 4, and 7. On day 7 post inoculation the animals were anaesthetized and perfused intracardially using Zamboni’s fixative. The spinal cord levels L5
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and L6 were removed, postfixed and cut on a cryostat. Sections were stained immunohistochemically for FosB, GFAP, and OX-42. FosB immunopositive neurons were counted in the right and left dorsal horn. The density of GFAP- and OX-42-immunostaining was measured using an image analysis system (AxioVision). Results: The injection of carrageenan into the left hind paw of LEW and FIS rats resulted in a significant increase of the paw volume. FIS rats showed a higher reaction on day 1 but a quicker recovery up to day 7 compared to LEW. The pain thresholds for thermal stimuli expressed as paw withdrawal latency (PWL) dropped down from 17.3 ± 0.4 s (mean ± s.d.) pre inflammation to 5.5 ± 1.5 s on day 1 and recovered to 13.1 s ± 2.8 on day 7 for FIS. In LEW rats the basal PWL of 13.2 ± 0.9 s was reduced to 2.8 ± 0.5 s on day 1 and recovered to 7.5 ± 0.6 s on day 7. Comparing the% change in both strains it can be shown that FIS rats are more sensitive to thermal stimuli on day 1 but less sensitive on day 7 than LEW. In the von Frey test the basal threshold was 152.5 ± 11.9 mN for FIS and 149.8 ± 12.6 mN for LEW. It was significantly reduced to 14.5 ± 3.2 mN and 14.5 ± 2.8 resp. on day 1 post inoculation. The recovery was similar in FIS and LEW and resulted in an increase of the threshold to 91.8 ± 8.3 and 85.5 ± 14.7 mN resp. on day 7. The inflammatory stimulus significantly enhanced the number of cells expressing FosB in L5 and L6 of the left dorsal horn in LEW (from 47.7 ± 4.9 to 90.8 ± 4.6 per section) and FIS (from 41.7 ± 3 to 88.6 ± 3.9 per section). The inter-strain comparison (% increase) revealed that a higher percentage of cells are activated in FIS rats. Additionally, glia cell activation was seen in L5 and L6 of the left dorsal horn in both strains. The staining density for GFAP as well as for OX-42 was higher on the inflamed side. This was more pronounced in LEW rats. Conclusions: The present results suggest a biphasic role of the HPA axis in pain behavior and spinal cell activation associated with carrageenaninduced sub-chronic hindpaw inflammation. In the acute stage (day 1) of inflammation the hind paw swelling was greater in FIS rats compared to LEW and this was reflected by a higher thermal hyperalgesia and a higher activation of afferent neurons leading to an enhanced expression of FosB in dorsal horn cells. This might be explained by an activating effect of corticosteroids on neutrophil function. In sub-chronic stages the immunosuppressive actions of corticosteroids may take effect and lead to a quicker recovery of paw volume and thermal pain sensitivity in FIS rats that have increased basal and stress-activated glucocorticoid levels when compared to LEW rats. Consequently, a lower glia cell activation in the spinal cord, which is believed to start not earlier than 12 -24 h after the onset of an inflammation, was seen in FIS rats. P6.5 Zelluläre Wirkungen von Amitriptylin auf oberflächliche Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks neuropathischer Ratten T. Jäger, D. Schoffnegger, J. Sandkühler Abteilung für Neurophysiologie, Zentrum für Hirnforschung, Medizinische Universität Wien Neuropathische Schmerzen können erfolgreich mit dem trizyklischen Antidepressivum Amitriptylin behandelt werden. Jedoch sind die analgetischen Wirkmechanismen dieser Substanz kaum aufgeklärt. Wir haben in naiven und in neuropathischen Ratten die Wirkungen von Amitriptylin auf Neurone in Lamina I/II des Rückenmarks untersucht. Diese Neurone spielen eine bedeutende Rolle bei neuropathischem Schmerz. Es wurden in Rückenmark-Schnittpräparaten von 18-25 bzw. 40–45 Tage alten Ratten whole-cell patch-clamp Ableitungen sowie Kalzium-Imaging an Lamina I/II Neuronen durchgeführt (Methoden siehe Science 312, 2006, 1659-62). Amitriptylin wurde in Konzentrationen von 1 µM, 10 µM und 100 µM der Badlösung zugeführt. Es wurden Neurone von Kontrolltieren und Tieren mit Neuropathie, ausgelöst mit Hilfe des SNI-Modells, miteinander verglichen. Amitriptylin blockierte in den Neuronen des Rückenmarks sowohl von Kontrolltieren als auch von neuropathischen Tieren dosisabhängig die Generierung von schnellen, Natriumkanal-vermittelten Aktionspotentialen. In der Amitriptylin-Konzentration von 100 µM änderte sich das Entladungsmuster der Neurone: die Dauer der Erregung auf einen
konstanten Reiz nahm ab, die Neurone zeigten ein schnelleres Adaptationsverhalten. Tonisch feuernde Neurone änderten unter Amitriptylin ihr Entladungsmuster in eine kurz dauernde Entladungssalve, andere Neurone generierten nur noch am Anfang eines Reizes einzelne Aktionspotentiale. Dieser Effekt war von der Höhe des Membranpotentials abhängig, bei negativeren Potentialen war der Substanzeffekt weniger stark ausgeprägt. In einer Konzentration von 100 µM führte Amitriptylin zu einer direkten Depolarisierung von Lamina I/II Neuronen um bis zu 12 mV. Unterschiede zwischen Neuronen von naiven und von neuropathischen Tieren bzw. eine Altersabhängigkeit der Effekte zwischen juvenilen, 18-25 Tage alten und adulten, 40-45 Tage alten Ratten wurden nicht beobachtet. Amitriptylin hatte in naiven Tieren keine Wirkung auf die basale Kalziumkonzentration der Lamina I/II Neurone. Die durch Erregung von C-Fasern evozierten Kalziumtransienten wurden dosisabhängig durch Amitriptylin reduziert. Von den bisher gefundenen zellulären Effekten von Amitriptylin auf Membran- und Entladungseigenschaften sowie Kalziumsignale nozizeptiver Neurone im Rückenmark könnte das schnellere Adaptationsverhalten nozizeptiver Neurone eine Rolle bei der analgetischen Wirkung spielen. P6.6 Ectopic discharges of lesioned muscle afferent fibers: an electrophysiological study I. Kirillova, V. Rausch, J. Tode, N. Gorodetskaya, R. Baron, W. Jänig Physiologisches Institut und Sektion Neurologische Schmerzforschung und Therapie, Klinik für Neurologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Mechanical, metabolic or viral lesions of peripheral nerves followed by degeneration and regeneration of afferent nerve fibers can lead to neuropathic pain. Ectopic impulses in the injured myelinated and unmyelinated afferents occurring spontaneously as well as being evoked by mechanical or thermal stimulation are considered to be crucial for the development of this pain. The goals of this study were to investigate the ectopic discharge characteristics of lesioned myelinated and unmyelinated muscle afferents within 1 – 13 hours (time period 1) and 4-7 days (time period 2) after crush injury of the gastrocnemius-soleus nerve and compare these results with those obtained on lesioned cutaneous afferents. Time period 1 (1-13 hours after crush lesion). (1) Twelve out of 363 electrically identified A-fibers developed at least one type of ectopic activity. Seven were mechanosensitive only. Five fibers were spontaneously active, one each responding additionally either to cold or to heat stimulation. (2) Fifty-six out of 125 electrically identified C-fibers developed ectopic activity (45%). Thirty-eight C-fibers were spontaneously active (30%; rate ranged from 0,1 to 7 imp/s (median 0,43, mean 0,95 imp/s)). The majority of these spontaneously active C-fibers (31/35; 89%) responded to mechanical and/or thermal stimulation. Mechanosensitivity was observed in 38/125 of C-fibers (30%). Thermal sensitivity was observed in 29/125 of C-fibers (23%). Most (27/29) of these thermosensitive C-fibers were activated by heating, only 2 fibers by cooling and 2 by both heating and cooling stimulation. Time period 2 (4 - 7 days after crush lesion). (1) Forty-one out of 98 electrically identified A-fibers (42%) developed at least one type of ectopic activity. 22/41 A-fibers were spontaneously active (rate ranged from 0,09 to 89 imp/s (median 12,88, mean 15,73)), 7 of them being spontaneously active only and the remaining A-fibers being either mechano- or thermosensitive. 10/41 A-fibers were mechanosensitive only, 19/41 A-fibers mechano- and cold-sensitive, and 5/41 A-fibers mechano-, cold- and heat-sensitive. (2) Thirty-seven out of 67 electrically identified C-fibers exhibited ectopic activity (55%). 13/37 C-fibers were spontaneously active (rate ranged from 0,28 to 1,95 imp/s (median 0,16, mean 0,35)), all of them being heat-sensitive. 22 C-fibers were mechanosensitive, 18 of them being additionally either cold-sensitive or both cold- and heat-sensitive. 22 C-fibers were heat-sensitive, 11 of them being additionally either mechanosensitive or both mechano- and cold-sensitive. 16 C-fibers were cold-sensitive, 13 of them being additionally either mechanosensitive or both mechanosensitive and heat-sensitive.
Conclusions. (1) In time period 1, the proportion of A-fibers developing ectopic activity after nerve lesion is significantly higher in skin nerve than in muscle nerve, whereas the proportion of C-fibers with ectopic activity is significantly higher in muscle nerve than in skin nerve (Michaelis et al J Neurophysiol Vol. 74, ¹ 3, 1995; Neuroscience Vol. 94, ¹. 1, 1999). (2) In time period 2, the proportion of C-fibers developing ectopic activity is significantly higher in muscle nerve than in skin nerve (in particular in view of the fact that 45% of muscle C-fibers are postganglionic!), whereas the proportion of A-fibers with ectopic activity is similar in muscle and skin nerve (Gorodetskaya et al Eur J Neurosci Vol. 18, 2003). (3) Many A- and C-fibers innervating skeletal muscle lacking normally cold-sensitivity develop cold-sensitivity 5-7 days after crush lesion. P6.7 Myositis-bedingte Aktivierung von Mikrogliazellen im spinalen Hinterhorn der Ratte D. Lambertz, U. Hoheisel, S. Mense Institut für Anatomie und Zellbiologie, Universität Heidelberg Fragestellung: Tierexperimentelle Befunde deuten darauf hin, dass periphere chronische Läsionen im Rückenmark eine Aktivierung von Gliazellen als Ausdruck einer Neuroinflammation auslösen. Die vorliegende Untersuchung prüft mit immunhistochemischer Technik ob neuroinflammatorische Veränderungen an Mikrogliazellen durch eine chronische Muskelentzündung hervorgerufen werden. Methodik: Bei 5 Ratten wurde im linken Gastrocnemius-soleus (GS) Muskel durch Injektion von Komplettem Freunds Adjuvans eine chronische Entzündung ausgelöst. 12 Tage nach der Injektion wurden die Tiere perfusionsfixiert und die Mikroglia über OX-42 immunhistochemisch in Querschnitten des lumbalen Rückenmarksegments L4 dargestellt (Cy2-Immunfluoreszenz). OX-42 gilt als spezifischer Marker von spinalen Mikrogliazellen. Untersucht wurden Bereiche des oberflächlichen Hinterhorns (Laminae I und II) und des tiefen Hinterhorns (Laminae IV, V und VI). Die Auswertung der Immunreaktivität erfolgte mit quantitativer Bildanalyse. Gemessen wurden die Gesamtfläche der immunreaktiven Bereiche, die Gesamtlänge der Grenzlinien um diese Bereiche (Flächenumfang) sowie die mittlere Intensität der OX-42-Immunreaktivität. Als Kontrollpopulation dienten 5 Tiere ohne intramuskuläre Injektionen in den GS Muskel. Ergebnisse: Tiere mit Myositis wiesen in allen untersuchten Bereichen des Hinterhorns eine reduzierte mittlere Intensität der Immunreaktivität auf. Im Vergleich zu Kontrolltieren zeigten Myositistiere keine signifikanten Veränderungen in der Gesamtfläche der OX-42-Immunreaktivität. Allerdings war die Gesamtlänge, der die immunreaktiven Bereiche umgebenden Grenzlinie deutlich kürzer. Besonders ausgeprägt war diese Verkürzung des Flächenumfangs im tiefen Hinterhorn (P < 0,001). Der verkürzte Flächenumfang – bei unverändertem Flächeninhalt – deutet an, dass infolge der chronischen Muskelentzündung die Mikrogliazellen plumper werden, sie reduzieren die Fortsätze und vergrößern den Zellkörper. Schlussfolgerung: Die immunhistochemischen Befunde zeigen, dass Mikrogliazellen mit morphologischen Veränderungen auf die chronische Muskelentzündung reagieren. Hypertrophie des Zellkörpers und Reduktion der Fortsätze gelten bei spinaler Mikroglia als Zeichen einer neuroinflammatorischen Aktivierung. P6.8 Blockade spannungsabhängiger Na+ Kanäle als neuer Wirkmechanismus des partiellen Opioid-Rezeptor Agonisten Buprenorphin A. Leffler, W. Koppert, C. Nau Anästhesiologische Klinik, Universität Erlangen-Nürnberg Fragestellung: Der partielle Opioid-Rezeptor (OR) Agonist Buprenorphin wird mit guter Wirksamkeit bei der Therapie starker chronischer und akuter Schmerzen eingesetzt. In einem humanen Schmerzmodell konnte für Buprenorphin eine lang anhaltende antihyperalgetische Wirkung nachgewiesen werden, die anderen selektiven µ-OR Agonisten fehlt [1]. Wie bei anderen OR Agonisten wird die starke analgetische Wirkung von Buprenorphin durch µ-OR vermittelt. BuprenorDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts phin zeigt außerdem antagonistische Wirkung an zentralen k-OR und agonistische Wirkung an „opioid receptor like-1“ Rezeptoren) [2]. Die molekularen Mechanismen der antiphyperalgetischen Wirkung von Buprenorphin sind unklar. Lidocain zeigt ebenfalls eine ausgeprägte antiphyperalgetische Wirkung vermutlich durch Blockade spannungsabhängiger Na+ Kanäle [3]. In der vorliegenden Arbeit wurde als möglicher OR-unabhängiger Wirkmechanismus von Buprenorphin dessen direkte Interaktion mit spannungsabhängigen Na+ Kanälen untersucht. Methodik: Na+ Ströme von Spinalganglienzellen, von neuronalen ND7/23-Zellen oder von HEK293t-Zellen, die mit cDNA verschiedener Na+ Kanal-Mutationen transfiziert wurden, wurden mit der Whole-Cell Konfiguration der Patch-Clamp Methode untersucht. Ergebnisse: Buprenorphin blockierte konzentrationsabhängig und reversibel Na+ Ströme in Spinalganglienzellen mit einem IC50-Wert von 22 ± 1 µM (n = 8). Eine eingehende Charakterisierung der Blockade spannungsabhängiger Na+ Kanäle in ND7/23-Zellen lieferte IC50Werte für den tonischen Block von 29 ± 3 µM (n = 9) und 5,3 ± 0,5 µM bei einem Haltepotential von -140 mV bzw. -80 mV. Buprenorphin zeigte auch eine ausgeprägte frequenzabhängige Blockade bei 10 Hz (3 µM: 44 ± 5%; n = 5; 30 µM: 81 ± 4%; n = 5) und eine starke Blockade offener, inaktivierungs-defizienter Na+ Kanäle (IC50 = 1,7 ± 0,1 µM; n = 7). Die frequenzabhängige Blockade der Lokalanästhetika-insensitiven Na+ Kanal-Mutationen Nav1.4-N434K, Nav1.4-L1280K und Nav1.4-F1579K durch 30 µM Buprenorphin bei 10 Hz war gegenüber dem Nav1.4 Wild-Typ signifikant reduziert (9,3 ± 3,7%, n = 4; 21 ± 3%, n = 4; 15 ± 2%, n = 5; 75 ± 3%, n = 5). Interpretation: Durch eine Interaktion mit der LokalanästhetikaBindungsstelle spannungsabhängiger Na+ Kanäle zeigt Buprenorphin ausgeprägte lokalanästhetische Wirkung. Dieser Effekt könnte der antihyperalgetischen Wirkungskomponente von Buprenorphin in vivo zugrunde liegen. 1. Koppert et al., Pain 2005; 118:15-22. 2. Lutfy et al., J Neurosci 2003; 23:10331-7. 3. Koppert et al., Pain 2000; 85:217-24. P6.9 IL-1b induced PGE2- and CGRP release in trigeminal ganglion neurons is mediated by a COX-2 dependent pathway L. Neeb, P. Hellen, J. Hoffmann, S. Blumenau, U. Dirnagl, U. Reuter Charite Campus Mitte, Klinik für Neurologie, Berlin Trigeminal neurons are crucial for the pathophysiology of headache. In vivo, a host of stimuli leads to the release of neuropeptides e.g. calcitonin gene related peptide (CGRP). CGRP plays a important role in migraine pathophysiology. Serotonin receptor (5HT1B/D) agonists cause significant pain relief in migraine attacks by blocking CGRP release. In addition, cyclooxygenase (COX) inhibitors abort migraine attacks. However, the precise pathophysiological role of COX-2 and its reaction product prostaglandin E2 (PGE2) as well the source of COX-2 remains to be determined. We have used a trigeminal ganglia cell culture model to assess whether primary trigeminal ganglia neurons are able to express COX-2 resulting in PGE2 release. For stimulation we used Interleukin-1 beta (IL-1b), a cytokine implicated in the generation of migraine attacks. Our results show that trigeminal ganglia neurons express COX-2 upon stimulation with IL-1b. COX-2 expression led to significant PGE2 release after 4 hours and delayed CGRP release after 24 hours. PGE2 and CGRP release could be blocked by the selective COX-2 inhibitor parecoxib. Thus, PGE2 and subsequent CGRP release are dependent on COX-2 synthesis. In contrast the 5HT1B/D receptor agonist sumatriptan was without any effect. In summary, we show that IL-1b induced PGE2- and CGRP-release in trigeminal neurones are mediated by a COX-2 pathway. Our study reveals the source of an enzyme of importance in migraine and a connection between COX2 and CGRP which may have implications for the acute treatment of migraine headaches especially in a sensitized state.
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P6.10 Wechselwirkungen purinerger P2X3 und P2Y1 Rezeptoren bei der nozizeptiven Signalverarbeitung der Nackenmuskulatur der Maus M. Reitz1, A. Makowska1, J. Ellrich1,2 1 Neurochirurgische Klinik, Experimentelle Neurochirurgie, RWTH Aachen, 2 Center for Sensory-Motor Interaction SMI, Department of Health Science and Technology, Aalborg University, Aalborg Fragestellung: Die Pathophysiologie des Spannungskopfschmerzes ist unklar. Patienten leiden häufig unter einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit der Nackenmuskulatur. Zur Untersuchung der nozizeptiven Signalverarbeitung der Nackenmuskulatur wurde in einem Tiermodell die algogene Substanz α,b-meATP intramuskulär injiziert. Dies führte zu einer nachhaltigen Fazilitierung der Nozizeption im Hirnstamm, vermittelt durch ionotrope P2X-Rezeptoren (Cephalalgia 26: 697-706, 2006). Zellphysiologische Experimente unter in-vitro Bedingungen zeigen eine Interaktion zwischen exzitatorischen P2X3- und inhibitorischen P2Y1Rezeptoren. Die vorliegende Studie untersucht mögliche Wechselwirkungen purinerger Rezeptoren bei der myofaszialen Nozizeption. Angewandte Methodik: Die elektrophysiologischen Experimente wurden an männlichen C57BL/6-Mäusen (n=65) in Allgemeinanästhesie durchgeführt (vgl. Brain Res Prot 11: 178-88, 2003). Noxischer Input aus der Nackenmuskulatur wurde durch intramuskuläre (i.m.) Injektionen von α,b-meATP oder ATP (100 nmol/l, 1µmol/l, 20 µl) hervorgerufen. Der P2Y1-Rezeptor-Antagonist MRS2179 und der Agonist Mes-ADP (1µmol/l, 20µl, i.m.) wurden zur Klärung der Rolle des P2Y1-Rezeptors appliziert. Die Effekte auf die kraniofaziale Nozizeption wurden durch Ableitung des Kieferöffnungsreflexes (JOR) nach elektrischer Stimulation der Zungenmuskulatur erfasst. Der Reflex wurde in Serien von je 8 Reizen ausgelöst (0.1 Hz). Die Serien wurden alle fünf Minuten wiederholt und nach i.m. Injektion für mindestens zwei Stunden fortgeführt. Integral, Latenz und Dauer des Reflexes wurden gemessen. Ergebnisse: Nach i.m. Injektion von 100 nmol/l bzw. 1 µmol/l α,b-meATP nahm das Integral um 116% (p<0.001) bzw. 229% (p<0.001) zu. Bei Applikation von 100 nmol/l ATP stieg das Integral um 46% (p<0.05). Die alleinige Gabe von 1 µmol/l ATP blieb ohne Effekt. Erst nach vorheriger Injektion von MRS2179 induzierte 1µmol/l ATP eine signifikante Bahnung des JOR um 117% (p<0.001). Nach initialer Gabe von α,b-meATP 1 µmol/l und Etablierung einer stabilen Fazilitierung führte MesADP zu einer Umkehrung des Bahnungseffektes zurück auf Ausgangsniveau. Bei Gabe von isotonischer Kochsalzlösung statt Mes-ADP blieb die etablierte Reflexbahnung stabil (p<0.001). Schlussfolgerungen: Sowohl ATP als auch α,b-meATP führen zu einer Bahnung der Nozizeption im Hirnstamm, wobei ATP in höheren Konzentrationen keinen signifikanten Effekt hat. Ursache hierfür ist die Interaktion von ATP und von dem Spaltprodukt ADP mit dem inhibitorischen P2Y1-Rezeptor. Die Gabe des P2Y1-Rezeptor-Antagonisten MRS2179 demaskiert die nozizeptive Potenz von ATP in hohen Konzentrationen. Eine durch α,b-meATP-Applikation hervorgerufene Bahnung der Nozizeption wird durch nachfolgende Injektion des P2Y1-Agonisten Mes-ADP umgekehrt. α,b-meATP hat einen stärkeren Effekt, da es nicht an den P2Y1-Rezeptor sondern selektiv an den P2X3-Rezeptor bindet und eine wesentlich längere Halbwertszeit aufweist. Somit sind die zellphysiologischen Mechanismen offenbar auch anwendbar auf die myofasziale Nozizeption in dem eingesetzten Tiermodell. Hieraus könnten sich pharmakologische Optionen zur Behandlung des Spannungskopfschmerzes ergeben. P6.11 Ursachen der Allodynie beim neuropathischen Schmerz: Wird die präsynaptische Hemmung von C-Fasern zur präsynaptischen Erregung? R. Ruscheweyh, D. Schoffnegger, J. Sandkühler Abteilung für Neurophysiologie, Institut für Hirnforschung, Medizinische Universität Wien, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Fragestellung: Erregung von (nicht-nozizeptiven) Aβ-Fasern führt im Rückenmark über Interneurone zu einer Depolarisation von (nozizeptiven) C-Faser-Terminalen. Normalerweise ist diese Depolarisation
unterschwellig, und hat eine Hemmung der Transmitterausschüttung aus den betroffenen C-Fasern, und damit eine Schmerzdämpfung, zur Folge. Cervero et al. (Eur J Pain 2003;7:345) haben vermutet, dass es im sensibilisierten Rückenmark, z.B. bei einer peripheren Entzündung oder Nervenverletzung, zu überschwelligen Depolarisationen kommen könnte. Dann würde die Erregung von nicht-nozizeptiven Aβ-Fasern Aktionspotentiale in nozizeptiven C-Fasern auslösen, was eine Erklärung für die Allodynie wäre, die bei solchen Zuständen auftritt. Methode: Wir haben hier untersucht, ob in einem neuropathischen Mausmodell mit prominenter Allodynie (Einschnürung des N. ischiadicus) Erregung von Aβ-Fasern in C-Fasern Aktionspotentiale auslöst. Dazu haben wir Präparate der betroffenen Rückenmarksegmente in Kontinuität mit Hinterwurzel, Spinalganglion und Spinalnerv hergestellt. Der Spinalnerv wurde elektrisch gereizt, und die Reizschwellen von CFaser-Zellkörpern im Spinalganglion (identifiziert durch Bindung von IB4 und/oder Größe und/oder Leitungsgeschwindigkeit) wurden mithilfe von Ca2+-Imaging gemessen. C-Fasern zeigen bei direkter Erregung eine hohe elektrische Schwelle. Bei indirekter Erregung über Aβ-Fasern würden sie jedoch schon auf schwache elektrische Reize reagieren. Ergebnisse: Vorversuche mit intrazellulären Ableitungen an Spinalganglienzellen gesunder Mäuse (132 Zellen) haben gezeigt, dass eine absolute Trennung von Aβ- und C-Fasern anhand ihrer Schwellen in diesem Präparat nicht möglich ist. Daher wurde die Verteilung der Schwellen für die Erregung von C-Faser-Zellkörpern in neuropathischen (42 Zellen) und Kontrollmäusen (54 Zellen) verglichen. In den unteren Reizschwellenbereichen (< 0,3 mA und < 0,5 mA) fand sich aber sogar ein etwas größerer Teil der C-Fasern von Kontrolltieren (7% und 23%) als von neuropathischen Tieren (2% und 12%). Schlussfolgerung: Diese Ergebnisse sprechen gegen eine massive überschwellige Erregung von Terminalen primär afferenter C-Fasern durch Aβ-Fasern in dem hier verwendeten Mausmodell für neuropathischen Schmerz. P6.12 Einfluss von analgetischen Substanzen auf Schmerz-induziertes Angstverhalten von Ratten K. Röska1, A. Ceci1, R.-D. Treede2, H. Doods1 1 Abteilung ZNS, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH und Co. KG, Biberach an der Riss, 2 Institute für Physiologie und Pathophysiologie, Johannes Gutenberg Universität, Mainz Einleitung: Klinische Studien haben gezeigt, dass Patienten mit Neuropathien nach geraumer Zeit Krankheitserscheinungen wie Angstzustände entwickeln. Auch an Tieren mit neuropathischem Schmerz konnte Angst als zusätzliches Symptom festgestellt werden. In der vorliegenden Studie wurden die Schmerztherapeutika Tramadol und Gabapentin auf ihre analgetische Wirkung in einem neuropathischen Rattenmodell getestet. Zusätzlich wurde in den Tieren der Effekt dieser Substanzen auf das Angstverhalten untersucht. Methoden: Neuropathischer Schmerz wird durch eine IschiasnervLigatur (CCI) in männlichen Wistar Ratten ausgelöst (Bennett and Xie 1988). Die mechanische Schmerzschwelle (g) der Tiere wird drei Wochen nach der Operation mit Hilfe eines automatischen Druckaufnehmers (elektronisches Algometer, Somedic) bestimmt. Angst wird mittels des „Elevated plus maze“ (EPM) Tests untersucht. Dabei handelt es sich um eine vom Boden erhöhte kreuzförmige Plattform, mit zwei geschlossenen und zwei offenen Armen, wobei die offenen Arme einen Angst induzierenden Stimulus imitieren. Die verbrachte Zeit in den offenen Armen wird in einer 10 minütigen Messung erfasst. Gabapentin (30 mg/kg) und Tramadol (10 mg/kg) werden eine Stunde vor Beginn der Experimente intraperitoneal appliziert. Ergebnisse: Drei Wochen nach der Ligation zeigen die Tiere eine verringerte Schmerzschwelle (gesunde Pfote: 27±1 g; verletzte Pfote: 12±1 g), welche nach Applikation von Gabapentin und Tramadol um 80% bzw. 75% reduziert werden kann. Lädierte Tiere zeigen außerdem ein erhöhtes Angstverhalten. Kontroll-Tiere verbringen durchschnittlich 129±22 sec, CCI-Tiere dagegen nur 62±13 sec in den offenen Armen. Nach Gabe von Gabapentin kommt es jedoch zu einer Verringerung
des Angstverhaltens in CCI-Tieren (108±23 sec), wie auch in KontrollTieren (145±19 sec). Auch Tramadol senkt signifikant das ängstliche Verhalten der beiden Behandlungsgruppen (CCI-Tiere: 165±27 sec; Kontroll-Tiere: 170±20 sec). Zusammenfassung: Diese Experimente zeigen, dass sekundäre Symptome wie Angstzustände auch bei Tieren mit Neuropathien zu beobachten sind. Weiterhin weist die Studie darauf hin, dass analgetische Substanzen sowohl Einfluss auf das Schmerzempfinden als auch auf das assoziierte Krankheitsbild Angst in neuropathischen Tieren haben. P6.13 Ambroxol unterdrückt hocheffektiv Symptome des chronischen, neuropathischen und inflammatorischen Schmerzes T. Weiser, K. Klinder, K. Arndt, W. Gaida Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Biberach an der Riss Ambroxol wird seit fast drei Jahrzehnten für die Behandlung von Erkrankungen der Atemwege verwendet, und entfaltet hier seine positiven Wirkungen u. a. über eine Steigerung der Sekret- und Surfactant-Produktion. Darüber hinaus sind auch Effekte auf die neuronale Signalverarbeitung berichtet: Ambroxol ist ein potentes Lokalanästhetikum, und daher werden Ambroxol Lutschtabletten erfolgreich zur Behandlung von Halsschmerzen eingesetzt. Ähnlich wie andere Lokalanästhetika blockiert Ambroxol spannungsabhängige Na+ Kanäle. Zwei Befunde sind hier besonders bemerkenswert: Zum einen ist die Kanalblockade bis zu 50 mal potenter als bei Vergleichssubstanzen wie Lidocain oder Benzocain; und zum anderen blockiert Ambroxol bevorzugt Tetrodotoxin-resistente (Nav1.8) Kanäle in C-Faser Neuronen (Weiser und Wilson, 2002; Weiser, 2006). Dieser Kanal-Subtyp spielt eine wichtige Rolle bei schweren Schmerzzuständen. Das Ziel der vorliegenden Studie war es festzustellen, ob Ambroxol schmerzinduzierte Symptome in Modellen des chronischen, neuropathischen und inflammatorischen Schmerzes bei der Ratte unterdrücken kann. Gabapentin wurde in allen Experimenten als Referenzsubstanz mitgeführt. Die Ambroxol Dosis wurde so gewählt, dass klinisch relevante Plasmaspiegel erreicht wurden (1 g/kg bei der Ratte ergab vergleichbare Plasmaspiegel wie 1 g als Einmaldosis beim Menschen). Es zeigte sich, dass nach oraler Gabe von Ambroxol Symptome wie z. B. thermale und mechanische Hyperalgesie und Allodynie in allen Modellen, und zum Teil vollständig unterdrückt wurden. Interessanterweise war Ambroxol in den meisten Fällen deutlich wirksamer als Gabapentin. Beide Substanzen waren unwirksam in Modellen des akuten Schmerzes. Diese Daten belegen, dass die Blockade von Na+ Kanälen, vor allem vom Nav1.8 Subtyp, einen vielversprechender Therapieansatz für die Behandlung von chronischen, neuropathischen und inflammatorischen Schmerzen darstellen. Mit Ambroxol steht hier eine interessante Modellsubstanz für Untersuchungen in vivo zur Verfügung. 1. Weiser T (2006) Comparison of the effects of four Na+ channel analgesics on TTX-resistant Na+ currents in rat sensory neurons and recombinant Nav1.2 channels. Neurosci Lett 395:179-184 2. Weiser T, Wilson N (2002) Inhibition of tetrodotoxin (TTX)-resistant and TTX-sensitive neuronal Na(+) channels by the secretolytic ambroxol. Mol Pharmacol 62: 433-438
P7 Kopfschmerz I P7.1 Komorbidität von Migräne und Sexualkopfschmerz K. Biehl, I. W. Husstedt, S. Evers, A. Frese Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Migräne und Sexualkopfschmerz gehören zu den primären Kopfschmerzerkrankungen. In einigen Studien wurde bei Patienten mit Sexualkopfschmerz eine erhöhte Prävalenz von Migräne beschrieben. Jedoch wurde bisher noch nie die Prävalenz von Sexualkopfschmerz bei Migränepatienten untersucht. Wir führten eine Fall-Kontoll-Studie ausgehend von Migränepatienten durch, um den epidemiologischen Zusammenhang zwischen den beiden Kopfschmerzerkrankungen zu untersuchen. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Mittels Fragebögen und einem persönlichen Untersuchungsgespräch wurden 100 Migränepatienten und 100 nach Alter und Geschlecht zugeordnete Kontrollpersonen hinsichtlich des Vorliegens von Sexualkopfschmerz untersucht. Von 95 Patienten und 100 Kontrollpersonen bekamen wir ausreichend Angaben. Bei fünf Personen aus der Migränegruppe (5,3%) gegenüber keiner aus der Kontrollgruppe konnte ein Sexualkopfschmerz diagnostiziert werden (p=0,021, exakter Test nach Fisher), welches eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Migränepatienten zeigt, zusätzlich an einem Sexualkopfschmerz zu leiden. Vorhergehende Studien, in denen eine Assoziation gezeigt wurde, basierten alle auf Sexualkopfschmerzpatienten, so dass nun gefolgert werden kann, dass die Assoziation beidseitig ist. Möglicherweise haben beide Kopfschmerzerkrankungen gemeinsame pathophysiologische Hintergründe. P7.2 Migräneprävalenz bei Kopfschmerz-Spezialisten und Neurologen N. Brockmann, I. W. Husstedt, S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Studien aus den USA und Italien weisen darauf hin, dass die Migräneprävalenz bei Kopfschmerzexperten und Neurologen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung höher ist. Jedoch sind die hieraus resultierenden Konsequenzen für die Behandlung von Migränepatienten und die Einstellungen zu Migräne nicht untersucht worden. Wir haben Fragebögen an Kopfschmerzexperten (n=82) ausgegeben, um die Prävalenz von Migräne und anderen Kopfschmerzformen zu erfragen. Die Kontrollgruppen bestanden aus Neurologen (n=133), Schmerzspezialisten (n=152) und Allgemeinmedizinern (n=130), die jeweils aus den Mitgliederlisten der entsprechenden Fachgesellschaften ausgewählt wurden. Die Lebenszeitprävalenz von Migräne bei Kopfschmerzexperten liegt bei 48,8%, bei Neurologen 33,1%, bei Allgemeinmedizinern 24,6% und bei Schmerzspezialisten bei 21,7%. Der Unterschied zwischen Kopfschmerzexperten und Neurologen war signifikant wie auch die Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen und zwischen den zwei anderen Gruppen. Betroffene Ärzte mit und ohne Migräne unterschieden sich in einigen Aspekten bezüglich der Einstellung zu Migräne und ihrer Behandlungsweise. So war die eigene Betroffenheit mit Migräne mit einem stärkeren somatischen Konzept der Migräne und einer stärkeren Betonung der Triggerfaktoren verbunden, während diejenigen ohne Migräne eher zu einem biopsychosozialen Krankheitskonzept tendierten. Ärzte mit Migräne nehmen signifikant seltener Triptane oder eine medikamentöse Prophylaxe ein, als sie es ihren Patienten empfehlen. Wir schließen, dass die Selbstbetroffenheit von Kopfschmerzexperten und Neurologen mit Migräne einen erheblichen Einfluss auf die Einstellung gegenüber Migräne und ihrer Behandlungsweise hat. P7.3 Ereigniskorrelierte Hirnpotentiale in der Schwangerschaft bei Migränepatientinnen und gesunden Kontrollpersonen S. Darabaneanu1, P. Kropp2, U. Niederberger1, H. Strenge1, W.-D. Gerber1 1 Institute of Medical Psychology and Medical Sociology, University Clinic of Kiel, Kiel, 2 Institute of Medical Psychology, University Clinic of Rostock, Rostock Hintergrund: Negativ erhöhte Amplituden der Contigenten Negativen Variation (CNV) bei der Migräneerkrankung sind gut untersucht und sollen ein reduziertes kortikales Präaktivierungsniveau wiederspiegeln. In der Schwangerschaft erlebt ein Großteil der betroffenen Patientinnen eine Reduzierung der Migräneattacken und Migränetage. Die Attacken kehren in der Regel jedoch innerhalb weniger Wochen auf das Ursprungsniveau zurück. Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung des Einflusses von Schwangerschaft auf akustisch evozierte kortikale Potentiale bei Migränepatientinnen und gesunden Kontrollpersonen. Patienten und Methoden: 14 schwangere (36. Schwangerschaftswoche, SSW) und 12 nichtschwangere Migränepatientinnen wurden mit 15 schwangeren und 16 nichtschwangeren gesunden Kontrollpersonen verglichen. Von den Migränepatientinnen litten 19 unter Migräne ohne Aura (MO) und 7 unter Migräne mit Aura (MA) für mindestens drei
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Jahre mit einem Minimum von einer Attacke pro Monat in den letzten drei Monaten vor den Messungen. Während des Untersuchungszeitraumes wurden Kopfschmerztagebücher geführt. Evozierte kortikale Potentiale im EEG wurden bei schwangeren Personen in der 36. SSW und 4 Wochen nach der Geburt des Kindes, bei nichtschwangeren Personen zweimal im vergleichbaren Abstand von 8 Wochen gemessen. CNV Komponenten (Reaktionszeit, iCNV, lCNV, tCNV und Produktmomentkorrelation der iCNV) wurden im S1-S2-CNV-Paradigma mit einem 3 Sekundenintervall über Cz (10-20 System) erhoben. Klinische Ergebnisse: Schwangere Migränepatienten zeigten signifikant weniger Migränetage (p = .023) während des 3. Trimenons der Schwangerschaft und kehren vier Wochen nach der Geburt des Kindes nahezu zum Ursprungsniveau zurück (p = .008). Nicht-schwangere Migränepatientinnen zeigen ebenfalls eine Reduzierung von Migränetagen während des Untersuchungszeitraumes, der zur zweiten Messung signifikant wird (p = .002). Psychophysiologische Ergebnisse: Schwangerschaft per se zeigt einen Effekt auf verlangsamte Reaktionszeiten (p = .001) und eine beobachtete Dishabituation, die über negative Produktmomentkorrelationen (p = .047) darstellbar ist. Der Einfluss auf verlangsamte Reaktionszeiten hält bis in die Stillzeit an (p = .002). Schwangere Migränepatientinnen unterscheiden sich dabei von schwangeren gesunden Kontrollpersonen durch eine nochmals stark verlangsamte Reaktionszeit (p = .001) und eine beobachtbare Habituation, die über positive Produktmomentkorrelationen (p = .012) realisiert werden kann. Vier Wochen nach der Geburt konnten bei stillenden Migränepatientinnen eine geringere Negativität der iCNV Amplituden nachgewiesen werden als bei Migränepatientinnen, die nicht schwanger gewesen waren (p = .045). Schlussfolgerung: Der Effekt von Schwangerschaft auf akustisch evozierte kortikale Potentiale zeigt sich in Form verlangsamter Reaktionszeiten, veränderter iCNV Amplituden und beobachtbarer Dishabituation und wirkt sich dabei auf schwangere Migränepatientinnen und gesunde Kontrollpersonen unterschiedlich aus. Es wird gefolgert, dass für diesen Unterschied ein unterschiedliches kortikales Präaktivierungsniveau beider Gruppen verantwortlich ist. P7.4 Erweiterung des phänotpyischen Spektrums der CACNA1A T666M Mutation: eine deutsche Familie mit FHM1, Kleinhirnatrophie und Minderbegabung T. Freilinger, M. Bohe, B. Wegener, M. Dichgans, H. Knoblauch Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern, München; Vivantes Klinikum am Urban, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin Hintergrund: Die Familiäre hemiplegische Migräne (FHM) ist eine seltene monogene Unterform der Migräne mit Aura. Sie ist gekennzeichnet durch den autosomal-dominanten Erbgang und das Auftreten einer reversiblen Hemiparese während der Auraphase. Bisher wurden drei ursächliche Gene identifiziert: CACNA1A (FHM1), ATP1A2 (FHM2) und SCN1A (FHM3). Mehr als 50% aller Familien und alle Familien mit einer FHM mit cerebellären Zeichen (FHM plus) koppeln an den FHM1-Lokus. Eine geistige Behinderung / Minderbegabung wurde bereits als Teil des phänotypischen Spektrums der FHM beschrieben, wobei sie bisher überwiegend in Familien mit FHM2 berichtet wurde. Wir präsentieren nun klinische, neuropsychologische und genetische Daten zu einer deutschen FHM1-Familie mit der CACNA1A T666M Mutation, in der mehrere Betroffene eine geistige Behinderung hatten. Patienten und Methoden: Alle Individuen wurden mittels eines detaillierten semi-strukturierten Kopfschmerzinterviews persönlich untersucht. Die Diagnose FHM wurde auf Basis der Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) gestellt. In allen betroffenen Individuen wurde neuropsychologische Zusatzdiagnostik und cerebrale Bildgebung durchgeführt. Von allen verfügbaren Familienmitgliedern wurden Blutproben gewonnen, aus denen mittels Standardmethoden genomische DNA isoliert wurde. Beim Indexpatienten wurden alle Exons des CACNA1A-Gens mittels direkter Sequenzierung auf Mutationen untersucht. Die Kosegregation der detektierten Mutation innerhalb der
Familie wurde ebenfalls mittels Direktsequenzierung nachgewiesen. Ergebnisse: Beim Indexpatienten und allen anderen Betroffenen fand sich die bereits publizierte T666M Mutation in CACNA1A. Bei allen Betroffenen waren sowohl Häufigkeit als auch Dauer und Schweregrad der hemiplegischen Attacken am unteren Ende des phänotypischen Spektrums. Ungewöhnliche Aurasymptome wie z.B. Verwirrtheit, Fieber, epileptische Anfälle oder Koma wurden nicht beobachtet. In allen Betroffenen fanden sich im Intervall zwischen den Attacken Zeichen einer cerebellären Ataxie (mit bzw. ohne cerebelläre Atrophie). Beim Indexpatienten und zwei weiteren Mutationsträgern zeigte sich eine Minderbegabung (IQ 70, 76 und 80). Andere Ursachen für eine Minderbegabung wurden ausgeschlossen. Es gab keinen offensichtlichen kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der FHM-Attacken und der kognitiven Dysfunktion. Das Erkrankungsalter für die Minderbegabung war bei allen Patienten mehrere Jahre vor dem Auftreten der ersten hemiplegischen Attacken. Schlussfolgerung: Eine geistige Behinderung / Minderbegabung ist Teil des phänotypischen Spektrums auch der FHM1 und kann auch im Zusammenhang mit einem ansonsten relativ milden FHM-Phänotyp (ohne häufige oder besonders schwere Attacken) auftreten. Um die Mechanismen der kognitiven Dysfunktion bei der FHM1 zu erforschen, sind weitere Arbeiten erforderlich. P7.5 Migräneprävalenz in Patienten mit Morbus Osler A. Jung1,2, V. Guralnik1, U. Geisthoff3, M. Marziniak1,2 1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster 2 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum des Saarlandes 3 Klinik und Poliklinik für HNO, Universitätsklinikum des Saarlandes Fragestellung: Morbus Osler (Hereditäre Hämorrhagische Teleangiektasie, HHT) ist eine autosomal-dominant vererbbare Erkrankung, die mit mukokutanen Teleangiektasien und mit viszeralen arteriovenösen Malformationen (AVM) einhergeht. Mit zunehmender Erkrankungsdauer nimmt die Häufigkeit eines pulmonalen Rechts-Links-Shunts zu. In zahlreichen Assoziationsstudien konnte eine signifikante Assoziation zwischen einem offenen Foramen ovale und einer Migräne mit Aura gefunden werden, so dass eine funktionelle Bedeutung eines Rechts-LinksShunts für die Migräne insbesondere mit Aura aktuell intensiv diskutiert wird. Bisherige Arbeiten, welche die Prävalenz der Migräne in HHT-Patienten untersuchten, zeigten ebenfalls eine erhöhte Migräneprävalenz. Diese Studien untersuchten allerdings unter anderem keine konsekutive Population und/oder ein persönliches Interview/Untersuchung fehlte. Ziel dieser Arbeit war es, die Kopfschmerzprävalenz an einer konsekutiven Gruppe von HHT-Patienten zu untersuchen. Methoden: 106 konsekutive HHT-Patienten (Alter 53,5+14,5 Jahre, 67 Frauen, 39 Männer), die sich im Zeitraum von November 2002 bis Oktober 2005 in der HNO-Ambulanz des Universitätsklinikums des Saarlandes vorstellten wurden neurologisch untersucht, die Kopfschmerzprävalenz erhoben und gemäß den Kriterien der International Headache Society klassifiziert. Alle Patienten erhielten ein pulmonales und ein cerebrales MRT mit der Frage nach Malformationen. Bei allen Patienten wurde mittels nicht Lungengängigem Kontrastmittel eine transkranielle Dopplersonographie zur Bestimmung eines Shunts durchgeführt. Die Kontrollgruppe bestand aus alters- und geschlechtsgematchten gesunden Probanden. Ergebnisse: 24,5% der HHT-Patienten wiesen einen Rechts-LinksShunt auf. Die Migräne-Lebenszeitprävalenz der HHT-Patienten betrug 39,6% gegenüber 19,8% in der Kontrollgruppe, für Migräne ohne Aura (MO) 22,6% zu 11,3% und für Migräne mit Aura (MA) 17% zu 8,5% (p<0,05). 46% der HHT-Patienten mit einem Rechts-Links-Shunt AVM litten unter Migräne, 11,5% unter einer Migräne ohne Aura und 34,5% unter einer Migräne mit Aura. Die Prävalenz für Spannungskopfschmerzen unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen: HHT-Patienten: 38,7% versus 43,4% in der Kontrollgruppe. Schlussfolgerungen: In der ersten konsekutiven Untersuchung der Lebenszeitprävalenz der Migräne bei HHT-Patienten ist diese doppelt so
hoch wie in der gesunden Kontrollgruppe. Bemerkenswerterweise ist nicht nur die Prävalenz der Migräne mit Aura, sondern auch der Migräne ohne Aura erhöht. Die erhöhte Prävalenz der Migräne ohne Aura in unserer Kohorte unterscheidet sich somit von den bisherigen Untersuchungen, so dass neben dem Vorliegen eines Rechts-Links-Shunts auch morphologische Veränderungen der Gefäße von HHT-Patienten, bedingt durch Mutationen im Endoglin Gen oder des Aktivin-like-Rezeptors eine erhöhte Migräneprävalenz erklären könnten. P7.6 Reizempfindlichkeit und aktuelle Befindlichkeit von Patienten mit Migräne ohne Aura – eine Untersuchung zur Contingenten Negativen Variation (CNV) J. Lorenzen1, H. Göbel2, W.-D. Gerber3, P. Kropp1 1 Institut für Medizinische Psychologie der Universität Rostock, 2 Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel, 3 Institut für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel Einleitung: Bei Migränepatienten lassen sich im schmerzfreien Intervall im Vergleich zu Gesunden erhöhte negative Amplituden bei ereigniskorrelierten Potentialen nachweisen. Insbesondere bei der Messung der contingent negative variation (CNV), einem langsamen Gleichspannungspotential, ergeben sich deutliche Unterschiede zu Gesunden. Fraglich ist jedoch der Zusammenhang der CNV-Amplitude mit subjektiv erfassten Verhaltens- und Befindlichkeitsmaßen. Methodik: Ausgewertet wurden CNV-Messungen von 60 Patienten mit einer Migräne ohne Aura im Alter zwischen 25 und 61 Jahren. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer betrug 26;4 Jahre, die mittlere Anzahl der Kopfschmerztage pro Monat 11,9 Tage. Die CNV-Amplitude über dem Vertex (Cz, gesamt-CNV) wurde mit dem Alter der Patienten, der Anzahl der Kopfschmerztage pro Monat, der subjektiv gemessenen Reizempfindlichkeit und der eingeschätzten Tagesstimmung korreliert. Ergebnisse: Während sich in Bezug auf das Alter der Patienten und die Anzahl der Kopfschmerztage pro Monat keine Zusammenhänge ergaben, ließen sich mittelgradige Korrelationen zwischen der eingeschätzten Reizempfindlichkeit und der Tagesstimmung mit der CNV-Amplitude der Patienten nachweisen. Eine hohe subjektive Reizempfindlichkeit ging einher mit einer erhöhten negativen Amplitude der CNV (t-CNV: r=-.55; p<.001). Die subjektive Befindlichkeit (Tagesstimmung) der Patienten sank dagegen mit zunehmender Amplitude ab (t-CNV: r=.57; p<.001). Diskussion: Reizempfindlichkeit und Befindlichkeit korrelieren mittelgradig mit der CNV-Amplitude. Dies könne ein Hinweis darauf sein, dass sich die mit der CNV-Methodik gemessenen zentralnervösen Erregungszustände in der subjektiven Befindlichkeit und in einer ausgeprägten Reizempfindlichkeit der Patienten widerspiegeln. Daraus lassen sich Implikationen für spezifische Behandlungsmethoden wie Körperwahrnehmungstraining und spezifische Biofeedbacktherapien ableiten. P7.7 Migränerezidiv bei Rezidiv eines Schilddrüsenkarzinoms mit intrakranieller Metastasierung: Intrakranielle Tumoren als humanes Kopfschmerzmodell? C. J. Schankin, J. Wagner, V. M. Reinisch, A. Straube Klinikum der Universität München – Großhadern, Neurologische Klinik und Poliklinik Wir berichten über eine 57jährige Patientin, bei der es ca. 30 Jahre nach der letzten Attacke zu erneuten Migräneattacken gekommen war. An Vorerkrankungen ist seit über 6 Jahren ein papilläres Schilddrüsenkarzinom bekannt, welches lokal rezidiviert und systemisch metastasiert war. Ursächlich für eine Abduzensparese rechts fand sich vor 12 Monaten eine Raumforderung im Clivusbereich rechtsbetont, a.e. einer Metastase entsprechend. Der aktuelle Kopfschmerz besteht seit ca. einem Monat, tritt etwa alle 10 Tage auf, dauert bis zu 4 Tage und erfüllt die Kriterien einer Migräne ohne Aura. Die Patientin litt bis zur Geburt ihres zweiten Kindes an einem identischen Kopfschmerz, der seltener (ca. ein Mal monatlich) auftrat. Kernspintomographisch bestätigt sich die vorbestehende Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Raumforderung in der mittleren Schädelgrube mit Größenzunahme. Klinisch-chemisch findet sich neben einem unter L-Thyroxin-Substitution supprimierten TSH eine deutliche Erhöhung des monomeren Prolaktins (90.6ng/ml, Referenz <20ng/ml). Bei der Patientin ist ein primäres Kopfschmerzsyndrom aus der Vorgeschichte bekannt, so dass der Hauptrisikofaktor für das Auftreten von Kopfschmerzen bei intrakraniellen Tumoren vorliegt. In der Literatur ist eine Erhöhung des Prolaktins im Zusammenhang mit Kopfschmerzen wiederholt beschrieben worden, allerdings in der Regel nur bei Hypophysentumoren. Wir postulieren einen Zusammenhang zwischen dem Migränerezidiv und dem Auftreten der intrakraniellen Metastase: Prädisposition und Trigger resultieren in einem zu den vorbestehenden Migräneattacken beinahe uniformen Kopfschmerzsyndrom. Als Trigger wären die Raumforderung und insbesondere das Serum-Prolaktin, aber auch Entzündungsmediatoren oder die für die Pathophysiologie der primären Kopfschmerzen relevanten Neurotransmitter denkbar. Eine Generalisierung dieser Hypothese wäre, dass intrakranielle Tumoren als humanes Kopfschmerzmodell anzusehen und damit hilfreich für Untersuchungen der Signalstoffe in der Pathophysiologie des Kopfschmerzes sind. Prospektive Studien sind notwendig, um systematisch den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzeigenschaften und Laborbefunden bei Patienten mit Prädisposition für Kopfschmerzen und einer intrakraniellen Raumforderung zu untersuchen. P7.8 Reduktion der Einnahme von Akutmedikation unter einer Therapie mit Topiramat (TOPAMAX® MIGRÄNE) zur Migräneprophylaxe – Resultate der 24-wöchigen Kernphase einer klinischen Prüfung B. Schäuble1, V. Becker2, T. Humbert2, B. Steinberg3, M. Stumpf1, K. Bornhövd1, für die TOPMAT-MIG-3004 Studiengruppe 1 Medizin & Forschung, Janssen-Cilag, Neuss, 2 Gemeinschaftspraxis in Hamburg, 3 Praxis in Hamburg Einleitung: Migräne ist mit einer Prävalenz von rund 12% eine häufige neurologische Erkrankung, bei der Betroffene oftmals Akutmedikamente einnehmen. Dies führt nicht selten zur sekundären Entwicklung eines Analgetika-induzierten Kopfschmerzes. Eine wirksame Migräneprophylaxe kann sowohl Kopfschmerzfrequenz wie auch Intensität reduzieren und somit einen übermäßigen Gebrauch von Akutmedikation vermeiden. Mittels detaillierter Dokumentation im Rahmen dieser klinischen Prüfung (TOPMAT-MIG-3004) soll untersucht werden, ob es unter Bedingungen der täglichen Praxis zu einer Änderung der Einnahme von Akutmedikation kommt unter der Therapie mit Topiramat kommt. Methodik: Offene, prospektive, 24-wöchige, einarmige klinische Prüfung zur Untersuchung der Effektivität und Verträglichkeit von Topiramat in der Behandlung von Patienten mit episodischer Migräne mit flexibler Aufdosierung von TPM. Primärer Zielparameter war die Änderung der Anzahl der Migränetage/4 Wochen im Vergleich zur prospektiven Baseline. Weiterhin wurden QOL, Akutmedikation (Anzahl der Einnahmen, Dosis und Wirkstoff bzw. Präparat) Therapiezufriedenheit, unerwünschte Ereignisse (UE) und Sicherheitsparameter erfasst. Ausschlusskriterium war der Übergebrauch von Analgetika wie auch der Analgetika-induzierte Kopfschmerz bei Studienbeginn. Ergebnisse: Insgesamt wurden 403 Patienten eingeschlossen. Die Intention-to-treat-Analyse umfasste 360 Patienten mit episodischer Migräne (88% weiblich, ØAlter 44J). Rund 80% der Patienten wurde vor mehr als 10 Jahren mit einer Migräne diagnostiziert und immerhin 63% der Patienten hatten bereits vor Einschluss in die Studie mindestens eine Migräneprophylaxe erhalten. 75% beendeten die vorherige Therapie aufgrund mangelnder Effektivität. Triptane (88,6%) und Analgetika/ NSAID (68,1%) (inkl. Kombinationspräparate) waren die am häufigsten verwendeten Akutmedikamente. Bei 81,7% der Patienten zeigte sich nach 24 Wochen eine Reduktion der Akutmedikation. Die Anzahl der Tage mit Einnahme von Akutmedikation reduzierte sich von Ø 6,9±3,0 auf Ø 3,7±2,8 (p<0.000001). Die Migränefrequenz in der prospektiven Baseline-Phase betrug Ø 8,3±3,0 Migränetage/28 Tage und konnte zum Studienende (nach 24 Wochen) auf 4,3±3,0 reduziert werden (p<0.00001). Die mediane Dosis von Topiramat war 100mg/Tag. Nebenwirkungen
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unter Therapie waren Paraesthesien (45,6%) und Müdigkeit (17%). Nur 9% der Patienten brachen die Behandlung aufgrund mangelnder Effektivität ab, 23% aufgrund von Nebenwirkungen. Schlussfolgerung: Topiramat war mit einer signifikanten Reduktion der migränespezifischen Beschwerden assoziiert und führte zu einer signifikanten Reduktion der Einnahme von Akutmedikation. P7.9 Effektive Migräneprophylaxe mit Topiramat (TOPAMAX® MIGRÄNE) – Auswertung der 24-wöchigen Kernphase einer multizentrischen Klinischen Prüfung in Deutschland M. Stumpf1, T. Humbert2, V. Becker2, B. Schäuble1, K. Bornhövd1, für die TOPMAT-MIG-3004 Studiengruppe 1 Medizin & Forschung, Janssen-Cilag, Neuss, 2 Gemeinschaftspraxis in Hamburg Einleitung: Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die rund 12-14% der Frauen und ungefähr 8% der Männer betrifft. Ungefähr 1/3 der Betroffen wird signifikant in ihrer Arbeitsfähigkeit wie auch Lebensqualität betroffen, so dass Migräneprophylaxe wichtiges Ziel einer effektiven Therapie ist. Die Wirksamkeit von Topiramat wurde in drei randomisierten, plazebokontrollierten Studien belegt, die fixe Dosierungen verwendet haben. In der vorliegenden Untersuchung (TOPMAT-MIG-3004) soll die Effektivität der Therapie unter den Bedingungen, die sich mit einer flexiblen Dosisfindung auch am in der Praxis üblichen Vorgehen orientieren. Methodik: Offene, prospektive, 24 wöchige, einarmige klinische Prüfung zur Untersuchung der Effektivität und Verträglichkeit von Topiramat in der Behandlung von Patienten mit episodischer Migräne. Primärer Zielparameter war die Änderung der Anzahl der Migränetage/4 Wochen im Vergleich zur prospektiven Baseline. Weiterhin wurden QOL, Akutmedikation, Therapiezufriedenheit, unerwünschte Ereignisse (UE) und Sicherheitsparameter erfasst. Im Rahmen dieser offenen Studie konnte die Dosierung flexible gemäß Effektivität gewählt werden, wobei 25mg/Tag als initiale Dosierung mit wöchentlicher Steigerung um 25mg/Tag empfohlen wurde. Während der letzten 4 Wochen sollte die Dosis konstant bleiben (±25mg/Tag). Ergebnisse: Insgesamt lagen die Daten von 403 Patienten vor. Die Intention-to-treat-Analyse der Kernphase umfasste 360 Patienten mit episodischer Migräne (88% weiblich, ØAlter 44J). 60,6% der Patienten litten an Migräne ohne Aura, 39,4% an Migräne mit Aura. Die Baseline Migränefrequenz betrug Ø8,3±3,0 Migränetage/28 Tage und verminderte sich nach 24 Wochen auf 4,3±3 (p<0.000001). Eine Reduktion der Migränefrequenz um mindestens 50% berichteten 54,6% der Patienten und 13% der Patienten war Migräne-frei. Darüber hinaus nahm die Migräneintensität von 2,3±0,4 auf 2,1±0,5 ab (p<0,000002) und die Anzahl der Tage mit Einnahme von Akutmedikation reduzierte sich von Ø6,9±3,0 auf Ø3,7±2,8. Die mediane Dosis am Endpunkt betrug 100mg/Tag. UE wurden von 321 Patienten berichtet, am häufigsten waren Parästhesien mit 45,6% und Müdigkeit mit 17%. Das bisherige Verträglichkeitsprofil von Topiramat konnte bestätigt werden. Schlussfolgerung: In einer flexiblen, am klinischen Bild orientierten Dosierung ist Topiramat effektiv in der Migräneprophylaxe. Damit assoziiert war eine Reduktion der Akutmedikation wie auch der Migräneintensität verbunden mit einer guten Tolerabilität. Diese Ergebnisse entsprechen den Resultaten von randomisierten, Plazebo-kontrollierten Topiramat-Studien mit einem fixen Dosierungsschema. P7.10 Verbesserung der Lebensqualität bei Migränepatienten unter einer Therapie mit Topiramat – 24 Wochen-Daten einer klinischen Prüfung in Deutschland L. Schmitt1, J.-P. Jansen2, R. Malessa3, B. Schäuble4, K. Bornhövd4, für die TOPMAT-MIG-3004 Studiengruppe 1 Praxis in Hamburg, 2 Praxis in Berlin, 3 Sophien- und Hufeland-Klinikum, Weimar, 4 Janssen-Cilag, Neuss Einleitung: Migräne ist eine weitverbreitende neurologische Erkrankung des jungen und mittleren Erwachsenenalters und häufig mit negativen Folgen für Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit des Betroffenen verbunden. In randomisierten, kontrollierten Studien mit
vorgegebenen Dosierungen zeigte Topiramat gute Wirksamkeit und Verträglichkeit, doch wurden keine Patienten-orientierten Outcome Parameter erfasst. In der vorliegenden Studie werden mittels validierter Fragebögen untersucht, ob es unter Topiramat auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität wie auch einer Reduktion der Beeinträchtigung im Alltagsleben kommt. Methodik: Offene, prospektive, 24-wöchige, einarmige klinische Prüfung zur Untersuchung der Effektivität und Verträglichkeit von Topiramat in der Behandlung von Patienten mit episodischer Migräne. Primärer Zielparameter war die Änderung der Anzahl der Migränetage/4 Wochen im Vergleich zur prospektiven Baseline. Darüber hinaus wurden validierte Fragebögen zur Lebensqualität und Beeinträchtigung des Alltaglebens (HIT-6, MIDAS: niedrige Scores = höhere Lebensqualität) sowie offene Fragen zur Therapiezufriedenheit (Wirksamkeit, Verträglichkeit, Zufriedenheit) eingesetzt und unerwünschte Ereignisse sowie Sicherheitsparameter (HF, RR, KG) erfasst. Ergebnisse: Die Gesamtstichprobe umfasste 403 Patienten. Die ITTPopulation erfasste Daten von 360 Patienten, wobei mehr als 80% eine mehr als 10jährige Krankheitsdauer hatten. In der prospektiven Baseline-Phase betrug die Migränefrequenz Ø 8,3±3,0 Migränetage/28 Tage und konnte nach 24 Wochen 4,3±3,0 reduziert werden (p<0.00001). Die Summenscores des HIT-6 und MIDAS nahmen im Vergleich zur Baseline im Verlauf ab (HIT-6 im Mittel von 65,1 auf 58,4 und MIDAS im Mittel von 42,5 auf 27,1). Für alle Fragen zur Therapiezufriedenheit (Effektivität der Behandlung, Tolerabilität wie auch Zufriedenheit) waren die Veränderungen signifikant (p<0.00001). 42,5% der Patienten gaben eine Verbesserung der Wirksamkeit, 30% eine Verbesserung der Verträglichkeit und 39% eine Verbesserung der Zufriedenheit mit der Therapie an. Die häufigsten unerwünschte Ereignisse waren Parästhesien mit 45,6%. Schlussfolgerung: Topiramat führte in einer flexiblen, am klinischen Bild orientierten Dosierung zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und der Therapiezufriedenheit bei Migränepatienten.
