Radiologe 1998 · 38:645–658 © Springer-Verlag 1998
Traumatologie M.Wiesmann · H. Brückmann · Abteilung für Neuroradiologie,Ludwig-Maximilians-Universität, München
Bildgebende Diagnostik akuter Schädel-Hirn-Verletzungen
Zusammenfassung In der Akutphase nach einem Schädel-HirnTrauma soll die bildgebende Diagnostik das Ausmaß der intrakraniellen Schädigung zeigen und v.a.die Läsionen sicher erfassen, die eine umgehende kausale Therapie erfordern. Hierzu ist die Computertomographie initial die wichtigste diagnostische Maßnahme.Die Magnetresonanztomographie ist der Computertomographie diagnostisch überlegen. Aufgrund des höheren Zeitbedarfs und der schwierigeren Patientenüberwachung wird sie jedoch nicht primär in der Akutdiagnostik durchgeführt.Neuere Verfahren wie FLAIR oder diffusionsgewichtete Untersuchungstechniken erweitern die diagnostische Aussagefähigkeit der Magnetresonanztomographie beim Schädel-Hirn-Trauma.Die digitale Subtraktionsangiographie ist nur noch indiziert bei speziellen Fragestellungen, wie etwa einer Karotis-sinus-cavernosus-Fistel oder einer traumatischen Dissektion der hirnversorgenden Arterien. Schlüsselwörter Schädel-Hirn-Trauma · MRT · CT
U
nfallbedingte Verletzungen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern und jungen Erwachsenen. Bei etwa der Hälfte aller tödlichen unfallbedingten Verletzungen spielt das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) die führende Rolle. Die Einteilung des Schweregrades eines SHT erfolgt nicht nach dem radiologischen Befund, sondern anhand klinischer Kriterien. Üblich ist eine Einteilung in leichtes, mittelschweres und schweres SHT nach der Dauer der initialen Bewußtlosigkeit und dem neurologischen Befund (Glasgow Coma Scale). Wenn der Patient initial nicht bewußtlos war, spricht man von einer Schädelprellung. Je nachdem, ob die Dura mater verletzt ist, unterscheidet man offene und geschlossene SchädelHirn-Traumen. Sinnvoll ist ferner die Einteilung in intraaxiale (das Gehirngewebe selbst betreffende) und extraaxiale Läsionen. Intraaxiale Schäden, vor allem Hirnkontusionen und Schertraumen, sind nach einem SHT die häufigsten Verletzungsfolgen. Zu den wichtigsten extraaxialen Läsionen gehören epiund subdurale Hämatome sowie Frakturen. Art und Ausmaß der permanenten neurologischen Funktionsstörungen hängen davon ab, wieviel Hirngewebe geschädigt wurde (Volumen) und welche Hirnareale betroffen sind (Lokalisation). Nicht alle SHT, die bleibende neurologische Ausfälle verursachen, hinterlassen morphologische Spuren, die mit radiologischen Methoden nachweisbar sind.
Indikation und Bedeutung der radiologischen Untersuchungsverfahren beim Schädel-Hirn-Trauma Zur Prognose nach einem SHT trägt entscheidend bei, wie schnell neurochirurgische Therapiemaßnahmen eingeleitet werden können. Direkt nach Aufnahme in das Krankenhaus soll die bildgebende Diagnostik daher das Ausmaß der intrakraniellen Schädigung zeigen und v.a. die Läsionen nachweisen, die eine umgehende kausale Therapie erfordern. Dazu zählen in erster Linie epi- und subdurale Hämatome sowie ausgeprägte Impressionsfrakturen. Gerade diese Läsionen können am besten mit der Computertomographie (CT) dargestellt werden. In der Akutphase nach einem SHT ist die CT daher die wichtigste diagnostische Maßnahme und soll ohne jede Verzögerung durchgeführt werden. Lediglich die Kreislaufstabilisierung, ggf. die Intubation oder der sonographische Ausschluß einer intraabdominellen Blutung haben eine höhere Priorität. Das Übersichtstopogramm der CT erlaubt oft schon eine orientierende Beurteilung der oberen HWS (Abb. 1). Bei entsprechendem Verdacht kann ohne Umlagerung des Patienten eine Untersuchung der HWS angeschlossen werden. Prof. Dr. H. Brückmann Abteilung für Neuroradiologie, Klinikum Grosshadern, Ludwig-Maximilians-Universität, Marchioninistraße 15, D-81377 München& y d & : k c o l b n f / Der Radiologe 8·98
| 645
Radiologe 1998 · 38:645–658 © Springer-Verlag 1998
Traumatologie
M.Wiesmann · H.Brückmann Imaging of head trauma Summary The role of neuroimaging in the acute setting of head trauma is to diagnose the extent of intracranial injury and to identify all lesions which require urgent neurosurgical treatment.Computed tomography (CT) remains the most important diagnostic tool for initial screening of trauma victims. Although magnetic resonance imaging (MR) has higher sensitivity to most traumatic lesions than CT, due to the ease and speed of CT, and the fact that sufficient monitoring of critically ill patients during the examination is much easier with CT than with MR, mean that MR is not the imaging modality of choice for the initial diagnostic work-up. Recent MR techniques such as FLAIR or diffusion imaging further improve the sensitivity of MR in head trauma.Conventional angiography is currently indicated only for few suspected vascular lesions (e.g.traumatic arterio-venous fistulas, vascular dissections). Key words Head trauma · Diagnostic imaging · MR · CT
646 |
Der Radiologe 8·98
Abb.1 c Traumatische Densfraktur bei einer 62jährigen Patientin, die bei einem Sturz eine intrazerebrale Blutung erlitt. Bereits im Übersichtstopogramm der CT ist eine Densfraktur vom Typ Anderson III erkennbar. Beachte die vergrößerte Distanz zwischen den Dornfortsätzen von HWK 1 und 2, sowie die Konturunterbrechung an der Vorderkante von HWK 2
Link et al. [7] berichteten, daß von 202 Patienten mit einem schweren SHT nahezu 10% Frakturen im Bereich des kraniozervikalen Übergangs und der oberen HWS erlitten hatten, die nur mittels CT und nicht nativröntgenologisch zu diagnostizieren waren. Die Gabe von Konstrastmittel ist in der Regel nicht notwendig. Eine Indikation besteht allenfalls, wenn sich bei fraglicher Traumaanamnese z.B. eine unklare Raumforderung zeigt, oder selten zum Ausschluß eines isodensen extraaxialen Hämatoms (s. unten). Trotz ihrer unbestrittenen Überlegenheit in der Akutdiagnostik gibt es einige diagnostische Probleme im CT. Hämatome können sich (sehr selten) isodens zum Hirngewebe darstellen (Abb. 2, 3). Partialvolumenartefakte erschweren die Beurteilung der direkt an den Knochen angrenzenden Bereiche. Vor allem im Bereich der Frontobasis, infratemporal und in der hinteren Schädelgrube können dadurch kleine extraaxiale Hämatome und Hirnkontusionen der Diagnostik entgehen (Abb. 4). Aufhärtungsartefakte erschweren zusätzlich die Beurteilung des Hirnstamms. In den genannten Situationen ist die Kernspintomographie (MRT) der CT überlegen: Die multiplanare Darstellung erlaubt eine exakte anatomische
