621 A l e x a n d e r K o e n i g : Avifauna Spitzbergensis. 1) B o n n 1911. Vor einem Jahr ungefiihr erschien Alexander Koenigs grofsangelegtes, yon allen Freunden arktischer Ornithologie mit Spannung erwartetes Werk tiber die Ergebnisse seiner Spitz, bergen Reisen. So weir wir die Litteratur zu iibersehen verm5gen - - mit alleiniger Ausnahme vielleicht eines Referates yon Francis C. R. Jourdain (Brit. Birds, vol. V, No. 10, 288--290) - - ist keine Besprechung, welche der Bedeutung des Koenig'sehen Werkes einigermafsen gerecht geworden ware, erschienen. Alle uns zu Gesicbt gekommenen Hinweise auf das Werk beschr~inken sich auf eine kurze Wiedergabe des Inbalts. Auch in der vorliegenden Zeitschrift ist des Buches bis heute nicht Erw~ibnung getan. Es erscheint uns aber geboten, auf die in mehr denn einer Hinsicht wertvolle VerSffentlichung, wenn auch versp~itet, an dieser Stelle hinzuweisen. Neben einer Besprechung des Inhalts mSgen einige Gesichtspunkte, die sich aus dem 8tudium des Werkes ergeben haben, erSrtert werden. NordenskiSld hat Spitzbergen das klassisehe Land der Polarforschung genannt, schon allein deshalb, weil es das erste Gebiet ist, in welcher man die Polarnatur wissenschaftlich nach allen Seiten kennen gelernt hat. Wenn sich diese Worte des schwedischen Gelehrten in erster Reihe auf geophysikalische Probleme beziehen, so dtirfen sie aber auch auf die Zoologie, bezw. auf die Ornithologie in Anwendung gebracht werden. Die ersten Hinweise aaf die Vogelwelt des grofsen arktischen Inselgebietes gehen bis zum sechszehnten Jahrhundert zurtick. Die alten Arbeiten inaugurieren die Epoche der Erforschung der Zusammensetzung der Avifauna Spitzbergens, welche mit dem Koenig'schen Werke einen gl~nzenden Absehlufs finder. Andere Fragen werden nun zur Diskussion kommen, auf welche noch hinzuweisen sein wird. Alexander Koenig lernte mit seiner Gattin zum ersten Male w/ihrend einer Hapagfahrt das arktische Gebiet kennen. Er besuchte im Juli 1905 an tier Westktiste Spitzenbergens den Bellsund und die Adventbai. Ein Pr~parator begleitete ihn auf der Reise. Der Einblick in die Grofsartigkeit der arktiscben Vogelwelt, die Sammlungen, die trotz der knapp bemessenen Zeit gemaeht werden konnten, liefsen in Koenig den Plan zur Reife kommen, auf eigenem Schiff, mit einer Anzahl yon Praparatoren das Spitzbergengebiet noch einmal zu besucben. 1) Avifauna Spitzbergensis. / Forschungsreison nach der Baren Insel / und dora Spitzbergen Archipel, mit ihren / faunistischen und floristischen Ergebnissen. / - - / Herausgegeben und verfafst / yon / Alexander Koenig. / - - ] Mit 74 Textbildern, 26 Heliogravuron, 84 Farbentafeln und einer Karte. / - - / Bonn 1911. / X ~ 294 p. gr. 40.