43% oder Ca- Kanal-Blocker, 21%). Rund 1/3 der Patienten setzten die Prophylaktika aufgrund von Nebenwirkungen (Müdigkeit (21%) und Gewichtszunahme (19%)) ab. Die mittlere Erhaltungsdosis von TPM war 96mg±39mg wobei knapp 80% der Patienten 100 mg TPM/Tag oder weniger einnahmen. Die Frequenz der Migräneattacken ging von 8,7±3,1 Migränetage/28 Tage während der prospektiven Baseline Phase auf 4,2±3,2 nach 48 Behandlungswochen zurück (p<0.00001). 55% der Patienten hatten eine mindestens 50% Reduktion ihrer Attacken, 12% der Patienten waren Migräne frei. Ein signifikanter Rückgang der Migräneintensität von 2,2±0,4 auf 2.1±0,5 wurde berichtet (p<0.01) wie auch ein Rückgang der Dauer der Migräneattacken. Beim Vergleich der Ergebnisse der 24-Wochen-Phase mit der 48-Wochen-Phase finden sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich Topiramat-Dosierung und Reduktion der Migräneattacken. Die Summenscores wie auch die Einzelscores des HIT-6 und MIDAS nahmen im Vergleich zur Baseline im Verlauf signifikant ab (HIT-6 im Mittel von 65,2 auf 55,8 und MIDAS im Mittel von 42,5 auf 17,4). Für alle Fragen zur Therapiezufriedenheit (Effektivität der Behandlung, Tolerabilität wie auch Zufriedenheit) waren die Veränderungen signifikant (p<0.00001). 72% der Patienten waren „mindestens zufrieden“ mit der Effektivität, 83% mit der Verträglichkeit und 84% insgesamt zufrieden mit der Behandlung. Das bisherige Verträglichkeitsprofil von TPM konnte bestätigt werden und hatte sich nicht von dem der Kernphase unterschieden. Schlussfolgerung: Topiramat führte zu einer andauernden Reduktion der Migräneattacken während eines 48-wöchigen Untersuchungszeitraumes, einem signifikanten Rückgang der Intensität wie auch der Dauer der Attacken. Die Lebensqualität der Patienten verbesserte sich signifikant. Diese Befunde werden durch weitere Resultate klinischer Prüfungen (z.B. PROMPT) unterstützt.
P7.11 Effektivität, Tolerabilität und Lebensqualität unter Topiramat in der Behandlung der episodischen Migräne – Ergebnisse der Follow-up Phase B. Schäuble1, L. Schmitt2, J.-P. Jansen3, R. Malessa4, M. Stumpf1, K. Bornhövd1, für die TOPMAT-MIG-3004 Studiengruppe 1 Medizin & Forschung, Janssen-Cilag, Neuss, 2 Praxis in Hamburg, 3 Praxis in Berlin, 4 Sophien- und Hufeland-Klinikum, Weimar
P7.12 Effective migraine prevention and improved quality of life with long-term topiramate therapy vs. placebo: results from PROMPT, a 12-month, randomised, controlled trial H.-C. Diener1, S. Evers2, A. Straube3, J. van Oene4, S. Schwalen5, K. Bornhövd6, B. Schäuble6, U. Reuter7 1 Universitätsklinikum Essen, 2 Universitätsklinikum Münster, 3 Universitätsklinikum Großhadern, München, 4 Janssen-Cilag EMEA, Niederlande, 5 Janssen-Cilag EMEA, Neuss, 6 Janssen-Cilag, Neuss, 7 Universitätsklinikum Campus Charité Mitte, Berlin
Einleitung: Die Bedeutung einer effektiven Migräneprophylaxe wird zunehmend erkannt und konsequent durchgeführt, da unzureichende Therapie mit einer signifikanten Einbuße an Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit assoziiert ist. Im Rahmen klinischer Prüfungen konnte die Effektivität von Topiramat gezeigt werden, doch lagen bisher nur wenige Untersuchungen zu Therapieverläufen über 24 Wochen hinaus vor. Ziel dieser Studie ist die Untersuchung der Effektivität einer Migräneprophylaxe mit Topiramat über 48 Wochen. Methodik: Offene, prospektive, einarmige klinische Prüfung (TOPMAT-MIG-3004) zur Untersuchung der Effektivität und Verträglichkeit von Topiramat in der Behandlung von Patienten mit episodischer Migräne. Nach einer 24-wöchigen Kernphase konnte die Behandlung optional um 24 Wochen verlängert werden. Primärer Zielparameter war die Änderung der Anzahl der Migränetage/ 4 Wochen im Vergleich zur prospektiven Baseline. Darüber hinaus wurden HIT-6, MIDAS sowie offene Fragen zur Therapiezufriedenheit (Wirksamkeit, Verträglichkeit, Zufriedenheit) eingesetzt und unerwünschte Ereignisse sowie Sicherheitsparameter (HF, RR, KG) erfasst. Ergebnisse: Insgesamt standen für die Kernphase die Daten von 403 Patienten zur Verfügung. Die ITT-Population erfasste in der Kernphase Daten von 360 Patienten. Von diesen wurden 187 (52%; ø Alter 43±12; 91% weiblich) in die Follow-up Phase eingeschlossen. 42% der Patienten hatten Migräne mit Aura. 54% der Patienten hatten seit mehr als 3 Jahren mindestens 3 Migräneattacken pro Monat. Rund 63% der Patienten hatten vorher eine prophylaktische Therapie (Beta-Blocker,
Background and aims: To evaluate topiramate efficacy for migraine prophylaxis beyond 6 months. Methods: After a 4–8-week baseline period, patients entered a 26-week open-label phase; topiramate was titrated from 25 to100 mg/day in weekly 25-mg steps, and could be further adjusted (range: 50–200 mg/ day). Dosing was kept stable for the last 4 weeks, and patients were randomised to continue this dose (n=254) or switch to placebo (n=258) for 26 weeks. The primary endpoint was change in number of migraine days (topiramate vs. placebo) during the last 4 weeks of the doubleblind phase relative to the last 4 weeks of the open-label phase. Results: In the open-label phase – completed by 68.3% of patients (559/818) – topiramate decreased migraine days and use of acute medication, and improved quality of life (QoL). After randomisation, the number of migraine days per 4-week period increased in the placebo group (+ 1.2) compared with sustained reduction in the topiramate group (+ 0.1; p<0.01), although substantial benefit persisted in the placebo arm. Results were similar for MIDAS score (+6.1 vs. 0.0; p<0.01), the physical component summary of the SF-12 QoL questionnaire (–3.1 vs. –0.6; p<0.001), and acute medication use (+1.1 vs. +0.2 days per 4week period; p<0.001). Topiramate was well tolerated over 12 months; adverse events were consistent with those previously observed. Conclusion: Patients who continued topiramate after 6 months experienced a sustained reduction of migraine days, with benefits on QoL, while those discontinuing topiramate experienced partial, statistically significant loss of benefit. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts P7.13 Reduktion von Migräne Auren und Attacken unter einer prophylaktischen Therapie mit Topiramat – Ergebnisse einer naturalistischen Studie M. Gerwe1, K. Bornhövd1, B. Schäuble1,2 1 Medizin & Forschung, Janssen-Cilag, Neuss, 2 TOPMAT-MIG-0001 Studiengruppe Einleitung: Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die fast doppelt so viele Frauen wie Männer betrifft. Insgesamt werden ungefähr 1/3 der Betroffen signifikant in ihrer Arbeitsfähigkeit wie auch Lebensqualität betroffen, so dass Migräneprophylaxe wichtiges Ziel einer effektiven Therapie ist. Die Wirksamkeit von Topiramat wurde in drei randomisierten, plazebokontrollierten Studien belegt, die fixe Dosierungen verwendet haben. In der vorliegenden Untersuchung soll die Effektivität der Therapie unter den Bedingungen der täglichen Praxis untersucht werden. Methoden: Interimsanalyse einer offenen, prospektiven, 24 wöchigen, einarmigen Beobachtung zur Untersuchung der Effektivität, Verträglichkeit und Veränderung der Lebensqualtät unter einer Topiramat Behandlung bei Patienten – 18 Jahre mit episodischer Migräne. Die Patienten nach Indikation zur Therapie durch den Arzt zur Baseline, nach 2, 4, 8, 12 und 24 Wochen untersucht. Veränderungen der Frequenz, Intensität, Dauer der Migräneattacken, Sicherheitsparameter, Einnahme von Akutmediaktion sowie Lebensqualitätsparameter (HIT-6) unter Topiramat Therapie wurden dokumentiert. Die Dosierung und Titration erfolgte im Ermessen des Arztes gemäß dem klinischen Bild des Patienten. Prä-post Vergleiche bezogen sich auf eine normalisierte, 4-wöchige prospektive Baseline. Zuästzlich wurden die 50%, 75% und 100% Responderraten erfasst sowie die Anzahl der Fehltage, Patienten und Ärztezufriedenheit. Die verwendeten statistischen Verfahren waren explorativ und wurden nicht für multiples Testen korrigiert. Ergebnisse: Die ITT Analyse schloss 135 Patienten ein (Sicherheitsdaten von 140 Patienten; 89% weiblich; medianes Alter 42, Bereich 18-69). Medinae Erkrankungsdauer betrug 16 Jahre (Bereich, 9-25 Jahre). 33% hatten Migräne mit Aura und 37% der Frauen berichtete eine menstruationsassoziierte Aura. Nur 43% hatten eine prophylaktische Vorbehandlung und während der 2 wöchigen prospektiven Baseline (normalisiert auf 28 Tage) hatten nur noch 5% eine prophylaktische Behandlung. Die durchschnittliche Anzahl der Migräneattacken / 4 Wochen ging von 4,9±2,7 auf 1.8±3.7 nach 24 Wochen Behandlung zurück (p<0.001). 81% der Patienten hatten mindestens eine 50% Reduktion der Attacken, 51% eine mindestens 75% Reduktion und immerhin 11% hatten keine Attacken mehr. Ein Ansprechen auf die Behandlung wurde nach 2 Wochen bereits bemerkbar, wenn ungefähr 30% eine bereits 50% Reduktion der Attacken hatten. Zusätzlich ging auch die Dauer wie auch die Intensität der Attacken zurück (p<0.001). Der Anteil der Patienten mit einer Aura ging auf 9% nach 24 Wochen zurück (p<0.001) und die mediane Dauer einer Aura ging von 27,5 Minuten / Monat auf 10,9 Minuten nach 24 Wochen zurück. Aktivitäten des täglichen Lebens, Abwesenheit von beruflichen Aufgaben, wie auch die Lebensqualität verbesserten sich respektive reduzierten sich deutlich (all p<0.001). Menstruationsassoziierte Migräne sistierte in rund 1/3 der betroffenen Frauen. 89% der Ärzte beurteilten die Effektivität als „sehr gut“ oder „gut“ und 94% beurteilten die Tolerabilität als mindestens „gut“. Bei Patienten wurden korrespondierende Beurteilungen festgestellt. 89% beurteilten die Effektivität als mindestens „gut“. 88% der Patienten wurden über den kompletten Beobachtungszeitraum dokumentiert. 12% brachen vorzeitig ab (Nebenwirkungen 5%). Nach 24 wöchiger Behandlung waren 50% der Patienten auf 50mg TPM/Tag und 31% 100mg TPM/Tag eingestellt. Schlussfolgerung: Die Behandlung mit Topiramat führte zu einer Abnahme von Migräne Attacken wie auch Migräne Tagen, die mit einer Reduktion von Akutmedikation assoziiert war. Zusätzlich kam es auch zu einer Verbesserung der Schwere wie auch Dauer der Attacken. Diese Verbesserung führte auch zu einer Zunahme der Lebensqualität der Patienten. Frauen mit einer menstruationsassoziierten Migräne erzielten ebenfalls eine signifikante Verbesserung, so dass Topiramat sich als gute therapeutische Option für diese schwierig zu behandelnde Patientengruppe anbietet.
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P7.14 Kortikale Hyperexzitabilität – eine Folge der Sensitisierung? A. Stankewitz, A. May Institut für systemische Neurowissenschaften, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Hintergrund: In den letzten Jahren wurden eine Reihe elektrophysiologischer und TMS-Studien publiziert, die das kortikale Erregungsniveau von Migränepatienten untersuchten. Der Großteil dieser Arbeiten zeigt, dass Migränepatienten, im Vergleich zu Gesunden, bei einer wiederholten Darbietung eines Stimulus dishabituieren. Ob dieses Phänomen auf einem erniedrigten oder einem erhöhten kortikalen Präaktivierungniveau basiert, wird bis dato jedoch kontrovers diskutiert. Die Annahme einer Hypoexzitabilität stützt sich wesentlich auf elektrophysiologische Befunde einer erniedrigten initialen Amplitude. Auch rTMS-Studien weisen mehrheitlich auf ein erniedrigtes Präaktivierungsniveau hin. Die Auffassung, dass Migränepatienten hyperexzitabel sind, basiert sowohl auf elektrophysiologischen Studien (CNV), als auch auf TMS-Studien, die eine erniedrigte Reizschwelle für Phosphene eruierten. Ergebnisse anderer Studien zeigten einen gegensätzlichen Effekt, der wiederum auf eine Hypoexzitabilität hindeutet. Diskussion: Die wissenschaftlichen Studienergebnisse, die das kortikale Präaktivierungsniveau von Migränepatienten untersuchten, sind kontrovers. Eine Diskussion dieser Ergebnisse im Kontext klinischer und pathophysiologischer Mechanismen ist unerlässlich. Ein wichtiger Faktor ist die Erkrankungsdauer und gegebenenfalls die Attackenfrequenz. In einer kürzlich veröffentlichten Studie fand sich eine positive Korrelation der Exzitabilitätsparameter mit der Chronifizierung der Erkrankung. Wichtig ist, dass ein Habituationsdefizit nicht spezifisch für die Migräne ist, sondern auch bei Patienten mit anderen Erkrankungen (Tinnitus oder chronische Rückenschmerzen) vorkommt. Chronische Erkrankungen gehen demnach vermutlich allgemein mit einer erhöhten Exzitabilität einher, die eventuell in einer Sensitisierung begründet ist. Unterschiedliche Ergebnisse der bisher publizierten Arbeiten zur Migräne sind daher nur zum Teil methodisch erklärbar, andere Parameter spielen eventuell eine größere Rolle. So handelt es sich bei der Migräne um eine Erkrankung die in circadianen und circannualen Rhythmen verläuft und von einer Vielzahl externer und intrinsischer Faktoren beeinflusst wird. Eventuell ist die Diskussion um Hyper- oder Hypoexzitabilität der Migräne verfehlt, da diese elektrophysiologischen Phänomene vermutlich Folge einer Sensitisierung/ Chronifizierung und nicht spezifisch für die Migräne Erkrankung sind. P7.15 Visuell evozierte Potentiale nach Doppelpuls-Stimulation bei Migränepatienten P. Stude, O. Höffken, H. Dinse, M. Bach, M. Tegenthoff Neurologische Universitätsklinik, BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum, Institut für Neuroinformatik Theoretische Biologie, Ruhr-Universität Bochum, Univ.-Augenklinik Freiburg, Freiburg, Migräne ist eine Erkrankung, bei der eine Fehlregulation kortikaler Aktivität im zentralen Nervensystem eine wichtige Rolle spielt. In zahlreichen Untersuchungen multimodal-evozierter Potentiale konnte eine verminderte Habituierung während wiederholter Stimulation interiktal nachgewiesen werden. In eigenen Voruntersuchungen wurde systematisch ein neues Doppelpuls-Stimulations-Verfahren entwickelt und an gesunden Probanden evaluiert. Ziel der nun vorliegenden Studie war es, das Doppelpuls-Verhalten der visuell evozierten Potentiale (VEP) im Hinblick auf eine Alteration der visuellen Verarbeitung an Migränepatienten zu untersuchen. Hierzu wurden bei 12 Patienten mit Migräne ohne Aura (nach IHS-Klassifikation) im migränefreien Intervall Doppelpuls-VEPs unterschiedlicher Interstimulusintervalle (ISI) abgeleitet und mit 12 alters- und geschlechtsgematchten Kontrollprobanden verglichen. Analyseparameter waren: Das „Amplituden-Verhältnis“ zwischen zweitem und erstem Peak sowie das „Intervall-Verhältnis“ zwischen Interpeaklatenz und ISI. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wiesen Patienten mit Migräne signifikant höhere Amplituden-Verhältnisse bei kürzeren ISIs auf. Weiterhin
trat das Maximum der Amplituden-Verhältnisse bei kürzeren ISIs im Vergleich zur gesunden Vergleichsgrupe auf. Bei Patienten mit Migräne zeigten sich deutliche Unterschiede in der kortikalen Antwort auf visuelle Doppelpuls-Stimulation. Hierbei könnte das höhere Amplituden-Verhältnis Ausdruck einer verminderten Suppression darstellen, entsprechend einer vergrößerten kortikalen Exzitabilität. Somit kann davon ausgegangen werden, dass das hier vorgestellte Verfahren ebenfalls in der Lage ist, kortikale Exzitabilität im visuellen Kortex zu messen. Der Wert dieses elektrophysiologischen Verfahrens in der Untersuchung therapeutischer Effekte in der Migräneprophylaxe soll in weiteren Studien untersucht werden.
P8 Kopfschmerz II P8.1 Verlauf von lang anhaltenden Kopfschmerzen bei Auszubildenden – Ergebnisse einer 1-Jahres-Verlaufsuntersuchung A. Bergs, A. K. von Hielmcrone, F. Napp, B. Pfitzer, M. Schlottmann, P. Schmucker, A. Roth-Isigkeit Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Fragestellung: Es gibt derzeit nur wenige Informationen über den Verlauf von lang anhaltenden Kopfschmerzen bei Auszubildenden. Zielsetzung dieser Studie war es, Verlaufsmerkmale (Dauer, Auftretenshäufigkeit, Schmerzintensität) von lang anhaltenden Kopfschmerzen zu untersuchen. Methodik: Der Lübecker Schmerz-Screening-Fragebogen wurde zu zwei Befragungszeitpunkten im Abstand eines Jahres Auszubildenden an Lübecker Gewerbeschulen zur Beantwortung vorgelegt. Von N=1756 Auszubildenden lagen von beiden Erhebungszeitpunkten auswertbare Fragebögen vor. Auszubildende, welche zum Zeitpunkt T1 als Hauptbeschwerde Kopfschmerzen mit einer Dauer länger als 12 Monate angaben, bildeten die Ausgangsstichprobe. Ergebnisse: Die Prävalenz von Kopfschmerzen einer Dauer länger als 12 Monate zum Zeitpunkt T1 betrug 14,9% (N=261). Bei N=148 (56,7%) dieser Auszubildenden bestand eine Symptomstabilität der Schmerzbeschwerden hinsichtlich Lokalisation und Dauer zu T2. N=92 dieser 148 Auszubildenden mit Symptomstabilität (62,2%) gaben zu T1 an, ihre Kopfschmerzen einmal pro Woche oder häufiger zu haben. Zu T2 wurde diese Auftretenshäufigkeit noch von N=69 (75%) dieser Auszubildenden angegeben. Eine Auftretenshäufigkeit ihrer Beschwerden bis zu 2-3mal im Monat zu T1 wurde von N=56 (21,5%) Auszubildenden mit Symptomstabilität angegeben. Von diesen berichteten N=13 (23%) zum Zeitpunkt T2, ihre Kopfschmerzen einmal pro Woche oder häufiger zu haben. N=77 der 148 der Auszubildenden mit Symptomstabilität (52%) gaben zum Zeitpunkt T1 eine Schmerzintensität (VAS 1-10) zwischen 7-10 an. Zum Zeitpunkt T2 berichteten von diesen Auszubildenden noch N=41 (53,2%) eine Schmerzintensität ihrer Beschwerden in diesem Bereich. Bei N=36 (46,8%) lag die selbstberichtete Schmerzintensität zwischen VAS 4-6. Schlussfolgerungen: Bei Auszubildenden mit lang anhaltenden Kopfschmerzen bestand bei über der Hälfte der Betroffenen eine Symptomstabilität über den Verlauf von 1 Jahr. Drei Viertel der Auszubildenden mit Symptomstabilität berichteten auch nach 1 Jahr eine Auftretenshäufigkeit ihrer Beschwerden einmal pro Woche oder häufiger. Diese Verlaufsergebnisse geben Hinweise auf Chronifizierungsprozesse bei Auszubildenden mit lang anhaltenden Kopfschmerzen. P8.2 Erfahrungsbericht Integrierte Versorgung Kopfschmerz am Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum München – Psychologische Diagnostik J. Felbinger, V.-M. Reinisch, P. Sostak, A. Straube Abteilung für Neurologie der Universität München, Klinikum Großhadern, München Wie bei allen chronischen Schmerzen spielen auch bei Kopfschmerzen psychologische Faktoren eine große Rolle bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Chronifizierung. Um eine erfolgreiche Behandlung ge-
währleisten zu können, findet im Rahmen der Integrierten Versorgung daher am Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum neben der medizinischen Untersuchung regelhaft eine psychologische Diagnostik statt. Von Beginn der Integrierten Versorgung chronischer Kopfschmerzen am Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum in München im September 2006 bis heute haben ca. 160 Patienten dieses besondere Behandlungsangebot in Anspruch genommen. Neben dem psychologischen Anamnesegespräch kommen psychometrische Verfahren zum Einsatz, um eine valide Diagnose zu gewährleisten. Dabei bearbeiten die Patienten mittlerweile die deutsche Version der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D), einen Selbstbeurteilungsbogen von Angst und Depressivität, den SF-12, einen Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand sowie den FW-7, einen Fragebogen zum Wohlbefinden. Zur Erfassung der Schmerzbeeinträchtigung wird die Stadieneinteilung nach v. Korff verwendet. Bei der Auswertung von 109 gültigen Datensätzen (98 Frauen, Durchschnittsalter = 44) des HADS-D zeigte sich, dass 15 Patienten (13,76%) auf der Depressionsskala Werte im Grenzbereich erzielten sowie 11 Patienten (10,09%) einen auffälligen Wert erreichten. Betrachtet man die HADS-Angstskala ergaben sich deutliche höhere Werte sowohl im Grenzbereich als auch im auffälligen Bereich. 33 Datensätze (30,27%) führten zu Werten zwischen 8 und 10, lagen also im Grenzbereich. Bei 18 Patienten (16,51%) lag das Ergebnis im auffälligen Bereich. Die durchschnittliche Bewertung ihres Gesundheitszustandes durch die Kopfschmerzpatienten (N=36, 33 Frauen, Durchschnittsalter = 39) mit dem SF-12 lag auf beiden Skalen unter dem Mittelwert der Normstichprobe, wobei ein höherer Wert einen besseren Gesundheitszustand anzeigt. Bei der körperlichen Summenskala befindet sich der Normstichprobenwert bei 49,03, der Wert der Kopfschmerzpatienten bei 41,23. Auf der psychischen Summenskala erreichte die Kopfschmerzgruppe einen Wert von 45,28, während der Normwert bei 52,24 liegt. Anhand dieser und weiterer Ergebnisse wird die Notwendigkeit einer interdisziplinären Behandlung, die auch eine psychologische, verhaltenstherapeutische Betreuung umfasst, von Kopfschmerzpatienten deutlich, wie sie am Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum am Klinikum Großhadern in München durch die Kombination von medizinischer und psychologischer Betreuung sowie physiotherapeutischer Diagnostik praktiziert wird. P8.3 Kopfschmerzen bei HIV-positiven Patienten M. Fischera, S. Evers, M. Qurban, I. W. Husstedt Abteilung Neurologie Universitätsklinikum Münster Zweck: Zusammenhang zwischen HIV-Erkrankung und Kopfschmerzen Methoden Erhebung der Kopfscherzanamnese bei HIVpositiven Patienten, die in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Münster zwischen 2004 und 2007 stationär behandelt wurden. Ergebnisse: Unter den 53 (44 Männer, 9 Frauen) untersuchten HIVpositiven Patienten fanden sich 21 (40%), die bereits vor der HIV-Erkrankung unter Kopfschmerzen litten, 32 (60%) gaben keine Kopfschmerzen an. Nach Diagnosestellung waren nur noch 12 (23%) Patienten kopfschmerzfrei, 8 klagten über eine Zunahme der Kopfschmerzstärke (38%). Die Kopfschmerzen wurden meist als dumpf-drückend oder stechend im Stirnbereich lokalisiert beschrieben. Bei 17 Patienten bestand eine positive Familienanmnese für Kopfschmerzen, aber nur bei 5 war jemals eine Kopfschmerzdiagnose gestellt worden, davon dreimal die Diagnose Migräne. Nur 14 Patienten kamen ohne Kopfschmerzmedikation aus, bei 25 trat eine Beschwerdebesserung in Ruhe und nach Schlaf auf. Schlussfolgerungen: Bei HIV-positiven Patienten treten häufig Kopfscherzen im Laufe der HIV-Erkrankung auf; bereits bestehende oft in verstärkter Intensität. Dies stellt einen erheblichen Leidensdruck für die Patienten da und wird heute nur unzureichend von den behandelnden Ärzten wahrgenommen. Ätiologisch liegen den Kopfschmerzen nicht selten eine psychosoziale Belastung durch die HIV-Erkrankung Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts zugrunde, jedoch können die Kopfschmerzen auch Warnsymptom für eine organische Folgeerkrankung (z.B. Toxoplasmose) oder eine unerwünschte Arzneimittelwirkung der HAART (high active antiretroviral therapy) sein. P8.4 Orofaziale Manifestation von Migräne und Clusterkopfschmerz C. Gaul1,2,3, D. A. Ettlin2, P. S. Sandór3 1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2 Klinik für Kaufunktionsstörungen, abnehmbare Rekonstruktionen, Alters- und Behindertenzahnmedizin, ZZMK, Universität Zürich 3 Neurologische Klinik Universität Zürich Üblicherweise werden von Patienten mit Migräne oder Clusterkopfschmerz „Kopfschmerzen“ und Begleitsymptome beklagt. Die Kombination aus charakteristischem Schmerz, zeitlichem Verlauf und Begleitsymptomen ergibt ein klinisches Bild, dass Grundlage der diagnostischen Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft ist. In seltenen Fällen können beide Erkrankungen jedoch als Gesichtschmerz mit der Lokalisation des Schmerzes im 2. oder 3. Ast des N. trigeminus bei ansonsten typischem klinischen Bild auftreten. Aufgrund der untypischen Schmerzlokalisation kommt es dann zur Verzögerung der korrekten Diagnose, gehäuft zahnärztlichen und anderen frustranen Therapieversuchen. Anhand von je zwei Patienten mit Clusterkopfschmerz und Migräne wird auf diese ungewöhnlichen Krankheitsbilder aufmerksam gemacht. Differentialdiagnostisch müssen unter anderem der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz („atypischer Gesichtsschmerz“) und eine kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD) bedacht werden. Das Ansprechen auf die Standardtherapien gegen Migräne und Clusterkopfschmerz unterstützt die Diagnose. Der Nachweis von Neurotransmittern in der Zahnpulpa, die auch in der Pathogenese des Migränekopfschmerzes relevant sind (u.a. Substanz P, CGRP) sowie die anatomisch begründetet zentrale Konvergenz der Trigeminusäste sind mögliche Erklärungen für diese Krankheitsbilder. Die Abgrenzung und Beschreibung solcher ungewöhnlicher Manifestationsformen primärer Kopfschmerzen ist sinnvoll, da sie in der Klassifikation der IHS (ICHD-II) bislang nicht berücksichtigt sind. Dadurch können lange Latenzzeiten bis zur Stellung der korrekten Diagnose und inadäquate Behandlungsversuche vermieden werden P8.5 Kopfschmerzprävalenzen bei deutschen Ärzten I. Glavina, J. Kraan, G. G. Ostkirchen, H.-C. Diener Universität Duisburg-Essen, Medizinische Fakultät, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen In einer amerikanischen Studie (Silberstein et al., 2003) wurde nachgewiesen, dass Neurologen eine höhere Lebenszeitprävalenz für Migräne haben als die Normalbevölkerung. Diese Studie stellt den Versuch dar, diese Daten für Deutschland zu replizieren. Außerdem wurde untersucht, ob operativ tätige Ärzte häufiger unter Kopfschmerzen leiden als konservativ tätige Ärzte und ob Neurologen unter den konservativ Tätigen am häufigsten betroffen sind. Stichproben: Normalbevölkerung N=6000, Ärzte N=1667 (mit 215 Neurologen und 1086 anderen konservativ tätigen Ärzten). N=1466 Teilnehmer im Alter von 35 bis 45 Jahren (855 Normalbevölkerung <48,0%♂ vs. 52,0%♀>, 611 Ärzte <66,8%♂ vs. 33,2♀>) wurden bezüglich ihrer Kopfschmerzerfahrungen verglichen. Die statistischen Analysen wurden mit Hilfe von SPSS.14 durchgeführt. In der Normalbevölkerung wurden mehr Kopfschmerzen beobachtet als unter Ärzten (crosstabs, x2=51.188, df=1, p<.001). Operativ und konservativ tätige Ärzte unterscheiden sich nicht in der Häufigkeit des Auftretens von Kopfschmerzen. Neurologen berichten häufiger über Kopfschmerzattacken als andere konservativ tätige Ärzte (x2=10.514, df=1, p=.001). Die Normalbevölkerung jedoch hat häufiger Migräneattacken als Neurologen (x2=28.932, df=1, p<.001). Die von Silberstein et al. berichteten Daten konnten für Deutschland nicht repliziert werden. Sowohl Migräneattacken als auch andere Kopf-
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schmerzen sind in der Ärztegruppe seltener als in der Normalbevölkerung. Neurologen sind vulnerabler für Kopfschmerzen als andere konservativ tätige Ärzte. P8.6 Thunderclap headache durch Kleinhirninfarkt G. Gossrau1, C. Dannenberg2, R. Sabatowski3 1 Universitätsschmerzzentrum, Klinik für Neurologie, Universitätsklinik Dresden, 2 Abteilung für Neuroradiologie, Universitätsklinik Dresden, 3 Universitätsschmerzzentrum, Klinik für Anästhesie, Universitätsklinik Dresden Der thunderclap headache ist ein hyperakuter Kopfschmerz von sehr starker Schmerzintensität. Oft ist er das erste Zeichen einer lebensbedrohlichen neurovaskulären Erkrankung. Wir beschreiben den Fall eines 38-jährigen Mannes, welcher einen thunderclap headache als isoliertes klinisches Symptom aufwies. Die klinische Untersuchung zeigte keine weiteren fokalen, motorischen oder sensiblen Ausfälle. Routineblutuntersuchung, zerebrale Computertomographie mit arterieller und venöser Gefäßdarstellung sowie Liquoranalyse erbrachten keine pathologischen Resultate. Ein zerebrales MRT zum Ausschluß eines symptomatischen thunderclap headache zeigte einen ischämischen Kleinhirninfarkt rechts. Dieser Fall verdeutlicht die Notwendigkeit eines zerebralen MRT zur Einordnung eines neu aufgetretenen thunderclap headache auch dann wenn die neurologisch klinische Untersuchung, die zerebrale Computertomographie und die Liquoranalyse normal sind. P8.7 Idiopathischer Gesichtsschmerz und Zahnextraktion – drei Fallbeispiele K. Große, R. Sabatowski, P. Joraschky UniversitätsSchmerzCentrum (USC), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden, 2 Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz wird entsprechend der IHS-Klassifikation als ein unilateraler Dauerschmerz charakterisiert, der sich schlecht lokalisieren lässt. Seine Pathogenese ist unklar. Aufgrund des Facettenreichtums dieses Schmerzes gibt es bisher keine verlässlichen Daten zu Inzidenz, Prävalenz und Spontanverlauf. 70 bis 80% der Patienten sind Frauen im Alter von 40 bis 46 Jahren. Die Betroffenen werden meist von Zahnärzten behandelt. Hier erfolgen in der Regel umfassende Diagnostik und verschiedene Eingriffe. Wir berichten über drei Patienten mit jahrzehntelangen unspezifischen Zahn- und Gesichtsschmerzen. Diese wurden unter der Diagnose „Zahnschmerz“ ausgedehnten zahnärztlichen Behandlungen (multiple Zahnextraktionen, Implantate, Prothesen) unterzogen. Aufgrund persistierender Beschwerden und hinzutretender Komorbiditäten wurde jetzt erstmalig eine psychosomatische Diagnostik eingeleitet. Bei den Patienten konnten ausgeprägte depressive und ängstliche Störungen, zwanghafte Persönlichkeitsmerkmale und somatoforme Schmerzstörungen festgestellt werden. Allen drei Patienten wurden Empfehlungen zu einer komplexen psychosomatischen Therapie gegeben. Fazit: Bei Verdacht auf idiopathischen Gesichtsschmerz sollte vor Einleitung invasiver Therapiemaßnahmen eine psychosomatische Abklärung durchgeführt werden. P8.8 Modulation des nociceptiven Systems durch Tiefenhirnstimulation des posterioren Hypothalamus bei Clusterkopfschmerz T. Jürgens, V. Busch, M. Leone, E. Mea, A. Proietti Cecchini, W. Schulte-Mattler, A. May Klinik für Neurologie der Universität Regensburg, Deutschland; Istituto Nazionale Neurologico „Carlo Besta“, Milano, Italien; Institut für Systemische Neurowissenschaften, Universitätsklinikum Eppendorf, Universität Hamburg, Deutschland Einleitung: Die klinische Effektivität der Tiefenhirnstimulation (DBS) des posterioren Hypothalamus bei therapierefraktärem chronischem Clusterkopfschmerz konnte in zahlreichen Vorstudien gezeigt werden [1, 2]. An einem kleinen Kollektiv von Patienten mit DBS des posteri-
oren Hypothalamus konnten signifikant veränderte Schwellen für elektrischen Schmerz und Druckschmerz gefunden werden [3]. Zudem konnten in Voruntersuchungen an nicht stimulierten Clusterpatienten pathologisch veränderte thermale Schwellen gefunden werden [4,5]. Ziel der Studie: 1. Welchen Effekt hat kurzfristiges Abschalten des Stimulators auf die thermalen Schwellen? 2.Gibt es im Gruppenvergleich Unterschiede zwischen Patienten mit einer DBS des posterioren Hypothalamus im Vergleich zu chronischen Clusterkopfschmerzpatienten ohne DBS sowie gesunden Probanden? Methoden: Es wurden 3 Gruppen untersucht: Patienten mit unilateraler DBS des posterioren Hypothalamus bei therapierefraktärem Clusterkopfschmerz (CCK-DBS, n=11), chronische Clusterkopfschmerzpatienten ohne DBS und einseitigen Attacken unter der laufenden Medikation (CCK, n=15) sowie gesunde Probanden (K, n=29). Die Empfindungs- und Schmerzschwellen für warme und kalte Reize wurden an folgenden Stellen beidseits gemessen: supraorbital (V1), an den Unterarmen sowie den Unterschenkeln. In der Gruppe der DBSPatienten wurden die Schwellen für die Bedingung „Stimulator an“ und „Stimulator aus“ (kurzfristiges Ausschalten) gemessen. Ergebnisse: Ein kurzfristiges Ausschalten des Stimulators hatte keinen Effekt auf die Empfindungs- und Schmerzschwellen. Im Gruppenvergleich zwischen allen 3 Gruppen zeigten sich in der Gruppe der CCKDBS (unabhängig einer derzeitigen Stimulation) im Vergleich zu den CCK und den K zum einen bilateral signifikant erhöhte Empfindungsschwellen für kalte Reize an allen Messorten. Zudem konnte bei diesen eine signifikant erhöhte Schwelle für kalte Schmerzreize über V1 ipsilateral zur Seite des Stimulators gefunden werden. Diskussion: Kurzzeitiges Ausschalten des Stimulators beeinflusst die Empfindungs- und Schmerzschwellen nicht. Diese Beobachtung entspricht klinischen Beobachtungen, dass Attacken erst Tage bis Wochen nach dem Ausschalten des Stimulators wieder auftreten. Der längerfristige Effekt der Stimulation führt zu einer bilateralen Thermhypästhesie, während Schmerzschwellen nur unilateral verändert sind. Die Langzeitstimulation scheint dabei einen größeren Effekt auf die Schwellenwerte zu haben, als die Erkrankung an sich, da sich die CCK diesbezüglich nur unwesentlich von den K unterschieden. 1. Leone M, Franzini A, Bussone G. Stereotactic stimulation of posterior hypothalamic grey matter in a patient with intractable cluster headache. N Engl J Med 2001; 345: 1428-1429. 2. Leone M, Franzini A, Broggi G, Mea E, Cecchini AP, Bussone G. Acute hypothalamic stimulation and ongoing cluster headache attacks. Neurology 2006, 67:1844-1845. 3. Schoenen J, Di Clemente L, Vandenheede M, Fumal A, De Pasqua V, Mouchamps M, Remacle JM, de Noordhout AM. Hypothalamic stimulation in chronic cluster headache: a pilot study of efficacy and mode of action. Brain 2005;128: 940-947. 4. Ellrich J, Ristic D, Yekta SS. Impaired thermal perception in cluster headache. J Neurol 2006; 253:1292-1299. 5. Ladda J, Straube A, Forderreuther S, Krause P, Eggert T. Quantitative sensory testing in cluster headache: increased sensory thresholds. Cephalalgia 2006; 26:1043-1050. 6. May A, Leone M, Boecker H, Sprenger T, Juergens T, Bussone G, Tolle TR. Hypothalamic deep brain stimulation in positron emission tomography. J. Neurosci. 2006; 26:3589-93. P8.9 Eine bislang wenig bekannte gutartige Kopfschmerzerkrankung – Nummular headache: Münzkopfschmerz T. Kraya, C. Gaul Kopfschmerzambulanz; Klinik und Poliklinik für Neurologie; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg „Nummular Headache“ bezeichnet einen neu definierten eng umschriebenen in Attacken auftretenden Kopfschmerz in einem münzgroßen Areal (Münzkopfschmerz). Bislang wird die Erkrankung im Anhang der Klassifikation der International Headache Society (ICHDII) geführt, da die Abgrenzung als eigenständiges Erkrankungsbild
noch in der Diskussion ist. Über die Epidemiologie dieses seltenen primären Kopfschmerzes ist nichts bekannt. Wir berichten über zwei Patienten mit Nummular headache die in unserer Kopfschmerzambulanz behandelt werden. Charakteristisch ist ein wiederkehrender Kopfschmerz in einem eng umschriebenen Areal (ca. 2-6 cm). Die Schmerzintensität wird als mild bis moderat, der Schmerzcharakter als drückend, aber auch pulsierend angegeben. Die Lokalisation des Schmerzareals wurde in den meisten Fällen parietal sowie rechts beschrieben. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Bei einem Teil der Patienten besteht während oder zwischen den Attacken eine sensible Störung im Sinne einer Hypästhesie, Hyperalgesie und Allodynie. Bei einem Patienten wurden autonome Symptome berichtet. Die Pathophysiologie ist ungeklärt und es wird in der Literatur über unterschiedliche Therapieansätze berichtet. Wir betreuen eine 65 jährige Patientin, die auf eine Therapie mit Clomipramin ansprach und einen 45 jährigen Mann, der von progressiver Muskelrelaxation profitierte. P8.10 Suboccipitale Injektion von Corticosteroiden und Lokalanästhetika bei Clusterkopfschmerzen: Drei Kasuistiken S. Lanz, D. Boujong, N. Grießinger, R. Sittl, K. Ulrich Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Erlangen Einleitung: Bei der Behandlung von Patienten mit Clusterkopfschmerzen fällt der Kopfschmerz-Prophylaxe eine entscheidende Rolle zu. Umso problematischer sind therapierefraktäre Fälle, in denen konventionelle pharmakotherapeutische Maßnahmen zu keiner Kopfschmerzreduktion führen. So möchten wir kasuistisch über unsere Erfahrungen mit dem Einsatz einer suboccipitalen Injektion von Corticosteroiden und Lokalanästhetika bei drei therapierefraktären Clusterkopfschmerz-Patienten berichten. Kasuistiken: Wir behandelten drei männliche Patienten im Alter von 46 (Patient Nr. 1), 47 (Nr. 2) und 51 (Nr. 3) Jahren, die seit 6 bis 8 Jahren unter episodischen (Nr. 2) bzw. chronischen (Nr. 1 und Nr. 3) Clusterkopfschmerzen litten. Bei allen Patienten entschieden wir uns, in Anlehnung an eine 2005 durchgeführte Studie (1) eine suboccipitale Infiltration im Bereich der Austrittspunkte der Nn. occipitales majores beidseits durchzuführen. Die Injektion erfolgte in der Mitte zwischen Prozessus mastoideus und Protuberantia occipitalis externa mit einer Injektionstiefe bis knapp vor das Os occipitale. In leichter Modifikation der als Vorlage dienenden Studie (1) verwendeten wir hierbei 4 mg Betametason in Depotform, 4 mg Dexamethason in schnell freisetzender Form und 1 ml 1% Scandicain. Es folgte hierauf eine Beobachtungszeit von drei Wochen. Auf die Injektion zu beziehende Nebenwirkungen konnten während dieser Zeit nicht beobachtet werden. Verlauf bei Patient Nr. 1: Die im Vorfeld durchgeführte Prophylaxe mit Lithium (nach Spiegel), Valproat (nach Spiegel) und Prednisolon (bis 250 mg/d) hatte keinen und die Einnahme von Melatonin (12 mg/d) einen nur geringen Effekt. Die Attackenfrequenz vor Durchführung der Injektion betrug durchschnittlich drei pro Tag. Leichte Attacken konnten mit reinem Sauerstoff und starke Attacken mit 6 mg Sumatriptan subcutan coupiert werden. Nach der suboccipitalen Injektion traten keine weiteren Clusterkopfschmerz-Attacken in dem Beobachtungszeitraum auf. Der Einsatz von reinem Sauerstoff oder Sumatriptan war somit seit der Injektion nicht mehr nötig. Verlauf bei Patient Nr. 2: Die Prophylaxe aus Lithium (nach Spiegel), Valproat (nach Spiegel) und Prednisolon (bis 250 mg/d) hatte keinen und die Einnahme von Topiramat (150 mg/d) einen nur geringen Effekt. Die Attackenfrequenz vor Durchführung der Injektion betrug durchschnittlich fünf pro Tag. Leichte Attacken konnten mit reinem Sauerstoff coupiert werden, bei starken Attacken wurde anfangs 5 mg Zolmitriptan nasal eingesetzt, jedoch nach Auslösung eines akuten Koronarsyndroms auf 200 µg bis 400 µg Fentanyl in transmukosaler Form (Actiq®) umgestellt, das vorübergehend täglich und mit schmerzreduzierendem Effekt verwendet wurde. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Nach der suboccipitalen Injektion wurde über zwei Tage hinweg ein Sistieren der Kopfschmerzen beobachtet, gefolgt von erneuten, aber selteneren und deutlich leichteren Attacken, die nun immer mit Sauerstoff behandelbar waren. Transmukosales Fentanyl (Actiq®) musste nicht mehr verwendet werden. Die Wirkung hielt eine Woche lang, so dass wir bei diesem Patienten die Infiltration in wöchentlichen Abständen wiederholten. Verlauf bei Patient Nr. 3: Die im Vorfeld durchgeführte Prophylaxe mit Lithium (nach Spiegel), Valproat (nach Spiegel) und Prednisolon (bis 250mg/d) hatte keinen und die Einnahme von Verapamil (950mg/d) einen nicht ausreichenden Effekt. Täglich traten vor Durchführung der Injektion durchschnittlich drei Attacken auf, meist davon eine Attacke tagsüber, bei der der Patient reinen Sauerstoff verwendete und zwei Attacken nachts, bei denen 6mg Sumatriptan subcutan eingesetzt wurde. Nach der suboccipitalen Injektion trat nach einem Sistieren der Attacken über zwei Tage hinweg der Kopfschmerz mit reduzierter Attackenfrequenz (eine Attacke pro Tag) auf. Seitdem wurde im Durchschnitt einmal pro Tag Sumatriptan eingesetzt. Schlussfolgerung:Die geschilderten Fälle demonstrieren, dass durch die suboccipitalen Injektion von Corticosteroiden und Lokalanästhetika Cluster-Kopfschmerzen reduziert werden können. Sie zeigen, dass diese Maßnahme auch bei weitgehend therapierefraktären Fällen erfolgversprechend sein kann. Als wesentliche Vorteile sind die geringe Nebenwirkungsrate, die einfache Handhabung und die schnelle Durchfürbarkeit zu nennen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme wurde in bislang einer placebokontrollierten Studie belegt (1). Auch hier wurde eine Kombination aus Corticosteroiden (Betamethason) in Depotform und in schnell freisetzender Form verwendet, da sich diese in offenen Studien bewährt hatte (1). In einer weiteren Untersuchung, bei der die Wirkung der suboccipitalen Injektion bei verschiedenen Kopfschmerzformen überprüft wurde, fand man bei Clusterkopfschmerzen vergleichsweise höhere Ansprechraten (2). Weitere Studien erscheinen erforderlich, insbesondere um zu klären, in welchem Ausmaß neben dem lokalen Effekt systemische Medikamenteneinflüsse zu der Wirkung beitragen, ob die gewählte Medikamentenkombination entscheidende Vorteile gegenüber einer Monotherapie bietet und ob Unterschiede zwischen lang- und kurzwirksamen Lokalanästhetika bzw. Corticosteroiden bestehen. 1. Ambrosini A. et al. Suboccipital injection with a mixture of rapid- and long-acting steroids in cluster headache: A double-blind placebo-controlled study. Pain 2005; 118 (1-2): 92-96. 2. Afridi S.K. et al. Greater occipital nerve injection in primary headache syndromes – prolonged effects from a single injection. Pain 2006; 122 (1-2): 126-129. P8.11 Botulinumtoxin-A zur Behandlung von Clusterkopfschmerzen: eine offene Studie P. Sostak, P. Krause, S. Förderreuther, V. M. Reinisch, A. Straube Klinikum der LMU-München/Klinikum Großhadern, Neurologische Klinik und Poliklinik Bei Clusterkopfschmerzen (CH) handelt es sich um ein relativ seltenes primäres Schmerzsyndrom, das mit schwersten Kopfschmerzattacken einhergeht. Zur prophylaktischen Therapie stehen Substanzen wie Verapamil, Topiramat oder Lithium zur Verfügung. Es gibt jedoch eine Untergruppe von Patienten, die therapierefraktär gegenüber den üblichen medikamentösen Therapien ist. Basierend auf dem pathophysiologischem Konzept der neurogenen Entzündung bei Migräne und Clusterkopfschmerzen, stellt Botulinumtoxin-A (BTX-A) ein neues Behandlungsprinzip für beide Kopfschmerzsyndrome dar. Anders als bei Migräne liegen aber nur Einzelfallberichte zum Einsatz von BTX-A in der Prophylaxe von CH vor. Das Ziel dieser offenen Single-Center Studie war es systematisch die Effektivität und Verträglichkeit von BTX-A zur prophylaktischen Behandlung von Clusterkopfschmerzen als Add-on zu untersuchen. Zwölf
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männliche Patienten mit episodischen (n=3) oder chronischen (n=9) CH, bei denen gängige Prophylaktika nicht wirksam waren, wurden mit einer kumulativen Dosis von 50 Internationalen Einheiten BTXA behandelt. BTX-A wurde nach einem standardisiertem Injektionsschema in die perikranielle Muskulatur ipsilateral zur Kopfschmerzseite appliziert. Bei einem Patienten mit chronischen CH sistierten die Attacken völlig und bei zwei Patienten verbesserten sich die Attackenfrequenz und -intensität um mindestens 50%. Bei einem weiteren Patienten mit chronischen CH waren die Clusterattacken unverändert, jedoch konnte ein begleitender einseitiger ipsilateraler occipitaler Dauerkopfschmerz deutlich reduziert werden. Die Verträglichkeit von BTX-A war hervorragend. Zusammenfassend weisen unsere Ergebnisse daraufhin, dass BTX-A die prophylaktischen Therapieoptionen von chronischen CH möglicherweise wirksam ergänzen kann. P8.12 Die Pävalenz des Rechts-Links-Shunts bei Clusterkopfschmerz O. Summ, N. Heinemann, M. Marziniak, K. Biehl, N. Gregor, S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster In mehreren klinischen Studien wurde festgestellt, dass die Prävalenz eines Rechts-Links-Shunts (RLS) bei Migränepatienten mit Aura signifikant erhöht ist (bis zu 50%). Ähnliche Ergebnisse zeigten Studien an kleinen Gruppen von Clusterkopfschmerz (CH) Patienten. Es wurden RLS-Prävalenzen von 36.8% bis 42.5% festgestellt. Die pathomechanische Verbindung dieser Ergebnisse mit der trigeminalen Schmerzperzeption ist noch nicht geklärt. Wir führen eine Studie zur Prävalenz des Rechts-Links-Shunts bei CH-Patienten durch. Bisher untersuchten wir 55 Patienten (6 w / 49 m) mittels kontrastmittelunterstützter transkranieller Dopplersonographie (cTCD). Die Diagnose CH wurde nach den Kriterien der IHS gestellt. Das durchschnittliche Alter der untersuchten Probanden beträgt 48.8 Jahre. Ein RLS wurde in 32.7% der Probanden detektiert. Die Daten einer entsprechenden Kontrollgruppe werden aktuell in unserem Labor erhoben. Im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe, wo die Prävalenz des RLS etwa 25% beträgt stellten wir eine erhöhte Prävalenz fest. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit den bisherigen Studienergebnissen. Zur weiteren Analyse werden die Daten auf Zusammenhänge zwischen CH-Typ (chronisch/ episodisch), Shuntvolumen und Beginn des CH geprüft. P8.13 Behandlung chronifizierter orofazialer Schmerzsyndrome in zahnärztlichen Abteilungen deutscher Universitätskliniken: Ein Survey S. Wirz1, R. K. Ellerkmann1, M. Schenk2, J. Nadstawek1 1 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, 2 Klinik Havelhöhe, Berlin Ziel: Dieses Surveys war die Erfassung der in zahnärztlichen Abteilungen deutscher Universitätskliniken angewandten Verfahrensweisen bei Patienten mit chronifizierten orofazialen Schmerzsyndromen (COS). Methoden: An die zahnärztlichen Kliniken aller 42 deutschen Universitäten ergingen standardisierte Fragebögen, in denen demographische, medizinische, ätiologische und behandlungsassoziierte Merkmale der Patieneten eines Zeitraumes von drei Monaten erfasst wurden. Results: Der Rücklauf betrug nach dreimaligem „reminding“ 19 Kliniken mit insgesamt 34 242 behandelten Patienten. Davon konnten 1 767 Patienten mit COS mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten identifiziert werden (5.2%). Diese waren zumeist weiblichen Geschlechts (64%), zwischen 20 bis 59 Jahre alt (76%). 66.3% wiesen häufige Arztwechsel und 29.5% psychologische Beeinträchtigungen auf. Häufigste Diagnosen waren TMD, atypische Odontalgie und atypischer Gesichtsschmerz (83.4%). Ätiologische Faktoren waren vorangegangene chirurgische Eingriffe oder Trauma (52.4%), musculoskelettale Ursachen (24.2%), prothetische Probleme (11.4%) oder psychosomatische Ursachen (11.7%). 25% der Patienten wiesen ein zusätzliches zweites Schmerzsyndrom auf. Die Rate suffizienter Schmerztherapien stieg von 40.6% auf 71.4% nach Behandlung in der jeweiligen Universitätsklinik, mit einer Zunahme
der einzelnen Therapieprozeduren von 40.6% auf 88.2% (Wilcoxon; p=0.001). Multimodale Konzepte umfassten Okklusionsbehandlung (47.1%), chirurgisches Vorgehen (37.7), Analgetikagabe (27.5%) und Physiotherapie (22%). Spezialisierte Schmerzfragebögen (26.5%) oder Visuelle Analog Skalen (16.9%) wurden unregelmäßig benutzt. Schmerztherapeuten wurden selten konsultiert (8.9%). Trotz einer psychologischen Ko-Morbidität (29.5%) wurden psychologische Verfahren selten indiziert (11%). Schlussfolgerungen: Die Prävalenz von COS beträgt 5%. Obwohl deutsche Universitätsabteilungen regelmäßig den aktuellen Leitlinien der Behandlung von COS folgen, bleibt eine Subgruppe von Patienten mit psychologischen Zusatzbefunden unterversorgt. Das Prinzip der Interdisziplinarität sollte in der Behandlung von COS stärker berücksichtigt werden.
Es wurde initial eine jeweils deutliche Schmerzlinderung nach der ersten Akupunktur auf NRS-Werte von 2-3 erreicht. Zwei Patienten konnten am Folgetag schmerzfrei entlassen werden. In allen drei Fällen konnte die Gabe von NSAR beendet werden. Diskussion und Schlussfolgerung: Akupunktur scheint eine effektive und nebenwirkungsarme Methode zur Therapie von postspinalen Kopfschmerzen zu sein und kann bei Persistenz des PKS nach 2-3 Tagen als Alternative zum Blutpatch diskutiert werden. Die Sicherung dieser Methode in kontrollierten Studien steht noch aus.
P8.14 High cervical epidural neurostimulation (SCS) for atypical cluster headache T. Wolter, H. Kaube, M. Mohadjer Interdisciplinary Pain Centre, University Hospital Freiburg, Freiburg
P9.1 (Dys-)Synchirie bei CRPS Typ I – eine quantitativ sensorische Analyse A. Binder, M. Stengel, F. Dörr, G. Wasner, J. Schattschneider, R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie, Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Cluster Headache is one of the most painful conditions affecting man. Management usually requires a combination of prophylactic and acute medication. In some patients Cluster Headache attacks can not be be adequately controlled by drugs, which leads to excessive suffering and disability. Recently, deep brain stimulation of the hypothalamus and peripheral nerve stimulation of the occipital nerve have been suggestive as treatment options in otherwise refractory Cluster headache. SCS (spinal cord stimulation) has been used in the treatment of various neuropathic pain conditions and is effective in the lumbar spine as well as on the cervical spine. Here we describe a case of severe trigeminoautonomic cephalgia (atypical cluster headache). The frequent attacks were not adequately controlled by conventional drugs. After implantation of an epidural quadropolar electrode covering the levels C1-C3 on the painful side the patient experienced a substantial reduction of pain intensity and attack frequency immediately after the onset of stimulation. Until now he required one surgical revision of lead displacement. At present the pain relief continues into the third year. To our knowledge this is the first report of the effects of high cervical SCS on cluster headache. P8.15 Akupunktur zur Behandlung postspinaler Kopfschmerzen – eine Fallserie S. Zenker, C. Lehmann, M. Wendt, T. I. Usichenko Klinik für Anästhesie Universität Greifswald Einführung: Bei postspinalen Kopfschmerzen (PKS) ist die Pharmakotherapie oft nicht effektiv und die Anwendung des Blutpatches mit Risiken und Komplikationen verbunden (1). Wir berichten über die Anwendung von Körperakupunktur bei drei Patienten mit postspinalen Kopfschmerzen. Fallserie: Die PKS traten in zwei Fällen nach Spinalanästhesie für orthopädische Eingriffe am Fuß und in einem Fall nach geburtshilflicher Periduralanalgesie mit Duraperforation auf. Die Patienten gaben occipital und frontal Kopfschmerzen an mit Verstärkung beim Aufrichten, zusätzliche Symptome waren Übelkeit und Erbrechen. Die Symptomatik begann am 1. bzw. 2. postoperativen Tag. Die Schmerzintensität wurde mit 8-9 gemessen auf einer Numerischen Rating Skala (NRS) von 0-10 angegeben. Die Patienten waren wach, orientiert und kardiopulmonal stabil. Eine ausreichende Schmerzlinderung konnte mit NSAR, Volumengabe, Coffeingabe über 2 Tage nicht erreicht werden. Akupunktur wurde den Patienten alternativ zum Blutpatch angeboten und von den Patienten bevorzugt. Die Akupunktur wurde am 4. postoperativen Tag mit Nadeln der Größe 0,25 x 0,25 mm an den Punkten Di 4, Bl 10, Bl 63, Le 3 bds. durchgeführt.