Beurteilung des gesamten Gehirns und seiner Hüllen. Das (seltene) CT-isodense extraaxiale Hämatom wird erfaßt und die unterschiedlichen Stadien einer mehrzeitigen Blutung lassen sich besser unterscheiden (Abb. 5). Die MRT besitzt im Vergleich zur CT eine deutlich höhere Sensitivität was den Nachweis von Scherverletzungen oder kleinen Kontusionsherden anbelangt. Die MR-Angiographie (MRA) bietet wichtige Informationen bei der Beurteilung einer traumatischen Gefäßdissektion. Dennoch spielt die MRT in der Akutdiagnostik nach einem SHT heute noch keine Rolle: Der Nachweis von frischen Hämatomen kann schwierig sein. Frakturen sind kaum zu erfassen. Kleine intrakranielle Lufteinschlüsse können in der Akutphase eventuell schwer von Einblutungen zu unterscheiden sein: Beide stellen sich in der T2w hypointens dar. Dazu kommen noch andere Aspekte, die für die Prognose des Verletzten von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind: Obwohl heute immer schnellere Untersuchungssequenzen zur Verfügung stehen, bedeutet eine MRT-Untersuchung für den akut verletzten Patienten meist eine diagnostische Verzögerung. Nur eine Minderzahl der MRT-Geräte erlaubt eine Untersuchung
2
3
Abb.2 m Akutes isodenses Subduralhämatom rechts und traumatische Subarachnoidalblutung in der axialen CT bei einem 72jährigen Patienten 1 h nach einem Verkehrsunfall. Die traumatische Subarachnoidalblutung erleichtert in diesem Fall die Abgrenzung des isodensen Subduralhämatoms gegen die Hirnkonvexität (Pfeile) Abb.3 m Isodenses chronisches Subduralhämatom beidseits. Die Abgrenzung des isodensen Hämatoms vom Kortex ist nur möglich, wenn man den Verlauf der Sulci zur Kalotte verfolgt (axiale CT)
in Narkose und Beatmung, was aber bei schwerverletzten Patienten ebenso wie ein suffizientes apparatives Monitoring häufig erforderlich ist. Und selbst wenn diese Möglichkeiten gegeben sind, ist eine MRT-Untersuchung bei einem intubierten Patienten immer noch erheblich zeitaufwendiger als eine CT-Untersuchung. In der Akutphase eines SHT ist die MRT indiziert, wenn zusätzlich ein spinales Trauma oder eine Gefäßdissektion vermutet wird. In der subakuten Phase sollte eine MRT durchgeführt
werden, wenn der neurologische Zustand des Patienten durch den CT-Befund nicht erklärt werden kann. Scherverletzungen, Kontusionen, eine therapiebedingte pontine Myelinolyse oder andere Hirnstammläsionen sind mittels MRT am besten etwa 7 Tage nach Trauma nachweisbar. Eine Befunddokumentation kann auch aus forensischen Gründen im Hinblick auf eine spätere Begutachtung indiziert sein. Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, bei welchen Patienten mit Verdacht auf SHT überhaupt eine akute ra-
Abb.4 b Hirnkontusionsherde: Frühes subakutes Stadium (5 Tage nach Trauma). Die hämorrhagisch imbibierten Kontusionsareale frontobasal und am Temporalpol stellen sich in der sagittalen,T2-gewichteten MRT hypointens dar und sind von Ödem umgeben. Der temporale Kontusionsherd war in der CTUntersuchung aufgrund von Knochenartefakten nicht sichtbar
diologische Diagnostik, d.h. eine CCT, durchgeführt werden soll. Auch unter Berücksichtigung des Kosten-NutzenAspektes sollte man nach unserer Ansicht hier relativ großzügig verfahren. Im einzelnen halten wir eine initiale CCT-Diagnostik für indiziert, wenn: ●
●
●
bereits äußere Anzeichen für eine Beteiligung des Neurokraniums sprechen (z.B. Liquorfluß, penetrierende Verletzung, tastbare Impressionsfraktur, Mittelgesichtsschwellung als Hinweis auf Frakturen des Gesichtsschädels); eine Bewußtseinstrübung oder fokale neurologische Ausfälle bestehen (d.h. Glasgow Coma Scale <15); eine neurologische Beurteilung nicht sicher möglich ist (z.B. weil der Patient intoxikiert ist, oder weil er bereits intubiert wurde).
Eine routinemäßige CT-Untersuchung jedes Patienten, der mit „Verdacht auf SHT“ aufgenommen wird, ist aber ineffizient und teuer. Eine sorgfältige neurologische Untersuchung und klinische Beobachtung des Patienten ist für den sinnvollen und zeitgerechten Einsatz der radiologischen Diagnostik unerläßlich. Bei anamnestischem Verdacht auf ein SHT sollte man die initiale CCT-Indikation aber besonders großzügig stellen bei Patienten mit Störungen der Gerinnungsfunktion (z.B. Marcumartherapie) oder bei Kindern bis zum 2. Lebensjahr, da sie neurologisch schwerer zu beurteilen sind und sich aufgrund des höheren Wassergehaltes des kindliDer Radiologe 8·98
| 647
Traumatologie Eine CT-Kontrolle halten wir für indiziert, wenn: ●
●
●
Abb.5 b Hirnkontusion und isodenses Subduralhämatom: Spätes subakutes Stadium (8 Tage nach Trauma). Über die gesamte rechte Hemisphäre zieht sich ein schmales Subduralhämatom. Rechts frontal findet sich ein einzelner kleiner hämorrhagischer Kontusionsherd. In der axialen T1-gewichteten MRT stellt sich die intraaxiale hämorrhagische Läsion deutlich hyperintenser dar als das extraaxiale Subduralhämatom. Das Subduralhämatom war in der CCT vom gleichen Tag nicht sichtbar (isodenses Stadium)
chen Gehirns schneller ein generalisiertes Hirnödem entwickeln kann. Ferner sind bei Kleinkindern selbst bei unauffälligem computertomographischem Ausgangsbefund häufiger als im Erwachsenenalter intrakranielle Blutungen innerhalb der ersten 1–2 Tage nach Traumaereignis zu beobachten. Die Röntgennativdiagnostik des Schädels ist heute nur noch von geringem Nutzen. Nur bei nichtdislozierten linearen Schädelfrakturen bringt sie manchmal noch einen diagnostischen Gewinn. Diese Frakturen können in der CT aufgrund von Partialvolumeneffekten unsichtbar bleiben, wenn die Frakturlinie parallel zur Ebene der CTSchicht verläuft. Der Nachweis einer solchen Fraktur hat aber keine therapeutischen Konsequenzen, und mehr als 90% der Patienten mit einer Schädelfraktur haben keine intraktraniellen Verletzungen [8]. Umgekehrt gibt der Ausschluß einer Fraktur keinen Anlaß zur Entwarnung. Mehr als die Hälfte aller Patienten mit einer intrakraniellen Verletzung haben keine Schädelfraktur [8].Ein unauffälliger Befund in der Röntgennativdiagnostik ist deshalb nicht als Kriterium geeignet, um bei einem neurologisch unauffälligen Patienten auf weiterführende Maßnahmen (CT, klinische Beobachtung) zu verzichten. Bei begründetem Verdacht auf ein SHT
648 |
Der Radiologe 8·98
muß immer die CT die primäre diagnostische Maßnahme sein und ohne jede Verzögerung angestrebt werden. Eine unkritische Durchführung von Schädelnativaufnahmen bei allen Patienten zum „Ausschluß SHT“ halten wir daher für nicht mehr sinnvoll. Eine Ausnahme stellt lediglich die vermutete Kindesmißhandlung dar. Der Nachweis einer Fraktur kann hier aus forensischen Gründen von großer Bedeutung sein. Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) spielt in der Akutdiagnostik nach SHT heute ebenfalls keine Rolle mehr. Gelegentlich kann sie bei Gefäßdissektionen oder traumatischen Pseudoaneurysmen indiziert sein. Die DSA ist Methode der Wahl bei traumatischen Fisteln (z.B. Karotis-sinus-cavernosus-Fistel), die dann auch endovaskulär behandelt werden können. Durch den verbesserten Transport von Schwerverletzten und die inzwischen in der Regel problemlose Verfügbarkeit der CT erfolgt die initiale CTDiagnostik heute manchmal so früh, daß pathologische Befunde noch nicht nachweisbar sind (z.B. Kontusionshämatome) oder in ihrem Ausmaß unterschätzt werden.Vor allem extrazerebrale Hämatome können in einer frühen CT für nicht operationsbedürftig gehalten werden, innerhalb von Stunden aber bedrohlich an Größe zunehmen.
sich der neurologische Zustand des Patienten verschlechtert, die Patienten nach Absetzen der Sedierung verzögert wach werden, eine Hirnkontusion vermutet wird. Die Untersuchung erfolgt dann in der Regel 24 h nach Trauma.
