Publizistik (2015) 60:83–111 DOI 10.1007/s11616-014-0220-6 Buchbesprechung
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Online publiziert: 10. Januar 2015 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
Berdjas, Samad: Zur Ökonomie von Online-Nachrichten. Privatwirtschaftliche Strategien, öffentlich finanzierte Angebote und soziale Produktion. – Berlin und Münster: Lit 2014 (= Reihe: Medienwirtschaft; Bd. 5). 264 Seiten. Preis: € 34,90. Christian Nuernbergk Die Dissertation von Samad Berdjas behandelt ein hochrelevantes Thema: Es geht um ökonomische Strategien im Internetjournalismus und um die Analyse der Vermarktbarkeit von Nachrichten vor dem Hintergrund des gewandelten medialen Umfelds im Internet. Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die berechtigte Erkenntnis, dass es kaum integrative Betrachtungen des Forschungsfeldes aus einer medienökonomischen Perspektive gibt. Berdjas findet hier ein „zersplitterte(s) Feld“ vor, in dem vor allem die Nachrichtenbranche gegenüber den Bereichen Kommunikation, Musik und Film eine marginale Position einnimmt (S. 13). Diese Lücke versucht der Autor zu schließen, indem er eine systematische Analyse bisheriger Ergebnisse anstrebt und dabei die unterschiedlichen Logiken aufarbeitet, die die Nachrichtenproduktion im Internet charakterisieren. Daraus ergibt sich eine vertiefende Analyse der privatwirtschaftlichen, öffentlichen und „sozialen Bewirtschaftung“ (S. 13). Mit letzterer ist die kollaborative, netzspezifische Produktion von Nachrichten gemeint. Die Arbeit kommt ohne eigene Empirie aus; stattdessen wird mithilfe der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik die bisherige Literatur geordnet und dimensioniert. Dabei ist der Autor bemüht, seine recht rigide Eingrenzung auf englischsprachige internationale Fachzeitschriften zu rechtfertigen. Anhand bestimmter Stichworte wurden zwei Datenbanken durchsucht, 178 Aufsätze erfasst und diese bereits nach Sichtung von Einleitung und Schluss auf 106 relevante Beiträge reduziert. Aus den verbliebenen Aufsätzen, die wiederum ganz unterschiedliche Felder bearbeiten, wird schließlich ein medienökonomisches Destillat analysiert. Die Untersuchung beschränkt sich auf den Zeitraum 2000 bis Anfang 2011. Nur rund ein Zehntel der
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berücksichtigen Studien ist auf den deutschen Sprachraum bezogen. Zusammengefasst basiert ein Großteil der systematischen Analyse auf frühen Studien zum Internetjournalismus, die auf englischsprachige Regionen fokussiert sind. Die Ergebnisse der Einzelstudien werden zunächst eher referierend wiedergegeben und im Anschluss zu vier zentralen Feldern gebündelt. Durch Mediensysteme bedingte Unterschiede werden bei der Analyse der internationalen Literatur weitgehend ausgeblendet. Kritisch muss auch gefragt werden, warum die erst im Jahr 2013 abgeschlossene Arbeit nicht zumindest punktuell aktuellere Literatur verarbeiten konnte. Entwicklungen im Feld des Crowdfundings werden beispielsweise nicht behandelt. Die Debatte um Bezahlmodelle bleibt bei den frühen gescheiterten Versuchen stehen, die treibende Entwicklungen im App- und Mobilbereich noch nicht einbeziehen. Dies ist der vergleichsweise strikten Auswahl geschuldet. Insgesamt hätte die Arbeit eine ausführlichere Diskussion und Einordnung der Studienbefunde verdient. So wären Rückbezüge zu eng verwandter Literatur (z. B. zur Markt- und Publikumsforschung) wünschenswert. Die Grundlagenfelder und -probleme werden zwar sichtbar, aber es fehlt die Erarbeitung einer modellhaften Übersicht relevanter Strategien. Dem Überblick nicht gerade förderlich ist auch das Inhaltsverzeichnis: Es weist lediglich zwei Gliederungsebenen aus, obwohl in der Arbeit häufig bis zu drei oder vier Ebenen vorkommen. Inhaltlich spart Berdjas nicht mit Kritik an bisherigen Ansätzen: Das Produsage-Konzept von Bruns erfährt beispielsweise den Vorwurf der Überstrapazierung. Einschränkungen dieses Konzepts in der ursprünglichen Darstellung werden ausgeklammert. Interessanterweise fehlen auch die dort unterschiedenen Strategien, mit denen nutzergenerierte Inhalte verwertet werden können (Bruns 2008: 30–32). In Bezug auf die Vermarktbarkeit von Informationen wird eine verstärkte Zielgruppenorientierung in der Arbeit nicht näher diskutiert. Bereits in der Grundlagendarstellung in Kap. 1 ist dieser Aspekt als Strategie kaum zu erkennen. Die Dissertation richtet sich in erster Linie an Kommunikationswissenschaftler, die ein medienökonomisches Forschungsinteresse im Feld des Internetjournalismus haben. Sie erlaubt einen Einstieg in das Thema und gibt Verweise auf frühe Literatur und Lücken. Viele der herausgearbeiteten Entwicklungslinien dürften auch weiterhin Bestand haben. Bölz, Marcus: Fußballjournalismus. Eine medienethnographische Analyse redaktioneller Arbeitsprozesse. – Wiesbaden: Springer VS 2014. 375 Seiten. Preis: € 49,99. Holger Ihle In seiner Dissertationsschrift von 2013 widmet sich Marcus Bölz der Frage, wie „sich die Arbeit der Fußballberichterstatter unter dem Vorzeichen des digitalen Medienwandels und der zunehmenden Professionalisierung und Kommerzialisierung des Profifußballs in Deutschland [entwickelt]“ (S. 15). Daran knüpft er die Absicht, „die Produktion der Fußballberichterstattung in ihrer inneren Logik und Funktionsweise explorativ zu bestimmen“ (ebd.). Dass sich Bölz auf diesen Bereich des Sportjournalismus konzentriert, ist angesichts der starken Ökonomisierung und medialen Ver-