1. Duffy PJ, Crosby ET. The epidural blood patch. Resolving the controversies: Can J Anaest 1999 Sep; 46(9): 878-86
P9 Neuropathischer Schmerz I
Einleitung: Dysynchirie ist ein häufiges Symptom des CRPS. Hierbei werden Schmerzen in der betroffenen Extremität durch entsprechende Reize an korrespondierenden Arealen der gesunden Extremität bei gleichzeitigem Betrachten der gespiegelten gesunden Hand (= virtuell erkrankten Hand) hervorgerufen. Im Gegensatz dazu versteht man unter Synchirie die Wahrnehmung eines Reizes an korrespondierenden Arealen beider Körperseiten durch Stimulierung auf nur einer Körperseite. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, in wieweit sich im Rahmen der (Dys-)Synchirie quantitativ vergleichbare pathologische Befunde der erkrankten Extremität bei Stimulation an der gesunden Hand nachweisen lassen. Methode: In 7 Patienten mit CRPS Typ I der oberen Extremität wurde im betroffenen Areal eine quantitative sensorische Testung nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbundes neuropathischer Schmerz (DFNS) durchgeführt. Diese wurde im zur erkrankten Extremität korrespondierenden Areal der gesunden Extremität wiederholt, wobei sich die Patienten auf ein Spiegelbild der gesunden oberen Extremität konzentrieren sollten. Die betroffene Extremität war dabei, durch einen Spiegel verdeckt, für den Patienten nicht sichtbar. Ergebnisse: Alle Patienten zeigten an der betroffenen Extremität eine mechanische Hyperalgesie, sechs eine dynamisch mechanische Allodynie. In der Spiegelbedingung zeigte sich bei der Prüfung in allen Patienten an der nicht betroffenen Extremität eine mechanischen Schmerzsensitivität (Mittelwert (MW) MPS: 6,45 NAS) und eine mechanische Schmerzschwelle (MW: MPT: 18,23mN), die den Befunden an der betroffenen Extremität vergleichbar war (MW: MPS: 8,19 NAS; MPT: 10,8mN) und sich von den Befunden an der gesunden Extremität in der vorangegangenen Untersuchung unterschied (MW: MPS: 1,54 NAS; MPT: 44,13mN). Die Ergebnisse für die dynamisch mechanische Allodynie zeigten nur in einer Patientin einen pathologischen Befund. Schlussfolgerungen: Die Desintegration von sensorischen Informationen im Rahmen einer cerebralen Repräsentations- und Wahrnehmungsstörung bei CRPS kann nicht nur zu einer qualitativen Verarbeitungsstörung afferenter sensorischer Informationen sondern auch zu einer quantitativen Spiegelung pathologischer evozierter Schmerzen im Rahmen einer (Dys-)Synchirie führen. Die mechanische Hyperalgesie und die dynamisch mechanische Allodynie sind hierdurch unterschiedlich betroffen. P9.2 Die Beteiligung kleiner Nervenfasern bei Patienten mit Morbus Fabry L. He1, N. Üçeyler1, F. Breunig2, C. Sommer1 1 Neurologische Klinik, 2 Klinik für Innere Medizin, Universität Würzburg Hintergrund: M. Fabry ist eine seltene X-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, bei der es durch Defizienz des Enzyms Alpha-Galaktosidase A (ALPHA-GAL) zur progredienten AkkumulaDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts tion von Glykosphingolipiden (v. a. Gb3) in Lysosomen verschiedener Organsysteme kommt. Hierbei kann es zu einer neurologischen Beteiligung sowohl des peripheren als auch zentralen Nervensystem kommen. Wir untersuchten eine Kohorte von männlichen und weiblichen Patienten mit Morbus Fabry im Hinblick auf Schmerzen, Funktion der kleinen Nervenfasern, Hautinnervation, und Auswirkung der Enzymersatzbehandlung (ERT). Methode: 54 Patienten (26 männlich und 28 weiblich) wurden registriert, achtundzwanzig Patienten hatten eine ERT. Bei allen Patienten wurden eine quantitativ sensorische Testung (QST), eine elektrophysiologische Untersuchung, sowie eine extra- und transkranielle Dopplersonographie durchgeführt und Schmerz- und Depressionsfragbögen ausgefüllt. Für die Auswertung der intraepidermalen Hautfaserdichte (intraepidermal nerve fiber density - IENFD) wurden von 30 Patienten (15 männliche, 15 weibliche) Hautbiopsien am linken Unterschenkel und am Dermatom Th12 links entnommen. Ergebnisse: Das Alter bei Erstdiagnose unterschied sich nicht zwischen weiblichen (36.1±19.7 Jahren) und männlichen (37.1±12.2 Jahren) Patienten. 22/26 männlichen und 23/28 weibliche Patienten klagten über Akroparasthesien oder andere neuropathische Schmerzen. In der QST zeigten sich Auffälligkeiten bei 21/26 männlichen und 21/28 weiblichen Patienten, in der elektrophysiologischen Untersuchung fanden sich bei 7/26 der männlichen und 3/28 der weiblichen Patienten pathologische Befunde. Alle Patienten hatten normale Ergebnisse bei der Dopplersonographie. Ein Hinweis auf Depression ergab sich bei 11/26 der männlichen und 8/28 der weiblichen Patienten. Die männlichen Patienten hatten eine deutlich reduzierte distale IENFD (2,0±-2.8), verglichen mit weiblichen Patienten (6.7±4.4). Die proximale IENFD war in allen untersuchten Proben normal. Von 8 Patienten, die unter ERT wiederholt vorstellig wurden zeigten sich bei fünf Patienten mit relativ normaler Nierenfunktion eine Besserung nicht nur der Symptome, sondern auch eine Verbesserung der Ergebnisse in der QST und der neurophysiologischen Untersuchung; die Situation bei den drei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz verbesserte sich trotz ERT nicht. Zusammenfassung: Neuropathische Schmerzen und distal betonte sensible Beeinträchtigung der Extremitäten sind ein häufiges Symptom bei Patienten mit M. Fabry. QST und IENFD-Analyse sind ergänzende Untersuchungen zur Diagnosestellung einer Funktionsstörung der kleinen Nervenfasern (Small fiber Neuropathie). Patienten ohne relevante Niereninsuffizienz zeigen eine Verbesserung der Funktion der kleinen Nervenfasern unter ERT. Die Nierenfunktion scheint ein wichtiger Einflussfaktor auf den Erfolg der ERT in der Behandlung einer Small fiber Neuropathie bei M. Fabry zu sein. P9.3 Phantomschmerzen in Deutschland Eine bundesweite Befragung U. Kern, M. Rockland Schmerz- und Palliativzentrum Wiesbaden Fragestellung: Zu Vorkommen und Ausmaß von Phantomschmerzen (PSz) u. Phantomgefühlen (Pg) variieren die Angaben der Literatur erheblich. In dieser ersten, bundesweiten Erhebung sollte die Bedeutung dieses Problems in Deutschland überprüft werden. Methode: Mit Unterstützung einer auf Prothesen spezialisierten Firma (Fa. medi, Bayreuth) sowie durch Presseaufrufe wurden Amputierte bundesweit angesprochen und um Beantwortung eines Fragebogens mit 62 Fragen gebeten. Dieser konnte in schriftlicher Form, wie auch Online nach Zuteilung eines Passwortes beantwortet werden. Ergebnisse: 537 Amputierte beantworteten den Fragebogen, erhalten wurden 33294 beantwortete Fragen. Die Gruppe bestand aus 71,1% Männern u. 28,9% Frauen, unter 30 J. waren 6,1%, über 70 J. 22%. Führende Amputationsgründe waren geschlechtsunabhängig Unfälle, gefolgt von pAVK. Amputationen bei Diab. mell. und Kriegsverletzungen waren bei Männern deutlich häufiger, Tumor-Amputationen bei Frauen. 4,5% waren Arm-amputiert, 95,5% Bein-amputiert. Unter PSz litten 74,1% Männer u. 76,8% Frauen. Die PSz-Stärke wurde meist zwischen VAS 5 und VAS 8 angegeben. Der Anteil der Schmerzarten
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an allen Nennungen betrug: Brennen 13,6%, Kribbeln 20,4%, Krampfen 15,3%, elektrische Schläge 21, 0%, Messerstiche 23, 4%, sonstiges 6,3%. Elektrische Schläge und Messerstiche im Phantom wurden häufig mit den ‚Stumpfqualitäten’ überempfindlicher Haut oder Narben, vermehrtem Schwitzen und Druckempfindlichkeit genannt, seltener bei den Qualitäten Überwärmung, Unterkühlung, Blassheit und bläulicher Verfärbung. Patienten ohne Präamputations-Schmerzen hatten in 79,5% PSz, mit vorherigen Schmerzen (generell) in 84,75%, bei Schmerzen ‚seit einigen Tagen vor Amputation’ in 95,7%. 419 Pat. (78%) bejahten Pg, Männer zu 76,3%, Frauen zu 83,7%. In der Gruppe mit Pg erlebten 16,5% ein kaltes, 19,5% ein warmes u. 64% ein normal temperiertes Phantom. 126 (30,1%) dieser Amputierten (23,5% aller Befragten) konnten das Phantom nicht bewegen, die übrigen beschrieben meist freie Beweglichkeit, in einigen Fällen jedoch nur bei erheblicher Konzentration oder mit geschlossenen Augen. Diskussion: Unsere Untersuchung ist unseres Wissens die größte diesbezügliche Amputierten-Befragung in Deutschland. Die erst aktuell erhobenen Daten sind noch bezüglich auffallender Korrelationen und der Vergleichbarkeit zur internationalen Literatur zu analysieren. P9.4 Phantomschmerzen nach Orchiektomie: Prädiktoren und Einfluss auf postoperative Sexualfunktionen C. Kraemer, J. Wachsmuth, I. W. Husstedt, S. Kliesch, S. Evers Klinik und Poliklink für Neurologie, Klinik und Poliklink für Urologie, Münster Einleitung: Hodentumoren können mit und ohne Schmerzen einhergehen, ferner wird von Patienten nach Orchiektomie von Phantomschmerzen im Bereich des entfernten Hodens berichtet. Wir führten retrospektiv eine Analyse durch mit der Frage, wie häufig prä- bzw. postoperativ Schmerzen nach Orchiektomie auftreten und ob präoperative Schmerzen mit dem Auftreten von Phantomschmerzen korreliert sind. Des Weiteren untersuchten wir den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Phantomschmerzen und der postoperativen Sexualfunktion. Methoden: Anhand eines Fragebogens wurden 238 Patienten nach Tumor-bedingter Orchiektomie zu Häufigkeit präoperativer Schmerzen und postoperativer Phantomschmerzen sowie zu Störungen in der Sexualfunktion prä- und postoperativ befragt. Ergebnisse: In unserem Kollektiv berichteten 38,7% der Patienten von präoperativen Hodenschmerzen, postoperativ klagten 25,1% über Phantomschmerzen im Bereich des entfernten Hodens. Wir konnten zeigen, dass Patienten mit präoperativen Schmerzen signifikant häufiger über postoperative Phantomschmerzen berichten (p = 0,041) als Patienten ohne Tumor-bedingte Schmerzen. Ferner geben Patienten, die über Phantomschmerzen berichten, auch signifikant häufiger Phantomempfinden im Bereich des entfernten Hodens an (p < 0,001). Bezüglich der Sexualfunktionen konnten wir in unserem Kollektiv zeigen, dass Patienten mit Phantomschmerzen einerseits nicht weniger sexuelles Interesse oder weniger Freude am Sex haben, sowie nicht weniger sexuell aktiv oder zufrieden sind. Andererseits konnten wir aber nachweisen, dass diese Patienten signifikant häufiger Erektionsstörungen aufweisen (p = 0,015), signifikant häufiger Schwierigkeiten haben, die Erektion zu halten (p = 0,003), sowie signifikant häufiger über eine verminderte Intensität des Orgasmus klagen (p < 0,001) und beim Orgasmus seltener eine Ejakulation haben (p = 0,014). Diskussion: Nach einer Tumor-bedingten Hodenentfernung treten in etwa einem Viertel der Patienten Phantomschmerzen im Bereich des entfernten Hodens auf, dies signifikant häufiger bei Patienten mit präoperativen Hodenschmerzen. Auffallend ist, dass Patienten mit Phantomschmerzen vermehrt Störungen ihrer biologischen Sexualfunktionen (Erektion, Orgasmus, Ejakulation) aufweisen, jedoch keine Minderung ihrer Libido erleben. Es ist anzunehmen, dass diese Korrelation zwischen Phantomschmerzen und Störungen der biologischen Sexualfunktionen auf Nervenfaserläsionen beruhen, mit neuropathischen Deafferenzierungsschmerzen einerseits und Läsionen autonomer Fasern andererseits.
P9.5 Zusammenhang von Quantitativ Sensorischer Testung und Neuropathiefragebögen am Beispiel chronischer Ischämieschmerzen bei PAVK P. M. Lang1, L. J. Rüger1, A. Crispin2, D. Irnich1 1 Interdisziplinäre Schmerzambulanz, Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität München, LMU; 2 Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, LMU Hintergrund: Die quantitativ sensorische Testung (QST) stellt ein akzeptiertes Verfahren in der Diagnostik neuropathischer Schmerzustände dar. Da die QST nicht überall zur klinischen Routinediagnostik zählt, stellt sich die Frage nach Alternativmethoden zur Evaluation neuropathischer Schmerzen. Eine Vielzahl von Fragebögen ist mittlerweile verfügbar. Ein möglicher Zusammenhang zwischen QST und Fragebögen ist bislang nicht ausreichend untersucht. Anhand einer kleinen Patientengruppe mit chronischen Ischämieschmerzen wollten wir der Frage nachgehen, ob zwischen verschiedenen Befragungsinstrumenten und der QST ein Zusammenhang besteht. Methoden: 10 Patienten (Alter 72,0 ± 3,8 Jahre (MW ± SF); 5 m, 5 w) mit schwerer PAVK (Stadium III/IV nach Fontaine) ohne Diabetes mellitus nahmen an der Untersuchung teil. Die Patienten wurden mittels QST untersucht und füllten einen standardisierten Fragebogen aus. Die QST bestand aus der Untersuchung thermischer und mechanischer Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen sowie der Vibration (gemäß Standards des DFNS). Der Fragebogen setzte sich aus validierten Befragungsinstrumenten zu Schmerzstärke und -charakter, neuropathischem Schmerz und schmerzbedingter Beeinträchtigung zusammen (VAS, SF–MPQ, NPSI, S-LANSS, PDI). Ergebnisse: Die QST-Werte der 10 Patienten mit schwerer PAVK ohne Diabetes mellitus entsprachen weitgehend den bislang publizierten Ergebnissen1. Es zeigte sich eine Hypästhesie für thermische und mechanische Reize, sowie Positivsymptome wie Allodynie. Der S-LANSS zur Unterscheidung zwischen neuropathischen und nozizeptiven Schmerzen (2), wies mit 17,0 ± 1,5 (MW ± SF) auf einen neuropathischen Schmerzursprung hin. Dies wurde durch den NPSI mit 42,5 ± 7,0 bestätigt. Die einzelnen Parameter der QST korrelierten nicht mit den Gesamtwerten von S-LANSS und NPSI. Allerdings konnte eine positive Korrelation bei der Untergruppe evozierter Schmerz des NPSI und dem Wind-up der QST beobachtet werden (Spearmans Rho = 0,683; p = 0,042). Einzelne Schmerzqualitäten des SF-MPQ zeigten eine signifikante Korrelation mit der QST: Beispielsweise korrelierte empfindlich positiv mit dem QST-Parameter Allodynie (Rho = 0,911; p ≤ 0,001). Schlussfolgerung: Trotz der niedrigen Fallzahl konnte eine Korrelation einzelner QST-Parameter mit Schmerzqualitäten des SF-MPQ gezeigt werden. Die aufwändigere QST resultiert in einem differenzierten sensorischen Muster, den Fragebögen in ihrem Gesamtergebnis in unseren Daten nicht abbilden können. So ist bei der Diagnostik komplexer neuropathischer Schmerzen möglicherweise eine Kombination aus standardisierten Fragebögen und QST hilfreich. 1. Lang PM et al., Pain 2006; 124: 190-200 2. Bennett MI et al., J Pain 2005; 6: 149-158 P9.6 Cytokine expression in serum and cerebro-spinal fluid of patients with polyneuropathies J. Ludwig, A. Binder, J. Schattschneider, G. Wasner, R. Baron Sektion für Neurologische Schmerzforschung und Therapie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Background: A potential pathophysiological role of cytokines such as tumor necrosis factor-alpha (TNF-á) and interleukins (IL) in generation of neuropathic pain has been proposed. Several studies have shown an alteration of cytokines in serum or cerebro spinal fluid (CSF) in patients with different neuropathic pain conditions. As peripheral painful polyneuropathies (PNP) are ranked among neuropathic pain syndromes leading to secondary pathophysiological changes in the central nervous system, the aim of this study was to investigate whether
proinflammatory cytokines are increased in the CSF in patients suffering from painful PNP compared to non-painful PNP. Furthermore, we wanted to find out whether severity of PNP has any influence on cytokine expression. Therefore, groups of patients with and without severe PNP were compared. Methods: Using enzyme linked immunosorbent assay (ELISA), we compared levels of the pro-inflammatory cytokines interleukin-6 (IL6) and TNF-a in serum and CSF of patients suffering from painful (n=18) compared to non-painful PNP (n=18) as well as patients with severe (n= 21) compared to non-severe (n=14) PNP. Groups were age and sex-matched. Measured values were compared using non-parametric tests. Results: No significant differences between the IL-6 and TNF-a in serum or CSF between patients with or without painful PNP were found. However, TNF-a and IL-6 levels in serum were higher in patients with severe neuropathy compared to those with mild neuropathy and showed a positive correlation with severity of neuropathy. Discussion: Results suggest that nerve fiber degeneration in peripheral neuropathy determines cytokine expression in the periphery. As we did not find any differences or correlations between cytokine levels and severity of PNP or pain in cerebro-spinal fluid, our results do not suggest that a central neuroimmune activation plays a major role in generation and maintainance of neuropathic pain associated with non-inflammatory polyneuropathy. P9.7 Invasive neurochirurgische Schmerztherapie: Motorkortexstimulation bei verschiedenen Schmerzsyndromen – ein klinischer Erfahrungsbericht D. Rasche, D. Klase, V. M. Tronnier Neurochirurgische Klinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Fragestellung: Die Motorkortexstimulation gehört seit über zehn Jahren zu den invasiven neurochirurgischen Therapieverfahren für Patienten mit konservativ nicht zu beherrschenden chronischen neuropathischen Schmerzsyndromen. Die Wirkungsweise dieser Methode wird über die orthodrome Aktivierung zentraler schmerzverarbeitender Zentren, z. B. im Thalamus, Insel, Hirnstamm und Gyrus cinguli erklärt. Seit über 12 Jahren werden durch die Autoren Patienten mit dieser Methode behandelt und die Ergebnisse und klinischen Erfahrungen präsentiert. Angewandte Methodik: Bei 25 Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen wurde die Indikation zur Motorkortexstimulation gestellt. Bei 14 Patienten bestand eine einseitige Trigeminus-Neuropathie (TNP), bei 7 Patienten ein Thalamusschmerz (post-stroke-pain = PSP) und in 4 Patienten eine posttraumatische Plexusläsion (posttraumatic-plexus-avulsion = PPA). Die Anlage der 4- oder 8-poligen Stimulationselektrode erfolgte mit Hilfe der Neuronavigation und intraoperativer Neurophysiologie epidural über dem Hand- bzw. Gesichtsareal. Im Rahmen einer postoperativen Testphase mit verschiedenen Stimulationsparametern wurde eine Doppel-Blind-Stimulation durchgeführt. Ergebnisse: Nach der Testphase konnte bei 16/25 Patienten eine Schmerzlinderung beobachtet werden (TNP: 9/14, PSP: 3/7, PPA: 4/4). In diesen Fällen wurde der Impulsgenerator implantiert. Bei 5 Patienten wurde auch eine Schmerzreduktion im Rahmen der DoppelBlind-Testung dokumentiert und daraufhin die Stimulationselektrode ersatzlos entfernt. Schlussfolgerungen: Die Motorkortexstimulation ist eine Behandlungsalternative für ein hochselektives Patientenkollektiv mit gut lokalisierten neuropathischen Schmerzen, wenn andere konservative Therapien erfolglos geblieben sind. Aufgrund der guten kortikalen Repräsentation erscheinen Patienten mit neuropathischen Gesichtsschmerzen oder Schmerzen der oberen Extremität besonders geeignet. Die Behandlungsprozedur sollte Zentren mit langjähriger Erfahrung in der Neurochirurgischen Schmerztherapie vorbehalten bleiben. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts P9.8 Charakteristik von Ischämieschmerzen bei PAVK L. J. Rüger1, D. Irnich1, A. Crispin2, P. M. Lang1 1 Interdisziplinäre Schmerzambulanz, Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität München, LMU; 2 Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, LMU Hintergrund: Chronische Ischämieschmerzen stellen eine der häufigsten Schmerzarten der unteren Extremität dar. Neben dem Schmerz leiden Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) häufig unter einer Neuropathie. So konnten sowohl eine Hypästhesie als auch Positivsymptome, die auf eine zentrale Sensibilisierung hinweisen, gefunden werden (1). Unklar ist, ob sich diese Schmerzcharakteristik auch mittels Fragebögen abbilden lässt. Ziel war es, den Charakter chronischer Ischämieschmerzen bei PAVK mittels verschiedener Befragungsinstrumente zu beschreiben. Methoden: 102 Patienten (Alter 68,1 ± 1,1 Jahre (MW ± SF); 63 m, 39 w) mit symptomatischer PAVK (Stadium II bis IV nach Fontaine) füllten einen standardisierten Fragebogen aus. Dieser bestand aus verschiedenen validierten Befragungsinstrumenten zu Schmerzstärke und -charakter, neuropathischem Schmerz und schmerzbedingter Beeinträchtigung (VAS, SF–MPQ, NPSI, S-LANSS, PDI). Aufgrund der angiologischen Diagnostik wurden die Patienten zu einer der beiden Gruppen zugeordnet: moderate PAVK (Fontaine Stadium II) und schwere PAVK (Fontaine Stadium III/IV). Ergebnisse: Patienten mit schwerer PAVK bewerteten ihre Schmerzen in Ruhe mit 5,4 ± 0,4 (VAS 0 bis 10; MW ± SF). Die Schmerzintensität bei Belastung war sowohl bei Patienten mit moderater (6,8 ± 0,3) als auch mit schwerer PAVK (7,1 ± 0,3) hoch. Die schmerzbedingte Beeinträchtigung (PDI) lag bei 32,5% (PDI global 22,7 ± 1,7) für moderate und bei 48,5% (PDI global 34,0 ± 2,3) für schwere PAVK. Bei der Betrachtung der Neuropathiefragebögen (S-LANSS und NPSI) zeigten sich bei Patienten mit schwerer PAVK signifikant höhere Werte als bei Patienten mit moderater PAVK. Patienten mit einem begleitenden Diabetes mellitus erreichten dabei keine höheren Werte als Nicht-Diabetiker. Anhand des S-LANSS konnten bei schwerer PAVK Schmerzen neuropathischen Ursprungs angenommen werden (cutoff-Wert ≥ 12)2. Der S-LANSS bei Patienten mit schwerer PAVK lag bei 17,2 ± 0,8 und bei Patienten mit moderater PAVK bei 6,7 ± 0,8. Die Neuropathiefragebögen S-LANSS und NPSI korrelierten gut miteinander (Spearmans Rho 0,779; p ≤ 0,001). Die Evaluation des SF–MPQ ergab signifikant höhere Bewertungen für die Schmerzqualitäten stechend, heiß-brennend, empfindlich (sensorisch) und gemein-peinigend (affektiv) bei Patienten mit schwerer PAVK im Vergleich zu Patienten mit moderater PAVK. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse unterstützen die These, dass es sich bei chronischen Ischämieschmerzen um ein gemischtes nozizeptivneuropathisches Schmerzgeschehen handelt. Aufgrund der Unterscheidung des S-LANSS charakterisiert sich der Schmerz bei moderater PAVK als vorwiegend nozizeptiv, während bei schwerer PAVK deutliche Hinweise auf das Vorhandensein einer neuropathischen Schmerzkomponente vorliegen. Dies sollte, wie teilweise bereits umgesetzt, bei der Therapie chronischer Ischämieschmerzen bei PAVK weiter berücksichtigt werden. 1. Lang PM et al., Pain 2006; 124: 190-200 2. Bennett MI et al., J Pain 2005; 6: 149-158 P9.9 Aktivität endogener schmerzmodulierender Systeme bei CRPS-Patienten F. Seifert, G. Kiefer, R. De Col, M. Schmelz, C. Maihöfner Neurologische Klinik und Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Universität Erlangen-Nürnberg, Klinik für Anästhesiologie Mannheim Fragestellung: Die Modulation nozizeptiven Inputs durch fazilitierende und inhibierende Subsysteme beeinflusst das individuelle Schmerzempfinden. Über die Schmerzmodulation bei neuropathischen Schmerzzuständen ist bisher wenig bekannt. Bei Patienten mit Komplex-Regionalen Schmerzsyndromen (CRPS) Typ I und einer Kon-
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trollgruppe aus gesunden Probanden wurden diese schmerzmodulierenden Mechanismen in einer psychophysischen Studie mit repetitiver elektrischer transdermaler Stimulation untersucht. Methoden: Bei 10 CRPS-Patienten und 12 gesunden Probanden wurden am Handrücken durch repetitive elektrische Stimulation mit steigenden Stromstärken ein Spontanschmerz der Stärke 6 auf einer Skala von 0 bis 10 (0 = kein Schmerz, 10 = unerträglicher Schmerz) erzeugt. Gemessen wurde die Schmerzhabituation an der erkrankten und der gesunden Hand bei CRPS Patienten sowie in der Kontrollgruppe als die relative Veränderung der Stromstärke welche zur Aufrechterhaltung eines Schmerzes von NRS 6 nötig ist. Ergebnisse: Die normalisierten Stromstärken welche nach 16 Minuten Stimulation für die NRS 6 nötig waren betrugen an der kranken Hand 1.14 ± 0.08, an der gesunden Hand bei CRPS Patienten 1.02 ± 0.07 und in der Kontrollgruppe 0.96 ± 0.07 (CRPS betroffene Hand vs. Kontrollgruppe p = 0.03, U-Test; CRPS gesunde Hand vs. Kontrollgruppe n.s., U-Test). Schlussfolgerung: Habituation an schmerzhafte Stimuli ist in CRPSPatienten an der betroffenen Extremität im Vergleich zur Kontrollgruppe gesteigert. Die Ergebnisse deuten zudem auf eine Körperregionen- spezifische Plastizität schmerzmodulierender Subsysteme hin. P9.10 C-Nozizeptoren modulieren differentiell die Verarbeitung taktiler Reize in primären und sekundären somatosensorischen Kortizes F. Trini1, R. DeCol1, C. Maihöfner1,2 1 Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie, Universität Erlangen, 2 Neurologische Universitätsklinik, Universität Erlangen Taktile Reize werden im Gehirn insbesondere in kontralateralen primären (S1) und bilateralen sekundären (S2) somatosensorischen Kortizes verarbeitet. Die Ausdehnung bzw. Clustergröße der Aktivierung in der funktionellen Kernspintomographie (fMRI) kann dabei sowohl von der 2 Punkte-Diskriminationfähigkeit, als auch von der taktilen Detektionsschwelle abhängig sein. Ein bekanntes Begleitphänomen chronischer Schmerzen ist die Entwicklung einer taktilen Hypästhesie. Des Weiteren zeigen Patienten mit neuropathischen Schmerzsyndromen häufig eine Verschlechterung der taktilen Diskriminationsfähigkeit. Durch den Einsatz eines humanen Surrogatmodells, in dem durch niederfrequente elektrische Reize und verschiedenen Stimulationselektroden ein schmerzhafter Reiz über 35min auf der Haut appliziert wird, untersuchten wir schmerzbedingte Sensibilitätsänderungen und deren Zusammenhang mit der zentralen Verarbeitung taktiler Reize. Hypothese dieser fMRI-Studie war, dass die Aktivierung unterschiedlicher C-Nozizeptortypen die zentrale Repräsentation taktiler Reize differentiell modulieren könnte. Mit punktförmigen Elektroden, welche hohe Stromdichten liefern und überwiegend mechano- insensitive C-Fasern erregen, sowie flächenförmigen Elektroden, die bei geringerer Stromdichte insbesondere polymodale C-Fasern erregen, wurde die zentrale Verarbeitung taktiler Reize in Relation zu taktiler Diskriminationsleistung, taktiler Detektionschwelle und Veränderung der mechanischen Schmerzschwelle untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die taktile elektrische Reizung über mechanisch sensible Afferenzen zu Aktivierungen in S1 und S2 führt, und die Abnahme der taktilen Detektionsschwelle nach schmerzhafter Reizung auch zu einer Abnahme der aktivierten Regionen in S1 und S2 führt. Mechanoinsensitive C-Nozizeptoren interferierten dabei signifikant stärker als polymodale C-Fasern mit den Aktivierungen in S1 und S2. Die in der aktuellen Studie gewonnen Ergebnisse deuten damit darauf hin, dass kortikale Repräsentationen durch peripheren nozizeptiven Input nachhaltig moduliert werden können. Mechanoinsensitive C-Fasern, die auch für die Induktion einer mechanischen Hyperalgesie relevant sind, nehmen dabei eine besonders wichtige Rolle ein. Dies könnte erklären, warum kortikale Reorganisationsphänomene bei neuropathischen Schmerzsyndromen teilweise mit der Schmerzhaftigkeit der Erkrankung und Präsenz einer mechanischen Hyperalgesie korrelieren.
P9.11 Die Untersuchung der nonverbalen Schmerzantwort auf nozizeptive Pinprickreize zur sensitiven und spezifischen Diagnostik von neuropathischen Schmerzen aufgrund einer Dysfunktion des peripheren Nervensystems C. Vogel, W. Schleinzer Institut: Schweizer Paraplegikerzentrum, Institut für Anästhesiologie, Schmerzklinik Nottwil Neuropathische Schmerzen gehen häufig mit einem Verlust (z.B. Hypästhesie) und/oder einer Verstärkung (z.B. Allodynie) der Sensibilität einher. Das Vorhandensein eines sensorischen Minus- bzw. Plussymptoms wird in der klinischen Routine von den Angaben des Patienten, ob er den applizierten sensiblen Reiz im betroffenen im Vergleich zum nicht betroffenen Gebiet weniger oder mehr empfindet, abgeleitet. Die sensorische Testung erlaubt mitunter keine eindeutigen Rückschlüsse auf das neuroanatomische Korrelat der neuropathischen Schmerzen. Gründe dafür sind z.B. die häufig nur unscharf einzugrenzenden Körperregionen, in denen ein Verlust und/oder eine Verstärkung der Sensibilität angegeben wird, ein fehlendes Sprachverständnis (z.B. bei Aphasie) oder eine Demenz des Patienten. Daher wurde in der vorliegenden Studie untersucht, ob eine reproduzierbare nonverbale Schmerzreaktion auf Pinprickreize, die unabhängig vom Sprachverständnis und der Kognition ist, bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen eine scharfe Eingrenzung der betroffenen Körperregion und eindeutige Rückschlüsse auf das neuroanatomische Korrelat der neuropathischen Schmerzen erlaubt. Es wurden Patienten mit neuropathischen Schmerzen aufgrund einer Läsion des peripheren Nervensystems untersucht. Alle Patienten erhielten eine klinisch-neurologische und falls indiziert eine elektrophysiologische Untersuchung. Als Schmerzantwort wurden eine motorische Abwehrreaktion und Grimassieren gewertet. Eine reproduzierbare Schmerzantwort auf Pinprickreize wurde als Pinprickhyperalgesie definiert. Der Pinprickreiz wurde mit dem spitzen Ende der Neurotips TM mit einer Reizfrequenz von ca. 1 Hz, in ca. 1-2 cm-Abständen auf der Haut appliziert, zunächst kontralateral, dann ipsilateral zur schmerzhaften Körperregion. Ipsilateral erfolgte die Testung zunächst im nicht schmerzhaften, dann im schmerzhaften Areal in zentripetaler Richtung. Die Intensität des Nadelstichreizes wurde so gewählt, dass sie in der nicht schmerzhaften Region zu einer lokalen Flare-Reaktion als Hinweis für die Aktivierung nozizeptiver Afferenzen, jedoch nicht zu einer motorischen Schmerzantwort, führte. Eine Pinprickhyperalgesie zeigte sich in der Mehrzahl der untersuchten Fälle. Der Bereich der Pinprickhyperalgesie konnte stets eindeutig und reproduzierbar eingegrenzt werden. Bei Läsionen peripherer Nerven und radikulären Läsionen entsprach dieses Gebiet exakt dem Innervationsgebiet des geschädigten Nerven bzw. dem Dermatom der geschädigten Nervenwurzel. Als Beispiel wird ein Patient mit jahrelangen neuropathischen Schmerzen aufgrund einer druckbedingten Läsion des N. ischiadicus rechts nach Hirninfarkt vorgestellt. Aufgrund einer residualen sensomotorischen Hemiparese ipsilateral zur Nervenläsion mit sensomotorischer Aphasie sowie einer axonalen Polyneuropathie erlaubten die Eigenanamnese, die klinisch-neurologische und elektrophysiologische Routinediagnostik keine eindeutigen Rückschlüsse auf das neuroanatomische Korrelat der Schmerzen. Der Patient zeigte jedoch eine Pinprickhyperalgesie im Innervationsgebiet des N. ischiadicus rechts. Die davon abgeleitete Verdachtsdiagnose einer Dysfunktion des N. ischiadicus als Korrelat der nicht eingrenzbaren diffusen neuropathischen Schmerzen wurde durch eine positive Lokalanästhesieblockade des Nerven bestätigt. Aus den vorliegenden Ergebnissen kann geschlussfolgert werden, dass sich die Untersuchung der durch eine nonverbale Schmerzreaktion definierten Pinprickhyperalgesie als spezifischer und sensitiver Bedside-Test zur Diagnostik neuropathischer Schmerzen aufgrund einer Dysfunktion des peripheren Nervensystems eignet. Das Fallbeispiel demonstriert die Anwendbarkeit der Testung auch bei Patienten mit fehlendem Sprachverständnis.
P9.12 Schmerzen bei Saphenusneuropathie infolge eines neurokompressiven Hüftgelenksganglions C. Vogel, A. Ljutow, W. Schleinzer Schweizer Paraplegikerzentrum, Institut für Anästhesiologie, Schmerzklinik Nottwil Wir berichten über einen Fall mit neuropathischen Schmerzen aufgrund einer Neuropathie des N. saphenus rechts infolge einer Kompression durch ein zystisches Hüftgelenksganglion. In der Literatur wird lediglich von einem Fall einer zystischen Struktur als Ursache einer symptomatischen Kompression des N. saphenus berichtet. Es handelte sich hierbei um eine meniskeal lokalisierte Zyste. Eine Zyste bzw. ein zystisches Ganglion im Hüftgelenksbereich als Ursache einer kompressionsbedingten Saphenusneuropathie ist bisher nicht in der Literatur beschrieben. Ein 69-jähriger Patient wurde uns mit der Diagnose eines chronischen Lumboischialgiesyndroms rechts zugewiesen. Der Patient litt seit ca. drei Jahren unter in Attacken auftretenden „brennenden und giftigstechenden“ Ruheschmerzen in einem schmalen Streifen über der Unterschenkelstreckseite rechts im proximalen Abschnitt. Ein auslösendes Ereignis war nicht eruierbar. Initial nahmen die Schmerzen an Intensität langsam zu, im Verlauf blieben sie über Monate unverändert. Klinisch-neurologisch zeigten sich eine Hypästhesie über der Unterschenkelstreckseite rechts sowie ein Druckschmerz im HunterKanal. Elektromyographisch wurde eine länger bestehende neurogene Schädigung im L4-Kennmuskel rechts nachgewiesen, die auf ein motorisches L4-Syndrom rechts nach Fraktur LWK 3 und dorsoventraler Spondylodese L2-4 im Jahre 2000 zurückgeführt wurde. Im MRT des rechten Oberschenkels zeigten sich große periartikuläre Ganglien mit möglicher Beeinträchtigung des N. femoralis / N. saphenus. Sonographisch wurde über dem Hüftgelenk eine 5 cm x 5 cm x 1 cm echofreie Struktur mit nachweisbarer Kommunikation zum Hüftgelenk , entsprechend einem zystischen Ganglion bei exsudativer Coxarthrose, dargestellt. Nach operativer Entfernung des Ganglions sistierten die neuropathischen Schmerzen. Unser Fallbericht demonstriert die Notwendigkeit, bei Saphenusneuropathie unklarer Ätiologie die Hüftgelenksregion in die diagnostischen Überlegungen mit einzubeziehen. P9.13 Neuropathische Schmerzen bei Kindern nach Operationen – 3 Fallberichte I. R. Wilhelm1, C. Gravou2, W. Koppert1, R. Sittl1, N. Grießinger1 1 Anästhesiologische Klinik und 2 Klinik mit Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Universitätsklinikum Erlangen Einleitung: Neuropathische Schmerzen bei Kindern werden häufig nicht erkannt und nur unzureichend behandelt. Nachfolgend stellen wir drei Fallberichte von Kindern mit neuropathischen Schmerzen nach Operationen vor. Tina – 6 Jahre – 20 kg: Bei einer Blasenaufbauoperation bei Blasenekstrophie kam es zu einem neuropathischen Schmerz des N. cutaneus femoris lateralis. Trotz kontinuierlicher Gabe von Tramadol und Metamizol gegen den postoperativen Schmerz und Butylscopolamin zur Behandlung der Blasenkrämpfe klagte das Mädchen „über Feuer im Bein“ und einer starken Berührungsempfindlichkeit (selbst die Bettdecke wurde vom Bein geschoben). Da die starke Allodynie im Vordergrund stand wurde das Mädchen für zwei Wochen mit einem lidocainhaltigen Pflaster (Lidoderm®) behandelt. Janina – 10 Jahre – 31 kg: Das Mädchen wurde aufgrund eines Osteosarkoms am Oberschenkel operiert. Es kam zu brennenden Schmerzen NRS 8 an der Fußsohle, so dass das Tragen von Schuhen schon als unangenehm empfunden wurde. Zur Therapie dieses neuropathischen Schmerzes wurde zusätzlich zum Buprenorphin (transdermal 20 µg/h) Pregabalin langsam gesteigert (Enddosis 200 mg/die). Hierunter kam es zu einer Schmerzreduktion auf NRS 1. Bernd – 7 Jahre – 25 kg: Das linke Bein des Jungen wurde von einem Gabelstapler überrollt, hierbei kam es zu einem erheblichen WeichDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts teil- und Knochenschaden und zu multiplen Gefäß- und Nervenverletzungen. Da ein häufiger Verbandswechsel notwenig war, wurde ein Epiduralkatheter mit eine PCEA-Pumpe (Naropin 0,2%, kontinuierlich 3 ml/h, Bolus 1,2 ml alle 30 Minuten möglich) und eine kontinuierliche Metamizolgabe angewendet. Hierunter kam es zu einer Schmerzlinderung auf NRS 3, allerdings verursachten blitzartig einschießende Schmerzen einen Schmerzwert von NRS 10. Auch eine intravenöse Opiode Therapie mit Piritramid über eine PCA-Pumpe mit Bolusfunktion 1,5 mg konnte den neuropathische Schmerz mit NRS 8 nicht zufriedenstellend lindern. Der Junge wurde deshalb mit 10 mg Amitriptylin als Bolus i.v. und mit 2 mg/h für 48 Stunden behandelt. Hierunter kam es zu einer Schmerzreduktion der blitzartig einschießenden neuropathischen Schmerzen auf NRS 3 und zu einer deutlichen Reduktion der Häufigkeit und Länge der Schmerzattacken. Im weiteren Verlauf wurde 3x25 mg Pregabalin über 6 Wochen eingesetzt. Zusammenfassung: Auch bei Kindern können postoperativ neuropathische Schmerzen auftreten. Diese sind selten, aber von sehr hoher Schmerzintensität. Zur Therapie von neuropathischen Schmerzen kommen neben Opioiden Coanalgetika wie Antikonvulsiva, trizyklische Antideperessiva, transdermales Lidocain und/oder regionalanästhetische Maßnahmen auch bei Kindern zum Einsatz.
P10 Neuropathischer Schmerz II P10.1 Pregabalin in patients with neuropathic pain due to diabetic neuropathy under clinical practice conditions: a subgroup analysis of a prospective observational study M. Brasser, C. Tilke, R. Mallison Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe Background: Pain is one of the most frequent reasons for seeking medical attention, and neuropathic pain is among the most common types. Despite its high prevalence, neuropathic pain is often underrecognized and inadequately treated. A substantial proportion of diabetic patients are afflicted with chronic pain due to diabetic polyneuropathy (DPN) that diminishes quality of life, disrupts sleep, and may lead to depression. The pain may be accompanied by allodynia and hyperalgesia and an absence of symptoms, such as numbness or feeling „dead.“ Symptoms tend to be worse at night. Many such cases are refractory to the medications traditionally used for pain, such as nonsteroidal anti-inflammatory drugs. Pregabalin (Lyrica®) is a potent ligand for the alpha-2-delta subunit of voltage-gated calcium channels in the central nervous system and does not have any GABArelated activity: it does not act on the GABA receptors, does not impact the uptake and release of GABA and is not metabolized to GABA or a GABA agonist. It was shown to be effective and well tolerated in randomized controlled clinical trials for the treatment of post-herpetic neuralgia, DPN, generalized anxiety disorder and adjunctive therapy for partial seizures of epilepsy in adults. We aimed to assess the efficacy, safety, and dosing pattern of pregabalin in unselected patients in routine clinical care, with particular regard to comorbidities. We report on the subgroup of patients with painful DPN. Methods: In a prospective open, observational trial (Anwendungsbeobachtung according to § 67(6) German Drug Law), 5808 physicians (of these 4870 general practitioners or internists in primary care) treated 15301 patients with pregabalin over a median duration of 45 days. Pain severity, interference with sleep and general well-being were assessed on numerical rating scales (0= best, 10= worst value) after 1, 3 and 6 weeks. Results: In the majority of all cases in this study (80%), pregabalin treatment was initiated with 150 mg/d, and 43% of patients received a maintenance dose of 300 mg/d after 1 week. A total of 5091 subjects had DPN. Mean duration of DPN pain since first diagnosis was 4.5 (±4.6) years. DPN pain was described as “burning” in 68%, “twinging” in 38%, “searing” in 33%, and “piercing” in 30% (more than one description in one patient possible). At baseline, 83% of patients stated that their actual pain was more severe than the pain they could bear. 59% reported persistent pain and 41% intermittent pain. 78%/71%
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reported pain in the legs/feet, 11% in the arms, and 9% in the trunk (more than one location in a single patient possible). Mean DPN pain decreased from 6.4 (±1.6) to 4.6 (±1.8) after 1 week, to 3.2 (±1.8) after 3 weeks, and to 2.5 (±1.7) after 6 weeks. The responder rate at study end, defined as percentage of patients with pain reduction of ≥30% or ≥50%, respectively, was 89% and 76%. Interference with sleep was reduced by 30% and 50%, respectively, in 88% and 78%. General well-being was substantially improved at study end (baseline: 6.2 (±2.0), week 6: 2.4 (±1.8), lower values = improvement). In the global assessment, 89% of patients were “very satisfied” or “satisfied” with pregabalin treatment and 92% of physicians rated the efficacy of pregabalin as “very good/good”. Conclusions: In summary, patients with DPN made up about a third of the total study cohort. They responded very well to pregabalin therapy in term of pain reduction, reduction of sleep disturbances and improvement of general well-being. Treatment effects were noted as early as week 1. These results from daily practice confirm those reported in controlled clinical trials on pregabalin in DPN patients. P10.2 Antihyperalgetische Effekte von niedrig dosiertem Lidocain in einem humanen Surrogatmodell für neuropathische Schmerzen: eine funktionelle MRT- Studie K. Bschorer1, F. Seifert1,2, R. De Col1, J. Filitz1, W. Koppert3, C. Maihöfner1,2 1 Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie, Universität Erlangen, 2 Neurologische Universitätsklinik, Universität Erlangen, 3 Klinik für Anästhesiologie, Universität Erlangen Natriumkanalblocker sind Substanzen, die potentiell mit der Ausprägung von Hyperalgesie und Allodynie bei neuropathischen Schmerzen interferieren können. Es ist allerdings noch weitgehend unklar, welche Gehirnareale unter antihyperalgetischen Bedingungen moduliert werden. In einer doppelblinden placebokontrollierten fMRT- Studie mit 12 Probanden wurde daher die systemische Wirkung von niedrig dosiertem Lidocain in einem humanen Surrogatmodell für Schmerz und Hyperalgesie untersucht. Eine transkutane elektrische Reizung mit hohen Stromdichten wurde angewandt um eine akute Schmerzempfindung, sowie ein stabiles hyperalgetisches und allodynes Areal für Pin-Prick und Berührung (Allodynie) zu erzeugen. In der Placebogruppe zeigten sich Mehraktivierungen beim Vergleich zwischen unbehandelten und hyperalgetischen Hautareal im primären somatosensorischen Kortex (S1), sekundären somatosensorischen Kortexarealen (S2), parietalen Assozationskortizes, Insula, anterioren Zingulum und präfrontalen Kortizes. Im Gegensatz zur Placebogruppe wurden mehrere dieser Regionen unter Lidocainapplikation signifikant weniger aktiviert. In der psychophysischen Auswertung zeigte sich unter Lidocain parallel dazu ein signifikanter antihyperalgetischer und antiallodyner Effekt. Schlussfolgerung: Lidocain in therapeutischer Dosierung zeigt antihyperalgetische und antiallodyne Effekte mit dem Potential zur signifikanten Beeinflussung zentraler Sensibilisierungsmechanismen. P10.3 Erfolgreiche Behandlung ungewöhnlicher Indikationen mit Lidocain 5%-Pflaster – Eine Fallsammlung U. Kern, H. Braun, M. Burst, G. Müller, T. Nolte, L. Tarau Schmerz- und Palliativzentrum Wiesbaden Fragestellung: Lidocain 5%-Pflaster wurde kürzlich mit Handelsnamen VERSATISR in Großbritannien (erstmal in der EU) für „Postzosterneuralgie (PZN)“ zugelassen. Erfahrungen aus den USA legen eine Wirksamkeit auch bei anderen Schmerzarten nahe. Methode: 80 Pflasteranwendungen (Neurodol®, Versatis® via Auslandsapotheke) eines Schmerz-Zentrums mit mehr als 20.000 Pat.Kontakten/J. wurden auf den Einsatz außer bei „PZN“ untersucht. Interessante, erfolgreiche Anwendungen werden exemplarisch geschildert. Kasuistik 1: Ischämischer Ruheschmerz bei pAVK Die 85jährige Pat. konnte wegen Zehenschmerzen in Flachlage nachts nur sitzend schlafen. Der rechte Vorderfuß war extrem überempfindlich gegenüber Berührung u. Bettdecke. Bereits nach 2 Anwendungen am Vorfuß konnte sie liegend schmerzarm durchschlafen. Die Wirkung hielt nach 2wöchiger Applikation auch ohne Medikation mehrere Monate an
und wird seit 8 Monaten mit kurzen Intervalltherapien aufrecht erhalten. Kasuistik 2: Osteoporose-Rückenschmerz Bei einer 81jährigen Pat. bestanden heftige Rückenschmerzen i.R.e. Osteoporose mit linksthorakaler Allodynie T5-9. Das Pflaster reduzierte den Schmerz um ca. 50%, die übrigen Schmerzen wurden medikamentös behandelt. Kasuistik 3: Knieschmerzen nach infizierter TEP Ein Patient (geb. 1925) litt unter chronischem Knieschmerz (ohne Allodynie oder Narben-Schmerz) n. Revision einer infiz.TEP. Das Pflaster reduzierte den „tiefen Schmerz“ schrittweise von VAS 5 auf 0. Dieser Schmerzteil blieb trotz Absetzen des Pflasters erloschen. Kasuistik 4: Neuropathischer Beinschmerz bei Plexusinfiltration Die 48jährige Pat. litt unter brennenden Beinschmerzen mit Allodynie beider Füße bei Plexus-Infiltration nach Uterussarkom. Die Applikation von je einem Pflaster auf den Fußrücken reduzierte den Schmerz deutlichst und machte die Bettdecke wieder erträglich. Kasuistik 5: Sympathisch unterhaltener (?) Schmerz bei CRPS Nach Radiusfraktur re. litt die 59jährige Pat. unter UA-Schmerzen mit Allodynie radial. Das Pflaster reduzierte die Allodynie und verbesserte subjektiv Feinmotorik u. Kraft ihrer Hand. Kasuistik 6: Unklare Fußkrämpfe nach Distorsionstrauma Nach Distorsion des re. Fußes litt eine 78jährigen Patientin unter unklaren Fußkrämpfen, deren Zuordnung trotz neurolog., orthopäd. und internist. Abklärung nicht gelang. Die zweiwöchige Applikation eines Pflasters auf den lateralen Unterschenkel ließ die Krämpfe erlöschen. Der Effekt bestand ohne Behandlung fort. Diskussion: Unsere Beobachtungen lassen sich nicht alleine auf eine i.c. Lidocain-Wirkung zurückführen, auch ist eine Allodynie offenbar nicht Voraussetzung für effiziente Wirkung. Ob z.B. topische Vasodilatation, Beeinflussung sympathischer Reflexmechanismen oder die Alteration propriozeptiver Afferenzen zur Schmerzreduktion beitragen, bedarf weiterer Forschung. P10.4 Zentraler neuropathischer Schmerz: Ungewöhnliche Spätmanifestation eines postischämischen Thalamusschmerzsyndroms als prognostisch günstiger Faktor für die Behandlung mit Pregabalin ? Eine interessante Falldarstellung A. Schikowski Facharztzentrum Düsseldorf, Abteilung für Neurologie und Spezielle Schmerztherapie Die Problematik der Behandlung zentraler Schmerzsyndrome ist hinreichend bekannt. Hierbei ist die zeitliche Latenz des Auftretens zentraler Schmerzsyndrome nach Läsionen im ZNS variabel. Ein generelles Rezept für die Behandlung zentraler Schmerzsyndrome scheint es nicht zu geben. Gefürchtet ist hierbei vor allem die Therapieresistenz. In der folgenden Kasuistik wird ein interessanter Verlauf einer Behandlung eines Patienten mit einer auffällig ungewöhnlichen späten Manifestation eines Thalamusschmerzsyndroms nach cerebraler Ischämie und einer Behandlung mit Pregabalin (Lyrica®, Pfizer) dargestellt. Hierbei trat bei einem 62 jährigen männlichen Patienten ca. 2 Jahre nach einem im MRT gesicherten linksseitigen ischämischen Thalamusinfarkt ein schweres zentrales neuropathisches Schmerzsyndrom der rechten Körperhälfte auf. Nach einer medikamentösen Behandlung mit Pregabalin (Lyrica) in einer Dosierung von 225 mg/d kam es innerhalb von 3 Monaten zu einer kompletten Rückbildung der Schmerzen von einer initialen Schmerzintensität, die bei VAS = 6 lag. Diese ungewöhnlich späte Manifestation eines zentralen Schmerzsyndroms nach einer Thalamusischämie und das rasche und ideale Ansprechen auf eine Monotherapie mit Pregabalin lässt spekulativ einen Zusammenhang vermuten. Hierbei könnte das späte Auftreten von zentralen Schmerzsyndromen prognostisch günstig für die Behandlung von postischämischen zentralen (cerebralen) Schmerzsyndromen mit Pregabalin (Lyrica) sein. Die Spätmanifestation des Schmerzsyndroms könnte hierbei Ausdruck einer günstig verlaufenden Regeneration geschädigter zentraler neuronaler und schmerzmodulierender Strukturen sein und dadurch die gute Ansprache auf Pregabalin (Lyrica) erklären. Die Zulassungsstudien für Pregabalin sind bisher nur bei Schmerzsyndromen
nach Rückenmarksverletzungen durchgeführt worden. Die Wirkung von Pregabalin wurde bei Thalamusschmerzsyndromen bisher noch nicht in Studien untersucht. Hierbei wäre es interessant zu untersuchen, ob die zeitliche Latenz des Auftretens von zentralen Schmerzsyndromen und/ oder eine frühe pharmakologische Behandlung einen prognostischen Faktor für den Erfolg einer Therapie mit Pregabalin darstellen. Zusätzlich wäre es von Interesse festzustellen, ob es wesentliche Unterschiede in der Wirkung von Pregabalin bei zentralen Schmerzsyndromen bedingt durch Thalamusläsionen und Rückenmarksläsionen gibt. P10.5 Sensorische und morphologische Veränderungen nach peripherer Nervenläsion J. Schüning1, A. Scherens1, I. S. Haussleiter2, H. Richter1, S. Wöpking1, C. Maier1 1 BG Kliniken Bergmannsheil Bochum, Abteilung für Schmerztherapie, 2 LWL-Klinik Bochum, Klinik der Ruhr-Universität Bochum Einleitung: Bisherigen Untersuchungen zu funktionellen Veränderungen nach peripherer Nervenläsion beruhen überwiegend auf klinischen Daten und der Messung der Funktion der dick-myelinisierten Nervenfasern. Mit der quantitativ sensorischen Testung (QST) und der Bestimmung der intraepidermalen Nervenfaser- (IENF-) Dichte mittels Hautbiopsie stehen zwei neue Verfahren zur Verfügung. Beide wurden erstmals gemeinsam zur Bestimmung der sensorischen und morphologischen Veränderungen nach Nervenläsion eingesetzt. Methodik: Eingeschlossen wurden 15 Patienten (Alter: 41±13 Jahre, 12 ♂, Erkrankungsdauer 71±56 Monate, mittlere Schmerzstärke (elfstufige numerische Ratingskala) 4,5±1,6) mit Neuralgie nach Trauma (n=13) oder Engpasssyndrom (n=2) ohne neurologische Systemerkrankung mit Schmerzen im Versorgungsgebiet des N. peronaeus (n=10), des N. cut. femoris lat. (n=4) sowie des N. suralis (n=1). 11 Patienten hatten pathologische Veränderungen im EMG oder ENG. QST (1) (Durchführung und Z-Transformation) und Hautbiopsie(2) (3-mm Stanze) wurden beidseits im entsprechenden Innervationsgebiet durchgeführt. Absolut pathologische Werte und pathologische Seitendifferenzen wurden im Vergleich zum Normdatenkollektiv (1) ermittelt. Nach Z-Transformation wurden Werte außerhalb von ± 2 Standardabweichungen als pathologisch angesehen, ebenso wurden pathologische Seitendifferenzen eingestuft. Histologie: Immunfluoreszenz mit dem panaxonalen Marker PGP 9.5. Statistik: t-Tests, Korrelationsanalysen, Signifikanz p<0,05. Ergebnisse: Tab. 1: CDT: Kältedetektionsschwelle, WDT: Wärmedetektionsschwelle, TSL: thermische Unterschiedsschwelle, PHS: paradoxe Hitzeempfindungen, CPT: Kälteschmerzschwelle, HPT: Hitzeschmerzschwelle, MDT: taktile Detektionsschwelle, MPT: mechanische Schmerzschwelle, MPS: mechanische Schmerzsensitiviät, DMA: dynamische mechanische Allodynie, WUR: Wind-up ratio, VDT: Vibrationswahrnehmungsschwelle, PPT: Druckschmerzschwelle, * signifikanter Seitenunterschied Betroffene Seite CDT (°C) -13,7 ± 8,8* WDT (°C) 12,4 ± 4,2* TSL (°C) 24,1 ± 13,1* PHS (x/3) 0,93 ± 1,22* CPT (°C) 8,8 ± 10,6 HPT (°C) 48,6 ± 2,00* MDT (mN) 152,8 ± 240,2* MPT (mN) 232,8 ± 226,5* MPS 3,3 ± 6,5 DMA 0,15 ± 0,40* WUR 2,2 ± 1,1 VDT (x/8) 6,3 ± 1,4* PPT (kPa) 473,2 ± 257,8*
Kontralaterale NormSeite werte
pathologische Werte
-3,5 ± 2,0 6,1 ± 3,7 9,9 ± 5,9 0,13 ± 0,35 3,6 ± 5,4 46,8 ± 2,00 5,1 ± 4,0 75,6 ± 83,4 1,3 ± 1,2 0±0 2,4 ± 1,0 7,3 ± 0,7 581,7 ± 173,8
9 4 7 7 1 3 9 4 3 5 0 3 4
4 10 8 8 11 12 0 7 4 10 14 6 7
pathologische Seitendifferenzen 2 1 0 3 0 6 4 8 1 6 4
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Abstracts Die QST-Parameter aller Patienten waren kontralateral im Normbereich. Auf der betroffenen Seite fand sich eine ausgeprägte Hypästhesie (thermisch und taktil, mit Beteiligung aller Nervenfasern) und Hypalgesie (Ausnahme: PPT). Eine besonders große Streuung bestand bei der MPS. Zehn Patienten wiesen eine mechanische Hypalgesie (Z-Wert <0) und fünf Patienten eine mechanische Hyperalgesie (Z-Wert >0) auf. Die letzteren zeigten eine geringere sensorische Beeinträchtigung und erhöhte Schmerzsensitivität auch für andere Parameter (im Mittel niedrigere Schwellen für CDT, MDT, CPT, PPT). Die IENF-Dichte war auf der betroffenen Seite signifikant erniedrigt (Test: 3,64±2,91/mm; Kontrolle: 12,14±9,80/mm; p<0,01) und korrelierte signifikant negativ mit der WDT (r=-0,56; p<0,05) und der MDT (r=-0,57; p<0,05). Zusammenfassung: Alle Patienten hatten ein pathologisches sensorisches Profil. Morphologisch zeigte sich bei allen Patienten eine Reduktion der IENF-Dichte im betroffenen Areal. Im Unterschied zum Befund bei Patienten mit schmerzhafter Polyneuropathie fand sich kein einziger Fall einer isolierter Small Fiber Neuropathie. Auffallend war die Kombination von Hypästhesie und Hypalgesie. Nur eine Untergruppe von Patienten wies eine mechanische Hyperalgesie auf. 1. Rolke et al. Quantitative sensory testing in the German Research Network on Neuropathic Pain (DFNS): standardized protocol and reference values. Pain 2006; 123: 231–243. 2. Lauria et al. EFNS guidelines on the use of skin biopsy in the diagnosis of peripheral neuropathy. European Journal of Neurology 2005; 122; 747–758. P10.6 Wirksamkeit von Ziconotid bei einem Patienten mit Failed Back Surgery Syndrom G. Schütze Märkische Kliniken GmbH, Iserlohn, Klinik für Anästhesie In diesem Fallbericht wird ein 45-jähriger Patient mit einem Failed Back Surgery Syndrom (Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 und L5/S1, hochgradige Spinalkanalstenosierung S1 bis L5, Zustand nach dorsaler Spondylodese mit Sequesterausräumung (1995), Hüftumstellungsosteotomie beidseits mit Trochanterversetzung (1987,1990), Implantation einer Hüft-TEP rechts (1999), Nephrektomie links, HüftTEP-Wechsel rechts wegen Prothesenlockerung, osteosynthetische Versorgung einer subtrochantären Femurfraktur rechts; Schmerzchronifizierung nach Gerbershagen Stadium III) beschrieben. Seit 1990 blieben die in den unterschiedlichsten schmerztherapeutischen Einrichtungen durchgeführten pharmakotherapeutischen Konzepte zur Therapie des Failed Back Surgery Syndroms ohne erkennbare Schmerzreduzierung bzw. Verbesserung der Lebensqualität. Aufgrund der klinischen Symptomatik des chronifizierten neuropathischen rückenmarksnahen Schmerzsyndroms wurde in unserer Schmerzklinik zunächst zur weiterführenden Diagnostik und Therapie des Patienten ein invasiv-interventioneller Eingriff mit Epidurographie, Epiduroskopie, Laseradhäsiolyse und decompressiver neuroplasty durchgeführt. Unter endoskopischen Bedingungen konnte mittels epiduroskopischem Schmerzprovokationstest nachgewiesen werden, dass die pathologisch-anatomischen Strukturen (rückenmarksnahe Adhäsionen, Fibrosen, Narben) eine eindeutige Schmerzrelevanz besitzen. Im Rahmen des multimodalen Therapiekonzepts wurden auch invasiv-interventionelle Maßnahmen zur Therapie des vorwiegend neuropathischen Schmerzsyndroms einschließlich einer Spinal Cord TestStimulation und einer epiduralen und intrathekalen hochdosierten Opioidanalgetika-Gabe ausgeschöpft. Eine nachhaltige schmerzreduzierende Wirkung konnte wie auch bei verschiedensten hochdosierten oralen, transdermalen und i.v. Opioidanalgetikagaben nicht erzielt werden. Deshalb erfolgte der Entschluss, das neue nichtopioide Analgetikum Ziconotid (Prialt®) intrathekal zu testen. Ziconotid ist ein synthetisches Äquivalent des ω-Conotoxins MVIIA der Kegelschnecke Conus Magus. Es führt zu einer selektiven Hemmung von spannungsabhängigen neuronalen Calciumkanälen.
