Aus der Universititts-Nervenklinik Hamburg-Eppendorf. (Prof. Dr. N o n l~e.) Klinische
und anatomische
Studien.
[ ber die Pathogenese der multiplen Sklerose. (I. Mit~eilung.) Von
H. Pette. ~i~ 25 Abbildungen.
In vorliegender Arbeit wird fiber Befunde berichtet, die einem Arbeitsgebiet entstammen, mit dem wir uns in den letz~en Jahren eingehend besch~ftigt haben. In mehreren Mitteilungenl) habe ieh das Problem der Pathogenese akut eneeph~lomyelitischer Erkrankungen unbekannter Xtiologie unter dem Gesichtswinkel epidemiologiseher und experimentell-biologischer Tatsachen zu beleuchten versucht. Beobachtungen am Krankenmaterial der N o n n e s c h e n Klinik liegen reich zu der Apffassung kommen, daf~ g e w i s s e Formen encephalomyelitischer Erkrankungen seit e t w a K r i e g s e n d e h g u f i g e r geworden sin& Es handelt sich hierbei um Krankheitsbilder, deren Einreihung in das Schema bisher bekannter Krankheitsformen znngchst auf Sch~vierigkeiten stiel?. Die Fglle, die unter dem Bilde bald einer Encephalitis: bald einer Myelitis, h/*ttfiger aber noeh einer Encephalomyelitis auftraten, waren hinsiehtlich ihrer Symptomatologie und vor allem auch hinsichtlich ihres Verlaufes gut abgrenzbar yon den Krankheitsformen der epidemischen Encephalitis ur/d der Poliomyelitis. Meiner 1926 bereits ge/*ul3erten Ansicht, d~13 wit es hier keineswegs mit einer n e u e n Krankheit zu tun haben, dal3 es sich vielmehr um eine I(rankheitsform handelt, die tier m u l t i p l e n S k l . e r o s e n a h e s t e h t , ia vielleicht sogar mit ihr in b e z u g a u f das ~ u s l 6 s e n d e A g e n s g r u p p e n v e r w a l l d ~ , wenn nicht identisch ist, wurde seitens sachverst~ndiger 1) P e t t e , Dtsch. Zeitschr. L Nervenheilk. 1927, Bd. 96; Mflnch. reed. Wochenschr. 1927, Nr. 33 u. Mfinch. reed. Wochenschr. 1928, Nr. 5.
Uber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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A u t o r e n ( J a k o b, W o h 1 w i l 11)) mit grol)er Skelosis begegnet. DaB aueh andernorts H ~ u f u n g e n jener K r a n k h e i t s f o r m e n beobaehtet wurden, beweist die L i t e r a t u r . Wenige Monate naeh Erseheinen meiner ers~en Mitteilung hat R e d 1 i e h 2) fiber eine grS13ere A nzahl hierher gehSriger F~lle berieh~eL; kurze Zeit sparer aueh L e y und v a n B o g a e r ~ a ) . Experimen{ell-biologisehe Studien haben unsere Kenntnisse vom Wesen, vor Mlem yon der Pathogenese jenes F o r m e n k r e i s e s encephalomyelitiseher E r k r a n k u n g e n gefOrclerf. Es sei vorweg gesagt, dab unsere Einstellung auf des Problem der multiplen Sklerose, die mi~ den bisherigen Ansiehten zum Teil in W i d e r s p r u e h steht, in m a n n i g f a e h e r Hinsiehg des Ergebnis von jahrelang durehgeftthrten experimen~ell-biologisehen und anatomisehen Studien ist. Die yon m i r in friiheren Arbeiten dargelegte A u f f a s s u n g soll n u n m e h r mit weiteren ]3efunden beleg~ werden. W i r besehr~tnken uns in vorliegender Studie auf die Nfitteilung yon a n a t o m i s e h e n ]3efunden einiger besonders, prSgnanter, F M l e sog, al~u~er disseminierter Eneelohalomyeli~is. I h r wird eine zweite k l i n i s e h e Arbelt folgen. Oemeinsam mit D e m m e werde ieh fiber Ergebnisse ausgedehn~er ka~amnestiseher Untersuehungen, die unter besonderem Oesiehtswinkel an einem grogen K r a n k e n m a t e r i a l durchgeffihrt wurden, beriehten. I n einer dritten und letzten A r beit soll sehlieBlieh z u s a m m e n f a s s e n d nochmals des gesamte Problem des F o r m e n k r e i s e s gewisser infektiSser E r k r a n k u n g e n des Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s abgehandelt werden.
I. F ~ l l 1. 19j. Schneiderin E. M., mit belsmgloser Vorgesehie,hte, erkrank~ subaku~ mi~ einem Schw~chegeffihl in den Beinen, des M1m~hlich aufsteigend ~uf den ganzen K~rper iibergreift. Die linke Sei~e is~ e%w~s starker b,etroffen als die reehte. IIinzu kommen StOrungen der Augenmnskelinnervation, starkes Erbrechen, ersehwer~es Sehlueken und ers.ehwer~es Spre,chea. 14 Tage naeh Auftreten der ersten Erseheinungen Aufn~hme in die Klin~k. Bei dem kr~ftig gebattten und gut gen~hrten M~dehen findeg sieh an den inneren Organen auBer bvonehitisehen Ger/~usehen diffus fiber d er 1) J a k o b, W o h 1w i 1l, Dtsch. Zeitsehr. f. Nervenheilk. Bd. 96, S. 303. 2) R e d l i e h , Wien. klin. Woehensehr. 1927, Nr. 11 u. Monatsschr. f. Psychiatric u. Neurol. 1927, Bd. 64, S. 152. 3) L e y u. r a g B o g a e r t , Journ. de neurol, et psych. 1928, Nr. 1.
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Lunge und einem leise~ systolisehen Ger~useh tiber der H.erzbasis niehts Krankhaf~es. Die Kranke is~ vSllig au~ fremde Hilfe angewiesen; si,e vermag sick nieht allein aufzusetzen nnd aufgesetzt nieht allein zu sitzen. Die linksseitigen Extremitg~en sind starker paretisek als die rechtsseitigen. Alle Bewegungen sind mSglieh, jedoeh mit stark verringer~er Kraft. Kein Pr~dilektionstyp. Dad linke Auge steht infolge L~hmung des Abdneens in Sehielstellung. Grobsehlggiger Nystagmus naeh gllen Bliekriehtungen, am s~grksten beim Bliek neck reehts. Pupillen gleichweir, prompte ReakUonen. Sehnervenpapille beiderseits leieht hyper-
Abb. 1. Sehnitt dutch die Medulla oblongata. Neben sch~rf umsehriebenen, wallar~ig begrenzten Herden aueh einzelne diffuse Herde. Saumartiger Herd lgngs der Medianfissur, der sieh zentrMwi~rts fortsetzt. Marginale Herde. (N is s lF/~rbung.) gmisck und unseharf in der Begrenzung. Facialisschwgche linkerseits. Dis Zunge wird nur mtthsam itber die vordere Zahnreihe gebraeh~. @aumen-Raehenmuskulatur stark ioaretiseh. Sprache bulb~r, n~selnd. Periost- . und Sehnenreflexe an den oberen Extremi~aten lebhaft M a y e r s Reflex beidersei~s s, Patellar- und Aehillessehnenreflexe gesteigert, links unerseh5pflieher, reehts ersehSpflicher PuGklonus. B a b i n s kisehes Zeiehen links @, rech~s s, 3 / i e n d e l - B e e h t e r e w s e h e s und R o s s o l i m o s e h e s Zeiehen 0. Von den Bauehdeekenreflexen sind nur die oberen sehwach auslSsbar, w~hre~d di.e mittleren und unter,eJa fehlen. SensibilitY% ohne grSbere St6rungen. Grol3e Ungesehiekliehkeit im Ge-
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braueh der H~nde, besonders links. Deu~liehe Ataxie beim FingerNasenversueh, links mehr als reehts. Liquor: Druek nieh~ erhSht. Pgndy-ReakUon schwa& -{-, N o n n e s und W e i e h b r o d ~ s Reak~i~n o. Lymphoeyten 45/3, WaR. o Liquor kulturell stm'il. Blu~: WaR. o. Leukoeyten im Blur 10800, davon 62 Proz. segmen~kernige, 2 Proz. basophile, 2 Proz. eosinolohile , 18 Proz. Lymphoeyten, 6 Proz. mononukle~re.
Abb. 2. Am Boden des IV. Ventrikds diffuser ProzeB. Geringe GefgGinfiitrate inmitten des Prozesses. (Nissl-Fgrbung.) In den folgenden Tagen zunehmende Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Nach anf~nglieher Ers&werung der Stuhl-Urin-Enileerung Inkontinenz. Die Par~sen nehmen zu, v'or allem die bulbgren Erscheinungen. I-I~ufiges Verschlucken. Erschwerte und leieh~ unregelm~tGige Atmung. Parese des reehten Stimmbandes. Rapider Verfall. Temperalur anfangs nicht erhSh~, sp~t~er Zaeken his 38 Grad. Puls anfangs zwisehen 80 und 90, sparer um 100. Am 8. IV. 26, d. h. etwa 5 Woehen naeh Auftreten der ersten K_rankheitserscheinungen, Exitus le~alis unter den Zeichen der A~eml~ihmung. Die S e k t i o n ,ergib,~ s~itens der inneren Organe vereinzelte k]ei~e, bis haselnuGgroi~e, dunkelblauro{e Iterde im Unterlappen der linken
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Lunge, ferner einzelne kleine wirzehenartige .~uflagerungen an versehiedenen Stel~en des Herzendokards. Am H i m und R ~ e k e n m a r k auger einer m~13igen Hyper~tmie der Meningen iu13erlieh niehts A_uffallendes. Auf der Sehni~tfliche zahlreiehe Herdbildungen bald iso]iert, bald diffus ineinander t~bergehen.d, yon eben sichtb~rer Ausdehnung bis zu Erbs.engrSl~e. Infolge Konfluenz einzelner tIerde en~,stehen l~ndkar~enartige Bilder. Die Farbe der Eerde ist ~aat~ fleisehfarben, homogen, stellenweise leieht glasig; inmi~en grS-
Abb. 3. Am Boden des IV. Ventrikels umschriebene Herde. Inmitten der Herde erweiterte and infiltrierte Gef~Be. Oberer Herd den Ganglienzellen des Locus coeruleus anliegend. (Nissl-F~rbung.) 13erer tterde oft s~rotzencl gefttllte kleine Gefil3e. Die Herde sind am zahlreiehsten im Pons and in der Medulla, oblongata; sehr zahlreich sind sic fcrner in der Umgebung des 4. Ventrikels. Welter frontalw~rts nehmen sic an ZaM sehnell ab, nut sehr vereinzelt finde~ man sie noeh im Marklager, selten auf die Rinde t~bergreifend. I m Rt~ekenmark nehmen die I-terde kaudalw~rts ebenfalls an Quantitit ab. Bevorzugt is~ das FIarkweig. Auffallend ist 'die stellenweise ausgesproeken symmetischc Verteilung, besonders l~ngs der vorderen Pissur. Auf dem Quersehnitt auell hier wieder infolge Zusammenfliel3ens der I-Ierde oft sehr eigenartig gestaltete, unregelmiGige Bilder. Die Herde sind im allgemeinen
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1/inger als sic breit sind. Sic ers~reeken sleh nibh~ selten fiber ein bis zwei Segmen~hShen. Naeh Formolfixierung erscheinen die Herde weiB. Mekr noeh als am frisehen Pr~paxat erkennt man j etzt ihre meis~ seharfrandige Abgrenzung vom normalen Gewebe. W e l t mehr als das makroskopisehe Pr/~parat 1/U3t das m i k r o s k o p i s e h e B i 1 d die Neigung des Pr.ozesses, Herde zu bilden, erke~nen. Im Markscheidenpr/tparat sehen wit Liehiungen yon versehiedenster Gestalt und Ausdehnung. @anz bes.onders licht sind die
Abb. 4. Sehnitt~ dutch das ttalsmark. Symmetrisehe Saumbildung lgngs der vorderen Medianfissur. Diffuser ProzeB im SeitenstrangareM. (N i s s 1- F g r b u ng.) Ponsregion und die Medulla obl., weniger die Stammgamglien und noch weniger die Orol3hirn- sowie Kleinhirnhemisph~tren. Das 1%ii c k e n m a r k zeig~ Ausfglle in den einzelnen HShen ebenfalls yon sehr wechselnder Dimension. Die weiGe Substanz ist mehr befallen als die grau.e; letztere wird aber keineswegs versehont Besonders hervorgehoben seX, dab im Rfiekenmark die Herde oft ganz ungeaehtet der Orenzc zwischen we i[3er und grauer Substanz sick ausgebreite~ haben. In den yersehiedenea Arealen des l~tiekenmarks finden sick die Herde bald mehr in der~ Hinter-, bald mehr in den Seitenstr~ngen. Dabei ist in der Anordmtng tier tterde kinauf his zum Pons stellenweise eine gewisse Symmetric unverkennbar. I m H a l s m a r k finder sick eine absolu~ symmetrisehe Lieh~ung Deutsche Zeitscbrif~ f. Nervenheilkunde. Bd. ]05,
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in sehmaler Ausdehnung lgngs der vorderen Inzisur, im Dorsalmark eine solehe ls des Septum sale. median, post. Der Herd zeigt in seinen mittleren Partien auf dem Quersehnitt eine ovale Ges~altung. Die Ab~enzung der einzelnen Herde vom gesunden Oew.ebe ist versehiedea seharf. W~hrend die meisten r elativ seh~rf begrenzt sind, verlieren sich andere ganz allm~thlieh, d. h. ,ohne siehere G-renze im normalen Gewebe. Im I - I i r n linden wir die Rinde im allgemeinen frei, nut verh~ltnism~l)ig selten konnten wit ein 13bergreifen eines 1V~arkherdes auf die inhere Sehicht des Cortex beobaehten. Die In~ensit~t tier Iterde weehs,elt ebenso wie ihre GrSl3e, nieht selten sieht man innerhalb der Liehtungen n.och wieder intakte Markfasern.
Abb. 5. Quersehnitt dureh das Chiasma optieum. Der gr61?te Tell der l%serung wird yon dem unregelm~gigen wallar~ig begrenzten 11erd eingenommen. (Nissll~grbung.) Die eben b,esebaliebenen Liehtungsbezirke ste.llen sieh im F e t t p r ~p a r a t als Areale lebhaften Abbans dar. Das Fett ist meis~ noeh an Oft und Stelle gele.gen. Nut verM1LnismSl3ig selten linden wit Abraumzellen in der adventitiellen Seheide der Gef~tl3e. Aus dem Pettpr~tparat l~Bt sieh besonders deutlieh ersehen, dab der Pr.ozeg allenthalben noe'h in vollem Gange ist. Ei.n Vergleieh der versehiedenen tIerde lehr%, dal3 tier ProzeG in allen Teilen des Z.N.S. ungef~hr gleichen Alters, ist, d. h. wit haben auf Ornnd des his~ologisehen Befundes keinen sieheren Anhalt dafar gewinnen kSnnen, dab etw~ schon vor Auftreten des jetzigen Krankheitsbildes ein Prozel3 bestanden hat. Sehr versehieden sing die Beftmde im B i e l s c h o w s k y - P r ~ p a r a S . Ganz allgemein l~13t sieh soviel sggen: je ausgedehn~Ler nnd intensiver der Prozeg, usa so ausgedelmter aneh der Achsenzylinderzerfall; inmitten vieler I-Ierde iinden wit nut selten ~oeh ganz intakte Achsenzylinder. In der t~egel erweisen sie sieh im Durehsehnitt als krtimelig oder st~ubig zerfallen, im L~ngsschnit~ bald als gequollen, bald
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als gefasert bzw. gesplittert. Nur am Rande der Herde sind sie moist, a n d zwar aueh dann, wenn die Marks,eheiden als solehe n i & t mehr naehweisbar sind, gut erhalten. Sind die K e r d t weniger ausgedehnf a n d weniger intensiv, so And n i t h t selte~ trotz ZerfMlenseins der Markseheiden die i e h s e n z y l i n d e r intakt. E i n sehr anschauliehes Bild yon der A r t des Prozesses erg.eben M a 11 o r y - P r ~ p a r a t e. Hier ,erkennt man besonders sehSn das Nebeneinander yon zerfallenen a n d erhaltenen Eleraenten, ferner a n & dab der ProzeB keineswegs immer so seharfrandig ist, wie man h a & den Befunden i n Markseheid.enpr~paraten annehmen mSehte. Man sieht nieht selten i n selbst grSBeren Herden nook gut erhal~ene Markfasern, j~ gdegen~lieh sogar ganze Bt~ndel intakter Pasern den Herd durehziehen.