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Im Jahre 1907 gelangte der Plan zur Ausffihrung. Freiherr Geyr yon 8chweppenburg und Koenigs Assistent Dr. le Roi nahmen an dieser Reise tell, die yon Mitre Juni bis Ende Juli w~hrte. Die Biiren-Insel wurde besucht, dana ging es die Westkfiste hinauf zum Glockensund und Eisfjord, am KSnig Jakob Land entlang und schliefslich wurde versueht nach Norden vorzudringen, bis Packeis das Weiterkommen unmSglich machte. Dieser zweiten Reise schlors sich eine dritte, yon Anfang Juni bis Mitte Juli 1908, an, bei der sich den vorgenannten ornithologischen Begleitern noch Freiherr yon Berlepsch hinzugesellte. Dieses Mal waren 5 Priiparatoren an Bord. Die Reiseroute war im Anfang die gleiche wie im Vorjahre. NSrdlich ffihrte der Weg bis zur D~inen-Bucht. Dana ging es wieder sfidw~rts. Eine grol:se Zahl yon Kreuzfahrten zwischen der B~ren-Insel und dem stidSstlichen 8pitzbergen schlofs sich an. Diese Exkursionen ffihrten in die Regionen des Treib- und Packeises im Sfiden der Edgeinsel. Welter nach l~ordosten vorzudringen verhinderten die Eisverh~ltnisse. 8ehr reiche 8ammlungen wurden auch yon dieser Expedition heimgebracht. Die Ergebnisse dieser Reisen und darauf gegrfindeter 8tudien sind in dem vorliegenden Werk niedergelegt. Die Bearbeitung des hllgemeinen Tells (8.1--110) behielt sich Koenig selbst vor. Den speciellen ornithologischen Abschnitt (S. 115--270) verfafste le Roi. Die auf den Reisen gesammelten Coleoptera, Diptera, l:?ymenoptera, Trichoptera, Aphaniptera Araneae, wie die Moosfauna und die Pflanzen wurden yon Spezialisten wie Bernhauer und Daniel (Mfinchen) Lundbeck (Kopenhagen), Schmiedeknecht (Blankenburg), Dampf (KSnigsberg), Strand (Berlin) u. a. bearbeitet (8. 271--294). In ausgezeichneter Darstellung gibt Koenig die Beschreibung seiner Reisen. Die 8childerung der Wohnstatten der YSge! hat, gegenfiber frfiheren Arbeiten des Verfassers, ungemein an Lebendigkeit gewonnen. Die Ffille des tierischen Lebens, die Raumgebiete, in denen es sich dem aufinerksamea Beobachter zeigt, die Lebensbedingungen der einzelnen Arten, werden in einer Anschaulichkeit geschildert, die yon bewundernswerter Plastik ist. Neben den Reiseerlebnissen wird in diesem hbschnitt des Werkes eine Ffille sorgfitltiger, biologischer Beobachtungen mitgeteilt. Eine grofse Anzahl ganz ausgezeichneter Textbilder und Tafeln, auf welche wir noch zurfickkommen werden, begleiten die Koenig'schen 8childerungen. Die Litteraturfibersicht fiber die Ornithologie des 8pitzbergenarchipels, mit welcher le Roi den yon ihmbearbeiteten systematischen Tell des Werkes beginnt, ist, um mit Jourdain zu reded, ,,an extremely sound and valuable piece of work". Nur derjenige, der sich selbst in bibliographischen Arbeiten versucht hat, weirs die grofsen Schwierigkeiten, die sich solchen Untersuchungen entgegenstellen, zu wfirdigen. Dem Prinzip Elliot Coues' folgend,
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hat le Roi in seinem Verzeichnis nur solche Arbeiten aufgenommen, die er selbst gepriift hat. Seine ~bersicht ist yon ausgezeichneter Vollst~mdigkeit. Unterstiitzung fand er bei seinen Fachgenossen. Hans Gadow z. B. hat ihm zweifellos viele der selteneren Ver5ffentlichungen aus der Bibliothek Alfred Newtons, jetzt im Besitz des Zoolog. Museums der UniversitRt Cambridge, zugRngig gemacht. Le Roi's Litteraturiibersicht bringt far die Zeit yon 1598 bis 1910 146 Nummern. Da er eine Anzahl sehr seltener Werke - - wir nennen u. a. Gerrit de Veer (1598), Laing (1818), Keilhau (1831), Gaimard (1845) - - aufffihrt, so wiirde er mit der BeiMgung der