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Der Patient wurde zur intrathekalen Ziconotid-Testung am 08.03.2007 mit einem Pain Score von 9 (0-10 NRS) stationär in unsere Schmerzklinik aufgenommen. Zunächst erfolgte eine Opioidentzugstherapie. Nach Implantation eines spinalen Testkatheters wurde Ziconotid in einer Dosierung von täglich 2.4 µg/Tag intrathekal über eine CaddPCA-Pumpe kontinuierlich appliziert. Unter engmaschigem ärztlichen Monitoring wurde die Wirksamkeit von intrathekalem Ziconotid bei diesem Patienten getestet. Die Ziconotid-Testung verlief absolut komplikationsfrei. Der Pain Score konnte im Verlauf des Klinikaufenthalts von 9 (0-10 NRS) auf 3 (0-10) unter der Ziconotid-Therapie gesenkt und die Lebensqualität des Patienten in überraschender und beeindruckender Art und Weise gesteigert werden. Auf Grund des hervorragenden Testergebnisses konnte der Patient bereits nach einem achttägigen stationären Aufenthalt mit einem Pain Score von 0-1 (0-10 NRS) in die ambulante Weiterbetreuung entlassen werden. Bis zur erneuten stationären Aufnahme am 25.04.2007 zur geplanten Implantation einer Medikamenpumpe wurde die intrathekale Applikation von Ziconotid mit einer CADD PCA-Pumpe in einer Dosierung von 4.4 µg/Tag ambulant fortgeführt. In der Ziconotid-Testphase wurde der Patient unserer interdisziplinären Schmerzkonferenz vorgestellt. Nach dem Votum für die Implantation der Medikamentenpumpe durch die Teilnehmer der Schmerzkonferenz erfolgte am 02.05.2007 die komplikationslose Implantation eines programmierbaren Medikamentenpumpensystems. Nach dreimonatiger kontinuierlicher intrathekaler Applikation von Ziconotid kann zusammenfassend festgestellt werden, dass diese neue, nicht opioide Therapieoption zu einer ausgezeichneten Schmerzreduktion geführt hat und die Lebensqualität des Patienten in hervorragender Weise angehoben hat. Nach jahrelanger Arbeitsunfähigkeit wurde der Patient in die Lage versetzt, im Rahmen seiner Möglichkeiten in den Arbeitsprozess wieder integriert zu werden. P10.7 Topisches Menthol, ein stabiles humanes Surrogat-Modell? M. Stengel, A. Binder, G. Wasner, J. Schattschneider, R. Baron Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie Kiel, Klinik für Neurologie UK-SH Einleitung: Experimentelle Schmerzmodelle am Menschen sind wichtig zur Erforschung der pathophysiologischen Mechanismen bei neuropathischen Schmerzen und zur Überprüfung der Wirksamkeit analgetischer Substanzen. Voraussetzung dafür sind auch über einen längeren Zeitraum stabile, humane Surrogat-Modelle. Im Rahmen dieser Studie wurde die Stabilität des humanen Menthol-Surrogat-Modells untersucht. Material und Methoden: Bei 12 gesunden rechtshändigen (MW) Männern wurden 13 QST Parameter, entsprechend des DFNS-Protokolls1 auf dem Handrücken der rechten Hand untersucht: Die mechanische Detektions- (MDT), die Vibrations- (VDT), die Kalt- (CDT), Warm(WDT), thermische Unterschieds-, (TSL) Kälteschmerz (CPT), Hitzeschmerz- (HPT), Druckschmerzschwelle (PPT) und das wind-up wurden alle im Applikationsareal erhoben, die mechanische Schmerzschwelle und die S/R-Funktion wurden in einem sekundären Areal 1cm von der Applikationsstelle entfernt durchgeführt. Vor und direkt nach der topischen Gabe von Menthol (400 mg/20 min, 3x3 cm), sowie nach 45, 90, 135, 180 und 225 Minuten wurden die QST Untersuchungen durchgeführt. Unterschiede der Z-score transformierten Daten wurden mit dem Wilcoxon-test (p< 0,05: signifikant) berechnet. Ergebnisse: Die topische Mentholgabe führte zu einer signifikanten Abnahme der CPT (MW 6,93±6,5°C; 20,23±6,8°C) und der HPT (MW: 45,5±2,1°C; 44,1±1,5°C) im Vergleich zu den Ausgangswerten vor Mentholgabe bis zu 180 min nach Applikation (zu allen Zeitpunkten p<0,01), im Sinne einer Kälte- und Hitzeahyperalgesie. Nach 225 min war die CPT nicht mehr signifikant (9,5±7,9°C, p<0,07), wohingegen die HPT weiterhin signifikant blieb (p = 0,002). Die MPT war zu allen gemessenen Zeitpunkten signifikant reduziert und die MPS zu allen Zeitpunkten signifikant angestiegen im Vergleich zu den Ausgangswerten, entsprechend
einer mechanischen PinPrickhyperalgesie. Alle übrigen Parameter zeigte keine signifikante Veränderung im Zeitverlauf über 225 Minuten. Schlussfolgerung: Im humanen Menthol Surrogat-Modell wird eine langanhaltende PinPrick-, Hitze- und Kältehyperalgesie erzeugt, wobei die HPT und die MPT/MPS im Gegensatz zur CPT stabil bleiben. Einer Veränderung der CPT im Zeitverlauf muss bei Anwendung des Menthol-Modells Rechnung getragen werden. P10.8 Untersuchungen zur antinozizeptiven Wirkung von Lacosamid am Streptozotocin-induzierten diabetischen Rattenmodell B. Beyreuther1, N. Callizot2, T. Stoehr1 1 SCHWARZ BIOSCIENCES GmbH, Abt. Pharmakologie/Toxikologie, Monheim, 2 Neurofit, department of NEURO, 3 D SA, Illkirch, France Fragestellung: Ziel der Untersuchung war es, die Wirkung von Lacosamid (LCM) gegenüber anderen Wirkstoffen, die bei neuropathischem Schmerz indiziert sind, am Streptozotocin-induzierten diabetischen Rattenmodell zu ermitteln. LCM ist ein neuartiges Antikonvulsivum, das sich in der klinischen Phase III zur Behandlung der Epilepsie und des diabetischen neuropathischen Schmerzes befindet. Methoden: Diabetisch neuropathischer Schmerz wurde bei Ratten durch Verabreichung von Streptozotocin (STZ) induziert. Die Schmerzbeurteilung erfolgte 10 und 21 Tage nach der STZ-Gabe bei Tieren, deren Blutglucosespiegel >14,3 mmol/l war. 30 Min nach i.p. Verabreichung von LCM bzw. anderer Antikonvulsiva oder Antidepressiva wurde die Wirkung auf thermische- und mechanische Allodynie und Hyperalgesie bestimmt. Ergebnisse: LCM hemmte dosisabhängig und statistisch signifikant sowohl die thermische- (3-30mg/kg) und mechanische (30mg/kg) Allodynie als auch die thermische- (10-30mg/kg) und mechanische (10-30mg/kg) Hyperalgesie. Amitriptyline in hohen Konzentrationen (30mg/kg) war bezüglich der thermischen Allodynie ähnlich gut wirksam wie LCM. Levetiracetam, Pregabalin und Venlafaxin waren weniger effektiv. Auch hinsichtlich der mechanischen Hyperalgesie war die antinozizeptive Wirkung von LCM am stärksten ausgeprägt. Schlussfolgerungen: LCM zeigte in dieser Untersuchung eine starke antinozizeptive Wirkung auf thermische- und mechanische Reize am Streptozotocin-induzierten diabetischen Rattenmodell und scheint ein breites Wirkspektrum hinsichtlich der Schmerzreduktion zu haben. P10.9 Fallbericht - Morbus Dercum – Lipomatosis dolorosa (Ld) – ein Fall für Pregabalin (Lyrica®) und Manuelle Lymphdrainage C. Uhlemann1, P. Oelzner2, U. Lange3 1 Kompetenzzentrum Naturheilverfahren, Klinik Innere Medizin II, FSU Jena, 2 Klinik Innere Medizin III, FSU Jena, 3 Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim Erstbeschreibung 1888 durch den amerik. Neurologen F.X. Dercum (1856-1931). Synonyma: Adiposalgie, Adipositas dolorosa, Dercum-Krankheit, Lipalgie, Neurolipomatosis Typische Merkmale: vermehrte Unterhaut-Fettgewebsablagerung an folgenden Regionen: Oberarminnenseite, Ellenbogengelenk, Bauch, Gesäß, Oberschenkelaußen-/innenseite Kniegelenk. Charakteristika: lipomatöse Ablagerungen, Allodynie, relevante Begleitphänomene: vegetative Dysregulationsphänomene, bindegewebige Schwellungen, Parästhesien in den Händen, morgentliche stiffness, Gelenksteifigkeit, Sicca-Symptomatik, Gefäßbrüchigkeit. Muskelschwäche, Kopfschmerzen (Spannungskopfschmerz, zervicogener Kopfschmerz) Migränekrankheit, psychosoziale Irritationen (Reizbarkeit, Depressivität, Antriebsmangel, Schlaf- u. Gedächtnisstörungen). Ld ist klinische Diagnose, Frauen im mittleren Alter erkranken 5-30mal häufiger als Männer, Erbgang (autosomal dominant) wird diskutiert. Verteilgungsmuster: T y p I: (juxta - artikulär), T y p II: (diffus - generalisiert), T y p III: (nodulär druckschmerzhafte (Angio-Lipome), Ätiologie unbekannt, hypothetische Spekulationen: Störungen des Fettstoffwechsels, hormonelle Störungen, Störungen des Blutflusses im Unterhautfettgewebe, Fehlregulation des sympathischen Nerven-
systems, Nervenentzündungen, mitochondriale Erkrankung. Erscheinungsbild heterogen, Überlappungen mit somatoformen Störungen. Fallbericht: 59jährige Pat.klagt seit 10 Jahren (Beginn des Klimakteriums) zunehmend über Lipödeme in Knieregion bds., Innenseite Oberschenkel, Abdomen sowie bd. Oberarme. Mutter und Tochter leiden ebenfalls an Ld., Subjektive Beschwerden: Berührungsschmerzhaftigkeit, zunehmende Adipositas, morgentliche stiffness, Parästhesien in Beinen, massive Bewegungseinschränkung aller Extremitätengelenke, Depressivität, körperliche Abgeschlagenheit, schmerzbedingte Aufgabe des Sexuallebens sowie sozialer Rückzug. Internistischer Status (klinisch): Keine relevanten Störung des HerzKreislaufsystems sowie der Lunge. Labordaten, EKG, Osteodensitometrie ohne pathologischen Befund. Autoantikörper-Befunde, Serologie hinsichtlich Borrelien, Chlamydien, Jarsinien negativ. Bewegungssystem: adipöser Habitus, status kongestivus, ubiquitäre bindegewebige Verquellungen, extreme Lipomatosis vornehmlich bd. Oberarme, bd. Oberschenkel sowie Abdominalregion, Allodynie an Extremitäten und Stamm, derb zu tastende Lipome an genannten Stellen. Funktionsebenen der HWS, BWS, LWS schmerzbedingt eingeschränkt, aufgehobenes Gelenkspiel in Kopfgelenken bds., zervikothorakaler Übergang, 1. Rippe, ISG bds. myofasziale Triggerpunkte im M. piriformis bds., Muskeleigenreflexe +, =, keine neurologischen Defizitzeichen, Pain DETECT: Score-Endsumme = 31 (neuropathischer Schmerz). Therapeutisches Procedere: medikamentös: Lyrica® 75mg S. 2x1/die (1. Wo.), Lyrica 150 S. 3 – 4 x 1/die (ab 2. Woche) physiotherapeutisch: Ganzkörper-Manuelle Lymphdrainage (MLD), 2 x wö., je 60’ Verlauf: Ab 10. Tag der Medikamenteneinnahme deutliche Reduzierung der Allodynie, quasi Beschwerdefreiheit nach 4 Wo. Umfangabnahme an Oberschenkeln 6 cm, Unterschenkeln 3 cm, Oberarme 3 cm, Unterarme 2 cm, Gewichtsabnahme von 10 kg nach 8 Wo. (BMI: anfänglich 38kg/m²/34kg/m²). Therapieergebnis: Juni 2006-Februar 2007 (subjektive Beurteilung mittels VAS-Skala = 0, d.h. keine – 100, d.h. max. Beeinträchtigung): Allgemeinbefinden 100 / 15, Allodynie 100 / 10, Spannungsschmerz 100 / 0, Depressivität 78 / 0, Beweglichkeitsausmaß 90 / 10. Schlussfolgerung: Zu empfehlendes Therapiekonzept für Ld ist das Antikonvulsivum Lyrica® zur Beeinflussung neuropathischer Schmerzen (Allodynie) durch Modulation von Ca-Kanälen an der Membran neuronaler Strukturen und MLD (Ganzkörpertherapie). Letztere regt Lymphokinetik an und kann auch einen Abtransport und eine Beeinflussung von Zytokinen bzw. Schmerzmediatoren (Ausleitungstherapie) bedeuten. MLD bedingt durch Beeinflussung der Sympathikusaktivität psychophysische Detonisierung. Für die Lyrica-Medikation ist bedeutsam, dass eine indivuelle Titrierung vorgenommen wird (min. 50 mg/die, max. 600mg/die). 1. Freynhagen R, Busche P, Konrad C, Balkenohl M. Wirksamkeit und Wirkungsbeginn von Pregabalin bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen. Schmerz 2006; 20: 285-292 2. Földi M, E Földi (Eds.in Chief): Földi’s Testbook of Lymphology. Mosby, Elsevier, München 2006 3. Steiner J, Schiltz K. Lipomatosis dolorosa – ein häufig übersehenes Krankheitsbild. Nervenarzt 2002; 73: 183-187 4. Uhlemann C. Physikalische Schmerztherapie, Naturheilverfahren, Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin. In: Schiltenwolf M, Henningsen P (Hrsg.). Orthopädische Schmerztherapie. Köln: Deutscher Ärzteverlag, 2006; 240-285 P10.10 Periphere Nervenstimulation bei chronischer Okzipitalisneuralgie mittels perkutan implantiertem Synergy©-Stimulationssystem J. Walter1, H. Seyer2, S. A. Kuhn1, R. Kalff1, R. Reichart1 1 Klinik für Neurochirurgie, Klinikum d. Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2 Praxis für Neurochirurgie und Schmerztherapie, Erlangen Einleitung: Die periphere subokzipitale Nervenstimulation ist ein vergleichsweise neues Verfahren in der neuromodulatorischen Behandlung okzipitaler Kopfschmerzen und der chronischen OkzipitaDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts lisneuralgie. Es werden die Indikationsstellung zur Implantation eines peripheren Nervenstimulationssystemes, das operative Vorgehen sowie die Ergebnisse der ersten Nachuntersuchungen in einem Fall ausgeprägter beidseitiger chronischer Okzipitalisneuralgie im Rahmen einer Kyphoskoliose bei Marfansyndrom beschrieben. Fallbericht: Die 50-jährige Patientin leidet im Rahmen eines Marfansyndromes an einer juvenilen Kyphoskoliose der BWS und LWS. Eine pulmonalarterielle Hypertonie mit kompensiertem Cor pulmonale, zusammen mit einer massiven Thoraxdeformität machen die CPAPHeimbeatmung notwendig. Die Skoliose wurde durch dorsale Instrumentation nach Harrington BWK2-LWK2 teilweise korrigiert. Eine fortbestehende Muskeldysbalance hat jedoch in den letzten 10 Jahren zu einer chronischen, nunmehr kaum zu ertragenden beidseitigen Okzipitalisneuralgie geführt. Die medikamentöse Therapie mit Muskelrelaxanzien und Opiaten war aufgrund der eingeschränkten Atemfunktion kontraindiziert. NSAR konnten bei UAW nicht in ausreichender Dosierung appliziert werden. Schließlich führten infiltrative Blockaden und Kryoblockbehandlungen im Bereich der Nn. occipitales zu einer leichten, jedoch nur temporären Besserung der Schmerzsymptomatik. Unter einer Testbehandlung mit peripherer Stimulation der rechten Okzipitalnerven war die Patientin in diesem Bereich annähernd beschwerdefrei. Nun erfolgte die dauerhafte perkutane, subokzipitale Implantation einer 8-poligen Stabelektrode (Synergy©, Medtronic) in horizontaler Lage zur beidseitigen Stimulation. Die Stimulationssonde wurde über einen rechts okzipitalen Hautschnitt nach links okzipital untertunnelt und mit dem abdominell implantierten Stimulator konnektiert (Synergy©, Medtronic). Direkt postoperativ wurde der Stimulator programmiert und in Betrieb genommen. Die Patientin verspürte unmittelbar eine deutliche Linderung der Nacken- und Kopfschmerzen. Im Rahmen der Nachuntersuchungen konnte nun nach optimaler Einstellung der Stimulationsparameter eine mehr als 80-prozentige Schmerzreduktion erzielt werden. Diskussion: Die periphere Nervenstimulation (PNS) findet außer bei Okzipitalisneuralgien u.a. ihre Anwendung bei medikamentös nicht zu kupierender Trigeminus- und postherpetischer Neuralgie sowie bei Clusterkopfschmerzen und transformierter Migräne. Die in diesem Fall beschriebene perkutane, transversale Implantation einer subokzipitalen 8-poligen Stabelektrode erlaubt die Stimulation im Bereich der gesamten okzipitalen Kurvatur. Im Gegensatz zu Plattenelektroden kann die Anlage über eine Inzision und nachfolgende Untertunnelung erfolgen. In dem beschriebenen Fall erlaubte dies die Operation in nur milder Sedierung und Lokalanästhesie. Die deutliche und anhaltende Schmerzreduktion von mehr als 80% bedeutet für die Patientin einen unermesslichen Zugewinn an Lebensqualität und deckt sich mit den Ergebnissen mehrerer Fallberichte, die persistierende Schmerzreduktionen von 75%-90% beschreiben. Die hochsignifikante Schmerzreduktion, verbunden mit einem niedrigen operativen Komplikationsrisiko bestätigt die PNS als eine sichere und effektive Methode zur Behandlung Neuralgien unterschiedlicher Genese. P10.11 Kombinationstherapie von Ziconotid mit intrathekalem Baclofen bei einer Patientin mit Paraparese der Beine nach Spondylolisthesis-Op R. Wendland St. Josef-Hospital Gelsenkirchen, Anästhesiologie Eine 46-jährige Patientin mit Paraparese der Beine bei Zustand nach Spondylolisthesis-Op L5/S1 hat seit 1997 eine intrathekal einspeisende gasbetriebene Medikamentenpumpe mit einer Flussrate von 1ml/Tag. Die Patientin erhielt aufgrund ihrer Schmerzsymptomatik hohe intrathekale Morphindosen von 30 mg/Tag. 1999 war eine ausreichende Wirksamkeit des intrathekal verabreichten Morphins nicht mehr gegeben und zusätzlich wurde eine zunehmende Spastik beobachtet. Es wurde eine Entzugsbehandlung zum Herunterregulieren der m-Rezeptoren durchgeführt. Die Patientin erhielt begleitend schmerzdistanzierende Medikamente (Flupirtin, Doxepin, Haloperidol; Bedarfsmedikation Metamizol). Um eine Verbesserung
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der Spastik zu erreichen, wurde zusätzlich orales Baclofen verabreicht. Hierunter trat jedoch Übelkeit und eine Sedierungsproblematik auf. Die Patientin wurde aus diesem Grund auf intrathekales Baclofen umgestellt. Hierunter trat eine deutliche Benommenheit, Kraftlosigkeit und ein vermehrtes Übelkeitsgefühl auf. Zusätzlich zeigte die Patientin vermehrt körperliche Entzugssymptome in Form von Unruhe, Herzrasen und Schweißausbrüchen. Nach zweiwöchigem Morphinentzug erhielt die Patientin 12 mg intrathekales Morphin und 60 µg intrathekales Baclofen pro Tag. Die Spastik besserte sich, eine Schmerzreduktion war allerdings nicht zu beobachten. Aus diesem Grund wurde die Morphindosis wiederum erhöht. Die Patientin entwickelte daraufhin ein Morphin-induziertes Blasenentleerungsproblem und eine starke Obstipation. Aufgrund der unzureichenden Analgesie unter intrathekalem Morphin (VAS-Wert 9-10) und aufgrund der beschriebenen Nebenwirkungen wurde die Patientin auf intrathekales Ziconotid umgestellt. Zunächst erfolgte die Umstellung auf orales Morphin. Da bei einer Dosis von 30 mg intrathekalem Morphin von einer Äquivalenzdosis von 9 g oralem Morphin ausgegangen werden muss, wurde eine verstärkte Entzugssymptomatik erwartet. Daher entschlossen wir uns zur Gabe von 16 mg oralem Hydromorphon. Diese Dosis war vorhersehbar nicht ausreichend, aufgrund von Übelkeit und Erbrechen die Resorption unzuverlässig. Deshalb wurde auf ein 100 µg/h Fentanyl-Pflaster umgestellt. Parallel wurde mit der Ziconotid-Auftitration begonnen. Die Anfangsdosis betrug 2,4 µg/Tag. Die Dosis wurde danach zunächst auf 4,8 µg/Tag, dann auf 7,5 µg/Tag und später auf 10 µg/Tag gesteigert. Zur Entzugsabschwächung bekam die Patientin Doxepin sowie Clonidin und Haloperidol. Nach 2 Wochen ließen die Entzugssymptome langsam nach. Unter ansteigender Ziconotid-Dosis kam es anfänglich nicht zu einer Schmerzreduktion. Die Patientin berichtete allerdings über einen „klareren Blick“ und über eine „gesteigerte Aufnahmefähigkeit“. Bei einer Ziconotid-Dosis von 10 µg/Tag wurde die Patientin in die ambulante schmerztherapeutische Behandlung entlassen. Parallel dazu erhielt sie weiter 100 µg/h Fentanyl-Pflaster mit 72 stdg. Wechselintervall und 30 mg Lioresal p.o./die. Ambulant wurde die Ziconotid-Dosis in 4 wöchentlichen Abständen gesteigert. Ab einer Dosis von 12 µg/Tag wurde zusätzlich intrathekales Baclofen in einer Dosis von 117 µg/Tag verabreicht. Die Spastik besserte sich, die Schmerzlinderung war allerdings noch nicht zufriedenstellend. Ab einer Dosis von 13,4 µg/Tag konnte das Fentanyl-Pflaster durch eine orale Oxycodon/Naloxon-Gabe ersetzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt erhält die Patientin eine Kombination aus 16,7 µg/Tag Ziconotid und 67 µg/Tag Baclofen. Zusätzlich nimmt die Patientin bei Bedarf orales Oxycodon/Naloxon ein (maximal 3-4 mal pro Woche 10/5 mg, die Dosis wird weiter ausgeschlichen). Übelkeit besteht nicht mehr, auch die Obstipation hat sich gebessert. Der VASWert hat sich deutlich gebessert und liegt seit 2 Monaten stabil bei 3. Die Patientin weist keine Spastik mehr auf. Die Kombinationstherapie aus Ziconotid und intrathekalem Baclofen wird gut vertragen. Die Lebensqualität der Patientin wurde deutlich gesteigert. P10.12 Lokale und systemische Zytokinprofile bei Patienten mit Small Fiber Neuropathie N. Üçeyler, W. Kafke, K. V. Toyka, C. Sommer Neurologische Universitätsklinik Würzburg Ausgehend von den berechtigten Einschränkungen in der Anwendung von traditionellen NSAR wie auch von COX-II-Hemmern durch nationale und internationale Zulassungsgremien für Humanarzneimittel, erfahren die Opioide einen neuen Aufschwung auch in der Therapie degenerativ bedingter Schmerzzustände des Bewegungsapparates. Um die günstigste Nutzen-/Risiko-Relation für den Patienten zu gestalten, müssen nun drei Konditionen formuliert werden, die den Einsatz von Opioiden begründen: 1. Unzureichende Schmerzlinderung durch Nicht-Opioid-Analgetika (NOA).
2. Bereits ausgebildetes „Schmerzgedächtnis“ bei chronifizierten Schmerzzuständen. 3. Vorliegen von Risikofaktoren, die der Verordnung von NOA Grenzen setzen. Die konsequente Berücksichtigung in der Praxis führte innerhalb kurzer Zeit zu einem signifikanten Anstieg von Opioiden zu ungunsten der NOA in unserem Zentrum. Setzt man analog die Vor- und Nachteile der verschiedenen Opioide in Relation, so fällt der Akzent deutlich auf das neue Norspan®. Norspan® ist ein Matrixpflaster, das den Wirkstoff Buprenorphin in vergleichbar niedriger Dosierung von 5 µg/h 10 µg/h oder 20 µg/h enthält und über ein Applikationsintervall von 7 Tagen verfügt. Zulassungsgemäß wurde Norspan® in unserem Zentrum bei 74 Patienten (n = 10 < 60 Jahre, n = 64 ≥ 60 Jahre), bei denen die regelmäßige Therapiekontrolle eine Verbesserung der Therapie erwarten ließ, eingesetzt. Den Schmerzzuständen lag bei der Mehrheit der Patienten eine Cox- und/oder Gonarthrose zugrunde. Bei 27 Patienten erfolgte der Einsatz des Pflasters im Rahmen einer Neueinstellung, 47 Patienten wurden u. a. von NSAR und Coxiben umgestellt. Gründe für die Umstellung waren in erster Linie Risikofaktoren für den Einsatz von NSAR und Coxiben (n = 28) und eine unzureichende Analgesie trotz Dosisausschöpfung unter Vormedikation (n = 10). Unter Anwendung von Norspan® konnte in der Regel das Therapieziel, den individuellen Schmerzscore auf 20% Restschmerz zu reduzieren, bei allgemein guter Verträglichkeit erreicht werden. Bei 38% der Patienten führte bereits die Therapie mit Norspan® 5 µg/h zu einer zufrieden stellenden Analgesie, 23% profitierten von Norspan® 10 µg/h, 39% benötigten eine höhere Dosierung. Die im Rahmen der täglichen Praxis registrierten Ergebnisse sprechen überzeugend für den Einsatz von Norspan® als Option in der Therapie chronischer arthrotisch bedingter Schmerzen.
P11 Pharmakologische Therapie des Schmerzes I P11.1 Pharmakokinetische Eigenschaften von Jurnista® (OROS®HYDROMORPHON) in Anwesenheit von Alkohol – Ergebnisse einer PK-Studie K. Bornhövd1, U. Richarz2, G. Sathyan3, K. Sivakumar3, J. Thipphawong3 1 Medical and Scientific Affairs, Janssen-Cilag Germany, Neuss, Germany, 2 Medical Affairs, Janssen-Cilag Europe, Baar, Switzerland, 3 Medical Research, ALZA Corporation, Mountain View, CA, United States Fragestellung: Die Entwicklung von Formulierungen mit verzögerter Freisetzung des Wirkstoffs, die den Anforderungen der zu behandelnden Erkrankung entsprechen stellt per se eine Herausforderung dar. Im Falle von potenten Substanzen wie Opioiden zur Therapie chronischer Schmerzen ist der Erhalt der Integrität der Formulierung eine wesentliche Anforderung um ein sog. „dose dumping“ zu vermeiden, wie es in der Vergangenheit bei anderen langwirksamen Opioid-Formulierungen in Anwesenheit von Alkohol aufgetreten war. Ziel dieser Studie war es den Effekt von Alkohol auf die Pharmakokinetik von OROS®Hydromorphon zu untersuchen. Unter Berücksichtigung eines möglichen Einflusses von Nahrung auf die Absorption des Alkohols wurden die gesunden Probanden sowohl ohne vorherige Nahrungsaufnahme als auch nach erfolgter Nahrungsaufnahme untersucht. Methodik: Diese Klinische Prüfung der Phase I wurde als monozentrische, offene, randomisierte crossover, single-dose Studie mit zwei Probanden-Gruppen (ohne bzw. mit vorheriger Nahrungsaufnahme) konzipiert. Nach schriftlichem Einverständnis und Screening, welches einen „Naloxon-Test“ zum Ausschluss von Probanden mit Opioidentzugssymptomen beinhaltete, erfolgte der Einschluss in die Studie und die Randomisierung auf eine von 4 Sequenzen der 4 Behandlungen. Behandlung A,B,C,D wurde in Gruppe 1 (ohne Nahrungsaufnahme) und E, F, G, H in Gruppe 2 (nach Nahrungsaufnahme) durchgeführt. Die Behandlungen bestanden in jeweils 16 mg OROS®Hydromorphon und entweder + 240 ml Orangensaft (A, E) oder + 4 Vol% Alkohol in
Orangensaft (B,F) oder + 20 Vol% Alkohol in Orangensaft (C,G) oder + 40 Vol% Alkohol in Orangensaft (D, H). Alle Probanden erhielten Naltrexon p.o. jeweils 14 h und 2 h vor und zweimal täglich für 48 h nach der Behandlung. Über eine Zeitspanne von 48 h nach jeder Dosis wurden regelmäßig Blutproben zur Analyse der Hydromorphon-Plasmakonzentration (mittels validierter Massenspektrometrie LC/MS/ MS) entnommen. Die Sicherheitsparameter umfassten Vitalparameter, 12-Kanal-EKG, Laborparameter, Körperliche Untersuchung, Erfassung von Unerwünschten Ereignissen (UE‘s). Ergebnisse: Ingesamt wurden 48 Probanden (männlich und weiblich, Alter 21-45 Jahre), 24 in jeder Gruppe eingeschlossen. Hiervon beendeten 39 (20 in Gruppe 1, 19 in Gruppe 2) die Studie. In beiden Gruppen (mit bzw. ohne Nahrungsaufnahme) stiegen die HydromorphonPlasmakonzentrationen in allen 4 Behandlungen langsam an. Die mediane Tmax-Werte lagen zwischen 12 h und 16 h. Die Spannweiten der Tmax-Werte waren für alle Behandlungen in beiden Gruppen vergleichbar. Nach Nahrungsaufnahme waren die Hydromorphon-Plasmakonzentrations-Profile für die 4 Behandlungen vergleichbar, und logarithmisch transformierte Cmax Ratios waren 114%, 114%, beziehungsweise 110%. Diese Ratios waren etwas niedriger als die ohne vorherige Nahrungsaufnahme (117%, 131% beziehungsweise 128% in der 4%, 20% and 40% Alkohol Behandlung). In beiden Gruppen (mit bzw. ohne Nahrungsaufnahme) erfüllte die OROS®Hydromorphon AUC aller 3 Alkohol enthaltenden Behandlungen die Bioäquivalenzkriterien bezogen auf die Behandlung mit OROS®Hydromorphon + 0% (also ohne) Alkohol. Insgesamt wurden 12 UE‘s in Gruppe 1 (ohne N.) und 7 in Gruppe 2 berichtet. Die Mehrzahl der UE‘s war leicht in der Ausprägung. Es wurden weder SUE‘s noch Studienabbrüche auf Grund von UE‘s berichtet. Während der Studie wurden keine klinisch relevanten Änderungen der Labor-, EKG- und Vitalparameter sowie der körperlichen Untersuchung beobachtet. Schlussfolgerung: Die Pharmakokinetik von Jurnista® (OROS®HYDROMORPHON mit der spezifischen OROS®Technologie) wurde nur minimal durch Alkohol beeinflusst. Es trat keine klinisch relevante unkontrollierte Substanz-Freisetzung, insbesondere kein sog. „dose dumping“ von Hydromorphon auf. Die Resultate zeigen, dass die Eigenschaften der verzögerten Wirkstofffreisetzung dieser einmal täglichen Formulierung in der Anwesenheit von Alkohol erhalten bleiben. P11.2 Toleranzentwicklung bei Opiaten I. Hanisch, M. Brinkers, A. Voigt, T. Petz, D. Hoffmeyer Schmerzambulanz der Uni Magdeburg Einleitung: Es soll die Ergebnisse der Arbeit von SITTL zum Thema Toleranzentwicklung bei Buprenorphin und Fentanyl repliziert werden. Material und Methode: Aus den Archiv der Schmerzambulanz wurden die Patienten herausgesucht, die in den letzten 2 Jahren ein Btm-Rezept erhalten hatten. Dies waren n=209 Patienten. Aus dieser Grundgesamtheit wurden die Patienten genommen, die Buprenorphin oder Fentanyl erhalten hatten (n=59). Es wurden die Parameter: Gesamtmenge, Zeitdauer der Therapie bei Tumor- und Nichttumor-Patienten verglichen. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Mengen in Valoron umgerechnet. Ergebnisse: 1. Bei Aufteilung der Buprenorphinpatienten erhielten die Tumorpatienten höhere Dosen (Opt:2500+ 1573,89mg zu 1770, 00+ 1269,62mg) als die Nicht-Tu-Patienten. Die Patienten mit Buprenorphin bekamen dazu höhere Dosen (n=35, Start: 1172,86+ 1164,69mg; Optimum: 2082,86+ 1433,57mg) gegenüber Fentanyl (n=24, Start: 891,25+ 583,7, Optimum: 1685+ 861,15). Dies gilt auch bei Aufteilung in Tumor/ nicht-Tumor. Für Fentanyl waren die Therapiezeiten bis Optimum meist länger (Buprenorphin: 3,63+ 4,78 Monate; Fentanyl: 9,33+ 15,14 Monate). Die meisten Tumorpatienten bekamen Buprenorphin (15 vs.6). 2. Es fand sich kein wesentlicher Anstieg der Dosis während des Therapiezeitraums von Nicht-Tumor-Patienten bei Buprenorphin (n=20, Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Optimum/Start: 3,91+ 4,30 vs Enddosis/ Start: 3,82+ 4,31) wohl aber tendenziell bei Fentanyl (n=18, Optimum/ Start: 3,39+ 3,31 vs. Enddosis/ Start 5,05+ 6,89), insofern eine leichte Toleranzentwicklung (bei Tumorpatienten keine Anstiege). 3. Bei Nichttumor-Patienten ergibt sich in der Zufriedenheit kein Unterschied zwischen den Medikamenten (Bu: 7/20 =0.35 zufrieden, Fe 6/18 = 0.33 zufrieden). Buprenorphin-Patienten sind aber öfter 11/35 zu 2/24) unzufrieden. Aufgeteilt nach Pflaster ergibt sich dennoch kein Unterschied (Fe: 10/24=0.42, Bu 8/20=0.4). Die Unzufriedenheit kommt bei Buprenorphin eher von den Tabletten als vom Pflaster (Tu: Transtec 4 zufrieden, 1 unzufrieden, Temgesic 3 zufrieden, 5 unzufrieden; Non-Tu: Tra 4 zufrieden, 2 unzufrieden, Tem 0 zufrieden, 3 unzufrieden). Diskussion: Die Ergebnisse von SITTL konnten größtenteils nicht bestätigt bzw. erklärt werden: 1. Hier wie dort haben Tumor-Patienten generell größere Zuwachsraten bei beiden Medikamenten als Nicht-Tu-Patienten. Anders als bei SITTL hatte Buprenorphin aber höhere Zuwachsraten als Fentanyl (bei Tumor und Nicht-Tumor). Die höheren Zuwachsraten von Buprenorphin erklären sich daraus, dass die höhere Mengen in kürzerer Zeit gegeben wurden als bei Fentanyl, dies wiederum, weil die meisten Tumorpatienten Buprenorphin bekamen. 2. Eine Toleranzentwicklung wie erwartet wurde aber bei beiden Medikamenten nicht bewiesen (bei Fentanyl nur in der Tendenz: Im Gegenteil war zudem bei den meisten Patienten die Enddosis im Vergleich zum Optimum stabil (Fe: 17/24, Bu 29/35). 3. Bemerkenswert sind die Ergebnisse darüber hinaus: Kein Zusammenhang Toleranzentwicklung (eher Fentanyl) und Unzufriedenheit (eher Buprenorphin). Dabei finden sich 2 Fakten: Fentanyl erhielten die Patienten nur bis 3600 mg (150er Pflaster), Buprenorphin darüber hinaus (n=4/ 35= Tu-Patienten) - ohne Zufriedenheit zu erreichen. Medikation jenseits 3600mg machen also keinen Sinn, da keine Zufriedenheit zu erreichen ist, auch nicht mit Tabletten zur Höherdosierung. Insgesamt waren es zuwenig Patienten, sodass eine erweiterte Beobachtung von Patienten mit Opiaten bei n=209 im Rahmen einer Dissertation geplant ist. 1. Sittl R, Nuijtren M, Poulsen Nautrup B (2006): Patterns of Dosage changes with transdermal buprenorphine and transdermal fentanyl for the treatment of noncancer and cancer pain: A retrospective data analysis in Germany. Clinical Therapeutics, 28/8, 1144-1154. P11.3 Nachweis und Dosisabhängigkeit der anti-hyperalgetischen Wirkung von Tramadol im humanen Sonnenbrandschmerzmodell K. Höchtl, M. Schulz, N. Faulhaber, T. Sycha, B. Gustorff Vienna Human Pain Research Group Univ.-Klinik f. Anästhesie, Allg.Intensivmedizin und Schmerztherapie, Univ.-Klinik f. Neurologie, Medizinische Universität Wien Einleitung: Tramadol wird zur Behandlung von neuropathischem Schmerz eingesetzt (1). Da Hyperalgesie beim neuropathischen Schmerz eine Rolle spielt, liegt es nahe, für Tramadol neben der antinozizeptiven auch eine anti-hyperalgetische Wirkung anzunehmen. Koppert et al. konnten jedoch keinen solchen anti-hyperalgetischen Effekt in einem humanen Schmerzmodell mit 75 mg Tramadol nachweisen (2). Offen ist deshalb, ob eine anti-hyperalgetische Wirkung von Tramadol dosisabhängig ist. Ziel der aktuellen Studie war es zu klären, ob Tramadol eine anti-hyperalgetische Wirkung aufweist. Weiters sollte die minimal wirksame Dosis von Tramadol in der Hyperalgesie des Sonnenbrandschmerzmodells bestimmt werden. Methoden: An der von der Ethikkommission genehmigten Studie nahmen 16 Probanden (m:w=8:8) teil, die nachweislich alle Allelträger für „high metabolizer“ des Enzyms CYP2D6 waren. Es handelte es sich um eine doppelt-blinde, mit aktivem Plazebo kontrollierte, Cross-over Studie, wobei Verum und Plazebo in randomisierter Reihenfolge mit 1 Woche Abstand verabreicht wurden. 24h vor dem Studientag erfolgte eine kreisförmige (Φ4,2 cm) UV-B Bestrahlung mit der dreifachen minima-
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len Erythemdosis auf einem Oberschenkel. Die Probanden erhielten 3 x im Abstand von 30 Min. entweder Tramadol i.v. oder Midazolam (3x je 0,03 µg/kg KG). Für die beiden ersten Tramadolinjektionen wählte man 0,3 mg/kg KG, für die dritte Injektion 0,4 mg/kg KG, so dass kumulativ 1 mg/kg KG verabreicht wurde. Vor und jeweils nach den Injektionen erfolgten die Messungen. In der primären Hyperalgesie wurde die Hitzeschmerzschwelle (HSS) mit Hilfe eines Thermoanalysators ( Medoc TSA II, method of limits, Thermode 1,8 x 1,8 cm) bestimmt. Die Fläche der sekundären Hyperalgesie wurde mit Hilfe eines Pin Pricks (256 mN) entlang von 8 Radien um den Sonnenbrand herum bestimmt und daraus ein Oktagon (minus Erythemfläche) berechnet. Zur Ermittelung der mechanischen Reiz-Antwort-(S/R)-Funktion im Erythem wurde ein PinPrick Set mit definierten Kräften gewählt, wobei die Probanden auf einer numerischen Schätzskala die mechanische Schmerzintensität angaben. Die vorläufige statistische Auswertung erfolgte mit gepaartem Student’s T-Test. Angabe von Mittelwert ± Standardabweichung. Ergebnisse: In der primären Hyperalgesie erhöhte sich die HSS erst nach der 2. Injektion signifikant um 0,9° C (Baseline: 38,8 ±2,4°C , 2. Inj.: 39,7° ± 2,5°C ; p=0,02). Das entspricht einer Dosierung von 0,6mg/kg KG. Die S/R-Funktion der beiden schwersten Filamente (256 bzw. 512 mN) war in der primären Hyperalgesie erst bei einer Gesamtdosis von 1mg/kg KG Tramadol signifikant erniedrigt (Baseline: 19,5 ± 13,6, 3. Inj.: 16,8 ± 10,8; p=0,02). Die sekundäre Hyperalgesie blieb auch nach einer Gesamtdosis von 1mg/kg KG Tramadol unverändert. Schlussfolgerung: Tramadol zeigte in der vorliegenden Studie eine anti-hyperalgetische Wirkung in der primären Hyperalgesie, jedoch keine solche Wirkung auf die sekundäre Hyperalgesie. Die minimale wirksame Dosis lag in dieser Studie zwischen 0,6 und 1 mg/kg KG Tramadol. Die Dosisabhängigkeit in höheren Dosierungen sollte nun weiter geklärt werden. 1. Stacey BR.: Management of peripheral neuropathic pain. Am J Phys Med Rehabil. 2005;84:S4-16 2. Koppert et al.: Analgetische und antihyperalgetische Effekte von Tramadol und Paracetamol in einem experimentellen Schmerzmodell am Menschen. Deutscher Anästhesiekongress 2006 P11.4 Therapie chronischer Arthroseschmerzen: Sicherheit und Effektivität eines 7 Tage transdermalen Systems mit niedrig dosiertem Buprenorphin (Norspan®) – Ergebnisse einer multizentrischen Anwendungsbeobachtung U. Schutter1, I. Ritzdorf2, B. Heckes2 1 Schmerzzentrum Marl, 2 Medical Department Grünenthal GmbH Aachen Einführung: Norspan® ist eine neues niedrig dosiertes Buprenorphin Analgetikum in Form eines transdermalen Matrixsystems. Das Applikationsintervall von 7 Tagen kann durch eine gleichmäßige Analgesie zu einer besseren Therapiekontrolle führen und im Vergleich zur täglichen Tabletteneinnahme zu einem höheren Anwendungskomfort beitragen. Norspan® 5 µg/h, 10 µg/h und 20 µg/h, die in ihrer Dosisstärke etwa 50 bis 200 mg Tramadol Tagesdosis entsprechen, erlauben den Einsatz direkt nach unzureichender Therapie mit Nicht-Opioid-Analgetika wie nicht-steroidalen Antirheumatika und COX-2-Hemmern, bzw. Kontraindikationen gegen deren Einsatz. Effektivität und Verträglichkeit wurden im Rahmen umfangreicher klinischer Studien bei non-malignen chronischen Schmerzen der Arthrose nachgewiesen. Zielsetzung: Ziel dieser Untersuchung war es, unter den Bedingungen der täglichen Praxis bei chronischen Arthroseschmerzen der analgetischen Effektivität und Verträglichkeit des niedrig dosierten Buprenorphin 7Tage-Pflasters an einem größeren Patientenkollektiv nachzugehen. Methodik: Im Rahmen einer multizentrischen Anwendungsbeobachtung wurden in allgemeinmedizinischen, internistischen und orthopädischen Praxen mehr als 4000 Patienten in die Untersuchung eingeschlossen. Um die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arthroseschmerzpflasters im Vergleich zur Vormedikation zu erfassen, wurden Daten zur Intensität der Schmerzen sowie zu Verträglichkeitsaspekten bei Aufnahme in die Untersuchung, bei einer ersten Therapieüberprüfung und bei Ende der Beobachtung (empfohlen nach 8 Wochen)
dokumentiert. Zusätzlich wurde die Beeinträchtigung relevanter Parameter der Lebensqualität, wie z.B. Gehen, Schlafqualität und Lebensfreude, mit Hilfe einer kategoriellen Skala bewertet. Ergebnisse: Bei Dokumentationsende zeigte sich unter Norspan® eine effektive Reduktion der chronischen Arthroseschmerzen. Die durchschnittliche Beeinträchtigung alltagsrelevanter Parameter durch den Schmerz nahm deutlich ab. Dies äußerte sich auch in der positiven Abschlussbewertung des Pflasters durch Ärzte und Patienten. Die im Rahmen der Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen beobachteten Symptome, wie z.B. Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schwindel, gelten als typisch für Opioide. Schlussfolgerung: Im Rahmen der Behandlung chronischer Arthroseschmerzen erwies sich Norspan® als effektive und verträgliche Behandlungsoption. Die umfassende Schmerzreduktion führte zu einer Verbesserung von wichtigen Parametern, wie beispielsweise der Schlafqualität, die für die Lebensqualität bedeutsam sind. P11.5 Tapentadol: Wirksamkeitsprofil eines neuartigen zentralwirksamen Analgetikums mit dualer Wirkungsweise im Tiermodell B. Kögel, J. De Vry, T. M. Tzschentke, T. Christoph, M. Méen, K. Schiene, E. Friderichs Präklinische Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen Hintergrund und Zielsetzung: Tapentadol [(-)-(1R,2R)-3-(3-Dimethylamino-1-Äthyl-2-Methyl-propyl)-Phenol] ist ein neuartiges Analgetikum mit dualer Wirkungsweise: µ-Opioidrezeptor (MOR)Agonismus (Ki = 0,1 µM für die Bindung an MOR bei Ratten) und Noradrenalin (NA)-Wiederaufnahme-Hemmung (Ki = 0,5 µM für synaptosomale NA-Wiederaufnahme-Hemmung bei Ratten). Methode: Tapentadol wurde in einer Reihe von Tiermodellen beschrieben: Chronische neuropathische und entzündungsbedingte Schmerzen (chronische Konstriktionsläsion nach Ischiadikus-Ligatur (CCI) und Spinalnerven-Ligatur (Chung); Vincristin-induzierte und diabetische poly-Neuropathie; Formalintest;) sowie in Akutschmerzmodellen (Hot-Plate-Test; Tail-Flick-Test; chemisch induzierter viszeraler Schmerz-Writhing-Test). Ergebnisse: Insgesamt lag die Wirksamkeit von Tapentadol zwischen derjenigen von Morphin und Tramadol. Beispielsweise betrugen nach i.p.Verabreichung die ED50-Werte von Morphin, Tapentadol und Tramadol 4,7; 11,8 bzw. 20,7 mg/kg im Hot-Plate-Test bei der Maus und 3,0; 5,1 bzw. 7,2 mg/kg im Vincristin-induzierten Polyneuropathiemodell bei der Ratte. Die Toleranzentwicklung gegenüber dem analgetischen Effekt von äquianalgetischen Dosen Tapentadol und Morphin wurde anhand eines chronischen und eines akuten Schmerzmodells in Ratten untersucht. In beiden Modellen entwickelte sich die Morphintoleranz mindestens zweimal so schnell (im CCI-Modell bzw. im Tail-Flick-Modell komplette Toleranz am 10. bzw. 22. Tag gegenüber Morphin und am 23. bzw. 51. Tag gegenüber Tapentadol). Der Hauptmetabolit, das Glucuronid von Tapentadol, besitzt weder Wirkung am MOR noch am NA-Transporter. Schlussfolgerung: Tapentadol ist ein neuartiges zentralwirksames Analgetikum ohne aktive Metabolite. Die duale Wirkungsweise von Tapentadol gewährt ein breites Wirksamkeitsprofil, wie in einer Reihe von Tiermodellen gezeigt wurde und sie könnte zudem für eine verminderte Toleranzentwicklung verantwortlich sein.
Methode: Tapentadol wurde in einer Reihe von In-vitro- und In-vivoVersuchen getestet, um seine duale Wirkungsweise zu charakterisieren. Ergebnisse: Tapentadol zeigt Bindungsaffinität am MOR (Ki = 0,1 µM) und weist eine Wirksamkeit von 88% in einem [35S]GTPgS-Bindungsassay bezogen auf Morphin auf. Zusätzlich besitzt es eine Ki = 0,5 µM für synaptosomale NA-Wiederaufnahme-Hemmung. Die funktionelle Bedeutung der NA-Wiederaufnahme-Hemmung wurde durch In-vivoMikrodialyse-Studien am Gehirn bestätigt. Diese zeigten, dass die Gabe von Tapentadol im Gegensatz zu Morphin, zu einer dosisabhängigen Zunahme der extrazellulären NA-Konzentration innerhalb des analgetischen Dosisbereichs führt (bis zu 450% bei 10 mg/kg). Eine deutliche noradrenerge Beteiligung an der analgetischen Wirksamkeit wurde in einem neuropathischen Schmerzmodell bei Ratten demonstriert, wo die analgetische Wirkung von Tapentadol (10 mg/kg) durch den α2NA-Rezeptor-Antagonisten Yohimbin (2,15 mg/kg) stark antagonisiert wurde. Sie ließ sich jedoch nur schwach durch den MOR-Antagonisten Naloxon (0,3 mg/kg) beeinflussen, wohingegen für Morphin (6,81 mg/ kg) das Gegenteil der Fall war. Im Writhing-Modell der Maus konnte der analgetische Effekt von Morphin (0,681 mg/kg) verglichen mit einer äquipotenten Dosis von Tapentadol (3,16 mg/kg) mit Naloxon (0,0011,0 mg/kg) deutlich stärker antagonisiert werden. Schlussfolgerung: Die duale Wirkungsweise von Tapentadol beruht auf MOR-Agonismus und NA-Wiederaufnahme-Hemmung. Die Studie zeigt ausserdem, dass beide Wirkmechanismen am analgetischen Effekt beteiligt sind. P11.7 Effekt von Opioiden auf die Thrombozytenaggregation G. Scharbert, E. Deusch, M. Duris, E. Palalic, S. Kozek-Langenecker Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie, Medizinische Universität Wien, Austria
P11.6 Tapentadol, ein neuartiges zentralwirksames Analgetikum: Präklinische Evidenz der dualen Wirkungsweise als Grundlage für sein breites Wirksamkeitsprofil B. Kögel1, T. M. Tzschentke1, J. De Vry1, T. Christoph1, K. Schiene1, H.-H. Hennies1, W. Englberger1, U. Jahnel1, T. I. F. H. Cremers2, E. Friderichs1 1 Präklinische Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen 2 Brains-on-Line, Groningen, Niederlande.
Hintergrund: Neurone und Thrombozyten haben einige Ähnlichkeiten und es gibt Hinweise, dass sich auf Thrombozyten Opioidrezeptoren befinden (1). Deren gerinnungsphysiologische Rolle ist jedoch weitgehend unbekannt. Ziel der Studie: Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirkung von Opioidagonisten und -antagonisten auf die Thrombozytenaggregation zu untersuchen. Methodik: Zitratvollblutproben von 6 gesunden Probanden wurden aliquotiert und mit dem Opioidagonisten DAMGO (100 nM, 1 µM), dem Opioidantagonisten Naloxon (1 µM), DAMGO und Naloxon (je 1 µM), sowie Placebo (Kontrolle) inkubiert. Die Thrombozytenaggregation wurde mittels Impendanzaggregometrie (Multiplate®, Dynabyte, München) nach Stimulation mit Kollagen, Adenosindiphosphat, und Ristocetin gemessen. Die Expression des funktionellen Fibrinogenrezeptors auf der Thrombozytenmembran (Glycoprotein IIb/IIIa) wurden mittels Durchflusszytometrie auf Thrombozyten mit und ohne Stimulation (thrombin receptor activating peptide, TRAP) untersucht. Statistik: gepaarter t-Test (p<0,05). Resultate: Naloxon alleine oder in Kombination mit DAMGO führte zu einer signifikanten Hemmung der Aggregation (induziert mit Kollagen, Adenosindiphosphat und Ristocetin) sowie der Expression des funktionellen Fibrinogenrezeptors auf unstimulierten Thrombozyten. Der Effekt von DAMGO auf die gemessenen Thrombozytenfunktionsparameter war diskret. Schlussfolgerung: Der potenzierende Effekt eines µ-Opioidagonisten auf die Thrombozytenaggregation konnte nicht bestätigt werden (2). Der hemmende Effekt des Opioidantagonisten Naloxon ist sowohl auf zellulärer Ebene, als auch in der Vollblut-Impedanzaggregometrie nachweisbar. Weitere Experimente müssen die Rolle der Opioidrezeptoren auf Thrombozyten bei Adhäsion, Sekretion und prokoagulanter Aktivität, sowie im Rahmen von Entzündungs- und Reparaturvorgängen untersuchen.
Hintergrund und Zielsetzung: Tapentadol [(-)-(1R,2R)-3-(3-Dimethylamino-1-Äthyl-2-Methyl-propyl)-Phenol] ist ein neuartiges Analgetikum mit dualer Wirkungsweise, µ-Opioidrezeptor (MOR)-Agonismus und Noradrenalin (NA)-Wiederaufnahme-Hemmung, sowie einer breiten analgetischen Wirksamkeit.
1. Reches A, Eldor A, Vogel Z, and Salomon Y. Do human platelets have opiate receptors? Nature 1980;288:382-3 2. Hsiao G, Shen MY, Fang CL, Chou DS, Lin CH, Chen TF, and Sheu JR. Morphine-potentiated platelet aggregation in in vitro and platelet plug formation in in vivo experiments. J Biomed Sci 2003;10:292-301 Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts P11.8 Wirksamkeit und Verträglichkeit von Duloxetin in der Therapie der Fibromyalgie: Ergebnisse einer 6-monatigen randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studie M. Wohlreich1, J. Russell2, P. Mease3, T. Smith4, D. Kajdasz1, E. Schneider5, D. Walker1, A. Chappell1 1 Eli Lilly and Company, Indianapolis, IN, USA, 2 University of Texas Health Science Center, San Antonio, TX, USA, 3 University of Washington School of Medicine, Seattle, WA, USA, 4 Mercy Health Research, Chesterfield, MO, USA, 5 Medizinische Abteilung Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg Zielsetzung: Das primäre Ziel der Studie untersuchte die Wirksamkeit von Duloxetin (DLX) 120 mg/Tag über 3 Monate in der Reduktion der Schmerzen bei Patienten mit Fibromyalgie. Methodik: DLX 60 mg/Tag, DLX 120 mg/Tag und Placebo wurden über 6 Monate in der Behandlung von Erwachsenen mit primärer Fibromyalgie (nach der Definition des American College of Rheumatology) miteinander verglichen. Ko-Primäre Wirksamkeitsparameter waren der Brief Pain Inventory Average Pain Score (APS) und der Patient’s Global Impression of Improvement (PGI-I). Desweiteren wurden die Sicherheit und Verträglichkeit untersucht. Ergebnisse: Nach 3 Monaten zeigten die mit DLX 120 mg/Tag behandelten Patienten im Vergleich zu den Placebo-Patienten eine größere Verbesserung des APS (‑2,31 vs ‑1,38; p < 0,001) und des PGI-I (2,89 vs 3,39; p = 0,004). Auch nach 6 Monaten wies die mit DLX 120 mg/Tag behandelte Patientengruppe noch immer eine größere Verbesserung des APS (‑2,25 vs ‑1,42; p = 0,003) und des PGI-I (2,93 vs 3,37; p = 0,012) auf als die Patienten der Placebogruppe. Die mit DLX 60 mg/Tag behandelten Patienten zeigten im Vergleich zur Placebogruppe nach 3 Monaten bei beiden Parametern und nach 6 Monaten beim APS eine signifikante Verbesserung. Nach 6 Monaten war die Ansprechrate (≥ 50% Reduktion des Baseline-APS) unter DLX 120 mg/Tag (35,9%; p ≤ 0,01) und unter DLX 60 mg/Tag (32,6%; p ≤ 0,05) höher als unter Placebo (21,6%). DLX war ähnlich wirksam bei Patienten mit (n = 122) und ohne Depression (n = 375). Die Abbruchrate in den 6 Monaten war unter den Gruppen ähnlich (DLX 60 mg/Tag: 45,3%; DLX 120 mg/Tag: 46,3%; Placebo: 50,0%). Die Abbruchrate aufgrund von unerwünschten Ereignissen war in der mit DLX 120 mg/Tag behandelten (25,9%; p = 0,009), nicht aber in der mit DLX 60 m/Tag behandelten Gruppe (15,3%; p = 0,400) signifikant höher als in der Placebogruppe (11,8%). Schlussfolgerung: DLX 60 mg/Tag und DLX 120 mg/Tag sind wirksame und gut verträgliche Therapieoptionen für die Behandlung von Schmerzen bei Fibromyalgie, unabhängig vom Vorliegen einer Depression. P11.9 Norspan® als Option in der Therapie von arthrotisch bedingten Schmerzen M. Tschirner Zentrum für ambulantes Operieren und Schmerztherapie Berlin Ausgehend von den berechtigten Einschränkungen in der Anwendung von traditionellen NSAR wie auch von COX-II-Hemmern durch nationale und internationale Zulassungsgremien für Humanarzneimittel, erfahren die Opioide einen neuen Aufschwung auch in der Therapie degenerativ bedingter Schmerzzustände des Bewegungsapparates. Um die günstigste Nutzen-/Risiko-Relation für den Patienten zu gestalten, müssen nun drei Konditionen formuliert werden, die den Einsatz von Opioiden begründen: 1. Unzureichende Schmerzlinderung durch Nicht-Opioid-Analgetika (NOA). 2. Bereits ausgebildetes „Schmerzgedächtnis“ bei chronifizierten Schmerzzuständen. 3. Vorliegen von Risikofaktoren, die der Verordnung von NOA Grenzen setzen. Die konsequente Berücksichtigung in der Praxis führte innerhalb kurzer Zeit zu einem signifikanten Anstieg von Opioiden zu ungunsten der NOA in unserem Zentrum. Setzt man analog die Vor- und Nachteile der verschiedenen Opioide in Relation, so fällt der Akzent deutlich auf das neue Norspan®. Norspan® ist ein Matrixpflaster, das den Wirkstoff Buprenorphin in vergleichbar niedriger Dosierung von 5
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µg/h 10 µg/h oder 20 µg/h enthält und über ein Applikationsintervall von 7 Tagen verfügt. Zulassungsgemäß wurde Norspan® in unserem Zentrum bei 74 Patienten (n = 10 < 60 Jahre, n = 64 ≥ 60 Jahre), bei denen die regelmäßige Therapiekontrolle eine Verbesserung der Therapie erwarten ließ, eingesetzt. Den Schmerzzuständen lag bei der Mehrheit der Patienten eine Cox- und/oder Gonarthrose zugrunde. Bei 27 Patienten erfolgte der Einsatz des Pflasters im Rahmen einer Neueinstellung, 47 Patienten wurden u. a. von NSAR und Coxiben umgestellt. Gründe für die Umstellung waren in erster Linie Risikofaktoren für den Einsatz von NSAR und Coxiben (n = 28) und eine unzureichende Analgesie trotz Dosisausschöpfung unter Vormedikation (n = 10). Unter Anwendung von Norspan® konnte in der Regel das Therapieziel, den individuellen Schmerzscore auf 20% Restschmerz zu reduzieren, bei allgemein guter Verträglichkeit erreicht werden. Bei 38% der Patienten führte bereits die Therapie mit Norspan® 5 µg/h zu einer zufrieden stellenden Analgesie, 23% profitierten von Norspan® 10 µg/h, 39% benötigten eine höhere Dosierung. Die im Rahmen der täglichen Praxis registrierten Ergebnisse sprechen überzeugend für den Einsatz von Norspan® als Option in der Therapie chronischer arthrotisch bedingter Schmerzen. P11.10 Warum ist die opioidinduzierte Obstipation unter oralem Hydromorphon weniger augeprägt als unter Morphin? Eine prospektive Untersuchung bei Tumorschmerzpatienten S. Wirz, J. Nadstawek Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn Ziel dieser Untersuchung war die Evaluation der opioidinduzierten Obstipation bei Tumorschmerzpatienten unter einer Langzeitmedikation entweder mit oralem retardierten Morphin oder Hydromorphon. Patienten und Methoden: 100 Patienten wurden in einer prospektiven, “open-labelled”, kontrollierten und randomisiert zugeordneten Studie hinsichtlich demographischer, algesiologischer und gastrointestinaler Merkmale untersucht. Die Ergebnisse wurden deskriptiv und konfirmatorisch analysiert. Ergebnisse: Demographische und medizinische Merkmale waren in beiden Gruppen gleich verteilt. Bei 33% aller Patienten attenuierten Übelkeit und Erbrechen nicht. Der Schweregrad der Übelkeit (2.5 vs. 1.5; p = 0.01) wie der Verbrauch von Antiemetika (26 vs. 14, p = 0.01) war signifikant höher in der Morphingruppe. Die Rate obstipierter Patienten (8 vs. 2, p = 0.04) lag signifikant höher in der Morphingruppe und korrelierte mit der Anzahl der Antiemetika mit obstipierenden Nebenwirkungen (31 vs. 13, p = 0.0003). Schlussfolgerungen: 1. Übelkeit und Erbrechen attenuieren nicht immer bei der Langzeittherapie mit Opioiden von Tumorpatienten und 2. zeigen unterschiedliche Ausprägungen bei verschiedenen Opioiden. 3. Unter einer Symptomkontrolle von Nausea/Emesis kann es wiederum zu einer Obstipation kommen. P11.11 Gibt es Unterschiede von transdermalen Opioiden (Fentanyl und Buprenorphin) und oralen Opioiden (Hydromorphon) hinsichtlich gastrointestinaler Symptome? Eine prospektive Untersuchung bei Tumorschmerzpatienten S. Wirz, H.-C. Wartenberg, C. Elsen, J. Nadstawek Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Spezielle Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn Ziel dieser Untersuchung war die Evaluation gastrointestinaler Symptome bei Tumorschmerzpatienten unter einer Langzeitmedikation mit transdermalen Fentanyl (TF) oder Buprenorphin (TB). Kontrollgruppe waren Patienten mit oralem retardiertem Hydromorphon (OHm). Patienten und Methoden: 167 Patienten wurden in einer prospektiven, “open-labelled”, kontrollierten und randomisiert zugeordneten Studie hinsichtlich demographischer, algesiologischer und gastrointestinaler Merkmale untersucht. Die Ergebnisse wurden deskriptiv und konfirmatorisch analysiert.