Primäre Traumafolgen Primäre Traumafolgen entstehen bereits im Moment des Traumas, auch wenn bis zu ihrer vollen Ausprägung eine gewisse Zeit vergehen kann. Zu den extraaxialen primären Traumafolgen zählen Frakturen, extraparenchymale Hämatome (epidural, subdural, subarachnoidal, intraventrikulär) und andere primäre vaskuläre Läsionen. Die wichtigsten intraaxialen primären Traumafolgen umfassen Hirnkontusionen, Scherverletzungen und intraparenchymatöse Hämatome.
Schädelfrakturen Schädelfrakturen finden sich bei etwa 2/3 der Patienten mit einem schweren SHT. Nach ihrer Form unterscheidet man zwischen linearen Frakturen, Trümmerfrakturen, Impressionsfrakturen und Lochfrakturen (Schuß- und Stichverletzungen). Die bei einer Impressionsfraktur radiologisch gefundene Verlagerung von Knochenfragmenten nach intrakraniell muß nicht der Maximalverlagerung zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung entsprechen. Direkte Frakturzeichen in der Röntgennativdiagnostik sind Aufhellungslinien, die linear, bogen- oder sternförmig verlaufen können, und Konturunterbrechungen mit oder ohne Stufenbildung. Impressionsfrakturen führen zu einer Zone abnorm erhöhter Dichte, wenn sich Fragmente unter die benachbarte Kortikalis schieben und es zu einem Summationseffekt kommt. Frakturbedingte Aufhellungslinien wirken im Vergleich zu normalen Gefäßfurchen kontrastreicher und schärfer begrenzt, da sie den gesamten Knochen durchsetzen. Bei Kindern kann es bei hoher Gewaltanwendung auch zu einer Nahtsprengung kommen. Eine weitere mögliche Komplikation im Kindesalter ist die sog. wachsende Fraktur, bei der die Breite des Frak-
6
7
8
9
Abb.6 m Felsenbeinlängsfraktur rechts (Pfeile): In der axialen CT stellen sich ebenfalls die regelrechten bilateralen Konturunterbrechungen durch die Suturae lambdoideae (Kreis), sphenosquamosae (Pfeilspitzen) und sphenozygomaticae (offene Pfeilspitzen) dar. Das rechte Felsenbein zeigt eine weichteildichte Verschattung Abb.7 m Schädelbasisfraktur bei einem 15jährigen Patienten, der im Rahmen eines Verkehrsunfalles ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt. In der axialen CT (Knochenfenster) zeigt sich eine Längsfraktur des Klivus sowie ein kleiner Lufteinschluß links temporopolar Abb.8 m Akutes Epiduralhämatom bei einem 15jährigen Patienten 2 h nach einem Fahrradunfall. In der axialen CT sind rechts frontal und rechts temporal bikonvexe hyperdense Säume nachweisbar. Lufteinschlüsse rechts temporal und frontal sowie im rechten Temporalhirn weisen auf das Vorliegen eines offenen Schädel-Hirn-Traumas hin Abb.9 m Akutes Epiduralhämatom bei einem 31jährigen Patienten. Die axiale CT zeigt rechts temporopolar einen bikonvexen Hämatomsaum
turspalts aufgrund der Interposition von Dura und Arachnoidea allmählich zunimmt. Die Dura haftet bei Kindern und alten Menschen fester an der Kalotte als bei Erwachsenen im mittleren Lebensalter. Entsprechend häufiger treten bei diesen Gruppen frakturbedingte Verletzungen der Dura auf. Schädelbasisfrakturen sind am besten computertomographisch, vorzugsweise in HR-Technik mit einer Schichtdicke von 1–1,5 mm, nachweisbar. Eine häufige Komplikation bei SchädelbasisDer Radiologe 8·98
| 649
Traumatologie frakturen sind Verletzungen von Hirnnerven oder Blutgefäßen im Bereich ihrer Durchtrittsstellen an der knöchernen Schädelbasis. Bei Frakturen des Felsenbeins wird der N. facialis je nach Frakturtyp in 10–50% der Fälle geschädigt [5] (Abb. 6). Querfrakturen in der mittleren Schädelgrube können die im Sinus cavernosus verlaufenden Hirnnerven (III, IV, V1, V2, VI) sowie die A. carotis interna schädigen. Bei Längsfrakturen des Klivus sind die A. vertebralis bzw. basilaris gefährdet (Abb. 7). Traumatische Liquorfisteln können entstehen, wenn z.B. bei frontobasalen Schädelfrakturen die Dura verletzt wird und die Bruchlinien in Keilbeinhöhle oder Siebbeinlabyrinth ausstrahlen oder wenn bei Schläfenbeinfrakturen das Mastoid beteiligt ist.
Epiduralhämatome Epiduralhämatome (EDH) finden sich bei etwa 5% aller Schädel-Hirn-Traumen. Am häufigsten (90%) findet sich als Ursache eine Kalottenfraktur, typischerweise temporoparietal. Die scharfkantigen Frakturfragmente verletzen
a
Meningealarterien (60%, v.a. Äste der A. meningea media) oder venöse Gefäße (40%, V. meningea media, venöse Sinus oder Diploevenen). Das austretende Blut führt zu einer extraduralen, häufig bikonvexen Raumforderung (Abb. 8, 9). Die Ausbreitung des Hämatoms entlang der Kalotte wird nahezu immer begrenzt durch die Suturen der Schädelknochen, da hier die Dura fest am Knochen anhaftet und in das Endosteum umschlägt. EDH sind in der Regel unilateral (95%) und supratentoriell (95%) gelegen. Einem bilateralen EDH, das die Sagittalnaht überschreitet, liegt in der Regel eine Verletzung des Sinus sagittalis zugrunde. In etwa der Hälfte der Fälle kommt es nach initialer Bewußtlosigkeit zum klassischen luziden Intervall, bevor dann eine erneute Eintrübung einsetzt. In der CT stellen sich EDH hyperdens dar (2/3 der Fälle). Hypodense Areale sind möglich (1/3 der Fälle) und entsprechen entweder extrudiertem Serum nach Verfestigung und Schrumpfung des Blutclots im Rahmen des Gerinnungsvorgangs, oder Arealen mit noch nicht geronnenem Blut bei
b
Abb.10a,b m Epiduralhämatom in der hinteren Schädelgrube: Frühes subakutes Stadium (5 Tage nach Trauma). Die nach innen verlagerte Dura ist in der rechten hinteren Schädelgrube als hypointenser Saum abgrenzbar (b sagittale MRT). Das Hämatom hat das Methämoglobinstadium erreicht und ist daher in der T2-gewichteten Untersuchung hypointens (a axiale MRT), in der T1-gewichteten Sequenz hyperintens (b)
650 |
Der Radiologe 8·98
schneller Größenzunahme des Hämatoms. Als Kriterium zur Abgrenzung von Subduralhämatomen (s. dort) ist die Begrenzung durch Schädelsuturen zuverlässiger als die bikonvexe Form. Im Unterschied zu Subduralhämatomen entstehen EDH praktisch immer auf der Seite der direkten Gewalteinwirkung („coup“). Die Abgrenzung einer epiduralen Blutung von einer subduralen ist aber nicht immer möglich. Nicht selten findet sich unter einem EDH auch Blut im Subduralraum [3]. EDH über der hinteren Schädelgrube, verursacht durch Sinusverletzungen, können sich auch gleichzeitig nach supra- und infratemporal ausbreiten. Chronische EDH werden gelegentlich beobachtet. Sie können eine konkave Form zeigen. In der CT sind sie hypodens und zeigen eine KM-Aufnahme. Die Signalcharakteristika von EDH in der MRT werden im folgenden Abschnitt zusammen mit den Subduralhämatomen diskutiert. Wie bei jeder epiduralen Raumforderung kann man auch die Verlagerung der kortikalen Blutgefäße und der Dura nach medial sehen (Abb. 10).