Angaben, in welchen Biichersammlungen sich die betreffenden Werke befinden, den ornithologischen Bibliographen einen Dienst erwiesen hubert. Nebenbei sei hier erw~hnt, dars das Exemplar yon Gaimards sehr seltenem Grofs-Folio Werk aus der Bibliothek Paul Leverkiihns in den Besitz yon Charles van Kempen, St. Omer, iibergegangen ist. Le Roi schliefst seine Arbeit mit 1910 ab. Nachzutragen w~re nur weniges: 1911. G r a f Z e d l i t z , Streifziige eines Ornithologen in Spitzbergen; Mit Zeppelin nach Spitzbergen, Bilder yon der deutschen arktischen Zeppelin-Expedition. Berlin 1911, gr. 8 ~ p. 209--226. 1911. G r a f Z e d 1 i t z, [Uber Sterna macrura und eine ihr nahestehende schwarzffifsige Form yon Spitzbergen]; J. f. O. 1911, 164--165. 1911. G r a f Z e d l i t z , Ornithologische l~otizen yon der ,,Zeppelin-Studienfahrt" Spitzbergen Sommer 1910; J. f. O. 1911, 300--327. 1912. S c h a 1 o w, H., [Beziehungen zwischen Ost-GrSnland und Spitzbergen]; Verhandl. V. Int. Ornith.-Kongr. 1910, 77--78. 1912. l e R o i , O., Ober Somateria mollissima borealis yon Spitzbergen; O. M.-B. 1912~ 65--66. Eine Klippe, die sich bibliographischen Arbeiteu immer entgegenstellt, hat auch le Roi nicht zu umgehen vermocht. In dem sehr erklRrlichen Bestreben nach grSl:stmBglichster Vollst~ndigkeit werden, neben den eigentlichen fachwissenschaftlichen Arbeiten, auch vereinzelte kleinere, in den Werken anderer Disziplinen versteckt verSffentlichte Notizen gebracht, deren Hineinziehung in die Darstellung die M5glichkeit yon Auslassungen ~hnlicher Arbeiten und daher den Eindruck einer gewissen Unvollst~indigkeit, in sich schliefst. So fiihrt le Roi z. B. Arbeiten yon Gerritszon van Assure, Lamont, Martin, Dittmer, Sivers, Leach, Sluiter, de Berry u. a. auf, die vereinzelte, gelegentliche ornithologische l~otizen enthalten. Mit gleicher Berechtigung wie die oben genannten w~ren u. a. zu nennen gewesen: 1892. C r e m e r , L e o , Ein Ausflug nach Spitzbergen. Berlin 1892. gr. 80, 80 p. mit 12 Abbildungen, Tafel und Karte.
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1894. G r a t z l , A., Der Besuch der Inseln Jan Mayen und Spitzbergen im Sommer des Jabres 1892; Denkschr. d. Kais. Ak. d. Wissensch. Math.-Naturw. Klasse, 61 vol., 1894, 297--308 mit Karte. 1898. R fid i g e..r, W., Aligemeines fiber den Verlauf der Expedition nach dem europ~iischen Nord-Meer an Bord des D. Helgoland; Verh. Ges. Erdk. Berlin 1898, 430--448. 1899. R i c h a r d, J., Notes d'excursions au Spitsberg e t aux iles voisines; Compt. rend. d. Sc. de la Soc. Geogr. Paris 1899, 66--78. 1910. B r u c e , W. S., Spitsbergen, 1898 and 1899: Voyages with H. S. H. the Prince of Monaco; Scott. Geogr. Mag. Edinburg 1900, 534-550. [Larus eburneus Brutvogel in der Liefde Bay.] 1906. B a i c h i s , M. d e , Faune et Flore du Spitzberg; Bull. Soc. Languedocienne de Geogr. Montpellier 1906, vol. 29, 308--325. Weitere gelegentliche Notizen diirften sich finden bei: h. B i r u l a (Zool. Muzeja Imp. hk. St. Petersbg. 1899); A. v. B u n g e (Balt. Monatsschr. Riga, 1902); J. G. A n d e r s s o n (Ymer 1900); M. L e t e l l i e r (A travers la :Norw~ge et Spitsbergen, Paris 1897); B o n n a r (Scott. Nat. Hist. Soc. 1900); F. G r e g o r y (Tr. Liverp. G. S. 1898); A. F a u s t i n i (Riv. Fis. Math. e Sc. Nat. Pavia 1902). - Von grofsem Interesse sind die Zusammenstellungen, welche le Roi yon der Vogelfauna der B~ren-lnsel und des Spitzbergen Archipels gibt. Ffir die erstgenannte Insel ffihrt er 36 sp., yon denen 16 sichere BrutvSgel sind, auf; 9 Arten mehr, als Schalow in der Fauna arctica nannte. Bis auf