Ergebnisse: Schmerzniveaus (NRS 2.8 – 3.3), demographische und medizinische Merkmale waren in allen Gruppen gleich verteilt. Die Rate von Emesis und Obstipation war bei beiden transdermalen Applikationssystemen ähnlich (Emesis: TF 16.4%, TB 13.1%, Obstipation: TF 21.8%, TB 21.3%). Signifikante Unterschiede bestanden zur oralen Opioidapplikation (Emesis: 32.8%, Obstipation: 2%), wobei der Schweregrad der Übelkeit nicht signifikant unterschiedlich war (NRS Nausea: TF 1.3% ±2.2, TB 1.2% ±1.7, OHm 1.5% ±1.9). Schlussfolgerungen: 1. Bei der Langzeittherapie mit Opioiden attenuieren in 13.1 bis 32.8% Übelkeit und Erbrechen von Tumorpatienten nicht. 2. Trotz unterschiedlicher Pharmakodynamik bestehen bei der transdermalen Applikation von Fentanyl und Buprenorphin kaum Unterschiede in der Ausprägung gastrointestinaler Symptome. 3. Die Applikation von oralem retardiertem Hydromorphon geht mit einer geringeren Obstipationsrate einher, während die Ergebnisse zu Nausea/Emesis widersprüchlich sind. P11.12 Lacosamid: Klinische Untersuchungen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie – Ergebnisse einer europäischen Doppelblindstudie D. Ziegler1 und die SP743 Studiengruppe, S. Bongardt2, B. Koch2, S. Thierfelder2 1 Deutsches Diabetes-Zentrum, Leibnitz Zentrum an der Heinrich Heine Universität, Düsseldorf, 2 SCHWARZ BIOSCIENCE GmbH, Monheim Fragestellung: Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Lacosamid (LCM), einem neuartigen Antikonvulsivum mit potenziell analgetischer Wirkung, bei Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie zu untersuchen. Methoden: In einer randomisierten, placebo-kontrollierten multizentrischen Doppelblindstudie wurden 357 Patienten mit diabetischer Neuropathie (Likert Score >= 4) über 20 Wochen mit 400mg/d, 600mg/d LCM oder Placebo behandelt, wobei der 400mg/d LCM-Arm zwei unterschiedliche Titrationsschemata beinhaltete. Primärer Endpunkt der Studie war die Schmerzreduktion bei Patienten unter LCM im Vergleich zu Placebo-Patienten. Ergebnisse: Bei allen Besuchen zeigte sich bei Patienten unter LCM eine deutliche Schmerzreduktion im Vergleich zu Patienten unter Placebo. Die Differenz zwischen dem durchschnittlichen TagesschmerzScore auf der 11-Punkte (0-10) Likert-Skala vor Therapiebeginn und der gesamten Behandlungsphase war sowohl unter 400mg/d als auch unter 600 mg/d LCM statistisch signifikant unterschiedlich zu Placebo. 79,1% der Patienten unter 400 mg/d LCM und 61,8% unter Placebo berichteten am Ende der Studie über eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik. Die Rate unerwünschter Ereignisse war im 400mg LCMArm nahe dem Placebo-Niveau. Häufigste unerwünschte Ereignisse waren Schwindel (7,3% vs. 2,7%), Ermüdung (10% vs. 6,8%) und Kopfschmerzen (6% vs. 2,7%). Das Titrationsschema hatte keinen Einfluss auf die Rate unerwünschter Ereignisse. Schlussfolgerungen: In dieser Studie reduzierte LCM signifikant den Schmerzscore über die Behandlungsdauer. In einer Dosierung von 400mg/d zeigte LCM ein Verträglichkeitsprofil, das auf Placebo-Niveau lag. Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass LCM ist eine neue Therapieoption für Patienten mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie sein könnte.
P12 Pharmakologische Therapie des Schmerzes II P12.1 Verkehrssicherheit unter Langzeittherapie mit transdermalem Buprenorphin (Transtec®) O. Dagtekin1, W. Wagner1, H. J. Gerbershagen1, F. Petzke1, L. Radbruch2, R. Sabatowski3 1 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universität zu Köln, 2 Klinik für Palliativmedizin, RWTH Aachen, 3 Universitäts Schmerz Zentrum, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden Fragestellung: Die Studie untersuchte, ob chronische Schmerzpatienten mit nicht-tumorbedingten Schmerzen unter einer kontrollierten
Langzeitapplikation von transdermalem Buprenorphin (Transtec®) im Hinblick auf verschiedene psychomotorische Leistungen, die für die Alltagssicherheit – insbesondere die Fahrsicherheit – als bedeutsam angesehen werden, gesunden, nach Alter und Geschlecht gleichen Referenzpersonen (matched pairs) aus einer historischen Normstichprobe nicht unterlegen sind. Methodik: Prospektiv geplanter Vergleich zwischen 30 Pat. mit chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen, die seit mindestens 2 Wochen in stabiler Dosierung mit transdermalem Buprenorphin behandelt wurden, und 90 nach Alter und Geschlecht vergleichbaren gesunden Probanden aus einer Datenbank von conTest, Zentrum für Psychometrie der TÜV Kraftfahrt GmbH, Köln. Die Pat. wurden nach ihrer Schmerzdauer und -intensität befragt [Numerische Rangskala (NRS) 0-10 Punkte]. Mit Hilfe des „Wiener Testsystems“ wurden Reaktionsvermögen (Determinationstest: DT), Aufmerksamkeit (Cognitrone: COG), Genauigkeit der Wahrnehmung (Tachistoskopischer Aufmerksamkeitstest: TAVT), motorische Koordination (2HAND) und Vigilanz (VIGIL) überprüft. Solche Tests sind für die in der Fahrerlaubnisverordnung vorgesehene Überprüfung von Belastbarkeit, Orientierungs-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit von bestimmten Berufskraftfahrgruppen vorgeschrieben. Statistisch wurde die Nicht-Unterlegenheit von Pat. gegenüber den Normalpersonen überprüft. Hierfür wurde in Analogie zum Verkehrsrecht eine Effektstärke angenommen, wie sie bei den angewendeten Leistungstests unter 0,5% Blutalkoholkonzentration auftritt. Es wurden die einzelnen Variablen der verschiedenen Tests und der Gesamtscore betrachtet, der als Summe der über alle Studienteilnehmer (Patienten und Referenzpersonen) z-transformierten vorrangigen Testwerte definiert wurde. Außerdem wurde die Testergebnisse beider Studiengruppe auf die Erfüllung der maßgeblichen Begutachtungskriterien für die Fahrsicherheit überprüft (Unterschreiten des Prozentranges 16). Ergebnisse: Die Pat. [11 Frauen, 19 Männer; Alter 53±9 (33-68) Jahre, Schmerzdauer 2-400 (Median 62) Monate; Momentanschmerz NRS 4±3] wurden mit 45±20 µg/Std. (Range: 17.5-105 µg/Std.) transdermalem Buprenorphin behandelt. Per Protokoll (d.h. ohne Patienten, bei denen Antidepressiva, Barbiturate oder Benzodiazepine im Urin nachgewiesen wurden) wurden 27 Patienten analysiert. Eine signifikante Nicht-Unterlegenheit konnte für 5 von insgesamt 10 untersuchten Variablen gezeigt werden. Für den Gesamtscore der vorrangigen Testwerte (COG, DT, TAVT) ließ sich eine signifikante Nicht-Unterlegenheit nachweisen. Der Anteil der Pat., die die Tests erfolgreich absolvierten (Ergebnisse über der 16%-Perzentile) war in den Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Eine Korrelation zwischen aktueller Schmerzintensität und den Testergebnissen konnte nicht festgestellt werden. Schlussfolgerungen: Chronische Schmerzpatienten mit nicht-tumor bedingten Schmerzen, die unter einer stabiler Schmerztherapie mit transdermalem Buprenorphin standen, zeigten keine Einschränkungen ihrer psychomotorischen Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Variabilität der individuellen Testergebnisse wird jedoch eine Überprüfung der Fahrsicherheit im Einzelfall empfohlen. P12.2 Evaluation of current pain specialists‘ attitudes to the use of immune modulating drugs in chronic pain syndrome N. Du Toit, A. Goebel University College London Analgesia Centre, London Background: Several immune modulating drugs (IMDs) are currently under investigation within clinical trials to assess their efficacy and safety in the treatment of chronic pain syndromes. Examples include TNF alpha inhibitors, lenalidomide/thalidomide, intravenous immunoglobulin and intrathecal methylprednisolone. Results from two recent randomized controlled trials suggest that biphosphonates, known to have immune modulating properties, relieve pain in CRPS. The clinical use of immune modulating drugs requires skills not specifically taught during anesthetic training or training in pain medicine. It is probable either that pain specialists may want to receive training in the use of these drugs, or may wish to refer suitable patients on to other Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts specialists with prior experience in their use, such as rheumatologists, oncologists or neurologists. Our hypothesis was that the majority of pain specialists would wish to refer suitable patients on to other specialist for management with IMDs. Methods: A questionnaire was designed both to clarify, specifically, current knowledge of the use of biphosphonates as an IMD and to assess pain specialists’ preferred pathway for the use of IMDs, should they be indicated. This was distributed to all 400 registered medical pain specialists affiliated with the British Pain Society. Completed questionnaires were returned by post or e-mail. On the reverse side of the questionnaire information was provided about biphosphonates and the for IMDs mentioned above, describing their mode of action, common side effects, mode of administration and current trials conducted in both Europe and the US. Results: Ninety (22.5%) questionnaires were retuned with varying completion. 51% of the respondents were affiliated with Teaching/University Hospitals, 41% with District General Hospitals and 4% were working solely in private practice. 43 (52%) of 81 respondents were not aware that biphosphonates may be efficacious in the treatment of CRPS. Only 10 (13%) of those 79 who specifically answered the question had ever used this group of drugs for this indication. The majority of respondents (91%) would want to receive training in the use of bisphosphonates. Contrary to our hypothesis, 79% of respondents felt that pain specialists should manage those patients requiring immune modulating drugs. Only 21% indicated that this should be the exclusive remit of other specialities. For all four IMDs the majority of respondents indicated that there should be training in their usage, should current trials indicate their efficacy. 97% would welcome a national discussion and timely publication of national guidelines for the use of immune modulating drugs in chronic pain syndromes. Discussion: The modulation of the immune system appears as an exciting new pathway in the treatment of certain chronic pain syndromes. An ever increasing number of randomized controlled trials to assess the efficacy of immune modulating drugs are registered within the European and American Trial Registries. However, should these trials show efficacy, then pain specialists may be confronted with the challenge of using these IMDs in clinical practice. Contrary to our hypothesis the majority of those who responded indicated that pain specialists should be responsible for the clinical use of IMDs in appropriate indications, should their efficacy be proven within clinical trials. Both training in the use of IMDs and the development of national clinical practice guidelines should be made available. This information supports the development of national training guidelines and treatment algorithms for the use of immune modulating drugs. This questionnaire is now conducted in two other European Countries to determine whether these results are applicable across national borders. P12.3 Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tapentadol zur Linderung von mittelschweren bis schweren chronischen Schmerzen bei Osteoarthrose des Knies C. Lange2, A. Okamoto1, A. Steup2, C. Rauschkolb-Loeffler1 1 Johnson und Johnson, Pharmazeutische Forschung und Entwicklung, Titusville, New Jersey, USA, 2 Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen, Deutschland Hintergrund: Tapentadol ist ein neuartiges, in der Erprobung befindliches, zentralwirksames Analgetikum mit dualer Wirkung, die sowohl auf einem µ-Opioidrezeptor-Agonismus als auch einer NorepinephrinWiederaufnahme-Hemmung beruht. Zielsetzung: Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tapentadol mit verzögerter Freisetzung (PR) und Oxycodon-HCl mit kontrollierter Freisetzung (CR; als Kontrolle zur Demonstration der Assay-Sensitivität) wurde bei Patienten mit mittelschweren bis schweren chronischen Osteoarthrose-Schmerzen des Knies mit einem Placebo verglichen. Methode: Die Patienten (N = 670) wurden randomisiert und über einen Zeitraum von 28 Tagen schrittweise auf eine zweimal tägliche Erhaltungsdosis von entweder Tapentadol PR 100 mg, Tapentadol PR 200
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mg, Oxycodon CR 20 mg oder einem Placebo eingestellt. Der primäre Endpunkt für die Wirksamkeit war die durchschnittliche Schmerzintensität in den vorangegangenen 24 Stunden vor dem Besuch, gemessen auf einer 100-mm VAS (visuellen Analogskala). Ergebnisse: Die Wirksamkeit von Tapentadol 200mg PR nach 4 Wochen, gemessen anhand der nach der Methode der kleinsten Quadrate bereinigten Schmerzintensität, war der von Placebo statistisch signifikant überlegen (-8,4mm, Standardfehler: 3,30, p=0,021). Tapentadol 100mg PR sowie Oxycodon CR 20mg waren in der Wirksamkeit gegenüber Placebo nicht signifikant überlegen (Mittlere Abweichung der Schmerzintensität, nach Methode der kleinsten Quadrate bereinigt: -5,9 mm (±3,34) bzw. -5,4 mm (±3,22). Dies weist auf eine vergleichbare Wirksamkeit von Tapentadol PR 100 mg und Oxycodon CR 20 mg hin. Gastrointestinale Störungen (einschließlich Übelkeit, Erbrechen und Konstipation) und Störungen des Nervensystems (einschließlich verstärkter Müdigkeit und Schwindel) gehörten zu den in allen Gruppen am meist beobachteten therapiebedingten Nebenwirkungen. Die beobachtete Inzidenz von gastrointestinalen Störungen betrug bei Placebo 23%, bei Tapentadol PR 100 mg 30%, bei Tapentadol PR 200 mg 49% und bei Oxycodon CR 20 mg 56%. Tapentadol PR 100 mg und 200 mg gingen mit einer niedrigen Konstipationshäufigkeit einher (7% bzw. 10%); die Häufigkeit bei Placebo betrug 5% und bei Oxycodon CR 20 mg 20%. Zu Störungen des Zentralnervensystems kam es bei jeweils 15%, 24%, 34% und 43% der Patienten in der Placebogruppe, der Tapentadol PR 100 mg-, der Tapentadol PR 200 mg- bzw. der Oxycodon CR 20 mg-Gruppe. Schlussfolgerung: Tapentadol PR 200 mg war über den Zeitraum von vier Wochen wirksam in der Behandlung von mittelschweren bis schweren chronischen Schmerzen bei Osteoarthrose des Knies. Im Hinblick auf gastrointestinale und zentralnervöse Störungen weisen die Daten auf eine verbesserte Verträglichkeit von Tapentadol im Vergleich zu Oxycodon hin. P12.4 Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tapentadol in der Therapie von postoperativen Schmerzen nach Hallux Valgus-OP J.-U. Stegmann1, H. Weber1, A. Steup1, D. Upmalis2, A. Link3, P. Desjardins3 1 Forschung und Entwicklung, Grünenthal GmbH, Aachen, Deutschland; 2 Johnson und Johnson Pharmazeutische Forschung und Entwicklung, Titusville, New Jersey, USA; 3 Scirex Corporation, Austin, Texas, USA Hintergrund: Tapentadol ist ein neuartiges, zentralwirksames Analgetikum. Seine analgetische Wirkung beruht sowohl auf einem µ-Rezeptor-Agonismus als auch auf einer Noradrenalin-WiederaufnahmeHemmung. Methode:Zur Beurteilung des analgetischen Effekts und der Verträglichkeit von Tapentadol in einer schnell freisetzenden Formulierung (IR) 50mg, Tapentadol IR 100mg und Oxycodon HCl IR 10mg im Vergleich zu einem Placebo wurden die Patienten (N=268) mit moderaten bis schweren Schmerzen nach Hallux valgus-OP randomisiert einer von vier Behandlungsgruppen (1:1:1:1) zugeteilt. Sie erhielten postoperativ alle vier bis sechs Stunden eine orale Dosis über einen Zeitraum von drei Tagen. Der primäre Endpunkt umfasste die summierte Schmerzintensität über 24 Stunden (SPI-24) am zweiten postoperativen Tag bezogen auf eine 4 Punkte Rating-Skala (verbal rating scale). Ergebnisse: Der Mittelwert [Standardabweichung] der SPI-24-Werte für beide Tapentadol-Dosierungen (50mg, 33,6 [19,7], P=0,0133; 100mg, 29,2 [15,2], P=0,001) war signifikant niedriger als der des Placebos (41,9 [17,7]). In einem gesonderten statistischem Vergleich zeigte Oxycodon IR 10mg (35,7 [17,2], P=0,0365) verglichen dem Placebo ebenfalls einen signifikanten Unterschied. Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Tapentadol IR 50mg bzw. 100mg zählten Übelkeit (46,3%, 66,2%), Erbrechen (16,4%, 35,3%), Schwindel (32,8%, 64,7%) und verstärkte Müdigkeit (28,4%, 36,8%). Die Inzidenz von Nebenwirkungen, die mit der Gabe von Oxycodon IR 10mg verbunden waren, betrug für Übelkeit 71,6%, Erbrechen 38,8%, Schwindel 56,7% und für verstärkte Müdigkeit 26,9%. Bei Tapentadol IR 50mg und 100mg (6,0% bzw. 7,4%) trat im Vergleich zu Oxycodon IR 10mg (17,9%) weniger häufig eine Obstipation auf.
Schlussfolgerung: Diese Ergebnisse bestätigen, dass Tapentadol IR 50mg und 100mg wirksam sind zur Linderung von moderaten bis schweren Schmerzen nach Hallux valgus-OP. Tapentadol IR 50mg hat verglichen mit Oxycodon HCl IR 10mg eine vergleichbare Wirksamkeit bei nachweisbar verbessertem Verträglichkeitsprofil. P12.5 Schmerztherapie mit der Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon reduziert die opioid-induzierte Obstipation – Ergebnisse einer klinischen Studie M. Hopp1, P. Leyendecker1, B. Boße1, C. Ruckes1, B. Grothe1, K. Reimer1,2 1 Mundipharma Research, Limburg (Lahn), 2 Universität Witten/Herdecke, Witten Fragestellung: Opioid-induzierte Darmfunktionsstörungen insbesondere die Obstipation sind Begleiterscheinungen der Schmerztherapie mit Opioiden. Obstipation ist eine der Hauptursachen unzureichender Schmerztherapie und kann die kontinuierliche Behandlung einschränken. In dieser multizentrischen Phase-III-Studie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von Oxycodon/Naloxon-Retardtabletten untersucht. Methodik: Patienten mit mittelstarken bis starken chronischen Rückenschmerzen wurden randomisiert auf retardiertes Oxycodon/Naloxon (20/10mg oder 40/20mg pro Tag), retardiertes Oxycodon (20 oder 40mg pro Tag) oder entsprechendes Placebo eingestellt. Als SchmerzBedarfsmedikation stand schnell freisetzendes Oxycodon (5mg) zur Verfügung. Der Grad der Obstipation wurde anhand des Mittelwertes der drei Parameter des Bowel Function Index (BFI: NAS 0-10; Leichtigkeit des Stuhlgangs (0 -10 = leicht/ohne - größte Schwierigkeit); Gefühl der unvollständigen Darmentleerung (0-10 = gar nicht - sehr stark), Beurteilung der Obstipation (0–10 = gar nicht - sehr stark) bestimmt. Ergebnisse: Verstopfte Patienten mit einem zum Zeitpunkt der Randomisierung hohen BFI-Wert (BFI ≥ 5, n=59) und einer anschließenden Behandlung mit retardiertem Oxycodon bzw. retardiertem Oxycodon/ Naloxon während der Doppelblindphase wurden speziell betrachtet: Bei diesen Patienten verbesserte (reduzierte) sich der BFI unter retardiertem Oxycodon/Naloxon um 2,31 Punktwerte. Die durchschnittliche Anzahl kompletter spontaner (ohne Laxanzieneinnahme) Darmentleerungen pro Woche erhöhte sich um 2,27, verbesserte sich somit von 1,93 auf 4,20. Unter retardiertem Oxycodon reduzierte sich der BFI um 1,13 Punktwerte und die Anzahl der kompletten spontanen Darmentleerungen pro Woche sanken um 0,32 von 2,4 auf 2,08, indizierte somit keine Verbesserung, obwohl Patienten, die mit retardiertem Oxycodon behandelt wurden, häufiger Laxanzien einnahmen (durchschnittliche %Tage mit Laxanziengebrauch) als Patienten, die mit der fixen Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon behandelt wurden. Schlussfolgerung: Die Resultate dieser Subgruppenanalyse aus der klinischen Phase III Studie unterstützen die bisherigen klinischen Ergebnisse, dass die Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon im Vergleich zu retardiertem Oxycodon die Darmfunktion verbessert bei gleichzeitig reduziertem Einsatz von Laxanzien. P12.6 Therapie von tageszeitlichen Schmerzschwankungen mit retardiertem Hydromorphon in schmerzangepasster Dosierung U. Junker1, T. Schmidt2 1 Sana Klinikum, Remscheid, 2 Mundipharma GmbH, Limburg Fragestellung: Wie viele physiologische Mechanismen unterliegt das Schmerzempfinden tagesrhythmischen Veränderungen. In der Schmerztherapie erfordern diese zirkadianen Rhythmen einen tageszeitlich variierenden Analgetika-Bedarf. Untersucht wurde die Schmerztherpaie mit retardiertem Hydromorphon zur 2xtäglichen Gabe in Hinblick auf tageszeitliche Schwankungen der Schmerzintensität und eine schmerzangepasste Dosierung. Methodik: Patienten mit starken Schmerzen unterschiedlicher Genese erhielten in einer prospektiven Multicenterstudie retardiertes Hydro-
morphon. Im Mittelpunkt standen Patienten mit tageszeitabhängigen Unterschieden in der Schmerzintensität. Nach einer Eingangsuntersuchung fanden Kontrollen am 3. und 7. Tag und eine Abschlussuntersuchung zwischen 14 und 21 Tagen statt. Anhand eines standardisierten Schmerzfragebogens wurden Schmerzintensität und Lebensqualität erfasst. Die Schmerzintensität wurde mit einer numerischen RatingSkala (NRS, 0 – 10 = keine – stärkste vorstellbare Schmerzen) gemessen. Die Lebensqualität wurde anhand eines Summenscores aus Aktivität, Stimmung, Gehvermögen, normale Arbeit, Beziehung zu anderen Menschen, Schlaf und Lebensfreude (jeweils 0 – 10 = keine – stärkste Beeinträchtigung, insgesamt 0 – 70 = keine – stärkste Beeinträchtigung) ermittelt. Zusätzlich trugen die Patienten in den ersten 7 Tagen nach Beginn der Untersuchung die Schmerzintensität nachts, morgens, mittags und abends sowie die allgemeine Aktivität und die Stimmung (NRS 0 - 10) in ein Tagebuch ein. Weiterhin wurde die Höhe und Verteilung der Dosierung der in der Regel 2xtäglichen Gabe von retardiertem Hydromorphon erfasst. Ergebnisse: Dokumentiert wurden 1243 Patienten (Ø Alter: 65,3±13,0 Jahre). Zum Eingangstermin betrug die Tagesdosis an retardiertem Hydromorphon Ø13,0±8,8 mg und wurde sequenziell auf Ø16,9±12,1 mg zum Abschlusstermin titriert. Patienten mit starrer Dosierung erhielten morgens und abends die gleiche Dosis Hydromorphon, Patienten mit schmerzangepasster Dosierung entweder morgens oder abends eine höhere Dosis. Der Anteil Patienten mit schmerzangepasster Dosierung stieg im Verlauf der Therapie von 75,8% auf 77,7%. Deutlich weniger Patienten mit schmerzangepasster Dosierung erhielten ein zusätzliches Analgetikum des WHO-Stufenschemas (58,0% vs 70,5%). 42,0% der Patienten mit schmerzangepasster Dosierung und 29,5% der Patienten mit starrer Dosierung erhielten Koanalgetika. Mehr als die Hälfte der Patienten gab zu Beginn der Studie an, unter tageszeitlichen Schwankungen der Schmerzintensität zu leiden. Dabei variierte die Schmerzintensität von zu Beginn Ø 5,6 (mittags) bis Ø 6,5 (nachts). An Tag 7 des Patiententagebuches hatten sich die Werte deutlich reduziert auf Ø 2,8 (nachts, morgens, mittags) bzw. Ø 2,9 (abends). Patienten mit schmerzangepasster Dosierung gaben am Ende der Untersuchung tendenziell eine bessere Schmerzlinderung an als Patienten mit starrer Dosierung: 73,8% vs 70,5%. In der Patientengruppe mit tageszeitlichen Schmerzschwankungen stieg der Anteil Patienten mit schmerzangepasster Dosierung von 31,4% zu Beginn der Studie auf 40,6% am 3. Kontrolltermin, wobei 25% der Patienten abends die höchste Dosis Hydromorphon erhielten und 13,7% morgens. Die Lebensqualität verbesserte sich bei allen Patienten um mehr als 50%. In der Abschlussbeurteilung bezeichneten Ärzte für 88,8% der Patienten mit schmerzangepasster Dosierung und Schwankungen der Schmerzintensität zu Beginn die Schwankungen als „viel besser“ oder „besser“. 91,7% der Ärzte beurteilten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von retardiertem Hydromorphon mit „sehr gut“ und „gut“. Schlussfolgerungen: Mehr als 50% der Patienten wiesen tageszeitliche Unterschiede der Schmerzintensität auf. Die flexible, 2xtägliche Hydromorphon-Dosierung führt auch bei tageszeitabhängigen Schwankungen der Schmerzintensität zu einer Verbesserung der Situation, indem durch unterschiedliche Dosierungen zum Tag und zur Nacht die Schmerzen auf gleich bleibend niedrige Werte gesenkt werden. Durch Schmerzlinderung und Eliminieren der Schwankungen in der Schmerzintensität verbessert sich die Lebensqualität der Patienten signifikant. P12.7 Opioidumstellung auf transdermales Buprenorphin (Transtec PRO®) – Datenanalyse zu alten und neuen Empfehlungen K. Kritzler, A. Anderson-Hillemacher Medical Department, Geschäftsbereich Deutschland, Grünenthal GmbH, Aachen Hintergrund, Fragestellung: Umrechnungstabellen zum Opioidwechsel basieren i.d.R. auf Äquivalenzfaktoren aus Akutschmerzstudien mit Einmalapplikation. Die Opioidumstellung ist jedoch relevant in der Therapie chronischer Schmerzen und als solche gekennzeichnet durch hohe interindividuelle Variabilität mit vielen Einflussfaktoren. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Literaturrecherchen zeigen die große Varianz äquianalgetischer Dosisverhältnisse und selbst hochwertige Studien führen zu konträren Ergebnissen [1,2]. Aktuelle Erkenntnisse betonen die Verschiedenheit pharmakologischer Profile von Opioiden. Das Konzept der “OpioidÄquivalenz” wird in Frage gestellt (IASP) [3], Umstellungstabellen hinsichtlich Gültigkeit und Eignung heute bezweifelt [4]. Zu vielen Substanzen / Präparaten sind Umstellungstabellen publiziert und u.a. in Fachinformationen (FI) enthalten, z.B. auch in der bisherigen FI von Transtec PRO® (Dez. 2006). Signale aus dem Markt weisen zudem auf eine Diskrepanz zwischen den Angaben zu transdermalem Buprenorphin (TDB) in solchen Umstellungstabellen und der in der klinischen Praxis erfahrenen Wirkung hin. Danach wird diese als stärker eingeschätzt als abgebildet, mit der Konsequenz, dass Schmerztherapeuten eigene Umstellungsregime entwickelten [5] und mit niedrigeren TDBDosen arbeiten. Diesbezüglich wurden Umstellungen von starken Opioiden auf TDB in einem geeigneten Subkollektiv der Anwendungsbeobachtung (AWB) mit Transtec PRO® untersucht. Methodik: Aus einem Kollektiv von 3603 Pat. wurde mittels vordefinierter Kriterien eine Subgruppe identifiziert, deren Datenset die Analyse einer Umstellung von transdermalem Fentanyl (TDF) oder oralem retardierten Morphin (M) auf TDB, jeweils ohne Opioid-Zusatzmedikation, erlaubt. Kategorisierung der Umstellungen anhand Vordosis und initialer TDB-Dosis als den bisherigen Umstellungsempfehlungen folgend oder davon abweichend. Untersuchung der jeweiligen Schmerzintensität (11-Punkt NRS). Methodologisch identische Re-Analyse der Datensets bzgl. der neuen Umstellungsempfehlungen (Transtec PRO® FI Stand Mai 2007). Ergebnisse: Die Subgruppe umfasste 256 Pat., 59% weiblich, 37% männlich, Ø 69 Jahre (36-98), 59 Pat. (23%) mit Tumorschmerz, 197 (77%) mit Non-Tumorschmerz, davon 64 mit neuropathischem Schmerz. 165 Pat. wurden von TDF (12,5 - >100 µg/h) und 91 von M (30 - >240 mg/d) umgestellt. 154 (60%) erhielten zu TDF oder M zusätzlich Non-Opioide (WHO I / Co-Analgetika). Schmerzintensität vor Umstellung: NRS 0-1: 0,4% / NRS 2-4: 17% / NRS 5-7: 59% / NRS 8-10: 23%. TDB-Initialdosen waren ≤ 35 µg/h (51%), 52,5 µg/h (28%), ≥ 70 µg/h (21%). Insgesamt 110 (43%) Umstellungen folgten den bisherigen Empfehlungen, die Mehrheit wich davon ab: gesamt 146 (57%), davon 96 (38%) mit geringerer und 50 (19%) mit höherer TDB-Initialdosis. Besonders bei TDF-Umstellungen wurden niedrigere TDB-Initialdosen gewählt (77 von 165). Zu TDB erhielten 109 Pat. (43%) zusätzlich Non-Opioide. Schmerzintensität bei 1. Visite nach Umstellung: NRS 0-1: 10% / NRS 2-4: 65% / NRS 5-7: 22% / NRS 8-10: 3%. Eine Verringerung der Schmerzintensität wurde bei 225 (88%) der Pat. dokumentiert, 189 Pat. (74%) erreichten eine Verbesserung um 2 – 8 Punkte. Die Re-Analyse von 198 Datensets mit Umstellungen gemäß neuen Empfehlungen zeigte eine Verringerung der Schmerzintensität bei 173 Pat. (87%) schon mit der TDB-Initialdosis, mit einer Schmerzreduktion um Ø 3,1 NRS-Punkte bei der 1. Visite nach Umstellung. Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Analysen bestätigen einerseits die limitierte Eignung fixer Äquipotenzfaktoren und -tabellen für den komplexen Vorgang einer individuellen Opioidumstellung, da zum überwiegenden Teil den bisherigen Empfehlungen nicht gefolgt wurde. Andererseits bestätigen die Resultate der Umstellungen auf z.T. deutlich niedrigere Buprenorphin-Dosen die Einschätzung einer stärkeren Wirkung der transdermalen Form in der Therapie chronischer Schmerzen, so wie auch schon in anderem Studienansatz gezeigt [5]. Die aktuelle FI von Transtec PRO® (Mai 2007) berücksichtigt neue Erkenntnisse zum transdermalen Buprenorphin in den Abschnitten 4.2 (Dosierung) und 5.1 (Pharmakologische Eigenschaften). 1. Patanwala AE et al. Ann Pharmacother 2007; 41: 255-267 2. Pereira J et al. J Pain Symptom Manage 2001; 22:672-87 3. Lipkowski AW, Carr DB. IASP Pain Clinical Updates 2002; X (4) 4. Mercadante S, Bruera E. Cancer Treatment Reviews 2006; 32: 304315 5. Sittl R, Likar R, Nautrup BP. Clin Ther 2005; 27: 225-37
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P12.8 Atemdepression unter Codein und Tramadol: Gibt es ein (genetisches) Risikoprofil? U. Stamer, T. Muders, F. Mußhoff, F. Stüber Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin und Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Fragestellung: Atemdepressionen unter den WHO Stufe II Opioiden Codein und Tramadol sind extrem selten Beide Opioide werden über das Cytochrom P450 2D6 (CYP2D6) in ihren am µ-Opioidrezeptor wirksamen Metaboliten Morphin bzw. (+)O-Demethltramadol (+ODT) metabolisiert. Ein Patient mit Atemdepression unter Tramadol und entsprechende Fallberichte aus der Literatur (1-3) wurden hinsichtlich prädisponierender Faktoren für eine Opioid induzierte Atemdepression untersucht. Methodik: Der Patient (♂ 66 J) erhielt nach schriftlichem Einverständnis im Rahmen einer durch die Ethikkommission genehmigten Studie zur postoperativen Analgesie Tramadol und Metamizol über eine patienten-kontroliierte Analgesie (PCA). 30, 90 und 180 Minuten nach Gabe der Loading Dosis und zum Zeitpunkt der Atemdepression wurde EDTA-Blut abgenommen zur Bestimmung von Plasmaspiegeln (Gas-Chromatographie-Massenspektrometrie) und zur Genotypisierung (PCR: CYP2D6 Genotyp, OPMR1 A118G Polymorphismus)(4). Ergebnisse: Die Atemdepression (Somnolenz, 2-4 Atemzüge/Min.) trat 6,5 Stunden nach dem letzten PCA-Bolus auf und konnte durch 0,4 mg Naloxon vollständig aufgehoben werden. Plasma-Konzentrationen für +ODT waren extrem hoch und passten zum CYP2D6 Genotyp des „Utrarapid Metabolizers =UM“ (CYP2D6*1XN). Der OPMR1 Genotyp ergab einen Wildtyp (118 AA), der empfindlicher auf Opioide reagiert als Träger des G-Allels. Eine eingeschränkte Nierenfunktion (Krea 2,22 mg/dl) trug zur verzögerten Elimination von +ODT bei. Fall 2: ♂ 75 J, Pneumonie, Codein niedrig dosiert als Antitussivum, UM-Genotyp, eingeschränkte Nierenfunktion und Komedikation mit einem CYP3A4 blockierenden Antibiotikum. Fall 3: ♀ tödlicher Ausgang einer Codein bedingten Atemdepression bei einem 13 Tage alten Säugling, der über die Muttermilch eine Opioidintoxikation erlitt (Mutter: Codein 30 mg/d p.o. UM-Genotyp). Fall 4: ♂ 29 Monate, obstruktive Schlafapnoe, zweiter postoperativer Tag nach Tonsillektomie, wiederholt Paracetamol+Codein, Apnoe und Hirnschädigung, UM-Genotyp. Schlussfolgerung: Konzentrationen der aktiven Metaboliten sind vom CYP2D6 Genotyp abhängig und haben nicht nur einen wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit, sondern auch auf die Nebenwirkungen von Codein und Tramadol. Risikofaktoren für eine Atemdepression sind der UM-Genotyp und eine eingeschränkte Nierenfunktion. Eine Komedikation, die alternative Abbauwege inhibiert, spielt für Codein eine weitere Rolle. 1. Gasche et al. N Engl J Med 2004,351:2827 2. Koren et al. Lancet 2006;368:704 3. Voronov et al. Pediatr Anesth 2007;17:684 4. Stamer et al. Clin Parmacol Ther 2007;82:41 P12.9 Analyse des Behandlungsaufwandes (Ease of care, EOC) einer postoperativen Schmerztherapie mit dem fentanylhaltigen iontophoretischen patienten-aktivierten transdermalen System (IONSYS®) im Vergleich zur i.v. PCA an deutschen Kliniken L. Eberhart, S. Grond, E. Ohnsorge, P. Kessler, M. Stumpf, K. Bornhövd 1 Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH - Campus Marburg, 2 Universitätsklinik für Anästhesiologie, Halle, 3 Universitätsklinik für Anästhesiologie der RWTH Aachen, 4 Orthopädische Universitätsklinik, Stiftung Friedrichsheim, Frankfurt a.M., 5 Janssen-Cilag GmbH, Neuss Hintergrund: Zur Therapie akuter postoperativer Schmerzen gilt die intravenöse patientenkontrollierte Analgesie (i.v.PCA) mit Opioiden als bisheriger Therapiestandard. Sie ist jedoch ein invasives und aufwändiges Verfahren. Das fentanylhaltige iontophoretische patientenaktivierte transdermale System (iPATS, IONSYS®) stellt eine einfache, nicht-invasive Alternative dar. Auf Knopfdruck transportiert es einen Bolus von 40µg Fentanyl innerhalb von 10 Minuten mittels Iontopho-
rese durch die Haut. In der vorliegenden Subgruppenanalyse der deutschen Zentren einer europäischen Multicenterstudie (FEN-PPA 401) wird der Behandlungsaufwand (Ease of care, EOC) einer postoperativen Schmerztherapie mit iPATS im Vergleich zur i.v.PCA mit Morphin aus Sicht von Patienten und Pflegepersonal dargestellt. Methoden: Von insgesamt 660 Patienten wurden 154 Patienten an 12 deutschen Kliniken nach Zustimmung der zuständigen Ethikkommissionen behandelt, 75 davon mit iPATS, 79 mit konventioneller i.v.PCA mit Morphin. Am Ende der Studie füllten Patienten und Pflegekräfte Fragebögen zu EOC aus. Die EOC-Fragen für Patienten wurden in 7 Dimensionen eingeteilt: Vertrauen in das System, Vertrauen in die Dosierung, Mobilität, Vertrautheit im Umgang, Schmerzkontrolle, Zufriedenheit und Verständnis. Der Patientengesamtscore wurde als Mittelwert dieser Einzelwertungen berechnet. Die EOC Fragen für Pflegekräfte wurden in 3 Dimensionen eingeteilt: Zeitaufwand, Lästigkeit (jeweils niedrigere Werte=bessere Ergebnisse), und Zufriedenheit (höhere Werte=bessere Ergebnisse). Ein Pflegegesamtscore wurde als Mittelwert von Zeitaufwand und Lästigkeit berechnet. Ergebnisse: Patienten – Die Patienten der iPATS-Gruppe hatten bessere EOC Gesamtscores als die Patienten der i.v.PCA-Gruppe (4,3 vs 4,1; p=0,022). Bei den Einzelscores zeichnete sich die iPATS-Gruppe vor allem durch signifikant höhere Scores für Mobilität (4,9 vs 3,6; p<0,001) aus. Pflegekräfte – Der Gesamtscore der Bewertungen der Pflegekräfte war in der iPATS-Gruppe signifikant besser als in der i.v.PCA Gruppe (0,6 vs 1,4; p<0,001). Ebenso waren in der iPATS-Gruppe die Einzelscores für Lästigkeit und Zeitaufwand signifikant niedriger (=besser) (beide p<0,001), und die Werte für Zufriedenheit signifikant höher (=besser) als in der i.v.PCA Gruppe (3,7 vs 3,3; p=0,012). Schlussfolgerung: EOC einer postoperative Schmerztherapie mit iPATS an deutschen Kliniken wurde signifikant besser bewertet als die i.v.PCA mit Morphin. Die Patienten berichteten signifikant bessere Werte für Mobilität unter der Therapie mit iPATS, und die Pflegekräfte bewerteten Zeitaufwand, Lästigkeit und Zufriedenheit mit dieser Schmerztherapiemethode als signifikant besser. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Ergebnissen der europäischen Studienpopulation und machen iPATS zu einer wertvollen Therapieoption in der postoperativen Schmerztherapie. P12.10 Vergleich der Wirksamkeit und Verträglichkeit des fentanylhaltigen iontophoretischen patienten-aktivierten transdermalen Systems (IONSYS®) in der postoperativen Schmerztherapie mit der i.v. PCA an deutschen Kliniken S. Grond1, L. Eberhart2, M. Freitag3, P. H. Tonner4, M. Stumpf5, K. Bornhövd5 1 Universitätsklinik für Anästhesiologie, Halle, 2 Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH - Standort Marburg, 3 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 4 Klinikum Links der Weser, Bremen, 5 Janssen-Cilag GmbH, Neuss Hintergrund: In der postoperativen Schmerztherapie gilt die intravenöse patientenkontrollierte Analgesie (i.v.PCA) als Therapiestandard. Das fentanylhaltige iontophoretische patienten-aktivierte transdermale Systems (iPATS, IONSYS®) stellt eine neue, nicht-invasive Alternative dar. Auf Knopfdruck transportiert es 40µg Fentanyl über 10 Minuten mittels Iontophorese durch die Haut. Im Folgenden wird die länderspezifische Subgruppenanalyse einer europäischen Vergleichsstudie (FEN-PPA-401) dargestellt. Methoden: Von insgesamt 660 Patienten der Gesamtstudienpopulation wurden 154 Patienten an 12 deutschen Kliniken mit großen orthopädischen Eingriffen oder abdominellen Unterbaucheingriffen behandelt. Nach einer initialen konventionellen Schmerztherapie gemäß jeweiligen Klinikstandards wurden im weiteren Verlauf 75 Patienten mit iPATS und 79 mit einer i.v.PCA mit Morphin analgetisch therapiert. Primäres Zielkriterium war der Erfolg der Schmerztherapie aus Patientensicht (definiert als eine Gesamtbeurteilung mit „gut“ oder „ausgezeichnet“) nach 24h. Weitere Kriterien waren die Schmerzintensität (NRS 0-10), Einsatz von Bedarfsmedikation sowie Abbrecherquote und Verträglichkeit.
Ergebnisse: Nach 24h bewerteten 65/75 Patienten der iPATS-Gruppe (86,7%) sowie 67/79 Patienten der i.v.PCA-Gruppe (84,8%) die Therapie als erfolgreich. Die mittlere Schmerzintensität war zu Beginn der Behandlung vergleichbar (NRS: 3,4-3,3). Nach 24h verbesserte sich die Schmerzintensität in der iPATS-Gruppe auf 2,8 und in der i.v.PCAGruppe auf 2,5. Schmerzratings fielen bis zum Ende der Therapie weiter auf jeweils 1,9 und 1,6. Zusätzliche Schmerzmedikation in den ersten 3 Stunden benötigten in der iPATS-Gruppe 13 Patienten (17,3%) im Schnitt 1,8 mal, in der i.v.PCA-Gruppe 9 Patienten im Schnitt 1,6 mal. Alle beobachteten Unterschiede waren nicht signifikant. Unerwünschte Ereignisse wurden in beiden Gruppen etwa gleich häufig beobachtet (iPATS 80%, i.v.PCA 76%). Übelkeit war häufiger in der i.v.PCA Gruppe (iPATS 42%, i.v.PCA 59%). Erbrechen und Schwindel waren in beiden Gruppen etwa gleich häufig (20% vs 21% und 9% vs 7%). Reaktionen an der Applikationsstelle im Sinne eines Erythems traten bei 25 der mit iPATS behandelten Patienten auf. Insgesamt 7 Patienten jeder Gruppe brachen die Studie vorzeitig ab. Schlussfolgerung: iPATS ist mit der üblichen i.v.PCA mit Morphin hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit vergleichbar. Da das System darüber hinaus nur wenig invasiv ist, stellt es eine wertvolle Bereicherung der Behandlungsstrategien in der postoperativen Schmerztherapie dar. P12.11 Postoperative Schmerztherapie mit dem fentanylhaltigen iontophoretischen patienten-aktivierten transdermalen System (IONSYS®) - Ein Vergleich der Wirksamkeit zur i.v. PCA bei verschiedenen operativen Eingriffen S. Grond1, M. Stumpf2, K. Bornhövd2, C. Mattia3 1 Universitätsklinik für Anästhesiologie, Halle, 2 Janssen-Cilag GmbH, Neuss, 3 Universität La Sapienza, Rom Hintergrund und Zielsetzungen: Die postoperative Wirksamkeit und Verträglichkeit des iontophoretischen patienten-aktivierten transdermalen Systems (iPATS, IONSYS®) mit dem Wirkstoff Fentanyl im Vergleich zur intravenösen patientenkontrollierten Analgesie (i.v.PCA) mit Morphin wurde in Abhängigkeit vom operativen Eingriff ausgewertet. Methoden: Im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten europäischen klinischen Prüfung Phase III (FEN-PPA 401) wurden Patienten nach verschiedenen operativen Eingriffen über einen Zeitraum von bis zu 72 h entweder mit dem iPATS oder einer i.v.PCA mit Morphin behandelt. Primärer Endpunkt war der Erfolg der Schmerztherapie aus Patientensicht (PGA) nach 24 Stunden (Erfolg = Bewertung mit „gut“ oder „ausgezeichnet“). Weitere Kriterien waren u.a. der Erfolg der Schmerztherapie aus Sicht der Prüfärzte (IGA) sowie die Erfassung zusätzlicher Analgetika (erste 3h). Ferner wurden unerwünschte Ereignisse (UE) erfasst. Ergebnisse: Insgesamt wurden 660 Patienten eingeschlossen. PGA des iPATS und der i.v.PCA waren vergleichbar (95%CI, -6,5% bis 3,9%). Die Patienten wurden anhand des operativen Eingriffs in 6 Untergruppen aufgeteilt (Hüfte [n = 102], Knie [n = 39], Unterbauch [n = 184], Becken [n = 77], Wirbelsäule [n = 83] bzw. Oberbauch [n = 76]). Der Anteil der Patienten die bei der letzten Messung einen Therapieerfolg angaben war für die iPATS und i.v.PCA Gruppen vergleichbar für alle Eingriffsarten. Auch die Prüfärzte bewerteten iPATS und i.v.PCA in 5 der 6 Untergruppen in vergleichbaren Anteilen als erfolgreich (iPATS: 84% - 98%, i.v.PCA 79% - 94%, alle p>0,05). Lediglich nach Knieoperationen zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der IGA (iPATS 75%, i.v.PCA 95%, p<0,001). Hinsichtlich der Einnahme von Analgetika in den ersten 3 Stunden und der Häufigkeit des Auftretens von UE ergaben sich keine relevanten Unterschiede zwischen den Therapiegruppen. Unter iPATS wurde in der Studie keine klinisch relevante Atemdepression beobachtet, unter i.v.PCA 1 Fall (Eingriff im Bauchraum). Schlussfolgerungen: Sowohl bei Betrachtung der Gesamtpopulation als auch nach den meisten operativen Eingriffen war die postoperative Schmerztherapie mit dem iPATS vergleichbar wirksam und verträglich wie eine i.v.PCA mit Morphin. Da das iPATS darüber hinaus nicht invasiv ist, stellt es eine wertvolle Bereicherung der Behandlungsstrategien in der postoperativen Schmerztherapie dar. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts P12.12 Randomisierte, kontrollierte klinische Studie zum Vergleich von OROS® Hydromorphon (Jurnista®) mit retardiertem Morphin bei Patienten mit chronischem Tumorschmerz M. Stumpf1, M. Hanna2, DO-118 Studien Gruppe 1 Janssen-Cilag GmbH, Neuss, 2 King’s College of Medicine and Dentistry, London, UK Fragestellung: Starke chronische Schmerzen sind ein häufiges Symptom bei Tumorerkrankungen. Diese werden häufig mit retardierten (SR) oralen Opioiden behandelt, welche in der Regel eine zwei- bis dreimal tägliche Dosisgabe erfordern um therapeutische Plasmakonzentrationen zu erhalten. OROS® Hydromorphon ist ein osmotisch aktives System zur kontrollierten Freisetzung von Hydromorphon, was eine gleichmäßige langanhaltende Analgesie über ein 24 Stunden Dosierungsintervall ermöglicht. Methoden: Die vorliegende Untersuchung (DO-118) ist eine randomisierte, doppel-blinde, kontrollierte Parallel-Gruppen Studie zum Vergleich von OROS® Hydromorphon und retardiertem (SR) oralen Morphin bei Tumorpatienten. Die Studie wurde in 2 Phasen durchgeführt: Phase I: Umstellung von der Vortherapie auf schnell freisetzendes (IR) Hydromorphon [12-108 mg/d] oder IR Morphin [60-540 mg/d] für 2-9 Tage; Phase II: OROS® Hydromorphon [16-96 mg/d] oder SR Morphin [60-540 mg/d] für 10-15 Tage. Die Einschätzungen zur Wirksamkeit beinhalteten das Brief Pain Inventory (BPI) und eine globale Evaluation der Wirksamkeit durch Untersucher und Patienten. Die Therapien wurden als gleichwertig erachtet, wenn das 95% Konfidenzintervall (KI) der Gruppen-Mittelwerte zum Endpunkt zwischen -1,5 und 1,5 lag. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigten für beide Gruppen vergleichbare Mittelwerte [SD] für den BPI Endpunkt „stärkster Schmerz“ (primärer Endpunkt; 0=kein bis 10=stärkster vorstellbarer Schmerz): OROS® Hydromorphon (n=77), 3,5 [2,5]; SR Morphin (n=86), 4,1 [2,7]; Differenz, -0.8 [95% KI, -1.6, -0.01]. Andere BPI Items (geringster Schmerz, durchschnittlicher Schmerz, jetziger Schmerz (morgens und abends)) waren innerhalb der Grenzen für Äquivalenz (KI -1,5, 1,5). Im Mittel betrug die erreichte Schmerzlinderung 70% in der OROS® Hydromorphon Gruppe und 69% in der SR Morphin Gruppe. Mehr als 70% der Untersucher und Patienten bewerteten die Wirksamkeit der Therapien insgesamt als gut, sehr gut oder exzellent. Die Wirkstoffe waren gleichermaßen verträglich, mit einem für Opioid-Analgetika typischen Nebenwirkungsprofil. Schlussfolgerung: Diese Ergebnisse zeigen, dass die Schmerztherapie mit einmal täglicher Gabe von OROS® Hydromorphon bei Patienten mit chronischen Tumorschmerzen eine mindestens ebenso gute Therapieoption darstellt wie zweimal täglich zu verabreichendes SR Morphin. P12.13 Wirksamkeit und Verträglichkeit von OROS® Hydromorphon (Jurnista®) im Vergleich zu retardiertem Oxycodon in der Behandlung von Patienten mit chronischen Arthroseschmerzen M. Stumpf1, S. Roth2, M. Damask3, S. Khanna4, J. Thipphawong4 1 Janssen-Cilag GmbH, Neuss, 2 Arizona Research and Education, Paradise Valley, AZ, USA, 3 Johnson and Johnson, Titusville, NJ, USA, 4 ALZA Corporation, Mountain View, CA, USA Fragestellung: Ziel der vorliegenden Untersuchung (DO-132) war es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit von OROS® Hydromorphon mit denen von retardiertem Oxycodon in der Behandlung von Patienten mit mäßigen bis moderaten Arthroseschmerzen des Knie- oder Hüftgelenkes, welche bisher nicht mit WHO Stufe-III Opioiden behandelt wurden, zu vergleichen. Methoden: Multizentrische, randomisierte, offene, kontrollierte Parallel-Gruppen Studie zum Vergleich von OROS® Hydromorphon und retardiertem Oxycodon mit insgesamt 140 Patienten. Die Anfangsdosis betrug für OROS® Hydromorphon 8 mg einmal täglich und retardiertes Oxycodon 10 mg zweimal täglich. Diese 6-wöchige Studie beinhaltete eine 2-wöchige Titrations- und Stabilisierungsphase um eine
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adäquate Analgesie zu erreichen. Daran schloss sich eine 4-wöchige Erhaltungsphase an. Daten zur Wirksamkeit (Ausmaß und Zeit bis zur Schmerzlinderung [0=keine bis 4=vollständige Schmerzlinderung], Schmerzintensität [NRS, 0=keine bis 3=starke Schmerzen], und Medikationsbedarf) wurden in einem Patiententagebuch dokumentiert. Unerwünschte Ereignisse (AEs) wurden fortlaufend dokumentiert. Ergebnisse: Von den insgesamt 140 randomisierten Patienten erhielten 124 Studienmedikation. Die mittlere Schmerzlinderung zum Studienende für OROS® Hydromorphon (n=64 behandelte Patienten) und Oxycodon (n=60 behandelte Patienten) gleich: 2,3. Die Zeit bis zum Erreichen einer moderaten/vollständigen Schmerzlinderung war ebenfalls für beide Behandlungsgruppen vergleichbar: OROS® Hydromorphon (6.2 Tage) Oxycodon (5.5 Tage). Die mittlere Schmerzintensität (SD) verringerte sich bis zum Studienende im Vergleich zur Baseline von 2,1 (0,66) und 2,0 (0,76) auf Werte von 1,5 (0,77) für OROS® Hydromorphon und 1,6 (0,88) für Oxycodon. Die Inzindenz von AEs bei welchen ein Zusammenhang mit der Therapie angenommen wurde war für beide Gruppen vergleichbar (79%). Die am häufigsten berichteten AEs (≥ 10%) waren ebenfalls vergleichbar und beinhalteten in beiden Gruppen Übelkeit, Obstipation, Somnolenz, Schwindel und Erbrechen. Schlussfolgerung: OROS® Hydromorphon einmal täglich ermöglicht bei der Behandlung von Arthroseschmerzen eine gute Schmerzlinderung, bei vergleichbarer Verträglichkeit wie Oxycodon bei zwei mal täglich Gabe. P12.14 Missbrauch von Opioiden – eine Internetrecherche E. Gaser, J. Siwik, W. Meißner, A. Zimmer Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie der FSU Jena Einleitung: Im Internet werden Informationen über die missbräuchliche Nutzung von Opioiden relativ offen ausgetauscht. Ziel der Untersuchung war es, durch eine deskriptive Analyse eines einschlägigen Internetforums, Informationen über die Häufigkeit der missbräuchlichen Verwendung unterschiedlicher Opioide sowie über deren Beschaffung und ihre Anwendung zu erhalten, um Ärzte für diese Problematik zu sensibilisieren. Methoden: Es wurde eine Internetrecherche über den Missbrauch von Opioiden auf einer deutschsprachigen Web-Seite durchgeführt. Diese bietet u. a. die Möglichkeit der Information sowie der Diskussion über Opioide u. a. Drogen. Die Häufigkeit der Nennung unterschiedlicher Opioide wurde quantitativ erfasst. Ferner wurde nach Hinweisen über Beschaffungs- und Applikationsmethoden gesucht. Ergebnisse: Häufigkeit der Opioidnennung (Tabelle) Heroin Codein Fentanyl Tilidin Morphin Tramadolol Dihydrocodein Buprenorphin Methadon Oxycodon Hydromorphon
hit/website 5697 5534 5183 4558 3552 3490 2746 2522 2110 1499 688
Piritramid Hydrocodon Levomethadon Pethidin Oxymorphon Sufentanil Remifentanil Alfentanil Nalbuphin Pentazozin
hit/website 468 370 308 257 130 126 126 89 84 82
Es finden sich zahlreiche Hinweise über Beschaffungsmöglichkeiten („…im Pflegeheim abstauben…“, „…auf PR…“), Applikationsformen sowie Erfahrungsberichte und Warnungen („…gleich RTW holen...“,… unangenehme Entzugserscheinungen…“). Diskussion: Die Inhalte des Forums geben Ärzten wertvolle Hinweise, welche therapeutischen Opioide eine Rolle bei der missbräuchlichen Nutzung spielen und auf welche Weise diese beschafft und konsumiert werden.
