Berufspolitik BDU: Laudatio Urologe [A] 2005 · 44:444–455 DOI 10. 1007/s00120-005-0810-z © Springer Medizin Verlag 2005
9 K. Schalkhäuser
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iebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, Dr. Klaus Schalkhäuser, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Urologen und Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. , vollendete am 3. März des Jahres sein 65. Lebensjahr. Man mag bei seiner Vitalität kaum glauben, dass er nunmehr ein Alter erreicht hat, in dem der Ruhestand eine der Handlungsoptionen ist. Auf die Verdienste von Klaus Schalkhäuser wird in diesen Tagen vielfach hingewiesen, aber es kann nicht genug hervorgehoben werden, mit welchem Einsatz und welcher Energie er sich über Jahrzehnte der Berufspolitik zum Wohle der Urologie gewidmet hat. Er hat sich nicht nur im Berufsverband engagiert, dessen Präsident er seit dem Jahre 987 ist, sondern in einer Vielzahl weiterer nationaler und internationaler Gremien. Hier seien exemplarisch der Bundesvorsitz des Bundesverbandes der Belegärzte ( BDB ), die Vizepräsidentschaft in der Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände (GfB) oder die EBU – Präsidentschaft im Jahre 994/9995 genannt. Klaus Schalkhäuser war und ist ein gefragter Ratgeber der Politik zu gesundheitspolitischen Fragen und hat so manchen Strauss zur angemessenen Vergütung urologischer Leistungen ausgefochten. Ob DRG, URO-EBM, EBM 2000 plus, GOÄ oder Integrierte Versorgung, Klaus Schalk-
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Dr. Klaus Schalkhäuser zum 65. Geburtstag häuser weiß - im Gegensatz zu manch anderem, der sich hier äußert - tatsächlich wovon er spricht. Ein besonderes Verdienst ist auch die positive Entwicklung des Verhältnisses von DGU und BDU, das vor seiner Amtszeit als BDU – Präsident nicht immer frei von Spannungen war. Er hat frühzeitig erkannt, dass ein eher kleines Fachgebiet wie die Urologie nach außen möglichst geschlossen auftreten muss. Er wirkt in diversen gemeinsamen Kommissionen von DGU und BDU und ist stellvertretender Vorsitzender des Direktoriums der Akademie der Deutschen Urologen. In DGU – Vorstandssitzungen merkt er schon einmal mit einem Augenzwinkern an, dass er deren Mitglieder kommen und gehen sah, er selbst aber immer noch da sei. Klaus Schalkhäuser ist ein Meister der Rhetorik und es ist eine große Freude, mit ihm die Klinge zu kreuzen. Nie geht es ihm aber um Rabulistik, sondern stets um die Sache. Dass er auch bereit ist, eine Fehleinschätzung einzuräumen, was allerdings nicht häufig vorkommt, steigert die Wertschätzung für ihn. Wir sind stolz darauf, dass die deutsche Urologie mit Klaus Schalkhäuser einen bedeutenden Protagonisten aufweisen kann, dessen Wort weit über die Urologie hinaus Gewicht hat. Wenn er nicht bereits im Jahre 2003 zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Urologie ernannt worden wäre, so wäre es mir ein Anliegen gewesen, dies im Jahr meiner Präsidentschaft auf den Weg zu bringen. Neben seiner berufspolitischen Tätigkeit war und ist er auch oftmals Referent bei nationalen und internationalen Kongressen und es ist kaum glaublich, dass er seit 974 auch noch seine Belegarztpraxis in Dorfen mit Erfolg geführt hat. Der Arbeitstag von Klaus Schalkhäuser muss 24 Stunden haben und dass dies wohl annährend zutrifft kann man daran erkennen,
dass man mit ihm auch des nachts aktuelle Ereignisse erörtern oder eine Presseerklärung vorbereiten kann. Kraft schöpft er sicherlich auch und insbesondere durch seine Ehefrau Maja, die verständnisvoll, gelassen und selbst sehr sachkompetent alle Aktivitäten ihres rastlosen Gatten mit trägt und ihn bei alledem tatkräftig unterstützt. Seine Praxis in Dorfen hat er abgegeben, aber dies bedeutet für ihn keinesfalls „Ruhestand“. Diejenigen, die ihn schon dauerhaft in Bali wähnten, müssen sich wohl noch ein wenig gedulden. Sein jüngstes Projekt ist die Genossenschaft „Bund der Urologen e. G. “, deren Vorstandssprecher er seit 3. Oktober 2003 ist. Eines der ehrgeizigen Projekte der Genossenschaft ist ein bundesweiter Vertrag zur integrierten Versorgung unter Beteiligung von Hausärzten, niedergelassenen Urologen und urologischen Fachabteilungen. Auch daran sieht man, dass Klaus Schalkhäuser aktuelle Themen nicht nur erkennt, sondern auch zügig in die Praxis umzusetzen sucht. Im Namen der Deutschen Gesellschaft für Urologie und des Berufsverbandes der Deutschen Urologen möchten wir Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Schalkhäuser, Dir lieber Klaus, nochmals sehr herzlich zum Geburtstag gratulieren. Wir hoffen, dass Sie/ Du der deutschen Urologie mit wachem Auge und scharfem Verstand noch lange erhalten bleiben/bleibst. Ad multos annos !
Professor Dr. Detlef Frohneberg Präsident der DGU
Dr. Hartmut Jonitz . Vizepräsident im BDU
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URO-Telegramm 3
Redaktion H. Jonitz, Darmstadt
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Die meisten der bundesweit 17 KVen wollen gegen die säumigen Kassengebühr-Zahler nicht vor das Sozialgericht ziehen. Allerdings werde den Krankenhäusern die Praxisgebühr sofort vom Honorar abgezogen, kündigte die KV Schleswig-Holsteins an. Nach Worten von KV-Chef Thamer gibt es bereits Signale aus dem Gesundheitsministerium, die Fälle der säumigen Zahler auf die Amtsgerichte zu verlagern.
Die Vertreterversammlung der KV Mecklenburg-Vorpommern hat eine Beteiligung am Hausarztmodell der Barmer Ersatzkasse abgelehnt: Die Versorgung der Patienten werde dadurch nicht verbessert und sie zahlten für die eingesparten 30 Euro Praxisgebühr einen hohen Preis.
