Zeitsehrift f. d. gesamte experimentelle Medizin, Bd. 117, S. 598--602 (1951).
Aus der Medizinischen Klinik der Universit~t GSttingen (Direktor: Prof. Dr. 1~. Sc]~o]~) und cler Universit~its-Kinderklinik GSttingen (Direk~or: Prof. Dr. H. KLEINSCIII~IDT).
U bet die Wirkung yon d,l-Dijod-p-oxyphenylmilchsiiure und d,l-Dibrom-p-oxyphenylmilehsiiure auf die Thyreoidin-Kreatinurie. Von Gt~THER HABILD. (Eingegangen am 3. Januar 1951.)
Eine vermehrte Kreatinausscheidung l~Bt s~ch im H a m yon Basedowkranken fast regelmiiBig als Ausdruck einer StoffwechselstSrung nachweisen. Auch nach Verabfolgung yon Schilddriisenhormon finder man eine erhShte Kreatinausscheidung. Each Normalisierung des Stoffwechsels geht auch die Kreatinurie wieder zuriick, und es wurde daher bei Hyperthyreosen der Kreatinbestimmung analog der Grundumsatzbestimmung diagnostischer Weft beigelegt. Zum l~achweis der Wirksamkeit antithyreoidaler Substanzen verwandten Bi~ssv,~AK~ und POLLMA~ die experimentelle ThyreoidinKreatinurie und sie beobachteten an Kindern, die Thyreoidin erhalten hatten, dal~ die gleichzeitige Verabfolgung yon Dijodtyrosin odervon LvGoI~scher L6sung eine Aufhebung bzw. eine Abschw/ichung der vermehrten Kreatinausscheidung zur Folge hatte. P~OSI~G~Lund VILLMA~ untersuchten den EinfiuB eines Thyreostatikums, Methylthiourazfl, auf die thyreotoxische Kreatinurie nnd konnten ebenfalls mit diesem Pris einen Rfickgang der Kreatinausscheidung beobachten. Dabei stells sie fest, daft die Grundumsatzsenkung und der Abfall der Kreatinausscheidu~g in keiner direkten Beziehung zueinander standen. In eigenen UnterSuchungen mit dem analogen 1)ropylthiourazil (Propycil) konnten wit bei Patienten mit Morbus Basedow die rasche Abnahme des Harnkreatins gleichfalls feststellen. Die Verwendung yon Dijodtyrosin zur Behandlung yon Hyperthyreosen geht auf Empfehlung yon A ~ L I ~ zurtick, der nachweisen konnte, dab der hyperthyreotische Stoffwechsel yon ]~atten yon Dijodtyrosin ~m Sinne einer Grundumsatzsenkung beeinfiuBt wird. ~hnlich, aber schw/icher wirkt Dibromtyrosin (ABELI~, KreFE~ und BU~rTA~O). Die Wirkung yon Dijodtyrosin und Dibromtyrosin auf die Hyperthyreose, die yon manchen Autoren lediglich nut als Jodeffek~ bzw. Bromeffekt aufgefaBt wird, l~i~t sich abet leicht in mehrere, ira ein., zelnen auch wirksame Faktoren aufgliedern, wenn man die Frage nach ihrem Schicksal im tierischen 0rganismus beantwortet. Der Hauptweg
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des Abbaus fiihrt, wie wir an anderer Stelle ausfiihrlich darleg~en, zu einer Abspaltung yon Halogen aus organischer Bindung mit Bfldung yon halogenfreiem Tyrosin. Von der zugefiihrten Menge Dijodtyrosin und Dibromtyros!n werden etwa 10% durch Abspaltung von anorganischem godid bzw. Bromid abgebaut. Die Bildung der Halogenide im Stoffwechsel erkl/~rt, daI] Kranke mit Morbus Basedow auf Dijodtyrosin-=wie auf anorganisches Jodid reagieren kSnnen. Zum anderen wird alas halogenhaltige