Abb. 6. Querschnift durch den Options. Nut noeh ein k!eJner Rest von Mark seheiden (anten) ist erhMten geb]ieben. (Markseheidenfgrbnngnach S p i e 1m e y or.) Die N i s s 1- B i I d e r geben uns AufschluB iiber die eigentliche MorphologJe des .Prozesses. Di,e Vi,dgest,Mtigkeit der l~eaktion auf das s&5digende Agens bzw. den Markscheid.enzerfall sowohl naeh Ar~ wit nach Ausdehn~ng kommt hier zum A.usdruek. Zun~ehst im t~tiekmmaark; wenngledeh das krankmaehende Agens eine ganz besonder,o A f f f n i t ~ f z u r w e i l 3 e n S u b s t a n z gehabt hag so is~ doch aueh dhs O r a u ' k e i n e s w e g s v e r s e h o n t geblieben. A n einzelnen S%llen isg das Vorderhorn sogar isolier{ vom Prozel3 ergriffen; an anderen Stellen sehen wir ein l~bergreifen des Prozesses yore Markweig auf das Orau bzw. umgekehrt. Ohne jede Oesetzmgl3igkeit linden wit Herde jeder OrSl3e, yon ErbsengrSl)e his hinab zu einer n u t mikr.oskopisehex~ Erkennbarkeit i n allen Rt~ekenmarksarealen. Eine gewisse S y m m e t r i e der tterdv e r t e i 1 u n g i s t a ueh im N i s s 1- B i 1 d s{ellenweise nnverkennbax. Lgngs der vorderen F i s s u r a n d lgngs des Septums salt. median, post. erseheint die Glia s a u m a r t i g gewuchert. Die Horde zeigen im Quersehnitt eine sehr verschiedene Ges~altung. Ihre Abgrenzung gegen das gesunde Ge6*
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webe ist nur ganz selten seharfrandig, meis~ setzen sie sich in kleine~ Ausl~tnfern fort, bzw. ]~ommunizieren mit Nachba~herden. L~tngsschni~te zeisen, da~ die tte~rde einen s.el~r verschieden gr~olgen Tiefendurehmesser haben. Dor~, wo die Kerde sich den M e n i n g e n n~ther~., sind diese l e i c h t i n f il t r i er ~, and zwar vornehmUch yon lymphoeyt~ren Elementen. tiler und da sieh~ man auch Plasmazellen, Makrophagen nnd Fibroblas~en. Die Infiltrate sind meist auf die unmittelbare Naehb~rsehaf~
Abb. 7. Arts einem zervikalen Spinalganglion. Diffuse Wueherung gliogener Elemen~e. Einstreuung yon Plasmazellen ins Gewebe. ( N i s s l - F g r b u n g . ) der tterde beschr'gnkt. Gelegentlich finder man sie aueh a n Stellen, w o dies.e die P e~iphe~'ie des ~itckenmgrks nicht ganz erreicht haben. DaB die Herde eine zum Tell grs~ere L ~ n g s a n s d e h n u n g haben, zeigen Schnitte durch die obers~en Teile des Riickenraarks. Wit sehen im Schnitt dureh die Pyramidenkrenzung einen scharfrandigen ProzeB symme~risch zu b,eiden Selden der vorderen Medianfurche, er nimmt naeh nnten hin, 4. h. in den tiefer gelegenen Segmenten ganz allm~Mich an Ausdehnung zu nn4 erstreckt sicll in I-IShe des oberen D,orsalmarks fiber die vorderen P~rtien d e r g r a n e n Substanz. Das gleiehe lgGt sich bei einem Herd der Vorderseitenstritnge verfolgen: also ein 0bergreifen ein nnd desselben Prozesses auf ~nehrere Segme~te.
Uber dis Pathogenese der mul~iplen Sklerose.
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W~hrend Medulla obj. und Poffs augerordea~tieh massiv yore ProzeB ergriffen sind, tr.e~fen wir nur ganz selten noeh auf tI.er, de in de~ Stammga~lgli.ea, und zwar, s,oweit sieh bisher feststellen lie13, nut im Bere'ieh des Thalamus, w~hrend das pgllidos%ri~re System und andere Kerngebi,e.te frei bleiben. Wenig zahlreieh sind die }Ierde im Kleinhirn nnd n oeh weniger z~hlreieh ira GroBhirn. Nur im Sehl~fenhirn, und zwar an der Grenze zwisehen Rinde und Markfaserung sieht man einzelne sp~rliehe I~Ierde. Nun zur M o r p h . o l o g i e d e r H e r d e selbst. Die sie bildenden Zellen sind ganz ~berwiegend gliogene Elemente. Es sind Zelle~ Ini~
Abb. 8. Spinales Ganglion des Dorsahnarks. Diffuse und herdf6rmige Liehtung im Ganglion und im Wurzelnerven. (Markseheidenfgrbung naeh W e i g e r t - P a l . ) einem bald stgrker, bald weniger stark tingierten Kern, mifi bald mehr, bald weniger groBem Protoplasmaleib. Es handel~ sich, wie schon im N i s s l - B i l d erkennbar, um Zellen der Mikrogli~. Die meisten dieser Zellen sind identiseh mit jenen vorher beschriebenen Pettk6rnchen- bzw. Abbauzellen. Ihrem Chargkter entspreehend zeigen sie vakuolenartige Liehtungen bzw. Gitterbildung im Pretoplasma. Aus der Reihe dieser Ze~len treten andea~e auffallend grol3e, an Riesenzellen erinnernde Gebilde hervor. Man sieh% sie aueh ftir sich isolier~ in Naehbarsehgft der I{erde, inmi~ten sonst normalen Gewebes. Die Zellen zeigen gelegentlieh Kernteilungsfiguren, sehr selten 2 oder 3 Kerne. Die G r e n z e d e s e i n z e l n e n t I e r d e s ist nur ausnahmsweis,e eine absolut scharfe. Sie is~ im allgemeinen usa so schSrfer, je ingensiver
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der Prozeg ist. Kleinere nnd weniger dichte Herde zeigen nieht selten einen ganz allm~thlichen A.nslanf. Dort, wo tier Proze13 besonders intensiv ist, grc nzt cr sick gegen seine Umgebung ~neist dutch eine im N i s s 1Bild infolge des Kernreich~mns dunkler gef~trbt erscheinende Zone, gleichsam wie durch einc.n W a l l gegenttbcr dem gesund.en Oewebe ab. Immerhin sei erwghnt, dab such auBerhalb dieses Walles die Olia n o & eine gewiss.e. Unruhe erkennen l~tGt. AuBer den gliogeaen Elementen finden sich innerhalb der t-Ierde regelm~t13ig, allerdings nicht s,ehr zahtreich, Plasmaz.cllea nnd mesodermale Geloilde. Die G a n g 1 i e n z e 11.e n sind auffallend wenig v ore Proze13 in Mitleidensehaf~ gezogen. N u t relativ seiten, sieht man Sehrumpfung des Zelleibes nait Verklampung des N i s s l - S c h o l l e n nnd Almahme ihr,er F~rbbarkeit, be'sonders dann, wean die Zelle yon gliogenen Elemeat.cn sta.rker nmrahm~ wird. N u t attsnahmsweise sieh~ man Andeu~ung yon Nenro~ophagie. I n den tterdcn sclbst bzw. in ihrer nnmittelbaren Nachbarsehaft finder man gelegentli~ch Formen im Sinne der aknten G~ngli.enzellerkranknng N i s s l s . Die 90 erscheinen gebl~ht nnd arm an F.ortsAtzea; gelcgcntlieh fehlen diese sogar vSllig. Die t I e r d g e f ~ 13e sind racist stark erweitert. ~Vfi~ gro13er Regelm~t13igkeit triffg dies fiir die ccrcbralen I-Ierde zu, wcniger fiir die I-Ierde ira Rfieke.nmark. Die Wandung dieser Ocf~13e is~ meist infiltriert, slierdings in schr wechselnder In~eItsitgt. Die Infiltrgtzellen, ~berwiege~d Lymphocyten, nur sp~rlieh Plasmazellen nnd adventiUelle EIemen~e, hicr und da such fettsloeichernde Zellen, kalten sieh fast ste~s s.char~ an die Oef513wand, nur se~ten kaben einzelne der Zellen die Gliascheide dnrchbro&e~. O 1 i a f a s e,r b i 1 d e r zcigen, da13 die faserbildende Glia vielerorts sick im Stadinra erheblieher Wuchernng befindet Die Wuehernng ist in den einzelnen Herden verschieden hochgradig, am st~rksten ist sic stets am R a n d des Herdes. T r a e t n ' s o p t , C h i a s m a a n d N n . o p t i c i sind schw,ea" erkrank~. I m Marks,cheideapr~parat sind nnr no.oh Inseln yon F a s e r n gcf~rbt. F e t t pr~parate zeigen den sehwercn Zerfall, w~thrend im B i e l s c h o w s k y Bild sich die meisLen Aehsenzylindcr als gut erhalten erwcis.en. Die s p i n a l e n Ganglien beteiligen sich ebenfalls an der Proze13bildung. Die Markseheiden sind stellenwcise zcrfallen, hingegcn die Achsenzylinder gr513tenteiIs erhalten. I m Bereich einzelner Ganglienzellgrnppcn ist die G-lia stark gewuchert. Eingestreut linden wit zahlreiche Plasmazellen, wcniger Lymphoeyten. Die G-~nglienzellen selbs~ erscheinen nnr wenig veritndert Zus&mmenfass[lllg. E i n 19 j. M ~ d c h e n e r k r ~ n k t ohne n ~ e h w e i s l i c h e U r s a e h e sttb~ k u t m i t P g r e s e n z u n ~ e h s t d e r u n t e r e n , d a n n d e r oberen E x t r e m i t~ten. H i n z u t r e t e n b u l b ~ r e S y m p t o m e u n d S t S r u n g e n seitens d e r
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Auge~ (Augenmuskell~thmungen, Neuritis optiea), ferner S t 6 r u n ten der Urin- und Stuhlentleerung. Die Paresen, die einen leieht spas~isehen Charakter haben, nehmen sehnell an Intensit~t zu. Im Liquor sind Eiweil3- und Zellgehalt leieht vermehrt. Die Kranke stirbt etwa 5 Woehen naeh Auftreten der ersten Krankheitserseheinungen unter dem Bilde der aufsteigenden L ~ h m u n g . Autoptiseh finder sieh am Z.N.S. ein seLr ausgedehnter Prozel3 mit exquisiter I-Ierdbildung, vornehmlieh im Bereieh des Ports und der Medulla oblonga~a, der Prozel3 nimmg oralw~rts sehr sehnell, kaudalw~rts allm~hlieh ab. Histologiseh zeigt der ProzeB e~tzttndliehen Charakter. Im Vordergrund alles Gesehehens stehen Markzerfall und gliogene Reaktion. Bis fast erbsengrol3e, teilweise gegen die Umgebung seharf abgegrenz~e Herde, sehr oft mit Akzentuation des Prozesses in seinen Randteilen bis zu ausgesproehener Wallbildung, linden sieh vornehmlieh im ~lark, greifen abet besonders im Rtiekenmark nieht selten wahllos aueh auf das Grau tiber. Die Hinlrinde bleibt his auf ihre innerste Sehieht im allgemeinen versehont. Traetus optieus und Nm optiei sind yon gleiehen Herden durehsetzt. Ar~ der I-Ierdbildung beteiligen sieh ganz iiberwiegend F I o r t e g a s c h e Elemente, sie bilden als Abbauzellen den Hauptbestandt,eil des sehr erhebliehe~ Pareaehymzerfallsprozesses. In und mehr noeh am Rande der H erde befinder sieh die faserbildende Glia im Stadium lebhafter Wueherung. I-Iaben im Hirnstamm die Herde eine ausgesproehene Neigung, ventrikelw~rts sieh zu h'~ufen, bzw. zu konfluieren, so zeigt im Rt~ckenmark der Proze13 eine Tendenz, langgezogene, nidht seltea symme~riseh gelegene tterde zu bilden. L~ngs des Sulcus median, post. und der Fissura median, ant. bildet der Prozel3 auf weite Sgreeken hin Sgume, deren Abgrenzung vom normalen Oewebe sehr wenig scharf ist, im Gegensatz zu zirkumskripten Herden an anderen Stellen des Rtickenmarks. Sehr ausgesprochen ist an den Stellen isolierter, vor all em kleinster Herde die enge t3eziehung des Prozesses zum Oef~tBsystem. Innerhalb der Herde ist das Parenchym sehr ver sehieden hoehgradig geseh~digt. W~hrend die Ganglienzellen meist nur verh/~ltnism~13ig geringe Ver5nderungen aufweisen, sind Markseheide und Aehsenzylinder doff, wo der ProzeG einen sehr akuten und massiven Charakter ha~, gr61ttenteils vOllig zerst6rt, oft die Markseheiden aueh nur isoliert, w~hrend die Aehsenzylinder zum Tell erhalten sind und
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als naekte Gebilde innerhalb des t I e r d e s angetroffen werden. Die mesodermale Reaktion t r i t t hinter der gliogenen ganz erheblieh zurttek. I n einzelnen, besonders in kleineren H e r d e n fehlen Gef ~ g i n f i l t r a t e vOllig, in anderen wieder sind sie sehr ausgesproehen. Gleiehe I n f i l t r a t e , bestehend vornehmlieh aus L y m p h o c y t e n , weniger aus P l a s m a z e l l e n und M a k r o p h a g e n , linden sieh in den Meningen, a llerdings i m m e r n u r deft, we die I t e r d e bis an die Peripherie, bzw. in die unmi~telbare N~he d e r ~{eningen treten. Die Spinalganglien beteiligen sieh am Prozel3, sie zeigen sehr lebhafte, und zwar diffuse Entzttndungsvorg~tnge. F a l l 2. 39j. P.ostschaffner O. K. Vet Beginn seines jetzigen Leidens hie ernstere Krankheiten gehabt, insbesondere keine neuralen Symio~ome. Ende 3rim 25 allgemeines Unwohlsein, S~6rungen der Verda~ung, 8 Tage sio~t~er Sehw~ehegeftthl in den Beinen, Geftthl der V611e im Leib, Ersehwerung der Stuhl- nnd Urinentleerung. Inn.erhalb weniger Ta,ge sehaMles Weit ersehreiten der L~hmungserseheinungen am Unterk-Srloer. In der 2. Woche na& Auf~reten der Paresen Aufnahme Jn die Klinik. GroJ3er, krafUg gebauter l~iann mit gesunden inneren Organ en. Neurol,ogJseh: Homers Syndrom links. Horizontaler Nys~agmns der Angen in den sei~li&en Ends~ellnngen, Vertikalnystagmus b.eim Bliek naeh nnten und naeh oben. Pupillenreaktion regelreeht. Sehnervenioapille Ms., links mehr als ree,h~s, hyper~miseh nnd deutlieh verwasehen. Im iibrigen keinerlei StOrungen seitens der Kopfnerven. Parese beider Arme, nnd zwar in alien Muskelgebie~en ziemlieh gleiehmgl3ig, ebenso in der Rumpfmuskula~nr. Aufriehten aus tier I-Iorizontalen ohne Unters~ii~zung nieht mOglieh. St~trkere Paresen der Beine, ohne ehara.kteristisehen Typ. Periost- und Sehnenreflexe an den oberen Extrerni~ t e n lebhaft, M a y e r s Reflex fehl~ bds. Von den Sehnenre~lexen an den nnteren Extremi~ten isg mtr der Patellarreflex anslSsbar, alle anderen Reflexe fehlen; ebenso fehlen die Bauehdeeken- nnd Kremasterreflexe bds. Sensibili~tt yon e~w~ BrusthOhe an abw~rts zunehmend hergbgesetzt, eine seharfe Abgrenzung naeh oben hin nieh~ mSglieh. Andentung yon Dissozlatlon, insofern als Beriihrtmgs- und Lageempfinden weniger gestOrt sind als Temperatur- und Sehmerzeml?finden. Oberhalb Brustwarzenhbhe einsehlieBlieh Arme normal erh~l~ene Sensibili~t T.on'as des Slohine'~er ani ziemlieh sehlaff, Analreflex erlosehen. ]Reten~i.o urinae. L i q no r : Druek nieht erhOh~. Von Olobulinproben nur die Pgndyreak~ion sehwaeh @, 10/3 Lymphoeyten, WaR. o. Lenkoey~engehalt im Blur 12200. Blutbild ohne Besonderheiien. 131u~ WalR. o. Der Kranke verf~ll~ innerhalb weniger Tage rapide. Die Paresen aller Extremit;~tten nehmen welter zn, desgleiehen die Blasen-DarmstSrun-
~ber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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gem Leieh~ bulbs Erscheinungen. Exitus ]etalis am 6. VI. 25 un%r den Zeiehen der Ateml~hmung, etwa 2 Wochen nach Auftre~en der ersten Erscheinungen seitens des Nervensys~ems. S e k ~ i o n s e r g e b n i s : Seitens der inneren Organe niches Bemerkenswer~es.
Abb. 9. Quersehuitt daroh d~s DorsMmark. Diffuser ProzeB im Grau. Radi~r gerichtete Herde im MarkweiG. Gef~Be wenig oder nieht infiltriert. (NisslF~rbung.) ttirn und l~fiekenmark: XuBerlieh ohne Besonderheiten. A u f Schnittfl~chen dureh den H i r n s t a m m pontin zunehmend bMd punktf5rmige, bald streifenfOrmige, selten his hirsekorngroBe, graurStliche Herde. Diese sind bald seharf, bald weniger sch~rf begrenzt. D~s Rt[ckenmark zelgt ~hnliche Bitder. Hier f~llt eine radienfSrmige, zum
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H. PsTTs
Z e n t r n m geriehtete Anordnung der Herde gal. Die mi{tleren nnd unteren Partien des Dorsalmarks sind besonders sekwer vom Prozel3 ergriffen. Die Iterde konflaieren s~ellenweise und nehmen infolgedessen auf dem Quersehnitt grOBere Areale ein. I m Lendenmark n u t noch vereinzelte spa.rliehe I-terde. I m formolgeh~rtelen Ritekenmark is~ die rgdienfSrmige Anordnnng der I t erde be,s.onders gu{ zu erkennen. Sie heb,en sieh gls weiBe, meist sehaa'f umsehriebene Flgehen bzw. Streifen yore n,orlnalen @ewebe ab.
Abb. 10. Dorsalmark. Diffuser ProzeB im Vorderhorn. Ganglienzellen akut geschgdigt. Im Markweig, Herd um ein stark erweitertes, abet night infiltriertes Gefgg. ( N i s s l - F g r b u n g . ) Mikroskopisch sind die Ver~nd,erungen n o & welt ausgedehnter ale sieh makroskopisch feststelle~u lielL D~ der ProzeG in s e i n e r Orundstruk~ur wei~gehende Xhnliehkeit mit dem vorher b e s e h r i e b e n e n F a 11 hat, seien bier n u t die Besonderheiten des PaUes erwghnt. F a l l 2 ig13~ sehr eindeutig die engen Beziehungen des Prozesses zura GefgGsysiem erkennen. Entsprechend dem radienfSrmigen, horizontal geriehteten Verlauf des kleinen u n d kleinsten GefgGe ist die Strangfaserung des Riiekenmarks, besonders des Dorsalrngrks, von I-Ierdformgiionen durehsetzt. Ober die Strxtktur des Prozesses geben gm besten
Uber die Pathogenese der mul~iplen Sklerose.