3 Die KV Hessen empfiehlt aktuell ihren Mitgliedern, bei Nicht-Vorliegen einer Überweisung oder Nicht-Zahlung der 10 Euro Kassengebühr, die Abweisung der entsprechenden PatientInnen. Neue, spätere Behandlungstermine sollten aber angeboten werden. Dies sollte in dieser Form, abgesehen von wirklich akuten Notfallsituationen, konsequent durchgeführt werden!
3 Der erste Vorsitzende der Ärztevereinigung MEDI, Dr. Werner Baumgärtner, sieht sich nach dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf bestätigt, weiter gegen die Kassengebühr zu klagen: „Die Entscheidung des Gerichts bestätigt, dass wir Ärzte als Geldeintreiber der Krankenkassen missbraucht werden.“
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3 Die Zusammenarbeit mit der niederländischen Versandapotheke Doc Morris hat für die AOK Rheinland noch nicht die erhofften Einsparungen gebracht. Rund sechs Monate nach Beginn der Kooperation nutze nur ein kleiner Teil der Versicherten die Möglichkeit, Medikamente per Post zu erhalten.
3 Der Vorstandsvorsitzende der Rhön-Klinikum AG, Eugen Münch, schlägt einen Ausbau der bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung zur „GKV-Plus“ vor: Durch engere Verflechtung von ambulanter und stationärer Versorgung ließen sich vorhandene Leistungsre-
serven heben. Dabei erfolge die Honorierung niedergelassener ÄrztInnen qualitätsbezogen.
3 Der saarländische Justizminister Josef Hecken (CDU) fordert eine klare gesetzliche Grundlage für die Patientenverfügungen. Das geltende Recht lasse den Bürger, aber auch den Arzt im Stich, sagte Hecken am Donnerstag in Saarbrücken.
3 §§ Wenn ein Arzt das Formular für einen von der privaten Krankenversicherung angeforderten Untersuchungsbefund nicht vollständig ausfüllt, haftet er dennoch nicht für später fällige Risikozuschläge des Versicherten. Vielmehr muss der Patient dafür Sorge tragen, dass solche Formulare korrekt und sprgfältig ausgefüllt werden. Das entschied nach einem Bericht des „Versicherungsjournals“ das Landgericht Mainz.
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Österreich stoppt elektronische Gesundheitskarte nach Ärzteprotesten vorläufig Nach heftiger Kritik vor allem der österreichischen Ärztekammer an der elektronischen Gesundheitskarte e-card hat die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte einen „vorläufigen Stopp“ der Auslieferung der e-card verhängt, meldet heise.de. Das Gremium ist Teil der Ärztekammer und rate den Ärzten nun bis auf weiteres davon ab, Leitungen und Software für die Verwendung der Chipkarte zu bestellen. Zwar bekenne man sich weiter „sehr wohl zum Projekt der e-card“, aber es sei „auf Grund mehrerer offener Punkte ein vorläufiger Stopp zu verfügen“ gewesen. Probleme gäbe es mit EDV-Firmen und Providern, „die auf Grund des vorgegebenen Roll-outPlans einen Zeitdruck suggerieren und für zusätzliche -- nicht notwendige Softwarekomponenten wie die Anbindung der Ärzte-Software an das System -- teils überhöhte Preise lukrieren wollen“.
R. Hofmann (Hrsg) Endoskopische Urologie Untertitel: Atlas und Lehrbuch Ca. 260 S., 290 Abb. überwiegend in Farbe. Mit DVD. 79,95 EUR (Vorbestellpreis bis 31.12.05: 64,95 EUR). ISBN: 3-540-20679-5. Erscheinungstermin: voraussichtlich Juli/August 2005
Inzwischen wird bekanntlich hierzulande ein gigantisches „Toll-Collect“ bei der Einführung der e-card befürchtet. Dass Proteste gegen unausgereifte oder zumindest noch nicht erprobte Techniken fruchten können, zeigt das o.a. Beispiel der österreichischen KollegInnen. Bleibt zu hoffen, dass auch die hiesigen, „offiziellen“ Standesvertretungen, Kammern und Kven also, sich entsprechend gegenüber Politik und Krankenkassen zur Wehr setzen! Wie alleine man uns lässt, wenn es auch nur darum geht, säumige Schuldner, die 10 Euro Praxisgebühr nicht zahlen wollen, zu belangen, erleben wir gegenwärtig.
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UROPOWER™, ein BDUProjekt zur Förderung der Früherkennungsuntersuchung des Mannes
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Inhalt UROPOWER™, ein BDU-Projekt zur Förderung der Früherkennungsuntersuchung des Mannes
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Prof. Dr. Max Geraedts, M. san Evidenz zur Beziehung zwischen Quantität und Qualitat in der Medizin 448 F. Porzsolt Synopse der Nutzenbewertung medizinischer Gesundheitsleistungen aus der Sicht unterschiedlicher Autoren: Erstellung einer Matrix 452 Personalia
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Neue Mitglieder und Änderungen
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Jubilare