Aegialites hiaticula, der brfitend gefunden wurde, sind es siimtlich zuf~illige Besucher, die seit 1904 ffir das Gebiet festgestellt wurden: Sturnus vulgaris, Turdus merula, T. iliacus, .Larus arge~tatus und L. marinus, .Lestris longicauda, 1Vettion crecca und Colymbus glacialis. Spitzbergen besitzt nach le Roi 52 sp., yon denen 29 als BrutvSgel bezeichnet werden. Scolopax rusticola, Cypselus apus und Cygnus musicus fehlen bei Schalow. Der Prozentsatz der Brutviigel ist im Verh~iltnis der ffir die Inseln nachgewiesenen hrten ftir beide Gebiete gleich: ca. 5.40%. Aus den allgemeinen Bemerkungen, die le Roi der Bearbeitung der einzelnen hrten vorausschickt, und in denen er Mitteilungen gibt fiber das Verh~tltnis der Zusammensetzung der Avifauna der B~iren-Insel und Spitzbergens, Verteilung der BratvSgel, Bemerkungen fiber die Vogelwelt des Kiinig Karl-Landes (22 sp., yon denen 12 als Brutviigel sicher nachgewiesen, weitere 4 sp. noch za erwarten sind), fiber Verbreitung der hrten im Westen and Osten des hrchipels, seien bier noch die StandvSgel genannt, die im Winter auf Spitzbergen verbleiben: .Lagopus
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hyperborea, Fulmarus glacialis, Somateria molllssima borealis, Uria lomvia und Cepphus grylle mandlii. Auf einen Punkt hat le Roi in den einleitenden, allgemeinen Bemerkungen nicht speziell hingewiesen, der aber u. E. eines gewissen Interesses nicht entbehrt. Es ist das Vorkommen westlich-palaearktischer ,,Land-Irrg~iste", am uns dieser alten Bezeichnung zu bedienen, auf den Inseln des hrehipels. Das Auftreten derselben regt zu interessanten Beobachtungen an. Aus der scheinbaren Unregelm~ifsigkeit des Vorkommens dieser G~iste wird sich vieileieht eine bestimmte Regel aufbauen lassen, wenn wir erst die noch unerforschten Windstrfmungen, die das Erscheinen solcher Arten bedingen, und die das Ablenken und Forttreiben aus der eigentliehen Zug- bezw. Strichrichtung beeinflussen, in ihrer Bedeutung ffir die Bewegungen der VSgel kenneu gelernt haben werden. Wir dtirfen wohl annehmen, dais die auf Spitzbergen und der B~iren-Insel gefundenen euro' piiischen LandvSgel yon der West- bezw. Nordwestktiste Norwegens gekommen sind. Von den insgesamt 9 Arten, die hier in Betraeht kommen, sind 4 auf Spitzbergen gefunden worden, die ftir die B~iren-Insel noeh nicht nachgewiesen wurden: Cypselus apus, Hirundo sp., Upupa epops und Corvus cornix. Beiden Inseln gemeinsehaftlich ist Turdus iliacus. Die Biiren-Insel besitzt his jetzt allein: Sturnus vulgaris, Turdus merula, _4nthus sp. und Loxia curvirostra. Fiir Jan Mayen, welches seine his jetzt nachgewiesenen europ~isehen LandvSgel sicher aus der gleichen Provenienz wie die vorgenannten arktischen Inseln, vielleicht abet auch aus sfidlicheren Gebieten erhalten hat, sind bis heute Vanellus
vanellus, Birundo rus~ica, Motacilla alba, Anthus trivialis, T. iliacus, T. pilaris, T. merula und •rithacus rubeculus nachgewiesen worden. Unter den vorstehend aufgeffihrten 8 Arten befinden sich 5, die wir noch nicht aus dem Spitzbergen Archipel kennen. huf die ausgezeiehnete und eingehende Bearbeitung der im speciellen Teil gegebenen Mitteilungen fiber die ffir die B~iren Insel und Spitzbergen sicher nachgewiesenen Arten vermSgen wit hier nicht einzugehen. Summarisch miichten wir auf folgendes hinweisen. Es finden sich: Eingehende Beschreibungen der verschiedenen Kleider yon
_Pleetrophanes nivalis, Lagopus hyperboreus~ Melanonyx brachyrhynchus, u. a.; Mitteilungen fiber die Verbreitung yon Lagopus hyperborea, _Pagophilus eburneus, Melanonyx brachyrhynchus, Nachweis des Vorkommens yon Larus marinus auf der B~ren-Insel; Eingehende oologische und nidologische und damit in Verbindung stehende biologische Beobachtungen u. a. fiber _Plectrophanes