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N i s s l - B i l d e r Kufsehlul~. Rund u r n die G e f ~ e - i s t die Glia stark gewuehert. Aueh hier wisder ist ss vornehmlieh dis Mikroglia. A m diehteste,n 4st ~tie Wlteherhng in unmittelbarer Naehbarsehaft der Gef~gwandung; disfalw~rts v,erliert sieh der Proze~ ganz allm~hlieh ins normale Gewebe. Die einzelnen tterde konfluieren an vielen St ellen, so dab ein grSBeres Kreal oft ~ls Einzelherd srseheint. Wiihrencl im oberen H a l s m a r k die Herdbildung sieh auf ein Vorderhorn und auf einen Teil der vor ihm liegenden weiBea Subs~anz be-
Abb. 11. Querschnift dureh den Pens. UnregeJm&Bige Herdbildung. Herde zum Teil konfluierend. Get,Be innerhalb der Herde erweitert. (Nis s l- F ~r b u rig.) sehrgnkt, flieiSt im unteren H a l s m a r k un4 mehr noeh im D orsalmark der ProzeB attf das gesamte Vorderhorngrau iiber und darfiber hinaus auf die umgebenden Sfranggebiete. Dis Peripheris wird' nur sfs]lenweise gleiehsam in Anslgufern erreieht. I m dorsalen Teil, un4 zwar s owohl in den I-IinterhOrnern wis in den Hinferstrgngen nnd in den Pyramidenseitensfrangbahnen sieht man in versehisdenen Sehnitth6hen hinab his ins Lendenmark zahlreiehe, an Ausdehnung sehr versehie4en groins I-Ierdbildungen. I m Quersehni~t ist der grSBte Durehmesser der ~Ierde stets r a d i ~ r geriehtet. Man gewinnt vislerorts den Eindruek, als folge er den ~fiekenmarkssepten. I m N i s s l - B i l d heben sieh dis Herds aJs
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tI. PETr~
dunkle Streifen yon dem mattgef~rbten Grundgewebe ab. Besser als a]le Besehre.ibungen erl~ttmon dies die nebens~ehenden Mikropt~otogramme. Wie im Fall 1 ist aueh bier eine s y m m e t r i s e h e A _ n o r d n ~ n g des P r o z e s s e s n i e h t s e l t e n , besonders in Oegend der vorderen FJssur. An dieser Stelle wird das l~itckenmark fOrmlich wie yon einem
Abb. 12. GroBer in der Entwicklung begriffener Herd im Thalamus mit subependymgrer Saumbildung ~m IlL Ventrike]. (Nissl-F~rbung.) S a u r a umfaB~. Die Gliaelemente dienen, wie im N i s s l - Bild berei~s die wabige Struktur des Protoplssmas der einzelnen Zellen erkennen lgBt, in ers~er Linie dem A_bbau. Fettprgparate best~tigen diese Anffassung. In den Gef~Bwandungen sind im Gegensatz zu Fall 1 nur ganz vereinzelt fettspeichernde Elemente siehtbar. Die G e f g B w g n d u n g se]bst beteiHg~ sieh auffallend wenig ~m ganzen Vorgang. Nut hier und
0bet die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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da ist es zu leieh~er Infiltratbildting inner,hath der Oef~13seheiden gekommen. Es sind fast aussehlieBlieh lymph oeyt/~re Elemenfe. Ganz sp~rlieh findefi sieh hfer und da eine Plasmazelle; einige Male audh wurden, allerdings nur ganz vereinzelt, Leukoeyten gesehen. Das Gleiehe, was fttr die Ge2~gwandung gesagt wurde, gilt ft~r die Meningen. SIo~rliehe Infiltrate sind immer nur dort anzutreffen, wo der Herd his an die FIeningen heranreieht. Entspreehend der Intensit~t des Prozesses sind sie am lebhaftesten an den MeningerL der vordaren Fissur
Abb. 13. Unseharf begrenzter Herd in seinen Beziehungen zum Seigenven~rikel. (Nissl-F/~rbung.) des Riiekenmarks, and zwar im Bereich der vorher erw~hnten Saumbildung. ~Venngleieh die Markfaserung am intensivsten yore ProzeB befallen ist, so bleib't doch die graue Substanz keineswegs verschon~. In den einzelnen Segmenten geht der ProzeB fibe;r einen groBen Teil des Quersehnittes weg, aueh bier ~nregelm~gig und ohne jede Pr/~dilektion, Teile des Markes oft sektorenf/Srmig verschonend. Die Gef~Be innerhalb der tIerde sind fast regelm~/3ig stark erweitert; ihr Endothel ist oft gel ockert und gequollen. An einzelnen StelIen, besonders am Boden des 4.'Ventrike]s, linden sieh kapill~re Blutungen. Die G a n g l i e n z e l l e n sind bald mehr, bald weniger vers
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H. PISTTE
Wie im F ~ l l e 1 begegnen wit aueh kier allen Formen dea" 8ehgdigugg. Nieht nur innerhalb, sondern attch aufSerhalb der IKerde sind die einzelnen Zellen geblght, die Tigroidsehollen staubf6rmig zerfallen, selten verMumpt. Die Dendriten fehlen an manehen gellen ganz, an anderen sind sie ale kurze Stummel noeh siehtbar. Eehte Neuronophggie wurde hiereals gesehen. DaB die eben besehriebenen Bilder in der T a t ein P r o d u k t des Prozesses selbst sind und nieht agonale Erseheinungen, geht dara,us hervor, dab an anderem Stellen gut erhaltene Oanglienzetlen angetroffen werden.
Abb. 14. Konfluierende Herde an der Orenze zwischen Rinde und Mark. Gefgfie erweitert. ( N i s s l - F g r b u n g . ) I n den W u r z e l n e r v e n wnrde einige Male herdf~rmige Vermehrung S e h w a n n seher Z d l e n heobachtet. Der P , o n s ist yon sehr zah]reiehen, oft konfluierenden Igerden durchsetzt. Das gleiehe gilt fiir die anderen Teile 4es I-Iirnstammes. Im M~rklager des GroG- und Kleinhirns werden nur verh~ltnismgBig selfen tterde beobaehtet. I n grol3er Regelmgl3igkeit linden wir die t I e r d e a n de,- O r e n z e z w i s c h e n ~V[ark u n d l % i n d e , yon diesem noch die inne,rste 8chicht nieht selten mi{ ergreifend. Die e n g e u Beziehungen zum @efgl3system sind bei diesen Herden !Sesonders eklatant. Oft sind es 2, 8 und mehr Oef~13herdehen, die zu
(Tber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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einean grolten I-Ierd zusammenflieBen. Der Cortex s,elbst zeigt nur ausnahmsweise Andeutung yon t-Ierdbildung. Als b.emerkenswert" gegeniiber den Befunden im t~Mle 1 sei hervorgehoben, dab die gerde nur ausnahmsweise eine AkzentuaUon der Oligwueherunng in ihren Raildpargi.en erke~nen lassen. Die Beziehnng der gerd.e zuan Ventrikelsystem ist an einzelnen Stellen s.ehr ausNesloroehen. tterde in unmi~tetbarer Naehbarsehaft der Ventrikelwandung zeigen eine Neigung, l~tngs der Wandung sieh auszubreiten, sie nmfliegen f~rmlieh das Ependym; unter anderean sieht man an einer Stelle des linken Seitenhorns, dab ein tterd wurzelartig aus der Tiefe entspringt und sieh ventrikelw'grts in breiter Pl~tehe unanittelbar unter dean Npendym ausdehnt. Von den Stammga~glien ist vornehmlieh de1" Thalaanus erkrankt; auBerdean find.en sieh einige sp~rliehe diffuse Herde im Putamen nnd im Nucleus candarns, wghrend das PMlidum und and.ere Kerngebi.ete frei gefunden ' werden. Im ~arkseheidenpr~parat zeigt sieh die Neigung des Prozes.ses zur tterdbildung noeh weir ausgesproehener. Ziemlieh seharf umsehriebene gr613ere tIerde und streifenfOrmige Liehtungen, die radienfSrmig entl~ng den Septen zur Peripherie streben, durehsetzen das Rfiekenmark, vor allem in seinen dorsalen Absehnitten. Innerhalb der Herde sind nieht selten einzelne Fasern gut erhalten, wghrend andere geblght erseheihen, bzw. die ersten Zeiehen eines aknten Zerfalls erkennen lassen.
Abb. 15. Mgrkscheidenbilder aus dem Riiekenmark. Nebenelnander umsehriebene und diffuse Herde. Sallmbildfingen um die vordere Medi~nfissur. (Markseheidenfgrbung naeh S p i e l m e y e r . )
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It. P~TTE
A-ehsenzylinderpr~Ioarate zeigen, dab mit den iV[arkseheiden keineswegs immer aueh die 3~ehsenzylinder zerstSrt sind. Wenngleieh bei der Schwere des Prozesses in manchen Herden eine gewisse I(ongruenz hinsiehtlieh der Auswirkung des Prozesses auf Markscheiden lind Aehsenzylinder unverkennbar is~, so sieht man doeh an anderen Stellen, besenders in der Peripherie se~r vieler I-Ierde, dab dort, we die Markseheiden bereits fehlen, die 3~ehsenzylinder gut erhM~en sind. G liafaserpr~tpara~e lass en in den einzelnen }Ierden berei~s eine deu~liehe Wueherung der faserbildenden Olia erkennen. Traetus options uncl Nn. optiei sind sehwer gesehgdig~. S p i e l m e y e r- Prgioarafe zeigen nnr neck in den randstgndigen Par~ien in~ak~e Marksubstanz. Weniger hochgradig ist die Seh~digung der ikehsenzylinder. Nicht seIten sieht man gt~t erhaltene A_ehsenzylinder noeh in Axealen, wo yon einer Markseheide nichts mehr zu erkennen ist.
Zusammenfassung. Ein 39 j., bisher gesund gewesener Mann
erkrankt nach leich-
ten Prodromalerscheinungen subakut mit einer P a r a p a r e s e d e r Beine, die innerhMb weniger Tage auf den Oberk6rper ~ibergreift. Es bestehen Blasen-DarmstSrungen; zuniiehst eine Retention, sehr bald aber eine Inkontinenz. W~ihrend die Sehnen- und Periostreflexe an den Armen noeh lebhaft bleiben, erlSsehen die Sehnenreflexe an den unteren Extremitgten vSllig; es sehwinden sgmtliehe tIautreflexe. An okulopupillgren Symptomen besteht Nystagmus naeh allen Riehtungen, olohthalmoskopiseh eine Neuritis opt. Auf sensiblem Gebiet finden sieh ausgedehnte t I y p ~ t h e s i e n his zur BrustwarzenhOhe aufw~rts, ohne daG sieh jedoeh eine sehgrfere Grenze bestimmen l~13t. Es besteht Andeutung yon Dissoziation. Im letzten Stadium bilden sieh bulb~tre Erseheinungen aus. Der Liquor zeigt sehwaehe Zeiehen der Entziindung: minimale EiweiGvermehrung, geringe Lymphoeytose. Der Kranke stirbt unter dem Bilde, der aufsteigenden L~hmung etwa 2 Wechert naeh Auftreten der ersten Erseheinungen seitens des Z.N.S. Anatomiseh finder sieh am Z.N.S. ein raultiloler und diffuser Prozel3, der einen grol3en Teil des Riiekenmarks, am st~rksten die dorsalen Absehnitte, ergriffen hat. Bevorzugt wird die Marksubsta.nz; jedoeh ist das Grau keineswegs versehont. Im Vordergrund alles Gesehehens steht die hoehgradige Gliareaktion auf den herdfSrmigen Parenehymlorozel3. Die einzelnen Herde gruploieren sieh um kleine und kleinste, fast regelmiil)ig erweiterte Gef~13e. Im Ri~ekenmark zeigen die Herde, dem Gef~l~verlauf entsloreehend
Ober die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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eine radi~re Anordnung. Die Herde konfluieren an vielen Stellen und nehmen alsdann ein grSgeres Areal des Q'uersehni}tes eim In der L~ngsriehtang erstreeken sieh die H e r d e zum Teil fiber mehrere Segmente. Der ProzeG reieht naeh oben his in den Itirnstamm, im Bereieh der Hemisph~ren is~ er n u r noeh sehr sp~rlieh; er besehr~nkt sieh bier fast ganz auf das MarkweiB und bevorzugt die Grenze zwisehen M a r k und Rinde. Es werden Herde his zu ErbsengrSfte gefunden. Von den Stammganglien sind nur der Thalamus optieus urtd das Str iatum befallen, w~hrend die anderen Kerngebiete frei bleiben. Innerhalb der I-Ierde sind die Markseheiden grSfttenteils zerstSrt, w~hrend die Aehsenzylinder, besonders am H e r d r a n d , weir weniger geseMdigt, nieht selten sogar gut erhalten sind. Die Ganglienzellen zeigen innerhalb und aul3erhalb der Iterde Bilder akuter Zellseh~digung. Die mesodermale Reaktion trit~ sehr in den Hintergrund. Meningeale und Gef~Gwandinfiltrate sind, wo sie gefunden werden, immer n u t gering. F a l l 3. 31j. Buehdruekersfrau A. J. Als Kind Masern und Seharlaeh gehabt. Neigte yon Jugend an sehr zu Erk~ltungen; wiederholt Mandelentztindungen. 1920 die ersten Zeiehen ihres sp~eren Leidens: naeh Allgemeinerseheinungen anfallsweise Erbreehen, groBes Mt~digkeitsgeft~hl in den Beinem. Unsicherheit b elm Gehen. Anfang 25 re~robulbSr,e Neuritis (,,Sehleier vor den ~4.ugen") erst rechts, 1/2 Jahr spS.ter aneh links. Dieses 2Vial erneut Unsieherheit auf den Beinen. tOas~ vSllige Rt~ekbildung tier Erseheinungen. Niemals Doppelbilder. /-Ierbs~ ~96 wegen Ilettsverdaeh~ - - s.eit 25 sehr an Stuhltr~gheit gelitten - - e i n e m K_rankenhans znr Operation ttberwiesen; ein andermal bestand wegen anhaltenden Erbreehens Verdaeh~ auf Graviditg~. Ende Februar 27 wenige Tage naeh einer schweren Erk~ltung - - Mandelentztindung - - erneut Naehlassen des SehvermOgens reehts mit Sehleierbildung, K.opfsehmerzen, anhaltendes Erbreehen und Sehwindel. Am 24. III. 27 Anfnahme in die Klinik. Bei der grazil gebauten und nur m~tl3ig gen~hrten Fr'alt v~ird folgender Be f u n d erhoben: Innere Organe regelreeh~. Strabismus divergens links, leiehte Ptosis links. Augenbewegungen frei. Visus reehts and links 6/36. Links relative Skotome fttr Rot und Grtin bei ~sonst regelreehtem~ Gesiehtsfeld. Reeh~s starke Ei~engung des Gesiehtsfeldes fiir Farben, z. T. his an den Pixierpunk~ reiehende Skot~ome ftir Blain und Griin. Sehnervenpal0ille beiderseits temporal abgeblal3L L~thmungen nieht mit Sieherheit naehweisbar. Periost- nnd Sehnenreflexe an den Armem sehr lebhaft. T r / S m n e r s Zeiehen bds. @. Knie- uud Aehillessehnen-reflexe ebenfalls sehr lebhaft. Kein Klonus. Babi~ski r.eehts sehwaeh @, links angede~te~. Von den Bauehdeekenreflexen fehlt der reeh~e obere, die. an'derell sh~d sehr sehwaeh auslSsbar, ermttden aber sehnell. Bein~ Finger-Nasenversne-h leieh~ Ataxie. Gang brei~beinig, unsieher, a~ts-. Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde.
Bd. 105.