a
Subduralhämatome Subduralhämatome (SDH) finden sich bei 10–20% aller Schädel-Hirn-Traumen. Sie sind Folge eines Akzelerations-/Dezelerations- oder Rotationstraumas (z.B. Aufprall des Kopfes auf das Armaturenbrett beim PKW-Unfall). Die Brückenvenen, die von der Gehirnoberfläche senkrecht durch die Dura zu den venösen Sinus verlaufen, sind in ihrem subduralen Abschnitt am vulnerabelsten. Durch die Massenträgheit kommt es während des Traumas zu heftigen Bewegungen zwischen Gehirn und knöchernem Schädel (und der an ihm haftenden Dura), die Brückenvenen werden überdehnt und reißen schließlich ein. Direkte Verletzungen der Sinus (z.B. penetrierendes Trauma) können sowohl nach epidural als auch nach subdural bluten (Abb. 11). Ein großer Teil der SDH entsteht bei schweren SHT. Die begleitenden, oft schweren intraparenchymalen Verletzungen (z.B. Kontusionen oder Schertraumen) tragen zur schlechten Prognose der Patienten bei. Beim SDH sind wie beim Epiduralhämatom Verläufe mit luzidem Intervall möglich. SDH liegen in der Regel supratentoriell (95%), nicht selten bilateral (15%) und finden sich am häufigsten frontoparietal. Chronische SDH, zu deren Entstehung oft auch schon banale Schädel-
Abb.11a,b b Akutes Subduralhämatom links mit Einbruch in das Hirnparenchym bei einer 90jährigen Patientin, die bei einem Sturz eine Schädelfraktur links occipital mit konsekutiver Verletzung des Sinus transversus erlitt (operativ bestätigt). Das austretende Blut breitete sich subdural entlang des Tentoriums (a,b Pfeile, axiale CT) sowie okzipital (a Stern) aus. Die Blutung ist auch in das Hirnparenchym eingebrochen, das linksseitige Hinterhorn des Ventrikels ist komprimiert
b
prellungen ausreichen, werden erst nach Tagen bis Wochen symptomatisch. Sie treten bevorzugt bei älteren Patienten auf. Chronische SDH bei Säuglingen oder Kindern sind die Folge von Geburtstraumen, Vitamin-K-Mangel, Gerinnungsstörungen oder Kindesmißhandlung. Akute SDH stellen sich in der CT typischerweise konkav zur Gehirnoberfläche, homogen hyperdens (60%) oder hyperdens mit hypodensen Arealen (40%) dar (Abb. 12). Die hypodensen Bereiche repräsentieren entweder noch nicht geronnenes Blut, wenn noch eine aktive Blutung vorliegt, oder eine Ansammlung von Liquor innerhalb des bereits geronnenen Hämatoms, die durch einen Einriß der Arachnoidea entstanden ist (Abb. 13). Auch im Rahmen der Blutgerinnung kommt es in der Frühphase der Clotbildung zu einer Extrusion von Serum, das sich hypodens darstellen kann. Eine bikonvexe Form wird gelegentlich beobachtet. Im Gegensatz zu Epiduralhämatomen wird die Ausbreitung von SDH nicht von Schädelsuturen, sondern von duralen Einfaltungen (Falx, Tentorium) begrenzt. Chronische SDH stellen sich in der CT hypointens, gelegentlich auch isointens dar (Abb. 3). Mehrzeitige Blutungen können zu gemischten Signalintensitäten führen. Eine ausgeprägte Membran-
bildung mit KM-Aufnahme ist möglich. Lange bestehende, unbehandelte chronische SDH können auch partiell verkalken. Isodense Subduralhämatome, besonders wenn sie doppelseitig vorliegen, können bei nur flüchtiger Betrachtung der CT-Aufnahmen leicht übersehen werden (Abb. 2). Mehrere Ursachen können dazu führen, daß subdurale oder auch epidurale Hämatome sich in der CT nicht hyperdens darstellen: ●
●
In der Regel stellen sich Hämatome akut hyperdens dar. Im Rahmen der Hämatomresorption nimmt ihre Dichte dann immer mehr ab, bis sie schließlich nach etwa 4 Wochen hypodens wie Liquor erscheinen. In der zweiten bis dritten Woche wird dabei ein kurzes isodenses Stadium durchlaufen. In der Akutphase nach einem Trauma hängt die Dichte einer Blutung zum einen von der Blutgerinnung und der damit verbundenen Kompaktierung des Clots und zum anderen von der Hämoglobinkonzentration (Hämatokrit) ab. Isodense Hämatome werden sehr selten gesehen bei fehlender Gerinnungsfunktion oder extrem erniedrigtem Hämatokrit. Letzteres wird z.B. gelegentlich beobachtet bei Polytraumen mit sehr großem Blutverlust und präklinischer Der Radiologe 8·98
| 651
Traumatologie
a
b
c
d
Abb.12a–d m Akutes Subduralhämatom bei einem 70jährigen Patienten, der unbekannte Zeit nach einem Treppensturz tief komatös aufgefunden wurde. In der axialen CT dehnt sich das linksseitige Subduralhämatom über die gesamte Hirnkonvexität aus und ist auch auf dem linken Tentorium nachweisbar. Kontusionsareal (c) sowie kleiner subduraler Blutfilm (b) rechts temporopolar. Blutspiegel in der linksseitigen Kieferhöhle sowie Keilbeinhöhle (c). Sekundäre subfalciale Herniation nach rechts. Durch das zusätzliche Hirnödem geht die Mittellinienverlagerung deutlich über das bei dem Subduralhämatom zu erwartende Ausmaß hinaus (b Pfeilspitzen markieren die Vorderhörner der beiden Seitenventrikel). Die Raumforderung hat auch zu einer transtentoriellen Herniation geführt. Der linksseitige Uncus temporalis ist in den Tentoriumsschlitz herniiert, das Mesencephalon dadurch nach contralateral verlagert (c Pfeil markiert die Grenze zwischen Mesenzephalon und Uncus). Zum Zeitpunkt der Untersuchung war die linke Pupille bereits weit und lichtstarr (Kompression des N. oculomotorius durch den Uncus). Sekundäre Infarkte durch Kompression der A. cerebri anterior unter der Falx (a gebogener Pfeil) sowie der A. cerebri posterior (b,c,d gebogener Pfeil) demarkieren sich bereits
652 |
Der Radiologe 8·98
Substitution mit entsprechend großen Flüssigkeitsmengen. Nicht selten ist die Arachnoidea unter einem SDH eingerissen. Dadurch kommt es zu einer Vermischung von Liquor und Blut und die Dichte des Hämatoms nimmt ab. In der Regel wird man isodense extraaxiale Hämatome nicht übersehen, wenn man immer die Hirnfurchenzeichnung nach lateral bis zur Tabula interna der Schädelkalotte verfolgt. Verdächtig ist
13a
b
14a
b
Abb.13a,b m Atypisches akutes Subduralhämatom bei einer 54jährigen Patientin, die nach einem Treppensturz komatös aufgefunden wurde. Kalottenfraktur rechts temporoparietal (axiale CT, Knochenfenster nicht abgebildet, beachte die Weichteilschwellung über der coup-Seite). Akutes Subduralhämatom links. Ausgedehnte traumatische Subarachnoidalblutung mit Blut in der linksseitigen Cisterna ambiens (a Pfeil). Das (operativ bestätigte) Subduralhämatom ist sowohl in seiner Form (bikonvex) als auch im Dichteverhalten (Spiegelbildung, nur gering hyperdens) atypisch. Als Ursache kommt in erster Linie eine Verletzung der Arachnoidea in Frage, durch die das Hämatom stark mit Liquor verdünnt wurde Abb.14a,b m Kopfschußverletzung (axiale CT, a Weichteilfenster, b Knochenfenster): Eintritt des Projektils frontal. Lufteinschlüsse, Einblutungen und eingesprengte Fremdkörper bzw. Knochenfragmente im Schußkanal, Pneumozephalus, Hämatohydrozephalus. Die Spitze des Projektils ist an der Innenseite der Kalotte links okzipital abgrenzbar und hat noch eine nicht-dislozierte Fraktur verursacht
ebenfalls eine ein- oder beidseitige Verlagerung der Vorderhornspitzen der Seitenventrikel nach dorsal (Hasenohrenphänomen). Bei zweifelhaftem Befund kann man entweder in der CT noch eine kontrastverstärkte Untersuchung anschließen, wobei ein Hämatom im Gegensatz zum Hirngewebe keinen Dichteanstieg zeigt, oder alternativ eine MRTUntersuchung durchführen. Die Signaleigenschaften intrazerebraler Hämatome in der MRT sind in Der Radiologe 8·98
| 653
Traumatologie Tabelle 1 zusammengefasst. Wie im entsprechenden Abschnitt näher ausgeführt, sind in erster Linie das Alter der Blutung und, damit verbunden, der Zustand des Hämoglobins und seiner Abbauprodukte ausschlaggebend. Entsprechendes gilt auch für extraaxiale, d.h. subdurale und epidurale Hämatome (Abb. 5, 10).Allerdings gibt es eine Reihe von Faktoren, die den zeitlichen Ablauf der Signalveränderungen von Fall zu Fall erheblich beeinflussen können: ●
●
●
Der Anstieg der Deoxyhämoglobinkonzentration ist bei extraaxialen Hämatomen nicht so ausgeprägt (u.a. durch erhöhten Sauerstoffpartialdruck im extraaxialen Kompartiment und erschwerte Clotbildung). Arterielles Blut hat einen niedrigeren Deoxyhämoglobingehalt (5%) als venöses Blut (40%). Daher wird in arteriellen Hämatomen erst später ein hoher Deoxyhämoglobingehalt erreicht. Dafür verläuft in arteriellen Hämatomen aufgrund des höheren Sauerstoffpartialdrucks im Hämatom die Umwandlung von Deoxyhämoglobin in Methämoglobin schneller als in venösen Hämatomen. Kleine Hämatome haben im Verhältnis zu ihrem Volumen eine größere Oberfläche. Mit der Größe eines Hämatoms ändern sich daher die Geschwindigkeit von Clotbildung und
●
●
-retraktion und die Bildung von Deoxyhämoglobin und Methämoglobin. Eine Verdünnung des Blutes durch Liquor, etwa durch gleichzeitigen Einriss der Arachnoidea, vermindert die Konzentration paramagnetischer Stoffe und damit die Ausprägung der Signalveränderungen. Mehrzeitige Blutungen können heterogene Signale verursachen (helle und dunkle Areale nebeneinander).
