FORSCHUNG
Berechnung und Simulation
Akustische Untersuchungen im Gesamtsystem Verbrennungsmotor-Getriebe Die Autoren Prof. Peter Gold ist seit 1992 Leiter des Institutes für Maschinenelemente und Maschinengestaltung IME und beschäftigt sich seit seinen Industrietätigkeiten mit der Lärmminderung von Getrieben. Dr. Ralf Schelenz leitet am Institut für Maschinenelemente und Maschinengestaltung IME als Oberingenieur unter anderem die Arbeitsgruppen Maschinendynamik und akustik. Dipl.-Ing. Jens Fechler war fünf Jahre Assistent am Institut für Maschinenelemente und Maschinengestaltung IME und beschäftigte sich mit dynamischen Untersuchungen. Seit 2002 ist er Mitarbeiter der ZF Friedrichshafen AG. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger ist Leiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen (VKA) an der RWTH Aachen. Dipl.-Ing. Christian Pilath ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen (VKA) an der RWTH Aachen. Dr.-Ing. Christoph Steffens ist Senior Engineer in der Sparte „Fahrzeugphysik / Akustik“ der FEV Motorentechnik, Aachen. Dipl.-Ing. Stefan Platen ist Projektingenieur in der Sparte „Fahrzeugphysik / Akustik“ der FEV Motorentechnik, Aachen.
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Die akustische Optimierung von Einzelkomponenten eines Maschinenverbundes, wie zum Beispiel Verbrennungsmotor mit Getriebe, führt nicht immer zu einer Reduktion der Schallemission des Gesamtsystems. Im Verbund der akustisch optimierten Einzelkomponenten können unerwünschte und unvorhergesehene Wechselwirkungen auftreten und zu erhöhter Schallemission führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei der Entwicklung lärmarmer Produkte die gesamte Schallentstehungskette von der Anregung bis zur Schallabstrahlung zu betrachten. In einem Gemeinschaftsprojekt ist am Institut für Maschinenelemente der RWTH Aachen und am Lehrstuhl für Verbrennungsmotoren der RWTH Aachen eine Simulationsmethodik entwickelt worden, die die gesamte „Maschinenakustische Entstehungskette“ eines Motor-Getriebeverbundes abbildet [1].
1 Gegenstand der Untersuchungen
Gegenstand der Untersuchungen ist die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe in Bezug auf Anregungsmechanismen und Körperschallflüsse an einem 4-ZylinderOttomotor mit Fünfgang-Schaltgetriebe. Dabei kommen verschiedene kommerzielle Softwareprodukte aus den Bereichen
Drehschwingungsberechnung, Mehrkörpersimulation und Finite-ElementeMethode zum Einsatz. Zur weiteren Analyse werden detaillierte experimentelle Untersuchungen auf einem Akustikprüfstand durchgeführt. Die Ergebnisse der experimentellen Analyse dienen unter anderem der Verifikation und Abstimmung der Simulationsmodelle sowie der Ermittlung von Eingabedaten für die Anregungsberechnung (Zylinderdruck).
Der vorliegende Beitrag ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer Forschungsaufgabe, die von der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA, Frankfurt) und der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV, Frankfurt) gestellt und am Institut für Maschinenelemente der RWTH Aachen unter Leitung von Univ. Prof. P. W. Gold und am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der RWTH Aachen unter Leitung von Univ. Prof. Stefan Pischinger bearbeitet wurde. Die Arbeit wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA, Bonn) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF, Köln), (AiF-Nr. 12343N/1) finanziell gefördert.