P13 Psychologie des Schmerzes P13.1 Ängstlichkeit – oder Angst? Von der Diagnose zur Therapie A. Voigt, M. Brinkers, T. Petz, D. Hoffmeyer Schmerzambulanz der Uni Magdeburg Einleitung: Ängstlichkeit ist ein subjektives Empfinden, das bei vielen chronischen Schmerzen angegeben wird (Poulsen). Doch als generell über den Tag auftretendes Symptom gilt sie als Merkmal der GAD. Läßt sich also von dem subjektiven Empfinden auf die Diagnose schließen? Nach Poulsen haben 28% der Patienten mit chronischen Schmerzen eine GAD. Material und Methode: Diese Zahl wurde an zwei Grundgesamtheiten zu zwei derzeit bei uns laufenden Dissertationen (n=120 und n=341) überprüft. Bei beiden Arbeiten war der SCL-90-R verwendet worden, der die Skala Ängstlichkeit enthält. Da es sich um eine retrospektive Arbeit handelt, wurde es notwendig, die SCL-90-R mit dem von Poulsen verwendeten HAMA abzugleichen. Die wesentlichen affektiven Symptome des HAMA: ängstliche Stimmung, Spannung, Furcht sind demnach in den beiden Skalen Ängstlichkeit und phobische Angst abgebildet. Ergebnisse: • Diagnosenanteile: Beide Skalen zusammen bei erhöhter psychischer Belastung im SCL (GSI<60) wurden in Diss 1 bei 57/341=16,7% und in Diss2 bei 13/120=10,8% gefunden. Gleichzeitig wurden an ICD10 Diagnosen gefunden bei Diss1: F4-Gruppen = 44/341 = 12,9%; F6-Gruppe=26/341=7,6%. • Behandlung: Bei Diss 1 wurden von Pat. mit beiden Skalen bei GSI>60 21/341=6,2% mit Mood stabilizern behandelt. Bei Diss 2 wurden von allen Pat. (ungeachtet der Anzahl Skalen) mit GSI>60 14/120 = 11,7% mit Mood stabilizern behandelt. • Zufriedenheit: Über GSI60 bringt die Behandlung mit Mood Stabilizern wenig. Ein sichtbarer Erfolg ist nur bei GSI<60 zu erzielen Diskussion: Die Arbeit von Poulsen ist die einzige zum Thema GAD bei chronischen Schmerzen. Die dort skizzierte Vorgehensweise ist jedoch nicht statthaft. Unsere Variante des Screenings mittels SCL-90-R ergibt nicht nur im subjektiven wie grob objektiven Bereich niedrigere Verhältniszahlen, sondern zeigt auch, dass nur die Patienten mit niedriger psychischer Belastung mit der derzeit empfohlenen Gabe von Mood stabilizern zufriedenstellend zu behandeln sind. 1. Poulsen DL Hansen HJ, Langemark M, Olesen J, Bech P (1987): Discomfort or diability in patients with chronic pain syndrome. Psychother Psychosom, 48 (1-4), 60-62: P13.2 Motivationale Einflüsse im Antwortverhalten von Schmerzpatienten: Zur Bedeutung antizipierter Untersuchungsfolgen auf schmerzbezogene Selbst- und Fremdberichte R. Dohrenbusch, S. Böning Institut für Psychologie Universität Bonn Die Forschungsliteratur liefert Hinweise auf die Bedeutung bewusstseinsnaher motivationaler Einflüsse bei Selbstberichtsverfahren. Diese Einflüsse sind dann zu berücksichtigen, wenn das Antwortverhalten der Patienten weiter reichende Auswirkungen auf therapeutische, arbeitsbezogene oder sozialrechtliche Entscheidungen hat. Die bisherige Befundlage zu den Auswirkungen motivationaler Bedingungen auf Klagen über körperliche Beschwerden und Schmerzen ist widersprüchlich: Teilweise führen Entlastungsmotive zur Angabe intensiverer Beschwerden (z.B. Roth, 2000; Vogel et al., 2006), teilweise konnte kein motivationaler Effekt nachgewiesen werden. Fragestellung: Welchen Einfluss haben antizipierte Untersuchungsfolgen auf die Ausprägung klinischer Schmerzäußerungen? Es wird erwartet, dass Entlastungsmotive mit intensiveren Beschwerdeäußerungen einher gehen. Methode: Stichprobe: 54 chronische Schmerzpatienten aus ambulantem und stationärem Setting.
Experimentelle Variation antizipierter Untersuchungsfolgen per Instruktion und Inszenierung einer realistischen Untersuchung mit realen Konsequenzen (hohe persönliche Relevanz) vs. Inszenierung einer reinen Forschungsuntersuchung (geringe persönliche Relevanz). Validierung der experimentellen Variation durch standardisierte Befragung. Ebenso wurde der Einfluss realer Berentungsintention überprüft. Abhängige Variablen waren der McGill Schmerzfragebogen und das beobachtete Verhalten in der Untersuchung. Ergebnisse: Probanden der Experimentalgruppe nahmen die Situation ernster, fühlten sich besser einbezogen, zeigten höheres Interesse an den Ergebnissen und antizipierten stärkere Folgen der Erhebung, es zeigte sich aber kein signifikanter Einfluss der experimentellen Manipulation auf die Fragebogenergebnisse und auf das Schmerzverhalten. Innerhalb der Experimentalgruppe gaben Personen mit Rentenwunsch tendenziell, aber nicht signifikant höhere Schmerzen an. Diskussion: Selbstberichtsverfahren zum Schmerzerleben können mit gleicher Berechtigung zu therapeutischen oder zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt werden, ohne dass dadurch das Ergebnis wesentlich beeinflusst wird. Eine Übertragung dieser Ergebnisse auf sozialmedizinische Begutachtungssituationen ist dennoch nicht zulässig. P13.3 Das subjektive Krankheitsmodell (SRM) als Prädiktor für Schmerzerleben und Lebensqualität bei Patienten mit chronischen orofazialen Schmerzen– erste Ergebnisse einer prospektiven Studie U. Galli, C. Spirig, J. Nägeli, D. A. Ettlin, S. Palla, U. Ehlert, J. Gaab Klinik für Kaufunktionsstörungen, Abnehmbare Rekonstruktionen, Alters- und Behindertenzahnmedizin; Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Zürich, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Psychologisches Institut der Universität Zürich Fragestellung: Eine Vielzahl Studien bei unterschiedlichen Krankheitsbildern fand einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem subjektiven Krankheitsmodell von Patienten und deren Anpassung an die Krankheit. Diese Studie hat den Zusammenhang und prädiktiven Wert von subjektiven Krankheitsannahmen von Patienten mit chronischen orofazialen Schmerzen in Bezug auf die wahrgenommene Schmerzintensität, gesundheitsbezogene körperliche und psychische Lebensqualität sowie Angst und Depressivität untersucht. Methode: Die Studie wurde im Rahmen der Schmerzsprechstunde des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Zürich durchgeführt. Bei einer konsekutiven Stichprobe von 24 Patienten mit chronischen orofazialen Schmerzen wurden vor der Behandlung mit standard medical care und drei Monate nach dem Ersttermin die psychometrischen Parameter des Illness Perception Questionnaire deutsche Kurzform (IPQ-R) und Screening Fragebogen zu Funktionellen Somatischen Syndromen (FSS) sowie die schmerzrelevanten Masse Graded chronic pain scale (GCPS), Hospital Anxiety and Depression Scale – Deutsche Version (HADS-D) und Fragebogen zum Allgemeinen Gesundheitszustand (SF-12) erhoben. Ergebnisse: Die folgenden Daten stellen erste Ergebnisse einer noch laufenden prospektiven Studie dar. Zwischen emotionalen Repräsentationen (Erleben von schmerzbezogenen negativen Emotionen) und Antizipation schwerwiegender Konsequenzen sowie zwischen emotionalen Repräsentationen und Kohärenz (Verstehen von Schmerzursache und Symptomentwicklung) zeigten sich starke signifikante Zusammenhänge (P<.01). Die Annahme eines langen Zeitverlaufs, zyklisches Auftreten und die Antizipation schwerwiegender Konsequenzen sowie eine generelle Somatisierungstendenz gingen einher mit erhöhter Schmerzintensität. Die Antizipation schwerwiegender Konsequenzen und eine generelle Somatisierungstendenz gingen einher mit erhöhter Depressivität. Geringes persönliches Kontrollerleben, geringe Kohärenz, die Antizipation von schwerwiegenden Konsequenzen und emotionale Repräsentationen standen in Beziehung mit einer schlechteren gesundheitsbezogenen psychischen Lebensqualität. Die Annahme schwerwiegender Konsequenzen ging einher mit einer geringeren gesundheitsbezogenen köperlichen Lebensqualität. Die Dauer der Schmerzen stand in keinem signifikanten Zusammmenhang Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts zu einem der outcome-Masse. Ebenso wurde kein Zusammenhang zwischen dem subjektiven Krankheitsmodell und der mittels HADS erfassten Angstsymptomatik gefunden. Die schrittweisen multiplen Regressionsanalysen ergaben, dass die Annahme eines langen Zeitverlaufs 26.9% der Varianz der Schmerzintensität aufklärte. Die Annahme von schwerwiegenden Konsequenzen erklärte 15% der Varianz der gesundheitsbezogenen köperlichen Lebensqualität. Das subjektive Krankheitsmodell fungierte nicht als Prädiktor für Depressivität und Angst. Persönliche Kontrolle und emotionale Repräsentation erklärten 19% bzw. 15.3% der Varianz der gesundheitsbezogenen psychischen Lebensqualität. Schlussfolgerung: Die Studie konnte bestätigen, dass das subjektive Krankheitsmodell bei Patienten mit chronischen orofazialen Schmerzen eine bedeutsame Rolle für deren Anpassung an die Erkrankung spielt. Die Ergebnisse implizieren, dass die Erfassung des subjektiven Krankheitsmodells routinemässig erfolgen sollte und die Modifikation von subjektiven negativen Krankheitsannahmen ein wichtiges Ziel im Rahmen der Schmerztherapie darstellen sollte. Zur standardisierten und einfachen Erfassung des subjektiven Krankheitsmodells bietet sich die Kurzversion des IPQ an. P13.4 Erste Validierung einer deutschen Fassung des Paediatric Pain Coping Inventory (PPCI) T. Hechler1, J. Kosfelder2, H. Denecke1, M. Dobe1, B. Hübner1, A. Martin1, A. Menke1, S. Schroeder1, B. Zernikow1 1 Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke, 2 Fachbereich Psychologie, Fachhochschule Düsseldorf Fragestellung: Copingstrategien von Kindern mit chronischen Schmerzen zeigen signifikante Zusammenhänge zu Schmerzcharakteristika und emotionaler Belastung und sind ein wesentlicher Bestandteil der psychologischen Schmerztherapie. Während im englischen Sprachraum vier validierte Messinstrumente existieren, fehlen validierte Übersetzungen im deutschen Sprachraum. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Übersetzung und Validierung des Paediatric Pain Coping Inventory (PPCI). Methodik: Anhand eines ambulanten Samples von 180 Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen wurde eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt und Interne Konsistenzen der Skalen ermittelt. Zur Validitätsanalyse wurden a) Korrelationen zum Zeitpunkt Prä zu Schmerzcharakteristika und emotionaler Belastung ermittelt und b) Veränderungen in den PPCI-Skalen über 12 Monate in einer Gruppe von Kindern mit Migräne (N=31) und von Kindern mit Spannungskopfschmerzen (N=34) untersucht. Ergebnisse: Die Hauptkomponentenanalyse ergab eine fünf-faktorielle Lösung. Allerdings zeigten lediglich drei Skalen zufrieden stellenden Reliabilitäten, so dass nun eine deutsche revidierte Version des PPCI (PPCI-R) mit 25 Items und 3 Skalen (Passive Schmerzbewältigung, Suche nach sozialer Unterstützung und Positive Selbstinstruktion) vorliegt. Die Skalen zeigen signifikante Beziehungen zu Schmerzcharakteristika und emotionaler Belastung. Zudem ergaben sich über eine Zeitspanne von 12 Monaten unterschiedliche Veränderungen in den 3 Skalen bei Kindern mit Migräne und Kindern mit Spannungskopfschmerzen. So reduzieren beide Gruppen die Suche nach sozialer Unterstützung, während Kinder mit Spannungskopfschmerzen zusätzlich die Passive Schmerzbewältigung reduzieren. Schlussfolgerung: Die vorliegende Untersuchung erbrachte eine deutsche revidierte Fassung des PPCI (PPCI-R), der 3 Copingstrategien erfasst. Die unterschiedlichen Veränderungen der Copingstrategien von Kindern mit Migräne und Kindern mit Spannungskopfschmerzen gehen in die zu erwartende Richtung. Zukünftige Studien sollten zeigen, ob a) die Veränderungen in den Copingstrategien mit entsprechenden Veränderungen in der Schmerzsituation und der emotionalen Belastung einhergehen und ob b) die Veränderungen ursächlich auf schmerztherapeutische Interventionen (z.B. psychologische Schmerztherapie) zurückführbar sind.
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P13.5 Veränderung von Aufmerksamkeitsprozessen durch funktionelle oder organisch bedingte wiederkehrende Schmerzerfahrungen bei Kindern M. Howoritsch-Steinberg, G. Ostkirchen, A. Blumberger, L. Brüggemann, A. Konik, S. Krebes, S. Kubiak, C. Kusber, P. Petersen, E. Wiegemann, N. Wrenger, G. Ganser, H.-C. Diener Universität Duisburg-Essen, Medizinische Fakultät, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen In dieser Studie wird der Einfluss von Schmerz auf Aufmerksamkeitsprozesse bei Grundschulkindern untersucht. In der Literatur werden Zusammenhänge zwischen Schmerz, Aufmerksamkeit und Kognition berichtet. Von Bueren Jarchow et al. (2005) fanden heraus, dass erwachsene Schmerzpatienten signifikant langsamer in Aufmerksamkeitstests abschneiden. Für Kinder liegen noch zu wenig empirische Ergebnisse vor. Funktionelle Schmerzkinder (wiederkehrende Kopf- und Bauchschmerzen
), organische Schmerzkinder (rheumatoide Arthritis ) und gesunde Kinder () werden miteinander verglichen. Jede der experimentellen Gruppen besteht aus 35 Versuchspersonen (16 Jungen, 19 Mädchen), parallelisiert nach Geschlecht und Alter (mittleres Alter 8,10 Jahre). Die Aufmerksamkeitsfunktionen „Alertness”, “selektive Aufmerksamkeit“ und „Reaktionswechsel“ werden über die neuropsychologische Testbatterie (TAP: Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, Zimmermann & Fimm, 2002) erfasst. Die statistischen Analysen werden mit SPSS.14 durchgeführt. Mittlere Reaktionszeiten unterscheiden sich signifikant in Abhängigkeit von den drei Schmerzgruppen nur bei den Untertests Alertness und Reaktionswechsel („Alertness“: F(2,98)=3,283, p=.042; power=.611; „Reaktionswechsel“: F(2,98)=4,205; p=.018; power=.726). Allerdings ist die Richtung der Effekte bei den einzelnen Untertests nicht einheitlich (Alertness: NP
Äußerungen, um die vier Schmerzsituationen zu beschreiben (KS =779 / 22,9%; BS = 780 / 22,6%; INJ = 704 / 21,3%; FAHR = 825 / 21,2%. Die Verteilung der relativen Häufigkeiten auf die Kategorien sind: CATdes < KS > = 27,3%; < BS > = 23,5%; < INJ > = 24,4%; < FAHR > = 24,9%; CATattr < KS > = 25,4%; < BS > = 23,6%; < INJ > = 23,7%; < FAHR > = 27,4%; CATcop < KS > = 22,8%; < BS > = 27,3%; < INJ > = 21,4%; < FAHR > = 28,6%; CATattach < KS > = 26,3%; < BS > = 26,0%; < INJ > = 22,0%; < FAHR > = 25,7%. Interraterreliabilitäten mit Werten von r=.697 bis r=.952 wurden ermittelt. Kinder berichten über ihre Schmerzerfahrungen mit Interesse jedoch ohne Übertreibung. Mehr Empathie für die kindliche Sicht auf eigene Schmerzerfahrungen ist nicht nur theoretisch (Körpererfahrungen können nur von dem Betroffenen mitgeteilt werden) unumgänglich, sie trägt auch zur Generierung von empirischen Grundlagen bei, die die Basis für eine neue Sichtweise auf pädiatrische Schmerzen begründen. P13.7 Prävalenzen und Inzidenzen primärer Kopfschmerzen und funktioneller Bauchschmerzen bei Erstklässlern in der Grundschule G. G. Ostkirchen, S. Aßmann, A. Yilmam, E. Zunker, K.-H. Jöckel, H.-C. Diener Universität Duisburg-Essen, Medizinische Fakultät, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen Mit dieser Studie werden die Prävalenzen und Inzidenzen simultan erhobener primärer Kopfschmerzen (IHS-2004) und funktioneller Bauchschmerzen (Rome III-Kriterien) auf der Basis einer populationsbasierten epidemiologischen Untersuchungsreihe analysiert werden. Hat das Lebensereignis „Schuleintritt“ einen Einfluss auf die Häufigkeiten dieser pädiatrischen Beschwerden? Der Fragebogen (FSEKB) konnte an 674 (78,1%) von 832 offiziell gemeldeten Erstklässler ausgegeben werden. 375 (51,9%) nahmen zusammen mit ihren Kindern (48,3%♂, 51,7%♀) an dem zweiten Erhebungszeitpunkt, der zwischen Mitte Januar und Ende Juni 2005 durchgeführt wurde, teil. Die Schüler und ihre Eltern wurden getrennt befragt. Vom ersten (Vorschule 2004) zum zweiten Erhebungszeitpunkt (1. Klasse 2005) sanken die Teilnahmeraten von 73% auf 51,9%. Die Prävalenzen primärer Kopfschmerzen (KS) und solcher in Kombination mit Bauchschmerzen (KBS) stiegen an, während die für singuläre funktionelle Bauchschmerzen (BS) und keine Schmerzerfahrung (G) dieser Art geringer wurden: (2004 vs. 2005: KS: 3,6% vs. 6,9%, KBS: 51,7% vs. 67,9%, BS: 31,9% vs. 18,3%, G: 12,8% vs. 6,9%). Folgende Inzidenzen wurden für Erstklässler registriert: KS=0,86%, KBS=12,57%, BS=4,29%, mit enormen Fluktuationen zwischen den Gruppen. Die relativen Häufigkeiten für Kopfschmerzattacken sind: 4,7% (1-6 mal pro Woche), 10,7% (1-3 mal im Monat). Die Dauer der Attacken werden mit 10,3% (> 1 Stunde), 5,5% (1-3 Stunden), 4,0% (4–24 Stunden) angegeben. 3,2% der teilnehmenden Kinder nehmen während ihrer Kopfschmerzattacken regelmäßig Schmerzmedikamente ein. Während der soziale Status keinen Einfluss auf die Lebensqualität ausübt, ist der Einfluss des Geschlechts und der Schmerzgruppen hochsignifikant (Manova F(6,546)=3.416; p=.003; power=.943). „Schuleintritt“ als Lebensereignis führt zum Anstieg der Prävalenzen und Inzidenzen von Kopfschmerzen, die allein oder in Kombination mit funktionellen Bauchschmerzen auftreten. Die Hinweise für wiederkehrende Kopfschmerzattacken und sich entwickelnde Migränesymptome sind unübersehbar. Wiederkehrende Schmerzerfahrungen haben einen bedeutsamen Einfluss auf die Lebensqualität der Erstklässler, wobei Jungen schlimmer betroffen scheinen als Mädchen. P13.8 Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster bei Patienten mit somatoformer Schmerzstörung J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg, Bad Wildungen-Reinhardshausen Hintergrund: Die Rentenversicherungsträger berichten, dass Patienten mit somatoformer Schmerzstörung, die einen Reha- oder Rentenantrag gestellt haben, durch eine ausgeprägte Chronifizierung mit langen AU-
Zeiten gekennzeichnet sind, bei denen oft bereits eine biographische Weichenstellung aus dem Erwerbsleben heraus erfolgt ist (Irle, 2002). Übergeordnetes Ziel der Rehabilitation ist es somit, die Erwerbsfähigkeit des Patienten wieder herzustellen und eine berufliche Wiedereingliederung zu erreichen. Daher ist die Erhebung und Bearbeitung der beruflichen Anforderungen und Belastungen sowie des Umgangs mit diesen ein zentraler Inhalt der Rehabilitation. Hierbei kann der AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster; Schaarschmidt und Fischer, 2003) eingesetzt werden, um die gesundheitsförderlichen bzw. -gefährdenden Verhaltens- und Erlebensweisen bei der Bewältigung von Arbeits- und Berufsanforderungen zu erfassen. Nach Bandura (1977,1997) haben die Selbstwirksamkeitserwartungen einen zentralen Einfluss auf den Einsatz von Bewältigungsverhalten: nur bei ausreichenden Selbstwirksamkeitserwartungen wird eine Person überhaupt versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Copingstrategien bestimmten Anforderungen entgegen zu treten. Fragestellung: Untersucht wurde, welche arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster Patienten mit somatoformer Schmerzstörung aufweisen. Außerdem wurde der Frage nachgegangen, ob sozialmedizinische Variablen (z.B. Rentenantrag, AU-Zeiten) und die Selbstwirksamkeitserwartungen Patienten mit unterschiedlichen Mustern trennen. Patientengut und Methode: In die Studie wurden N=195 Patienten aufgenommen, die stationär mit der Hauptdiagnose einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) im MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg behandelt wurden. Die Patienten füllten u.a. den AVEM sowie den Aachener Selbstwirksamkeitsfragebogen (ASF; Wälte und Kröger, 2000) aus. Die Daten wurden mittels MANOVA ausgewertet. Ergebnisse: Die Gesamtstichprobe zeigt eine hohe Übereinstimmung mit dem Risikomuster B des AVEM, d.h. eine starke Resignationstendenz und verminderte psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen mit eingeschränkter Distanzierungsfähigkeit gegenüber den Arbeitsproblemen und eingeschränktem Lebensgefühl. Patienten mit unterschiedlichem sozialmedizinischem Status (z.B. Rentenantrag gestellt vs. nicht gestellt) unterscheiden sich hierbei nicht voneinander in den Ergebnissen des AVEM. Allerdings unterscheiden sich Patienten mit geringen von denen mit höheren Selbstwirksamkeitserwartungen: Patienten mit geringen Selbstwirksamkeitserwartungen weisen eine hohe Übereinstimmung mit dem Risikomuster B des AVEM auf, wobei im Vergleich zur Gesamtstichprobe vor allem die Verausgabungsbereitschaft und Resignationstendenz noch extremer und die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen nochmals geringer ausgeprägt ist. Patienten mit höheren Selbstwirksamkeitserwartungen zeigen im Vergleich hierzu eine geringere Resignationstendenz, eine bessere psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und ein insgesamt positiveres Lebensgefühl. Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Gesamtgruppe der Patienten mit somatoformer Schmerzstörung sehr ungünstige arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster aufweisen. Für Patienten mit höheren Selbstwirksamkeitserwartungen trifft dies allerdings nicht so zu wie für Patienten mit geringen Selbstwirksamkeitserwartungen. Die Selbstwirksamkeitserwartungen können in diesem Sinne als Ressource oder protektiver Faktor gesehen werden und sollten somit Beachtung im Rahmen der Therapie finden. 1. Bandura A. Self-Efficacy: Toward a unifying Theory of Behavioural Change. Psychol Rev 1977; 84(2): 191-215 2. Bandura A. Self Efficacy: The Exercise of Control. New York, Freeman, 1997 3. Irle H. Unklare körperliche Syndrome - sozialmedizinisch betrachtet. DAngVers 2002; 7: 258-262 4. Schaarschmidt U, Fischer AW. Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM). Frankfurt: Swets Test Services, 2003 5. Wälte D, Kröger F. Erkenne Dich Selbst - selbstreflexive Kognitionen als Spiegel psychosomatischer Erkrankungen. In: Lamprecht F, SchmittOtt G, Künsebeck H-W (Hrsg). Neue Betätigungsfelder der Psychosomatik und Psychotherapie. Frankfurt: VAS, 2000; 112-126 Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts P13.9 Schmerzakzeptanz und sozialmedizinischer Status J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg, Bad Wildungen-Reinhardshausen Einleitung: Nach McCracken et al. (2003) ist die Akzeptanz chronischer Schmerzen dadurch definiert, dass die Betroffenen mit ihren Schmerzen leben, ohne spezifische Reaktionen zu zeigen oder Versuche zu unternehmen, die Schmerzen zu reduzieren oder zu vermeiden. Diese Akzeptanz beinhaltet, dass die Betroffenen nicht mit ihren Schmerzen hadern und sich trotz Schmerzen positiven alltäglichen Aktivitäten widmen. Studien zeigen, dass eine größere Schmerzakzeptanz mit weniger Schmerzen und Beeinträchtigungen sowie mit geringerer Depressivität und schmerzbezogener Angst einhergeht (McCracken & Eccleston, 2005; McCracken & Eccleston, 2003). McCracken et al. (2004) unterscheiden zwei Komponenten der Akzeptanz: ‚activity engagement‘ und ‚pain willingness’‘ Activity engagement erfasst die Durchführung alltäglicher Lebensaktivitäten unbeeinflusst davon, ob Schmerzen erlebt werden (Bsp.: ‚Ich komme mit meinen alltäglichen Aufgaben klar, egal wie stark meine Schmerzen sind’). Pain willingness erfasst die Bereitschaft des Patienten, von den häufig ineffektiven Versuchen, die Schmerzen zu kontrollieren, abzulassen (Bsp.: ‚Immer, wenn ich etwas mache, hat die Kontrolle meiner Schmerzen erste Priorität’; invertiert). Fragestellung: Die vorliegende Studie knüpft an die auf dem letzten Schmerzkongress vorgestellten Ergebnisse zum Thema an. Hierzu wurde eine neue, größere Stichprobe rekrutiert und die Daten anhand von MANOVAs und konfirmatorischer Faktorenanalyse analysiert. Es sollten folgende Fragestellungen beantwortet werden: • Wie hoch ist der (multivariate) Zusammenhang von Schmerzakzeptanz und sozialmedizinischem Status innerhalb eines Messzeitpunktes und zwischen Therapiebeginn und -ende? • Ändert sich die Schmerzakzeptanz im Therapieverlauf und in Abhängigkeit vom sozialmedizinischen Status bei Aufnahme? Patientengut und Methode: In einer Feldstudie wurden Patienten mit chronischen Schmerzen des MediClin Reha-Zentrums am Hahnberg (N=646 bei Aufnahme, N=557 bei Entlassung) hinsichtlich Schmerzakzeptanz (dt. Übersetzung des CPAQ durch Nilges & Köster, 2005), Arbeitsunfähigkeitszeiten, Rentenstatus, subjektiver Rentenbedürftigkeit, subjektiver Erwerbsprognose und Schmerzchronifizierungsstadium untersucht. Die Datenanalyse erfolgte mittels MANOVA und konfirmatorischer Faktorenanalyse. Ergebnisse: Patienten mit unterschiedlichem sozialmedizinischem Status unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Schmerzakzeptanz: ein günstigerer sozialmedizinischer Status geht mit größerer Schmerzakzeptanz einher. (Die konfirmatorische Faktorenanalyse liefert Koeffizienten von –0,42 für Aufnahme und –0,67 für Entlassung.) Die Schmerzakzeptanz ändert sich im Therapieverlauf in Abhängigkeit vom sozialmedizinischen Status bei Aufnahme: ein günstigerer sozialmedizinischer Status bei Aufnahme geht mit einer größeren Verbesserung der Schmerzakzeptanz einher. Diskussion: Die Schmerzakzeptanz scheint in Bezug auf den sozialmedizinischen Status von Patienten mit chronischen Schmerzen ein relevanter Faktor zu sein. Neben der Vermittlung effektiver Schmerzbewältigungsstrategien sollten daher auch der Abbau nicht-hilfreicher Bewältigungsstrategien und die Steigerung der Schmerzakzeptanz als relevante Inhalte einer Schmerztherapie diskutiert werden. 1. McCracken, L.M. & Eccleston, C. (2005). A prospective study of acceptance of pain and patient functioning with chronic pain. Pain, 118, 164-169. 2. McCracken, L.M., Vowles, K.E. & Eccleston, C. (2004). Acceptance of chronic pain: component analysis and a revised assessment method. Pain, 107, 159-166. 3. McCracken, L.M. & Eccleston, C. (2003). Coping or acceptance: what to do about chronic pain? Pain, 105, 197-204. 4. Nilges & Köster (2005). dt. Übersetzung des CPAQ. persönliche Mitteilung.
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P13.10 Verkehrsrelevante Leistungen bei Patientinnen mit Fibromyalgie S. Shmygalev, R. Sabatowski, C. Mack, J. Samel, F. Petzke Schmerzambulanz, Klinik für Anästhesiologie, Uniklinik Köln Fragestellung: Patienten mit Fibromyalgie (FM) geben neben den Schmerzen auch kognitive Störungen als Hauptsymptome an. Sie berichten über Konzentrations-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, wodurch nicht nur ihr Alltags-, sondern auch Arbeitsleben beeinträchtigt sind. Verschiedene Studien konnten eine geringgradige kognitive Dysfunktion belegen. Eine Beeinträchtigung verkehrsrelevanter Leistungen ist bei diesen Patienten bisher nicht untersucht worden. Ziel dieser Arbeit ist festzustellen, ob bei Patienten mit FM im Vergleich zu gesunden Probanden eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit besteht. Methoden: In Rahmen dieser Studie wurden 46 Patientinnen mit FM ohne zentralwirksame Medikation mit einer computergestützten psychomotorischen Testbatterie (Wiener Testsystem: COG, VIGIL, 2HAND, DT, TAVTMB) untersucht. Die eingesetzte Testbatterie überprüft kognitive Funktionen wie Belastbarkeit, Orientierungs-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsleistung, motorische Koordinations- und Reaktionsfähigkeit. Die Testergebnisse wurden mit einer alters- und geschlechtsentsprechenden Kontrollgruppe mit 138 Personen verglichen. Ergebnisse: Im Gruppenvergleich ergab sich kein wesentlicher signifikanter Unterschied für Parameter, die Aufmerksamkeits-, Belastbarkeits-, Orientierungs- und Konzentrationsleistung charakterisieren (COG, VIGIL, DT, TAVTMB). Insbesondere fand sich in keinem dieser Tests eine verlangsamte Reaktionszeit. Patientinnen mit FM zeigten in einigen Tests sogar signifikant weniger Fehler (COG, VIGIL und DT). Allerdings gab es einzelne Patienten mit extrem schlechten Testergebnissen. Im Zweihand-Koordinationstest, der die sensomotorische Koordination prüft, zeigten sich deutlich schlechtere Testergebnisse, Patientinnen mit FM hatten eine deutlich erhöhte Fehlerdauer (p<0,001) bei gleicher Gesamtdauer des Tests (p=n.s.). Schlussfolgerungen: Im Gruppenergebnis zeigen Patientinnen mit FM keine wesentlichen Beeinträchtigungen verkehrsrelevanter Leistungen, interessanterweise machen Patientinnen mit FM allgemein weniger Fehler. In Einzelfällen finden sich aber deutlich schlechtere Testergebnisse im Vergleich zur Kontrollgruppe. Eine weitere Auswertung bezüglich der individuellen Fahrtüchtigkeit und ihrer Prädiktoren ist noch nicht abgeschlossen. Eine hochsignifikante Beeinträchtigung besteht allerdings in der sensomotorischen Koordination, deren Relevanz für die Fahrtüchtigkeit, bzw. für die Pathophysiologie der FM weiter untersucht werden sollte. P13.11 Compliance – (K)ein Thema in der Schmerztherapie? M. Berliner1, M. Stumpf2, K. Bornhövd2 1 Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Helios-Kliniken, Berlin, 2 Janssen-Cilag GmbH, Neuss Fragestellung: Obwohl der Nutzen vieler Therapien in klinischen Prüfungen nachgewiesen wird, können in der Praxis bisweilen die erwarteten Therapieziele nicht erreicht werden. Während in Indikationsgebieten wie Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Compliance sogar in entsprechenden Vorsorgeprogrammen eine große Rolle spielt, scheint es hierfür bisher in der Schmerztherapie keine allgemeine Wahrnehmung zu geben. Anhand von Literaturquellen wurde die Bedeutung der Compliance für die Schmerztherapie, sowie die Auswirkung von Non-Compliance auf das Gesundheitssystem für verschiedene Indikationsgebiete untersucht. Außerdem wurden die Gründe für NonCompliance sowie Strategien zur Verbesserung, insbesondere in der schmerztherapeutischen Versorgung, zusammengestellt. Methoden: Eine Medline Recherche via PubMed wurde durchgeführt (seit Beginn der Datensammlung bis Februar 2007) mit folgenden Suchbegriffen: „Compliance“, („Patient compliance“ [Medline Subject Hea-
ding (MeSH) Major Topic] OR „Compliance“ [Title] OR „Adherence“ [Title]). „Schmerz Therapie“ / „Analgetika“ („Pain/diet therapy“ [MeSH] OR „Pain/drug therapy“ [MeSH] OR „Pain/therapy“ [MeSH] OR „Analgesics“ [MeSH major topic] OR „pain treatment“ OR „pain therapy“ OR „pain management“). „Chronischer Schmerz“ („Pain“ [Mesh major topic] AND „Chronic disease“ [Mesh] OR „Chronic pain“). Ferner: „Diabetes Mellitus/diet therapy“[Mesh] OR „Diabetes Mellitus/drug therapy“[Mesh] OR „Diabetes Mellitus/therapy“[Mesh] OR „Hypoglycemic Agents“[MeSH Major Topic] OR „Diabetes treatment“ OR „Diabetes therapy“ OR „Diabetes management“. Ergebnisse: Zum Suchbegriff „Compliance“ fanden sich ca. 24.500 und zu „Schmerztherapie“ sogar ca. 292.300 Treffer, die Verknüpfung beider Abfragen ergab ca. 400 Treffer. Zum Vergleich ergab der Suchbegriff „Diabetestherapie“ im Vergleich zur „Schmerztherapie“ nur etwa halb so viele Treffer (147.600), aber bei der Kombination mit „Compliance“ waren mehr als doppelt so viele Arbeiten zu finden (900). Der Suchbegriff „chronischer Schmerz“, ergab ca. 43.300 Treffer. Die Verknüpfung aus „Compliance“, „Schmerztherapie“ und „chronischer Schmerz“ ergab lediglich 70 Treffer. Darunter fanden sich 5 Arbeiten, welche mangelnde Compliance auch und gerade bei Patienten mit chronischen Schmerzen als häufiges Phänomen beschreiben. Als Gründe für Non-Compliance in der Schmerztherapie nennen 2 Arbeiten aus Patientensicht u.a. die Ersparnis einzunehmender Medikation, die Annahme auch eine Therapie chronischer Schmerzen sollte bei Bedarf genommen werden oder den Wunsch ein guter Patient zu sein der nicht klagt. In einem Reviewartikel über 76 Studien zu diversen Indikationen wurde ferner die inverse Beziehung von Compliance und Verabreichungshäufigkeit gezeigt. Zur Verbesserung der Compliance insbesondere in der Therapie chronischer Schmerzen, konnte eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient und der Einsatz von Therapieformen mit geringen Nebenwirkungen und geringem Bedarf an Schmerzspitzenmedikation identifiziert werden. Ökonomisch betrachtet verursacht Non-Comliance in Deutschland nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 über alle Indikationen jährlich Kosten von ca. 5,4 Milliarden €. Schlussfolgerung: Auch in der Therapie chronischer Schmerzen kommt der Compliance eine große Bedeutung zu. Es konnte gezeigt werden, dass neben guter Kommunikation auch eine niedrige Einnahmefrequenz als wesentlicher Faktor die Compliance verbessert. Dies kann zu besseren klinischen Ergebnissen führen und das Gesundheitssystem durch entsprechende Kosteneinsparung entlasten. P13.12 Schmerzmessung in der postoperativen Schmerztherapie: Wichtig ist: Wer fragt? H. C. Wartenberg, S. Wirz, J. Nadstawek Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Bonn Fragestellung: Eine regelmäßige, standardisierte Schmerzmessung ist die Basis einer jeden Akutschmerztherapie (1). Das Ergebnis der Schmerzmessung und damit auch die daraus folgende Therapie hängt von einer Reihe von Faktoren (Art, Zeitpunkt der Messung, verwendete Hilfsmittel, u.s.w.) ab (2). Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die therapeutische Kompetenz des Messenden (d.h. die Erwartung des Patienten in therapeutische Konsequenzen seiner Angaben)? Material, Methoden: Postoperative Akutschmerzpatienten unserer Klinik wurden während der Schmerzvisite durch einen Arzt und innerhalb von 2 Stunden danach durch einen Studenten nach ihren Schmerzen befragt. Dabei wurde standardisiert anhand der NRS der stärkste Schmerz während der vergangenen 24 Stunden erhoben. Die Angaben jedes Patienten wurden miteinander verglichen und statistisch (Mittelwert, Standardabweichung s.d.) ausgewertet. Mit dem ChiQuadrat-Test wurde die Unabhängigkeit der Daten von der gaußschen Verteilung geprüft. Ergebnisse: Im Laufe von 4 Monaten wurden 654 Patienten befragt. Die durchschnittliche Schmerzstärke wurde von Ärzten (3,7 ± 0,9 s.d.) und Studenten (3,5 ± 1,1 s.d.) in etwa gleich hoch gemessen. Die Abweichungen von den Messungen der Ärzte mittelten sich heraus (+0,3
± 2,1 s.d.), da etwa gleich viele Patienten den Studenten höhere (n=194) und niedrigere (n=212) Schmerzstärken angaben. 248 Patienten gaben unveränderte Schmerzstärken an. Werden die Abweichungen von den Messungen der Ärzte allerdings absolut genommen, sind diese auch im Mittel signifikant (1,7 ± 0,9 s.d.). Schlussfolgerungen: Die therapeutische Kompetenz des Messenden ist ein wichtiger, die Schmerzstärke eines Akutschmerzpatienten beeinflussender Faktor. Die Patienten gaben einer Person mit hoher therapeutischer Kompetenz (Arzt) andere Schmerzstärken an als einer Person mit niedriger therapeutischer Kompetenz (Student). Allerdings gaben die Patienten den Ärzten nicht eindeutig höhere oder niedrigere Schmerzstärken an. Über den Grund dieses Ergebnisses kann jedoch nur spekuliert werden. Zwei (oder mehrere) Phänomene mögen sich hier überschneiden: In Erwartung einer besseren Therapie werden dem Arzt höhere Schmerzstärken angegeben als dem Studenten. Und: Aus Angst vor einer schlechteren Therapie werden dem Arzt niedrigere Schmerzstärken angegeben. 1. J. Hildebrandt. Status Quo der Schmerztherapie - Die Versorgung von Schmerzpatienten durch den Anästhesisten. Klinikarzt 2005; 34: 299305. 2. Manias E et al., Observation of pain assessment and management-the complexities of clinical practice. J Clin Nurs. 2002 Nov;11(6):703-4. P13.13 Zum Einfluss wiederkehrender Schmerzerfahrungen auf die allgemeine Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit von Zweitklässlern S. Zülow, S. Moderjewsky, G. G. Ostkirchen, H. Hachemi, C. Hagemann, S. Härtig, I. Kelava, I. Meinhardt, P. Petersen, B. Thewes, S. Wiersma, D. A Youn, H.-C. Diener Universität Duisburg-Essen, Medizinische Fakultät, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen Der Einfluss wiederkehrender funktioneller Schmerzerfahrungen auf die Transmissionsraten zwischen der Codierung und Decodierung von Informationen wird in der klinischen Diagnostik immer noch vernachlässigt. Diese Studie untersucht die Zusammenhänge zwischen der sensumotorischen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit beim einfachen Lesen von Farbwörtern und beim Aufrechterhalten der konzentrativen Resistenz gegenüber irrelevante, inkongruente Reize (habituelle Interferenzneigung) in Abhängigkeit von wiederkehrenden Schmerzerfahrungen bei Zweitklässlern. 129 Zweitklässler einer deutschen Kleinstadt wurden untersucht. Kinder mit wiederkehrenden Kopf- und/oder Bauchschmerzen (KBS N=65) wurden mit gesunden Kindern (G=64) verglichen. Die allgemeine Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit wurde mit den beiden Subtests des Farbe-Wort-Interferenztests (FWIT, Untertests FWL, INT) erfasst. Die statistischen Analysen wurden mit SPSS.14 durchgeführt. In allen drei Testdurchgängen lesen Mädchen schneller als Jungen (Tafel: Tfl1, Tfl4 und Tfl7)
P14 Psychotherapie und multimodale Therapie P14.1 Kurz- und mittelfristige Therapieerfolge der Medizinischen Trainingstherapie (MTT) im Rahmen eines multimodalen Schmerztherapieprogramms C. Fox, H.-H. Gockel, R. Thoma, B. Klasen Interdisziplinäres Zentrum für Schmerztherapie und PalliativmedizinKrankenhaus der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e.V., Tutzing Einführung: Im Schmerztherapiezentrum des Krankenhauses der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e.V. werden seit 11 Jahren multimodale Schmerztherapieprogramme, sowohl tagesklinisch wie auch im stationären Bereich, durchgeführt. Die Medizinische Trainingstherapie ist seit Beginn ein grundlegender Bestandteil dieser Programme. Seit 2003 werden regelmäßig trainingstherapeutische Funktionsdaten erhoben und dienen als Grundlage für ein individuelles TrainingsproDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts gramm während und nach der Therapie (Fox et al. 2006). Seit 2006 wird auch der mittelfristige Therapieerfolg der Patienten mittels Fragebogen und einer weiteren Funktionsanalyse überprüft. Fragestellung, Hypothese: 1. Replikation der Ergebnisse der ersten Studie zur Veränderung der Parameter Schmerzreduktion, Depressivität und allgemeiner Lebensqualität im Zusammenhang mit der MTT an einer deutlich vergrößerten Stichprobe (vgl. Fox et al. 2006)? 2. Wodurch unterscheiden sich Responder von Non-Respondern im kurz- und mittelfristigen Verlauf? Methode: Von zunächst 130 Patienten, bei denen exakte, im Prä- und Postprogramm vorliegende, für die Auswertung relevante Daten vorhanden waren, konnten nach 1,5 Jahren mittelfristige Therapieergebnisse bislang bei 45 Patienten erhoben werden. In dem 4 – 5 Wochen andauernden multimodalen interdisziplinären Programm, hatte die MTT folgendes zum Inhalt: • Krankheitsspezifisches Kräftigungstraining, unter Berücksichtigung der biomechanischen Funktionsanalyse an Geräten im Sportstudio und in der Gruppe • Beweglichkeits- und propriozeptives Training • Ausdauerleistungstraining in Form von Nordic Walking, Ergometertraining, Bewegungsbad Zur Durchführung der Funktionsanalysen diente uns der sog. „BackCheck“ von Wolff (Wolff 2000). Als Erfolgsmasse wurden folgende Variablen operationalisiert: Schmerzintensität (NRS), subjektives Beeinträchtigungserleben (PDI), Depressivität (ADS) sowie Lebensqualität (SF36). Darüber hinaus wurde mittels eines eigens konstruierten Nacherhebungsbogen die Art und Frequenz weitergeführter körperlicher Aktivitäten erfasst. Veränderungen zwischen prä- und postWerten werden mittels t-Tests für gepaarte Stichproben, Unterschiede zwischen Respondern und Non-Respondern mittels einfaktorieller Varianzanalyse geprüft. Ergebnisse: 70% aller Patienten wiesen über einen Zeitraum von 1,5 Jahren eine Reduktion der Schmerzen und/oder eine geringere Einnahme von Medikamenten auf. Parameter wie z. B. der Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen oder die Anzahl der Voroperationen konnten weder den kurz- noch den mittelfristigen Therapieerfolg vorhersagen. Bei Patienten, die keinerlei oder nur wenige weitere Übungen des MMP weitergeführt haben, kam es zu erneuten invasiven Behandlungen sowie anderen passiven Maßnahmen und zu einer Erhöhung der PDI- und ADS-Werte im mittelfristigen Verlauf. Schlussfolgerung: Als wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines multimodalen Konzeptes wurde im Tutzinger Setting eine intensive medizinisch-trainingstherapeutische Behandlung identifiziert, da zu beobachten war, dass diese mit einer deutlichen Verbesserung der Schmerzreduktion, Depressivität und allgemeiner Lebensqualität einhergeht. Für den mittelfristigen Therapieerfolg müssen die Patienten dazu motiviert werden, nach Beendigung der Therapie weiterhin körperlich aktiv zu bleiben. Tendenziell zeichnete sich ab, dass es entscheidend war, dass die Patienten weiterhin vielseitig (Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer etc.) körperlich an sich weiterarbeiteten. Es war hier nicht ausschlaggebend in welcher Form dieses geschah, sondern das sie die erlernten Fähigkeiten und neuen Verhaltensmuster in individueller Form für sich umgesetzt haben. Auch bei psychosozial sehr belasteten Patienten mit Voroperationen und einem hohen Chronifizierungsgrad, kann es zu diesen positiven Effekten kommen, selbst wenn diese in der abschließenden Funktionsanalyse noch keinerlei Verbesserungen zeigten. Hinsichtlich der Frage nach Unterschieden zwischen Respondern und Non-Respondern werden auf dem endgültigen Poster Daten von 45 Patienten präsentiert und diskutiert werden. P14.2 Motivationsentwicklung im Rahmen einer tagesklinischen interdisziplinären Schmerztherapie U. Kaiser, E. Lucke, A. Schütze, K. Pöhlmann, R. Sabatowski UniversitätsSchmerzCentrum Universitätsklinik Dresden In der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen stellen die passiven Erwartungshaltungen in Verbindung mit Wünschen nach
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weiterer Diagnostik und invasiven Therapien eine Behandlungsschwierigkeit dar. Um in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen die Kompetenzen unterschiedlicher klinischer Fächer vereinen und eine multimodale Therapie anbieten zu können, wurden interdisziplinäre Behandlungszentren gegründet. Am Universitätsklinikum Dresden soll mit Hilfe eines biopsychosozial aktivierenden Behandlungskonzeptes mit Orientierung auf die Eigenverantwortung der Patienten eine deutliche Entwicklung der Motivation der Patienten, für ihre Gesundheit selbst aktiv zu werden, erzielt werden. Diese Motivation wird als nachhaltig entscheidend für das Aufrechterhalten des gesundheitsfördernden Programms in der Nachtherapiephase angesehen. Methodik: Um den Einfluss der Motivation (fünf Stadien nach Prochaska und DiClemente) auf das Therapieergebnis zu untersuchen, wurden der FF-STABS und der Schmerzfragebogen der DGSS an 150 Patienten mit chronischem Schmerz erhoben, die in den vergangenen zwei Jahren an der Tagesklinik behandelt wurden. Die Erhebung erfolgte zum Aufnahmezeitpunkt (T1), zur Entlassung nach 4 Wochen, zur Wiederholungswoche mach 16 Wochen (nach T1), nach 6 Monaten und nach einem Jahr (jeweils Abstand von T1). Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Patienten hatte einen Chronifizierungsgrad III nach Gerbershagen. Durch die Tagesklinische Behandlung verbesserte sich die schmerzbedingte Beeinträchtigung (PDI) sowie die Lebensqualität (SF 36). Deutliche Veränderungen zeigten sich im FF-STABS, wo eine Verlagerung der Motivierungszustände hin zur Handlung zu beobachten war. Zusammenhänge konnten für Veränderungen in der Motivation und einzelnen Parametern für Behandlungserfolg (Beeinträchtigungen im Alltag, Lebensqualität) gefunden werden. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse legen nahe, dass die Berücksichtigung der Motivierung der Patienten zum eigenverantwortlichen Verhalten bei der Therapie für deren Erfolg wichtig ist. Dies hat für die praktische Versorgung und Therapieplanung von Patienten mit chronischen Schmerzen hohe Relevanz. P14.3 Tutzinger Konzepte: Effektivität eines multimodalen Schmerztherapieprogramms für Senioren – kurz- und mittelfristiger Verlauf G. Kratzer, R. Thoma, H. H. Gockel, P. Moosleitner, E. Winter, B. Klasen Interdisziplinäres Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin, Krankenhaus der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e.V. Einleitung: Multimodale Programme zur Behandlung chronischer Schmerzen stellen heute zweifelsohne eine der Methoden erster Wahl dar. In einem kürzlich erschienen Review wurde beispielsweise die besondere Bedeutung längerfristiger multidisziplinärer Schmerzbehandlungen in der Therapie des sog. chronischen, unspezifischen Rückenschmerzes betont (Nordin et al. 2007). Im Schmerztherapiezentrum des Krankenhauses der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e.V. werden seit 11 Jahren multimodale Schmerztherapieprogramme, sowohl tagesklinisch wie auch im stationären Bereich, durchgeführt. Seit 2002 führen wir speziell auf die Bedürfnisse älterer PatientInnen zugeschnittene multimodale Programme durch. Die Inhalte des Seniorenprogramms konzentrieren sich stärker auf die Beachtung psychischer und somatischer Komorbiditäten, Polymedikationen und die speziell im Alter beträchtlichen Auswirkungen sozialen Rückzugs (vgl. Basler et al. 2003). Fragestellung: Ist ein auf die Bedürfnisse älterer PatientInnen zugeschnittenes multimodales Schmerzbehandlungsprogramm geeignet, kurz- und mittelfristig das subjektiv erlebte Beeinträchtigungserleben, Depressivität und die Schmerzbelastung zu reduzieren sowie die Lebensqualität zu erhöhen? Methode: Untersucht wurden insgesamt n=77 PatientInnen im Alter zwischen 60 und 92 Jahren (MW=74.3 Jahre). Sämtliche Daten wurden mittels des Deutschen Schmerzfragebogens der DGSS erhoben, der neben ausführlichen schmerzanamnestischen Angaben auch Maße der Depressivität (ADS), der Lebensqualität (SF36) und der subjektiven
Beeinträchtigung (PDI) enthält. Messzeitpunkte waren der Beginn und der Abschluss der Behandlung sowie eine Katamnese 6 Monate nach Beendigung der Therapie. Ergebnisse: Nahezu 80% der Stichprobe leiden unter chronischen Rückenschmerzen, 18% befinden sich im Stadium I nach Gerbershagen, 44% im Stadium II und 38% im Stadium III. Es finden sich sowohl im kurz- als auch im langfristigen Verlauf statistisch bedeutsame Verbesserungen hinsichtlich der Schmerzintensität, des subjektiven Beeinträchtigungserlebens sowie der Lebensqualität. Die Depressivität änderte sich entgegen unserer Erwartungen nicht. Schlussfolgerungen: Prinzipiell ist das Tutzinger Seniorenprogramm geeignet, sowohl kurz- als auch mittelfristig das subjektive Beeinträchtigungserleben und die Schmerzbelastung zu reduzieren sowie die Lebensqualität zu erhöhen. Hierbei konnte sowohl eine statistisch bedeutsame als auch eine klinisch bedeutsame (reliable change index) Veränderung festgestellt werden. Weiterentwicklungen des Tutzinger Seniorenprogramms werden dargestellt. 1. Basler, HD, Hesselbarth, S, Kaluza, G, Schuler, M, Sohn, W, Nikolaus, Th (2003): Komorbidität, Multimedikation und Befinden bei älteren Patienten mit chronischen Schmerzen. Der Schmerz 4: 252-260. 2. Nordin, M, Balagué, F & Cedraschi, C (2007). Nonspecific Lower Back Pain – Surgical vs. Nonsurgical Treatment. Clinical Orthopaedics and related research 443: 156-167. P14.4 Evaluation eines tagesklinisch durchgeführten multimodalen Therapieprogramms für Patienten mit chronischen Schmerzen U. Mann1, C. Wille1, P. Mattenklodt1, B. Gunreben-Stempfle1, D. Boujong1, K. Ulrich1,3, C. Hafner1, N. Grießinger2, E. Lang1,3, R. Sittl1,2 1 Schmerzzentrum, 2 Anästhesiologische Klinik, 3 Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen Einleitung: Die multimodale Schmerztherapie hat sich bei verschiedenen chronischen Schmerzsyndromen als wirksam erwiesen. Die vorliegende Arbeit untersucht die Effektivität eines fünfwöchigen (bis 12/2005 vierwöchigen) tagesklinisch durchgeführten multimodalen Schmerztherapieprogramms, wie es am interdisziplinären Schmerzzentrum des Universitätsklinikums Erlangen durchgeführt wird. Die Patienten leiden unter unterschiedlichen Schmerzsyndromen (u.a. Rückenschmerz, Kopfschmerz, Fibromyalgie, somatoforme Schmerzstörung), überwiegend im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen. Das Programm wird im Gruppensetting mit je 10 Teilnehmern durchgeführt und beinhaltet u.a. psychologische Schmerzbewältigung, Entspannungstraining, ärztliche Schulungen, medizinische Trainingstherapie an Geräten, Krankengymnastik, sowie ärztliche und psychotherapeutische Einzelgespräche. Die einzelnen Programmbestandteile sind speziell aufeinander abgestimmt und miteinander vernetzt. Methode: Die Wirksamkeit der Behandlung wurde auf psychometrischer Ebene unter Einbeziehung der durchschnittlichen Schmerzintensität der letzten vier Wochen (NRS, 0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz), der subjektiven schmerzbezogenen Beeinträchtigung (PDI Gesamtmittelwert, 0 = keine Beeinträchtigung, 10 = völlige Beeinträchtigung), des Fragebogens zur Erfassung der Schmerzverarbeitung (FESV) und des Fragebogens zur gesundheitsbezogenen Lebenszufriedenheit (SF-36) bewertet. Ausgewertet wurde über drei Messzeitpunkte (T1 vor Therapiebeginn, T2 bei Programmende und T3 sechs Monate nach Therapieende). In die Untersuchung wurden alle 179 Patienten einbezogen, die im Zeitraum von 10/2002 bis 09/2006 am Schmerztherapieprogramm teilnahmen und für die die 6-Monats-Katamnese vorlag (66 Männer und 113 Frauen im Alter von 22 bis 71 Jahren). Die statistische Auswertung der Daten erfolgte über Varianzanalysen und Mittelwertsvergleiche. Ergebnisse: Es zeigte sich bei den genannten Maßen eine hochsignifikante Verbesserung zwischen dem ersten und dem zweiten Messzeitpunkt, die im weiteren Verlauf stabil blieb. Die durchschnittliche Schmerzintensität in den letzten vier Wochen verringerte sich von NRS 7,1 zu T1 auf NRS 5,4 zu T2 und lag zu T3 bei NRS 5,5. Durch
die Schmerzen erlebten sich die Patienten nach Therapieende weniger beeinträchtigt: Der Gesamtmittelwert des PDI verringerte sich von 5,8 zu T1 auf 4,6 zu T2 und zu T3. Für FESV und SF-36 zeigte sich ein ähnlicher Verlauf: Die Patienten berichteten über eine verringerte psychische Beeinträchtigung durch den Schmerz und den vermehrten Einsatz von Strategien zur Schmerzbewältigung (FESV). Die gesundheitsbezogene Lebenszufriedenheit sahen sie auf der körperlichen wie auch auf der psychischen Ebene als gebessert an (SF-36). Schlussfolgerung: Die Ergebnisse sprechen deutlich für die Wirksamkeit multimodaler Schmerztherapieprogramme. In weiteren Untersuchungen ist zu klären, welche Subgruppen der Patienten besonders vom Therapieprogramm profitieren, wie sich also der Therapieerfolg noch spezifischer vorhersagen lässt bzw. welche spezifischen Aspekte bei Patienten, die vom gegebenen Programm nicht profitieren konnten, zusätzlich berücksichtigt werden müssen. P14.5 Verbessern Therapieerfolge die Selbstwirksamkeitserwartungen bei Patienten mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung? J. Schneider MediClin Reha-Zentrum am Hahnberg, Bad Wildungen-Reinhardshausen Fragestellung: Bei der Behandlung von chronischen Schmerzen sollte die Steigerung der Selbstwirksamkeit ein zentrales Anliegen sein (Flor, 1999; Pfingsten, Kaluza & Hildebrandt, 1999; Seemann & Zimmermann, 1999; Schermelleh-Engel, 1992). Nach Bandura (1977) gelingt dies durch Erfolgserlebnisse, die den eigenen Kompetenzen zugeschrieben werden. Die vorliegende Studie befasst sich mit der Frage, ob bei Patienten mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) Therapieerfolge in den Bereichen Schmerzbewältigung und Beeinträchtigung zu einer Verbesserung der Selbstwirksamkeitserwartungen beitragen. Darüber hinaus wird untersucht, welchen relativen Beitrag Erfolge in den verschiedenen Bereichen zur Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartungen leisten. Methode: In einer Feldstudie wurden N=316 Patienten mit somatoformer Schmerzstörung bei Aufnahme und Abschluss einer stationären psychosomatischen Rehabilitation hinsichtlich Selbstwirksamkeitserwartungen, Schmerzbewältigungsstrategien, schmerzbedingter und allgemeinpsychischer Beeinträchtigung untersucht und bei Entlassung zusätzlich mit direkten Therapieerfolgsratings befragt. Die Daten wurden mit Strukturgleichungsmodellen im Rahmen konfirmatorischer Pfadanalysen analysiert und kreuzvalidiert. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Es konnte ein Modell erstellt werden, das 65% Varianz der Selbstwirksamkeits-Änderungen erklärte. Es zeigte sich hierbei, dass die erfolgreiche Reduktion der schmerzbedingten und allgemeinpsychischen Beeinträchtigung die stärksten direkten Effekte aufweist. Die Verbesserung der Schmerzbewältigungsstrategien zeigt indirekt über die Verbesserung der Beeinträchtigung den stärksten Gesamteffekt. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass sich bei Patienten mit somatoformer Schmerzstörung die Selbstwirksamkeitserwartungen in Abhängigkeit von Veränderungen der erlebten Beeinträchtigungen und Schmerzbewältigungsstrategien ändern. 1. Bandura, A. (1977). Self-Efficacy: Toward a unifying Theory of Behavioural Change. Psychological Review, 84 (2), 191-215. 2. Flor, H. (1999). Verhaltensmedizinische Grundlagen chronischer Schmerzen. In H.-D. Basler, C. Franz, B. Kröner-Herwig, H.-P. Rehfisch & H. Seemann (Hrsg.), Psychologische Schmerztherapie: Grundlagen, Diagnostik, Krankheitsbilder, Behandlung (S. 123-139). Berlin Heidelberg New York: Springer. 3. Pfingsten, M., Kaluza, G. & Hildebrandt, J. (1999). Rückenschmerzen. In H.-D. Basler, C. Franz, B. Kröner-Herwig, H.-P. Rehfisch & H. Seemann (Hrsg.), Psychologische Schmerztherapie: Grundlagen, Diagnostik, Krankheitsbilder, Behandlung, (S. 417-444). Berlin Heidelberg New York: Springer. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts 4. Seemann, H. & Zimmermann, M. (1999). Regulationsmodell des Schmerzes aus systemtheoretischer Sicht - Eine Standortbestimmung. In H.-D. Basler, C. Franz, B. Kröner-Herwig, H.-P. Rehfisch & H. Seemann (Hrsg.), Psychologische Schmerztherapie: Grundlagen, Diagnostik, Krankheitsbilder, Behandlung, (S. 23-58). Berlin Heidelberg New York: Springer. 5. Schermelleh-Engel, K. (1992). Die Bedeutung der Kompetenzeinschätzung für die Schmerzbewältigung. In E. Geissner & G. Jungnitsch (Hrsg.), Psychologie des Schmerzes: Diagnose und Therapie (S. 133145). Weinheim: Psychologie Verlags Union. P14.6 Evaluation einer multimodalen, lösungsorientierten Schmerztherapie N. Theis1, K. Pöhlmann2, T. Tonhauser3, B. Arnold3 1 Klinische Psychologie, Universität Potsdam, 2 Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinik „Carl Gustav Carus“, TU Dresden, 3 Abteilung für Schmerztherapie, Klinikum Dachau Hintergrund: Chronische Schmerzen werden mittels eines bio-psychosozialen Modells erklärt, in dem neben den rein physiologischen Faktoren, auch psychologische und Verhaltensfaktoren betrachtet werden. Analog dazu haben sich integrierte multimodale Behandlungskonzepte, die medizinische Edukation, präzise Medikation, aktivierende Physiotherapie, Entspannungsverfahren und (Gruppen-) Psychotherapie zur Förderung funktionaler Kognitionen und Verhaltenweisen und Bewältigung negativer Emotionen verbinden, als wirksam erwiesen. Ziele der Behandlung sind neben der Schmerzreduktion die Verringerung der Beeinträchtigung durch den Schmerz sowie eine gesteigerte physische und soziale Aktivität. Methode: Untersucht wird eine multimodale Behandlung für höher chronifizierte Schmerzpatienten mit einem lösungsorientierten Ansatz, welcher vor allem vorhandene Ressourcen und die Formulierung und Umsetzung persönlicher Ziele fokussiert. Trotz der Schmerzen soll durch diese Formulierung und Umsetzung persönlicher Ziele eine individuell zufriedenstellende Lebensqualität erzielt werden. Zur Evaluation der Behandlungsergebnisse wurden Patienten (N=137) der Tagesklinik Dachau vor Behandlungsbeginn (t1), unmittelbar im Anschluss an das Programm (t2) und 6 Monate (t3) nach Behandlungsende zu Schmerzintensität, schmerzbedingter Beeinträchtigung, möglichen komorbiden psychischen Störungen, gesundheitsbezogenen Lebensqualität, Bewältigungsstrategien und AU-Status befragt. Ergebnisse: Es zeigt sich eine signifikante Abnahme der Schmerzintensität, der schmerzbedingten Beeinträchtigung, der Depressivität und Angst und des Katastrophisierens sowie eine signifikante Zunahme der körperlichen und psychischen Lebensqualität. Diese Ergebnisse bleiben auch zur 6-Monatskatamnese stabil bzw. verbessern sich noch. Im Vergleich zu gut evaluierten Schmerztherapieprogrammen wie dem Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) zeigt sich eine ähnlich starke und stabile Wirksamkeit der multimodalen, lösungsorientierten Schmerztherapie in der Tagesklinik Dachau. Fazit: Als besonders bedeutsam ist die langfristige Stabilität bzw. die zusätzliche Verbesserung der Ergebnisse und eine hohe back-to-workRate zur 6-Monatskatamnese zu bewerten. Zukünftige kontrollierte Vergleichsstudien mit variierenden therapeutischen Schwerpunkten sollten die spezifische Wirksamkeit des lösungsorientierten Ansatzes in der Schmerztherapie empirisch absichern. P14.7 Tutzinger Konzepte: Vergleich der Effektivität eines fünfwöchigen multimodalen, tagesklinischen Blockprogramms mit einem 12-wöchigen, multimodalen, alltagsbegleitenden Programm mit einem Behandlungstag in der Woche in der Behandlung chronischer Schmerzen E. Winter, R. Thoma, H. H. Gockel, G. Kratzer, E. Kopp, B. Klasen Interdisziplinäres Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin Krankenhaus der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e.V. Einleitung: Multimodale Programme zur Behandlung chronischer Schmerzen stellen heute zweifelsohne eine der Methoden erster Wahl dar.