Da akute extraaxiale Hämatome am sichersten und schnellsten mittels CT diagnostiziert und dann unverzüglich operativ entlastet werden, liegen systematische Untersuchungen zu ihrem Signalverhalten in der MRT in den verschiedenen Stadien nicht vor. Aus Einzelfällen gewonnene Befunde bestätigen aber die in Tabelle 1 zusammengefaßten Gesetzmäßigkeiten. Durch die Unterdrückung des Liquorsignals können FLAIR-Sequenzen den Nachweis kleiner extraaxialer Hämatome erleichtern [2]. Von chronischen extraaxialen Hämatomen sind einige Besonderheiten in der MRT bekannt: Durch die ständige Verdünnung mit Liquor ist der Proteingehalt niedriger als bei intrazerebralen Hämatomen. Daher stellen sie sich in der T1w nicht hyperintens, sondern iso- oder sogar leicht hypointens dar. Die Signalsteigerung in der T2w ist weniger ausgeprägt als im Zentrum von
intrazerebralen Hämatomen oder bei subakuten SDH. Ferritin- und Hämosiderinablagerungen können in einem extraaxialen Hämatom aufgrund der fehlenden Blut-Hirn-Schranke von Makrophagen abgeräumt werden. Lediglich an Septen im Hämatom kommt es zu entsprechenden Ablagerungen. Starke Suszeptibilitätsartefakte sind daher nicht im Hämatom oder seinen Rändern, sondern höchstens an den im Hämatom vorhandenen Septen nachweisbar.
Subdurale Hygrome Subdurale Flüssigkeitsansammlungen, die sich in der Bildgebung ähnlich wie Liquor verhalten, werden als Hygrome bezeichnet. Sie entstehen entweder im Moment des Traumas durch einen Einriß der Arachnoida, durch den Liquor in den Subduralraum eintreten kann, oder im Rahmen der Resorption eines Subduralhämatoms. Gelegentlich kann es schwierig sein, subdurale Hygrome abzugrenzen von einer Erweiterung der Subarachnoidalräume, wie sie bei einer kortikalen Atrophie auftritt. Kann man in der MRT kortikale Venen identifizieren, die auf ihrem Weg zum Sinus den flüssigkeitsgefüllten extrazerebralen Raum durchqueren, spricht das dafür, daß es sich nicht um ein Hygrom, sondern um Atrophie handelt.
Traumatische Subarachnoidalblutungen Tabelle 1 Nachweis intrazerebraler Hämatome in der MRT. Die beschriebenen Signalcharakteristika gelten für Untersuchungen bei 1,5 T. Bei geringeren Feldstärken sind die zu erwartenden paramagnetischen Effekte u.U. deutlich schwächer. Die Geschwindigkeit, in der die einzelnen Stadien durchlaufen werden, kann von Fall zu Fall erheblich variieren. T1w/T2w, T1- bzw.T2-gewichtete Spin-Echo-Sequenzen; GRE, Gradienten-Echo-Sequenzen (T2*-gewichtet)
654 |
Stadium des Hämatoms
Zeitpunkt
T1w
T2w
GRE
Hyperakut
<6 h
Hyperintens
Hypointens
Akut
6 h–3 d
Hypointens
Subakut: früh
3 d–7 d
Stark [hypointens] Stark [hypointens]
Subakut: spät
7 d–Monate
Hypointens bis isointens Isointens [bis hypointens] Hyperintens, evtl. hypointenses Zentrum Hyperintens
Chronisch
Monate–Jahre
Hypointens
Der Radiologe 8·98
Hypointens
Hyperintens, Hypointens oft mit hypointensem Randsaum Hypointens Hypointens
Traumatische Subarachnoidalblutungen (SAB) sind bei mittelschweren oder schweren Schädel-Hirn-Traumen ein häufiger Befund. Oft treten sie zusammen mit Hirnkontusionen oder Schertraumen auf. Seltener sind sie die Folge isolierter Gefäßverletzungen. Patienten mit traumatischer SAB haben eine signifikant schlechtere Prognose als gleich schwer Verletzte ohne SAB. In der Bildgebung besteht kein Unterschied zwischen einer aneurysmatisch bedingten oder einer traumatischen SAB. Der Nachweis erfolgt initial am sichersten mittels CT (Abb. 2, 13). In den letzten Jahren wurde gezeigt, daß der frühe Nachweis von aneurysmatisch bedingten SAB in der MRT mittels FLAIR-Sequenzen möglich ist. Entsprechende Studien an Patienten mit einer traumatischen SAB sind uns nicht be-
15
16
Abb.15 m Hirnkontusion links frontal: Beachte die Progression des Befundes 2 bzw. 7 h nach Trauma. Axiale CT (etwas unterschiedliche Kippung) Abb.16 m Hämorrhagische Scherverletzung bei einer 21jährigen Patientin 3 h nach einem Reitunfall. Die Patientin war initial sofort tief komatös. In der axialen CT ist rechts okzipital eine 8 mm durchmessende hämorrhagische Läsion nachweisbar. Die Sulcuszeichnung ist verstrichen
kannt. In der subakuten Phase ist der Nachweis einer SAB in der MRT noch sicher möglich (hyperintenses Signal in der FLAIR), während die CT oft schon wieder unauffällig ist. In Zweifelsfällen, in denen anamnestisch nicht zu klären ist, ob das Trauma im Rahmen einer primären SAB eingetreten ist, oder die SAB Folge des Traumas ist, muß eine zerebrale Angiographie zum Ausschluß eines Aneurysmas angeschlossen werden.
Intraventrikuläre Blutungen Intraventrikuläre Blutungen treten bei 1–5% aller geschlossenen SchädelHirn-Traumen auf [9] (Abb. 14). Das Blut kann dabei auf 3 Arten in den Ventrikel gelangen: Intrazerebrale Blutungen können, wenn sie an Größe zunehmen und in der Nähe der Ventrikel liegen, die dünne Ependymschicht, die die Ventrikel auskleidet, beschädigen und in den Ventrikel einbrechen. Wenn im Rahmen des Traumas die auf den Kopf einwirkenden Kräfte stark genug sind, sind auch Hirnlazerationen mit direkter Zerreißung der subependymalen Venen möglich.Auf diesem Weg kommt es bei 60% aller Patienten, die ein Schertrauma des Corpus callosum erleiden, auch zu einer Ventrikelblutung [4]. Schließlich können traumatische
Subarachnoidalblutungen retrograd über die Apertura mediana und die Aperturae laterales den 4. Ventrikel erreichen. Ventrikelblutungen können zu einer Ventrikeltamponade mit konsekutivem akuten Verschlußhydrozephalus führen. In Rückenlage des Patienten sedimentieren die korpuskulären Blutbestandteile. Wenn das Blut in den Ventrikeln durch Liquor stark verdünnt wurde, sind daher winzige Blutspiegel in den Hinterhörnern der Seitenventrikel unter Umständen der einzige Hinweis auf eine intraventrikuläre Blutung.