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2 Vorgehensweise 2 Vorgehensweise
Der Simulationsablauf zur Bestimmung des akustischen Verhaltens des Gesamtverbunds von Motor und Getriebe entspricht im wesentlichen der „Maschinenakustischen Entstehungskette“ Anregung, Übertragung und Körperschallantwort [2]. Ausgehend von der Anregungsberechnung erfolgt die Bestimmung der Körperschallcharakteristik des Antriebsaggregates. Zur Beurteilung des Einflusses der Wellenverlagerung und Wellenbiegung auf den Zahneingriff im Getriebe wird ein weiteres Simulationsmodell mit Hilfe des FVA-Programms DYLA II erstellt [3]. Im Anschluss an die Anregungsberechnungen erfolgt die Berechnung des Strukturübertragungsverhaltens und der Strukturantwort mit der Methode der Finiten Elemente. Anders als beim FVA–Programm DRESP, welches im wesentlichen den Drehfreiheitsgrad betrachtet, erfasst die hier ebenfalls eingesetzte Mehrkörpersimulation des Motor-Getriebe-Verbunds die Biegedynamik von Kurbelwelle und Getriebewellen als zusätzliche Anregung [4]. Um diese dynamischen Biegeeffekte und andere flexible Eigenschaften der Wellen und der Gehäuse genauer abbilden zu können, werden diese Bauteile als Finite-Elemente in das MKS-Modell integriert. Bild 1 zeigt im Schnitt das MKS-Modell des Rumpfmotors mit Getriebe. Als bewegte Bauteile sind Kurbelwelle, Kolben, Pleuel, Schwungrad sowie die Getriebewellen zu sehen. Verwendung fand hier unter anderem die MKS-Software „Adams/Engine“. Die Modellierung des Zweimassenschwungrades (ZMS), des nicht-linearen hydrodynamischen Schmierfilms der Gleitlager der Kurbelwelle und der Kopplungen zwischen den Verzahnungen im Getriebe erfolgte durch spezielle Adams/EngineModule. Primäres Ergebnis der Mehrkörpersimulation sind Reaktionskräfte an den Lagerstellen der Antriebswellen (Kurbelwellenhauptlager, Getriebewellenlager). Darüber hinaus können aus den Ergebnissen der Mehrkörpersimulation weitergehende Aussagen über das dynamische Verhalten des Systems getroffen werden. Als Beispiel sei hier die Bewertung des Schwungradtaumelns bezüglich Körperschallanregung genannt. 3 Verifikation der Simulationsmodelle
Eine Grundvoraussetzung für belastbare Ergebnisse von Simulationsrechnungen ist, dass die entscheidenden physikali-
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Bild 1: MKS-Modell mit flexiblen Strukturen Figure 1: MBS-model with flexible bodies
3 Verifikation der Simulationsmodelle
Bild 2: Campbell-Diagramm der axialen Auslenkung des Zweimassenschwungrades Figure 2: Comparison measurement / calculation axial flywheel deflection (dual-mass flywheel)
Bild 3: Vergleich Messung und Berechnung (Körperschall / Nahfeldintensität) für Getriebe und Ölwanne Figure 3: Comparison measurement / calculation structure-borne noise / near field sound intensity
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4.1 Einfluss des Schwungradkonzeptes
Bild 4: Einfluss des Schwungradkonzeptes Einmassenschwungrad / Zweimassenschwungrad auf die Luftschallabstrahlung Figure 4: Influence of flywheel concept on the noise radiation
chung zeigen eine sehr gute Korrelation mit den Messergebnissen. Sowohl am Getriebe als auch an der Ölwanne wird der Frequenzgang richtig ermittelt, wobei sich die Pegel nur in geringem Maße unterscheiden. 4 Anregungsmechanismen
Die dynamischen Effekte der Kurbelwelle können die Geräuschentstehung des Antriebsaggregates wesentlich beeinflussen. 4.1 Einfluss des Schwungradkonzeptes