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I-I. P~rr~
gesprochen cerebellar. Neigtmg hash reehts zu fallen. Sensibi]it~tsstSrungen nicht mit SichsrhMt n~ehweisbar. D~rmt~tigkeit sshr trigs, Abffihrmittel erforderlieh. Urinentlserung geregelt. L i q u o r : Druek nieht erhSht. Sehr schwaehe 'Eiweil3rsaktionen. Lymphoeytose 5/3. WaR. o. In den folgenden Wochen versehlechtert sich der Zustaad ganz allmghlich. L~hmungen exteriorsr Augenmuskcln, Paress im reeht,en FaciMisgebiet. Die Spraehs wird sehwer~gllig, verwaschen, zsitweilig gusgesproehen skandierend. Infolge al]gemeiner Sehwgehe nnd zunehmsnder
Abb. 16. Querschnitt durch d~s DorsMmark. Umsshriebener ovMer tterd im Bereich der tIintsrstr~nge, symmetrisch zum Selotum post. gelegen. Diffuser Herd ira Py.-SeitenstrangareM. (Nissl-F&rbung.) Ataxie in den Beinen Alleinstehen und Gshen yon Mitts Mai ab nicht mehr mSglieh. Weitere Abnahme des Visus, besondsrs ]inkerseits. UrinverhMtung. Psyehiseh zusehends stumpfer werdend; vSllige Apathie. Am 20. VI. 27 somnolent. Exitus letMis 1rater den Zeiehen der tIsrzAteml~hmlmg. Die S s k t i o n y o n I t i r n ~ n d l I i ~ c k e n m a r k (dis ~ibrige K6rpersekUon war untersagt) ergab m~i~igs Hyper~mie der Meningen. M u l t i p e l verstreut i~ber das ganze ZentrMnervensystsm Herds, auf der Sshnittflache his zu ErbsengrSge. I m Groi~hirn und im Klsinhirn beschri~nken sieh di~ Herde fast ganz und gar auf das MarkweiB. In den Stammganglien habsn dis Herds sine weir get'ingere Ausdshnung. An vie~s,n Stellen er~'eiehsn sis das Vsntrikslsystem, sis n~hern sich oft p]uteauf~rmig dem Ependym. Die Herds sind resist seharf begrenzt und zeigs~
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sine graurStliche Farbe. Gleidhe IcIsrde wie ~m tIirn linden sieh im Riiekenmark, sin Un~ersetded is~ nur darin gsgeben, da/3 viele der raedull~ren Nerds start der graurStliehen Farbe, wie sis dis eerebralen Herds zeigen, mehr graubl~ulieh und glasig ersehsinen. Xhnlielz ge_~rbte tterde linden sieh auch in der Medulla oh1. sowie im Kleinhirn. f~b.erg~nge zwisehen diesen beiden A~.'ten der Herdbildung w.erden niehg selten getroffen. Im Italsmark Herds teils im Areal der reehten, teils im Areal der linken Strangfasern, fast tiberall auf das Orau tibergreifend. Im
Abb. 17. Langgezogener Herd an der Grenze zwisehen ~inde and Mark (a) mit Wallbildung innerhalb der weil]en Substanz. GroBer wMlf6rmig begrenzter Herd und mehrere kleinere tterde im Markweil3. (Nissl-Fgrbung.) untersn Halsmark tIerdbildung im Bereieh der I-Iinterstrgnge, rschtsrssits mehr als ]inkerseits. Hier aueh lgngs der vorderen Medianfissur Saumbildung, symms{riseh reehts gleieh links. Diessr Saum reieht ~iber e~wa zwei Segment,e weg naeh unten, yerbreitert sieh alsdann symmetriseh, um siela kaudalw~rts sehlieNich e'rneut zu ve,rjtingen. Im Bru,stmark I-Ierdbildung vor allem im Bereieh der Hinterstrange, ferner im Areal der linken Pyramidenbahn. Ira mittleren Brustmark streifenfSrmige tterde langs des Septum reed. post., aueh bier wieder symme~riseh, kaudalwSrts sieh verbreiternd, so dab s~ellenweise der Herd im Quersehnitt oval, stellsnweise keilfSrmig erseheint; kaudalw~rts verjiingen sich diess Herds ebenfalls. Daneben Herds in allen andsren Stranggebietea oft 7*
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It. PE~rE
keilfSrmig mit der Basis zur Peripherie, nicht selt6n auf das Grau. ttbergreifend. I m unteren B r u s t m a r k stellenweise tterde um c[ie Medianfissur, stellenweise um dab Septum med. post., meist symmetriseh. I m Lendenmark Herde vornehmlieh im Bereieh der Sei~enstr~nge. Bei Beschreibung des h i s t o 1 e g i s c h e n Befundes haben wir, wie bereits aus dem makroskopisehen Befund ersiehtlieh, zwisehen v e r sehiedenen Arten der ProzeBbildung zu nnterseheiden. Schon bei oberflgehlieher Betraehtung erkennt man, dab ein grSl3erer Teil der
Abb. 18. Konfluierende kleine Herde um erweiterte, aber nicht infiltrierte Gef~ge an der Grenze zwischen Rinde und Mark. ( N i s s l - F ~ r b u n g . ) modulls tterde einen anderen Charakter zoigt als v i d e Herde im Hirnstature und in anderen Teilen des Gehirns. Beginnen wit mit ersteren. Ganz unregelm~Big verstreut fiber die einzelnen Strangareale sehen wir b a l d m e h r h e r d f 6 r m i g , bald mehr str6ifen~Srmig den Prozeft sich auswirken. F e t t pr~parate kennzeichnon den Vorgang s c h w e r e n lV[arkzerfalls; die tterd6 sind stellenweise ber eits vSllig abger~umt. Nut Mer uncl da noch linden sieh Fettreste inmitten der I-Ierde oder auch nur in der ~efgBwandung. M a r k s e h e i d e n pr~parate zeigen entspreeheade Lichtungen. I m N i s s l - B i t d sehen w i t eine dichte I-I~ufung gliegener Elemente aller Art. Ganz fiberwiegond sind es Fettk~rnchenze]len, die
~ber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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z. T. noel masehige, w~bige Strul~ur erI~nng~ :l~ssen; weir zahlreieher abet sind rundliehe Zellelemente, deren Pro~oplasma gleiehm513ig homogea erseheint. Sie erinnern an 1V[akrophagen, sind aber, wie die K e r n bildung ze~gt, zweifeHos gliogenen Ursprungs. Die Abgrenzung gegen das normala Oe.webe ist nieht so seharf, wie es makroskopiseh und aueh naeh dean Markseheidenbild zu sein seheint. Sehr oft is~ der ~)bergang im N i s s l- Bild e.in ganz allm~hlieher. Die ]~terde finde~ sieh i m H i m f a s t a u s s e h l i e B l i e h im M a r k w ei 13, und zwar ttberwiegend h~ufig an der Grenze zwisehen
Abb. 19. Herde im Kleinhirn.
(Nissl-F/~rbung.)
Mark und l%inde. Markw~rts zeigen sie im N i s s l - B i l d eine meis~ kerndiehtere und infolgedessen dunkler gef~rbt erseheinende Randzone, die gleiehsam einen Wall gegen das normale Gewebe bildet. DaB diese Grenze abet keineswegs absolut seharf ist, zeigt sieh beim Betraehten der tIerde mit st~rkerer Vergr513erung. Noeh weir ~tber den Wall des einzelnea tterdes hinaus erseheing die @lia gewueherL t t o r t e g a PrSparate zeigen, dab es v o r n e h m l i e h E l e m e n ~ e tier M i k r o g l i a, weniger tier Oligodendroglia sind, die den eigen~liehen IIerd bilden. Monstregliazellen und andere atypiseL gewueherte @liazellen, z. T. mit zwei und mehr Kernen, sind nieht selten. Die G e f ~ G e zeigen nur ausnahmsweise noeh s p ~ r l i e h e l y m -
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H. PETTE
phoeyt~re Infiltrate, bier und da vermischt mit Plasmazellen. Die, E n d o t h e l i e n d e r G e f ~ 1 3 i n t i m a hind oft leieht gewuchert und geqnollen. Viele der medull~ren Her'de zeigen einen keilf6rmigen Ban, wobei die Basis dan Meningen zugewandt ist. An versehiedenen Stellea nmgibt d i f f u s g e w u e h e r t e G l i a s a u m a r t i g deal R a n d des R i i e k e n m a r k s , be,sonders die Oegend der vorderen Fissnr. An sole.hen Stellen sind irgendwelehe Beziehungen der Olin zu den Gef~Ben nietR zu e.r-
Abb. 20. Aus einem Optieusquersehnitt. Im Zentrum starke Liehtung der Achsenzylinder; in der Peripherie fast norma]es Bild (im entspreehenden S p ielmeyer-Prapara~ yon Markscheiden nichts mehr zu erkennen. (Bielsehowsky-F/~rbung.) kennen. Selien greiR der ProzeG axlf des R~ickenlnarksgrau itber. Nnr an einzelnen Stellen erseheinen die V , o r d e r h 6 r n e r d i f f u s k e r n vermehrt Die G a n g l i e n z e l l e n selbst sind im Bereich solcher Herds bald mehr, bald weniger ver~tndert; einem Te[1 der Zellen fehlen die Dendriten, ihre Tigroidschollen sind staubfbrmig zerfallen, seltener erseheint die Zelle gebl~ht and glasig homogen. Xhnlichen Zell'bildern begegnen wir gelegentlieh abet auch innerhalb anscheinend sonst gesunden Gewebes. V.oa diesen eben b,eschriebenen, makroskopiseh leieht, glgsJg erseheinendan Iterden l t n t e r s e h e i d e n s i e h j e n e m i t f r i s c h e r e m , g r a u -
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rStlichera Farbton vor allem. dadurch, dab in ihnen lebh a f ~ e , z.T. h o c k g a n z f r i s c h e En~ziindungsvorg~nge besteh e n . Die OefglSinfiRrat.e sind hier st.ellenweise sehr erheblieh. Solehe tterde zeigen i ~ N i s s 1- Bild ebenfalls .einen w a l l a r t i g e n l~and. Der W a l l wird dureh ein auBeror4entlieh dieht gsftigtes Netz gliog,sner Elelnsn~e, und zwar von 3 d a k r o - und M i k r o g l i a gsbildst, er geh~ zentralw~rts in .tin diehtss Nstz yon P,sRkSrnehsnz.ellea (vornehmlic h Mikro-, weniger Oligodendroglia) iib,er. D i e s s r s b r a l e n Hsrde, der en Or513s augerordsn~lieh weshs.elt, liegen ganz i i b s r w i e g e n d an d.sr @ r e n z . s z w i s e h e n Rinde und Mark. N u r seRen gem der Proz.e13 kor~ikal iib.er das Areal der inners~.sn Rindel~sehichf hinaus. Die k 1 e i n s t..e,n H e r d s gruppieren sish regslm~13ig, wi.s im F a l l s 1 nnd 2, um sin lsisht erwei~ertes, abet keineswegs immer infil~riertes O.ef~13. Die W a l l b i l dm~g find.e~ si.eh immsr nur in 1~ i . e h ~ung des Marklagers, niemals in t~ieht,ung des Rinds. Kortikalwfi.r~s klingt tier Herd ziemlieh seharf ab; immerhin findefi sieh ansh hier noeh, wie das C a j a 1 sehe B i l d erkennen lfiBt, .eine ganz lsieh~e H~uSung fas.srblld. Makrogliaelements. N.eben .groGen. homogen erseheinend.en und m.eha" od.er wenig.er seharf nmsshrieb.enen Herden si.eht man nieht s,eRen zahlrei.shs k l e i n s ~ e Herdehen, die nieht ~berall mReinander konqu~eren nnd yon denen eb,snfMls sin j e d e s u m e i n z e s t r a 1 e s O e f ~ 13 li.egt. Weir seltener b.s,gegnst man inn.erhalb diessr offensiehtlieh jiingeren Herde atypiseh gewueherten @liazelle~.
Abb. 21. Markscheidenpr~parate. (F.~rbung nach W e i g e r t - P M . )
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Von den Stammgsmglien is~ der Thalamus optieus weitaus am st~rksten ergriffen. W i r fLeden hier neben typischen tterden nicht selten isolierte Oef~Binfiltrate o.hne jedc Beteiliguag umgebenden Gewebes. I m Putazaea nnd im Nucleus eaudatus linden sieh nur sehr spgrliche Iterdbildungen. Das P a l l i d u m ist frei, ebenso der Nuclen,s ruber, die Subst~ntia nigra a n d das Gorpus mamillare. Die ttevdbildnngea in der benaehbarten wei~en Substanz setzen sich nieht auf das @rau der Kerne fort; die Gre~ze wird im Mlgemeinen gut gewahrt.
Abb. 22. Aus einem Herd im Grol]hirn. Die faserbildende Glia ist nut im 1VIarkwei~ vermehrt und gewuchert. Ziemlich seharfe Grenze gegenfiber der Rinde [1%]. Inmitten der C a j al schen Gli~ zahlreiehe It o r t e g a sehe Elemente. Die M e n i n g e n sled nieht n u t i m Bereich der Herde, sondcrn oft n och welt dariiber hLeaus stark infiltriert. Die I a f i l t r a t e sind stellenweise unvergleichlich starker Ms bei FM! 1 und 2. Fettprs zeige~, dM~ die Abbauvorg~nge innerhalb dieser Iterde aul~erordentlieh lebhaft sled. Der Abtransport zu den Gef~Ben h a t an vielen Stellcn eben erst begonnen, an anderen Stellcn ist er bereits weiter fortgesehritten. M g r k s eh e i d c n prap~rate lassen an entsprechenden Stcllen Liehtungen erkennen. Nicht konfo}m mit der Destruktioa der Markscheidea geht der Zerfall der A c h s e n z y l i n d e r . W a s in dieser ItLesicht fiir F a l l 1 und f i i r F a l l 2 besehrieben wurde, gilt anch ffir F a l l 3.
Uber die Pathogenese der mul~iplen Sklerose.
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T r a c t u s opt., C h i a s m a und Nn. o pt:i'c:i~sind sehwer affiziert. Auf einzelnen Querschnitten ist im S p i e 1m e y e r - Bild yon Markscheiden iiberhaupt nichts mehr zu erkennen. Fettpr~parate zeigen, wie verschieden der Abbau ist, stel]enweise, besonders im Zentrum, ist der Abbau offe~sichtlich berei~s beendet. An diesen Steilen fehlen in ehlzelnen lqervenbiinde]n aueh die _h_ehsenzylinder vSllig, angrenzend sind sie stark gelich{et, wghren4 sie in den peripheren Teilen verhgltnismaBig gut erhalten sind.
Abb. 23. Aus einem ~[teren grS/~tenteils sehon ~bgebauten Herd. Hypertrophische M~kroglia (Monstregliazellen) inmiften yon gewucherten Mikrogliaelementen. Gef~l~e erweitert und noch leieht infiltriert; Endothel gelocker~. (Nissl-Far bung.) S l o i n a l g a n g l i e n zeigen die gleichen Ver~nderungen, wie sie im Falle 1 beschrieben wurden, d. h. diffuse Gliazellwucherung mit Einsfreuung yon Plasmazellen. Im Felt- sowie im Markscheidenpraparat erkenn~ man den diskon~inuierlichen Markscheidenzerfall bei rela~iv gufem Erhaltensein der A_ehsenzylinder. ~hnliehe Herdbildungen finde~ man aueh in den Wurzelnerven.
Zusammenfassung. Eine 31j. Frau mit belang]oser Vorgeschich~e erkrank~ 1920 ohne bekannte Ursache unter _A_llgemeinerscheinungen mi~ einem
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Oefiihl der Unsieherheit in den Beinen und mit anfallsweise auftre{endem Erbreehen. Die Erseheinungen bilden sieh bis auf eine geringe Unsicherheit beim Gehen zurttck. Anf~ng 1925 retrobulMre Neuritis reehterseits, 1/2 J a h r spgter linkersei{s, gleichzeitig Schwgchegefiihl in den Beinen. Auch jetzt wieder weitgehende Riickbildung der Erseheinungen. tIerbs{ 1926 vorObergehend sehwerste St/Srungen der Darmt, gtigkeiL Februar 1927 im An-
Abb. 24. Aus einem frisehen Herd im Stadium akuten Markzerfalles. Mikrogliazellen vermehrt und geschwollen, grOgtenteils bereits in FettkSrnehenzellcn umgewandelt. (Hortega-Fgrbung.) schlul5 a~ eine Erkgltung erneut sehwere Neuritis retrobulbaris bds. mit zentralen Sko~omen und Nachlassen der' Sehkrgft. Von diesem Zeitpunk{ an rapide Versehleehtermlg des Allgemeinzus{andes. Lghmul~gen basaler tIirnnerven, bulbgre Symptome, spastische Paresen ~n den Extremitgten gleichzeitig mit eerebellaren Erscheinungen. Allgemeine psychische Verstumpfu=g. Yortsehreitender Verfgll. Am 20. VI. 1927 Exitus letalis under den Zeiehen der I-Ierzatemlghmung. Die SekUon ergibt eirmn I-Ierdprozel3, des multipel und diffus
l)ber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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das ganze Zentralnervensystem befalIell h~t. Die Herde weehseln an Gr61ge und an Gestalt. Es linden sieh 13berg~nge yon kleinsten, nur mikroskoioiseh erkennbaren, dich~ nebeneinander stehenden I-Ierdehen bis zu grogen, homogen erseheinenden, wallartig begrenzten I-Ierden. Makroskopisch u•d mehr noeh mikroskopiseh lassen sieh ~tltere und frisehere Herde lebhaften Par enehymzerfalls
Abb. 25. Aus tier Zone unmitt~elbar jenseits eines YIerdwalles. Herd in der weiBen Substanz des GroGhirns. Mikrog]ia diffus vermehrt. Eingestreu~ zaMreiehe Makrogliaelemente, yon denen nut die Kerne zu erkennen sind. (tIortega-F/~rbung.) voJaeinander unterseheiden. W~hrend ers~ere teilweise berei~s ~bger/ium~ sind, zeigen letztere noch Zeiehen akuten Zerfalles und akuter En~ziindung. Im Vordergrund alles ~esehehens steh~ der gliogene ProzeG, w~hrend die mesodermale Reaktion sehr zuriiektritt. Innerhalb der Herde sind die Markseheiden weir sehwerer geseh~digt als die Aehsellzylinder. Die Spinalganglien sind ebenfalls yore Prozei3 ergriffen. II. Von den 3 mi~geteilten F~llen haben Fall 1 und 2 eine weitgehende )[hnlichkei~, sowohl was die Symi~toma~ologie wie aueh
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It. PErSE
was den Verlauf der Krankheit betrifft. Subakut erkranken das 19j. Mgdehen und der 39 j. Mann mit einer leieht spastischen Parese der unteren Extremitgten, die sehnell auf den Oberk~rioer abergreift. Beide Male bestehen St~irungen seitens der Augen, im 1. Fall eine ausgesproehene Neuritis opt. sowie eine Abdueenslghmung, im 2. Fall Nystagmus naeh allen Bliekriehtungen, Slitter ebenfalls eine Neuritis opt. Im Liquor linden sieh Zeiehen der EntziAndung: Globulinvermehrung und leiehte Lymphoeytose. Eine zu Beginn der Krankheit bestehende Retentio urinae et alvi geht sparer in Inkontinenz fiber. Bulbgre Erseheinungen komplizierert das Bild im Endstadium. Der Exitus letalis erfolgt im 1. Fall etwa 5, im 2. Fall etwa 2 Woehen nach Auftreten der erste~ sehweren grankheitserscheinungen. Von diesen beiden relativ akut verlaufenen F~tllen unterseheidet sieh Fall 3 dutch seinen w e i t e h r o n i s e h e r e n Verlauf. Die ersten Erseheinungen reiehen bis in das J a h r 1920 zur~iek. Ein GefCthl der Sehwgehe und der Unsieherheit in den Beinen, anfallsweise auftretendes Erbreehen leiten das Krankheitsbild ein. Es bleibt in tier Polgezeit ein gewisses Geft~hl der Sehwgehe und der Unsieherheit im ganzen KSrper, besonders in den Beinen. 5 J a h r e spgter sehen wir eine Neuritis opt. erst auf dem einen, ein halbes J a h r spiiter aueh auf dem anderen Auge. Immer wieder kommt es zu weitgehenden lgemissionen, bis Anfang 1927 im Ansehlul~ a n eine Erk~ltung sieh der Zustand akut versehleehtert und nunmehr das Krankheitsbild unter ganz ghnliehen Erseheinungen verl~tuft wie im Falle 1 und 2. Es endet innerhalb eines Zeitraumes von etwa 4 Monaten, d. h. 7 J a h r e naeh Auftreten der ersten krankhaften Symptome letal. Alle 3 Fglle sind dureh die V i e l h e i t d e r S y m p t o m e i m Endstadium gekennzeiehnet. Der bunte Wechsel der Erseheinungen lieft kliniseh bereits darauf sehliet3en, daG der anatomisehe Prozel3 multipel nnd diffus sein mufgte. Auf Grund des klinisehen Oesehehens war anzunehmen, dab die ve r s e h i e de ns t e n S y s t e m e , vor allem das Pyramiden- und das eerebellare System e r k r a n k t waren. Erwghnt sei besonders, dab in alien 3 F~llen eine N e u r i t i s o p t i e a. bestand, die im Falle 3 innerhalb der letzten J a h r e wiederholt rezidivierte. Der Liquorbefund maehte 'die Annahme eines infekti6s entzttndliehen Prozesses wahrseheinlich. Da ft~r eine luisehe Infektion in keinem der F~lle
Uber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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ein Anhal~ gegeben war, und such sonstige I n f e k t i o n e n bzw. Tuberkulose mi~ einem grogen G r a d yon Wahrseheinliehkeit aus: zusehlie/3ett waren, lautete in den beiden ersten F/~llen die k l i nisch ges~ell~e Diagnose auf E~ieephalomyeli~is disseminata unbekannter ~iologie, i m 3. F a l l a u f m u l tiple Sklerosel). Die F r a g e , ob und inwieweit wir bereehtigt sind, im ge: gebenen F a l l die eine oder die andere Krankheitsbezeiehnung zu w~hlen, ist im L a u f e der J a h r e yon zahlreiehen A u t o r e n diskutier{ worden, hgufiger an H a n d anaiomiseher Befunde als auf G r u n d rein kliniseher Tatsaehen. I n einer friiheren Mitteilung babe ieh bereits k u r z die G ~ n d e angeftthrt, die mieh veranlal~ten, anzunehmen, dal3 es weder kliniseh noeh anatomiseh mSglieh sei, beide K r a n k heitsbegriffe seharf voneinander zu trennen. Von ein,er multiplen Sklerose zu spreehen, so f~thrte ieh aus, sind wir streng genommen n u r dann bereehtigt, wenn aueh wirklieh eine Sklerose, d . h . eine umsehriebene W u e h e r u n g faserbildender Glia besteht. Da nun aber das Z u s t a n d e k o m m e n einer wirkliehen Sklerose s{ets ein lgngeres Bestehen des K r a n k h e i t s p r o z e s s e s zur Voraussetzung hat, werden wir bei sehr a k u t verlaufenen Fgllen k a u m bereeh~ig~ sein, yon einer multiplen Sklerose in wahrem, d.h. anatomisehem Sinne des Wortes zu reden. I m m e r h i n sei bemerkt, dab unser erster Fall, der eine K r a n k h e i t s d a u e r yon nur etwa 5 Woehen hat,e, bereits eine ausgesproehene Tendenz zur Gliafaserbildung im Bereich, besonders abet am R a n d e der H e r d e erkennen lieB, weir weniger der 2. Fall, der n u t eine Krankheitsdauer. yon etwa 2 Woehen hatte. H i e r a u s ergibt sieh, dab es bei dieser F o r m eneephalomyelitiseher E r k r a n k u n g l g d i g l i e h ~ e i n e - F r a g e der Zeit ist, von welehem Stadium anwir 'den ProzeB als Sklerose bezeiehnen wollen. Konnte der langwierige Streit bereits vor J a h r e n als dahin entsehieden gelten, dab es a n a t o m i s e h nieh~ mSglieh sei, 1) Anm. b e i d e r K o r r e k t u r . i~ber eine unseren Fgllen sehr ghnliehe Beobaohtung hat soeben It e r r m a n n aus der KIinik P 6 t z 1s berichtet. Das 20 j. Mgdeher~ erkrankte im Ansehlul3 an eine Erkgltung mit einer Paraparese der Beine, die im Verlaufe yon 9 Woehen aszendier,end zum Exi~us' f/ihrte. Die histologisehe U~tersuehung ergab Vergnderungen, die den yon uns besehriebenen weitgehend gleiehen: .(Zeitsehr: f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie Bd. 114, S. 804.)