Hirnkontusionen Nach den Scherverletzungen sind Hirnkontusionen, die auch als Rindenprellungsherde bezeichnet werden, die zweithäufigste primäre intraaxiale Traumafolge. Sie sind häufig assoziiert mit anderen Verletzungen (Schertraumen, extraaxiale Hämatome). Histologisch handelt es sich um Schäden der grauen Substanz, die zu fokalen Nekrosen, petechialen Einblutungen und perifokalem Ödem führen. Das Hirnparenchym wird entweder durch direkte Druckeinwirkung geschädigt, z.B. durch die Fragmente einer Impressionsfraktur, oder im Rahmen eines Akzelerations-/ Dezelerationstraumas. Wird der un-
bewegte Kopf von einer breitflächig einwirkenden Kraft getroffen (z.B. Kopftreffer beim Boxen) oder aus einer Bewegung abrupt abgebremst (z.B. Aufprall auf das Armaturenbrett beim PKW-Unfall), kommt es aufgrund der Massenträgheit zu relativen Bewegungen zwischen knöchernem Schädel und Gehirn. Quetschungen der empfindlichen Hirnrinde entstehen, wenn diese dabei gegen Unebenheiten der Schädelinnenfläche, gegen die Falx cerebri oder das Tentorium gepresst wird. Besonders gefährdet sind der Kortex im Bereich von Frontobasis und Temporalpol, da hier die Innenseite der Kalotte besonders zerklüftet ist, sowie das dorsolaterale Mittelhirn (Tentoriumsschlitz). Kontusionen können sowohl am Ort der Stoßeinwirkung („coup“) als auch an der gegenüberliegenden Stelle („contrecoup“) auftreten. In der CT stellen sich Rindenprellungsherde als fleckige, gemischt hyper-/hypodense Läsionen dar, entsprechend Arealen mit nekrotischem Hirngewebe, fokalen Einblutungen und perifokalem Ödem (Abb. 12). In den benachbarten Sulci findet sich häufig eine traumatische Subarachnoidalblutung. Initial können die Einblutungen noch fehlen, und es zeigen sich lediglich Areale mit verminderter Dichte, evtl. auch mit lokalen oder diffusen Raumforderungszeichen (Verengung von Hirnfurchen und Zisternen,Ventrikelkompression, Mittellinienverlagerung). Bis die Verletzungsfolgen sich in ihrem vollen Ausmaß demarkieren, können 24 h vergehen. Das initiale CT Der Radiologe 8·98
| 655
Traumatologie ist nicht selten sogar nahezu unauffällig. Bei entsprechendem Verdacht ist daher eine Kontrolluntersuchung erforderlich (Abb. 15). Der Nachweis kleinerer Kontusionsareale kann in der CT durch Partialvolumenartefakte erschwert sein. Dies gilt besonders für die Rindenabschnitte direkt unter der Schädeldecke und im Bereich von Frontobasis und Temporalpol. Die MRT ist der CT in diesem Punkt eindeutig überlegen (Abb. 4, 5). Allerdings kann der Nachweis in einem sehr frühen Stadium schwierig sein. Am sensitivsten sind dafür Gradienten-Echo-Sequenzen (zu den Signalcharakteristika der Einblutungen vgl. Tabelle 1). Durch die Nekroseareale und das perifokale Ödem stellen sich Rindenprellungsherde in der MRT mit gemischten Signalintensitäten dar. Untersucht man Kontusionen im subakuten Stadium, sind mit der MRT bis zu 40% mehr Herde nachweisbar als mit der CT [11]. Mit FLAIRSequenzen oder Diffusionstechnik läßt sich die Sensitivität in der MRT noch weiter steigern [1, 2].
Scherverletzungen („diffuse axonal injury“) Am häufigsten führen Schädel-HirnTraumen zu Verletzungen der als weiße Substanz bezeichneten Nervenfasern (50% aller intraaxialen primären Traumafolgen) [9]. Die Ursache sind Akzelerations-/Dezelerationstraumen mit gleichzeitiger rotatorischer Komponente. Dabei werden die Nervenfasern überdehnt oder reißen sogar völlig ab, die Funktionsstörungen können dementsprechend reversibel oder irreversibel sein. Diese Verletzungen werden im englischen Sprachraum als „diffuse axonal injury“ bezeichnet, bei uns hat sich der Begriff Scherverletzungen durchgesetzt. Bei einer schweren Scherverletzung ist der Patient sofort tief komatös und bleibt, da die axonalen Abrisse irreversibel sind, schließlich apallisch. Scherverletzungen sind die wichtigste Ursache für die schlechte Prognose von Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma. Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt. Zellen, die irreversibel geschädigt wurden, gehen schließlich unter dem Bild der WallerDegeneration zugrunde. Wenn mit den Nervenfasern auch die perineuralen Blutgefäße zerrissen werden, kommt es
656 |
Der Radiologe 8·98
zu multiplen petechialen Einblutungen. Man unterscheidet dementsprechend hämorrhagische von nichthämorrhagischen Scherverletzungen. Letztlich ist die zuverlässige Diagnose der Scherverletzung aber nur histologisch möglich. Die Schädigung durchsetzt in der Regel diffus die weiße Substanz. Ein großer Teil der durch Scherverletzungen verursachten Läsionen ist mit den heutigen Methoden der Bildgebung nicht darstellbar. Scherverletzungen entstehen bevorzugt dort, wo Gewebe unterschiedlicher Konsistenz und Festigkeit eng beieinander liegen. Am häufigsten finden sie sich an der subkortikalen MarkRinden-Grenze, bevorzugt frontotemporal. Mit zunehmender Stärke des Traumas ist auch das Corpus callosum betroffen, am häufigsten im Bereich des Spleniums. Bei Scherverletzungen schwerster Ausprägung finden sich zusätzlich Läsionen im oberen Hirnstamm. Weitere mögliche Lokalisationen sind Basalganglien und Capsula interna. Die genannte zentripetale Reihenfolge ist charakteristisch und wird praktisch immer eingehalten. Wenn daher bei einer vermuteten Hirnstammscherverletzung nicht gleichzeitig Läsionen im subkortikalen Marklager nachweisbar sind, muß die Diagnose bezweifelt werden. Der Nachweis in der CT ist schwierig. Häufig bleiben die Untersuchungen ohne pathologischen Befund. Eventuell zeigen sich multiple kleine Einblutungen an den genannten typischen Stellen (Abb. 16). Nichthämorrhagische Scherverletzungen sind mit der CT praktisch nicht nachweisbar. Die MRT hat eine deutlich höhere Sensitivität zum Nachweis von Scherverletzungen. Man muß jedoch vermuten, daß auch hier die meisten Läsionen für uns unsichtbar bleiben. Sowohl hämorrhagische als auch nichthämorrhagische Läsionen stellen sich in der T2w hyperintens dar und können gelegentlich eine in Längsrichtung der Nervenfasern gelegene ovale oder elliptische Form zeigen. Zum Nachweis der petechialen Hämorrhagien sind Gradienten-Echo-Sequenzen am sensitivsten, während die T1-gewichteten Sequenzen in der Regel unauffällig bleiben. Die Läsionen sind am besten im subakuten Stadium nachweisbar. In der Frühphase nach Trauma zeigen diffusionsgewichtete Sequenzen
kleine ödematöse Areale am sensitivsten [1]. Zum Nachweis von Läsionen in Fornix oder Corpus callosum sind FLAIR-Sequenzen den Spin-Echo-Sequenzen überlegen [2].