Bild 5: Interaktion der Hauptlagerreaktionskräfte mit der Schwungradtaumelbewegung Figure 5: Interaction flywheel deflection / crankshaft main bearing
schen Vorgänge qualitativ richtig abgebildet werden. Eine Verifikation mit experimentellen Daten ist daher notwendig. Die Simulationsmodelle werden mit messtechnisch relativ einfach zu bestimmenden Größen, wie der Drehungleichförmigkeit der Kurbelwelle, verifiziert. Auf dieser Basis sind tiefergehende Analysen von physikalischen Größen möglich, die einer Messung in der Regel nicht zugänglich sind. So sind die mit der Mehrkörpersimulation ermittelten Anregungsgrößen, wie die Hauptlagerreaktionskräfte, experimentell nur mit großen Aufwand messbar. Eine weitere Verifikationsmöglichkeit der MKS-Berechnung bieten die Messergebnisse der Schwungradtaumelbewegung. Bild 2 zeigt in Form von Campbell-
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Diagrammen den Vergleich der Taumelbewegung des Zweimassenschwungrades in axialer Richtung unter Volllastbedingungen. Zu erkennen ist sowohl in der Messung als auch in der Berechnung die deutliche Überhöhung in der vierten Motorordnung der Taumelbewegung bei etwa 5800/min. Ein quantitativer Vergleich zwischen Messung und Finite-Elemente-Berechnung ist in Bild 3 gezeigt. Verglichen werden die A-bewerteten Terzspektren der flächengewichteten Körperschallschnellequadrate mit Nahfeldintensitätsmessungen. Es ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Anregungskräfte als auch das Strukturübertragungsverhalten berechnete Größen sind. Die Ergebnisse der Bere-
Um den Einfluss des Zwei-MassenSchwungrades (ZMS) auf das dynamische Verhalten der Getriebewellen vertiefend untersuchen und bewerten zu können, wird der Motor-Getriebe-Verbund mit dem serienmäßigen ZMS und mit einem Ein-Massen-Schwungrad (EMS) vermessen sowie mit der Drehschwingungsberechnung bewertet. Der Vergleich der Luftschallmessung an Motor und Getriebe ist in Bild 4 dokumentiert. Es zeigt sich, dass das ZMS unter Leerlast zu einer Verringerung der Luftschallabstrahlung des Getriebes und zu einer Erhöhung der Luftschallabstrahlung des Motors führt. Unter Volllast zeigt sich am Getriebe die Filterwirkung des ZMS vor allem bei Drehzahlen bis etwa 4000/min. Dieses Verhalten korreliert mit den Messungen der Drehungleichförmigkeiten von Kurbelwelle und Getriebeeingangswelle. Im Vergleich zum EMS besitzt das ZMS kurbelwellenseitig eine zirka 30 % höhere Drehungleichförmigkeit in der zweiten Motorordnung infolge der geringeren Primärmasse. Auf der Getriebeseite zeigen sich jedoch die typischen
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Vorteile des ZMS: geringere Drehungleichförmigkeit der Getriebeeingangswelle und daraus resultierend geringere Drehmomentschwankungen an der Getriebeausgangswelle. Die damit verbundenen niedrigeren Reaktionskräfte in den Wellenlagern führen zu einer Reduktion der Schallanregung. Insbesondere unter Leerlast führt wegen des großen Anteils des Getriebes an der Gesamtschallabstrahlung der Einsatz eines ZMS in Summe zu einer Verringerung der Luftschallabstrahlung des gesamten Antriebes. In den experimentellen Analysen und auch in den Berechnungen sind deutliche Resonanzeffekte der Dynamik des Schwungrades detektierbar. Die berechnete Anregungskette von der Schwungraddynamik bis zu den Hauptlagern der Kurbelwelle ist in Bild 5 dargestellt. Im mittleren Diagramm ist über ein Arbeitsspiel (ZOT = 360° kW) die vertikale Reaktionskraft im fünften, schwungradnahen Hauptlager während eines quasistationären