nivalis, Arquatella maritima, -Phalaropus fulicarius, Xema sabini (deren Brfiten festgestellt wurde), Larus glaucus, Melanonyx brachyrhynchus, .Branta bernicla, ~r. leucopsis, yon welch' letzterer Art die ersten absolut sicheren Eier gesammelt warden;
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Rektifikationen verschiedener Angaben Schalow's in dessert Fauna arctica, besonders solche fiber die Verbreitung der LestrisArten; u. a. - Auf einige Ausffihrungen le Roi's mSchten wir an dieser Stelle etwas eingehender hinweisen. Im British Museum befindet sich ein aus der alten ,,Admiralty". Sammlung stammendes Exemplar yon Tringoides macularia (L.) mit der Fundortbezeichnung ,,Spitzbergen". Le Roi nimmt an, dafs die Angabe der Herkunft eine irrtfimliche sei, da ,,man es in jenen Zeiten mit der Provenienz nicht so genau nahm". Er hat die Art daher in der Liste der SpitzbergenvSgel nicht aufgeffihrt, sondern sie als eine derjenigen bezeichnet, die aus der hvifauna des Archipels zu streichen ist. Diesem Vorgehen gegenfiber lierse sich vielleicht folgendes entgegenhalten: Spitzbergen weist bereits zwei Arten auf, deren Verbreitungszentrum in tier nearktischen Region liegt: ~axicola oenanthe leucorrhoa und Somateria mollissima borealis, letztere als Brutart. Beide haben allerdings in der nearktischen Region eine weit nSrdlichere Verbreitung als Tringoidesmacularia, welcher als Brutvogel das gemiifsigte Amerika nach Norden nicht welt iiberschreitet. Yon Brutpl~ttzen, die a u f s e r h a l b des Brutzentrums im gemiihigten Nordamerika liegen, kennen wit das Hudson-Bai Gebiet, Labrador und das Mackenzie-River-Gebiet. Nach der Brutperiode streift die Art nordw~rts bis Alaska und siidw~rts bis Brasilien. Wenn nun le Roi sagt: ,,Das Yorkommen d e r amerikanischen Art in Spitzbergen mufs sehr auffallend erscheinen, u m s o m e h r als man sie noch n i e im a r k t i s c h e n G e b i e t angetroffen bat", so l~ifst sich dagegen einweaden, dafs die Auffassung yon der Begrenzuug des arktischen Gebietes eine sehr verschiedene ist. Schalow legt die Grenzen hoch nach Norden, Brauer und andere ziehen sie weiter im Sfiden. Letztere nehmea das nSrdliche Labrador, die Barren Grounds sfidlich bis zum Great Slave Lake und den grSfsten Teil Alaskas, - - Gebiete zum Tell, ffir welche Tringoides macularia noch als Brutvogel nachgewiesen worden ist - - in die arktische Region hineia. Die meisten der amerikanischen Ornithologen teilen diese Anschauungen. Zieht man ferner in Erw~gung, welche grofse Zahl central-nordamerikanischer hrten in GrSnland, sowohl aa der West- wie an der Ostkaste gefunden worden ist, so erscheint uns das Vorkommen des vorgenannten Watvogels auf 8pitzbergen immerhin nicht ganz unmSglich. Urinator adamsii Gray findet sich in der le Roi'scheu Aufz~hlung der Spitzbergen VSgel nicht erw~ihnt, auch nicht unter denjenigen Arten, die er als ungewifs fiir das Gebiet bezeichnet. Nun liegen aber fiber die genannte Art Mitteilungen verschiedener Beobachter vor, welche den gelbschn~bligen Eistaucher im Spitzbergen Archipel glauben beobachtet zu haben, die vielleicht doch erw~hnt zu werden verdienten. Die letzte Notiz hierfiber findet sich bei Graf Zedlitz (J. f. O. 1911, 300). Er sah am