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m Frühjahr 2004 entstand auf dem EAU-Kongress in Wien die Idee, die Früherkennungsuntersuchung der Männer auf spektakuläre Weise medienwirksam zu fördern. Dabei stand das „Uropower™-Gerät“ der Firma Wiest im Mittelpunkt der Idee (siehe . Abbildung 1). Dieses UroflowMessgerät ist für den Einbau in herkömmliche Urinale geeignet und weitgehend vollautomatisiert. Damit eignet es sich als Selbsttestgerät für Männer zur Bestimmung der Kraft des Harnstrahls. Nach Vorschlägen Von Prof. Udo Jonas, Hannover, wurden alle möglichen Messergebnisse mit Kommentaren hinterlegt, die auf der Messkarte als Interpretation der Messung abgedruckt werden: „Normal“, „Menge zu gering, mit gefüllter Harnblase noch einmal testen“ „Sie sollten zur Sicherheit einen Urologen aufsuchen“. Diese so genormten Teststationen werden in öffentlich zugänglichen Bereichen aufgestellt, z. B. in Gaststätten, Hotels, aber auch in Sportvereinen, Golfclubs etc. Auf der Rückseite der Testkarten wird durch eine gebührenfreie Telefonnummer und durch eine Webadresse auf Urologen des Einzugsgebietes hingewiesen (siehe . Abbildung 2). Bekannterweise machen immer noch die meisten Männer im relevanten Vorsorgealter einen großen Bogen um Arztpraxen. Insbesondere scheuen sie den Urologen. Dazu kommt, dass vielen Männern die Aufgaben eines Urologen gänzlich unbekannt sind. Der Anteil der Frauen, die regelmäßig an Früherkennungsuntersu-
chungen teilnehmen, ist etwa dreimal höher als bei Männern, die nur zu 8 % an der Vorsorge teilnehmen. Wir möchten mit der geplanten Aktion, die unter dem Motto „Na, . . . wie läuft´s?“ alle Männer 40+ zum Testen ihrer Uropower™ animieren soll, Gespräche unter Männern auslösen, die deren
Abb. 1 8 „Uropower”
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Jubilare Der Berufsverband gratuliert seinen Mitgliedern:
F 75 Jahre 18. 06. 30 Dr. med. Anton Angyal
F 70 Jahre 03. 06. 35 Dr. med. Albrecht C. Schmidt 13. 06. 35 Dr. med. Stevan Glavicki
Abb. 2 8 „Uropower”
17. 06. 35 Dr. med. Friedrich Brunzema Abb. 3 8 „Uropower”
21. 06. 35 Dr. med. Otto Meurer 25. 06. 35 Dr. med. Hans-Peter Ziehen
F 65 Jahre 11. 06. 40 Dr. med. Jürgen Albrecht 15. 06. 40 Dr. med. Edgar Schmutte 20. 06. 40 Prof. Dr. med. Lothar Weißbach 21. 06. 40 Dr. med. Reinhard Schubart 23. 06. 40 Dr. med. Ali Dajani 30. 06. 40 Prof. Dr. med. Franz J. Marx
Abb. 4 8 „Uropower”
F 60 Jahre Abb. 5 8 „Uropower”
gesundheitliche Situation einmal intensiver beleuchtet: Tenor: „. . . nicht jeder, der sich gesund fühlt, ist auch wirklich gesund!“ Aus einem anfänglichem Joke (siehe . Abbildung 3) entwickelt sich ein ernsthaftes Gespräch. Zu der Uropower™ Aktion wird eine Broschüre unter dem Titel „Männergespräche“ herausgegeben. Darin wird in Laiensprache von einem „erfahrenen Patienten“ gesprächsweise unter Freunden über die Früherkennungsuntersuchung und über den Urologen aufgeklärt. Fazit dieser Aufklärung ist die Motivation zur rechtzeitigen Nutzung der Früherkennungsuntersu-
chungen, die sinnvollerweise beim Urologen durchgeführt werden sollte. Bei diesem Gespräch beschließen die beiden, zunächst in deren Stammkneipe den neuen „Uropower™- Test“ durchzuführen (siehe . Abbildung 4 und 5). Diese Aktion ist bundesweit in ca. 200 Städten geplant und wird in 2005 und 2006 in Zusammenarbeit mit den BDULandesverbänden durchgeführt.
06. 06. 45 Dr. med. Rainer Schwaiger 10. 06. 45 Dr. med. Gerd Cappell 17. 06. 45 Dr. med. Hans-Uwe Schneider 19. 06. 45 Dr. med. Hans-D. Kühn 19. 06. 45 Hans-Peter Löser 20. 06. 45 Dr. med. Arno Nöll 23. 06. 45 Dr. med. Joachim Lachmund 28. 06. 45 Dr. med. Wolf-Diether Böhm 29. 06. 45 Dr. med. Heinrich H. Schroer
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Prof. Dr. Max Geraedts, M. san.
Evidenz zur Beziehung zwischen Quantität und Qualität in der Medizin* Teil 1
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achdem Herr Henke den politischen Hintergrund zur Mindestmengenvereinbarung erläutert hat, möchte ich in meinem Beitrag den wissenschaftlichen Hintergrund von Mindestmengen thematisieren, indem ich Ihnen die Evidenz zur Beziehung zwischen Quantität und Qualität in der Medizin darlege. Dazu gehe ich erstens auf den theoretischen Rahmen der Beziehung zwischen Leistungsfrequenz und medizinischen Versorgungsergebnissen ein. Zweitens möchte ich die Studienlage zur Evidenz (von Quantitäts-Qualitäts-Beziehungen) anhand der wichtigsten Reviews der letzten 0 Jahre sowie einzelner erst kürzlich publizierter Studien aufarbeiten. Drittens werde ich einige der aktuell diskutierten Argumente für und gegen Mindestmengen und die daraus resultierende Zentralisierung von Leistungen anführen. Und zuletzt möchte ich daraus meine Schlussfolgerungen ziehen. In vielen Diskussionen zu den Mindestmengen wird die Beziehung zwischen der medizinischen Versorgung einzelner Patienten und deren Resultaten oft holzschnittartig reduziert betrachtet. Dabei geht man
davon aus, dass das Versorgungsergebnis, das ein Patient erwarten kann, umso besser ist, je höher die Leistungsfrequenz der Ärztinnen und Ärzte bzw. der Einrichtungen ist, die die Leistungen erbringen. Zur Erklärung wird die auf den ersten Blick sehr einleuchtende, so genannte „Übung macht den Meister“-Hypothese angeführt (. Abb. 1). Unstrittig ist sicherlich für jeden von uns, dass Erfahrung notwendig ist, um gerade komplexe medizinische Prozeduren mit hoher Qualität durchführen zu können. Unstrittig ist aber auch, dass es außer der Leistungsfrequenz noch eine Vielzahl anderer Einflussfaktoren auf das Versorgungsergebnis gibt.