Intrazerebrale Hämatome Intrazerebrale Hämatome entstehen nach einem Schädel-Hirn-Trauma entweder durch direkte Hirnlazerationen mit Zerreißung von Hirngefäßen oder durch sekundäre Einblutung in nekrotische Kontusionsareale, wobei letztere gelegentlich Blut-/Flüssigkeitsspiegel zeigen (Abb. 11). Findet sich direkt nach einem Trauma ein intrazerebrales Hämatom mit einem Blut-/Flüssigkeitsspiegel, muß der Verdacht auf eine Gerinnungsstörung geäußert werden. Allein aufgrund der Bildgebung können traumatische Hirnblutungen nicht von intrazerebralen Spontanblutungen unterschieden werden. Dies muß bei unklarer Anamnese differentialdiagnostisch berücksichtigt werden. Am Beispiel der intrazerebralen Hämatome sollen nachfolgend der Blutungsnachweis in der MRT und die zugrundeliegenden biochemischen Vorgänge kurz besprochen werden. Die Signalcharakteristika intrazerebraler Hämatome in der MRT, die in erster Linie vom Hämoglobin und seinen Abbauprodukten bestimmt werden, sind in Tabelle 1 zusammengefaßt. Die beschriebenen Stadien werden in der Regel auch von Hämatomen anderer Lokalisation durchlaufen. Ausprägung der Signalveränderungen und Zeitdauer der einzelnen Stadien können dabei im Einzelfall aber erheblich schwanken. Direkt nach der Eintritt der Blutung (hyperakutes Stadium) liegt das Hämoglobin noch als Oxyhämoglobin vor. Der Anteil an Deoxyhämoglobin im Clot beträgt initial je nach Ursache der Blutung zwischen 5% (arterielle Blutung) und 40% (venöse Blutung) und nimmt erst langsam zu. Oxyhämoglobin ist diamagnetisch und erzeugt deshalb keine Suszeptibilitätsartefakte. Das Hämatom verhält sich somit initial in der Bildgebung wie jede andere Flüssigkeitsansammlung (T1w hypointens, T2w hyperintens). Mit der sofort einsetzenden Gerinnung und nachfolgenden Retraktion des Clots nimmt die lokale Proteinkonzentration zu. Dies führt zu einer T1-Verkürzung (T1w isointens).
Im weiteren Verlauf verlieren die Hämoglobinmoleküle allmählich ihre Sauerstoffatome. Es entsteht Deoxyhämoglobin, das ausgeprägte paramagnetische Eigenschaften hat. Die davon hervorgerufenen Suszeptibilitätsartefakte wirken sich vor allem auf T2-gewichteten Sequenzen aus. Sie sind umso ausgeprägter, je höher die Feldstärke des MRT-Gerätes ist und je länger man TE wählt. Besonders stark zeigen sie sich in Gradienten-Echo-Sequenzen. Etwa ab der 6. Stunde nach Eintritt der Blutung (akutes Stadium, volle Ausprägung ab 24. Stunde) sind die Suszeptibilitätsartefakte deutlich sichtbar (T1w isointens, T2w hypointens). Mit Gradienten-Echo-Sequenzen kann man die Suszeptibilitätsartefakte bereits einige Stunden früher zeigen und auch sehr kleine Blutungsareale lassen sich nachweisen. Etwa ab dem 3. Tag (frühes subakutes Stadium) ist ein großer Teil der Deoxyhämoglobinmoleküle zu Methämoglobin oxidiert worden. Dieser Prozeß beginnt am äußeren Rand des Hämatoms. Damit verbunden ist eine entscheidende Veränderung der Tertiärstruktur der Moleküle. Die Lage der Fe3+-Atome wird so verändert, daß die Wassermoleküle der Umgebung sich ihnen nun annähern und Dipol-DipolWechselwirkungen eingehen können. Methämoglobin erzeugt wie Deoxyhämoglobin starke, in T2-gewichteten Sequenzen sichtbare Suszeptibilitätsartefakte. Die Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, die ebenfalls Suszeptibilitätsartefakte hervorrufen, bewirken aber vor allem eine zusätzliche deutliche T1-Verkürzung (T1w hyperintens, T2w hypointens). Nach einer Woche (spätes subakutes Stadium) setzt die Lyse der Erythrozyten ein. Die Konzentration des nun extrazellulären Methämoglobins nimmt sowohl durch Verdünnung wie auch durch Abspaltung der Häm-Einheit vom Gesamtprotein ab. Auch die absolute Proteinkonzentration im Hämatom ist rückläufig. Das Häm-Molekül bewirkt genauso wie Methämoglobin durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen eine starke T1-Verkürzung, löst aber so gut wie keine in T2-gewichteten Sequenzen sichtbaren Suszeptibilitätsartefakte aus. Am Rand des Hämatoms speichern die Makrophagen eisenhaltige, sogenannte „superparamagnetische“
Hämosiderin- und Ferritin-Moleküle, die äußerst starke Suszeptibilitätsartefakte hervorrufen. (T1w hyperintens, T2w hyperintens mit stark hypointensem Randsaum). Nach Monaten (chronisches Stadium) ist das Hämatom nahezu vollständig resorbiert. Nur die „superparamagnetischen“ Hämosiderin- und FerritinMoleküle können das Hirnparenchym aufgrund der wieder intakten Blut-HirnSchranke nicht verlassen (T1w hypointens, T2w hypointens).
Primäre vaskuläre Läsionen Traumatische Gefäßdissektionen durch penetrierende Verletzungen (z.B. Messerstich) sind selten. Die A. vertebralis ist bei HWS-Frakturen gefährdet, der intrakranielle Anteil der A. carotis interna bei Schädelbasisfrakturen. Die überwiegende Zahl der Dissekate entsteht jedoch bei eher leichteren Verletzungen wie Hyperextensionstraumen der HWS oder chiropraktischen Manipulationen, die häufig neurologische Symptome erst mit einer Latenz von Tagen bis Wochen verursachen. Dissektionen intrakranieller Arterien sind an den ausgeprägten Lumeneinengungen oder -verschlüssen zu erkennen. Lokale oder zentrale neurologische Symptome sind wegweisend: Häufig ist bei Karotisdissekaten ein ipsilaterales Horner-Syndrom zu beobachten, bei Vertebralisdissekaten ein Wallenberg-Syndrom unterschiedlicher Ausprägung. Das irreguläre Gefäßlumen kann sowohl mit DSA, CTA oder MRA dargestellt werden. Die MRT zeigt darüberhinaus das Hämatom in der Gefäßwand und ist in der Mehrzahl der Fälle Methode der Wahl. Sequenzen mit Fettsuppression sind hierbei hilfreich. Bei klinisch schwer zu beurteilenden Patienten weist mitunter nur das CCT mit frühen Hirninfarktzeichen auf die Gefäßbegleitverletzung hin. Traumatische Aneurysmen (dissezierende Aneurysmen oder Pseudoaneurysmen) entstehen bevorzugt an der extrakraniellen A. carotis interna und können erst Tage bis Wochen nach dem Trauma zu thromboembolischen Komplikationen führen. Bei Kalottenfrakturen kann sich als Rarität ein Pseudoaneurysma der A. meningea media entwickeln.
Eine Verletzung der A. carotis interna in ihrem cavernösen Abschnitt führt zu einer direkten traumatischen AV-Fistel zwischen der A. carotis und dem Sinus cavernosus (CCF). Bei rechtzeitigem Nachweis in der DSA ist die CCF endovaskulär durch Ballon- oder Coilverschluß gut behandelbar. Auch bei Kalottenfrakturen ist bei gleichzeitiger Verletzung der benachbarten A. und V. meningea media als Rarität die Entstehung von arteriovenösen Fisteln möglich.
Sekundäre Traumafolgen Die oben beschriebenen primären Läsionen ziehen oft wiederum typische sekundäre Traumafolgen nach sich. Dazu zählen fokale oder generalisierte Hirnödeme, Herniationssyndrome, sekundäre Hirninfarkte oder Einblutungen sowie Infektionen. Auch systemische Komplikationen wie Blutdruckabfall oder Hypoxie können die Ursache von Sekundärschäden sein. Häufig führen die sekundären Traumafolgen zu schwereren Schäden als die primären.