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In einem kürzlich erschienen Review wurde beispielsweise die besondere Bedeutung längerfristiger multidisziplinärer Schmerzbehandlungen in der Therapie des sog. chronischen, unspezifischen Rückenschmerzes betont (Nordin et al. 2007). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine mindestens 100 Stunden umfassende Behandlungsdauer zu einer Verbesserung der Adaptation an Schmerz führt. Im Schmerztherapiezentrum des Krankenhauses der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing e.V. werden seit elf Jahren tagesklinische, multimodale Programme angeboten. Die Programme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Dauer und der Frequenz der Anwesenheit der Patienten. Im tagesklinischen Blockprogramm sind die Patienten über einen Zeitraum von 5 Wochen täglich, im alltagsbegleitendem Programm einmal wöchentlich über einen Zeitraum von 12 Wochen in Behandlung. Fragestellung: Unterscheiden sich ein fünfwöchiges, tägliches multimodales Therapieprogramm und ein 12-wöchiges, einmal wöchentlich durchgeführtes multimodales Therapieprogramm hinsichtlich ihrer Effektivität? Methode: Untersucht wurden insgesamt n=80 PatientInnen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren (MW=45,4 Jahre). Sämtliche Daten wurden und werden mittels des Deutschen Schmerzfragebogens der DGSS erhoben, der neben ausführlichen schmerzanamnestischen Angaben auch Maße der Depressivität (ADS), der Lebensqualität (SF36) und der subjektiven Beeinträchtigung (PDI) enthält. Messzeitpunkte waren der Beginn und der Abschluss der Behandlung sowie eine Katamnese 6 Monate nach Beendigung der Therapie. Die PatientInnen der unterschiedlichen Behandlungsprogramme wurden hinsichtlich Alter, Geschlecht und mittlerer Schmerzdauer gematcht. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: In der Ergebnisbeschreibung werden Daten verschiedener Schmerzparameter (momentane, mittlere, maximale Schmerzintensität), Merkmale des Schmerzverhaltens (Medikamenteneinnahme, Anzahl der Arztbesuche, Arztwechsel) sowie verschiedener psychometrischer Verfahren (Subjektives Beeinträchtigungserleben – PDI, Depressivät – ADS, Lebensqualität – SF36) präsentiert. Wir nehmen aufgrund der o.g. Übersichtsarbeit an, dass die Ergebnisse des fünfwöchigen Programms aufgrund seiner Dauer (ca. 120h) dem alltagsbegleitendem Programm (ca. 70h) leicht überlegen sein werden. 1. Nordin, M, Balagué, F & Cedraschi, C (2007). Nonspecific Lower Back Pain – Surgical vs. Nonsurgical Treatment. Clinical Orthopaedics and related research 443: 156-167. P14.8 Evaluation ambulanter Musiktherapie als psychotherapeutisch orientiertes Angebot im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie A. F. Wormit, H. V. Bolay, H. J. Bardenheuer Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin Heidelberg, Deutsches Zentrum für Musiktherapieforschung, Heidelberg, Fakultät für Musiktherapie an der SRH Hochschule Heidelberg Herleitung: Seit fünf Jahren wird Musiktherapie als psychotherapeutisch orientiertes Verfahren im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie des Zentrums für Schmerztherapie und Palliativmedizin konsequent angeboten. Das musiktherapeutische Behandlungsmanual nach dem Heidelberger Modell wurde in einer Effektivitätsstudie vom Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung empirisch überprüft. Das musiktherapeutische Angebot ist bei auftretenden psychischen Begleitsymptomen indiziert. Mit dem zentralen Wirkfaktor der „musikalischen Flexibilisierung“ wird das emotionale Erleben und Krankheitsverhalten von chronischen, nicht-malignen Schmerzpatienten verbessert und die Schmerzintensität verringert. Methodik: Im Rahmen einer Evaluationsstudie wurde das Musiktherapiemanual nach dem Heidelberger Modell bei Patienten mit chronischen, nicht-malignen Schmerzen unter realen Praxisbedingungen untersucht. 34 Patienten mit überwiegend Kopf- und Rückenschmerzen wurden in die Studie eingeschlossen. Nach Berücksichtigung der Drop outs erhielten 22 Patienten Musiktherapie als psychotherapeutisch
orientiertes Angebot in Kombination mit ärztlicher Schmerztherapie. Dabei kamen prä-post-Vergleiche sowie die Methode der „reliablen Veränderung“ zum Einsatz. Ergebnisse: Im prä-post-Vergleich zeigten sich signifikante Ergebnisse in der VAS-Beurteilung der „Schmerzstärke in den letzten 5 Tagen“ und im affektiven Schmerzempfinden gemessen mit der Schmerzempfindungsskala. In den psychologischen Symptomen konnten tendenzielle Verbesserungen festgestellt werden. Nach der Methode der „reliablen Veränderung“ profitierten 68% der Patienten von der ambulanten Musiktherapie in Kombination mit ärztlicher Schmerztherapie. Schlussfolgerungen: Musiktherapie als psychotherapeutisch orientierte Behandlung trägt im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie zur Verringerung der Schmerzintensität bei und ist bei Patienten mit chronischen Schmerzen und psychischen Komorbiditäten indiziert. 1. Hillecke, T. K. (2005). Heidelberger Musiktherapiemanual: Chronischer, nicht maligner Schmerz. In H. V. Bolay, A. Dulger & H. J. Bardenheuer (Hrsg.), Evidenzbasierte Musiktherapie. Berlin: uni-edition. 2. Jacobson, N. S. & Truax, P. (1998). Clinical Significance: A Statistical Approach to Defining meaningful Change in Psychotherapy Research. In A. E. Kazdin (Eds.), Methodological Issues & Strategies in Clinical Research (pp. 521-538). Washington: 2. Ed. American Psychological Association. 3. Wormit, A. F., Hillecke, T. K., Leins, A. K., Resch, F. & Bardenheuer, H. J. (2007). Musiktherapie bei chronischen, nicht-malignen Schmerzen. Verhaltensmedizin & Verhaltenstherapie, 28,100-114. P14.9 Patienten-orientierte Musiktherapie zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit Tumorschmerzen A. F. Wormit, H. J. Bardenheuer Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin, Heidelberg, Deutsches Zentrum für Musiktherapieforschung, Heidelberg Herleitung: Im Rahmen einer klinischen Studie erhielten Patienten mit Tumorschmerzen zur Verbesserung der Lebensqualität Musiktherapie in Kombination mit ärztlicher Schmerztherapie entsprechend den Richtlinien des WHO-Stufenschemas. Das musiktherapeutische Angebot fokussierte auf die Erhaltung und Wiederherstellung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Ziel der Intervention war es, durch den nonverbalen musikalischen Zugang eine verbesserte emotionale Verarbeitung der Tumorerkrankung zu schaffen. Methodik: Ein wissenschaftlich evaluiertes musiktherapeutisches Behandlungsmanual wurde bei Patienten mit Tumorschmerzen eingesetzt. 30 Tumorpatienten wurden in die Studie eingeschlossen. Nach Berücksichtigung der Drop outs erhielten 20 Patienten Musiktherapie als psychotherapeutisch orientiertes Angebot in Kombination mit ärztlicher Schmerztherapie. Zur Evaluation der Wirksamkeit wurden prä-post-Vergleiche sowie die Methode der „reliablen Veränderung“ eingesetzt. Ergebnisse: Im prä-post-Vergleich zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität gemessen mit dem EORTC-QLQ-C30. Weiter konnten signifikante Verringerungen in den psychologischen Symptomen und in der „Schmerzstärke in den letzten 5 Tagen“ nach der VAS-Beurteilung erreicht werden. Nach der Methode der „reliablen Veränderung“ profitierten 60% der Patienten von der ambulanten Musiktherapie in Kombination mit ärztlicher Schmerztherapie. Besonders Patientinnen mit Mammakarzinom sprachen gut auf das musiktherapeutische Angebot an und ereichten eine Erfolgsquote von 71%. Zwei Drittel der Patienten bewerteten den Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen über die Musik als besonders hilfreich. Schlussfolgerungen: Musiktherapie als psychotherapeutisch orientierte Behandlung trägt im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit Tumorschmerzen bei. Aufgrund der positiven Ergebnisse ist Musiktherapie als adjuvantes Therapieverfahren bei Patienten mit Tumorerkrankung zur emotionalen Krankheitsbewältigung indiziert.
1. Jacobson, N. S. & Truax, P. (1998). Clinical Significance: A Statistical Approach to Defining meaningful Change in Psychotherapy Research. In A. E. Kazdin (Eds.), Methodological Issues & Strategies in Clinical Research (pp. 521-538). Washington: 2. Ed. American Psychological Association. 2. Wormit, A. F., Schneider, P., Müller, A. & Bardenheuer, H. J. (2007). Musiktherapie in der Versorgung von Tumor- und Dialysepatienten. Verhaltensmedizin & Verhaltenstherapie, 28,126-139.
P15 Akutschmerz und Palliativmedizin P15.1 Ultraschall kontrollierte Blockade des Nervus cutaneus femoris lateralis J. Benrath, T. Findeis, U. Lorenz, M. Schley Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Univesitätsklinikum Mannheim Einleitung: Die Ultraschall kontrollierte Blockade von sensorischer Nervenfasern oder sympathischer Ganglien hat in den vergangenen Jahren starke Verbreitung gefunden. Mit Hilfe von hochfrequenten Schallköpfen, die hochauflösende Bilder bei geringer Eindringtiefe bieten, ist das Aufsuchen und die selektive Blockade selbst feiner Hautnerven möglich. Methode: Mit dem Ultraschallgerät „Sonoline G40“ der Fa. Siemens und einem 11.4 MHz-Schallkopf stellten wir bei fünf Probanden selektiv den N. cutaneus femoris lateralis dar. Zur Orientierung dienten die Spina iliaca superior anterior, das Leistenband und der M. sartorius. Die Blockade erfolgte unter Ultraschallkontrolle mit einer G 27 Nadel und jeweils 4 ml Mepivacain 1%, wobei die Ausbreitung des Lokalanästhetikums um den Nerven herum verfolgt werden konnte. Die Probanden gaben ein deutliches Taubheitsgefühl im Bereich des gesamten Ausbreitungsgebiets des N. cutaneus femoris lateralis an. Diskussion: Die Blockade des N. cutaneus femoris lateralis dient der Diagnosestellung und Behandlung der Meralgia paraesthetica. In den einschlägigen Lehrbüchern wird die blinde, fächerförmige Blockade des Nerven mit einem Volumen von 10-15 ml Lokalanästhetikum empfohlen. Die Ultraschall kontrollierte Blockade bietet hingegen folgende Vorteile: eine geringere Menge an Lokalanästhetikum ist möglich und die Ausbreitung des Lokalanästhetikums kann verfolgt werden, die intramuskuläre Injektion wird vermieden, die Aussagekraft der diagnostischen Blockade und die Wirkung der therapeutischen Blockade wird erhöht. Ergebnis: Die hier erstmals vorgestellte Ultraschall kontrollierte Blockade des N. cutaneus femoris lateralis ist ein weiteres Beispiel für den zukunftsträchtigen Einsatz des Ultraschalls in der interventionellen Schmerztherapie. 1. Eichenberger U, Greher M, Curatolo M, Kapral S, Ultraschall kontrollierte interventionelle Schmerztherapie, AINS, 11-12 (2006) 760-766. P15.2 Der Universitätslehrgang Interdisziplinäre Schmerzmedizin: Eine Analyse der Ausrichtung auf die bedarfsorientierte und fachbezogene Nachfrage M. Schulz, H. Laszlo, B. Gustorff Universitätslehrgang Interdisziplinäre Schmerzmedizin Univ.-Klinik für Anästhesie, Allg. Intensivmedizin und Schmerztherapie Medizinische Universität Wien Hintergrund und Fragestellung: In den letzten Jahren wurde deutlich, dass ca. 20% der Bevölkerung der Industrienationen an chronischen Schmerzen leiden (1). Sowohl der soziale, als auch der ökonomische Schaden durch chronische Schmerzen ist immens und darf nicht unterbewertet werden(2-4). Vor diesem Hintergrund bildet eine fundierte Ausbildung in Schmerzmedizin einen immer wichtigeren Bestandteil aller medizinischen Disziplinen (5). Ein postgraduelles universitäres Studium nach internationalen Standards gab es hierfür bisher noch nicht in Europa. Offen ist auch, wie viel Interdisziplinarität ein solcher Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Universitätslehrgang „Interdisziplinäre Schmerzmedizin“ bieten sollte. An der Medizinischen Universität Wien (MUW) wird der erste europäische postgraduelle Universitätslehrgang Interdisziplinäre Schmerzmedizin (ismed) im Herbst 2007 in das Lehrprogramm aufgenommen. Eine erste Analyse des interdisziplinären Angebots und der fachbezogenen Nachfrage soll vorgestellt werden. Methoden und Ergebnisse: Struktur von ismed: Der Lehrgang verbindet Praxisnähe mit höchstem wissenschaftlichen Wissensstand. Die Lerninhalte sind auf den einschlägigen internationalen Standards und Richtlinien der Fachgebiete aufgebaut und werden evidenzbasiert dargestellt. Um den Studierenden eine hohe Kompetenz in der Differentialdiagnose zu vermitteln, wird großer Wert auf die Herangehensweisen der verschiedenen Fachgebiete gelegt. Damit wird fundiertes Wissen über die therapeutischen Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Fachgebiete vermittelt. Analyse der Schwerpunkte von ismed: Eine Analyse der Curriculums zeigt, dass die für die Bewältigung komplexer schmerztherapeutischer Aufgabenstellungen erforderlichen Fachkenntnisse zu 100% vermittelt werden. Der Anteil der Vermittlung von Grundkenntnissen für analytische Fähigkeiten beträgt 20%. Zu 32,7% wird sowohl interdisziplinär auftretenden Fragestellungen als auch der Ausprägung der so genannten „soft skills“ Rechnung getragen. Als herausragenden Schwerpunkt des Universitätslehrgangs (47,3%) bildet sich die Vermittlung der für den praktischen Einsatz erforderlichen Fertigkeiten und Techniken heraus. Nach Bewerbungsschluß zum Universitätslehrgang ismed verteilt sich die Nachfrage nach ismed auf folgende Fachgebiete: Anästhesie 46,7% , Orthopädie 23,3%, Physikalische Medizin und Rehabilitationsmedizin 10,0%, Allgemeinmedizin und Neurologie jeweils 6,7%, Radiologie und Innere Medizin jeweils 3,3%. Schlussfolgerung: Die Medizinische Universität Wien bietet einen interdisziplinären Universitätslehrgang an, der sich nach Ablauf der Bewerbungsfrist einer Nachfrage aus einem sehr breiten Spektrum an Fachgebieten erfreut. Dies bestätigt die Bedeutung des interdisziplinären Studienkonzepts. 1. The International Association for the Study of Pain, Campain – Pain in older Persons 2006-07 2. Waddell G (1996) Low back pain: A twentieth century health care enigma. Spine 21:2820-2825. 3. Borghouts JAJ, Koes BW, Vondeling H, Bouter LM (1999) Cost-of-illness of neck pain in the Netherlands in 1996. Pain, 80:629-636. 4. Maniadakis N, Gray A (2000) The economic burden of back pain in the UK. Pain 84:95-103. 5. http://www.oegari.at/arbeitsgruppe.asp?id=76 ÖGARI-Homepage, Arbeitsgemeinschaft Schmerz der ÖGARI, Wien P15.3 Hypervigilance as Predictor of Postoperative Pain C. Huber, R. Sittl, A. Parthum, S. Lautenbacher Physiologische Psychologie, Otto-Friedrich-Universität; Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen Strong or persistent postoperative pain is still a frequent complication during recovery with enormous subjective and economic costs. Prediction of postoperative pain paves the way for prevention. It has become clear that there is need for psychological predictors because somatic predictors are not sufficient. Hypervigilance, which is an attentional set with a rigid focus on pain and a regular accompanist of chronic pain, appears theoretically apt of being a useful predictor. Within a prospective longitudinal study 100 healthy men between 14 and 30 years old with congenital deformations of thorax are investigated the day before surgery and four times postoperatively (one week and three, six, twelve months after). Since hypervigilance is defined as a multidimensional concept, it is assessed on four dimensions: implicit focus of attention on pain (dot probe task), explicit focus of attention on pain (hypervigilance questionnaires), pain responsiveness (pain thresholds, pain summation) and hormonal response filters (cortisol reactivity). Outcome variables are pain intensity and pain frequency after surgery, use of analgesics and pain-related functional limitations.
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A preliminary regression analysis including 29 patients with one week and 25 patients with three months after surgery showed correlations strong enough to allow for classifying the various hypervigilance measures as very explanatory predictors. Furthermore, the hypervigilance measures contributed largely independent from each other to variance explanation. P15.4 painControl: Ein Palm-basiertes Qualitätsmanagement für postoperative Schmerztherapie U. Junker, M. Brosz, U. Gockel, A. Koch Sana-Klinikum Remscheid Abteilung für Spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin, StatConsult Gesellschaft für klinische Versorgungsforschung, Pfizer Pharma GmbH, AN-Institut für Qualitätssicherung in der operativen Medizin, Magdeburg Einleitung: Die schmerztherapeutische Versorgung ist in deutschen Kliniken derzeit noch sehr uneinheitlich. Dabei ist der Parameter „Schmerz“ der wichtigste Qualitätsindikator, der es erlaubt, sowohl Struktur-, Prozess- als auch Ergebnisqualität einer medizinischen Einrichtung sichtbar zu machen. Im Rahmen des Projektes painControl wurde daher die postoperative schmerztherapeutische Versorgung an deutschen Kliniken stichprobenhaft untersucht. Methoden: Patienten, die nach einem chirurgischen Eingriff ein Schmerzmittel erhielten, wurden gebeten, auf einem Palm-Handheld ihren Schmerzverlauf zu dokumentieren. Hierzu wurde eine VAS-Skala auf die Palmgeräte programmiert. Der Palmhandheld wurde mit einer Alarmfunktion versehen, die den Patienten alle 12 Minuten aufforderte, die Schmerzintensität einzugeben. Der Messzeitraum betrug eine Stunde. Weitere mögliche Patienteneingaben bezogen sich auf Nebenwirkungen (Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen). Medikation, Patientenangaben sowie Art des operativen Eingriffes wurden vorher vom medizinischen Personal in das Gerät eingegeben. Ergebnisse: Insgesamt liegen von 72 Zentren Schmerzverläufe von 1208 Patienten vor. Hiervon waren 42,9% orthopädische, 29,5% allgemeinchirurgische, 10,7% traumatologische, 5,1% gynäkologische, 4,7% viszeralchirurgische, 4,1% urologische und 2% sonstige Eingriffe. Die größten Ausgangsschmerzen wurden nach orthopädischen Eingriffen ermittelt (VAS 6,0), während nach traumatologischen bzw. viszeralchirurgischen Eingiffen Ausgangsschmerzen VAS 5,1 bzw. 5,0 angegeben wurden. Bei orthopädischen Eingriffen zeigte Parecoxib die höchste Potenz (5,86 VAS zu 2,13 VAS), während bei traumatologischen und viszeralchirurgischen Eingriffen Piritramid die stärkste Schmerzreduktion (5,24 VAS zu 2,84 VAS) bewirkte. Fazit: Die Pilotstudie zeigt, dass die Evaluierung der postoperativen Schmerztherapie unter Nutzung neuer Medien und Dokumentationstools möglich ist. Von Bedeutung ist insbesondere die Tatsache, dass die Ergebnisse randomisierter Untersuchungen auch in der klinischen Routine darstellbar sind. Hieraus lässt sich auch die Bedeutung prospektiver klinischer Studien ableiten, denn nur die Ergebnisse aus randomisierten klinischen Untersuchungen, die sich auch im Alltag nachvollziehen lassen, haben eine Evidenz für die Entscheidung im klinischen Alltag. P15.5 Akutschmerzdienst in der internistischen Rheumatologie und Immunologie des Universitätsklinikums Erlangen R. Knauf1, S. Ludwig1, D. Rech2, R. Sittl1, J. Rech2, N. Grießinger1 1 Anästhesiologische Klinik und 2 Medizinische Klinik III und Institut für klinische Immunologie, Universitätsklinikum Erlangen Einleitung: Die Anästhesiologische Klinik des Universitätsklinikums Erlangen betreibt einen Akutschmerzdienst für alle operativen und nichtoperativen Stationen. Bei rheumatologischen und immunologischen Erkrankungen stellen Schmerzen ein großes Problem dar. Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, Patientencharakteristika, Effektivität und eingesetzte Therapiemaßnahmen des Akutschmerzdienstes in der internistischen Rheumatologie und Immunologie zu untersuchen.
Patienten und Methode: Ausgewertet wurden retrospektiv die Patientenakten des Akutschmerzdienstes hinsichtlich allgemeiner Patientendaten wie Alter, Geschlecht und Diagnose, der Anzahl der Besuche im Rahmen des Akutschmerzdienstes, der Schmerzwerte (NRS 0-10) in Ruhe und bei Belastung sowie der medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieverfahren, die zusätzlich zur spezifischen Behandlung der Grundkrankheit durch die Rheumatologen/Immunologen eingesetzt wurden. Ergebnisse: Von 1989 bis 2006 wurden 204 Patienten konsiliarisch betreut. Insgesamt wurden 535 Besuche (2,6 Besuche pro Patient) durchgeführt. In den letzten Jahren stieg die Zahl der mitbetreuten Patienten auf 30 bis 40 pro Jahr an. 64,2% der Patienten waren weiblich, 35,8% männlich. Die Patienten waren zwischen 19 und 87 Jahre alt, der Median betrug 53 Jahre. Die häufigsten Diagnosen der Schmerzpatienten waren Rheumatoide Arthritis (18,6% der Patienten), Vaskulitis (16,2%), Schmerzen im Rahmen von Infektionen (15,7%), Kollagenosen (13,7%), periphere Neuropathien (7,8%) sowie Rückenschmerzen (7,4%). Der Mittelwert der Schmerzwerte betrug beim Erstbesuch des Akutschmerzdienstes 4,1 (Median 4) in Ruhe und 7,9 (8) unter Belastung. Nach Therapieänderung reduzierten sich die Schmerzwerte am zweiten Konsiltag auf 2,8 (3) bzw. 6,1 (6) und am dritten Konsiltag auf 2,3 (2) bzw. 5,2 (5). Die letzten dokumentierten Schmerzwerte lagen bei 1,9 (2) bzw. 4,5 (4). Vor Hinzuziehung des Akutschmerzdienstes erfolgte die Schmerztherapie bei 16,7% der Patienten auf Stufe 1 nach WHO-Stufenschema, bei 23,5% auf Stufe 2 und bei 38,7% auf Stufe 3. Nach dem ersten Therapievorschlag des Akutschmerzdienstes erhielten 12,3% der Patienten Schmerztherapie auf Stufe 1, 29,9% auf Stufe 2 und 46,6% auf Stufe 3. Vermehrt zum Einsatz kamen auch Antikonvulsiva und Antidepressiva (nach Hinzuziehung des Akutschmerzdienstes bei 30,4% der Patienten im Vergleich zu 16,2% vorher) und nicht-medikamentöse Therapieverfahren, z. B. die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS bei 16,7% im Vergleich zu 0,5%). Schlussfolgerungen: Durch den frühzeitigen Einsatz eines schmerztherapeutischen Konsiliardienstes auf internistischen rheumatologischen und immunologischen Stationen lässt sich eine deutliche Reduzierung der Schmerzwerte bei den betreuten Patienten erreichen. Hierbei sind der vermehrte Einsatz von starken Opioiden, Antikonvulsiva und Antidepressiva sowie nichtmedikamentösen Therapieverfahren (TENS) von besonderer Bedeutung. Durch eine intensive Zusammenarbeit von Schmerztherapeuten und Rheumatologen/Immunologen kann eine schnelle und effektive Abnahme der Schmerzintensität bei den Patienten erreicht werden. P15.6 Perioperative Konzentrationen von Katecholaminen im Liquor zerebrospinalis und Plasma während Spinalanästhesie M. J. Oehmke1,2, T. Podranski3, M. Mann4, D. F. M. Kuhn2, G. Hempelmann2 1 Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie, Universität Wien, 2 Abteilung für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Universität Gießen, 3 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Universität Bern, 4 Institut für Medizinische Informatik, Universität Gießen Einleitung: Die Freisetzung von Katecholaminen ist eine normale physiologische Antwort auf Stress. Das Ausmass, in welchem perioperativer Stress eine zentrale Freisetzung von Katecholaminen verursacht, welche die Schmerzwahrnehmung modulieren, ist unbekannt (1-3). In dieser Studie haben wir den perioperativen Verlauf der Katecholaminkonzentrationen im Liquor zerebrospinalis und Plasma untersucht. Methode: Die Untersuchung wurde nach Genehmigung durch die Ethik-Kommission als prospektive Studie an 25 Patienten (ASA III, 60-84 Jahre) vorgenommen, die sich einem elektiven implantatchirurgischen Eingriff am Hüftgelenk in Katheter-Spinalanästhesie unterzogen. Neun Patienten wurden ausgeschlossen, so dass 16 Patienten ausgewertet werden konnten. Unmittelbar vor Anästhesiebeginn und
nach dem Eingriff sowie 6 und 24 Stunden postoperativ wurden die Konzentrationen von Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin im Liquor zerebrospinalis und Plasma mittels HPLC bestimmt. Ergebnisse: Im Liquor waren Dopamin und Adrenalin bei den meisten Patienten nicht nachweisbar. Die Noradrenalinkonzentration fiel im Liquor von Median [Interquartilsabstand] 159 [124;216] auf 116 [79;152] pmol/l unmittelbar postoperativ und war 24 Stunden postoperativ leicht erhöht (180 [134;302] pmol/l] (p=0.05). Im Plasma war die Dopaminkonzentration nicht nachweisbar oder lag gering über der Nachweisgrenze. Adrenalin stieg im Plasma von 61 [28;77] pmol/l präoperativ auf 112 [69;138] pmol/l 6h postoperativ und war 24h postoperativ wieder auf dem Ausgangsniveau (p=0.001). Die Noradrenalinkonzentration im Plasma stieg von präoperativ 298 [249;422] pmol/l auf 556 [423;649] pmol/l postoperativ und blieb für 24h annähernd stabil (p=0.009). Schlussfolgerungen: Bei neurologisch unauffälligen Patienten und einem aus klinischer Sicht komplikationslosen Anästhesie- und Operationsverlauf zeigten sich bei elektiven Hüftgelenksimplantationen im Plasma stets höhere Katecholaminkonzentrationen als im Liquor. Es zeigte sich eine leichte Veränderung der Noradrenalinkonzentration im Liquor zerebrospinalis, die jedoch nicht mit der Plasmakonzentration von Noradrenalin oder den Vitalzeichen (Herzfrequenz, Blutdruck) korrelierte. 1. Curatolo M. Anesth Analg 2002;94:1381-3. 2. Goto F, Fujita N, Fujita T. Can J Anaesth 1990;37:839-43. 3. Reddy SV, Maderdrut JL, Yaksh TL. J Pharmacol Exp Ther 1980;213:525-33. P15.7 Akutschmerzdienst – Defizite in der Kommunikation – Stärkere Transparenz durch die Pain Nurse? I. Raith1,2, N. Nestler1,2, M. Zenz1, C. Maier1,2 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum, 2 Abteilung für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Bochum Hintergrund: Ein allgemein viel beklagtes Defizit im Bereich der operativen Medizin (1,2) ist die mangelnde Kommunikation zwischen den beteiligten Behandlungsgruppen. Ziel unseres Projektes war es zu erfragen, ob eine ausgebildete Pain Nurse im Akutschmerzdienst (ASD) eine Vermittlerfunktion zwischen den einzelnen Berufsgruppen erfüllen kann und damit eine zufrieden stellende Weitergabe von Informationen erfolgt und Transparenz gegeben ist. Methode: Es wurden Mitarbeiter der allgemeinen Pflegestationen der chirurgischen Klinik und Poliklinik (39 Pflegende, 18 Chirurgen, 26 Physiotherapeuten) und 11 durch den Akutschmerzdienst betreute Patienten mittels Fragebogen befragt. Gefragt wurde, ob ein Ansprechpartner für die Akutschmerztherapie zur Verfügung stand und die Möglichkeit der Inanspruchnahme für wichtig befunden wurde. Es wurde auch gefragt, ob die Abstimmung zwischen ASD und einzelnen Berufsgruppen zufrieden stellend verlaufen war. Die Patienten wurden zusätzlich gefragt, ob sie mit dem Beginn und der Durchführung der Schmerztherapie zufrieden waren und das Angebot eines ASD in Zukunft bei der Wahl eines Krankenhauses von Bedeutung wäre. Außerdem waren Freitexteinträge möglich. Ergebnisse: Dem überwiegenden Anteil der Mitarbeiter ist ein Ansprechpartner des ASD bekannt und auch wichtig. Besonders deutlich wurde die Bedeutung der pflegerischen Ansprechpartnerin (positive Antworten: 97% der Pflegenden, 72% der Ärzte, 100% der Physiotherapeuten). Allerdings wurde von allen Berufsgruppen eine mangelnde Erreichbarkeit des ASD in der Nacht kritisiert. Die Abstimmung zwischen den Berufsgruppen und der pflegerischen Ansprechpartnerin des ASD wurde vor allem für den Pflegedienst und die Physiotherapeuten als zufrieden stellend beurteilt. 30% aller Mitarbeiter bemängeln die Abstimmung mit den Stationsärzten (Pflegende 37%, Physiotherapeuten 36%, Ärzte 12%). In den Freitexteinträgen wird von einigen Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Physiotherapeuten angemerkt, dass ihnen ein ASD nicht bekannt ist. Die Pflegenden beklagen eine ungünstige Therapieorganisation (Bolusgabe über Katheter). Die Aufgabenverteilung des ASD gegenüber der Versorgung chronischer Schmerzpatienten (Schmerzambulanz) ist vielen Mitarbeitern aller Berufsgruppen unklar. Die befragten Patienten kannten alle einen Ansprechpartner für die Schmerztherapie, der für sie wichtig war. Der überwiegende Anteil der Patienten gab an, dass er mit dem Beginn der Schmerztherapie nach der Operation und der Schmerzlinderung zufrieden war. Alle Patienten waren mit der Zusammenarbeit der Pflegefachkraft des ASD mit den Stationsärzten und den Pflegenden der Station zufrieden. Auch die Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten wurde von zwei Dritteln als zufrieden stellend beurteilt. Für die zukünftige Wahl eines Krankenhauses ist die Schmerztherapie für die Patienten sehr wichtig. Fazit: Die Aufgabenverteilung zwischen ASD und Schmerzklinik war vielen Befragten unklar. Die Arbeit des ASD wurde von Pflegenden und Patienten als wichtig und erfolgreich eingestuft. Der Informationsstand und die Zusammenarbeit mit den Stationsärzten zeigten Defizite. Die Untersuchung belegt die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Information aller Berufsgruppen zur Optimierung der Schmerztherapie. 1. Maier C et al. (1992), Probleme der postoperativen Schmerztherapie aus Sicht des Krankenpflegepersonals, Anästhesiologie und Intensivmedizin (8): 227- 232; 2. Meissner W et al. (2001), Qualitätsmanagement am Beispiel der postoperativen Schmerztherapie, Anästhesist, Sep; 50 (9): 661-670 P15.8 Stellenwert der Epiduralen Rückenmarkstimulation in der Schmerztherapie – ein Update D. Rasche, D. Klase, V. M. Tronnier Neurochirurgische Klinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Fragestellung: Die epidurale Rückenmarkstimulation (spinal cord stimulation = SCS) ist ein etabliertes invasives Verfahren zur Behandlung von chronischen neuropathischen Schmerzen. Insbesondere therapierefraktäre radikuläre neuropathische Schmerzen, z. B. nach Wirbelsäulenoperationen, Nervenverletzungen oder aufgrund vaskulärer Veränderungen, stellen eine gute Indikation dar. Wegen des invasiven Charakters dieser Methode wird sie oft erst als „ultima ratio“ am Ende der Behandlungsoptionen in Erwägung gezogen. Dieser Stellenwert soll anhand von verschiedenen Krankheitsbildern diskutiert werden. Angewandte Methodik: Basierend auf den klinischen Erfahrungen der Autoren mit der angewandten Methode und einer aktuellen MedlineRecherche wird die Bedeutung der SCS für verschiedene Krankheitsbilder dargestellt. Dies sind z. B. chronische Schmerzsyndrome nach Wirbelsäulenoperationen im Sinne eines Postnukleotomiesyndroms oder „Failed-back-surgery-syndrome“, CRPS Typ I+II sowie die therapierefraktäre Angina pectoris. Ergebnisse: Die Indikationsstellung zur SCS als minimal-invasives Verfahren der Neuromodulation sollte bei radikulären, neuropathischen Schmerzsyndomen nach Nervenverletzungen (Postnukleotomie-Syndrom oder CRPS Typ II), bereits ab der erfolglosen medikamentösen Therapie der WHO-Stufe II erwogen und dem Patienten als Alternative vorgestellt werden. Der Stellenwert der SCS bei der therapierefraktären Angina pectoris ist geprägt durch die kardiologische Patientenselektion und interdisziplinäre Versorgung der Patienten. Schlussfolgerungen: Die Anwendung der SCS als nicht-destruktives, minimal-invasives Verfahren der Neuromodulation sollte nicht als „ultima ratio“ in der Behandlung von chronisch neuropathischen radikulären Schmerzen angesehen werden. Durch die verstärkte interdisziplinäre Kommunikation zwischen konservativ und invasiv tätigen Schmerztherapeuten und Neurochirurgen sollte die SCS im Behandlungskonzept frühzeitig eingebunden sein und Patienten angeboten werden.
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P15.9 Prävalenz und Merkmale von Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) A. Roth-Isigkeit1, H. Neuhauser2, U. Ellert2 1 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Anästhesiologie, 2 Robert-Koch-Institut Berlin, Abteilung Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung Fragestellung: Zur Häufigkeit von Schmerzen und deren Folgen für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen durch Kinder und Jugendliche gab es bislang in Deutschland keine repräsentativen Angaben. Eines der Ziele des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) war es daher, die Prävalenz und Merkmale von Schmerzbeschwerden bei Kindern und Jugendlichen in einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe zu untersuchen sowie Merkmale der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens durch Schmerzbeschwerden zu erheben. Methodik: Altersspezifische Versionen des KiGGS-Fragebogens wurden 15241 Kindern bzw. deren Eltern/Erziehungsberechtigten im Alter von 3-17 Jahren zur Beantwortung vorgelegt und von 14959 Kindern bzw. deren Eltern/Erziehungsberechtigten beantwortet (Antwortrate 98,1%). Bei Kindern, die zum Erhebungszeitpunkt 3-10 Jahre alt waren, wurden die Daten mittels Fremdeinschätzung durch die Eltern/ Erziehungsberechtigten, bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 11-17 Jahren mittels Selbsteinschätzung, erhoben. Ergebnisse: 10640 von 14959 Kindern und Jugendlichen (71,1%) hatten nach eigenen Angaben bzw. Angaben der Eltern in den letzten 3 Monaten Schmerzen. Die 3-Monats-Prävalenz für Schmerzen betrug in der Gruppe der 3bis 10-Jährigen nach Angaben der Eltern 64,5% (Jungen 63,1%, Mädchen 66,1%) und nach Selbsteinschätzung in der Gruppe der 11- bis 17-Jährigen 77,6% (Jungen 71,7%, Mädchen 83,7%). In der Gruppe der 11- bis 17-Jährigen nahm die Schmerzprävalenz signifikant mit dem Alter zu, Mädchen berichteten signifikant häufiger Schmerzen als gleichaltrige Jungen. Bauch-, Kopf-, Hals-, Bein- und Ohrenschmerzen wurden am häufigsten bei Kindern im Alter von 3-10 Jahren berichtet. Kinder und Jugendliche im Alter von 11-17 Jahren berichteten am häufigsten Kopf-, Bauch-, Rücken-, Hals- und Beinschmerzen. 24,3% der 11- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen mit Schmerzen gaben an, in den letzten 3 Monaten wiederkehrende Schmerzbeschwerden einer Häufigkeit von einmal in der Woche oder häufiger gehabt zu haben. 9,9% der Eltern gaben an, dass ihre Kinder in den letzten 3 Monaten wiederkehrende Schmerzen einmal in der Woche oder häufiger gehabt hätten. In 54,1% der Fälle berichteten die Eltern der 3- bis 10-jährigen Kinder mit Angaben zu wiederkehrenden Schmerzen, deswegen einen Arzt konsultiert zu haben; 36,7% der Eltern von Kindern mit wiederkehrenden Schmerzen gaben an, dass ihre Kinder deshalb Medikamente eingenommen hätten. 35,9% der 11- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen mit Schmerzen berichteten, wegen der Schmerzen einen Arzt konsultiert zu haben; 46,7% der Kinder und Jugendlichen mit Schmerzen gaben an, wegen der Schmerzen Medikamente eingenommen zu haben. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass 1. Schmerzbeschwerden im Kindes- und Jugendalter in Deutschland sehr verbreitet sind und mit dem Alter zunehmen, 2. die bevorzugten Lokalisationen von Schmerzbeschwerden in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht der Kinder variieren, 3. Schmerzbeschwerden im Kindes- und Jugendalter zu Arztbesuchen und Medikamenteneinnahmen führen. Dabei gehen Eltern kleinerer Kinder (3- bis 10-Jährige) vermehrt mit diesen zum Arzt und die 11- bis 17-Jährigen greifen häufiger wegen Schmerzen zu Medikamenten. P15.10 Schmerzintensität im Aufwachraum P. Saur, B. Bachmann, K. Lipka Regionales Zentrum Anaesthesie, Schmerztherapie, Rettungs- und Intensivmedizin der Sana Kliniken Lübeck and Ostholstein GmbH Problemstellung: Die Evaluation der perioperativen Schmerzintensität nimmt zunehmend an Bedeutung zu. In dieser Untersuchung sollte die Schmerzintensität von Patienten im Aufwachraum erhoben werden. Methoden: Die Untersuchung fand an einem Krankenhaus der Schwer-
punktversorgung mit viszeral-, unfallchirurgischen und urologischen operativen Eingriffen statt. Die Schmerzmedikation im Aufwachraum wurde bedarfsadaptiert mit Opiaten und Nichtopiaten durchgeführt. Die Schmerzintensität wurde mittels Visueller Analog Skala (0-10) zu definierten Zeitpunkten präoperativ vor Einleitung der Narkose sowie postoperativ unmittelbar nach Ankunft im Aufwachraum und vor der Verlegung aus dem Aufwachraum erhoben. Weiterhin wurde die maximale Schmerzintensität während des Aufenthaltes im Aufwachraum erfragt. Ergebnisse: Es wurden 2798 Patienten (1216 Patientinnen und 1582 Patienten) von Januar 2006 bis Mai 2007 befragt. Präoperativ lagen bei 1801 (64%) der Patienten die Schmerzintensität zwischen 0 und 3, bei 127 (4,5%) der Patienten zwischen 4 und 6 und bei 645 (23%) der Patienten über 6 der VAS. 225 (8%) Patienten konnten keine genauen Angaben zu ihrer präoperativen Schmerzintensität machen. Nach Ankunft im Aufwachraum lagen bei 2130 (76%) der Patienten die Schmerzintensität zwischen 0 und 3, bei 348 (12,4%) der Patienten zwischen 4 und 6 und bei 88 (3,1%) der Patienten über 6 der VAS. 232 (8,3%) Patienten konnten keine genauen Angaben zu ihrer Schmerzintensität zum Zeitpunkt der Aufnahme in den Aufwachraum machen. Die maximale Schmerzintensität im Verlaufe des Aufwachraumaufenthaltes lag bei 1685 (60%) der Patienten zwischen 0 und 3, bei 715 (26%) der Patienten zwischen 4 und 6 und bei 178 (6,4%) der Patienten über 6 der VAS. Keine Angaben über die maximale Schmerzintensität im Aufwachraum konnten 220 (7,9%) Patienten machen. Aus dem Aufwachraum wurden 2442 (87,2%) der Patienten mit einer Schmerzintensität zwischen 0 und 3 entlassen. Dabei gaben 867 (31%) Patienten eine VAS von 0, 515 (18,4%) von 1, 731 (26%) von 2 und 329 (11,8%) Patienten von 3 an. Stärkere Schmerzen gaben 81 Patienten (2,9%) an. 275 (9,8%) der Patienten konnten keine genauen Angaben zu ihrer Schmerzintensität zum Zeitpunkt der Verlegung aus dem Aufwachraum machen. Schlussfolgerungen: 87,2% aller Patienten wurden mit einer Schmerzintensität kleiner 3 der VAS aus dem Aufwachraum verlegt. Nahezu 3% der Patienten gaben stärkere Schmerzen an. Direkt präoperativ bis zur Entlassung aus dem Aufwachraum konnten zwischen etwa 8 und 10% der Patienten keine genauen Angaben zu ihrer Schmerzintensität machen. Genauere Informationen könnte gegebenenfalls durch den Einsatz fremdanamnestischer Verfahren zur Erhebung der Schmerzintensität im unmittelbaren perioperativen Setting gewonnen werden. P15.11 Optimierte ambulante Palliativversorgung durch PalliativNetz plus innovative Symptomkontrolle P. Fehrenbach, A. Grimm, J. Kleinert, O. Krämer-Kilper, T. Sitte, M. Straub PalliativNetz Osthessen, Schmerz- und PalliativZentrum Fulda Über 70% der Deutschen möchten in ihrer Lebensendphase zu Hause bleiben. Leider kann in Deutschland die stark unterschiedliche Infrastruktur der palliativen Versorgung dieses Ziel nur für 25–65% der Menschen erreichen. Wir haben die bekannten Projekte analysiert und entsprechend deren Stärken und Schwächen für unsere Patienten in der Region Osthessen optimiert. Mit unserem PallitivNetz erreichen und betreuen wir Patienten in einem Umkreis von rund 50 km! Ein Kernproblem ist aber auch bei einer sehr guten Vernetzung die schnelle Therapie zu Hause bei schweren Symptomen wie akutem Vernichtungsschmerz und Erstickungsanfällen. Wenn die Wege zum Patienten 10 min überschreiten, ist eine Akutintervention nicht sicherzustellen. Deshalb erhalten alle Patienten zusätzlich die Möglichkeit, Symptome sofort effektiv selbst zu behandeln. Die Anschlagszeit von nasalem Fentanyl beträgt nur ½ bis 2 min. Die Methode ist nicht invasiv, wirkt sofort und für Patienten angenehm. Im Poster stellen wir eine Übersicht über die Patienten dar: Diagnosen, wichtigste Symptome, Betreuungsdauer, Sterbeort und Zufriedenheit der Angehörigen werden nachgewiesen. Zusammengefasst: Die 60 im letzten halben Jahr verstorbenen Patienten, die vom Netz versorgt wurden, konnten – auch mit entsprechendem ehrenamtlichen Engagement – zu über 85% in ihrer gewähl-
ten Umgebung bleiben. Im Rahmen der verbesserten Möglichkeiten der Integrierten Versorgung nach §§ 140 a ff SGB V musste kein einziger Patient stationär eingewiesen werden. P15.12 Schmerztherapeutische Versorgung nach Thorakoskopie und Pleurodese in alleiniger Katheterperiduralanaesthesie unter Spontanatmung C. Sommer, T. Holl Abt. für Anaesthesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Bezirksklinikum Obermain, Ebensfeld Zielsetzung und Methodik: Im Zeitraum von September 2006 bis Juni 2007 wurden n=40 Patienten bezüglich des postoperativen Analgesieniveaus untersucht. Alle Patienten mussten sich einer Thorakoskopie mit Probeentnahme und/oder Talkumpleurodese unterziehen. Als Anästhesietechnik wurde, wie in unserem Hause üblich, die thorakale Periduralanästhesie als solitäres Anästhesieverfahren gewählt. Der Periduralkatheter wurde postoperativ zur Schmerztherapie belassen. Falls nötig wurde der Katheter mit Ropivacain 0,2% beschickt. Als Koanalgetikum bekamen alle Patienten Paracetamol 4x1g i.v. Es erfolgte die zweimal tägliche Befragung der Patienten bezüglich der Analgesiequalität anhand einer VAS (1-10). Ergebnisse: Unmittelbar postoperativ waren alle Patienten schmerzfrei. Am ersten postoperativen Tag zeigte sich eine gute postoperative Analgesiequalität (Median: VAS 2, Min: VAS 0, Max: VAS 6). An den Folgetagen bis zur Katheterentfernung ließ sich ebenfalls ein gutes Analgesieniveau nachweisen (Tag 2: Median: VAS 2, Min: VAS 0, Max: VAS 5). Die Katheterentfernung erfolgte bedarfsadaptiert an die Schmerzintensität der Patienten. In den meisten Fällen (n=20) konnte der Periduralkatheter am 2. postoperativen Tag gezogen werden. Lediglich in n=9 Fällen musste der Katheter für mehr als 3 Tage belassen werden (maximal 7 Tage). Schlussfolgerung: Die thorakale Periduralanästhesie ist sowohl zur Operation, als auch zur postoperativen Analgesie nach Eingriffen am Thorax ein gutes und sicheres Verfahren. Als Katheterverfahren eignet sie sich hervorragend zur postoperativen Schmerztherapie und ermöglicht den Patienten größtmögliche Mobilität und die Durchführung physiotherapeutischer Maßnahmen ohne Einschränkung durch Schmerzen. P15.13 Repräsentanz des Themas Tumorschmerz in deutschen onkologischen Lehrbüchern und Online-Auftritten von Tumorzentren/ Krebsregistern S. Tschötsch, M. Zenz Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil – Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Einleitung: Die schmerztherapeutische Unterversorgung von Tumorpatienten in Deutschland ist hinlänglich bekannt und mehrfach bewiesen (1). Vorurteile bei Ärzten und Patienten und die Furcht vor Opioiden wurde für diese Situation verantwortlich gemacht (2). Es könnte aber auch an der fehlenden Information von Ärzten und Patienten liegen. Ziel der vorliegenden Studie war daher die Untersuchung, inwiefern das Thema Tumorschmerz/-therapie in deutschen onkologischen Lehrbüchern und in Online-Auftritten deutscher Tumorzentren und Krebsregistern berücksichtigt wird. Methoden: Im ersten Teil der dreiteiligen Arbeit wurden 1990-2005 erschienene deutschsprachige onkologische Lehrbücher quantitativ und inhaltlich nach einer zuvor erstellten Checkliste hinsichtlich des Themas Schmerztherapie beurteilt. Im zweiten Teil erfolgte die Untersuchung der Internet-Auftritte der 43 Tumorzentren der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) sowie 12 deutscher Krebsregister hinsichtlich der Bereitstellung von Informationen für Ärzte und Patienten. Der dritte Teil prüfte, ob das Stichwort „Schmerz“ in den Meldebögen der Tumorzentren und Krebsregister vorkommt. Für die Qualität der Präsentation wurden Punkte vergeben. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts Ergebnisse: 35 onkologische Lehrbücher wurden identifiziert. Davon wurde in 32 von 35 (91,4%) das Thema Schmerztherapie in verschieden starkem Ausmaß wiedergefunden. Von 23.333 Gesamtseiten wurden 247,5 Seiten (1,06%) dem Thema Schmerz gewidmet. Bei einer Höchstpunktzahl von 33 Punkten wurden durchschnittlich 17,43 Punkte erreicht. Von den 43 Tumorzentren besaßen alle eine Internetpräsenz. 15 Tumorzentren informierten nicht über Schmerztherapie, bei maximal 8 zu erreichenden Punkten wurden durchschnittlich nur 2,49 Punkte erreicht. Sechs Tumorzentren hielten einen Meldebogen bereit (13,9%), davon konnte bei vier Bögen Tumorschmerztherapie angekreuzt werden. Kein Krebsregistermeldebogen berücksichtigte Schmerz. Nur eins von 12 Krebsregistern berücksichtigte Tumorschmerztherapie. Schlussfolgerung: Der Großteil der deutschen Onkologiebücher berücksichtigt das Thema Schmerztherapie nur unzureichend ebenso wie Tumorzentren und Krebsregister. Bei der Erfassung von Tumormerkmalen sollten Krebsmeldebögen auch Tumorschmerz lückenlos in die Dokumentation aufnehmen. Zusammenfassend müssen Quantität und Qualität der Information in allen Informationsmedien der Onkologie nachhaltig verbessert werden. Neben den Vorurteilen ist die fehlende Information ein wesentlicher Grund für die Unterversorgung von Tumorschmerzen. 1. Sabatowski, R., E. R. Arens, et al. (2001). „Tumorschmerztherapie in Deutschland – Ergebnisse und Analysen einer Befragung von Ärzten.“ Schmerz 15(4): 241-7. 2. Zenz M, Willweber-Strumpf A. Opiophobia and cancer pain in Europe Lancet. 1993 Apr 24;341(8852):1075-6 P15.14 Retrospektive Dokumentationsanalyse zur Qualitätssicherung in der postoperativen Schmerztherapie H. C. Wartenberg, S. Wirz, E. Nikitina, J. Nadstawek Klinik für Anästhesiologie , Universitätsklinikum Bonn Fragestellung: Der Stellenwert einer Qualitätskontrolle in der postoperativen Schmerztherapie ist unumstritten (1). Trotzdem wird die Qualität längst nicht überall kontrolliert (2), vor allem, weil die geforderten Maßnahmen zur Qualitätskontrolle einen hohen organisatorischen und personellen Aufwand darstellen. Lässt sich die Qualität postoperativer Schmerztherapie nicht ebenso gut mit der weitaus weniger aufwändigen retrospektiven Analyse von routinemäßig erfassten Daten erfassen? Material, Methoden: Alle über einen Zeitraum von einem Jahr durch unseren Akutschmerzdienst dokumentierten patientenbezogenen Daten wurden analysiert. Lücken in der Dokumentation wurden erfasst und bewusst nicht durch andere Dokumentation (Station, Anästhesie) ergänzt. Neben demographischen Daten wurde die Schmerzstärke unter Schmerztherapie und die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse erfasst. Einfache statistische Methoden (Mittelwert, Standardabweichung, Median) wurden angewendet. Ergebnisse: Die Dokumentation von 1883 Patienten wurde analysiert. 1062 waren weiblich, 821 männlich. Der Altersdurchschnitt war 52 Jahre. Durchschnittliche Therapiedauer waren 3,0 Tage, durchschnittliche Schmerzen aller Patienten unter Therapie 2,3 (NRS). Als besonders gutes Verfahren fiel z.B. die Piritramid-PCA bei Hysterektomie auf (1,6 NRS), besonders schlecht war die Katheter-PDA bei Hemicolektomie (4,3 NRS). Schlussfolgerungen: Retrospektiv analysierte Daten vermögen zwar in einigen Fällen Probleme in der postoperativen Schmerztherapie aufzuzeigen, eignen sich aber nur schlecht um die Effektivität und Sicherheit der verwendeten Verfahren zu beurteilen. Daher ist ihr Einsatz zur Qualitätskontrolle in der postoperativen Schmerztherapie nur sehr eingeschränkt möglich. 1. BDA und BDC, 1993. Anaesth Intensivmed 34:28-32. 2. Stamer U et al., 2002. Reg Anaest Pain Med 27:125-31.
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P16 Physikalische und andere Therapieverfahren, Versorgung P16.1 Neue Versorgungsformen: MVZ für Schmerztherapie J.-P. Jansen Schmerzzentrum Berlin Das Schmerzzentrum Berlin arbeitet seit 2 Jahren als Medizinisches Versorgungszentrum. Es werden über 4000 chronische Schmerz-Patienten im Quartal betreut. Die interdisziplinäre Betreuung umfasst die schmerztherapeutischen Aktivitäten von der Psychotherapie bis zur invasiven Schmerztherapie – Implantation von SCS-Systemen. Anhand des Schmerzzentrum Berlin sollen die Möglichkeiten des Gesundheitsmodernisierungs-Gesetzes für die Betreuung chronischer Schmerzpatienten aufgezeigt werden. P16.2 Pilotstudie zu den Kosten stationärer Schmerztherapie M. Klein1, U. Gerber2, U. Gockel2, U. Hankemeier1 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfallmedizin & Schmerztherapie, Ev. Krankenhaus Bielefeld, 2 Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe Einleitung: In Deutschland liegen nur Schätzungen zur Häufigkeit der Epidemiologie von Schmerzen vor. Aktuelle Zahlen gehen von 3 - 8 Millionen chronischen Schmerzpatienten aus (1). Die direkten Kosten (Behandlung, Rehabilitation und Pflege) für chronische Schmerzen bewegten sich 2000 etwa zwischen 11,7 und 15,5 Mrd. €. Der Anteil der indirekten Kosten (Arbeitsunfähigkeit und vorzeitige Berentung) wird zwischen 8,8 und 13,2 Mrd. € beziffert. Insgesamt entstehen demnach durch chronische Schmerzen für die Volkswirtschaft Kosten zwischen 20,5 und 28,7 Mrd. € im Jahr (2). Welcher Anteil von diesen Kosten der stationären Schmerztherapie zu kommt, ist unklar. Eine Erfassung dieser Kosten ist aber, besonders im Hinblick auf eine effiziente und erfolgreiche Schmerztherapie unter DRG-Bedingungen, von großer Bedeutung. Auch die demographische Entwicklung und die gleichzeitige Begrenzung der Ressourcen des bundesdeutschen Gesundheitswesens fordern einen gezielten und optimalen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel. Aufgabenstellung: In einer Stichproben-Analyse (n=25) soll untersucht werden, ob sich mit Hilfe einer Kombination standardisierter Fragebögen die Kosten für eine multimodale stationäre Schmerztherapie repräsentativ erfassen lassen. Werden hinsichtlich Effektivität, Tagestherapiekosten und Schmerzarten Trends erkennbar? Methode: Die Datenerhebung erfolgte zu festgesetzten Zeiten des stationären Aufenthaltes (Schmerztherapiestation 20 Betten, 3 Ärzte, 1,5 Psychologen 10 Pflegekräfte): Zunächst wurden die Patienten am Aufnahmetag untersucht. Unter dem Postulat der höchsten Kosten in den ersten drei Behandlungstagen wurden diese erfasst. Abschließend erfolgte die Datenerhebung zur Entlassung. Das zentrale Instrument dieser Untersuchung war ein Repertoire an Fragebögen, dass sich aus dem Pain-Detect-Fragebogen (3, 4), dem PHQ-D (Kurzform) (6), dem Mainzer Stadienmodell der Schmerzchronifizierung (MPSS) (7) und aus Fragebögen, die speziell für diese Untersuchung entwickelt worden waren, zusammensetzte. Ergebnisse: 24 von 25 Fragebögen lagen zur Auswertung vor. Die beobachteten Patienten waren im Durchschnitt 55,7 Jahre alt (w:m, 1:1). Dabei war der Anteil der 50-65jährigen mit 54,17% am größten, gefolgt von den 40-49jährigen mit 29,17%; 16,67% der teilnehmenden Patienten waren älter als 66 Jahre. Bei unserem Patientenkollektiv wurde ein Kostenaufwand von durchschnittlich 4554,91 € pro Patient mit einer mittleren Verweildauer von 14 Tagen errechnet. Dabei führte das multimodale Gesamtkonzept inkl. Anpassung pharmakologischer Therapieverfahren bei allen Patienten insgesamt zu einer Schmerzreduktion von VAS 6,5 auf 2,5. Gleichzeitig wurde eine Reduktion der durchschnittlichen Tagestherapiekosten (TTK) poststationär beobachtet. Patienten mit neuropathischen Rückenschmerzen verursachten bei Aufnahme in die Klinik mit 16,22 € die höchsten TTK. Gleichzeitig wurde ein Trend zur Reduktion der TTK bei Entlassung (um 1,73 €) ermittelt. Bei Patienten mit nozizeptiven Rückenschmerzen waren die TTK bei Entlassung aus der Klinik um durchschnittlich 1,30 € erhöht.