Dabei sind zunächst patientenseitige Faktoren zu nennen: F Je nachdem welche Patienten welchen Alters, mit welchem Schweregrad, mit welcher Komorbidität oder welcher Sozialschicht in einer Einrichtung behandelt werden, sieht das Versorgungsergebnis trotz gleicher Prozes-
Abb. 1 9 Komplexität der Beziehung zwischen medizinischer Versorgung und Versorgungsergebnis
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se und gleicher Leistungsfrequenz oftmals sehr unterschiedlich aus. F Gleiches gilt für die verschiedenen Strukturen und Prozesse der medizinischen Versorgung: Je nachdem, wie eine Einrichtung organisiert ist, welche strukturellen Voraussetzungen gegeben sind und wie die Qualifikation des gesamten Versorgungsteams beschaffen ist, können wiederum gleiche Leistungsfrequenzen mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen einhergehen. F Und zuletzt spielt auch noch die Biologie der Patienten und zum Beispiel auch deren Compliance mit Nachsorgemaßnahmen eine wichtige Rolle dabei, welche Ergebnisse letztlich zu messen sind. Wenn nun anhand von Studien festgestellt werden soll, ob bei bestimmten medizinischen Prozeduren wirklich der Einflussfaktor „Leistungsfrequenz“ eine wichtige Rolle für gute Ergebnisse spielt, müssen alle diese Einflussfaktoren bei den Studienanalysen ausreichend berücksichtigt worden sein. Nur auf der Basis solcher Studien können Mindestmengen festgelegt werden. Denn der Gesetzgeber formuliert ja im Sozialgesetzbuch ausdrücklich, dass Mindestmengen nur für solche Leistungen definiert werden sollen, bei denen das Ergebnis in besonderem Maße von der Leistungsfrequenz abhängt. *Referat auf dem 107. Deutschen Ärztetag 2004 in Bremen
Berufspolitik BDU
Abb. 2 9 Variable Stärke der Quantitäts-Qualitätsbeziehung (Birkmeyer et al. 2002): Operationsfrequenz bei Krebsoperationen und 30-Tages-/KH-Mortalität bei Medicare-Versicherten
Abb. 3 9 Variable Stärke der Quantitäts-Qualitätsbeziehung (Birkmeyer et al. , 2002): Operationsfrequenz bei Herz-/Gefäßoperationen und 30-Tages-/KH-Mortalität bei Medicare-Versicherten
Um aus der Fülle von inzwischen mehr als 000 Studien zur Beziehung von Leistungsfrequenz und Ergebnis solche Prozeduren auswählen zu können, bei denen diese Beziehung wissenschaftlich als gesichert bezeichnet werden kann, hat das amerikanische National Cancer Policy Board Kriterien formuliert, an denen man sich orientieren kann.
Demnach kann man dann von einer evidenzbasierten Quantitäts-QualitätsBeziehung sprechen, wenn erstens die Beziehung logisch und plausibel erscheint, zweitens der beobachtete Effekt durch mehrere Studien abgesichert wurde, drittens der beobachtete Trend in den verfügbaren Studien konsistent vorhanden war, und viertens die Größe der Ergebnisunterschiede substanziell und klinisch bedeut-
sam ist sowie auf der Basis strenger statistischer Kriterien nachgewiesen wurde.
Auf der Basis dieser Kriterien möchte ich Ihnen nun die Studienlage darstellen: Die erste umfassende Literaturanalyse zur Beziehung von Quantität und Qualität in der Medizin stammt vom Centre Der Urologe [A] 4 · 2005
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Tabelle 1
Studienlage zur Quantitäts-Qualitäts-Beziehung, Literaturanalyse des Centre for Reviews and Dissemination des britischen Nationalen Gesundheitsdienstes an der University of York 1996: Inkonsistenz der Studienlage Volumen-Ergebnis-Beziehung
Prozedur/behandelte Erkrankung
Höheres Volumen zeigte bessere Ergebnisse
Herzchirurgie, abd. Aneurysma, Darmoperationen (benigne), Neonatalversorgung, AIDS, Brustkrebs, Unterschenkelamputation, Knieprothese, Teratom, Ösophagus-CA, Pankreas-CA
Höheres Volumen zeigte z. T. bessere, z. T. gleiche Ergebnisse
PTCA, Herzinfarkt, Herzkatheter, Magenchirurgie, Cholezystektomie, Kolon-Rektum-CA
Höheres Volumen zeigte keine besseren Ergebnisse
Magenulkus, Beckenfraktur, Intensivversorgung, Prostatektomie, Traumacenterversorgung, Magen-CA
Höheres Volumen zeigte Ergebnisverschlechterung
Katarakt-OP
Tabelle 2
Studienlage zur Quantitäts-Qualitäts-Beziehung Literaturanalyse von Halm et al. 2000, 2002: • Heterogenität der Studienlage • Schlechte methodische Studienqualität • Ca. 70% der Studien zeigten positive Leistungsfrequenz-Ergebnis-Beziehungen Literaturanalyse von Gandjour et al. 2003: • 2/3 der ausgewählten Studien zu Krankenhausfallzahlen und 53% der Studien zu Arztfallzahlen zeigten positive Leistungsfrequenz-Ergebnis-Beziehungen
for Reviews and Dissemination des Nationalen Britischen Gesundheitsdienstes und dem Nuffield Institute for Health. Deren Forscher hatten 996 mehr als 200 Studien zur Quantitäts-Qualitäts-Beziehung zusammengetragen, wobei vor allem ein Aspekt deutlich wurde: Die Studienlage war für einige Prozeduren konsistent, für die weitaus meisten Prozeduren aber inkonsistent (. Tabelle 1). Das heißt es gab Prozeduren, bei denen mit steigender Fallzahl immer positivere Ergebnisse berichtet wurden, wie beispielsweise für Pankreaskarzinomresektionen oder herzchirurgische Eingriffe. Daneben gab es Prozeduren, bei denen einige Studien positive, andere Studien keine Unterschiede in Abhängigkeit von den Fallzahlen zeigten, wie beispielsweise für die Herzinfarktbehandlung. Und es gab Prozeduren, bei denen alle bis dahin verfügbaren Studien keine Verbesserungen mit steigender Fallzahl – wie beim Magenulkus – oder sogar eine Verschlechte-
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rung der Ergebnisse bei sehr hohen Fallzahlen – wie hier bei Kataraktoperationen – ergab. Die meines Erachtens bedeutendste Literaturanalyse der letzten Jahre stammt von Ethan Halm und Koautoren. Deren wesentliches Verdienst besteht darin, dass sie zum einen die bislang vorherrschende immense Studienheterogenität deutlich herausgearbeitet haben. Zum anderen haben Halm et al die größtenteils mangelhafte Methodik von Studien zur Quantitäts-Qualitäts-Beziehung eindrucksvoll aufgedeckt (. Tabelle 2). Als größtes Manko der Studien fiel auf, dass nur wenige Studien die jeweils von den Ärzten oder Einrichtungen genutzten diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei den Analysen einbezogen hatten. Genauso wenig wurden der Schweregrad und die Komorbiditäten der jeweiligen Patientenpopulationen berücksichtigt. Statt dessen beachte-