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5. August bei der Amsterdam Insel einen Taucher, den !er 'als U. ada~nsii anzusprechen geneigt war. Da die genannte Art im I-Ierbst und Winter oft in grSfserer Menge die norwegischen Kiisten besucht (Collett, Ibis 1894, 269), da sio ferner verschiedentlich vom Herbst bis zum Friihjahr an den englischen Kasten angetroffen wurde, und da man annehmen daft, dais alle diese Iadividuen aus der Barents-See, dem n~chst gelegenen Brutgebiet, gekommen sind, so erscheint das Vorkommen der Art in den Spitzbergen Gew~ssern nicht ausgeschlossen. Ridgway hat 1874 (Am. Nat. VIII, p. 433) nach einem im Juli auf dem Peaks Island (Portland hai~bour, Maine) erlegten Exemplar eine Sterna portlandica beschrieben, welche das charakteristische Winterkleid der Sterna macrura trug. ,,Bill and feet uniform deep black." Die yon ibm gegebene Beschreibung stimmt vStlig mit derjenigen iiberein, weiche Graf Zedlitz yon den yon ihm im Juli oder August auf Spitzbergen gesammelten oder beobachteteu Seeschwalben-Individuen gibt, deren ArtzugehSrigkeit er aber often lassen mSchte. Ridgway vergleicht seine neue Species einerseits mit St. pikei Lawr. ( - - S t . macrura) und andererseits mit St. longipennis Nordm. ,,with black or reddish black bill, the point often whitish". Mit letzterer Art, welche Coues irrttimlich mit St. pikei identifiziert, und die eine sehr grofse Yerbreitung hat (Baikalseegebiet, Westktiste des Stillen Ozeans, Teile des Indischen Ozeans u.s.w.), der Arktis aber fehlt, dfirfte diese Seeschwalbe indessen nichts zu tun haben. Le Roi bezieht die Ridgway'sche Art auf St. macrura, wie dies auch schon Brewster und Saunders vor ihm getan haben. Zu dieser letzteren Art zieht er auch die in neuerer Zeit mehrfach in der Litteratur diskutierten schwarzschn~bligen und schwarzftifsigen Seeschwalben, welche im Spitzbergen-bezw, europiiischen Nordmeer im Sommer gesammelt wordeu sind. Er spricht die eigenartigen Kleider ftir solche vorj~ihriger, in der Entwickelung zuriickgebliebener Individuen der arktischen Seeschwalbe an. GrafZed[itz (J. f. O. 1911, 315) hat alle diese Fragen eingehend erSrtert. Er schliefst seine Untersuchung mit der Bemerkung, dais es zur endgfiltigen LSsung dieser Frage vor allem eines sehr gros nicht leicht zu beschaffenden Materials an WintervSgeln bedarf. Graf Zedlitz b~itt im Moment die Angelegenheit ftir noch nicht gentigend gekl~rt, um fiir oder wider Stellung zu nehmen, steht aber einer schwarzbeinigen St. macrura bis auf weiteres skeptisch gegeniiber, eine Ansicht, die wir teilen mSehten. Malmgren hatte 1865 zuerst die unterscheidenden Merkmale der spitzbergenschen Eiderente festgelegt, bTach ibm haben yon Heuglin, Schalow und Graf Zedlitz immer wieder betont, dais die auf Spitzbergen lebende Eiderente n ic h t die typische Somateria mollissima sei. Aus Mangel an grSnli~ndischem Material haben sie dieselbe zu der yon Malmgren Somateria thulensis benannten Form gezogen. Sie haben damit aussprechen wollen,
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dafs sic den Spitzbergen Vogel far etwas anderes als B. mollissima mollissima halten. Heuglin sowohl, wie auch sp~iter Schalow, haben tibrigens bereits die Vermutung ausgesprochen, dafs die Spitzbergen-Form mit derjenigen GrOnlands zusammenfalle bezw. derselben n~her stRnde als der typischen ,~. mollissima mollissiraa. Le Roi hat nun in dem vorliegenden Werke auf Grund ausreichenden Vergleichsmaterials tiberzeugend nachweisen kSnnen, dafs die Spitzbergen Form der Eiderente mit derjenigen GrSnlands identisch und als B. mollissima borealis Brehm 0824) aufzufiihren ist. Ein Irrtum ist es aber u. E., wean le Roi darauf hinweist, dafs Finsch (Zweite Deutsche Nordpolfahrt in den Jahren 1869 und 1870, 2. Bd. I. Abt. 1874, 209--211) die immer wieder aufgerollte Frage