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wertung des Fußballs sinnvoll. Der Autor begründet die Relevanz seiner Arbeit mit der enormen Verbreitung und der „Transformation der Sportart Fußball zu einem alltagskulturellen Phänomen“ (S. 50). So brauchbar die in der Einleitung gestellte forschungsleitende Frage auch ist, sie wird in der Auseinandersetzung mit der vorliegenden Literatur nicht präzisiert. Aufbereitet wird der Forschungsstand auf fünf Seiten. Ausgehend von der Ausdifferenzierung des Gegenstandsbereichs in der Publizistik der 1970er Jahre werden anhand ausgewählter Monografien und Sammelbandbeiträge die Grundzüge der kommunikationswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Sportressort dargestellt. Internationale Literatur und Forschungsberichte aus gegenstandsbezogenen Fachzeitschriften werden nicht herangezogen. Als letztlich relevant für die Studie erscheint aus dem knappen Forschungsüberblick lediglich der von Schaffrath 2011 zutreffend benannte Mangel an Methodenpluralismus in der Sportkommunikatorforschung. Dem will Bölz mit einem medienethnografischen Ansatz abhelfen. Konkret verwendet er einen Mix aus medienethnografischen Beschreibungen, die er in Form teilnehmender Beobachtungen gewonnen hat und offenen Interviews mit Fußballjournalisten sowie Spielern, Fans, Betreuern, Trainern und Funktionären. Weiter führt er einen hermeneutischen Produktvergleich in Form einer „Stilpragmatik“ von Artikeln zu einem Fußballspiel aus vier verschiedenen Tageszeitungen durch. Medienethnografische Studien sind in der Kommunikationswissenschaft in der Tat selten, zumal in der Sportjournalistik. Die erste derartige Arbeit ist die Studie von Bölz – anders als im Buch ausgewiesen (S. 27, 345) – jedoch nicht, liegt doch mit Mark D. Lowes (1999): „Inside the Sports Pages: Work Routines, Professional Ideologies and the Manufacture of Sports News“ zumindest eine medienethnografische Studie zur (kanadischen) Sportberichterstattung vor. Neuland betritt Bölz also nur, insofern er sich auf „Fußballjournalismus“ in Deutschland bezieht. Leider wird die Methodenwahl nur vage aus einer genauen Zielsetzung heraus begründet. Einigermaßen ratlos macht in diesem Zusammenhang, dass die von Schaffrath (2011) angeregte Verwendung des Rational Choice Ansatzes für Beobachtungsstudien in Sportredaktionen verworfen wird, weil „Befragte […] darin keinen wissenschaftlichen Mehrwert [sahen]“ (S. 62 f.). Diese Beurteilung sollte nicht dem Untersuchungsobjekt überlassen bleiben. Fehlende Systematik durchzieht auch die Ergebnisdarstellung. So weiß der Leser nach Lektüre der Beobachtungen („akkumulierte ethnografische Miniaturen“, S. 44), dass in einer regionalen Sportredaktion das Layouten den Arbeitsalltag bestimmt, eine zweite Redaktion sich als Aushängeschild des Blatts versteht, eine dritte für Leser schreibt, die sich das Blatt nur wegen weniger Artikel kaufen und in der tazRedaktion versucht wird, „ungewöhnliche Themenideen zu entwickeln“ (S. 109) – dabei hilft möglicherwiese „ein Sofa, in dem man beim Sitzen sehr tief einsinkt“ (S. 116). In allen vier beobachteten Zeitungsredaktionen fehlt es an „regelmäßiger professioneller Bespiegelung der Arbeit“ (S. 115), sprich: Sporttexte werden in Redaktionskonferenzen kaum kritisch gewürdigt. Die detaillierten Schilderungen des Redaktionslebens sind vor allem für Nicht-Journalisten interessant und geben Einblick in den Redaktionsalltag und -ablauf. Die enthaltenen Interpretationen, die auf eine Abstraktion der Beobachtungen zielen, sind jedoch zu verstreut, um eine wissenschaftliche Systematisierung des untersuchten Feldes zu leisten, weshalb ihr
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Nutzen gering bleibt. Im Fazit fasst Bölz seine Befunde mit der Benennung von acht Trends zusammen. Die Trends sind: Mehr kulturelle Nähe, mehr Personalisierung, mehr crossmediales Arbeiten, Arbeitsverdichtung, wachsender Konkurrenzdruck, Gleichzeitigkeit von Ereignis und Berichterstattung, Meinungs- und Nachrichtenfilterung sowie weniger Austausch zwischen Sportfotografen und -redakteuren. Diese Aufzählung erscheint plausibel. Nur folgt sie nicht zwingend aus den Beobachtungen und Interviews dieser medienethnografischen Studie und schließt kaum an die vorliegende Sportkommunikatorforschung an. iehl, Sandra und Matthias Karmasin (Hrsg.): Media and Convergence ManageD ment. – Berlin und Heidelberg: Springer 2013. 