Drehzahlhochlaufes gezeigt. Deutlich zu erkennen ist zum Beispiel der mit steigender Drehzahl abnehmende Gaskrafteinfluss. Im linken Diagramm sind die Motorordnungen der Lagerreaktionskraft gezeigt. Auffällig ist die deutliche Erhöhung der dritten Motorordnung bei etwa 5800/min. Betrachtet man nun das Ordnungsspektrum der Schwungradbewegung in axialer Richtung (rechtes Diagramm), so ist ebenfalls eine Erhöhung, wegen eines Ordnungssprunges allerdings in der vierten Motorordnung, zu erkennen. Der Ordnungssprung tritt bei einem Wechsel vom orts-festen (Motorstruktur) zum mitbewegten Bezugssystem (Schwungrad) auf und führt zu einer Erhöhung oder Verringerung von Ordnungen um den Betrag 1 [5]. Somit ist gezeigt, dass eine Interaktion zwischen Schwungraddynamik und der Reaktionskräfte der Kurbelwellenlagerung stattfindet. Weiterhin konnte ein Einfluss auf die Schallabstrahlung ermittelt werden. In den Messungen mit ZMS ist in diesem Betriebspunkt eine Erhöhung in der dritten Motorordnung der Schallemission gemessen worden. 4.2 Biegeeinfluss der Kurbelwelle
Ein weiterer Punkt der Systemuntersuchungen ist die Betrachtung des Biegedynamikeinflusses des Kurbelwellentriebs auf die Getriebelagerkräfte. Das Biegemoment an der Getriebeeingangswelle wird experimentell bestimmt und für die einzelnen Betriebspunkte ausgewertet und dient als Anregung für die rechnerischen Untersuchungen. Ausgehend vom gemes-
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4.2 Biegeeinfluss der Kurbelwelle
Bild 6: Einfluss des Biegemoments (Wellenlagerkraft Getriebe) Figure 6: Influence of bending moment (resulting forces at gear bearings)
Bild 7: Einfluss Biegemoment auf den Zahneingriff: Fourierspektrum der Lagerkraft Vorgelegewelle antriebsseitig, Vergleich der Verzahnungssteifigkeiten Figure 7: Influence of the bending moment on the tooth contact: Fourier spectrum of bearing force on the driven side of the intermediate gear. Comparison of the tooth contact stiffness
senen Biegemoment wird eine äquivalente Kraft bestimmt, die auf die Getriebeeingangswelle aufgegeben wird, so dass an der Messstelle ein äquivalentes Biegemoment erzeugt wird. In Bild 6 ist exemplarisch das Spektrum der radialen Lagerkräfte eines Getriebelagers bei 30 % Teillast im 1. Gang und 3000/min dargestellt. Verglichen wird die Berechnung der Lagerkräfte ohne und mit aufgeprägtem Biegemoment. Im Amplitudenverlauf tritt das aufgeprägte Biegemo-
ment selbst als deutlichste Änderung hervor. Veränderungen der Lagerkraftspektren aufgrund des zusätzlichen Biegemoments sind feststellbar, allerdings sind diese Änderungen so gering, dass ein Einfluss der zusätzlichen Biegedynamik auf das akustische Verhalten des Getriebes bei diesem Versuchsträger nicht signifikant ist. Die Auswertung der übrigen Getriebelager sowie der weiteren berechneten Betriebspunkte bestätigt dies. Das FVA MKS-Getriebeberechnungsprogramm
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5 Körperschallfluss
Bild 8: Körperschallübertragung zwischen Motor und Getriebe Figure 8: Interaction between engine and transmission with regard to structure borne noise flow
Bild 9: Vergleich der Anregungskräfte von Kurbelwellenhaupt- und Getriebewellenlager, Einfluss auf die Körperschallcharakteristik Figure 9: Comparison of the excitation forces of engine and transmission and influence on the structure borne noise characteristic