ten viele Studien allein die Leistungsfrequenz als Einflussfaktor auf das Ergebnis und verglichen dann wie so oft Äpfel mit Birnen. Deshalb raten diese Autoren auch dazu, das zumeist zitierte Ergebnis ihrer Analyse nur mit Vorsicht zu interpretieren, dass nämlich rund 70% der Studien eine positive Assoziation von entweder Arztfallzahlen oder Einrichtungsfallzahlen mit den Ergebnissen berichteten. Eine ähnliche, wenn auch für die Arztfallzahlen etwas geringere Assoziation haben auch Gandjour, Lauterbach und Co kürzlich in ihrem Review publiziert. Wesentlich an diesem Review war, dass hier gezeigt werden konnte, dass gerade in den letzten fünf Jahren die methodische Qualität der Studien besser geworden ist. So eine methodisch herausragende Arbeit haben John Birkmeyer und Koautoren 2002 im New England Journal publiziert. Hierbei flossen Daten von mehr als 2½ Millionen Patienten ein, die im Zeitraum 994-999 behandelt worden waren (. Abb. 2). Für 8 Karzinomoperationen und 6 Herz- bzw. Gefäßoperationen wies Birkmeyer positive Assoziationen der Leistungsfrequenz der Einrichtungen mit der Operations- bzw. 30-Tagesmortalität nach. Beeindruckend sind sicherlich diese Ergebnisse hier für Pankreas- und Ösophaguskarziomresektionen. Beim Pankreaskarzinom starben beispielsweise in der Gruppe der Einrichtungen mit weniger als einem Eingriff im Durchschnitt der letzten sieben Jahre 6,3% der Patienten, während in der Gruppe mit mehr als 6 Eingriffen pro Jahr nur 3,8% innerhalb von 30 Tagen nach der Operation verstorben waren. Was aber zusätzlich auffällt, ist, dass es auch Prozeduren zu geben scheint, bei denen die höchsten Leistungsfrequenzen trotz statistischer Signifikanz – und das ist bei diesen Fallzahlen kein Wunder – mit nur geringen klinischen Unterschieden einher gehen. Bei der Kolektomie sehen Sie hier, dass Kliniken mit mehr als 24 solcher Eingriffe pro Jahr eine Kurzzeitmortalität von 4,5% aufwiesen, während die Mortalität in Kliniken mit durchschnittlich weniger als 33 Eingriffen pro Jahr 5,6% betrug.
Berufspolitik BDU
Abb. 4 9 Mortalitätsdifferenzen in Abhängigkeit von der Fallzahl von Krankenhäusern (Finlayson et al. 2003)
Abb. 5 9 Arzt- und Krankenhauseffekte bei volume-outcomeBeziehungen (Birkmeyer et al. 2003)
Genauso sah es auch bei Herz- und Gefäßoperationen aus. Auch hier unterschieden sich die Mortalitätsdifferenzen in den höchsten und niedrigsten Frequenzgruppen zwar signifikant voneinander. Jedoch waren die klinischen Unterschiede mitunter minimal (. Abb. 3). Bei der Carotisendarteriektomie beispielsweise starben 7 von tausend Operierten in solchen Kliniken, die weniger als 40 Eingriffe pro Jahr zählten, während 5 von tausend Patienten starben in Kliniken mit mehr als 64 jährlichen Eingriffen. Insgesamt zeigt sich also eine sehr variable Effektstärke bei der Assoziation von
Leistungsfrequenz und dem hier betrachteten Ergebnisparameter. Klinisch hoch bedeutsame Assoziationen sind also nur bei wenigen Prozeduren festzustellen. Was bei der Birkmeyerstudie kaum beachtet wurde, ist die Tatsache, dass der Datensatz nur Daten von über 65 Jahre alten Patienten enthält. Emily Finlayson und Koautoren haben dagegen die Quantitäts-Qualitäts-Beziehung der gleichen acht Krebsoperationen wie Birkmeyer an einem Datensatz untersucht, der alle Altersgruppen umfasste. Bei insgesamt knapp 200. 000 operierten Patienten fanden sie nur noch für Ösophagus- und Pankreasresektionen die signifikante Assozia-
tion von Leistungsfrequenz von Kliniken und Kurzzeitmortalität. Das Alter spielt also eine wesentliche Rolle dabei, ob eine Behandlung in Zentren mit hohen Fallzahlen in Bezug auf diesen Ergebnisparameter wirklich Vorteile für die Patienten bringt (. Abb. 4). Wiederum von John Birkmeyer mit Koautoren stammt eine Studie, die einen anderen wesentlichen Aspekt der Mindestmengendiskussion beleuchtet. Die Frage nämlich, ob es ausreicht, darauf zu achten, dass die Fallzahlen von Einrichtungen hoch sind, oder ob vielleicht die Fallzahlen der behandelnden Ärztinnen und Ärzte wichtiger sind (. Abb. 5). Der Urologe [A] 4 · 2005
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Sie sehen hier Ergebnisse einer Analyse der Quantitäts-Qualitäts-Beziehung in Bezug auf Arztfallzahlen. Basis waren wiederum die Daten von über 65-jährigen Amerikanern. Bei vier Karzinom- und vier Herzbzw. Gefäßoperationen fand die Studie signifikante positive Assoziationen der Leistungsfrequenz des Operateurs mit den Versorgungsergebnissen. Interessanter noch als dieser Effekt scheint mir aber an der Studie, dass erstmals untersucht wurde, welchen Anteil an dieser Assoziation die Operateur- im Verhältnis zur Einrichtungsleistungsfrequenz hatte. Danach gab es Prozeduren, bei denen bis zu 50% des Effektes, der zunächst der Leistungsfrequenz von Ärzten zugesprochen worden war, bei genauer Analyse durch die Leistungsfrequenz der Einrichtungen erklärt wurde. Dies war hier bei Pankreasresektionen der Fall. Genauso gab es Prozeduren – hier der Aortenklappenersatz – bei denen 00% des Effektes der Leistungsfrequenz der Einrichtungen alleine auf die Fallzahl der Ärzte zurückzuführen war. Bei dieser Prozedur spielte die Fallzahl der Einrichtungen überhaupt keine Rolle. Bei Mindestmengenvereinbarungen sollte also für jede Prozedur sehr genau überlegt werden, ob die Fallzahlen für Ärztinnen und Ärzte oder Einrichtungen wichtiger sind. Wo aber, das heißt in welcher Höhe könnten jetzt Mindestmengen aufgrund dieser Studienergebnisse angesetzt werden. Die Autoren der meisten Reviews warnen davor, konkrete Fallzahlen abzuleiten. Dazu würde die Evidenz einfach nicht ausreichen. Prof. Dr. Max Geraedts, M. san. Klinikum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dieser Artikel wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt.