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X. P~Tr~
bsids Krankheitsn vonsinander zu trennsn (Marburg1), Siemerling-Raseke~), V61seha), Anton-Wohlwill4), FinkelnburgS), Fr~nkel-JakobG), t~ish~srT), W e g e l i n S ) ) , so ist inzwisehsn auf G r u n d kliniseher Tatsaehen die F r a g e yon nsusm ventilisrt worden. 1%e d 1 i e h 9) hat vor ungef~hr J a h r e s f r i s t in einsr A b h a n d l u n g bstitelt ,,~ber sin gshttuftes A u f t r e t e n yon Krankheitsfitllsn mit den Erseheinungsn der Ertesphalomyelitis disssminata" iibsr sine gr613ers A n z a h l kliniseh beobaehteter F~lls beriehteg. Wennglsieh I ~ e d l i s h zugibt, daG die Symlotomat01o~is diessr F~lls im wssentliehen dem Bild der multiplen Sklerose entsprish% so hat er doeh gswisse Bsdenken, hier yon einer e e h t s n multiplsn Sklerose zu spreehen. Dsr sehr akuts B eginn nnd die Sekwere des Krankheitsbildes im frOhestsn Stadium, aueh andere Zeiehen wis Fehlen sehwerer eerebrMer Allgemeinerseheinungen und psyehischer StSrungen, l~ehlen yon Erseheinungsn seifelas des OpUeus und sehliel31ieh Fehlen ausgesproehener Exaeerbationsn 1~ hindern ihn, diess K r a n k h e i t s f o r m mi~ der multilolen Sklerose zu identifizier,en. Naeh Darlegung der Sehwierigkeiten, die sieh in dee Entseheidung naeh dsr einen oder naeh der anderen Rieh~ung ergsben, kommt R e d l i e h sehliel3lick za dsm Sehlul3, dal3 die F r a g e his a u f wei~srss ellen bleiben miisse. Ale Beispiel daf~ir, wis sehwierig, ja unm6glieh die Seheidung beidsr Bsgriffe sein kann, miSgs noeh erw~thnt ssin, daG sin Fall, den O io IOe n h e i m ~1) attf G r u n d klinisehsr und anatomi1) M a r b u r g , Jahrb. f. PsycMatrie 1906, Bd. 27 u. L e w a n d o w s k y , Handb. d. NeuroI. Spez. NeuroL Bd. I. 2) S i e m e r l i ~ l g - R a e e k e , Arch. f. Psyehiatrie Bd. 53. 3) V61seh, Monatsschr. f. Psyehiatrie u. NeuroI. 1908, Bd. 23. 4) A n t o n - W o h l w i I I , Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie 1912, Bd. 12. 5) l ~ i n . k e l n b u r g , Dtseh. Zeitschr. f. NervenheiIk. Bd. 20, S.~08. 6) F r a e n k e I - J a k o b , Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatric 1913, Bd. 14. 7) R i c h t e r , Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatric Bd. 38. 8) W e g e l i n , Dtseh. Zeitsehr. f. Nervenheilk. Bd. 31. 9) R e d l i c h , 1. e. 10) Atom. b e i der t f o r r e k t u r , tIi,erzu sei bemerkt, dab Fall6 der Arbeit R e d li c h s inzwischen bereits 2 mal rezidivierte. Der Kranke (ifaufmann aus Smyrna) konsultierte vet kurzem, nach dem 3. Sehub, Prof. lg o ~1n e. Im 2. Sehub batten • bestanden. 11) O p p e nh e i m , Dtseh. Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 52, S. 172,.
Uber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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seher Untersuehungen als eehte multiple Sklsrose bezeichnete, von H e n n e b e r g 1) als akute disssminierte Encephalomyelitis aufgefal3t wurde. Wenn wit uns mit l ~ e d l i e h auf den Standpunkt stellen, dab ,,die multiple Sklerose ein kliniseher Begriff ist mit bestimmten klinisehen Symptomenbildern und Verlauf und eharakteristisehen anatomiseh-histologisehen Vergnderungen", so sind wir, glaube ieh, auf Grund der vorher mRgsteilten Beobaehtungen bereehtigt, ein e n t s e h e i d e n d e s Weft in dieser :Prate zu sprsehen. KrankheRsbilder, wie im Falle 1 und 2 sind bei tier MannigfaRigkeit ihrer Symptoms Erseheinungsformen, die uns als erstes Stadium und aueh im sp~teren Verlauf einer muRiplen Sklerose durehaus gelgufig sin& Ein U n { e r s e h i e d i s t l e d i g l i e h i n d e r A k u i t ~ t t bzw. in d e r I n t e n s i t ~ t t d e s G e s e h e h e n s u n d d a m i t im E n d a u s g a n g gegeben. DaG aber die Sehwere sines Prozesses nosologiseh niemals mal3gsbend seiu kann und darf far die Eingruppierung einer bestimmten Krankheit, ist ein G-ssetz, das nieht nur fttr die muRiple Sklsrose seine GttltigkeR hat, sondern fttr j e d e KrankheRsform und speziell aueh ftir infektiSs entzitndliehe Erkrankungen des Z.N.S. Als Beispiel nsnne ieh nut die P o 1 i o m y e 1 i t i s, yon der wir ebenfalls wisse~, dab alle f3berggnge yon den leieh{esten :Formen, den sot. formes frustes, bis zu den sehwers~en innerhalb weniger Tage letal endenden :Formen vorkommsn, und doeh gilt es heute auf Orund biologiseher and spidemiologiseher Tatsaehen als erwiesen, dab wir es hier mit einer e i n h e i t l i e h e n , d u r e h da, s g l e i e h e A g e i l s e r z e u g t e n Krankheit zu tun haben. Im Falle 3 dttrfte naeh dem klinisehen Verlauf wohl kein Kliniker Bedsnken tragen, yon einer e e h t en muRiplen Sklerose zu reden. Innerhalb eines Zeitraumes vort 7 gahren beobaehten wir eine Anzahl yon Sehiiben, die als solche far sine multiple Skleross gsradezu klassiseh sind. Ihnen folgt im 7. Jahre der letal endende Sehub; er zeigt symptomatologiseh sehr wsRgehende XhnliehkeR mit dem Krankheitsbild der F/~lle i und 2. Diese Tatsaehe wirR bsreRs, rein kliniseh betraehtet, ein gewisses Lieht auf die Frage der ZugehSrigkeR jener srsten F~lle zur muRiplen Sklerose. Entscheidend abet konnte naturgem~13 erst das Ergebnis histologiseher Un~ersuehungen sein. 1) H e a n e b e r g , Neurol. Zentralbl. 1916, S. 652.
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Das histologisehe Bild, das die 3 F~lle bieten, kennzeiehnet sieh dureh einen d i s k o n t i n a i e r l i e h e n Zerfall der Markseheidenbaldmit, baldohneBeteiligung der Aehsenz y l i n d e r , diffus und multipel dutch das ganze Z.N.8. in bald mehr, bald weniger umsehriebenen Arealen. Die I-I e r d b i 1 d u n g ist in den einzelnen F~llen v e r s e h i e d e n w e i r v o r g e s e h r i t t e a . Bei ]~all 3 finden wir versehiedene Stadien, angefangen yon eben beginnendem Zerfall his zu fast beendetem Abbau inmitten einzelner Herde. Entspreehend begegnen wir alien Stadien r e a k t iv e r O 1 i a w u e h e r u ng. Innerhalb der Herde ist es vornehmlieh die Mikroglia, am Rande faserbildende Makroglia, die in Wueherung geraten ist. Die G e f ~ G e inmitten der Herde sind meist stark erweitert and ebenso wie die M e n i n g e n der Naehbarsehaft in sehr weehselnder, vom Alter. des Prozesses abh~ngiger Intensit~t i n f i l t r i e r t . In allen 3 F~llen sind die engen Beziehungen der Herdbildung zmn Oef~t13system unverkennbar. Au~ gewisse Eigenheiten der Proze13ausbreitung, die bei allen 3 F~tllen wiederkehren, wird welter nnten noch einzugehen sein. Der Untersehied im histologisehen Substrat unserer F~lle ist weniger dutch die A r t d e s P r o z e 1 3 a u f b ~ u e s sis vielmehr durehdie Zeitspannedes Krankheitsgesehehensunddamit dureh die dem Proze13 gegebene MOgliehkeit, sieh versehieden weir auszuwirken, bedingt. Entspreehend der klinisehen Beobaehtung wiederholter Sehttbe mi~ Remissionen sehen wit ira Falle 3 Kerde versehiedenen Alters, wghrend in Fall 1 und 2 in 0bereinstimmung mit dem klinisehen Oesehehen derargig weitgehende Untersehiede in der Proze13bildung nicht gegeben sind. Dutch vergleiehende Untersuehungen an glten Fgllen yon multiple'r Sklerose konnten wit zeigen, da13 Anordnung und Aufbau der einzeNen Herde identiseh sind mit den Bildern, die wit in gltesten 8fadien multipler Sklerose linden. Es sel ferner darauf hingewiesen, dab aueh naeh den zahlreichen in der Literatur niedergelegten Befunden, sei es in Spezialarbeiten, sei es in zusammenfassenden Darstellungen yon I-Iandbttehern ( M a r b u r g 1 ) , F. It. L e w y 2 ) ) , prinziloielle. Untersehiede naeh dieser Richtung nieht zu erkennen sind. W i e b.ei j e d e r I ( r a n k h e i t bestimmt aueh bei der 1) ~ a r b u r g, L e w and o w sk y, Handb. d. Neurol. Spez.. NeuroL Bd. L 2) 1~. }I. I~e w[7, Spez. Pathol. u. Therapje d. inn. Krankh. 192~, Bd. X.
Ober die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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multiplen Sklerose die Akuitgt des Oeschehens das histologisehe Substrat in sehr erheblichem Mage. In diesem Zusammenhang sei besonders auch auf die Befunde ]3 i e 1s c h o w s k y s 1) hingewiesen, dessen 2. Fall unserem Falle 2 weitgehend gleicht. B i e l s e h o w s k y hat seinerzeit (1901) befelts, ausgehend yon der Lehre L e y d e n s , dal3 die herdf6.rmige, akute Myelitis in gewissem Sinne das Vorstadi~m der multiplen Sklerose sei, die Schwierigkeiten der Klassifizierung akuter Fg!le disseminierter Encephalomyelitis beleuchtet. Wie vielseitig die Faktoren sein kSnnen, welche den zeitliehen Verlauf des Prozesses beeinflussen, sell hier nicht erS~tert werden; es ist bereits an anderer Stelle geschehen. Ieh wies darauf hin, dal3 sehr komplexe Vorggnge, vor allem epidemiologische, immunbiologische und nicht zuletzt konstitutionelle Momente es sind, die den Charakter und den Verlauf infektiOs eneephalomyelitiseher Krankheiten bestimmen. Aus obigen Ausftihrungen geht hervor, dal3 wir bei unseren FMlen w e d e r a u f O r u n d d e r k l i n i s e h e n Tatsaehen, noeh ant Grund der anatomisch-histologisehen Befunde eine MSgliehkeit s e h e n , d i e sog. E n c e p h a l o myelitis disseminata yon der multiplen Sklerose zu trennen. Die in den einzelnen F~llen gegebenen anatomischen Untersehiede in der ProzeBbildung erkl~ren sieh ungezwungen aus der Intensit~t und aus dem Alter des Prozesses. Die multiple Sklerose hat somit trotz'der Vielseitigkeit der Bilder, unter der sieklinisehwieanatomischindie Erscheinungtritt, als eine Krankheitseinheit zu gelten.
III. In den nunmehr folgenden ErSrterungen werden uns weniger die klinischen und histologisehen Einzelheiten als solehe interessieren; es sell vielmehr Stellung genommen werclen zur Frage, wie welt es mSglieh ist, a u s d e r A r t d e r V e r g n d e r u n g e n Rtteksehliisse zu ziehen auf die Pathogenese des Proz e s s e s. Die Frage naeh der P a t h o g e n e s e der multiplen Skle1) B i e 1s c h w o s k y, Myelitis u. Sehnervenentziindung. S. Karger, 1901. Deutsche Zei~schrlft f. Nervenheilkunde. Bd. 105.
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rose steht auf Grund in den letzten Jahr'en gewonnener Erkenntnisse im Mittelpunkt alles Interesses; sic ist auf das engste verknttpft mit der Frage naeh dem Erreger. A n anderer Stelle h~be ich die OrCtnde dargelegt, die reich veranlal3ten anzunehmen, daI~ ein S u c h e n n a c h d e m E r . r e g e r f a r d i c s e Krankheitsform ein zungchst w e n i g a u s s i e h t s r e i c h e s Unternehmen ist. Die experimen~ellen Arbeiten auf dem Gebiete des epideInischen Encephalitis haben uns in dieser Hinsicht ein mahnendes und warnendes Beispiel zugleich gegeben. Was die V e r t e i l u n g d e r H e r d e innerhalb des Z.N.S. betrifft, so erweisen sigh in unseren F~llen vornehmlieh d i e Regiohen befallen, die wit auch bei den glteren P~llen yon multiples Sklerose als bevorzugt erkrankt kennen. Bald sind die Herde scharf voneinander getrennt, bald konfluieren sic. Gerade der 2. Fall zeigt nach dieser Richtung alle Y3berg~nge. Neben vornehmlich streifenfbrmigen Arealen akuten Markzerfalles, und zwar meist fund um ein einzelnes Gef~13, linden wit umschriebene und in sich gesehlossene tterde, mit mehreren Gefggen innerhalb ein und desselben tIerdes. Des histologische Substrat unserer F~lle deckt sich in allen wesentlichen Punkten mit Befunden, wie solche von anderen Autoren beschrieben worden sin& Ich verweise hier speziell &uf die Darstellungen von M a r b u r g , Anton-Wohlw i l l und F r a e n k e l - J a k o b . Der diskontinuierliehe, herdfOrmige Markzerfall bald mit, bald ohne Beteilignng der Achsenzylinder, die enorme Gliawucherung und die entz~_ndliche Infiltration der Herdgef~lbe geben demGanzen des charakteristische G ep r i~g e. Es sind die Kardinalsymptome der akuten wie auch der meisten chronischen F~lle yon multipler Sklerose. Ein gliicklicher Zufall hat es gefJJgt, dal~ wir in Fall 3 gleichsam ein Bindeglied in der X e t t e j e n e r K r a n k h e i t s f o r m e n haben, an deren einem Ende die sog. akute disseminierte Encephalomyelitis - - die H e n n e b e r g 1), R e d 1i c h s) und neuerdings attch wieder W o h l w i l l s) als selbstgndiges Krankheitsbild abgetrennt wissen w o l l e n - und an deren anderem Ende die multiple 1) I ~ I e n n e b e r g - C a s s i r e r , Krankh. d. Riiekenmarks u. d. periph. Nerven. 2. Aufl. 1926. 2) Re d l i c h , Monatsschr. f. Psyehiatrie u. NeuroL 1927, Bd. 6~, S. 152. 3) W o h l w i l l , Ze}t;sehr. f. d. ges. Neurol, u. Psychiatr}e 1928, Bd. 112.