bereits vor ca. 40 Jahren endgtiltig erledigt habe. Finsch hat die Eigenartigkeit der Spitzbergen-Form tiberhaupt g a r n i c h t e r k a n n t , konntesie mithinauch nicht ,,zu den Toten legen", wie le Roi sagt. rich babe", schreibt Finsch, ,,das reiche mir vorliegende Material, einige 20 Exemplare aus Ostgr~nland, Spitzbergen, Norwegen und Schweden, u. s. w., mit einer Genauigkeit verglichen, die vielleicht eines besseren wiirdig gewesen w~re" und kommt dann nach l~ingeren Ausfiihrungen, die er in einer Tabelle zusammenfafst, zu dem Ausspruch, dafs die v o r h a n d e n e n leichtenAbweichungen lediglich individueller N a t u r sind, und dafs es nur eine Art: S. mollissima L. gebel Le Roi's Wunsch, den er am Schlufs seiner Ausfiihrungen ausspricht, dafs nach seinen Untersuchungen S. mollissima thulensis, d. h. eine eigene Spitzbergenform der Eiderente, nunmehr ,,hoffentlich endgQltig die verdiente Ruhe gefunden haben wird", scheint nicht so glatt in Erfiillung zu gehen, denn wir finden in der jtingst verSffentlichten Hand-list of British Birds (1912) yon Hartert die Bemerkung: ,,Somateria mollissima is replaced by c l o s e l y - a l l i e d f o r m s in North America, Greenland, S p it s be rge n, and north-east Asia". -Koenigs Avifauna Spitzbergensis wird fiir die Zukunft das standard work tiber die Vogelwelt des genannten arktischen Gebietes sein. Die Zabl der in demselben festgelegten Brutund StandvSgel wird sich wenig ~indern. VergrSfsern wird sich nur die Zahl der zuf~tlligenBesucher. Da zweifellos in postglacialer Zeit eine Verbindung Spitzbergens tiber die B~ren-lnsel hinweg mit dem nSrdlichen Europa bestanden hat, so dih'ften tiber diese alte Landbriicke hin auch heute noch manche Arten nach dem Norden wandern und streichen, die bisher auf den Inseln nur iibersehen worden sind. W a r u m sollten z. B. die bereits nach Jan Mayen verschlagenen, oben genannten Arten nicht auch einmal auf 8pitzbergen gefunden werden? Das Augenmerk in dieser Beziehung wird zunRchst auf diejenigen Formen zu richten sein, fiir welche bis jetzt keine s i c h e r e n Beobachtungen f~r die Spitzbergen Gruppe vorliegen. Le Roi ft~hrt als solche auf:
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Corvus corax. Larus canus. Calcarius lapponica. fUSCU8. leu'copterus. ~udromias morinellus. Querquedula circia. LeimOnitesl minuta. Cosmonetta histrionica. Actitis hypoleucus. Oidemia fusca. 1-1hodostetia rosen: Le Roi hat, wie v o r ihm schon Kfikeathal u~d SChalow~ darauf hingewiesen, dafs das V0geileben im Norden und Osten, weniger vielleicht im Westen, yon den Schaee- und Eisverhiiltaissen der einzelnen Jahre abhiiagig ist: Die grofsen Unte~rschiede in der alljahrlichea Besiedlung ,sind dadurch genugsam erkliirt. Immerhin wiirde es.interessant sein einma! darauf zu achten, o b einzelne hrten, natfirlich im Rahmen ihrer Lebenserscheinungen und ihrer Wohngebiete, mehr oder weniger an Gegendea gebunden sind, d i e dutch ihre grofsen Gegens~tze scharf yon einander geschieden sind: die Gletscher bedeckten Bergztige im Westen, die inneren Fjordgebiete mit ihren horizontalen Lagerungen mesozoischer und tertiiirer Gesteine, die centralen Bergketten, das fast unbekannte Nordostland wie die im Osten und Sfiden liegenden Inselgruppen. In eager Verbindung hiermit wfirden Fragen biologischer und physiologischer Art stehen, deren Liisung allerdings nur durch einen l~tngeren Aufenthalt bezw. eine Ueberwinterung in diesen unwirtlichen Gebieten der Arktis zu ermSglichen sein wtirde. -Zum Schlufs n0ch ein Weft fiber die aufsere Gewandung des vorliegenden Werkes. In der gesamten