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F. Porzsolt
Synopse der Nutzenbewertung medizinischer Gesundheitsleistungen aus der Sicht unterschiedlicher Autoren: Erstellung einer Matrix
In den Gesundheitspolitischen Kommentaren (GPK 4-7/2004) wurden Vorschläge zur Bewertung des Nutzens medizinischer Gesundheitsleistungen von vier Arbeitsgruppen beschrieben. Die Ergebnisse dieser Beschreibung sind nachfolgend zusammengefasst.
Allgemeine wissenschaftliche Präambel Die Begründung für den Bedarf allgemein akzeptierter Kriterien zur Bewertung des Nutzens von Gesundheitsleistungen wird als bekannt vorausgesetzt. Da die solidarische Finanzierbarkeit des Systems nicht durch eine Umverteilung bestehender Lasten erhalten werden kann, ist die Erarbeitung von Kriterien zur Beurteilung des Nutzens nur sinnvoll, wenn die Partner des Systems die gemeinsam festgelegten Kriterien auch in die Praxis umsetzen. Die Analyse solidarisch finanzierter Gesundheitsleistungen zeigt, dass eine Einigung auf gemeinsame Bewertungskriterien unerlässlich ist, weil alle Partner das System belasten und bei Akzeptanz gemeinsamer Kriterien alle Partner des Systems Vorteile aus dem Konsens ernten werden. Die explizite Benennung von „Ross und Reiter“ würde ebenso wie das Erzwingen absoluter Transparenz die Versachlichung der Diskussion eher behindern als fördern. Deshalb wurden in dieser Synopse neben den ökonomischen Kriterien
(z. B. Kosten und Konsequenzen) und den epidemiologische Kriterien (z. B. Validität und Anwendbarkeit wissenschaftlicher Daten) auch psychologische Kriterien (z. B. die gefühlte Sicherheit, deren Validität und Berechtigung formal bisher nicht bewiesen werden kann) berücksichtigt. Dieses Zugeständnis ist aus zwei Gründen notwendig. Zum einen ist in der Gesundheitsversorgung ein fataler Nihilismus zu vermeiden. Deshalb dürfen praktikable Lösungen, selbst wenn sie nur auf Überzeugungen beruhen, nicht eliminiert werden, wenn an deren Stelle keine besseren Lösungen angeboten werden können. Die ausschließliche Anwendung der biomedizinischen Wissenschaftstheorie ohne Akzeptanz der biopsychosozialen Theorie würde das Risiko unzutreffender Schlussfolgerungen beinhalten. So lassen sich z. B. die zweifellos nützlichen randomisierten Studien nur durchführen, wenn der erwartete Unterschied der Ergebnisse der verglichenen Handlungsmöglichkeiten klein ist und die Präferenzen der Behandler und Behandelten keine der untersuchten Handlungsmöglichkeiten eindeutig favorisieren. Da es viele Situationen in der Gesundheitsversorgung gibt, in welchen verschiedene Therapien zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen führen und die Präferenz von Behandlern und Behandelten eher die Regel als die Ausnahme sind, würden wir die Realität zurechtbiegen, wenn wir außer randomisierten Studien keine anderen validen Verfahren des Erkenntnisgewinns anerkennen würden.
Berufspolitik BDU Definition des Problems (in 1 Satz beschreiben) Autor Ökonomische Kriterien Perspektive (Patient, Arzt, Krankenkasse, Industrie, Solidargem. ) • Bewertung der Wirtschaftlichkeit aus Sicht des Patienten (Angemessene Relation von Nutzen und Kosten)
o In welcher Dimension werden
die Konsequenzen gemessen? o In welcher Dimension werden
die Kosten gemessen?
• Zeitfaktor berücksichtigt? • Vergleich mit alternativen Handlungsmöglichkeiten durchgeführt? Epidemiologische Kriterien • Validität des Nutzennachweises gegeben? • Klinische Relevanz des Nutzens zu bestätigen? • Anwendbarkeit des Nutzens gegeben? Psychologische Kriterien • Handelt es sich um gefühlte Sicherheit / sozial erwünschte Gesundheitsleistungen? • Kulturelle Aspekte berücksichtigt? Sonstiges
Methodische Vorbemerkungen Diese Synopse wurde aus vier voneinander unabhängigen Berichten erstellt, die in der Zeit zwischen April und Juni 2004 in den Gesellschaftspolitischen Kommentaren veröffentlicht wurden. Ziel der Synopse ist, eine möglichst vollständige Sammlung aller Sichtweisen zur Beschreibung des Nutzens von Gesundheitsleitungen zu präsentieren, um damit eine Grundlage für die nachfolgend notwendige Diskussion anzubieten. In den weitgehend übereinstimmenden Berichten, die dieser Synopse zugrunde liegen, wurden identische Begriffe mit unterschiedlichen Inhalten verwendet, sodass die Einigung auf ein einheitliches Glossar eines der ersten Ziele einer Synopse sein sollte. 1 Reinhard Rychlik und Sandra Nelles: Methoden
der Nutzenbewertung. International wird eine alleinige Betrachtung des Nutzens nicht angewandt. gpk 2004;45(4):23-29 Maria E. Wiedemann und Barbara Sickmüller: Aus wessen Sicht? Therapeutischer Nutzen von Arzneimitteln. gpk 2004;45(4):30-39 Dieter Götte: Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Klare Verfahrensbeschreibung und objektive Bewertungskriterien notwendig. gpk 2004; 45(5):14-20 Franz Porzsolt: Nutzenbewertung in der Medizin. Epidemiologische, ökonomische und psychologische Kriterien sind zu beachten. gpk 2004;45(6-7):3-10