Tyrosin unver/~ndert durch die Nieren ausgeschieden, teilweise aber auf dem Nebenweg des Abbaus, durch Desamidierung an der Seitenkette abgebaut. Es entstehen dann die halogenhaltigen Ketos/~uren, aus denen durch Reduk~ion im K5rper 9(-k)-Dijod-p-oxyphenylmflchs~ure und (-k)-Dibrom-p-oxyphenylmilehs~nre gebildet werden, die wir sowohl naeh oraler als auch naeh parenteraler Verabfolgung nachweisen konnten. Bei der Prfifung der jodhaltigen Ketos/~ure war mit dieser Verbindung /~hnlieh wie mit Thyroxin am Axolotl eine Metamorphose auszulSsen. Hingegen verhielt sieh die ana]oge Oxys~ure, auch bei hoher Dosierung am Axolotl geprfift, vSllig wirkungslos. Uber eine weitere biologische Wirkung der j o d - u n d bromhaltigen Abbauprodukte, insbesondere auf den Stoffweehsel bei Hyperthyreosen, wurde unseres Wissens noch nichts mitgeteilt. Es sollte daher untersucht werden, ob sich mit diesen Verbindungen eine Beeinflussung der Thyreoidin-Kreatinurie erzielen 1/~$t. Die halogenhaltigen Oxys~uren spalten abet im Organismus - darauf mSchten wir besonders hinweisen - - im Gegensatz zu Dijodtyrosin und Dibromtyrosin nachweisbar kein Halogen aus organischer Bindung ab und ihre Wirksamkeit kann also nicht als Brom- oder Jodeffekt aufgefa$t werden. DaB mit Dijod-p-oxyphenylmilchs~ure und Dibrom-p=oxyphenylmilchs~ure eine Beeinflussung der ThyreoidinKreatinurie mSglich sein mfil~te, erschien uns deshalb sehr wahrscheinlieh zu sein, da wir bereits gefunden hatten, dab die jodhaltige Oxys/~ure den Stoffweehsel yon R a t t e n bis zu 25 % zu senken imstande ist. MAt der jodhaltigen Ketos/~ure wurde bei gleicher Methodik eine ErhShung des Grundumsatzes der Tiere erzielt.
Eigene Untersuchungen. Bezfiglieh der Methodik der eigenen Kreatinversuche hielten wir uns an die Angaben yon B~SSE~AK~ und POLT,MA~. Mehrere gesunde Kinder ira Alter yon 6--12 J~hren wurden kreatinfrei ern~hrt und das Harnkreatin nach der Methodik yon LImB und ZAC~RL mit dem ZeiB-Stufenphotometer unter Verwendung yon Filter S 53 bestimmt. Nach einer mehrt~gigen Vorperiode wurde 4 Tage hintereinander eine Belastung mit je 4real 0,1 g Thyreoidin l~erek durehgeffihrt. Daran schlol] sich eine Zwischenperiode yon 5--7 Tagen an, worauf dann neuerlich 4 Tage lang 4real 0,1 g Thyreoidin verabfolgt wurde. Wahrend der zweiten Thyreoidinbelastung erhielten die Kinder gleichzeitig 4 Tage lang je 4real 0,]g d,l-Dijod-p-oxyphenylmilehs~ure oder d,l-Dibrom-p-oxyphenylmilehs~ure. Die
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Gi~NTI-IERI-IABILD:
HShe der Dosis der verabfolgten Oxys~ure entsprach der Menge Dijodtyrosin, die Bi~ssv.Y~KER und POLLaVL~ verwandten. Die Kreatinbestimmung w/ihrend der Nachperiode wurde so lange fortgesetzt, his die Kreatinausscheidung wieder den Ausgangswert erreicht hatte. Die beiden zur Verwendung gelangten Pr~10arate wurden im eigenen Laboratorium hergestellt. Dijod-p-oxylohenylmilchs~ure g~b einen richtigen Schmelzpunkt und hatte einen richtigen Jodwert bei der Analyse, insbesondere war das Pr~parat frei yon anorganischem Jod. Dibrom-p-oxyphenylmilchs~ure brauchte 9nicht mehr aufReinheit gelortift zu werden, I ~91 ~'u,17k,S,~,eo/d/z+ I da die Substanz bereits analysiert war. 8oo milehs~ure z,xO,17hyneoldin Die Abb. 1 a n d 2 zeigen in ein-