Hirnödeme Fokale Ödeme umgeben häufig Kontusionsherde, Scherverletzungen oder Ischämieareale (Abb. 4). Eine generalisierte Hirnschwellung tritt bei etwa 10–20% aller schweren Schädel-HirnTraumen auf. Wenn sie zum Anstieg des intrakraniellen Drucks (ICP) führt, steigt die Mortalität auf bis zu 50% [9]. Ein generalisiertes Hirnödem kann auch ohne sichtbare intrakranielle Verletzung entstehen, z.B. als Folge einer im Rahmen des Unfalls aufgetretenen zerebralen Hypoxie. In der Frühphase führt ein Hirnödem in der Bildgebung zu einer Schwellung der Gyri. Die Sulci sind verstrichen, und die Rinden-Mark-Grenze ist nicht mehr abgrenzbar (Abb. 16). In der Spätphase kommt es zu einer diffusen Dichteminderung des Hirngewebes. Die Seitenventrikel sind schmal und die subarachnoidalen Zisternen eng. Die diffuse Hypodensität des Hirngewebes kann dem Betrachter fälschlicherweise eine erhöhte Dichte von Falx, Tentorium oder Hirnarterien vortäuschen und darf nicht mit Zeichen einer Subarachnoidalblutung verwechselt werden. Bei bihemisphäralem Der Radiologe 8·98
| 657
Traumatologie Ödem kann auch die gesamte hintere Schädelgrube hyperdens erscheinen.
Herniationssyndrome Falx und Tentorium unterteilen den Schädelinhalt im wesentlichen in ein infratentorielles und die beiden supratentoriellen Kompartimente. Eine Raumforderung (z.B. Epiduralhämatom) führt zunächst lokal zu einem Verstreichen der Sulci und einem fokalen Hirnödem. Nehmen Raumforderung oder sekundäres Hirnödem weiter zu, kommt es zur Herniation von Hirngewebe und Blutgefäßen in ein oder beide benachbarten Kompartimente. Am häufigsten ist die subfalxiale Herniation. Durch eine supratentorielle unilaterale Raumforderung werden Hirngewebe und Blutgefäße unter der Falx zur Gegenseite geschoben. In der Bildgebung sieht man die Mittellinienverlagerung (Abb. 12b). Der ipsilaterale Seitenventrikel ist eng, kontralateral kann er durch eine Blockade des Foramen Monroi erweitert sein. Ebenfalls häufig findet man die transtentorielle Herniation nach kaudal. Sie kann durch eine beidseitige supratentorielle Raumforderung verursacht sein, oder bei einer unilateralen Raumforderung mit einer subfalxialen Herniation kombiniert sein. Zunächst werden Gyrus parahippocampalis und Uncus ein- oder beidseitig nach caudal in den Tentoriumsschlitz gepreßt (Abb. 12c). In der Bildgebung erscheinen die suprasellären und perimesencephalen Zisternen verschmälert. Wenn gleichzeitig eine subfalxiale Herniation vorliegt, kann die ipsilaterale Kleinhirnbrückenwinkelzisterne initial erweitert sein. Über eine Kompression des N. oculomotorius kommt es zur bekannten Pupillenerweiterung.Schließlich ist die supraselläre Zisterne komplett durch Hirngewebe komprimiert und Mesencephalon und Pons werden nach kaudal verlagert. Am besten ist dies natürlich bei sagittaler Schichtführung in der MRT darstellbar. Eine letale Erhöhung des intrakraniellen Druckes (Hirntod) führt immer zu einer schweren transtentoriellen Herniation. Seltener führt eine Raumforderung in der hinteren Schädelgrube zur transtentoriellen Herniation nach rostral.
658 |
Der Radiologe 8·98
Dabei werden Kleinhirnwurm und -hemisphären nach rostral in den Tentoriumsschlitz verlagert. Die Cisterna ambiens wird komprimiert. Durch Kompression des Aquädukts kann ein akuter Hydrozephalus entstehen. Eine tonsilläre Herniation findet sich bei etwa der Hälfte der Patienten mit transtentorieller kaudaler und bei 2/3 der Patienten mit transtentorieller rostraler Herniation. Die Kleinhirntonsillen werden nach kaudal in das Foramen magnum verlagert. Die Cisterna magna ist ausgepreßt.
Sekundäre vaskuläre Läsionen Zu sekundären Hirninfarkten oder Hämorrhagien kommt es am häufigsten infolge von Herniationssyndromen: Bei der transfalxialen Herniation werden häufig Äste der A. cerebri anterior gegen die Falx gepreßt mit der Folge sekundärer ischämischer Infarkte (Abb. 12a). Eine transtentorielle Herniation nach kaudal führt bevorzugt zu okzipitalen Infarkten, weil die A. cerebri posterior am Tentoriumsrand eingeklemmt wird (Abb. 12b,c,d). Infarkte der Basalganglien entstehen, wenn die perforierenden Stammganglienarterien gegen die Schädelbasis gepreßt werden. Wenn der Hirnstamm nach kaudal verlagert wird, werden die Aa. thalamoperforatae aus dem P1-Segment der A. communicans posterior und die paramedianen pontinen Arterien komprimiert. Dadurch kommt es zu zentral gelegenen Ischämien und/oder Einblutungen in Thalamus, Mesencephalon und Pons (Duret-Blutung). Eine Abgrenzung von primären Hirnstammkontusionen ist möglich, da Kontusionen in der Regel dorsolateral gelegen sind. Bei kombinierter subfalxialer und transtentorieller Herniation kann eine Druckschädigung mit Infarzierung oder Einblutung des kontralateralen Pedunculus cerebri entstehen, wenn dieser gegen den Tentoriumsrand gepreßt wird (Kernohan-Läsion). Eine sichere Abgrenzung gegen eine primäre Kontusion ist nicht immer möglich. Sekundäre Hirninfarkte können auch durch Embolien (Gefäßdissektion, Fett, Luft) oder Venenthrombosen verursacht werden. Grenzzoneninfarkte entstehen in der Regel im Rahmen von Blutdruckabfällen.
Infektionen Außer bei immunsupprimierten Patienten ist eine intrakranielle Infektion in der Regel Folge einer Duraverletzung (offenes SHT). Offene SHT sind zwar häufig an kleinen intrakraniellen Lufteinschlüssen erkennbar, v.a. kleinere Frakturen von Keilbein oder Lamina cribrosa mit Duraverletzung entgehen aber nicht selten der Diagnostik. Offene Impressionsfrakturen haben ein Infektionsrisiko von bis zu 10% [6, 10]. Mögliche Komplikationen sind Meningitis/Enzephalitis, Ventrikulitis, subdurales Empyem, Osteomylitis und Abszesse. Rezidivierende Meningitiden sind oft der erste Hinweis auf eine persistierende traumatische Liquorfistel. Posttraumatische Abszesse können auch noch Jahre nach dem Trauma auftreten.
Literatur 1. Alsop DC, Murai H, Detre JA, McIntosh TK, Smith DH (1996) Detection of acute pathologic changes following experimental traumatic brain injury using diffusionweighted magnetic resonance imaging. J Neurotrauma 13:515–521 2. Ashikaga R, Araki Y, Ishida O (1997) MRI of head injury using FLAIR. Neuroradiology 39:239–242 3. Gean AD (1994) Imaging of head trauma. Raven, New York, S 114 4. Gentry LR,Thompson B, Godersky JC (1988) Trauma to the corpus callosum: MR features. AJNR 9:1129–1138 5. Hasso AN, Ledington JA (1988) Traumatic injuries of the temporal bone. Otolaryngol Clin North Am 21:295–316 6. Jennett B, Miller JD (1972) Infection after depressed fracture of skull. Implications for management of non-missile injuries. J Neurosurg 36:333–339 7. Link TM, Schuierer G, Hufendiek A, Horch C, Peters PE (1995) Substantial head trauma: value of routine CT examination of the cervicocranium. Radiology 196:741–745 8. Masters SJ (1980) Evaluation of head trauma: efficacy of skull films. Am J Roentgenol 135:539–547 9. Osborn AG,Tong KA (1996) Handbook of neuroradiology: brain and skull. Mosby, St.Louis, p 189 10. Sande GM, Galbraith SL, McLatchie G (1980) Infection after depressed fracture in the west of Scotland. Scott Med J 25:227 11. Sartor K (1996) Neuroradiologie. Thieme, Stuttgart New York, S 55