So wird in der Synopse eine ökonomische Bewertung zunächst nicht als monetäre Bewertung sondern als Vergleich von Output und Input bzw. als Vergleich von Konsequenzen und (nicht nur monetären) Kosten aufgefasst. Der Begriff „soziale Outcomes“ wurde in einem Beitrag mit selbstbewerteter Lebensqualität gleich gesetzt. Dabei ist zu bedenken, dass durch die überwiegende Mehrzahl von Gesundheitsleistungen „nur soziale Outcomes“ zu erzielen sind. Die großen Volkskrankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) sind nicht heilbar; Ziel der Behandlung ist entweder das „fixing“ akuter Probleme oder die „prevention“ der unerwünschten Spätfolgen. Eine Arbeitsgruppe betont die Notwendigkeit, den Nutzen aus der Sicht verschiedenere Disziplinen (z. B. Informatik, Soziologie, Verhaltenswissenschaft) zu berücksichtigen. Der Übersichtlichkeit wegen ist dieser zutreffende Aspekt nicht explizit erwähnt. Gleichermaßen ist akzeptiert, aber unerwähnt, dass Patentschutz nicht mit Innovation gleichzusetzen ist. Auf den Nachweis von Über- Unter- und Fehlversorgung wird in der Synopse nicht eingegangen, weil dieser Nachweis einen Vergleich mit einem Goldstandard erfordert. Leider fehlen in den meisten Situationen die Daten, um diesen Goldstandard – das allge-
mein erwünschte Versorgungsergebnis, das mit den geringsten Ressourcen erreicht werden kann – zu beschreiben. Zur Beschreibung des Nutzens in der Medizin sind epidemiologische, ökonomische und psychologische Kriterien berücksichtigt. F Anhand der epidemiologischen Kriterien ist zu zeigen, dass die Bewertung des Nutzens auf wissenschaftlich erhobenen Daten beruht, dass diese Daten valide, klinisch relevant und in der Praxis anwendbar sind. F Anhand der ökonomischen Kriterien ist die Wirtschaftlichkeit, einschließlich der Dimensionen zur Beschreibung von „Kosten“ und Konsequenzen, zu nennen, die Perspektive des Betrachters und die Sicht der Solidargemeinschaft zu berücksichtigen, der Zeitfaktor einzubeziehen und ein Vergleich mit alternativen Handlungsmöglichkeiten anzustellen. F Anhand der psychologischen Kriterien sind kulturelle Aspekte und sozial erwünschte Gesundheitsleistungen zu berücksichtigen. Nachfolgend werden die Details der epidemiologischen, ökonomischen und psychologischen Kriterien beschrieben. Der Urologe [A] 4 · 2005
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1. Epidemiologische Kriterien 1. 1. Validität Die Validität einer wissenschaftlichen Arbeit wird in erster Linie durch die Transparenz der Darstellung gewährleistet. Es ist nicht zwingend, dass valide Aussagen nur durch Meta-Analysen oder randomisierte Studien bestätigt werden können. Kohorten-Studien können gleichermaßen valide Ergebnisse darstellen. Diese Aussagen beziehen sich auf Therapie-Studien. Auf andere Studien sind diese Aussagen nicht uneingeschränkt anwendbar. Modellrechnungen halten wir für den Nachweis des Nutzens als ungeeignet, weil eine Modellrechnung per Definition nicht geeignet ist, um biologische Effekte nachzuweisen.
1. 2. Klinische Relevanz Die Beschreibung der klinischen Relevanz ist essenziell, um die für die politischen Entscheidungsträger notwendigen Informationen bereit zu stellen.
1. 3. Anwendbarkeit Besondere Bedeutung ist dem Aspekt der Anwendbarkeit beizumessen. Die Wirksamkeit eines Arzneimittels ist zum Zeitpunkt der Zulassung nachzuweisen. Unbestritten ist auch, dass der Nachweis der Wirksamkeit nicht ausreicht, um die Kriterien einer Nutzenbewertung zu erfüllen. Deshalb wird es in der Regel nicht möglich sein, die für die Nutzenbewertung erforderlichen Daten gleichzeitig mit den Daten zum Nachweis der Wirksamkeit vorzulegen. Es ist ein angemessener Zeitraum einzuräumen, um Daten zum Nachweis des Nutzens einer Therapie (beziehungsweise diagnostischer Maßnahmen o. a. ) zu erheben.
2. Ökonomische Kriterien 2. 1. Perspektive des Betrachters Die Sicht des Patienten kann nicht alleine für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend sein. Die Schwierigkeit der Nutzenbewertung ergibt sich aus der Notwendigkeit
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Perspektiven unterschiedlicher Partner zu berücksichtigen. Die hierzu notwendigen Entscheidungen sind nicht von der Wissenschaft, sondern von der Politik zu treffen. Als übergeordnete Sichtweise gilt die Sicht der Solidargemeinschaft.
2. 2. Wirtschaftlichkeit (Konsequenzen und Kosten) Ziel der ökonomischen Bewertung ist die Beschreibung der Wirtschaftlichkeit. Die Wirtschaftlichkeit einer Gesundheitsleistung muss in erster Linie aus der Sicht des Betroffenen, des Patienten, bewertet werden. Aus seiner Sicht ist eine Gesundheitsleistung „wirtschaftlich“ wenn eine angemessene Relation zwischen den Konsequenzen (Ergebnisse unter Alltagsbedingungen, nicht unter den Bedingungen einer klinischen Studie) und den „Kosten“ (was der Patient in Kauf zu nehmen hat) besteht. Die Konsequenzen bemisst er an der Frage, ob durch die gewährte Gesundheitsleistung ein längeres und/oder besseres Leben möglich ist (Beurteilungskriterien: Quantität und Qualität des Lebens). Die „Kosten“ beurteilt jeder Betrachter anhand der Belastungen, die er in Kauf zu nehmen hat; aus der Sicht des Patienten können das Nachteile einer Hospitalisierung oder andere physische oder psychische Einschränkungen sein. Aus der Sicht anderer Partner werden die Kosten in unterschiedlichen Dimensionen beschrieben. In jedem Fall wird die Wirtschaftlichkeit durch die angemessene Relation zwischen Kosten und Konsequenzen ausgedrückt.