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.s 1. Abb. 2. Abb. 1. Verringerung der t~reatinausscheidung nach Thyreoidin sic. 1Ys ~ Tage lan~ t.~g]ich (4real 0,1 g) peror~l gegeben zusammen mi~ (~mal 0,1 g) d,l-Dijocl-p-oxyphenylrailehsaure. Durchschnit~swerte Yon 3 Xindern im Alter Yon 10--12 Jahren. Abb. 2. Verringerung der Kreatinansscheidung nach Thyreoidin sic. Merck 4 Tage lang t~glich (4real 0,1 g) peroral gegeben zusammen mib (4real 0,1 g) d,l-Dijod-p-oxyphenylmilchsaure. Durchschnittswerte Yon 3 Xindern im Alter Yon 5--6 Jahren. d,l-Dijod-p-oxyphenylmilehs/~ure deutlieh abgesehwkkeh~ wird. Ob die jodhaltige Oxys/~ure w~hrend der ersten oder wiihrend der zwei*en Thyreoidinbelastlmg im Versueh gegeben wurde, h a t t e keinen weiteren Einflul3. I n jedem Falle wird dureh d,l-Dijod-lo-oxyphenylmilehsi~ure die Thyreoidin-Kreatinurie deutIieh gehemm~. W i r k6nnen auf Grund y o n bisher gewonnener Versuehsergebnisse noeh keine nikheren A n g a b e n beztiglieh der Wirkungsweise der j odSal~igen Oxysiiure maehen. Chemiseh ist die Verbindung im Vergleich zu I)ijod~yrosin -con groBer Bestkkndigkei~ und reagiert in wggriger L6sung s*ark sauer (Kongosauer). DaB sie auf den Kreatinstoffweehsel einwirkt,
Thyreoidin-Kreatinurie.
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steht gewissermal~en im Gegensatz zu bekannten Tatsaehen. Sowohl naeh ,,sauernder K o s t " als auch naeh Injektion yon anorganischen Siiuren entsteht experimentell eine Kreatinurie. Diese Kreatinurie 1/~Bt sich dureh Alkali wieder beseitigen. M6glieherweise tibg also Dijodp-oxyphenylmilchsgure einen spezifischen EinfluB auf den S~offwechsel der Thyreoidea, vielleicht einen hemmenden EinfluB auf die Glykolyse aus. Eine solehe Wirkung auf die Glykolyse is~ yon der Jodessig800 -gxO,/Di~rom_oxfpkenyl_: mi ~fhfPeoidiz s~ure her bekannt. Ein hemmender EinfluB auf die Thyreoidin-Kreatinurie war dagegen nicht mit der bromhaltigen Oxys~ure zu erzielen, was aus Abb. 3 ersiehtlieh wird. Es scheint sogar, dab die Kreatinurie yon d,l-Dibrom-poxyphenylmilchs~ure eher noch verst~rkt wird. Die bromhaltige S~ure wirkt also im Sinne einer ,,s/iuernden Kos~". Bei ~nderung der Dosish6he vermag vielleicht aueh die bromhaltige Oxys~ure die Kreatinurie zu hemmen, woo E 10 15 20 Tage 25 mit gerechneg werden kann, da diese Verbindung den Gasstoff- A b b . 