DYLA II erlaubt es, insbesondere den Einfluss der Wellenverlagerung und Wellenbiegung der Getriebewellen auf den Zahneingriff und dessen Rückwirkung auf die Getriebelagerkräfte zu untersuchen. Das Schwingungsverhalten des Getriebes wird sowohl mit als auch ohne Biegemoment resultierend aus dem Kurbelwellentrieb ermittelt. Der Vergleich der Berechnungsergebnisse zeigt den Einfluss des Biegemomentes auf die Getriebedynamik. In Bild 7 wird die radiale Lagerkraft am antriebsseitigen Lager der Vorgelegewelle dargestellt (Motordrehzahl 3000/min, 30 Nm, 1. Gang). Die wesentlichen Frequenzen im Getriebe sind die vom Verbrennungsmotor angeregten Schwingungen sowie die Zahneingriffsfrequenzen mit ihren höheren Har-
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monischen. Die Berechnung mit Biegemoment an der Antriebswelle ergibt für die Reaktionskraft am antriebsseitigen Lager der Vorgelegewelle um 5 % höhere Amplituden für die Zahneingriffsfre-quenzen als die Rechnung ohne aufgeprägtes Biegemoment. Aufgrund der Berücksichtigung der dynamischen Verzahnungssteifigkeit ist die Anregung bei der Zahneingriffsfrequenz für den Konstantgang geringer. Im Gegensatz hierzu ergibt die Modellierung der Verzahnungssteifigkeit ohne Berücksichtigung der Überdeckungsvergrößerung (stat. Verzahnungssteifigkeit) unter Last für die Zahneingriffsfrequenz des Konstantgangs eine wesentlich höhere Schwingungsamplitude. Zusätzlich sind die quasistatischen und dynamischen Steifigkeitsverläufe für den
Konstantgang und den ersten Gang über der Zeit dargestellt. Während die quasistatische Verzahnungssteifigkeit des Konstantgangs wesentlich durch die Zahneingriffsfrequenz geprägt wird, wird die dynamische Steifigkeit von den Systemschwingungen überlagert. Hier sind neben den durch die Verzahnungsgeometrie verursachten Schwingungen auch die Systemfrequenzen und Anregungsfrequenzen des Motors zu erkennen. 5 Körperschallfluss
Prinzipiell kann ein Körperschallfluss vom Verbrennungsmotor auf das Getriebe und umgekehrt über zwei Wege erfolgen: den inneren oder den äußeren Körperschallleitweg. Als innerer Körperschallleitweg
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wird hier der Transferpfad über die Wellen verstanden, während der Transferpfad über die Gehäusestrukturen als äußerer Körperschallleitweg bezeichnet wird. Wie oben gezeigt, sind bei diesem Versuchsträger der Einfluss der Biegedynamik der Getriebeeingangswelle auf die Reaktionskräfte ihres Lagers und der Körperschallfluss über den inneren Leitweg aufgrund der Filterwirkung des Zweimassenschwungrades nur gering. Um Körperschallflüsse über den äußeren Leitweg zu identifizieren, sind Nahfeld-Schallintensitätsmessungen an Motor und Getriebe durchgeführt worden. In Bild 8 sind Ergebnisse als Schmalbandspektrum für Ölwanne und Getriebegehäuse gezeigt (Last 30 Nm, 3000/min, 1. Gang). Als für den Körperschallfluss entscheidende Frequenzen beziehungsweise Ordnungen werden identifiziert: ■ 29. Motorordnung (MO), zugeordnet dem Konstantgang: 1450 Hz ■ 21,75. Motorordnung (MO), zugeordnet dem 1. Gang: 1086 Hz ■ 19. Motorordnung (MO), zugeordnet Steuerkette Motor: 950 Hz. Im Schmalbandspektrum der Ölwanne und des Getriebegehäuses ist als dominante Spitze die 19. Motorordnung der Steuerkette zu erkennen. Es findet also ein Körperschallfluss vom Motor in Richtung Getriebe statt. Da ebenfalls, wenn auch auf weit niedrigerem Niveau, die Verzahnungsordnung des geschalteten ersten Ganges (29. MO, 1450 Hz) an der Ölwanne zu sehen ist, bedeutet das, dass auch Körperschall vom Getriebe auf den Motor übertragen wird. Damit ist gezeigt, dass der Körperschallfluss