376 Seiten. Preis: € 80,24. Boris Alexander Kühnle Die Gegenstände, die durch die Konvergenz im Bereich Medien und Kommunikation verschmolzen werden, sind mannigfaltig: Netze, Endgeräte, Inhalte, Rezeptionsarten und auch wirtschaftliche Wert(schöpfungs)ketten. Seit dem Erscheinen des ersten Konvergenz-Grünbuchs der Europäischen Kommission 1997 und damit seit bald 20 Jahren beschäftigt die Konvergenz Wissenschaft und Medienpraxis. Insofern mag es überraschen, dass erst jetzt ein Sammelband mit Beiträgen zum Medien- und Konvergenzmanagement vorliegt, wie er in dieser Breite bislang nicht verfügbar war. Angesichts eines Bandes mit 23 Einzelbeiträgen und 43 beteiligten Autorinnen und Autoren ist den Herausgebern zu danken für die Mühen, die sie auf sich genommen haben. Allein dies stellt eine Leistung dar. Der Band selbst gliedert sich in sechs Teile: Der erste Teil zu Konvergenz und strategischem Management enthält fünf Beiträge, die sich in ihrer Mehrzahl mit der Veränderung von Wertschöpfungs- und Geschäftsmodellen auseinandersetzen. Der zweite Teil stellt mit vier Beiträgen einen zentralen Aspekt des Medienmanagements bzw. des Managements mit Medien in den Vordergrund: die Implikationen der Konvergenz auf Werbung und Marketing. Drei Beiträge setzen sich im dritten Teil mit den Konsumenten und Rezipienten unter der Prämisse der Konvergenz auseinander. Der vierte Teil mit seinen fünf Beiträgen kommt auf den zentralen Treiber der Konvergenz zu sprechen, die Technologie. Wie bereits Teil 2 fokussiert auch der fünfte Teil einen einzelnen Aspekt der Medien- und Kommunikationssphäre, den Journalismus in konvergenten Zeiten (vier Beiträge). Im sechsten Teil schließlich beschäftigen sich die Herausgeber zusammen mit zwei Co-Autorinnen mit den zu erwartenden künftigen Entwicklungen der Konvergenz. Der Band verspricht Interdisziplinarität und Internationalität. Die Interdisziplinarität wird durch die Lehr- und Forschungsgebiete der beteiligten Autorinnen und Autoren angestrebt. Tatsächlich halten sich die ökonomischen sowie die sozial- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Hintergründe bei den Autorinnen und Autoren in etwa die Waage, ein wenig mehr zusätzliche Perspektiven – z. B. aus der Rechts- und der Ingenieurswissenschaft – wären bei dieser Thematik möglich, mitunter hilfreich gewesen. Internationalität erreicht die Herausgeberschrift durch das durchgängige Abfassen der Beiträge in Englisch. Jedoch muss angemerkt werden, dass die meisten Autorinnen und Autoren aus Österreich, der Schweiz und Deutschland stammen.
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Will man Kritik üben, kann man folgende drei Punkte anführen: 1) Der Aufbau des Bandes in Kapitel suggeriert eine innere Kohärenz und Konsistenz, die das Werk nicht einlösen kann, vielleicht auch nicht einlösen muss. Dennoch hätte dem Band ein – mehr oder minder – einheitliches Verständnis von Konvergenz bzw. eine einführende Diskussion des Topos Konvergenz und seiner Einsatzfelder gut getan. 2) Betrachtet man die Beschäftigung mit Konvergenz in unseren Disziplinen im Längsschnitt, so fällt auf, dass die Politik und hierbei insbesondere die Europäische Kommission sich bislang zweimal in umfassender Form mit Konvergenz und Konvergenz-Folgen beschäftigt hat (Grünbücher 1997 und 2013). Dies zeigt, dass Konvergenz in erheblichem Maße regulatorische Fragen aufwirft. Zwar widmen sich die Beiträge von Sarikakis/Rodriguez-Amat und von Trommershausen mit Implikationen der Konvergenz für Politik, Regulierung und gesellschaftliche Verantwortungsträger, doch hätte dieser Themenbereich eine breitere Würdigung mit zusätzlichen, auch juristischen Facetten gewiss verdient gehabt. 3) Die Auswahl der Anwendungs- und Diskussionsfelder von Konvergenz folgt keinem erkennbaren oder gar deduktiven Muster. Es erschließt sich nicht ohne weiteres, weshalb sich zwei – lesenswerte – Beiträge mit der Musikindustrie beschäftigen (Preston/Rogers und Winter), andere Medienteilbranchen, die von Konvergenz ebenso betroffen sind wie z. B. das Fernsehen jedoch keine Einzelwürdigung erfahren. Der Band von Diehl/Karmasin eignet sich gut für den Einsatz im Lehrbetrieb. Darüber hinaus stellt die Herausgeberschrift ein Nachschlagewerk dar, wenn es darum geht, einzelne (wenngleich nicht alle) Aspekte der Konvergenzdiskussion zu vertiefen. Das Verdienst der Herausgeberschrift ist vornehmlich in zwei Leistungen zu sehen: Erstens im Zusammentragen von 23 Sichtweisen auf das Themengebiet der Konvergenz – dies erweitert das Spektrum und den Facettenreichtum der Diskussion. Und zweitens im Verknüpfen von Managementfragestellungen mit den Perspektiven der Akteurs- und Technologieorientierung im Themengebiet der Konvergenz. Fiedler, Anke: Medienlenkung in der DDR. – Köln, Weimar und Wien: Böhlau 2014 (= Reihe: Zeithistorische Studien; Bd. 52). 494 Seiten. Preis: € 59,90. Jasper A. Friedrich Die vorliegende Dissertationsschrift von Anke Fiedler reiht sich ein in den überschaubaren Reigen jener Publikationen, die die Medien der DDR nicht mehr nur als monolithische Propagandainstrumente analysieren, sondern als dynamische, flexible und sich prozesshaft verändernde Kommunikationsinstrumente. Fiedler baut ihre Analyse auf einer attraktiven These auf: Die Medienlenkung in der DDR war im Kern „politische Öffentlichkeitsarbeit“ und nicht Propagandainstrument. Mit Klaus Merten wird diese Öffentlichkeitsarbeit der SED als „Differenzmanagement zwischen Fakten und Fiktion durch Kommunikation über Kommunikation in zeitlicher, sachlicher und sozialer Perspektive“ definiert und in diesen Dimensionen analysiert. Damit positioniert sich die Autorin bewusst abseits gängiger Standpunkte zu DDRMedien, die zumeist den Propagandabegriff in den Mittelpunkt stellen.