Uber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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Sklerose steht. Der Fall gibt in geradezu klassischer Weise die Erklgrung fttr alles nosologisehe und gleiehzeitig auch anatomische Gesehehen. Neben alten, aber noeh keineswegs restlos ausgeheilten bzw. abgebauten Herden sehen wir frisehere Zerfallsprozesse mit alien Kennzeiehen akuter Entztindung, also einen ProzeB, der die fgr die akute disseminierte Encephalomyeli{is wie f a r die multiple Sklerose charakteristisehen Zeichen in sieh vereint. Au f die alte S~reitfrage v o n d e r endogenen Entstehuagsm6gliehkeit der multiplen Sklerose, wie sie seinerzeit yon S t r g m p e 11 und heute, wenn auch stark eingesehrgakt, noch yon E. M tt ll e t 1 ) verfochten wird,, brauehen wir nieht einzugehen. W o h l w i l l 2 ) hat in seinem kritisehen ~bersichtsreferat, wie ieh meine, triftige Griinde zur Gentige angefiihrt, die uns mit ihm zu dem SehhB kommen lassen, dab der Beweis N r die Riehtigkeit einer solehen Auffassung bisher nieht erbraeht wurde. Seit S t r i i m p e l l nicht mehr lebt, steht E. M ~ i l l e r eiaer fast gesehlossenen Phalanx yon Autoren, die anderer Meinung sind, gegentiber. Wean ~' a 1k i e wi e z a) ftir die Tatsaehe, dab fast regelmgBig Herde im dorsalen Septum des Riiekenmarks beobachtet werden, konstitutlonelle Sehwgehezustgnde verantwortlieh maeht, so rut er es nut, wie er ausdriteklieh hervorhebt, im t{inbliek auf die Lokalisation des Prozesses. Die Annahme, da/3 d i e m u l t i p l e Sklerose eine entziindliehe Erkrankung d e s Z . N . S . ist, stiitzt sieh a n a t o m i s e h vornehmlieh auf die Tatsaehe einer bei den akuten ~glleIt stets, und zwar stellenweise oft sogar sehr erhebliehen, bei den ehronisehen Fgllen Mufig noeh vorhandenen O e f g l 3 infiltration innerhalb d er einzelnen Herde, speziell aber auf.den Befund yon P l a s m a z e l l e n in den Gefgl3s e h e i d e n . Naeh dem heutigen Stand unserer Kenatnisse miissen wir diese Tatsaehe als p a t h o g n o m o n i s e h fiir den Infektionseharakter einer Krankheit, d. h. 'fiir das V o r h a n d e n s e i n e i n e s l e b e a d e n E r r e g e r s ansehen. 1) E. M i i l l e r , Handb. d. inn. Med. yon B e r g m a n n u. 8 t a o h e fin. Bd. V, 1. Tell. Verl. J. Springer, 1925. 2) W o h l w i l l , Xeurol. Zentra]bl. 1913. 3) F a l k i e w i o z , ArK a. d. Wien. neuroL Inst. 1926. 8*
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H. P~E
Es lag naturgem~l~ nahe, dem G e f ~tB prozeB gerade in pathogenetiseher Hinsicht eine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Von ~lteren A_utoren sind wiederholt Thrombenbildungen und Blutungen besehrieben worden, so yea R i b b e r t l ) , S t r a h n b e r ~ ) , B i e l s c h , o w s k y und S c h u s t e r 3) u. a. J a k , o b sah in einem Gef~G des StirnBirnmarks bei seinem Fall 1 des Lumen dureh Ansammlung weil3er BlutkSrperehen verlegt, ahnliehss sah each H e s s . Gerade die Bcobaeh~ung einer Gefggverstopfung war far R i b b e r % der Amlal3 anzunehmen, dal3 des entzfindliehe Agens auf dem Blutwege verseh~eppt irgendwe in der Wandung h~ngenbleibt und nun yon Bier aus zur Herdbildung fiihrt. B,orst~), Tayl~orS), F l a t a u und K O l l i e h e n ~ ) , B i e l s e h , o w s k y und S c h u s t e r , 3~nt,on und W o h l w i l l , S i e m e r l i n g und 1%aeeke u. a. sahen getegentlieh Blu%ungen aus klei~en Gef~13en. Gleiehes sahen wir bei Fall 2, und zwar an~ Boden des ~. Ventrikels. Die B e z i e h u n g e n d e r s o g e n . P l a q a e s z u m G e f a l 3 s y s t e m hat wohl als erster R i n d f l e i s c h 7) erkannt. Ihm fie1 schon bei makroskopiseher Betrachtung der Herde ,,ein roger Punkt oder ein roger Fleck auf, des cluer oder s,chf~g durehsetmittene Lumen eines mit Blur fiberffillten Gef~13st~mmchens". Amf diesen Befund wurde sparer immer wieder Bingewiesen. Ftir eine 2~.usbreitung des Prozesses auf dem Blutw,eg trat vet allem B . o r s t in einer 1897 erseBienenen A_rbeit ein. Ibm sind sparer zahlreiehe andere A.utoren gefolgt. Auf die Tatsache einer G e f ~tg di 1 a t a t i o n innerhalb der Herde hat wi,Mer als erster R i n d f 1e i s e h r hingewiesen. A n ~ o n und W o h 1w i l l fanden ,,ganz konstant eine sehr deutliehe und erhebliehe Erwciterung des Lumens". G e f ~ 1 3 w a n d v e r d i e k n n g e n haben R i n d fleiseh, Leyden, B ors%, R 5 n n e - W i m m e r , SiemerlingR a e e k e u. a. beschrieben. S i e m e r l i n g und R a e e k e haben 19[4 in einer .grol) angelegten Axbeit alle M,omente au~gefiitu% welche die Vergeilung des Virus auf dem Blutweg wahrseheinlieh maehen kSnnen. Der in dieser Rieh~ung von ihnen wie auch yon anderen Autoren ( A n t o n und W o h l w i l l , J a k o b , R i c h t e r , RSnne-Wimmer) geffihrte Beweis wird nun aber k e i n e s w e g s a l l e n T a t s a e h e n i m histol,ogisehen Bilde der multiplen Sklerose gerech~. Der Beweis einer g e s e t z m ~ l ) i g e n Abh~ngigkei~ j e d e r Herdbildung veto Gefal3system kSnnte zweifellos dann als erbracht i) 2) 3) ~) 5) 6) Bd. 22. 7)
l~ibbert, Virchows Arch. 1882, Bd. 90. S t r ~ h u b e r, Zieglers Beitr. z. PathoL u. pathol. Anat. 1903, ]~d. 33. Bielschowsky u. Schuster, Zeitsehr. f. kiln. Med. 1898, 8.395.. B or st, Erg. d. allg. Pathol. 1903/1904, IX. Jahrg. T aylo r, Dtseh. Zeitsehr. f. Nervenheilk. 1894. l~latau u. K,511iehen, Dtsch. Zeitsehr. f. Nervenheilk. 1902, Rindfleisch,
Virchows
Arch.
1882, Bd. 9).
~ber die Pathogenese. der multiplen Sklerose.
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gelten, wenn es naehzuweisen geliinge, daG das Versor'gungsgebiet eines g a n z e n Gef~13stammes in einen H e r d aufgeht. D i e s e r Naehweis ist bish,ernieht erbraeht w o r d e n . B o r s t sah gelegentlieh in die Spitze keilfSrmiger H e , de ein infiltr'~ertes Gef~G eintreten. Gleiehe Befunde haben E i e h h o r s t l ) , Sehla~enh a u l e r S ) und S e h o b a) erhoben. 3 _ n t o n und W o h l w i l l haben an mehreren F/~llen den Ausbreitungsmeehanis:mus besonders sorgfs geprtift. A n Seriensehnitten konnten sic feststellen, dab der H e r d das Gef~13 mantelartig stets n u t eine bestiramte Streeke weir begleitet, Sic konnten zeigen, da13 der H e r d die ]~'igur eines Ellipsoids bildet, dessen Nehse mit dem Gef~t13 zusarnmenf~tllt. Die I-Ierdbildung entspraeh jedoeh nie dem kapill~ren Ausbreitungsgebiet eines Gef~t13zweiges. Sic stellten ferner lest, dal) die be~roffenen Gef~13e racist Pr~kapillaren sind, Gef~13e, denen die Media felilt. 24hnliehe Befunde hat J a k o b erhoben. Prttfen wir nunmehr an Hand unserer F~lle die yon den einzelnen Autoren besehriebenen Befunde noehmals unter de mGesiehtswinkel derPathogenese, und zwar in erster Linie auf die :Prage der d i r e k t e n Abhgngigkeit des E i n z e 1 herdes sowie des O e s a m t proz.esses vom Oef~13system, so kSnnen wir zuni~ehst bestgtigen, da13 die w e i ~ a u s g r 5 13e r e Z a h 1 d e r H e r d e, vor allem gilt das fttr die kleinen und kleinsten, offensiehtlieh ihren A u s g a n g v o m Gef~13 s e l b s t nehmen. Das zeig~ besonders deutlich :Pall 2. F e r n e r zeigt ein jeder unserer Fglle, dab mehrere soleher Gefg13herdehen, wenn sic eng zusammenliegen, miteinander zu einem grSGeren H e r d versehmelzen k6nnen. Das Vorkommen von Einkerbungen und yon Liehtungen an einzelnen Stellen grSl3erer Herde reehtfertigt eine solehe Auffassung. In buntem Dureheinander und Nebeneinander kSnnen einzelne OefiiGzweige, die offensiehtlieh ganz versehiedenen G ef~gst~mmen entspringen, sieh an der Proze13bildung beteiligen. W i r sehen keineswegs selten seharf in sieh gesehlossene medulls H e r d e innerhalb der grauen und wei13en Substanz zugleieh gelegen, d. h. in Arealen, die v e r s e h i e d e n e n Gef~flversorgungsbezirken angehSren (s. Abb. 15). 2~hnliehes sahen wir aueh an anderen Stellen des Z.N.S. Keineswegs immer h~lt 1) E i c h h o r s ' t , Virchows Arch. Bd. 146. 2) S c h l a g e n h a u f e r , Arb. a. d. Wien. Neurol. Inst. 1900. 3) S c h o b , .Monatssehr. f. Psychiatric u. Neurol. 1907, Bd. 22.
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H.
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sich der ProzeG an die EndgefgSe, ebenso hgufigl ja vielleieht sogar hgufiger an prgkapillare Oefgl3e. Diese Tatsaehe s~eht im Gegensatz zu allem, was wir sonst bet primgr und metastatiseh infektiSsen, spez. bakteHellen Prozessen beobaehten. In ziemlieher Regelmg13igkeit fanden wir, dab das L u m e n der Gef~t~e nieht nur innerhalb der Herde, sondern aueh fiber sie hinaus erweitert isg (s. Abb. 17). Die Tatsaehe als solehe mug zungehs{ registrier{ werden; sis erseheint uns pathogenetiseh wiehtig, soil abet erst spgier in gemeinsamer Bespreehung rait anderen Vorggngen beleuehtet werden. Eehte Gefgl3wandverdiekungen sahen wit nieht mit Sieherheit; hingegen sahen wit ziemlieh regelmgl3ig Lockerung und Quelhng der Oefgltendothelien. Auf Orund aller dieser Feststellungenkann es keinero Zweifel unterliegen, daG e n g s t e B e z i e h u n g e n zwisehen GefgBsystem u n d H e r d en bestehen. D i e A n n a h m e , d a b d a s e n t z i i n d l i e h e A g e n s v o m OefgI3 a u s i n s Z.N. 8. e i n d r i n g t u n d a l s d a n n r u n d u m d i e Oefgl3e s i e h a u s w i r k t , l i e g t s o m i t s e h r n a h e . N u n i s t es aber k e i n e s w e g s m S g l i e h , die Entstehung jeder Pr.ozeBbildung ausschliel31ieh und allein auf d e m W e g e d e r B l u t b a h n zu erklgren, speziell gilt dies far gewisse Arten der Prozel3auswirkung innerhalb des Rfiekenmarks, jene meist symmetriseh gelegenen S a u m b i 1 d u n g e n, set es im Bereieh der vorderen Fissur (s. Abb. 4) oder in den Randpartien des Rtiekenmarks, ferner aueh fiir jene f l g e h e n h a f t e n H e r d e im B e r e i e h des V e n t r i k e l s y s t e m s (s. Abb. 12). Bet Fall 1 sehen wir in HOhe der Pyramidenkreuzung zapfenf6rmig um die vordere Fissur eine solehe Saumbildung beginnen; sie nimmt ganz allmghlieh naeh unten hin an Ausdehnung zu, erreieht mit gewissen Unterbreehungen im unteren Halsmark die Umsehlagstelle der Pissur, senkt sieh dann tiefer ins Gewebe, d. h. bereits in die graue Sabstanz hinein (s. Abb. 1), am a!sbald sieh wieder ganz zu verlieren. Einem zweiten Herd, dem eben beschriebenen parallel laufend, begegnen wir im reehtenVorderseitenstrung, wit sehen ihn in den mittleren Teilen des Dorsalmarks beginnen und unregelmgGig gestaltet etwa 2 Segmente tiefer gehen. Bet Fall 2 und aueh bet Fall 3 lgl3t sieh ghnliches demonstrieren. Nieht selten sehen wir im Bereieh der Hinter strange, symmetriseh zum Septum post. gelegen, auf dem Quersehnitt oval er-
~dber die Pathogenese der multiplen Sklerose.
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seheinende Her de (s. Abb. 16), die sieh tiber 2 und'mehr Segmente oral und kaudal sieh verjtingend erstreeken. Aus solehen Beispielen, deren Zahl wir weiter vermehren k{Jnnten, dtirfen wit sehlieBen, dab der Prozeg im iRtiekenmark neben der N e i g u n g , sieh mit den Gefgl3en radigr horizontal auszubreiten, gleiehzeitig die Tendenz hat, parallel zur L ~ L n g s a c h s e za wachsen. Abet noch andere Unstimmigkeiten ergeben sieh, wenn wit versuchen wollten, die Ausbreitung a l l e r Herde dem Versorgungsgebiet der Blu~gefgl)e entsprechend zu erkl~Lren. So sehen wit nieht selten, daJ3 die Keilform eines medull~Lren Herdes, wie solche vorher besehrieben wurde, nur auf einigen wenigen Querschnitten gewahrt wird, da8 aber Nachbarsehnitte diese Form bereits wieder vermissen lassen. Die Herde erscheinen unregelm~LJ3ig, greifen zapfenfSrmig auf andere vet her nieht befallene Areale fiber, sind aueh weniger intensiv, kurzum Vorggnge, die sieh mit der Annahme eines reinen Gef~Ll3prozesses nur sehleeht in Einklang bringen lassen. Ferner, medull~Lre Herde zeigen oft die Neigung meningealw~rts sieh auszubreiten. Auf diese Weise ist es an vielen Stellen zu sektorenfSrmiger Herdbildung gekommen. An anderen Stellen, we die iVieningen nicht erreieht werden, sehen wit die Herde pseudopodienartig in die Peripherie auslaufen. Hinzuweisen ist schlieGlieh noeh auf die bereits erwghnten flgehenhaften Herde unterhalb des Ventrikelependyms. ZapfenfSrmig aus der Tiefe kommend ergieBen sie sich plateauartig l~Lngs des Ependyms nieht selten tiber grOBere Areale hin, hiereals aber den ganzen Ventrikel umflieGend (s. Abb. 13). Diese Feststellung deekt sich mit den klassischen Befunden bei alten Fgllen yon multipler Sklerose, auf die bereits yon glteren Autoren immer wieder hingewiesen win'de. Xhnliche Befunde, die Anlal3 geben mtissen, an der Blutgefgl3theorie Kritik zu tiben, hat in einer jtingst erschienenen Arbeit aus M a r b u r g s Institut F a 1 k i e w i e z 1) besehrieben. Er kommt zu dem Sehhl3, dal3 ,,die Xhnliehkeit der Her de mit eehten Gef~13herden nut eine rein ~ul3ere ist. und da/3 wir aus der Form der Herde kein Reeht haben, auf deren Genese dutch Gef~Lgprozesse zu sehlieGen". Ein weiteres Moment ftir die Notwendigkeit der Annahme 1) F a l k i e w i e z , 1. e.