zwischen Motor und Getriebe in beide Richtungen erfolgt. Um die Richtung des Schallflusses weiter zu analysieren, sind in Bild 9 (linkes Diagramm) das berechnete Ordnungsspektrum der vertikalen Kraft im 4. Kurbelwellen-Hauptlager und im Lager der Getriebeeingangswelle gegenübergestellt. Die Kräfte beziehen sich auf 6000/min und Volllast im 4. Gang. Die dynamische Lagerkraft des Getriebelagers liegt im Mittel um den Faktor 100 bis 1000 niedriger als die des Kurbelwellen-Hauptlagers. Lediglich im Bereich der Zahneingriffsordnungen erreichen die Kräfte von Konstantgang (29. MO) und geschaltetem Gang (21,75. MO) Amplituden im Bereich der Motoranregung und darüber. In Bild 10 ist für die Aggregatoberflächen der Vergleich der berechneten Körperschallspektren in diesem Betriebspunkt gezeigt. Dargestellt ist die über alle Seiten flächengewichtete, A-bewertete Körperschallschnelle an der Oberfläche der Struktur des Antriebsaggregates im
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5 Körperschallfluss
Bild 10: Körperschallschnelleverteilung auf den Gehäusestrukturen bei Motor- und Getriebeanregung Figure 10: Comparison of structure borne noise characteristic with regard to engine and transmission excitation
Terz- und Schmalbandspektrum bei simultaner Motor- und Getriebeanregung und bei alleiniger Getriebeanregung. Die Differenz der Spektren verdeutlicht den Motorbeziehungsweise Getriebeeinfluss. Ein größerer Pegelabstand als 3 dB bedeutet eine dominante Motoranregung, während ein geringerer Abstand als 3 dB eine dominante Getriebeanregung ausweist. Im interessanten Frequenzbereich ist der Anteil des Getriebes am Gesamtpegel sehr gering mit Ausnahme der sehr prägnanten pegelbestimmenden Überhöhung in der Zahneingriffsfrequenz des 4. Ganges (2538 Hz). Um diese signifikante Überhöhung bei 2538 Hz genauer zu analysieren, wurde auf die Ergebnisse der rechnerischen Modalanalyse zurückgegriffen. Die Ergebnisse zeigen eine lokale Struktur-
schwäche des Getriebes bei 2540 Hz. Bei diesem Betriebspunkt kommt es somit zu dem akustisch ungünstigen Fall, dass eine erhöhte Anregung (Zahneingriffsordnung) und eine Eigenfrequenz einer lokalen Strukturmode zusammenfallen. Trotz dieser Strukturschwäche des Getriebes zeigte sich im gesamten Drehzahlband, dass das akustische Verhalten des Aggregates insbesondere unter höherer Last vom Verbrennungsmotor dominiert wird. Der Anteil des Getriebes am Gesamtkörperschallpegel, gerechnet mit den Lagerreaktionskräften als Anregung, liegt in diesem Betriebspunkt bei über 50 % im Vergleich zu Kurbelgehäuse, Zylinderkopf und Ölwanne, Bild 9, rechtes Diagramm. Da wie oben gezeigt die Luftschallemission des Getriebegehäuses maßgeblich vom
Danksagung Die Forschungsvereinigung Antriebstechnik und die Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen dankt Herrn Univ. Prof. P. W. Gold und Herrn Univ. Prof. S. Pischinger und deren Mitarbeiter für die Durchführung des Vorhabens sowie dem BMW A und der AiF für die finanzielle Förderung. Das Vorhaben wurde von einem gemeinsamen Arbeitskreis der FVA und FVV unter der Leitung von Herrn Dipl.-Ing. D. Doberauer, ZF Friedrichshafen AG, und Herrn Dipl.-Ing. O. Andres, MAN Nutzfahrzeuge AG, Nürnberg, begleitet. Diesem Arbeitskreis gebührt unser Dank für die große Unterstützung. Für die Bereitstellung der Versuchsträger gilt unser Dank Herrn Dipl.-Ing. A. Allrich, BMW AG, Herrn Dipl.-Ing. S. Müller, GETRAG Getriebe- und Zahnradfabrik, und Herrn Dipl.-Ing. R. Seebacher, LUK GmbH & Co.