2. 3. Zeitfaktor Beim Zeitfaktor sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Einerseits soll eine neue Gesundheitsleistung, möglichst unmittelbar nachdem sie auf dem Markt angeboten wird, in Anspruch genommen werden können, um niemandem potentiell nützliche Gesundheitsleistungen vorzuenthalten. Andererseits reicht das Angebot einer Gesundheitsleistung in der Regel nicht aus, um deren Nutzen nachzuweisen. Daraus ergibt sich ein Zeitintervall, das benötigt wird, um nach erfolgtem Nach-
weis der Wirksamkeit die Daten zum Nachweis des Nutzens zu erbringen. Da alle Partner des Gesundheitssystems potentielle Nutznießer einer neuen Gesundheitsleistung sind, sollten allgemein gültige Regeln entwickelt werden, um Gesundheitsleistungen in der Zeit zwischen dem Nachweis der Wirksamkeit und dem Nachweis des Nutzens zu finanzieren. Der zeitlich getrennte Nachweis der Wirksamkeit und des Nutzens entspricht auch einer inhaltlichen Trennung, weil zum Nachweis der Wirksamkeit in der Regel andere Daten erforderlich sind als zum Nachweis des Nutzens. Langfristig könnte diese inhaltliche Trennung bei Arzneimitteln auch eine notwendige Trennung der Zulassung von der Ersatattungsfähigkeit bedingen. Kurz- und mittelfristig setzt der geforderte Nachweis des Nutzens zumindest eine temporäre Zulassung voraus, weil die Daten, die zur Bewertung des Nutzens erforderlich sind, unter „Real-LifeBedingungen“ erhoben werden müssen. Wenn diese Leistungen unter „Real-LifeBedingungen“ angeboten werden, werden die Patienten nicht mehr zwischen erfolgtem und fehlendem Nachweis des Nutzens unterscheiden können. In allen Fällen besteht das Risiko, sozial erwünschte Gesundheitsleistungen zu induzieren, ohne dass der Nutzen nachgewiesen werden konnte.
2. 4. Vergleich mit alternativer Handlungsmöglichkeit Ökonomische Analysen beinhalten per Definitionen den Vergleich alternativer Handlungsmöglichkeiten. Deshalb ist eine Bewertung des Nutzens nur möglich, wenn die beiden Komponenten, Konsequenzen und „Kosten“, jeweils bei alternativen Handlungsmöglichkeiten miteinander verglichen werden. Die Diskussion, mit welchem bisher verfügbaren Verfahren die neue Gesundheitsleistung verglichen werden soll, ist noch nicht abgeschlossen. Es erscheint sinnvoll, die Outcomes und die monetären Kosten mehrerer Handlungsmöglichkeiten unter Alltagsbedingungen miteinander zu vergleichen, weil mit erheblich höherer Wahrscheinlichkeit ähnliche Outcomes zu unterschiedlichen Kosten als unterschiedliche Outcomes zu
Berufspolitik BDU ähnlichen Kosten beobachtet werden. Die ärztliche Entscheidungsfreiheit kann erhalten bleiben, wenn die Anwendung unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten zu vergleichbaren Outcomes bei ähnlichen Kosten führt.
3. Psychologische Kriterien 3. 1. Kulturelle Aspekte Der Vergleich der Nutzenbewertung in unterschiedlichen Ländern legt nahe, dass eine einheitliche Bewertung in verschiedenen Kulturkreisen nicht sinnvoll ist. Deshalb sollten kulturelle Aspekte berücksichtigt werden. Übergeordnete Aspekte wie z. B. das Sicherheitsbedürfnis (Phänomen der Schwimmwesten im Flugzeug) werden in allen Kulturkreisen zu finden sein, könnten aber jeweils einen unterschiedlichen Stellenwert einnehmen.
3. 2. Sozial erwünschte Gesundheitsleistungen Wenn Gesundheitsleistungen propagiert und/oder gewährt werden, wird die Nachfrage nach diesen Leistungen induziert. Wenn für diese Leistungen keine wissenschaftliche Evidenz vorhanden ist, ergeben sich sozial erwünschte Gesundheitsleistungen (z. B. gefühlte Sicherheit, Schwimmwesten im Flugzeug), die nur extrem schwer zu kontrollieren bzw. zu reduzieren sind. Sozial erwünschte Gesundheitsleistungen lassen sich nicht generell vermeiden. Allerdings ist das Risiko, ihre Nachfrage zu induzieren, im Auge zu behalten. Diese Synopse erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, könnte aber als Zusammenfassung der wesentlichen Punkte und als Arbeitsgrundlage für die weitere Diskussion des Nutzenkonzepts dienen. Prof. Dr. F. Porzsolt Klinische Ökonomik, Universitätsklinikum, Frauensteige 6, 89075 Ulm
Neue Mitglieder und Änderungen F (2) Bayern-Nord Änderungen : Dr. med. Eckhard Züge (RS) Wolframstr. 5 92637 Weiden
F (3) Bayern-Süd Neue Mitglieder Dr. med. Frank Michael Almer Gemeinschaftspraxis Graf von Stauffenberg, Almer Jugendheimweg 3 A 86956 Schongau Dr. med. Georg-M. Praetorius Gautinger Straße 9 82319 Starnberg
F (4) Berlin Neue Mitglieder Frau Dipl. med. Sibylle Wilke Gemeinschaftspraxis Diemer, Grella, Wilke Fachärztin für Urologie Karl-Marx-Str. 80 12043 Berlin
F (5) Brandenburg Änderungen Karsten Ihlenburg An den Knabenhäusern 10 D-10317 Berlin
F (10) Niedersachsen Änderungen: Dr. med. Wolfgang Schreyer (RS) Waldmeisterstraße 10 49716 Meppen Dr. med. Andreas Kühne (NA) Facharzt für Urologie Breite Straße 7 37154 Northeim
Dr. med. Manfred Dahl (RS) Stefan Lochner Str. 13 50999 Köln Dr. med. Andreas Meißner (AA) Urologische Universitätsklinik Assistenzarzt in der urologischen Abbteilung Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn
F (13) Saarland Neue Mitglieder Prof. Dr. med. Thomas Zwergel Chefarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Onkologische Urologie SHG-Kliniken Völklingen Richardstraße 6-9 66333 Völklingen
F (17) Thüringen Neue Mitglieder Steffen Sturm (NA) Facharzt für Urologie Obertor 13 99183 Witterda
F (18) Westfalen-Lippe Änderungen Dr. med. Michael Fries Karolinen-Hospital Facharzt für Urologie Verstorbene Mitglieder: Stolte-Ley 5 59759 Arnsberg Rainer Voß Berlin Dr. Florian Kühne Neckargemünd Dr. Helmut Gehrmann Weingarten
Dr. med. Alfred Buse Facharzt für Urologie Duttenstedter Straße 13-15 3124 Peine
F (11) Nordrhein Neue Mitglieder Priv. Doz. Dr. med. Hans-Joachim Luboldt (NA) Facharzt für Urologie Wallstraße 34 46535 Dinslaken Änderungen Dr. med. Gerhard Limbacher (RS) Lingeweide 4 40489 Düsseldorf
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