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I-I. P~Tr~
eines noch zwei~en Weges der Virusausbreitung geben uns die Ver~nderungen in SpinMganglien, in Rttckenmarkswurzeln, sowie in peripheren Nerven. Man hat b e i d e r histologiscben Bearbeitung der multiplen Skler'ose diesen Teilen des Z.N.S. bisher nieht immer die gleiehe Beaohtung geschenkt wie dem Hirn und dem g~tekenmark. Es sei hervorgehoben, dag die in den Nerven gefundenen Prozegbildungen sieh keineswegs als t~olge zentrMer L~sion, d. h. im Sinne einer sekund~ren Degeneration erkl~ren lassen. Dagegen sprieht ohne weiteres die Tatsaehe, daG ale Ver~nderungen ebenfalls meist herdfSrmig sind, bzw. dag der Markzerfall ein diskontinuierlieher ist. Auf gleiehe Beobaehtungen haben bereits S t r g h u b e r , M a r b u r g und spgter S c h o b hingewiesen, ferner F 1 a t a u und K 51 i e h e n, die auger in basalen Hirnnerven auch tterde in Rfiekenmarkswurzeln und in 9eripheren Nerven besehrieben haben. Betreffs der Prozegbildung innerhMb der Spinal ganglion sei bemerkt, dab die Vorg~n~e besonders hoehgradig in de n Ganglion sind, deren zugehSriger Rttekenmarksabschnitt st~rkere I-Ierdbildung zeigt. Experimentelle A r b e i t e n der letzten Jahre haben unwiderleglieh b e w ie s e n, dal3 ftir gewisse diffus wie herd~Srmig verteilte Prozesse inner halb des Z.N.S. b e s o n d e r e M S g l i e h keiten der Prozegausbreitung gegeben sind. Genannt seien vet Mlem die Poliomyelitis und die Lyss~. Vergleiehen wir die histologisehen gilder dieser Krankheiten mit jenen der disseminierten Encephalomyelitis, so unterliegt es keinem Zweifel, dag f~ir die einzelnen F~lle - - wenigstens im ersten akuten Stadium - gewisse AnMogien geg eben sin& Aueh anderen Autoren ist eine Verwandtsehaft der einzelnen Krankheitsprozesse keineswegs entgangen. S i e m e r l i n g und R a e e k e meinen, dM3 AnMogien zwischen multipler Sklerose und Poliomyelitis in mehr als einer Beziehung bestfinden, lq"r ~ e n k e 1 und J a k o b fanden ,,weitgehende lJbereinstimmung" zwischen beiden in 'histologiseher Itinsieht. Das Gemeinsame des Prozesses der einzelnen Kranl/heiten liegt in der ausgesproehenen p r i m ~ r e n A f f i n i t ~ t d e s a u s l S s e n den Agens zum Parenehym, d.h. z u m e k t o d e r m a l e n Gewebe. Der mesodermale Apparat beteiligt sieh erst sekund~r. Alle diese Tatsaehen dr~ngen dazu, die Frage der Ausbreitung des den Prozeg auslSsenden Agens innerhMb des Z.N.S. auf
Ober die P~thogenese der multiplen Sklerose.
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Basis der vorher beschriebenen anatomischen Eigenheiten yon neuem zu prtifen. Wie sollen w i r e s uns erkl~tren, daft das sch~digende Agens, tiber dessen A r t und Beschaffenheit wir einstweilen nur Vermutungen haben kSnnen, im H i m und Rtickenmark immer nur yon bestimmt-kMibrigen, meist yon prgkapillgren und nu_r ausnahmsweise yon kapill~tren Gefgl~en aus sieh im Gewebe verbreitet, ferner wie kommt es, dal~ oft nur e i n Ast eines Gefgl~es sich am ProzeJ~ beteiligt und sehliel31ieh wie sollen wit das Zustandekommen jener eigenartigen gefgl~armen saumartigen tterdbildungen an der Rttekenmarksperipherie, die oft tiber grSl~ere Streeken hin sich ausbreiten, erklgren u. a. m.? lVtir den unbefangenen Beobachter wird es schwer sein einzusehen, warum ein yon den Gefgl3en aus wirkendes Agens die Gefgl3wandung selbst - - morphologisch betraehtet - - zungchst intakt lgl3t und nur das umliegende Gewebe zu stgrksten Reaktionen reizt. Am Beispiel der experimentellen IIerpesencephalitis babe ieh mit anderen Autoren zeigen kOnnen, wie anders der Infektionsmodus ftir gewisse eneephalomyelitisehe Erkrankungen sein kann, als wit ihn f a r bakterie]le Erkrankungen des Z.N.S. kennen l). Ieh wies darauf bin, dab ftir gewisse Virusarten auger dem Blutweg andere MSgliehkeiten der Ausbreitung gegeben sin& Herpesvirus, in einen peripheren N erven gebraeht, ftihrt zu einer zungehst u m s c h r i e b e n e n Encephalitis bzw. Myelitis, und zwar beginnend an der Stelle, an der der Nerv ins Gehirn bzw. Rtiekenmark eintritt. Ich habe auf Grand systematischer Untersuchungen nachzuweisen versueht, dab das Virus auf dem Wege der Achsenzylinder das Z.N.S. erreichen kann und dal3 es alsdann yon der Eintrittsstelle aus auf dem Liquor-Lymphweg sieh diffus weiter verbreitet. Dem Herpesvirus ist in dieser Hinsicht das Virus der Poliomyelitis und der Lyssa gleichzusetzen. Die hochgradige Affinitgt d e s V i r u s z u m Z.N.S., d i e Neurotropieim SinneLevaditis bestimmt den C harakt e r d e s P r o z e s s e s; er ist gekennzeiehnet dutch die p r i m g r e I~eaktion ektodermaler Elemente, der erst sekundgr V o r g g n g e s e i t e n s d e s M e s o d e r m s folgen. Diese Eigenart der Auswirkung, die ausgesprochene Neurotropie des den ProzeB auslSsenden Agens sehen wir i n g l e i e h e r Weise bei der disseminierten Encephalomyelitis. Auf den Untersehied 1) P e t t e , Dtseh. Zeitsehr. f. Nervenheilk. 1926, Kongre/3band.
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H. PETTE
in der speziellen A r t der AffiMtgt werden wir spgter noeh einzugehen haben. Bei Besehreibung unserer Befunde haben wit darauf hingewiesen, dal3 die Herdgefgl3e zwar regelmgltig erweitert, aber keineswegs regelmgBig infiltriert gefunden werden, speziell gilt dieses fitr F all 2, wghrend Fall 1 fast stets, Tall 3 wenigstens in seinen frisehen Herden diehte Gefgginfiltr'ate innerhMb und gelegentlieh aueh noeh aul3erhalb tier Her de aufweist. W i t gehen wohl nieht fehl, wenn wir fiir die I n t e n s i t ~ t t d e r m e s o d e r m a l e n Reaktion d a s ~4klter d.er j e w e i l i g e n Prozegbildung besehuldigen. In dieser Auffassung sttttzen uns ebenfalls experimen~ll gewonnene Erfahrungen. Was fitr die G ef~13e gesagt wurde, gilt in gleieher Weise f~r die M.eningen. W i r stellten lest, dab sieh im allgemeinen nut- geringfttgige Infiltrate innerhMb der Meningen linden, und zwar stets in 1 o k a 1e r Abh~ngigkeit vom Parenehgmprozel3. Nur in Fall 3 sind entspreahend der Akuit~t und der grol3en Ausdehnung des Parenehymprozesses, speziell im H i m , die Infiltrate fiber grSl3ere AreMe bin sehr intensiv. Die Tatsae.he der l o k a l e n Abhgngigkeit meningealer Infiltrate veto Sitz der H e r d e lgl3t e b e n s o wie a l l e s a n d e r e m i t d er B l u t gef~13theorie nie, h t e r k l ~ r b a r e Gesehehen darauf s e , h l i e g e n , dal3 d a s e n t z t t n d l i e h e Agens innerhalb des Z.N.S. s i e h n i e h t a l l e i n a u f d e m W e g e d e r B l u t bahn ausbreitet, dab vielmehr, sobald das Agens Hirn und Rttekenmark erreieht hat, ein zweiter Weg der Ausbreitung die Entwieklung des Prozesses f6rd e r t . D i . e s e r W e g is~ d e r L i q u o r - L y m p h w e g l ) . IV. Auf Grund der in Absehnitt I I I gemaehten Ausft~hrungen erseheint es uns erlaubt, a u s d e r M o r p h . o l o g i e d e s P r o z e s s e s 1) Anm. bei der K o r r e k t u r . Aueh betr. dieses Weges seheinen gewisse Gesetzm~Sigkeiten zu bestehen. Wit kSnnen auf Grund unserer Befunde der yon W o h 1w i l l vertretenen Auffassung, dal3 das ausl6sende Agens veto Vengrikelsystem bzw. yon den subaraehnoideMen E~umen aus auf das Parenehym (spez. bei der Encephalomyelitis naeh Masern) sieh auswirke, nieht unbeding~ beipflichten; doch s.oll m~ dieser Frage erst im 3. Teil der Arbeit eingehender Stellung genommen werden.
Ober der Pathogenese der multiplen Sklerose.
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mit aller Vorsieht auf die Art, insonderheit aber auf gewisse biologisehe Eigensohaften des Krankheitse r r e g e r s d e r m u l t i i o l e n S k l e r o s e z u s e h l i e B e n ; knttlOft sieh doch an das Problem der Pathogenese einer Infektionskrankheit auf das engste die F r a g e n a e h d e r B e s e h a f f e n h e i t ihres Erregers. Zu dieser heute noch seln" umstrittenen Frage sowie gewissen auf S. 113 angedeuteten und lediglieh aus der biologisehen Eigenart des Erregers erklgrbaren Ta~saehen im histologisehen Gesehehen werden wir ausftihrliek erst im 3. Tell unserer Arbeit S t e l h n g nehmen. Tatsaehe ist soviel, dab alie Versuehe, einen Erreger der multiplen Sklerose, sei es im Ausstrieh, sei es im Schnitt, e i n de u t i g naehzuweisen, auf bisher unttberwindbare Sehwierigkeiten gestogen sindl). Das Reeht, dennoeh iXber die Pathogenese dieser Krankheit zu diskutieren, glaubten wir aus den Ergebnissen tierexperimenteller Studien auf dem @ebiete gewisser anderer infekU~ser Erkrankungen des Z.N.S. herleiten zu dfirfen. Den vorher erwghnten Krankheiten, der Poliomyelitis, der Lyssa, der I-Ierloeseneephalomyelitis der Kaninchen ist d as eine gemein, dab das auslSsende, uns lediglieh in seinen biologisehen Eigensehaften bekannte Agens e l e k t i v n e u r o t r o p i s t d. h. dug die einzige Stgtte seiner Auswirkung das Parenehym des Z.N.S. ist. Diese Neurotropie zeigt sieh im anatomisehen wie biologisehen Gesekehen. Bei der I-Ierloesencephalomyelitis wie bei der eehten I-I e i n e- M e d i n sehen Krankkeit konnte ieh naehweisen, dab a l l e T e i l e d e s Z.N.S., d a s a n i male wie das vegetative, vom Prozeg ergriffen werden~). E i n e g h n l i e h e N e u r o t r o p i e in e i n e r a l l e r d i n g s anderen Art derAuswirkung linden wir bei der mult i p l e n S k l e r o s e . In keinem anderen Organ des mensehliehen K6rpers auger im Z.N.S. sind jemals Vergnderungen gefunden worden, fttr die das auslSsende Agens dieser Krankheit hgtte verantwortlieh gemaeht wer den kSnnen. We Ver~tnderungen an den inneren Organen gefunden werden, handelt es sie.h stets um Komplikationen, die ill niehts yon dem abweiehen, was wir aueh 1) S t e i n e r hat kiirzlich auf der Tagung Si~dwestdtseh. Neurol. u. Psychiater i~ Baden-Baden fiber Spiroeh~tenbefunde bei einem Fall yon multipler Sklerose beriehtet. Wir sind soeben damit besehgftigt, diese Befunde mit der yon S t ein e r angegebenen Methodik nachzupriifen. 2) P e t t e , Arch. f. Psyehiatr~e 1928, Bd. 83, S. 280.
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H. PsTTs
sonst bei ungezahlten anderen Krankheiten ohne spezifise.hen Charakter zu sehen gewohnt sind. Wir konnten zeigen, dalt in gleioher Weise wie H i m und Riickenmark auch die spinalen Oanglien sich an der Prozel~bildung beteiligen, ferner in 0bereinstimmung mit Befunden anderer Autoren periphere Nerven bzw. Wurzelnerven. Die Auswirkung innerhalb der einzelnen Ganglien ist diffus und nie ht immer ausgesprochen herdfSrmig. Erfolgt bei jenen vorgenannten Krankheiten, die L e v a d i t i 1) unter dem Begriff der ,,Ectodermoses neurotropes" zusammengefal~t hat, die Einwirkung des jeweilig vethandenen Virus auf die Ganglienzellen bzw. ihr,e Dendriten sowie auf die Glia direkt, d.h. wuehert die Glia p r i m e r in Reaktion auf das entzfindliehe Agens, so seheint bei der multiplen Sklerose die M a r k s c h e i d e das Substrat zu sein, zu dem das a u s l S s e n d e A g e n s e i n e b e s o n d e r e A f f i n i t ~ t hat. Wie welt alas ~brige Parenehym, d. h. die Ganglienzellen und die Glia p r i m e r an der Proze~bildung sigh beteiligen, ist nicht immer eindeutig zu entseheiden. Dal~ eine a k t iv e Beteiligung statthat, mOssea wir nae.h allem, was wir im akuten Stadium sonst beobaehten, annehmen. In der angedeuteten Art der Auswirk~ng, d.h. i m p r i m ~ r e n G e s e h e h e n a n d e r M a r k s e h e i d e , j e nero S u b s t r a t e k t o d e r m a l e n Ursprungs sehen wit ein p r i n z i p i e ] l w i e h t i g e s Moment. Die Affinit~tt des Krankheitserregers zu bestimmten, ontogenetisch dem ~tuigeren Keimblgtt zugehSrigen TeHen ist ma~gebend fttr alle biologischen und angtomisehen Vorg~tnge. Diese Schh6folgerung deckt sich weitgehend mit der Auffassung, die M g r b u r g ~uf Grund rein histologischer Tatsachen seit langem vertreten hat und die in den Untersuchungsergebnissen yon F a l k i e w i c z - - in Fortsetzung der Gedankeng~nge M a r b u r g s - erneut ihre Begr~indung finder. Sie deckt sich ferner mit der Auffassung ]-I a s s i n s s), der ebenfalls sehr nachdr~cklieh betont, dug primgr das Parenchym erkrankt und erst s e k u n d g r das Mesoderm. Von der Poliomyelitis, yon der Lyssa und yon tier Herpesencephalomyelitis wissen wit, dug der Erreger ein filtrierbares, 1) L e v a d i t i , I~I'herpSs et le Zone. Ec~odermoses'neurotropes. Musson 1926. 2) H a s s i n , Arch. of neurol, u. psych. 1922, voL VII.
~ber die Pathogenese der multiplen SMerose.
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ultravisibles, und zwar yon sicla aus unter bestimmten Bedingungen l e b e n s f/~ it i g e s Virus ist. Die A r t seiner Auswirkung ist !orinzipiell verse~hieden von Mlem, was wir aus der Biologie und Anntomie bakterieller sowie aueh bestimmter pro~ozoider E r k r a n kungen wissen. Sehen wir aber bei diesen Krankh.ei~en /*haliehe Vorg~tnge, d.h. eine d i r e k t e Auswirkung auf das P a r e n c h y m , also auf ektodermales Gewebe, und zwar bei relative m Intaktbleiben des Mesoderms, so ist nieht mehr der E r r e g e r Ms solcher das auslSsende Agens, sondern ein von ihm gebildetes Toxin. Als Beispiel nenne ieh die Dysenterie ( L o t m a r l ) ) und nenr~e den Tetanus (B o u m a n e)). Der Unterschied im Werden des Parenehymprozesses gegen~iber den vorher besprochenen K r a n k h e i t e n ist dadurch bedingt, dab w i r e s hier mit einem y o n s i e h a u s n i e h t lebensf/~higen und vor allem nieht v e r m e h r u n g s f ~ t h i g e n T o x i n zu tun haben, d.h. dal3 sowohl die Quantit/it wie aueh die Qualit~t des Toxins yon einem an a n d e r e r Stelle des KSrpers ablaufenden entztindlielaen Prozel) abMngig sind. Welehe Momente letzten Endes die Neurotropie eines Virus bzw. eines Toxins bedingen, ob diese rein biologiseher oder mehr ehemiseher N a t u r sind, sell bier nieht diskutiert werden. Diese Einstellung zum Problem veto Wesen der mul~iplen Sklerose, vor allem ihrer G r u p p i e r u n g im K r a n k h e i t s s y s t e m wird riehtunggebend sein f u r unsere weiteren Arbeiten. Wie die K l i nik einer solehen Ansehauung g e r e e h t wird, werden wir in einer demn/*ehst folgenden Arbeit zeigen. Die bereits vet 2 J a h ren yon mir ver~retene Auffassung veto Krankheitsgesehehen wird dureh gewisse Beobaeh~ungen der jiingsten Zeit gestiitzt. Im Anschlul3 an die P o e k e n s e h u t z i m p f u n g sahen wit in den letzten J a h r e n bald vereinzelt, bald gehguft in den versehiedensten L~ndern der E r d e E n e e p h a l o m y e l i t i d e n ~itiologiseh bisher ungekl~trter A r t auftreten. Diese K r a n k h e i t s f o r m e n zeigem in ihrem a n a t o m i s e h e n Subs~rat eine sehr nahe V e r w a n d t s e h a f ~ zu den Biideru, die ieh vorher besehrieben babe. Die elektive Neurotropie des auslSsenden Agens war fttr mieh mal3gebend hinsiehtlieh der Deutung jener eigenartigen Prozesse, die wit nieht n u r im AnsehluB an die Vakzina{ion, sondern 1) L o t m a r , Zeitselm f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie 19120 Bd. 8. 2) B o u m a n , Zeitsehr. f. d. des. Neurol. u. P syelai~trie 1920, Bd. 58, S. 301.
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H. p s r ~
auch im Anschlul3 an andere Infektionskrankheiten Varicellen usw.) auftreten sahenl).