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Der Wechsel der Perspektive eröffnet tatsächlich neue und interessante Interpretationsspielräume hinsichtlich der historischen Fakten und der Prozesse der ostdeutschen Mediengeschichte, die die Autorin konsequent weiterdenkt und in akribischer Anamnese mit Daten belegt. Die Zeitzeugeninterviews und Akten können so unter Fiedlers Encodierungsschema bzw. Dimensionierung nach PR-Maßstäben noch neue Details liefern: Wie sich die Medienlenkung von einer Nachzensur unter Ulbricht in eine Vorzensur unter Honecker wandelte, wie sich innerhalb des zeitlichen Differenzmanagements die Einflüsse externer Faktoren auf die Medienlenkung auswirkten oder wie unter dem Blickwinkel einer „Kommunikation nach Zielgruppen“ der „Westen“ wie auch die Bevölkerung der DDR als primäre Abnehmer der PR der SED identifiziert werden können. So konstatiert Fiedler durch die Orientierung der DDRMedien am Westen eine „informationspolitische Linie, dass die Medien nur dort ihr Profil entfalten konnten, wo sowohl die aktuellen Interessen der SED als auch der Westen eine untergeordnete Rolle spielten, etwa im Sport, in der Lokalberichterstattung oder in der Kultur“ (S. 424). So wie die SED in den westlichen Massenmedien „Feindmedien“ erkannte, hat auch die Autorin in der Propagandatheorie respektive Totalitarismustheorie ein klares Feindbild ihres Denkansatzes ausgemacht. Insbesondere die polemische Auseinandersetzung mit den Positionen von Holzweißig gestaltet das Lesen mitunter schwierig. Was ihr sonst hervorragend gelingt – nämlich die Einordnung von Dokumenten und Positionen verschiedener Akteure in einen zeitlichen, sozialen und sachlichen Kontext – gelingt ihr auf metatheoretischer Ebene mitunter weniger gut. Durch ihre starke Konzentration auf die Entkräftigung der zu Recht kritisierten Postulate hinsichtlich der Konstanz ideologischer Durchherrschung der DDR-Medien gerät die Kritik oft zu undifferenziert. Doch so wie die Arbeiten von Ahrendt, Richert, Erfurt, Eberle, Holzweißig und anderen Zeugen einer sachlich, zeitlich und sozial bestimmten Epoche sind, ist es auch die Arbeit von Fiedler selbst: eine Reduktion historischer Prozesse auf die Dimensionen zeitgenössischer Denkansätze – hier die der Unternehmenskommunikation bzw. politischen PR. Das entspricht nur zu gut dem Geist der heutigen Zeit und ist zwar im vorliegenden Fall zu großen Teilen ein Zugewinn, aber auch eine Beschränkung. Mit der Vermeidung von Begrifflichkeiten wie „Ideologie“ und „Propaganda“ findet sich nämlich nur wenig Platz für eine systematische Diskussion ideologischer Grundlagen der „Kommunikationsziele“ von KPD bzw. SED, die seit den 1920er Jahren bis zum Ende des Ostblocks immer wieder Veränderungen erfahren haben. Trotz der permanenten Verteidigung ihrer Position gegenüber den Propagandaansätzen verschwindet der Widerspruch zwischen dem modernen PR-Begriff, der auf eine frei zugängliche Öffentlichkeit mit konkurrierenden Meinungen aufbaut, und der Realität der Öffentlichkeit in autokratischen Systemen wie der DDR nicht. Die stark eingeschränkte Verfügbarkeit von alternativen (West-)Medien, die sich im Wesentlichen auf wenige bundesdeutsche Fernsehsender und einige Radiostationen in ausgewählten Gebieten beschränkte (oder die selten erwähnte innerostdeutsche Gegenöffentlichkeit durch Samisdat etc.), ist mitnichten ein überzeugendes Argument, um die DDR-Öffentlichkeit zu einem offenen Feld gleichberechtigter Akteure und konkurrierender Meinungen zu machen – und somit zu einer „Spielwiese“ von „echter“ PR und Unternehmenskommunikation. Zudem ist das Modell an einigen
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Stellen nicht schlüssig: Fiedler zählt die „Bevölkerung“ analog zu PR-Konzepten zu „Mitarbeitern der Organisation“ (S. 380) – aus „SED“ wird somit „DDR“. Andere Stakeholder, wie Journalisten oder die politischen Kader im Lande selbst (die eigentlichen Mitarbeiter, um in der Analogie zu bleiben), werden als wichtige Zielgruppen nur selten fokussiert. Dennoch, in der Summe stellt die Arbeit von Anke Fiedler einen großen Zugewinn für die historische Forschung zur DDR-Mediengeschichte dar und ist in jedem Fall empfehlenswert – nicht nur für die akademische Diskussion. Die Quellenarbeit ist beeindruckend und der Erkenntnisgewinn allein schon dadurch enorm. Durch die intensive Analyse personalisierter Prozesse der Medienlenkung in der DDR und die außerordentliche Tiefe der Beschreibung ist die Publikation zudem äußerst lesenswert und höchst unterhaltsam. eise, Stephanie und Katharina Lobinger (Hrsg.): Visual Framing. Perspektiven und G Herausforderungen der Visuellen Kommunikationsforschung. – Köln: von Halem 2013. 368 Seiten. Preis: € 32,–. Alexander Godulla Sammelbände von Tagungen neigen mitunter dazu, die in ihnen enthaltenen Texte mit relativ willkürlichen Klammern zu versehen: Die Heterogenität des versammelten Materials birgt das Risiko eines nur noch unzureichend pointierten Überthemas, dem es in der logischen Konsequenz dann auch an heuristischem Wert mangelt. Der vorliegende Sammelband „Visual Framing. Perspektiven und Herausforderungen der Visuellen Kommunikationsforschung“ hebt sich demgegenüber durch eine präzise Formulierung des konstituierenden Themas ab. Die Herausgeberinnen Stephanie Geise und Katharina Lobinger stellen (in Anlehnung an Renita Coleman) in ihrer Einleitung heraus, dass mit dem Framing-Konzept nicht weniger als eine zentrale Lebenslinie der visuellen Kommunikationsforschung beleuchtet wird. Zu der stark textorientierten Perspektive der Kommunikationswissenschaft stellt die visuelle Kommunikationsforschung keinen Kontrapunkt, wohl aber eine dringend erforderliche thematische Erweiterung dar, die zur Entwicklung belastbarer Analysestrategien unabdingbar ist. Dementsprechend erfreulich ist die Entscheidung, den gesamten Tagungsband thematisch eng am Framing-Begriff zu führen und ihn durch eine Vielzahl gelungener Beiträge nutzbar zu machen. Obwohl die einzelnen Autorinnen und Autoren für sich genommen inhaltlich geschlossene Einheiten entwickelt haben, empfiehlt sich zur besseren Orientierung eine weitgehend lineare Lektüre des Buches. Insbesondere Marion G. Müllers Eröffnungstext „You cannot unsee a picture!