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Verbrennungsmotor beeinflusst wird, findet ein Körperschallfluss vornehmlich in Richtung Getriebe statt. Die Getriebestruktur dient als Lautsprecher für die Anregung aus dem Verbrennungsmotor. 6 Zusammenfassung
Die rechnerische Simulaton des akustischen Verhaltens eines Motor-GetriebeVerbundes mit den eingesetzten CAE-Tools Mehrkörpersystem, Drehschwingungsberechnung und Finite-Elemente-Methode zeigt eine sehr gute Korrelation mit experimentell ermittelten Daten. Sowohl das dynamische Verhalten von Getriebewellen und Kurbelwelle als auch die Körperschallschnelleverteilung auf der Strukturoberfläche können richtig berechnet werden. Ein Zweimassenschwungrad führt zu einer reduzierten Schallanregung des Aggregates im Vergleich zum Einmassenschwungrad. Dabei ist die Drehungleichförmigkeit der Kurbelwelle aufgrund der niedrigeren Massenträgheit auf der Primärseite des ZMS erhöht. Durch höhere Trägheit auf der Sekundärseite führen die
deutlich verringerten Drehungleichförmigkeiten im Getriebe zu einer verringerten Schallanregung. Das Zwei-Massenschwungrad wirkt somit als Filter für den Transfer von Anregungen zwischen Motor und Getriebe. Es zeigte sich, dass die Kurbelwellenbiegedynamik keinen signifikanten Einfluss auf die Wellenlagerreaktionskräfte im Getriebe hat, somit also die Anregung im Getriebe dynamisch nicht wesentlich beeinflusst. Im Gegensatz hierzu ist die Berücksichtigung der Kurbelwellenbiegedynamik hinsichtlich der motorischen Anregung unerlässlich. Zusätzliche Berechnungen mittels DYLA II führen zu dem Ergebnis, dass durch den Einfluss der Biegung an der Antriebswelle die dynamischen Zahnsteifigkeiten deutlich durch Systemschwingungen überlagert werden. Der Körperschallfluss erfolgt vornehmlich über die Gehäusestrukturen vom Motor auf das Getriebe. Dabei stellt sich die motorische Anregung im Gesamtverbund als dominant heraus; das Getriebe dient als Lautsprecher für die Motoranregung.
Literaturhinweise [1]
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Pischinger, S., Steffens, C.; Pilath, C., Gold, P.W.; Schelenz, R.; Fechler, J, Pfleger, E., Quring, S.,: FVV-Forschungsvorhaben 747 Akustik Motor-Getriebe. FVV–Heft Nr. 739, 2002 Kollmann, F. G.: Maschinenakustik. Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo: Springer, 1993 Gold, P. W.; Schelenz, R.; Quiring, S.: DYLA II – Simulationsprogramm zur Ermittlung der dynamischen Lagerkräfte. FVA Forschungsheft Nr. 659, 2002 Gold, P. W.; Schelenz, R.; Holzapfel, M.; Leibbrandt, M.; Bühren, M.: DRESP–Simulationsprogramm zur Ermittlung der Beanspruchung von Antriebssträngen. FVA Forschungsheft Nr. 485, 1998 Kazuomi Ochiai, Mitsuo Nakano: Relation between Crankshaft Torsional Vibration.and Engine Noise., SAE Paper 790365, 1979
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