Ausstattung ist es das pr~ichtigste Buch, welches die deutsche ornithol0gische Litteratur aller Zeiten besitzt. Es stellt sieh den VerSffentlichungen der grofsen englischen Verleger wtirdig z u r Seite. Papier, Druck, Einband sind yon ausgezeichneter Gtite. Die bildlichen Beigaben sind ;vorziiglich. Auf 26 in Heliograviire bei Meisenbach Riffarth & Co. (Le!pzig) gedruckten Tafeln werden landschaftliche und ornithologische Darstellungen gegeben. Hier finden sich Bilder~ veil des intimsten Reizes. Daneben i~uft One Zahl trefflicher Textabbildungen. Weitere 34 Tafeln bringen Abbildungen yon ve~'schiedenen Arten, teils in ganzer Figur, tells KSpfe und Ftifse und Eier. Sie sind yon Keulemans, Thorburae, Schulze and Krause gezeichnet und bei A. Fritsch (Berlin) u. A. Greve (Berlin) in gerad~u mustergiiltiger Weise in Farbenlichtdruck vervielf~iltigt. Eine ausgezeichnete, auf Basis der deutschen Admiralit~tskarte entworfene Karte yon Spitzbergen,-mit den Reisea des Verfassers, ist der Veriiffentlichung beigegeben. 9 In der ganzen Erscheinung des Koeaig'schen Werkes kommt :die Freude des Verfassers am Buch in liebevoller Weise zum Ausdruck..Die Publikation ist eine typographische Musterleistung allerersten Ranges und in~ ihrer ganzen ~iufseren Gewandung ein Meisterwerk deutscher Buchkunst. -Journ. f. Orn. LX. Jahrg. Oktober 1912o 41
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Die vorstehende kurze Besprechung dfirfte zeigen, dafs dem Werke Alexander Koenigs fiber die Vogelfauna Spitzbergens und der B~iren-Insel eine bleibende Bedeutung in der gesamten ornithologischen Litteratur innewohnt, bleibend nicht nur in wissenschaftlicher Bewertung, sondern auch - - unseren deutschen VerSffentlichungen bisher fremd - - nach der kfinstlerisch-aesthetischen Seite.
Dem Herausgebcr zugesandte Schrlften. W. H a g e n. Die SturmmSwen (Larus canus L.) des Langen Werders. (Abdruck aus Arch. d. Ver. d. Fr. d. Naturgesc h. in Meckl. 66. 1912.) E. H a r t e r t , R. J o u r d a i n , F. T i c e h u r s t and F. W i t h e r b y . A Hand-List of British Birds. London 1912. F. W. H e a d l e y . The flight of birds. London 1912. H. L o h m a n n. Untersuchungen fiber das Pflanzen- und Tierleben der Hochsee im Atlantischen Ozean w~hrend der Ausreise der ,,Deutschland". (Abdruck aus Sitzgsber. Gesellsch. naturforsch. Freunde Berlin 1912, No. 2a.) F. v. L u c a n us. Uber die HShe des Vogelzuges. (Abdruck aus Ber. fib. d. V. Internat. Oraith.-Kongr. Berlin 1910.) m Beitr~ge zur Psychologie der VSgel. (Abdruck aus Ber. fib. d. V. Internat. Ornith.-Kongr. Berlin 1910.) M. M a r e k. Vom Herbstzug der Rauchschwalbe im Jahre 1911. (Abdruck aus Orn. Jahrb. 1912, Hft. 1, 2.) - - ,,Zec", eine Kolonie der sfidlichen SilbermSwe. (Abdruck aus Orn. Jahrb. 1911, Hft. 3, 4.) E. W. N e I s o n. Descriptions of two new species of Nun birds. from Panama. (Abdruck aus Smiths. Miseellan. Collect. Vol. 56, Nr. 37, 1912.) H. C. O b e r h o l s e r . A revision of the forms of the ediblenest swiftlet, Collocalia fuciphaga (Thunberg). Abdruck aus Proc. Unit. Stat. Nat. Mus. Vol. 42, 1912.) A. A. v a n P e l t L e c h n e r . ,,Oologia Neerlandica". Eggs of birds breeding in the Netherlands. Part 2 u. 3. T h e Hague 1912. R. R i d g w a y. The Birds of North and Middle America. Part V. (Bullet. Unit. Stat. Nat. Mus. No. 50. Washington 1911.) O. le R o i u n d H. F r e i h e r r G e y r v. S c h w e p p e n b u r g . Beitr~ge zur Ornis der Rheinprovinz. Erster Nachtrag zur ,,Vogelfauna der Rheinprovinz". (Abdruck aus Verhandl. d. Naturhistor. Yereins d. preurs. Rheinlande u. Westfalens. 69. Jg. 1912.)