“ führt regelrecht idealtypisch in die Materie ein, was auch in der Thematik nur wenig beschlagenen Lesern das Verständnis erleichtert. Dennoch darf der Sammelband aufgrund seines vergleichsweise hohen Abstraktionsniveaus und einem der Materie immanenten Bemühen um das Entwickeln präziser (gleichwohl nicht zwangsläufig intuitiv verständlicher) Begriffe in seiner Gänze nicht als basales Einführungswerk missverstanden werden. Die Bestandsaufnahme zum Visual Framing gleicht vielmehr einem erfreulich vielsei-
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tigen Synkretismus von Ansätzen verschiedener Reichweite, der wertvolle Impulse für das Design innovativer Forschungsstrategien oder das Anknüpfen an erprobten Diskussionsbeiträgen bereithält. Besonders hervorzuheben sind dabei die systematische Literaturschau von Stephanie Geise, Katharina Lobinger und Cornelia Brantner, die Formulierung von Anforderungen an die empirische Forschung von Martin R. Herbers und Anna-Maria Volpers sowie die Entwicklung eines integrativen Modellansatzes im Framing-Prozess von Stephanie Geise und Christian Baden. Wer die Forschung als Praxis der Wissenschaft begreift, kann bei diesem Band zu Recht auch von einem praxisrelevanten Werk sprechen. Die vorhandenen Beiträge zu Wirkungen von oder Perspektiven auf Visual Framing verdeutlichen insofern unmittelbar die Nützlichkeit des theoretischen Konstrukts. Die Spannweite reicht dabei zurück bis hin zum Bildflugblatt des ausgehenden 18. Jahrhunderts (Susann Trabert) oder der illustrierten Massenpresse der 1920er Jahre (Patrick Rössler) und beinhaltet zugleich auch aktuelle Diskursfelder wie den Klimawandel (Elke Grittmann). Schon durch diese thematische Vielfalt ist davon auszugehen, dass dem Tagungsband eine intensive Rezeption zu Teil werden wird. Besonders positiv fällt dabei auf, dass die Autorinnen und Autoren ihre Texte häufig auch an international relevante Forschungsbeiträge angebunden haben, was angesichts der Entscheidung für den Anglizismus „Visual Framing“ auch angemessen und notwendig erscheint. Christoph Neuberger wies einst in dieser Zeitschrift auf die „ärgerliche Tatsache“ hin, „dass Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft wenig bestimmt sind“ (2007: 33). Mit dem vorliegenden Tagungsband ist ein wertvoller Beitrag erbracht worden, um diesen Makel zumindest im Bereich der Visuellen Kommunikationsforschung ein Stück weit auszuräumen. Geser, Marc-Etienne: Strategieperspektiven für TV 2.0. Digitale Netzwerkmedien und ihre Auswirkungen auf Fernsehunternehmen. – Wiesbaden: Springer VS 2014. 341 Seiten. Preis 49,99 €. M. Bjørn von Rimscha Der vorliegende Band ist die Verlagsversion der Dissertation von Marc-Etienne Geser, die 2012 an der Universität Flensburg entstanden ist. Vor dem Hintergrund des Wandels der Mediennutzung stellt Geser zunächst traditionelle lineare Geschäftsmodelle von TV-Sendern vor, um so den Bedarf an neuen Geschäftsmodellen zu dokumentieren. Es folgt eine Vorstellung neuer Geschäftsmodelle für nicht-lineares Fernsehen bevor allgemein Elemente der strategischen Transformation von TV-Unternehmen beschrieben werden. Danach zeigt Geser anhand von drei Fallstudien mit Experteninterviews auf, wie sich der Wandel am Beispiel von Online-Plattformen deutscher TV-Konzerne in der Praxis darstellt. Das Buch schließt mit einer Zusammenfassung, die aber keine tiefergehende Diskussion der gewonnen Erkenntnisse enthält. Gerichtet ist der Band laut Klappentext an Dozenten und Studierende der Kommunikationswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre sowie an „Strategen und Manager in der Fernsehindustrie“. Sowohl Studierende als auch Manager werden hier und da quer lesen müssen, um Redundanzen zu umschiffen und die recht lange
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Einführung abzukürzen. Gut geschrieben könnten die einleitenden Kapitel einer Dissertation eine formidable Einführung in ein Themengebiet sein zu dem es noch kein Lehr- oder Handbuch gibt. Wie sieht es in diesem Fall aus? Lehr- und Handbücher sind zum TV-Management, zur Digitalisierung und auch zum Change Management im Medienbereich zahlreich vorhanden und werden von Geser auch ausgiebig zitiert. Er hält sich dabei an einen etablierten Kanon, neue Autoren oder divergente Ideen entdeckt man kaum. Im Gegenteil, zum Bereich des strategischen Managements und der Dynamik von Geschäftsmodellen im Medienkontext hätte man sich angesichts des Buchtitels mehr erhofft. Insofern verpasst der Leser wenig, wenn er erst auf S. 75 mit der Lektüre beginnt. Hier nimmt sich Geser viel Raum, um Geschäftsmodelle und strategische Herausforderungen an TV-Anbieter zu diskutieren. Er tut dies recht formalistisch und primär an etablierten Akteuren der Branche orientiert. Dabei zeigt sich die Kurzlebigkeit von Strategiethemen, die eng am Tagesgeschäft orientiert sind. Die Dissertation ist nur drei Jahre alt, und doch scheinen die Beschreibungen