Diskussion: Die Pilotstudie zeigt, dass es möglich ist, mit einer Zusammenstellung ausgewählter standardisierter Fragebögen neben schmerztherapeutisch bedeutsamen Kenngrößen vor allem auch die Kosten der stationären Schmerztherapie zu ermitteln. Weitere Untersuchungen zu Effektivität und Kosten multimodaler stationärer Therapiekonzepte mit einem größeren Patientenkollektiv sollten die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bestätigen. 1. Bundesministerium für Bildung & Forschung, Newsletter Schmerzforschung 2006 2. Neumann, U., Schmerz, Gesundheitsökonomische Bedeutung aus Sicht der Kostenträger, Bundesgesundheitsbl.-Bundesgesundheitsforsch.-Gesundheitsschutz 5-2002 3. Screening of neuropathic pain components in patiens with chronic back pain associated with neve root compression: a prospective observational pilot, Current medical resaech and opinion 2006 4. Freyenhagen, R,.Tölle, T., Gockel, U., Baron, R. painDetect, a new screening questionaire to identify neuropathic componentsin patients with back pain, Current Medical research and Opinion; 5. Michalski, D., Hinz, A. Schmerzchronifizierung bei ambulanten Rückenschmerzpatienten, Schmerz 2006 6. Kroenke, K., Spitzer, L., Williams, J. The PHQ-9, GEN INTERN MED 2001 7.) H. U. Gerbershagen, J. Korb, B. Nagel & P. Nilges 1999 P16.3 Die psychoonkologische Basisdokumentation (Po-Bado) als sinnvolle Ergänzung zu HOPE (Hospiz- und Palliativ-Erfassung) K. Neuwöhner, G. Lindena, F. Nauck, C. Ostgathe, L. Radbruch und die Arbeitsgruppe HOPE Klinik Dr. Hancken Stade, CLARA Klinische Forschung Kleinmachnow, Universitätskliniken Göttingen, Köln, Aachen Einleitung: Somatische Probleme wie Schmerzen, Übelkeit, Luftnot und psychosoziale Probleme wie Angst, Traurigkeit, Abhängigkeit von fremder Hilfe usw. stellen für Patienten in der Palliativsituation immer auch eine emotionale Belastung dar, die von den behandelnden und betreuenden Personen erkannt und wenn möglich gemindert werden soll. Eine Erfassung der subjektiven Belastung muss kurz, sensitiv und handlungsleitend sein. Methoden: Im Rahmen von HOPE wurden im Basisbogen psychosoziale Probleme in ihrer Intensität als Fremdbeurteilung durch das Betreuungsteam sowie Medikamente und Maßnahmen erfasst. Zusätzlich wurde in den Dokumentationsphasen 2004 bis 2006 die Psychoonkologische Basisdokumentation der Arbeitsgruppe PSO der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie (DAPO), ein Maß für das subjektive Erleben der entsprechenden Symptome, als Modul mitgeführt. Körperliche und psychische Belastungen wurden mit einer 5-stufigen Skala sowie zusätzliche Belastungsfaktoren und die Indikation für eine professionelle psychosoziale Unterstützung dichotom erfasst. Die Po-Bado-Daten wurden mit denen des Basisbogens bei den Patientengruppen nach dem Setting aus HOPE sowie mit den ARGE-Daten aus onkologischen Abteilungen zur Prüfung der Validität und der Sensitivität verglichen. Ergebnisse: In den Dokumentationsphasen 2004-2006 wurden von 309 ambulanten und stationären Einrichtungen für 6958 Patienten Basisbögen ausgefüllt, davon 3346 auch eine Po-Bado. Die Patienten hatten zu 90% eine Tumorerkrankung, zu 84% mit Metastasen, waren mit 67 Jahren älter als die Patienten der ARGE und zu 54% weiblich. 52% der Patienten verstarben in der beschriebenen Betreuungsphase. Die emotionale Belastung ist meist unabhängig von Tumorentität und -stadium, aber abhängig von Einschränkungen im Alltag, dabei wurde die Belastung durch körperliche Symptome als insgesamt stärker eingestuft als die durch psychische und soziale Probleme, bei HOPE-Patienten insgesamt stärker als bei denen der ARGE. Innerhalb von HOPE wurde die Indikation für eine psychosoziale Unterstützung häufiger in Palliativstationen dokumentiert als z.B. in Hospizen. Schlussfolgerungen: Das Po-Bado-Instrument der Arbeitsgruppe PSO/DAPO ist ein kurzes praktikables Instrument, das Unterschiede zwischen Patientengruppen (palliativ/kurativ) und Settings (z. B. Akut-
KH, Palliativstation, Hospiz) valide erfasst. Auch wenn nur selten Extremwerte angegeben wurden, ist die Erfassung und Beobachtung der emotionalen Belastung z. B. bei der Behandlung von neurovegetativen Symptomen wie Schmerzen, Übelkeit, Luftnot usw. gerade für Palliativpatienten sinnvoll. P16.4 4-Jahresverlauf von Schmerzen bei Lübecker Schülerinnen und Schülern – vorläufige Ergebnisse F. Napp, A.-K. v. Hielmcrone, M. Schlottmann, A. Bergs, B. Pfitzer, P. Schmucker, A. Roth-Isigkeit Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Campus Lübeck Fragestellung: Die Zielsetzung der vorliegenden Studie war es, die 3Monats-Prävalenz, Dauer und Häufigkeit von Schmerzen bei Lübecker Schülerinnen und Schülern im Verlauf von 4 Jahren zu untersuchen, sowie Informationen über die Schmerzintensität zu erlangen. Methoden: Zur Datenerhebung wurde der Lübecker Schmerz-������� Screening������������������������������������������������������������� -Fragebogen in einer Basiserhebung T1 und einer Follow-up-Untersuchung T2 nach 4 Jahren an Lübecker allgemeinbildenden Schulen verteilt. In die vorliegende Teilauswertung wurden Schülerinnen und Schüler aus Schulen (1 Gymnasium, 2 Realschulen, 5 Hauptschulen, 1 Gesamtschule) einbezogen, die in beiden Befragungen einen Fragebogen ausgefüllt haben (N=682). Das Signifikanzniveau wurde auf p<0,05 festgelegt. Ergebnisse: Die 3-Monats-Schmerzprävalenz unter Lübecker Schülerinnen und Schülern dieser Teilstichprobe nahm im 4-Jahresverlauf signifikant zu. Zum Zeitpunkt T1 gaben 80,1% der Antwortenden an, in den letzten 3 Monaten Schmerzen gehabt zu haben, zu T2 waren es 85,9%. In beiden Erhebungen wurden Kopfschmerzen als häufigste Hauptschmerzlokalisation angegeben (T1: 28,6%, T2: 27,7%), gefolgt von Rückenschmerzen (T1: 8,7%, T2: 18,5%), Gliedmaßenschmerzen (T1: 14,7%, T2: 13,5%), Bauchschmerzen (T1: 12,5%, T2: 7,5%) und bei den Mädchen Regelschmerzen (T1: 2,2%, T2: 6,0%). Während die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Rückenschmerzen als Hauptschmerz angaben, im 4-Jahresverlauf signifikant zunahm, ebenso wie die der Mädchen mit Regelschmerzen, gaben signifikant weniger Schülerinnen und Schüler nach 4 Jahren Bauchschmerzen als Hauptbeschwerde an. Signifikante Veränderungen fanden sich im 4-Jahresverlauf auch im Bezug auf die Schmerzdauer, Schmerzhäufigkeit und die Schmerzintensität: die Prävalenz von Hauptschmerzen einer Dauer länger als 12 Monate nahm im Verlauf zu (T1: 19,8%, T2: 35,0%). Bei der Basiserhebung berichteten 35,9% eine Schmerzhäufigkeit von mindestens 1x pro Woche und häufiger, zum Zeitpunkt T2 42,4%. Bei der Schmerzintensität gaben zum Zeitpunkt T1 17,3% der Antwortenden eine hohe Intensität (VAS 7-10) an; bei der Follow-up-Erhebung T2 22,7%. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Untersuchung geben Hinweise darauf, dass im Verlauf von 4 Jahren die 3-Monats-Schmerzprävalenz, die Dauer und Häufigkeit des Auftretens von Schmerzen, sowie die Häufigkeit einer selbsteingeschätzten Schmerzintensität „stark“ bei Lübecker Kindern und Jugendlichen zunimmt. Die Ursachen für diese Ergebnisse gilt es, in weiteren Studien zu untersuchen. P16.5 Wirtschaftlichkeitsanalyse einer Schmerztagesklinik zur Implementierung an einem Schwerpunktkrankenhaus unter Berücksichtigung gesundheitsökonomischer und gesundheitspolitischer Aspekte bei der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten K. Post1,2, A. Grün2 1 Abteilung für Anästhesiologie, Klinikum Coburg gGmbH, 2 Fachhochschule Coburg, University of applied sciences, Fachbereich Betriebswirtschaftslehre Einleitung: Vor Implementierung einer Schmerztagesklinik an einem Schwerpunktkrankenhaus der Versorgungsstufe III sollte eine Wirtschaftlichkeitsanalyse unter Berücksichtigung gesundheits-ökonoDer Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts mischer und gesundheitspolitischer Aspekte durchgeführt werden. Ziel sollte es sein, betriebswirtschaftliche Kenntnisse mit medizinischem Wissen aus dem Bereich der Schmerztherapie zu verbinden, um damit dem Krankenhausträger die Möglichkeit zu geben, die Entscheidung zur Einrichtung einer solchen Tagesklinik auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten treffen zu können. Material und Methodik: Im ersten Schritt der Arbeit sollte die aktuelle Situation der Schmerzversorgung im Umfeld der eigenen Klinik innerhalb der etablierten Schmerzambulanz aufgezeigt werden, das Umfeld analysiert und das Patientenpotential kalkuliert werden. Hierzu wurden in einer SWOT- (Stärken-Schwächen-) Analyse die Wechselwirkungen, die eine Implementierung der Tagesklinik mit sich bringt, mit dem Umfeld der Klinik betrachtet. Mit einer SWOT-Matrix wurden daraus strategische Optionen abgeleitet, um zukünftige Stärken und Möglichkeiten auszubauen sowie Gefahren und Schwächen zu minimieren. Im zweiten Schritt sollte die wirtschaftliche Analyse der geplanten Tagesklinik erfolgen. Dazu wurde ein Kalkulationstool erstellt, in dem die betriebswirtschaftliche Berechnung der geplanten Einrichtung erfolgte. Der Einnahmenseite wurden die errechneten Ausgaben, wie Investitionskosten, Personal- und Sachkosten und Verwaltungsaufwand gegenübergestellt. Innerhalb dieses Kalkulationstools konnten nun fiktive Tagessätze und Ausgabenseite bilanziert werden und durch Ermittlung des Break-even, der Punkt der Wirtschaftlichkeit bestimmt werden. Ergebnisse: Umfeld- und Situationsanalyse: Innerhalb der letzten 5 Jahre der Leistungserhebung steigen die Patientenzahlen der Schmerzambulanz kontinuierlich. Die Mehrzahl der Patienten wurde wegen chronischer Schmerzen im Bewegungsapparat und chronischen Rückenschmerz behandelt. Die SWOT-Analyse erbringt kompetente Stärken wie strukturierte Abläufe, qualitativ gute Prozessabläufe und fachliche Kompetenz. Als Chancen lassen sich die Verbesserung des Portfolios der Klinik, ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Region und neue Versorgungsverträge aufzeigen. Dennoch müssen klare Strategien für vorhandene Schwächen entwickelt werden. Die Umfeldanalyse erbringt ein deutliches regionales Missverhältnis innerhalb der Landesgrenzen in Bezug auf die bereits vorhandenen schmerztherapeutischen Einrichtungen. Im eigenen strukturschwachen Regierungsbezirk gibt es eine derartige tagesklinische Einrichtung überhaupt nicht. Innerhalb des Einzugsbereiches der geplanten Tagesklinik errechnen sich 379.068 Einwohner, wobei unter Zugrundelegung der entsprechenden Prävalenzen für therapiebedürftige Schmerzpatienten, mit 2775 potentiellen Patienten für die Einrichtung zu rechnen ist. Wirtschaftlichkeitsanalyse: In der Wirtschaftlichkeitsanalyse wurden verschiedene Szenarien auf der Kosten- und der Erlösseite kalkuliert. Dabei ergab sich ein berechneter Tagessatz in der Break-Even-Analyse, der zur Verhandlung mit den Kostenträgern herangezogen werden wird. Die Bestimmung des Break-even stellt eine wichtige betriebswirtschaftliche Kenngröße dar, um die Wirtschaftlichkeit der Abteilung zu gewährleisten. Zusammenfassung: Mit dieser Arbeit wurde das Ziel verfolgt, medizinische Evidenz einer tagesstationären Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen mit wirtschaftlicher Rationale der Wirtschaftswissenschaften zu verbinden. In einer Zeit zunehmend begrenzter finanzieller Ressourcen im Gesundheitswesen müssen neue, wirtschaftlich sinnvolle Therapieansätze bei der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen etabliert werden. Die Implementierung einer Schmerztagesklinik ist unter Berücksichtigung der finanziellen Rentabilität der Einrichtung eine Erweiterung des Portfolios der eigenen Klinik. Die im Vorfeld der Implementierung durchgeführten Kosten- und Erlöskalkulationen stellen ein hilfreiches Werkzeug bei Verhandlungen mit den Kostenträgern dar. Zukünftig wird sich die Medizin und so auch schmerztherapeutisch tätige Ärzte, mehr denn je mit wirtschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzen müssen.
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P16.6 Integrierte Gesundheitsversorgung in Bayern V. M. Reinisch, J. Felbinger, M. Empl, C. J. Schankin, A. Straube Neurologische Klinik der Universität München, Kopfschmerzambulanz Seit September 2006 läuft die Integrierte Gesundheitsversorgung (IGV) am Klinikum München-Großhadern in Bayern, außer dem Oberbayerischen Kopfschmerzzentrum gibt es auch in Berlin und in Essen ähnliche Modelle, die durch eine Kooperation mit der kaufmännischen Krankenkasse Hannover gegründet wurden. Die Patienten werden von einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Psychologen und der Physikalischen Medizin betreut, im Einzelfall können sie auch vielen anderen Fachrichtungen (Psychiatrie, Gynäkologie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, etc.) vorgestellt werden. Die Versorgung ist in die Module ambulant, tagklinisch und stationär unterteilt. Bisher wurden 160 Patienten behandelt, davon waren 86% weiblichen Geschlechts. Die Patienten wurden gemäß IHS Klassifikation eingestuft. 48% hatten eine Migräne ohne Aura, 20% mit Aura, 29% eine chronische Migräne, 1,6% einen chronischen Spannungskopfschmerz und 2,4% einen Cluster-Kopfschmerz. Die Hälfte der Patienten (52%) betrieb einen Medikamenten-Übergebrauch (v. a. Mischanalgetika, gefolgt von den Triptanen). Viele von Ihnen wurden darüber noch nicht aufgeklärt und waren sich dessen nicht bewusst. Den harten Entzug schafften nur wenige (v. a. wenn der Übergebrauch schon seit Jahren bestand), unter medikamentöser Prophylaxe nahmen viele von selbst weniger Schmerzmittel. Die Depression (20%) war neben der Hypertonie (20%) die häufigste Komorbidität, gefolgt von den Angsterkrankungen und Schlafstörungen ohne depressive Symptome. 33% wiesen Psychologische Faktoren auf, die schmerzchronifizierend wirken können. Hier scheinen vor allem Faktoren in der Kindheit oder hohe Anforderungen im Beruf eine Rolle zu spielen. Fast alle Patienten bekamen medikamentöse Prophylaxen, hier war neben den Betablockern Amitriptylinoxid ein häufig verordnetes Mittel. Problem der Integrierten Versorgung ist, dass sich hier vor allem Patienten vorstellen, die häufig eine über Jahre bestehende Chronifizierung ihrer Kopfschmerzerkrankung haben und deshalb neben einer adäquaten Prophylaxe und Akuttherapie ihrer Kopfschmerzerkrankung sowie ihrer Komorbiditäten einer Verhaltensänderungen bedürfen. Dies kann in der Regel nur durch begleitende, kontinuierliche Verhaltenstherapie erreicht werden. Die Patienten wurden motiviert, neben medikamentösen auch nicht medikamentöse prophylaktische Maßnahmen wie regelmäßigen Ausdauersport und die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson in ihren Tagesablauf einzubauen. Vorteil der IGV ist, dass sie eine engere und damit konsequentere Führung von Patienten erlaubt und so eher in der Lage ist, entsprechende Verhaltensänderungen zu induzieren. P16.7 Ganzheitliche Risikoprävention – eine kombinierte Betrachtungsweise von physischen und psychischen Belastungen G. Buruck, P. Richter Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der Fachrichtung Psychologie, Fakultät Mathematik, Naturwissenschaften der Technischen, Universität Dresden Fragestellung: In den letzten Jahren sind eine Vielzahl differenzierter Diagnostikansätze zur Erfassung physischer und psychischer Belastungsfaktoren in der Arbeit entwickelt worden. Überwiegend handelt es sich dabei um Verfahren, die psychosoziale und physische Belastungsfaktoren getrennt erfassen. Insbesondere Prävalenz- und Inzidenzwerte von Muskel-Skelett-Erkrankungen sind im stetigen Anstieg. Basierend auf etablierten theoretischen Risikomodellen (Job demandcontrol-model – Karasek & Theorell 1990; Effort-Reward-ImbalanceModell – Siegrist 2004) soll der Zusammenhang von physischen und psychosozialen Riskofaktoren und chronischen Rückenschmerzen belegt werden. Methodik: Basierend auf der „Cinderella“-Hypothese des schwedischen Forschers Hägg (1991) und deren Erweiterung auf psychische Belastungen von Melin & Lundberg (1997) und Lundberg & Johansson
(2000) sowie den langjährigen Erfahrungen der Dresdner Arbeitspsychologie bei der Belastungs-Beanspruchungs-Forschung wurde dazu ein robustes praktikables Screeninginstrument – das Verfahren Screening Gesundes Arbeiten SGA (Buruck, Debitz & Rudolf, 2007) – entwickelt und eingesetzt. Das Verfahren ermöglicht eine ganzheitliche Belastungsabschätzung in der betrieblichen Praxis und wird als Beobachtungsinterview mit hinterlegtem Wissensspeicher eingesetzt. Untersucht wurden 296 Beschäftigte aus typischen Berufsgruppen der Industrie, der Verwaltung und des Pflegebereichs. Die Validierung der Methodik erfolgt an der Prädiktion von Lumbalschmerzen und seelischer Gesundheit. Als Prädiktoren werden der General Health ����� Questionnaire����������������������������������������������������������� – GHQ 12 (Goldberg 1978), die Freiburger Beschwerdenliste – FBL (Fahrenberg 1994) und der Nordische Fragebogen (Kuorinka 1987) eingesetzt. Resultate: In den Ergebnissen erwiesen sich bei den Angaben der Häufigkeiten der Risikobewertungen zu physischen und psychosozialen Belastungen ausgewählte Tätigkeitsmerkmale als Indikator für körperliche Beschwerden im gesamten Rückenbereich. Zusammenhänge zwischen Belastungsfaktoren und Beanspruchungsmerkmalen (seelische Gesundheit, Schmerzempfinden) konnten aufgezeigt werden. Im Praxiseinsatz zeigt sich die Methode als nützliches Instrument für Primärprävention. Diskussion: Für die Zukunft soll auf der Grundlage größerer Datenmengen (N=1000) das Erkennen von Risikomustern kombinierter physischer und psychischer Fehlbelastungen in Abhängigkeit von Arbeitsmerkmalen des Arbeitsverhältnisses sowie von Arbeitsumgebungsbedingungen angestrebt werden. Nach dem Vorliegen des aktuellen Ergebnisstandes zeigt sich, dass das Screening Gesundes Arbeiten (SGA) Hinweise in Bezug auf Zusammenhänge zwischen Arbeitstätigkeitsmerkmalen und körperlichen Beschwerden, vor allem MuskelSkelett-Beschwerden, aufzeigen kann. P16.8 Vorläufige Ergebnisse einer 2-Jahres-Verlaufsstudie zu Schmerzbeschwerden und deren Merkmalen bei Mädchen und Jungen M. Schlottmann, B. Pfitzer, A. Bergs, A.-K. v. Hielmcrone, F. Napp, P. Schmucker, A. Roth-Isigkeit Anästhesiologie der Universität zu Lübeck Fragestellung: Über den Verlauf von Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen während eines Zeitraumes von 2 Jahren gibt es gegenwärtig wenig Informationen. In der vorliegenden Studie wurden Merkmale von Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen (Prävalenz, Lokalisation, Dauer, Intensität, Häufigkeit) in einer 2-Jahres-Verlaufsstudie geschlechtsspezifisch untersucht. Methodik: Nach einer Ersterhebung (T1) an Lübecker allgemeinbildenden Schulen wurden die Kinder und Jugendlichen zwei Jahre später (T2) erneut mit Hilfe des Lübecker Schmerz-Screening-Fragebogens zu ihren Schmerzen in den letzten 3 Monaten und deren Merkmalen befragt. Nur Kinder und Jugendliche, welche an beiden Erhebungen teilgenommen hatten, konnten für diese Teilauswertung berücksichtigt werden (N=3517). Das Signifikanzniveau wurde festgelegt auf p<0.05. Ergebnisse: Die 3-Monats-Prävalenz von Schmerzen betrug zum Zeitpunkt T1 85,1% und T2 88,1%. Mädchen (T1:87,2% vs. T2:90,3%) und Jungen (T1:82,4% vs. T2:85,2%) berichteten nach 2 Jahren signifikant häufiger über Schmerzbeschwerden in den letzten 3 Monaten als zum Zeitpunkt T1. Häufigste Hauptschmerzlokalisationen in beiden Erhebungen waren Kopf- (T1:31% vs. T2:31,2%), Rücken- (T1:10,3% vs. T2:14,8%), Gliedmaßen- (T1:14,7% vs. T2:13,9%) und Bauchschmerzen (T1:10,5% vs. T2:8,5). Rücken als Hauptschmerzlokalisation wurde zum Zeitpunkt T2 (Mädchen 13,4% / Jungen 16,5%) signifikant häufiger von mehr Mädchen und Jungen als zum Zeitpunkt T1 (Mädchen 9,9% / Jungen 10,7%) angegeben. Ein Bestehen der Hauptschmerzen länger als 3 Monate gaben Mädchen und Jungen zum Zeitpunkt T2 (Mädchen 55,6%, Jungen 43,3%) signi-
fikant häufiger als zum Zeitpunkt T1 (Mädchen 44,7%, Jungen 36,7%) an. Die Schmerzintensität wurde anhand einer VAS (1-10) erhoben. Die mittlere Schmerzintensität stieg nach 2 Jahren sowohl bei den Mädchen (von VAS 5,7 auf 6,0) als auch bei den Jungen (von VAS 5,4 auf 5,5) signifikant an. Eine Häufigkeit ihrer Schmerzen von mindestens 1x pro Woche gaben in T1 40,3% der Mädchen und 34,9% der Jungen an. Nach 2 Jahren berichteten Mädchen (T2:45,2%) und Jungen (T2:40,2%) signifikant häufiger, ihre Schmerzbeschwerden mindestens 1x pro Woche zu haben. Schlussfolgerung: Im 2-Jahres-Verlauf nahmen sowohl bei Mädchen als auch Jungen die 3-Monats-Schmerzprävalenz und die Prävalenz einer Schmerzdauer länger als 3 Monate, die Schmerzhäufigkeit, die mittlere Schmerzintensität sowie die Häufigkeit von Rückenschmerzen als Hauptschmerzlokalisation zu. Die Ursachen dafür müssen in weiteren Studien näher untersucht werden. P16.9 Unterschiede von Beeinträchtigungen durch Schmerzen, sowie der Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen aufgrund von Schmerzen bei Mädchen und Jungen – Vorläufige Ergebnisse einer 3-Jahres-Verlaufs-Studie A.-K. v. Hielmcrone, A. Bergs, F. Napp, B. Pfitzer, M. Schlottmann, P. Schmucker, A. Roth-Isigkeit Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Fragestellung: Ziel der vorliegenden Studie war es, die Schmerzprävalenz, Beeinträchtigungen durch Schmerzen, sowie Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen aufgrund von Schmerzen bei Mädchen und Jungen im Verlauf von 3 Jahren zu untersuchen. Methoden: Die Datenerhebung der Studie „Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen“ fand mittels des Lübecker Schmerz-Screening-Fragebogens an allgemeinbildenden Schulen in Lübeck statt. Der Fragebogen beinhaltet Fragen zu Schmerzen in den letzten drei Monaten und deren Merkmalen. Drei Jahre nach der Basiserhebung (T1) fand eine Follow-up-Erhebung (T2) statt. Von 2587 Fragebögen (T2) konnten 940 für diese Teilauswertung ausgewertet werden, da von diesen Kindern sowohl zu T1 als auch zu T2 ausgefüllte Fragebögen vorlagen. Untersucht wurden Beeinträchtigungen durch Schmerzen, sowie Unterschiede in der Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen bei Mädchen und Jungen. Das Signifikanzniveau wurde auf p<0,05 festgelegt. Ergebnisse: Die 3-Monats-Schmerzprävalenz stieg bei Mädchen im 3-Jahresverlauf von T1 zu T2 (T1:83,0%; T2:92,9%) signifikant an. Bei Jungen stieg die Schmerzprävalenz nicht signifikant an (T1:82,5%; T2:82,7%). Aufgrund von Schmerzen gaben Mädchen zu T2 im Vergleich zu T1 signifikant häufiger Beeinträchtigungen an: „Schlafprobleme“ T1:41,3% vs. T2:56,9%; „Nichttreffen können von Freunden“ T1:35,4% vs. T2:42,1%; „Nichtausüben können von Hobbys“ T1:44,6% vs. T2:55,8%. Bei Jungen wurden im 3-Jahres-Verlauf keine signifikanten Veränderungen in Bezug auf Beeinträchtigungen durch Schmerzen ermittelt. Im 3-Jahres-Follow-up berichteten signifikant weniger Jungen (T1:39,6%; T2:29,8%) einen Arzt aufgrund von Schmerzen konsultiert zu haben. Mädchen gaben eine signifikant häufigere Medikamenteneinnahme aufgrund von Schmerzen im Verlauf von T1 zu T2 an (T1:34,9%; T2:45,2%). Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Schmerzprävalenz von Mädchen, im Vergleich zu Jungen, im Verlauf von 3 Jahren steigt und geben Hinweise darauf, dass Mädchen durch Schmerzen im Verlauf von 3 Jahren stärker in ihren Alltagsaktivitäten beeinträchtigt sind als Jungen. Mädchen berichteten im 3-Jahres-Verlauf häufiger als Jungen eine Medikamenteneinnahme aufgrund von Schmerzen. Bei Jungen nahmen Arztbesuche aufgrund von Schmerzen im 3-Jahres-Verlauf signifikant ab. Die Gründe hierfür sollten in weiterführenden Verlaufsuntersuchungen Thema sein. Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Abstracts P16.10 Ganglion cervicale superius: Anatomische Variation als besonderes Risiko für eine intravasale Injektion? S. Wirz, H. C. Wartenberg, J. Nadstawek, I. Kinsky Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Anatomisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn Fallbericht: In einem anatomischen Präparat wird eine Variante des zervikalen Anteils der Arteria carotis interna demonstriert. Im Bereich der Punktionsstelle des Ganglion cervicale superius besteht ein enger Kontakt der gekurvt nach medial verlaufenden Arteria carotis interna und der Pharynxwand. Der Abstand zwischen Gefäßlumen und dem endopharyngealen Raum beträgt lediglich ca. 5 mm. Bei der Punktion des Spatium parapharyngeale zur Durchführung einer ganglionären lokalen Opioidapplikation am Ganglion cervicale superius besteht bei dieser häufigen Gefäßanomalie (25%) die Gefahr einer akzidentiellen intravasalen Injektion. Die Technik der ganglionären lokalen Opioidapplikation am Ganglion cervicale superius sollte bei älteren Patienten, bei denen die Inzidenz solcher Anomalien erhöht ist, mit besonderer Vorsicht und unter Beachtung aller Kontraindikationen angewendet werden. P16.11 Spezifische Hautwiderstandsveränderungen an Akupunkturpunkten D. Zaps1, S. Grasmueller1, R. Flatz1, B. Wiegele2, L. Lehmeyer1, J. Fleckenstein1, D. Irnich1 1 Interdisziplinäre Schmerzambulanz, Klinik für Anaesthesiologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität München, Innenstadt 2 Fachbereich Elektrotechnik, Fachhochschule Augsburg Hintergrund: Die Akupunktur hat sich in der Behandlung verschiedener Schmerzzustände als effektives Verfahren erwiesen. Es wird postuliert, dass sich Akupunkturpunkte durch einen erniedrigten elektrischen Hautwiderstand auszeichnen (1). Der Hautwiderstand soll sich dabei spezifisch bei artifiziellen Einwirkungen und pathologischen Prozessen verändern. Diese Arbeit soll erstmals zeigen, inwiefern diese Effekte zu Veränderungen des Hautwiderstandes an Akupunkturpunkten führen. Methodik: Ein speziell von der FH Augsburg entwickelter Meßarray mit 64 Elektroden auf einer Trägerfolie von 6x6cm ermöglicht, eine definierte Fläche nahezu zeitgleich hinsichtlich ihrer elektrischen Leitfähigkeit zu vermessen (2). Untersucht wurden die Hautwiderstände im intraindividuellen Vergleich zum jeweils umgebenden Hautareal über den Akupunkturpunkten Gb34 und Ma38 bei Patienten nach operativen Eingriffen an Schulter (30 Patienten) oder Hüfte (laufende Evaluation). Parallel erfolgte ein interindividueller Vergleich durch Messung an gesunden Probanden bzw. Patienten nach Augenoperation. Zusätzlich wurde bei 81 Probanden nach Fahrt mit einem Schwindel erregenden Fahrgeschäft auf dem Oktoberfest der Hautwiderstand über Pe6 gemessen. Zur Kontrolle wurde bei Patienten, die den genannten Einflüssen nicht unterlegen waren, der Hautwiderstand bestimmt. Ergebnisse: Die Messung der Hautwiderstände über den Akupunkturpunkten Gb34 und Ma38 zeigten bei Patienten nach Schulteroperation keine statistisch signifikanten Unterschiede im Vergleich zu den beiden Kontrollgruppen. Dennoch konnten in allen Gruppen signifikant erhöhte (8 – 23%) aber auch erniedrigte (18 – 24%) Hautwiderstände im intraindividuellen Vergleich gemessen werden. Nach Fahrt in einem schwindelerregenden Fahrgeschäft war der Hautwiderstand über Pe6 im Vergleich zu der gesunden Kontrollgruppe signifikant verändert (p < 0,05). Die Probanden wiesen in 42% (Kontrollgruppe 29%) einen erniedrigten und in 4% (Kontrollgruppe 8%) einen erhöhten Hautwiderstand auf. Schlussfolgerung: Es konnte gezeigt werden, dass eine vestibuläre Stimulation, zu einer signifikanten Änderung des Hautwiderstandes über Pe6 führt. Schultertraumata hingegen verursachen keine signifikanten Veränderungen des Hautwiderstandes über Gb34 oder Ma38 im interindividuellen Vergleich.
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Die Annahme, dass die Hautwiderstandsmessung zur Lokalisation von Akupunkturpunkten ggf. auch zur Diagnostik pathologischer Prozesse einsetzbar ist, muss anhand der Streubreite der vorliegenden Ergebnisse bei der Messung von Hautwiderständen in Frage gestellt werden. 1. Reichmanis et al. (1976) Am J Chin Med 2. Wiegele et al. (2006) Forsch Komplementarmed
Poster Preisträger Deutscher Schmerzpreis Pseudoradicular and radicular low back pain – a disease continuum rather than different entities? Answers from quantitative sensory testing R. Freynhagen, R. Rolke, R. Baron, T. R. Tölle, A.-K. Rutjes, S. Schu, R.-D. Treede Pain. 2007 Jun 13; [Epub ahead of print] Einleitung: In der Klinik wird zwischen radikulären und pseudoradikulären Rückenschmerzen unterschieden. Was unterscheidet aber diese Schmerzformen? Zur Differenzierung werden vermeintlich charakteristische klinische Kriterien herangezogen, zum Beispiel eine Dermatom-bezogene Schmerzausstrahlung über das Knie hinaus, motorische oder sensible Defizite, Reflexausfälle oder ein positives Lasègue-Zeichen bei Radikulopathien. Sind die Grenzen der Schmerzausbreitung unscharf und fehlen weitere Symptome, werden sie klinisch als pseudoradikulär bezeichnet. Eine solche differenzierte Charakterisierung ist zugleich auch im Hinblick auf das therapeutische Procedere wesentlich, da verschiedene Schmerzkomponenten (neuropathisch/ nozizeptiv) einer unterschiedlichen Therapie bedürfen. Fragestellung: Radikuläre Rückenschmerzen werden durch eine Schädigung neuronaler Strukturen gekennzeichnet, die mit einem sensiblen Defizit einhergeht. In der vorliegenden Studie sollte die Frage beantwortet werden, ob auch sogenannte pseudoradikuläre Rückenschmerzen im Rahmen einer differenzierten Sensibilitätsprüfung mittels einer quantitativen sensorischen Testung (QST) einen Funktionsverlust im somatosensorischen System aufweisen und ob sich das somatosensorische Profil von pseudoradikulären und radikulären Rückenschmerzpatienten überhaupt unterscheidet. Methodik: Wir untersuchten 30 Patienten mit ausstrahlenden Rückenschmerzen in die untere Extremität mittels standardisierter quantitativer sensorischer Testung entsprechend dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz (DFNS). Die Zuordnung der Patienten in eine pseudoradikuläre oder radikuläre Gruppe wurde von vier unabhängigen, erfahrenen Schmerzspezialisten durchgeführt. Als Kontrollgruppe dienten 16 nach Alter und Geschlecht exakt gematchte und gesunde Probanden. Ergebnisse: Nach Klinik, Schmerzzeichnung, Bildgebung und Elektrophysiologie stimmten bei 27 von 30 Rückenschmerzpatienten (90 %) alle vier Schmerzspezialisten mit Ihrer Zuordnung radikulär (L4S1; n=12) vs. pseudoradikulär (n=15) überein. Die QST-Profile offenbarten einen selektiven Verlust der Funktion myelinisierter Fasern der zugehörigen Dermatome in der Patientengruppe mit radikulärem Schmerz (Vibrationswahrnehmung, Wahrnehmung leichter Berührungsreize mittels von Frey Haaren, Kaltwahrnehmung). Die kontralateralen Dermatome waren ebenfalls betroffen, wenn auch in geringerer Ausprägung. Die sensorischen Profile des pseudoradikulären Patientenkollektivs spiegelten den gleichen Verlust der Funktion myelinisierter Fasern wider. Auch wenn hier die gefundenen Defizite quantitativ weniger ausgeprägt waren als bei dem radikulären Patientenkollektiv, fanden wir keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Patientengruppen. Schlussfolgerung: Diese Daten untermauern die hohe Sensitivität von QST bei der Detektion eines Funktionsverlusts dicker Fasern bei radikulären Kompressionssyndromen und belegen das Vorhandensein einer neuropathischen Schmerzkomponente bei Rückenschmerzen mit klinisch charakterisierter Radikulopathie. Die detektierten sub-
Autorenverzeichnis klinischen sensiblen Defizite in der pseudoradikulären Gruppe weisen darauf hin, dass auch diese Patienten eine neuropathische Schmerzkomponente haben können. Mit den für gewöhnlich angelegten klinischen Kriterien zur Diagnostik von Rückenschmerzpatienten kann eine Einordnung der verschiedenen Schmerzkomponenten selbst unter Zuhilfenahme apparativer Zusatzdiagnostik nicht sicher vorgenommen werden. Auch bei Patienten mit pseudoradikulären Schmerzmustern lassen sich mittels QST subklinische sensible Defizite und damit eine Affektion neuronaler Strukturen nachweisen. Unsere Daten legen nahe, dass pseudoradikuläre und radikuläre Symptome eher ein fließendes Krankheitskontinuum reflektieren, als dass sie Ausdruck unterschiedlicher Erkrankungen sind. Veränderungen im Rollenerleben beeinflussen die Schmerzempfindung E. Kut, N. Schaffner, A. Wittwer Collegium Helveticum Schmerz entsteht durch das enge Zusammenspiel physiologischer und psychologischer Faktoren. Wir vermuteten, dass Rollenerleben bestimmte Emotionen auslöst und verstärkt, und dass eine Veränderung im eigenen Rollenerleben Qualität und Intensität der Schmerzempfindung beeinflusst. Mithilfe von Rollenspielen haben wir untersucht, ob Schmerz besser ertragen wird, wenn ihm trotz unangenehmem und unvermeidlichem Kontext Sinn beigemessen werden kann. 21 Rollenspielern wurden jeweils vor und nach der Induktion zweier Rollen Hitzereize am Unterarm verabreicht. Während des Versuchs wurden Schmerztoleranz, Hautleitfähigkeit und Stimmsignale ermittelt. Es zeigte sich, dass sich die Schmerztoleranz der Versuchspersonen in der Rolle von Held und Heldin signifikant erhöht und in der Rolle des Feiglings erniedrigt. Helden und Heldinnen bewerteten die höher tolerierten Temperaturen als intensiver, aber nicht als unangenehmer. Feiglinge hingegen bewerteten bereits tiefere Temperaturen als verstärkt unangenehm. Die Schmerztoleranz der Frauen war niedriger, und ihre Schmerzbewertung war höher als jene der Männer. Rollenerleben beeinflusst demnach deutlich die Schmerzempfindung. Somit dürfte die Implementierung von Rollenspiel-Strategien von Nutzen für neue Schmerzbehandlungen sein.
Autorenverzeichnis A Ackermann, K. 85 Anderson-Hillemacher, A. 123 Andreas, J. 83 Angermann, K. 66 Anton, F. 14, 94 Appel, C. 20 Arndt, K. 97 Arnold, B. 21, 134 Aßmann, S. 129 Azad, S. C. 8
B Bach, M. 102 Bachmann, B. 138 Bär, K.-J. 40 Bardenheuer, H. J. 134, 135 Baron, R. 8, 29, 30, 48, 55, 56, 93, 95, 107, 109, 114, 144 Bartoszek, G. 72 Basler, H.-D. 43, 47 Batke, M. 85 Baum, E. 43 Baumgärtner, U. 9, 90 Beck, H. 77 Becker, A. 43 Becker, S. 77 Becker, V. 100 Belin, P. 91 Benrath, J. 135 Bergs, A. 103, 141, 143 Berliner, M. 130 Berthele, A. 13 Beyer, W. F. 45 Beyreuther, B. 115 Biehl, K. 97, 106 Bienek, K. 84 Binder, A. 8, 107, 109, 114 Bingel, U. 14 Birbaumer 8 Birklein, F. 29, 88, 90 Blättermann, G. 66 Bleichhardt, G. 9 Blumberger, A. 128 Blumenau, S. 96 Blumenstiel, K. 42 Bohe, M. 98 Böhm, K. 66 Bohus, M. 9, 40 Bolay, H. V. 134 Bongardt, S. 121 Böning, S. 127 Bornhövd, K. 100, 101, 102, 117, 124, 125, 130 Bornschlegel, U. 34, 67 Boße, B. 123 Boujong, D. 74, 105, 133 Brasser, M. 112 Braun, H. 112 Breunig, F. 107 Briffa, K. 80 Brinkers, M. 117, 127
Brock, J. A. 92 Brockmann, N. 98 Brodner, G. 63 Brosz, M. 136 Brückner, I. 66 Brüggemann, L. 128 Brune, K. 58 Bschorer, K. 112 Buchner, M. 80 Burst, M. 112 Buruck, G. 142 Busch, V. 104 Busche, E. 24 Büschel, C. 51 Buschmann, U. 67
C Callizot, N. 115 Carrero, V. 80 Casser, H.-R. 12, 52 Caus, E. 86 Ceci, A. 97 Chacur, M. 93 Chappell, A. 120 Chenot, J.-F. 43 Christoph, T. 119 Clemens, K. E. 32 Col, R. De 110, 112 Craig, K. D. 91 Cremers, T. I. F. H. 119 Crispin, A. 109, 110
D Dagtekin, O. 121 Damask, M. 126 Damschen, U. 59 Dannenberg, C. 104 Darabaneanu, S. 98 Daubländer, M. 54 DeCol, R. 110 Delank, K.-S. 44 Demel, A. 87 Demirakça, S. 90, 92 Denecke, H. 128 Depmeier, C. 88 Derra, C. 60 Desjardins, P. 122 Deusch, E. 119 Deuss, U. 86 Dibbelt, S. 51 Dichgans, M. 98 Diener, H.-C. 28, 101, 104, 128, 129, 131 Dinse, H. 102 Dirkwinkel, M. 87 Dirnagl, U. 96 Dobe, M. 47, 128 Dohrenbusch, R. 127 Doil, A. 62 Donner-Banzhoff, N. 43 Doods, H. 97 Dörr, F. 107 Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Autorenverzeichnis Dötsch, G. 40 Dräger, D. 75 Duris, M. 119 Dusch, M. 87 Du Toit, N. 121
E Ebenbichler, G. 42 Eberhardt, B. 7, 60 Eberhart, L. 124, 125 Eberle, T. 88 Ehlert, U. 127 Eich, W. 42 Ellerkmann, R. K. 106 Ellert, U. 138 Ellrich, J. 26, 90, 91, 96 Elsen, C. 120 Elsner, F. 33 Empl, M. 142 Emrich, O. 66, 82 Enck, P. 39 Engel, A. K. 89 Englberger, W. 119 Epperlein, S. 66 Estner, P. 73 Ettlin, D. A. 104, 127 Ettlin, T. 16 Evers, S. 27, 28, 49, 87, 97, 98, 101, 103, 106, 108 Ewers, A. 35, 70, 75
F Fährmann, I. 22 Faulhaber, N. 118 Féchir, M. 88 Fehrenbach, P. 139 Felbinger, J. 142 Felde, E. 81 Fiedler, S. 70 Filitz, J. 88, 112 Findeis, T 135 Fischer, T. 35, 73 Fischera, M. 103 Flatz, R. 144 Fleckenstein, J. 144 Flor, H. 8 Follmer, D. 86 Förderreuther, S. 106 Fox, C. 131 Freilinger, T. 98 Freitag, M. 125 Frese, A. 27, 97 Freynhagen, R. 56, 144 Friderichs, E. 119 Friess-Ott, G. 74 Frömme, Y. 66
G Gaab, J. 127 Gabriele, L. 84 Gaida, W. 97 Galli, U. 127 Gamer, M. 88 Ganser, G. 128
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Gaßmann, J. 10 Gaul, C. 80, 84, 104, 105 Gawlitza, M. 90 Geber, C. 90 Geiss, C. 74 Geisthoff, U. 99 Gendolla, A. 24 Gerber, U. 140 Gerber, W.-D. 98, 99 Gerbershagen, H. 77, 121 Gerbershagen, K. 19, 51 Gerwe, M. 102 Geuze, E. 40 Gevargez, A. 84 Glavina, I. 104 Gnass, I. 73 Göbel, H. 99 Gockel, H. H. 131, 132, 134 Gockel, U. 136, 140 Goebel, A. 121 Goltz, N. 85 Gorodetskaya, N. 93, 95 Gosselin, F. 91 Gossrau, G. 104 Gralow, I. 18, 59 Grasmueller, S. 144 Grasshoff, C. 15 Gravou, C. 111 Greffrath, W. 40 Gregor, N. 106 Greitemann, B. 51 Grießinger, N. 71, 105, 111, 133, 136 Grimm, A. 139 Grond, S. 124, 125 Grönemeyer, D. H. W. 84 Große, K. 104 Grossmann, L. 93 Grotemeyer, K. H. 25 Grothe, B. 123 Grün, A. 141 Gündel, H. 91 Gunreben-Stempfle, B. 133 Guralnik, V. 99 Gussek, A. 84 Gustorff, B. 118, 135 Güttler, K. 55
H Haag, G. 49 Hachemi, H. 131 Hafenbrack, K. 65, 66 Hafner, C. 74, 133 Hagemann, C. 131 Hagmeister, H. 60 Hall, T. 80 Hamilton, C. 44 Hanesch, U. 14, 94 Hanisch, I. 117 Hankemeier, U. 140 Hanna, M. 126 Hansen, C. 88 Hansen, L. 5 Happe, S. 58 Härtig, S. 131 Hartlapp, C. 67
Hasan, C. 47 Hasseler, M. 35, 73 Hauck, M. 79, 89 Haupt, A. 74 Hausenblas, N. 9 Häuser, W. 38, 81 Haussleiter, I. S. 113 He, L. 107 Hechler, T. 128 Heckes, B. 118 Heinemann, N. 106 Heinrich, M. 10 Hellen, P. 96 Hempelmann, G. 137 Henck, A. 74 Hennies, H.-H. 119 Hermann, C. 26, 90, 92 Herzog, S. 70, 75 Hielmcrone, A.-K. v. 103, 141, 143 Hildebrandt, G. 67 Hildebrandt, J. 22, 41, 43 Höchtl, K. 118 Höderath, P. 67 Höffken, O. 102 Hoffmann, E. 60 Hoffmann, J. 66, 96 Hoffmann-Menzel, H. 32 Hoffmeyer, D. 117, 127 Hoheisel, U. 93, 95 Hohmeister, J. 90, 92 Holl, T. 139 Hopp, M 123 Howoritsch-Steinberg, M 128 Huber, C. 136 Huber, S. 19 Hübner, B. 128 Hugger, A. 24 Humbert, T. 100 Hünseler, C. 87 Hüppe, M. 34 Husstedt, I. W. 26, 59, 87, 97, 98, 103, 108
I Ihmsen, H. 88 Irnich, D. 63, 109, 110, 144
J Jage, J. 53 Jäger, T. 94 Jahnel, U. 119 Jänig, W. 17, 30, 93, 95 Jansen, J.-P. 100, 101, 140 Jantsch, H. H. F. 90 Jester, I. 92 Jochims, A. 40 Jöckel, K.-H. 129 Joraschky, P. 104 Juif, P.-E. 14, 94 Jülich, A. 83 Jung, A. 99 Jung, K. 90 Junker, U. 85, 123, 136 Jürgens, T. 104
K Kafke, W. 116 Kaiser, K. 66 Kaiser, U. 132 Kajdasz, D. 120 Kalff, R. 115 Karst, M. 34 Kässner-Sohn, M. 82 Kaube, H. 107 Kayser, H. 7 Kelava, I. 131 Keller, A. 82 Keller, S. 43 Kern, K.-U. 56 Kern, U. 108, 112 Kessler, P. 124 Khanna, S. 126 Khodavirdi, A. C. 83 Kiefer, G. 110 Kinsky, I. 144 Kirillova, I. 95 Klaschik, E. 32 Klase, D. 109, 138 Klasen, B. 131, 132, 134 Klein, M. 140 Klein, T. 77 Kleinert, J. 139 Kliesch, S. 108 Klinder, K. 97 Klinger, R. 11, 39 Kljucar, S. 60 Klossika, I. 9 Klosterhalfen, S. 39 Knauf, R. 136 Knoblauch, H. 98 Koch, A. 136 Koch, B. 121 Kochen, M. M. 43 Kögel, B. 119 Kohlmann, T. 46 Konik, A. 128 Kool, J. 22 Kopke, K. 37, 75 Kopp, E. 134 Koppert, W. 87, 88, 95, 111, 112 Korb, J. 42 Kordy, H. 21 Korur-Fincanci, S. 40 Kosfelder, J. 128 Kothe, R. 39 Koulousakis, A. 83 Kozek-Langenecker, S. 86, 119 Kraan, J. 104 Kraemer, C. 108 Krämer, H. H. 90 Krämer-Kilper, O. 139 Kratzer, G. 132, 134 Krause, P. 106 Kraya, T. 105 Krebes, S. 128 Kress, H. G. 86 Kribs, A. 87 Kritzler, K. 123 Kritzmann, S. 88 Kroll, A. 90 Kröner-Herwig, B. 10, 26, 41, 47
Kropp, P. 59, 98, 99 Krull, E. 68 Kubiak, S. 128 Kuhn, D. F. M. 137 Kuhn, S. A. 115 Kusber, C. 128 Kut, E. 145
L Laekeman, M.-A. 23 Lambertz, D. 95 Landwehrmeyer 8 Lang, E. 133 Lang, P. M. 109, 110 Lange, C. 122 Lange, U. 115 Lanz, S. 105 Lärz, A. 66 Laszlo, H. 135 Lautenbacher, S. 136 Leffler, A. 95 Legat, M. 43, 60 Lehmann, C. 107 Lehmeyer, L. 144 Lehr, D. 43 Leißner, N. 40 Leone, M. 104 Leonhardt, C. 43 Leyendecker, P. 123 Lieb, B. 53 Lindena, G. 7, 33, 64, 141 Lindner, V. 61 Link, A. 122 Lipka, K. 138 Littschwager, G. 71, 74 Ljutow, A. 111 Lorenz, J. 79 Lorenz, U. 135 Lorenzen, J. 99 Löseke, E. 38 Lucke, E. 132 Lüder, S. 41, 63 Lüdtke, K. 80 Ludwig, J. 109 Ludwig, S. 136 Lüking, M. 27
M Mack, C. 130 Magerl, W. 8, 41, 88, 90 Maier, C. 8, 9, 50, 70, 75, 79, 113, 137 Maihöfner, C. 8, 28, 110, 112 Makowska, A. 96 Malessa, R. 100, 101 Mallison, R. 112 Mallwitz, J. 80 Malzacher, V. 24 Mann, K. 22 Mann, M. 137 Mann, U. 133 Mannuß, J. 82 Marcus, H. 77, 78 Marfurt, M. 69 Märkert, D. 71, 74
Marnitz, U. 65, 66, 84 Marquardt, F. 69 Martin, A. 128 Martin, J. 23 Marziniak, M. 25, 87, 99, 106 Mattenklodt, P. 74, 133 Mattia, C. 125 May, A. 102, 104 McCabe, C. 29 McDonough, J. P. 35 Mea, E. 104 Mease, P. 120 Méen, M. 119 Meinhardt, I. 131 Meißner, W. 18 Menke, A. 59, 128 Mense, S. 16, 19, 45, 93, 95 Messlinger, K. B. 10 Mette, E. 80, 84 Meyer, N. 73 Michaux, G. 14 Michel, S. 65 Miltner, W. H. R. 91 Moderjewsky, S. 131 Moessner, M. 21 Mohadjer, M. 107 Möllgaard, A. 85 Moosleitner, P. 132 Morris, L. 10 Moser, M. 80 Moskowitz, M. A. 5 Muders, T. 124 Mühlau, M. 91 Müller, A. 42 Müller, G. 80, 84, 112 Müller, H. 6 Müller, T. 60 Müller-Busch, H. C. 32, 49 Murken, S. 20 Mußhoff, F. 124
O
N
Q
Naber, K. 69 Nadstawek, J. 106, 120, 131, 140, 144 Nagel, B. 20 Nägeli, J. 127 Namer, B. 87 Napp, F. 103, 141, 143 Nau, C. 95 Nauck, F. 23, 60, 141 Neeb, L. 66, 96 Neidhart, T. 85 Nestler, N. 36, 62, 70, 75, 137 Neubart, R. 35, 73, 75 Neubauer, E. 21, 82 Neuhauser, H. 138 Neuwöhner, K. 141 Niederberger, U. 59, 98 Nikitina, E. 140 Nilges, P. 65 Nohn, C. 89 Nolte, T. 112
Quante, M. 79 Qurban, M. 103
Öchsler, M. 77 Oehmke, M. J. 137 Oelzner, P. 115 Oene, J. van 101 Offermann, C. 74 Ohnsorge, E. 124 Okamoto, A. 122 Osterbrink, J. 36, 62, 70, 75 Ostgathe, C. 141 Ostkirchen, G. G. 104, 128, 129, 131 Ow, D. von 67
P Paduch, T. 84 Palalic, E. 119 Palla, S. 127 Pannwitz, S. 66 Papavero, L. 11 Parthum, A. 70, 71, 136 Paul, P. 37 Petersen, P. 128, 131 Petz, T. 117, 127 Petzke, F. 77, 78, 121, 130 Pfau, D. 54 Pfeifer, K. 43 Pfingsten, M. 11, 22, 41, 43, 51, 58 Pfitzer, B. 103, 141, 143 Pietrek, M. 11 Pillipp, I. 70 Ploner, M. 9 Podranski, T. 137 Pöhlmann, K. 132, 134 Post, K. 141 Pothmann, R. 62 Prawitt, D. 88 Preuß, R. 66 Proietti Cecchini, A. 104 Pyerin, W. 85
R Radbruch, L. 33, 121, 141 Rainville, P. 91 Raith, I. 137 Rasche, D. 85, 109, 138 Rausch, V. 95 Rauschkolb-Loeffler, C. 122 Rautenstrauss, B. 88 Rech, D. 136 Rech, J. 136 Rehm, S. 61 Reichart, R. 115 Reimer, K. 123 Reinecke, H. 52 Reinisch, V. M. 99, 106, 142 Reitz, M. 96 Reuter, U. 26, 51, 66, 96, 101 Richarz, U. 117
Richter, H. 70, 75, 79, 113 Richter, P. 142 Rist, F. 53 Rittner, H. L. 14 Ritzdorf, I. 118 Rockland, M. 108 Rolke, R. 77, 78, 88, 144 Rolko, C. 54 Rönnau, A. 79 Rose, N. 67 Röska, K. 97 Roth, B. 87 Roth, S. 126 Roth-Isigkeit, A. 103, 138, 141, 143 Rottmann, S. 90 Ruckes, C. 123 Rüger, L. J. 109, 110 Rukwied, R. 87 Ruscheweyh, R. 96 Russell, J. 120 Rutjes, A.-K. 144
S Sabatowski, R. 31, 104, 121, 130, 132 Said Yekta, S. 91 Salecker, L. 74 Samel, J. 77, 78, 130 Sandkühler, J. 11, 15, 94, 96 Sandór, P. S. 104 Sarnow, E. 85 Sathyan, G. 117 Saur, P. 138 Schaefer, F. 87 Schäfer, A. 80 Schaffner, N. 145 Schaible, H.-G. 17 Schankin, C. J. 99, 142 Scharbert, G. 119 Scharnagel, R. 65 Schattschneider, J. 29, 107, 109, 114 Schaub 8 Schäuble, B. 100, 101, 102 Scheerschmidt, S. 66 Schenk, M. 62, 106 Scherbaum, N. 53 Scherens, A. 50, 75, 79, 113 Schiene, K. 119 Schikowski, A. 113 Schiltenwolf, M. 21, 45, 80, 82 Schindler, H. J. 24 Schleinzer, W. 31, 111 Schlereth, T. 30, 88 Schley, M. 87, 135 Schlottmann, M. 103, 141, 143 Schmahl, C. 9, 40 Schmelz, M. 19, 87, 110 Schmidt, C. O. 46 Schmidt, T. 80, 84, 123 Schmitt, L. 100, 101 Schmucker, P. 103, 141, 143 Schneider, E. 120 Schneider, J. 129, 130, 133 Schneider, S. 45, 82 Schoffnegger, D. 94, 96 Der Schmerz [Suppl 1] · 2007
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Autorenverzeichnis Schramm, S. 11 Schröck, S. 85 Schroeder, S. 62, 128 Schu, S. 144 Schuler, M. 48 Schulte-Mattler, W. 104 Schulz, M. 118, 135 Schüning, J. 113 Schutter, U. 118 Schüttler, J. 88 Schütze, A. 132 Schütze, G. 114 Schwalen, S. 101 Schwarzer, A. 49 Schwenkreis, P. 29, 79 Seddigh, S. 54, 64 Seeger, D. 22, 63 Seidel, W. 84 Seifert, F. 110, 112 Seyer, H. 115 Shmygalev, S. 130 Simon, D. 91 Sisch, E. 73 Sitte, T. 139 Sittl, R. 71, 74, 105, 111, 133, 136 Sivakumar, K. 117 Smith, T. 120 Söhling, M. 86 Sommer, C. 8, 107, 116, 139 Sorg, C. 91 Sorgatz, H. 52 Sostak, P. 106 Spirig, C. 127 Sprenger, T. 91 Stamer, U. 61, 124 Ständer, S. 18 Stankewitz, A. 102 Stegmann, J.-U. 122 Stein, C. 52 Steinberg, B. 100 Stengel, M. 61, 107, 114 Steup, A. 122 Steweling, W. 86 Stingl, M. 86 Stoehr, T. 115 Störmer, T. 41 Straub, M. 139 Straube, A. 25, 99, 101, 106, 142 Strenge, H. 98 Strohmeier, M. 13 Strube, J. 22 Strumpf, M. 48, 55, 66 Strupf, M. 87 Stüber, F. 124 Stude, P. 102 Stumpf, M. 100, 101, 124, 125, 126, 130 Summ, O. 106 Sycha, T. 118
T Tamke, B. 66 Tarau, L. 112 Tegeder, I. 50 Tegenthoff, M. 8, 102 Teliban, A. 93
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Theis, N. 134 Thewes, B. 131 Thierfelder, S. 121 Thipphawong, J. 117, 126 Thoma, R. 6, 131, 132, 134 Thomm, M. 36 Tilke, C. 112 Tode, J. 95 Tölle, T. R. 8, 91, 144 Tonhauser, T. 134 Tonner, P. H. 125 Toyka, K. V. 116 Traue, H. C. 40 Trautmann, N. 9 Treede, R.-D. 8, 9, 13, 40, 64, 77, 78, 90, 97, 144 Tretrop, J. 39 Trieger, A. 66 Trini, F. 110 Tronnier, V. M. 8, 85, 109, 138 Tröster, A. 88 Tschirner, M. 120 Tschötsch, S. 139 Türp, J. C. 24 Twycross, R. G. 31 Tzschentke, T. M. 119
U Üçeyler, N. 15, 107, 116 Uhlemann, C. 115 Ulrich, K. 105, 133 Upmalis, D. 122 Usichenko, T. I. 107
V Valet, M. 8, 91 Vermetten, E. 40 Vogel, C. 111 Vogt, A. 39 Vohn, R. 91 Voigt, A. 117, 127 Volk, T. 53 Vry, J. De 119
W Wachsmuth, J. 108 Wagner, J. 99 Wagner, T. 57 Wagner, W. 121 Walker, D. 120 Walter, J. 115 Wamsler, C. 62 Wang, H. 80 Warnat, I. 69 Wartenberg, H. C. 120, 131, 140, 144 Wasner, G. 8, 30, 48, 92, 107, 109, 114 Weber, H. 122 Weber, J. 86 Wegener, B. 98 Wehrfritz, A. 88 Weiser, T. 97 Weisse, I. 71, 72
Wendland, R. 116 Wendt, A. 41 Wendt, M. 107 Wiebalck, A. 60, 65 Wiegele, B. 144 Wiegemann, E. 128 Wiersma, S. 131 Wilhelm, I. R. 111 Wille, C. 74, 133 Winter, E. 132, 134 Wirz, S. 62, 106, 120, 131, 140, 144 Wittwer, A. 145 Wohlreich, M. 120 Wollgarten-Hadamek, I. 90, 92 Wolter, T. 107 Wöpking, S. 113 Wormit, A. F. 134, 135 Wrenger, N 128 Wutzler, P. 57
Y Yilmam, A. 129 Youn, D. A 131
Z Zaps, D. 144 Zeilhofer, H. U. 16 Zenker, S. 107 Zenz, M. 32, 70, 75, 137, 139 Zernikow, B. 47, 60, 128 Ziegler, D. 121 Zieglgänsberger, W. 12, 16 Ziehl, S. 81 Zimmer, C. 81 Zimmermann-Stenzel, M. 77, 82 Zohsel, K. 90, 92 Zülow, S. 131 Zunker, E. 129