(Masern,
Wenn W o h l w i l l meint, dal3 diese K r a n k h e i t s f o r m e n gegenf b e r der multiplert Sklerose eine ,,entscheidende Verschiedenheit" aufweisen, so kann ich ihm in einer solchen Auffassung, gerade was ihre Pathogenese betrifft, nieht ohne weiteres und vor allem nieht iorinziloiell beipfliehten. Wohl hat W o h 1 w i 11 recht, dal3 fro- die klassische F o r m der multi!olen 8klerose, wie sie sieh uns anatomiseh bei Spgtfgllen dartut, die Bildung u m s c h r i e b e n e r Herde durchaus charakteristisch ist. geineswegs abet t r i f f t dies f f r alle Fglle und vor allem nicht aussehliel31ich zu. Die yon m i r erhobenen Befunde, vor allem in F a l l 2, beweisen, dab die gberggnge zur d i f f u s e n Prozel)bildung flieISend sind. Auch im F a l l 1 linden wit neben umschriebenen, teilweise wallar~ig begrenzten H e r d e n g~nzlich unscharfe, selbst diffuse Herdbildungen. Das ,,Abflauen aller Erscheinungen naeh der H e r d p e r i p h e r i e " ist zweifellos der multiplen Sklerose im S p ~ t s t a d i u m ,,etwas g~nzlieh F r e m d e s " (W o h 1 w i 11), nieht aber in ihren a k u t e s t e n Stadien. Diffuse H e r d e fiber groISe Flgehen, Randzonen um die Ventrikel und an der Peripherie des g f e k e n m a r k s , Saumbildungen lgngs der Rfekenmarksfissuren, wie solehe W o h l w i l l 2) bei seinen F a l l e n yon Masern-Eneelohalomyelitis und S e h f i r m a n n a) bei der Vakzineeneephalitis besehrieben haben, sind E r s e h e i n u n g e n , die wir in gleieher Weise aueh bei der mulUplen Sklerose wiederkehren sehen, selbst noch in spgtesten Stadien, hier allerdings dem Alter des 2rozesses entspreehend in histologiseh vergnderter S t r u k t u r ~). Wie v e r s e h i e d e n die Auswirkung eines Erregers jenes Formenkreises der ,,Eetodermoses neurotropes" sein kann, habeIt reich systemaUsehe tierexperimentelle Untersuchung.en gelehrt. Alle 13berg~nge linden wit hier, in dem einen F a l l lokglisierte und relativ gut u m s c h r i e b e n e Kerde, in dem anderen sehwers~e d i f f u s e Prozesse, die das gauze Z.N.S. befallen und das 1) P e t t e , Mflnch. med. Wochensehr. 1928, Nr. 5. 2) W o h l w l l l , Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie 1927, Bd. 112. 3) S e h f i r m a n n , Beitr. z. pathoI, u. Mlg. Pathol. 1928, Bd. 79. 40 Anm. b e i d e r K o r r e k t u r . Solehe Befunde besehreibt aueh ~' a i ki e w i e z in seiner Arbelt, die ,,alte, d.h. jahrelang dauernde Fglle" behandelt.
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bei dem g 1e i e h e n Virus. Was ich zur Deutung jener Verh~iltnisse urs~chlich anftihrte, hal auch ftir das Krankheitsgesehehen im Rahmen der ak. disseminierten Encephalomyelitis seine Ottltigk.eit: d i e Intensit~t des Prozesses wird b.estimmt dureh die Virulenz des Erregers einerseits und die Empfgnglichkeit des Organismus andererseits. Welche Grtinde far den letzten Faktor mMtgebend sind, wurde welter oben bereits. angedeutet. Die Akuit/it des Prozesses, die jene beiden eben genannten Faktor.en zur Gr'undlage hat, bestimmt in weitgehendem Grade auch die A r t des histologisehen Prozesses. Wenn wir in den letzten Jahren eine s in den Erscheinungsformen sowie ~m Verlauf der multiplen Sklerose sahen, so sind hierfttr wohl in erst.er LiMe i m m u n b i o l o g i s c h e und e p i d e m i o l o g i s e h e M o mente ver'antwortlieh zu raachen. Viel mehr als bisher geschehen, m/issen wir, und darin sehe ich die besondere Bedeutung experimentell-biologischer Arbeit, bei der histologischen Erforschung infektiSser Erkrunkungen des Z.N.S. solchen Tatsachen Rechnung. tr'agen. Sic bestimmen night nur das Geschehen im Einzelfall,' sondern alas Gesehehen im Ablauf ganzer Epide'mien, wie es doch die Oeschiehte gewisser Infektionskrankheiten des Nervensystems (epidemische EncephMitis, :Poliomyelitis) gerade im letzten Jahrzehnt besonders eindringlich und eindeutig gelehrt haL. Ob unsere soeben dargelegte Auffassung vom Wesen der multiplen Sklerose, bzw. des }0ormenkreises d{eser Krankheit richtig ist, werden erst weitere Untersuchungen ergeben kSnnen, speziell an F~llen yon Encephalomyelitis im Gefolge yon Infektionen anderer Atio]ogie (Vakzine, Mascara, Varicellen usw.), bei denen die Krankheit night in einem so frfihen Stadium zum Tode fiihrte wie in den meisten bisher beobaehteten F~llen. Alsdann wird sigh zeigen, ob die histologisehen Eigenttimlichkeiten, die W o h 1w il 1 heute noch sis ausschlaggebend und bestimmend far die Klassifizierung der einzelnen Krankheitsformen bezeichnet, wirklich der Ausdruck einer Eigentttmlichkeit der einzelnen nach W o h 1w i l l a rtverschiedenen Erreger sind, oder ob der Charakter des 1%0zesses im Einzelfall vornehmlich durch die Virulenz des Erregers einerseits und die immunbiologischen F~higkeiten des Organismus andererseits bestimmt wird. Die nahen Beziehungen aller jener eigenartigen Erkrankungen. des Z.N.S. zur multiplen Sklerose, jener Krankheiten, die wir erst
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in den letzten J ahr e n gehguft attftreten sahen, sind auch anderen A utoren nicht entgangen. B o a m a n und B o k 1) weisen auf die Verwandtschaft des histologischen Bildes der Vakzineencephglitis mit der multiplen Sklerose bin. Viel welter geht P e r d r a u S ) . Er sieh~ das Wesentliche des histologischen Prozesses dieser !~rankheiten in der perivaskulttren Demyelinisatio~ und diskuUert bereits die M~Sglichkeit, dab das gleiche (,,lebende oder nicht lebende") Agens der Erreger der verschiedenen Krankheitsformen sei. Er glaub{, auf Grund gewisser histologischer Befunde beide Krankheiten miteinander identifizieren zu kSnnen. Mir will scheinen, dab soweit zu gehen wir heute noeh keineswegs ein Recht haben. Um diesen sehr bedeutungsvollen Sehritt tun zu k5nnen, fehlen uns hinreiehend eindeutige o b j e k t iv e Befunde. Wie vorsiehtig wir gerade in der Wertung yon Ergebnissen anatomisehhistologiseher Untersuehungen f or die Frage naeh der 24tioiogie einer Krant/heit sein mttssen, ist wie yon anderen Autoren (S IOi e 1 m e y e r 1 ) , J a k o b , W o h l w i l l ) , so auch yon mir wiederholt betont worden. Das beste Beispiel nach dieser Richtung geben uns gerade die Krankheitsbilder der ,,Eetodermoses neurotropes": anatomiseh-histologiseh - - was die M o r lOh o 1o g i e des Prozesses bet r if f t - - i d e n t i s e h e Bilder und doeh b i o l o g i s e h v e r s c h i e d e n e Erreger. D i e h i s t o l o g i s e h e n Tatsaehen erlauben uns ~tiologisch giinstigsten Falles lediglieh, auf die ZugehOrigkeit des Prozesses zu einer bestimmten Krankheitsgruploe zu sehliel3en. An dieser Stelle sei schliefSlieh noch auf einen besonder~n, was die S t r u k t u r b i l d u n g eines Prozesses betrifft, wieh~igen Punkt hingewiesen. S l o i e l m e y e r a) hat in seinen Studien an ~P~illen yon Paralyse und yon mulUpler Sklerose sehr eindringlieh gezeigt, eine wie grol3e Bedeutung dem l o k a l e n F a k t o r in der histologisehen Gestaltung der Ver~nderungen zukomrat. Er land bei d er multilolen Sklerose, was aueh ieh glaube hinreiehend hervorgehoben zu haben, daG im Gliafaserlor~pa.ra~ der Ilerd sieh stets auf das Mark besehr~nkt, d. h. ,,dal3 der Rindenanteil des Iterdes frei ist von diehtfaseriger Gliawuoherung" (s. aueh Abb. 22). 24hnliehes 1) S p i e I m e y e r , Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie 1927, Bd. 111. 2) P e r dr au, Journ..of pathol, a. baeteriol. 1928, Bd. 131. 3) Sp ielm e ye r, Histopathologie des Nervensystems. Springer 1922.
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land S p i e 1m e y e r fttr die Pugamenherde. Aus solehen ]3eobaehtungen, die sieh mit vielen anderen yon uns erhobenen Beftmden (s. Abb. 14, 17, 18) deeken, ergib~ sieh eindeutig, dM3 ftir den Charakter der Prozel3struktur n i e h t a u s s e h l i e l 3 1 i e h das entzfind-' lithe Agens maBgebend ist, sondern dab die jeweiligen 1o k a 1e n VerMltnisse des Gewebes, ihr Oehal~ an diesen oderjenen Zellen die Reaktionsart bzw. ,,die besonderen lokMen Eigentiimliehkei~en (S p i e 1m e y e r)" des Prozesses bestimmen. Was wit an Hand ..bisher vorliegenden Materiales bzw. eigenet yon uns ausgeffihrter Untersuehungen behaupten mSeh~en, ist,. dal3 d i e m u l t i p l e S k ] e r o s e im A u f b a u i h r e s P r o z e s s e s wei~g.ehende Xhnliehkeit hat mit gewissen For-men yon Eneephalo:myelitis, d i e w i t i m . G e f o l g e bestimmter Infektionskrankheiten (Vakzine, Masern, Varieellen) in d e n l e t z t e n J a h r e n g e ' h ~ u f t a u f t r e t e n s a h e n . . Diese Tatsaehe war ffir uns mal3gebend, als Erreger der multiplen Sk.lerose ein Virus anzunehmen,, das biologiseh dem Erreger jener obengenannten Krankheitsformen nahesteht, zum mindesten mit ihm ,,gruppen"verwandt ist. Wenn wir vorher darauf hinwiesen, dab histologisehe Befunde nur sehr bedingt und mit grSi~ter Vorsieht in 5~tio]ogiseher Hinsieht zu werten sind, so gilt dieses in erster LiMe fttr ei~e rein morphologiseh eingestellte Be~raehtungsweise. N u n find en wir aber histologisch bei d e n Infektionskrankheiten d e s Z.N.S., die hier zur Diskussion stehen, ein weigeres und wie ieh glaube sehr' gewiehtiges Moment, das aueh dem Analomen e i n e n W e g ffir neue Erkenntn'isse und neue Deutunge~ zei~n kann. Wir wissen seit langem, dab der lokMe Gewebsfaktor allein, trotz seiner fundamentalen Bedeutung flit die histologisehe GestMtung eines jeden Prozesses keineswegs a l l e Eigenarten derl ProzeBbildung zu erklgren vermag. Wie komm~ es, daB, um wieder. das Beispiel der sog. Ektodermoses neurotropes zu wghlen, trotzl der biologiseh natlen Verwandtschaft der Vira d.er Poliomyelitis,: der epidemisehen Encephalitis und der Lyssa bei morpho!ogiseh g 1e i e h e r Gestal~ung des Grundprozesses - - rein lokal betrachte~- - doeh immer nur ganz gest'immte, m~d zwar bei der 'gleichen Krankheit im Prinzip gleieh e A}'eMe des Z.N.S. erkran.ken?~ :Piir ein solehes Oeschehen werden andere Momente als lediglieh Ge-Deutsche Zeitsehrift f. Nervenheilkunde.
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f~13versorgung und Affinit~tt des Erregers zu bestimmten T e i l e n des Grundgewebes, d. h. bier zu AbkSmmlingen des Ektoderms yon ausschlaggebender Bedeutung sein. Es liegt nahe, ft~r die t o p i s e h e Affinitgt soleher Prozesse bestimmte Eige~sehaften des Gewebes verantwortlieh zu maehen, eine Auffassung, die mangels gent~gender t~enn~nisse veto eigentliehen Wesen dieser wahrscheinlieh biologisch-.ehemischen Eigensehaften eine ttypothese bleiben muG, die abet doeh als Arbeitshypothese ft~r gewisse Analogiesehlttsse ihren Wert hat. C. und O. V o g t 1) haben ft~r Vorg~tnge dieser A r t den Begriff der ,,speziellen Pathoklise" gepr~gt. S p i e l m e y e r ,~) mil3t neuerdings neben dem ,,vasalen F a k t o r " ebenfalls dem ,,Systemfaktor" eine grofte Bedeutung fttr die Entstehung maneher Prozel3- bzw. Iterdbildungen zu, ohne nunmehr jedoeh, wie er ausdr~teklieh hervorhebt, :mit. jenen Faktoren allein a l l e s Gesehehen erkl~ren zu wollen. Was lehr.en uns nun in dieser Hinsieht die Befunde bei der akute~ disseminier~en Encephalomyelitis ? Bei den yon mir untersuehten 3 F~llen sahen wh~, was zun~chst die Vergeilung der Herde im MarkweiG des Rt~ekenmarks betrifft, dal.~ an vielen Stellen die Seitenstr~nge st~trker befallen sind als die tIinterstrange. Wesentlieher aber noeh als diese Tatsaehe erseheint uns die Ar t der Proze/3einwirkung auf die einzelnen Zentren des Hirnstamraes bzw. der Stammganglien. In allen 3 F~llen erwiesen sieh bestimmte Kerngebiete, genannt seien das Pallidum, der Nucleus tuber, die Substantia nigra und die Corpora mamillaria, als veto Prozef5 versehont, am st~rksten beteiligt war regelm~Gig der Thalamus optieus, in wesentlieh geringerem MaGe, teilweise sogar versehont, das Striatum. Auf die Verteilung der Herde im eilazelnen genauer einzugehen, erttbrigt sieh, da zun~ehst nut die Tatsa.che als solehe, d.h. eine aueh bei diesen Krankheitsformen zu beobaehtende ,,spezielle Pathoklise" ~estgestellt werden sell. Erw~hnt sei nut noeh, daft aueh yon ~tlteren Autoren bereits die Pr~tdilel~tion der ProzeGbildung ft~r bestimmte Teile der Stammganglien betont wird. Die auf dem Gebiete der Eneephalomyelitiden nach Vakzi1) c. u. o. v o g t, Journ. f. Psyehol. u. Neurol. i9~2, Bd. 28 u. 1925, Bd. 31. 2) S p i e l m e y . e r , Z.eit,sehr. f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie Bd. 99, S. 756.
t~ber die Pa~hogeneseder multiplen Sklerose.
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nation und naeh Infektionskrankheiten (Poeken, Typhus, Masern, Varizellen) bisher vorliegenden Befunde sind zu allg.emein gehalten, als dag sic Sehlasse hinsiehtlieh der lokalisatorisehen Verteilung des Prozesses zulassen. Es erseheint mir lohnend, bei etwa kiinftig zur Beobaehtung kommenden FSllen in der yon mir angedeuteten Riehtung das Augenmerk zfl lenken, kann doeh ein Vergleieh der ,,speziellen Pat hoklise" bei der akuten disseminierten Encephalomyelitis mit jener n a ~ Infektionskrankheiten oder umgekehr~ aueh fttr die ~ t i o 1o gi s c h e Erforsehung dieser Nrankheitsformen yon Nutzen sein.
Zusammenfassung. 1. In vorliegender Arbeit wird das Problem der Pathogenese der sog. disseminierten Encephalomyelitis bzw. der multiplen Sklerose von anatomischen Gesiehtspunkten aus behandelt. 2. Der Studie liegen 3 klinisch beobachtete und anatomiseh untersuehte F~ille zugrunde, deren Krankheitsbild in Fall 2 etwa 2 Woehen, in Fall 1 etwa 5 Woeben und in ~'all 3 etwa 7 Jahr~ bestandel~ hat. 3. Von den 3 F~llen verliefen die ersten beiden akut unter dem Bilde der aufsteigenden La.hmung mit ]3eteiligung basaler Hirnnerven, hingegen Fall 3 sehubfSrmig. g. Klinische und anatomische Befunde lassen eine prinzipielle Seheidung zwisehen akuter disseminierter Encephalomyelitis und multipler Sklerose nieht bereehtigt erseheinen. 5. Der Untersehied im histologischen Substrat wird in den einzelnen F/illen nieht so sehr dutch die Art des Prozel3aufbaues, wie dutch die Intensit~Lt bzw. Akuit~t und dureh das Alter des Prozesses bestimmt. 6. 14omplexe Vorg~Lnge epidemiologiseher und immunbiologiseher bzw. konstitutioneller Art~-~sNd mal3gebend ftir den Verlauf dieser Krankheitsformen. 7. Die elektive Affinit~t des auslSsenden Agens zu bestimmten Teilen des Parenehyms, d.h. zu einem Gewebe ektodermaler I-Ierkunft, bestimmt den Charakter des histologisehen Gesehehens. 8. Das Parenehym, spez. die Markseheide, erkrankt prim/ir, 9*
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tI. t)ETTE: (~ber die P~thogenese der multiplen Sklerose.
wghrend GefgBe und Meningen (mesodermales Gewebe) erst sekundgr erkrank.en bzw. reagieren. 9. Die Art der Auswirkung des Agens auf das Z.N.8. erlaubt in Analogie zu anderen wesensverw~ndten Prozessen eineu RfteksehluG auf die Art des Erregers. Vieles sprieht dafiir, dal3 der Erreger ein 1 e b e n d e s Virus ist. 10. Die multiple Sklerose hat im Prozel3aufbau weitgehende 7ihnliehkeit mit gewissen Eneephalomyelitiden, die im Oefolge yon InfektionskrankLeiten (Vakzine, Masern, Varieellen~ w/thrend der letzten Jahre geh/~uft auftra~en. 11. In welehem Verhitltnis das auslOsende Agens dieser Eneephalomyelitiden zum Erreger der multiplen Sklerose steht, ~1/~13t sieh mgngels biologischer Unterlagen heute noeh nieht entseheiden. 12. Die B eaehtung der ,,speziellen Pathokl;se" bei den versehiedenen Formen encephalomyelitiseher Erkrankungen zeigt in ~ttiologiseher ginsieht neue Wege.