zu den Angeboten von diversen Firmen oft überholt zu sein. Nun kann man Geser nicht vorwerfen, dass er sich einer dynamischen Branche annimmt – im Gegenteil, die Relevanz des Themas ist groß. Allerdings wünscht man sich gelegentlich eine generischere, grundsätzlichere Perspektive. Geser erklärt, dass TV 2.0 mehr als die Digitalisierung der Übertragungstechnik sei, und doch wirkt vieles im Kapitel zu den Geschäftsmodellen und strategischen Herausforderungen daraufhin orientiert. Warum nicht stattdessen grundsätzlicher bei den Bedürfnissen der Rezipienten und der Werber ansetzen? Davon ausgehend ließe sich diskutieren, wie diese Bedürfnisse bisher nicht adäquat befriedigt wurden und welche Möglichkeiten sich jetzt in neuen Kontexten bieten, um auf die Bedürfnisse besser einzugehen. Hier zeigt sich eine Schwäche des Bandes: Geser ist nicht ganz konsistent in seinem Strategieverständnis. Die Geschäftsmodelle beschreibt er primär aus einer Ressourcenperspektive, also aus Perspektive der TV-Unternehmen, die strategischen Herausforderungen jedoch aus einer Marktperspektive. Damit suggeriert er, dass alle Unternehmen vor denselben Herausforderungen stünden, obgleich er vorher dargelegt hat, dass die Geschäftsmodelle den individuellen Ressourcen angepasst sind. Entsprechend stellt er im Kapitel „Strategische Optionen“ eben keine Optionen im Sinne von möglichen Alternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen dar. Auch die Auswertung und Zusammenfassung seiner Fallstudien suggeriert, dass es eine – und nur eine – branchenweit gültige Strategieempfehlung gibt. Als Leser wünscht man sich hier etwas mehr Vogelperspektive und abwägende Abstraktion von den untersuchten Fällen. Insgesamt enttäuscht der Band damit ein wenig. Weder werden die Strategieoptionen in ihrer ganzen Breite theoretisch aufgearbeitet, noch wird die Praxisperspektive vollständig ausgeführt. Weiter irritiert, dass Geser die Frage der Finanzierbarkeit auslässt und Widersprüche nicht aufgelöst werden. Einerseits fordert Geser konsequent auf Total Buy-Out Verträge zu setzen, bei denen ein TV-Sender alle Rechte von einem Produzenten kauft (ein Vorgehen von dem sich TV-Sender auch aus Kostengründen immer mehr verabschieden) und andererseits propagiert er die Abkehr vom unternehmenszentrierten und kontrollierten Wirtschaftssystem hin zu offenen Plattformen.
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Aber vielleicht wird Strategie ohnehin überschätzt, denn zwischen den Zeilen der Fallbeispiele wird einmal mehr deutlich: Strategie wird oft ex-post gemacht. Ein interviewter Experte erklärt, eigentlich hätte der Konzern die Online-Videoplattform zunächst gekauft, um das eigenen Portfolio für eine potenzielle Übernahme interessanter zu machen. Eine eigene Strategie wurde erst nötig, als der Konzern doch nicht übernommen wurde. Grimmer, Christoph G.: Kooperation oder Kontrolle? Eine empirische Untersuchung zum Spannungsverhältnis von Pressesprechern in der Fußball-Bundesliga und Journalisten. – Köln: von Halem 2014 (= Reihe: Sportkommunikation; Bd. 11). 414 Seiten. Preis: € 33. Michael Meyen Um es vorwegzunehmen: Das Fragezeichen im Titel wird nicht aufgelöst. Eigentlich geht es in diesem Buch auch gar nicht um „Kooperation oder Kontrolle“. Christoph Grimmer hat alle Pressesprecher befragt, die in der Saison 2010/11 bei einem Verein aus der ersten Fußball-Bundesliga angestellt waren. Welche Position haben die PRLeute im Verein? Wie arbeiten sie und wie nehmen sie Journalisten wahr? Wichtigster Befund: Das „Handeln“ der Pressesprecher „hat die Wirkung einer Präventivzensur“ (S. 293). Über diesen Begriff mag man streiten, die Mechanismen aber, die Grimmer beschreibt, könnten die Forschung zum Verhältnis von PR und Journalismus auf eine neue Stufe heben. Der Konjunktiv ist bewusst gewählt. Erstens hat Grimmer die Literatur zu beiden Feldern nur selektiv wahrgenommen, zweitens fehlt dem Text ein Narrativ und drittens finden sozialwissenschaftliche Puristen so viele Angriffspunkte, dass sie mit den Schwächen der Untersuchungsanlage (oder vielmehr: ihrer Beschreibung) leicht auch die Ergebnisse kritisieren können. Der Reihe nach. Christoph G. Grimmer ist Sportwissenschaftler. Für die Kommunikationswissenschaft ist das eine gute Nachricht: Ein Doktorand aus einer Nachbardisziplin fragt nach dem „Zusammenwirken zwischen Journalismus und Public Relations“ (S. 22) und bezieht sich dabei auch auf das, was dazu von Baerns, Bentele, Merten, Ruß-Mohl und Fengler vorgelegt wurde. Dass wichtige Namen und wichtige Studien übersehen werden, liegt vermutlich genauso in der Natur eines solchen Zugriffs von außen wie das Unbehagen, das sich dadurch beim Fachleser einstellt. Professionalisierung des PR-Feldes, Berufsbild von Pressesprechern, Logik des journalistischen Feldes: Fehlanzeige. Stattdessen wird behauptet, „Gleichbehandlung der Medien“ sei „eine Grundregel von Pressearbeit“ (S. 108) und eine Nachrichtenagentur „aus Sicht der Vereine“ der ideale „Überbringer der Nachricht“ (S. 115) – als ob nicht jeder PR-Mensch um die Macht der Exklusivmeldung wüsste und mit ihr um die Möglichkeit, Journalisten zu belohnen, zu füttern oder zu bestrafen. Auch über Spieler- und Medienberater weiß der Sportwissenschaftler im Theorieteil nichts zu berichten – eine Leerstelle, die sich auf die Interviews auswirkt und damit auch auf die Resultate. Dass er die Literatur „mithilfe eines inhaltsanalytischen Verfahrens“ ausgewertet haben will (S. 98), mag der terminologischen Unsicherheit auf fremdem Terrain geschuldet sein, für die es im Buch zahlreiche Beispiele gibt.