3. V e r m e h r u n g d e r K r e a t i n a u s s e h e i 4 u n g n a e h T h y r e o i d i n sic. M e r c k 4 T a g e weehsel yon l~atten - - allerdings l a n g t~glioh (4real 0,1 g) p e r o r a l g e g e b e n zus a m m e n m i t (4real 0.1g) d o l - D i b r o m - p - o x y nur sehwach - - Verringern kann. phenylmilchshure. Durohselmittswerte yon B~JT~a~o gab seinen Kranken, 2 K J n d e r n i m A l t e r y o n 8 u n d 11 J a h r e n . die an Thyreotoxikose litten, mit Erfolg lgngere Zeit t/~glich 0,6--0,9 g Dibromtyrosin. Die yon uns angewandte Dosierung der bromhal~igen Oxys~ure wieh bezfiglich der Dosish6he nur unwesentlicli ab, wurde aber abweichend yon BUTTA~O nur auf 4 Tage lang ausgedehnt. Ob man trotzdem den SehluB ziehen darf, dab auch die bromhaltige Oxys/~ure bei l~nger dauernder Anwendung in anderer Weise wirksam wird, erseheint uns sehr fraglich. Immerhin lieBe sich zur Erkl/irung die yon A ~ D ~ m ~ D ~ er6rterte Austauschreaktion yon Brom unter Ersatz yon Jod innerhalb des Organismus mit anffihren. Auf Grund der neu aufgefundenen Wirksamkeit yon Dijod-p-oxyphenylmflchs/~ure auf Ben Stoffweehsel und auf die Thyreoidin-Kreatinurie erscheint es lohnenswert, diese Substanz therapeugiseh anzuwenden. Wit denken an jene F/~lle yon Thyreotoxikosen, bei denen Thiourazilverbindungen aus irgendwelehen Gr/inden nieht gegeben werden sollen.
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G ~
I-IA~LD: Thyreoidin-Kreatinurie.
E s h a n d e l t sich bezfiglich d e r jod- u n d b r o m h a l t i g e n O x y s ~ u r e n u m harnpfiichtige Stoffweehselendprodukte. Dieses erkl~rt, w a r u m die 1)ri~parate ohne ~ e b e n w i r k u n g e n ~usgesprochen g u t v e r t r a g e n werden, u n d w a r u m - - wie eigene Tierversuehe zeigten - - diese, fiber l~ngere Zeit gegeben, keinerlei Sch~den v e r u r s a c h t e n .
Zusammen]assung. 1. d,l-Dijod-p-oxyphenylmilchsi~ure, ein Stoffwechselendprodukt y o n D~jodtyrosin, ist imst~nde, die e x p e r i m e n t e l l e T h y r e o i d i m K r e ~ t i n u r i e ~bzuschw~chen. 2. d,l-Dibrom-p-oxyphenylmilchsi~ure, ein S t o f f w e e h s e l e n d p r o d u k t y o n D i b r o m t y r o s i n , versti~rkt die T h y r e o i d i n - K r e ~ t i n u r i e . 3. E s w i r d a u f die M6glichkeit hingewiesen d , l - D i j o d - p - o x y p h e n y l milchsi~ure ~n Stelle y o n D i j o d t y r o s i n t h e r a p e u t i s c h ~nzuwenden. Literatur. A ~ L I ~ , J.: ttandbuch der Physiologie yon BET~. Berlin: Springer 1928. - Biochem. Z. 288, 483 (1931). - - B~SS~MAKrR,B., U. A. P O L L i v ~ : Mschr. Kinder. heilk. 63, 422 (1935). - - B~T~A~O: Minerva reed. 1950, 143; ref. Schweiz. reed. Wschr. 1950, 1063. - - G v G Q E ~ n ~ , M.: Die biogenen Amine. Berlin: S. Karger 1940. - - HA~ILD, G. : Bioehem. Z. 321, 393 (1951).-- Hoppe-Seylers Z. 28or, 159 (1950). UnverSffentl. Versuche. - - K~FE~, H. : Diss. Bern 1947. - - LIEB, I-I., and M. K. Z A c ~ L : Hoppe-Seylers Z. 228, 169 (1934). - - L i ~ n w ~ , F., u. W. L I ~ n w E ~ : Klin. Wschr. 1984, 589. - - PROSI~GELU, Y I L L ~ : Res Med. Klin. 19~0, 842. - ~ E v ~ , ~ A.: Erg. inn. ivied. 49, 188 (1935). - - T~I~L, A.: Absolutkolorimetrie. Berlin-Leipzig: de Gruyter & Co. 1939. Dr. Gii~THEn HAnILI), Wuppertal-Barmen, Kinderklinik.