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Und dass der Text unnötig lang und der Ergebnisteil kleinteilig, redundant und eher an den Untersuchungsschritten orientiert ist als an den Befunden – dies stellt bei vielen Dissertationen ein Problem dar. Das Material, das dabei ausgebreitet wird, ist über solche Kritik erhaben. Christoph Grimmer zeigt, wie der Untersuchungsgegenstand Sportkommunikation das Wissen über Prozesse öffentlicher Kommunikation insgesamt bereichern kann. Grimmer hat es nicht nur geschafft, alle 18 Bundesligasprecher persönlich zu interviewen, sondern das Ganze auch noch mit einer Onlinebefragung von 174 Printjournalisten gekoppelt, die über den Profifußball berichten (etwas mehr als 20 % Rücklauf bei einer Vollerhebung). Die „kombinierte Befragung beider Interessengruppen“ wird zwar als „methodische Einzigartigkeit dieser Arbeit“ verkauft (S. 21 f), die Pressesprecher stehen dann aber (zu Recht) im Zentrum. In seiner „Schlussbetrachtung“ beschreibt Grimmer die „dramatischen Folgen“ und die „Gefahr“, die von der Professionalisierung der PR ausgehen. Vielleicht ist der Profifußball ein Extrembeispiel. Die Zeitungen haben hier gar keine Wahl: Sie müssen berichten und hängen deshalb am „Informationstropf“ der Vereine (S. 394 f). Fast alle Pressesprecher sagen, dass sie die Berichterstattung steuern. Sie bestimmen, welche Spieler interviewt werden, und autorisieren Aussagen im Zweifel einfach nicht, sie produzieren Material, das leicht übernommen werden kann, und streuen Meldungen, die ihrem Arbeitgeber helfen. Wenn doch anders berichtet wird, üben sie Druck aus – von Mails, Anrufen und Gesprächen über Kontaktentzug und Boykottaufrufe an die Fans bis hin zur offenen Forderung nach Ablösung nicht genehmer Schreiber. Grimmer protokolliert, wo das funktioniert hat, wie ein Trainerwechsel in der Presseöffentlichkeit als genialer Schachzug erscheint und wie der Mustervertrag der Deutschen Fußball Liga den Spielern einen Maulkorb verpasst. Von Journalisten halten die Pressesprecher generell nicht viel. Träge und bequem, schludrig und ahnungslos. Was hätte ein guter Erzähler aus diesem Stoff machen können. Huber, Brigitte: Öffentliche Experten. Über die Medienpräsenz von Fachleuten. Mit einem Geleitwort von Hannes Haas. – Wiesbaden: Springer VS 2014. 216 Seiten. Preis: € 34,99. Daniel Nölleke Das Hinzuziehen von Expertenquellen hat sich als journalistische Routine etabliert. Ob Nahostkonflikt, Bundesliga-Spieltag oder Prominentenhochzeit – zu nahezu jedem Thema lassen Journalisten so genannte „Experten“ zu Wort kommen. Brigitte Huber hat ihre Dissertation diesen Akteuren gewidmet und verfolgt das Ziel, „die Medienpräsenz von Experten und ihr Zustandekommen als Prozess zu erforschen“ (S. 97). Dabei geht es ihr einerseits um „das Ausmaß und die Beschaffenheit von Expertenpräsenz“ (S. 93) im Zeitverlauf und andererseits um den „Prozess der Etablierung als mediale Expertenfigur“ (S. 94). Insbesondere der zweite Aspekt ist bislang kaum untersucht worden und verspricht neue Erkenntnisse zum Funktionieren der Interaktionen von Journalisten und Experten.
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Huber leitet ihr Thema zunächst aus verschiedenen Perspektiven theoretisch her. Sie diskutiert den Expertenbegriff aus psychologischer, soziologischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive, um hieraus ihr Verständnis von Expertentum zu entwickeln (Experten als Rolle, an die bestimmte Erwartungen gerichtet sind). Unter Rückbezug auf das bekannte Öffentlichkeitsmodell von Gerhards und Neidhardt (1991) verortet die Autorin Experten als Sprechertypen in der Öffentlichkeit. Überzeugend begründet sie so die Notwendigkeit, in Studien zu Merkmalen von Berichterstattung auch nicht-journalistische Akteure zu fokussieren. Aus den Funktionen von Öffentlichkeit leitet sie den Anspruch an Vielfalt und Transparenz von Expertenquellen im Journalismus ab. In diesem expertenzentrierten Abschnitt widmet sich die Autorin auch den „PRAktivitäten von Akteuren“ (S. 54 ff.) und identifiziert anhand des Prominenzmodells von Wippersberg (2007) Aspekte, die bei der Etablierung von Expertenrollen relevant werden könnten. Anschließend wechselt sie die Perspektive und thematisiert aus journalismuszentrierter Perspektive den journalistischen Umgang mit (Experten-)Quellen. Hierzu referiert sie u. a. Wissen zum journalistischen „Selektions- und Darstellungsprozess“ (S. 62 ff.) oder Modelle zu den „Einflussfaktoren im Journalismus“ (S. 64 ff.). Das Theoriekapitel ist plausibel gegliedert; für eine Dissertation wird hier erfrischend zielstrebig argumentiert und es werden die Aspekte thematisiert, die später auch bearbeitet werden. Dennoch entsteht mitunter der Eindruck, dass mehr Tiefe erhellend gewesen wäre. Aspekte wie ‚PR-Aktivitäten‘ oder ‚Antizipation von Medienlogik‘ hätten noch substanzieller behandelt und damit gewinnbringender für die eigene Studie eingesetzt werden können. Ähnliches gilt für die (recht vage) Behandlung journalistischer Selektionskriterien oder der Einflussfaktoren im Journalismus. An die Theoriearbeit schließt die Autorin einen überzeugenden Überblick über den Forschungsstand zum Experteneinsatz im Journalismus an. Den Forschungsstand möchte sie durch ihre eigene Studie erweitern, indem sie einerseits alle Akteure mit Expertenrolle fokussiert und andererseits auch Experten und ihre Motive berücksichtigt – ein innovatives und anspruchsvolles Vorhaben. Sie geht dieses empirische Ziel angemessen an, indem sie zunächst eine Inhaltsanalyse der Berichterstattung zweier österreichischer Tageszeitungen vornimmt (als Längsschnittanalyse von 1995 bis 2010) und anschließend Leitfadeninterviews mit 16 medial präsenten Experten sowie mit zehn Journalisten durchführt. Um den Prozess der Etablierung öffentlicher Experten nachzuvollziehen, wäre hier eine stärkere Verknüpfung von Inhaltsanalyse und Interviews schön gewesen. So hätte man anhand konkreter Konstellationen nachvollziehen können, wie sich dieser Prozess gestaltet. Stattdessen liefert Huber eher allgemeine Hinweise zu Ausmaß und Beschaffenheit von Expertenpräsenz sowie zu den Motiven und Erfahrungen von Experten und Journalisten. Die Inhaltsanalyse von insgesamt 14.050 (!) Zeitungsartikeln zeigt, dass Experten in etwa jedem zehnten Beitrag zu Wort kommen. Prägnant stellt die Autorin auch die Ergebnisse zu Merkmalen und Funktionen von Experten sowie zu Vielfalt und Transparenz dar. Sie verschafft dem Leser einen guten Überblick über den Einsatz von Experten im Journalismus, doch hätte man sich – insbesondere in der knapp ausgefallenen Interpretation der Ergebnisse – eine stärkere theoretische Kontextualisierung gewünscht. Ähnliches gilt für die Interviews, auf denen – in Seitenzahlen gerechnet
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– der Schwerpunkt der Ergebnisdarstellung liegt. Huber liefert spannende Erkenntnisse zum Prozess des Zustandekommens von medialer Expertenpräsenz, doch auch hier wäre ein stärkerer Rückbezug auf theoretische Annahmen ein zusätzliches Plus gewesen. Geschmackssache ist die Darstellung der Ergebnisse: Während die Autorin bei der Inhaltsanalyse erfrischend prägnant formuliert, sind die langen Zitate aus den Interviews zwar anschaulich, stören mitunter jedoch den Lesefluss. Insgesamt liefert die Arbeit interessante Erkenntnisse zum Einsatz von Experten im Journalismus. Mitunter hätte man sich jedoch ein tieferes Schürfen in den theoretischen Grundlagen oder dem enormen Datenschatz gewünscht. Nichtsdestotrotz bietet das Buch Journalismusforschern, Medienschaffenden und (potenziellen) Expertenquellen aufschlussreiche Einblicke in die Funktionsweise der Konstellation aus Journalisten und Fachleuten. Kunczik, Michael: Gewalt – Medien – Sucht: Computerspiele. – Berlin und Münster: Lit Verlag 2013 (= Reihe: Medien: Forschung und Wissenschaft; Bd. 31). 277 Seiten. Preis: € 19,90. Jeffrey Wimmer Computerspiele sind längst kein Randphänomen mehr, sondern fester Bestandteil des Alltags vieler Menschen in der ganzen Welt. In Deutschland wird allerdings im öffentlichen Diskurs vor allem ihr mögliches sucht- und gewaltförderndes Potenzial debattiert, dabei sind gerade konservative Zeitungen wie die FAZ erstaunlicherweise, wie Kunczik betont, undifferenzierter und kulturkritischer als andere Blätter. In wissenschaftlicher Hinsicht ist die entsprechende Forschung in ihrer Gesamtheit fast nicht mehr rezipierbar. Die Theorie- und Forschungssynopse von Michael Kunczik hat daher eine große Relevanz. Der Band richtet sich nicht nur an „wissenschaftlich oder beruflich mit der Thematik befasste Personen,“ sondern ist auch „für interessierte Nicht-Kommunikationswissenschaftler (insb. Eltern)“ (S. 1) geschrieben. Die kritische Bestandsaufnahme, die zum Teil auf vorangegangenen Publikationen beruht, ist in insgesamt elf Abschnitte gegliedert. Kunczik skizziert zuerst sein Wissenschaftsverständnis, das vor allem vom kritischen Rationalismus und dem Anspruch der Falsifizierbarkeit einer Theorie oder Hypothese geprägt ist. Darauf aufbauend wirft er einen kritischen Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Debatte über Computerspiele und die Rollen, die Journalisten und Experten dabei einnehmen. Nicht nur hier sind seine Formulierungen manchmal wohltuend pointiert, zum Teil aber auch für eine wissenschaftliche Arbeit ungewohnt polemisch und als unter der ethischen Gürtellinie zu bewerten. So bezeichnet Kunczik wissenschaftliche Ansätze mitunter als „sinnlose Pseudotheorie“ (S. 9), „Sozialgeschwafel“ (S. 9), „inhaltsleere Phrase“ (S. 11) oder „Do It Yourself Social Science (DYSS)“ (S. 235), deren Sinn allein in der Verlängerung der Publikationsliste liege. Eine Publikation charakterisiert er gar als „Tiefpunkt der Computerspielgeschlechtsrollenstereotypenforschung (ein schönes Wort)“. Anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bescheinigt er ein „eigenartiges Verständnis“ (S. 16) oder „faschistoide Ideen“ (S. 33).
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Einen breiten Raum nimmt naturgemäß die konkrete Forschungsbilanz ein, die sich über mehrere Kapitel erstreckt (Kap. 4 bis 10). Umfangreich und akribisch bilanziert Kunczik sowohl die deutschsprachige als auch die anglo-amerikanische Forschung. Unzählige empirische Studien werden hier nicht nur hinsichtlich ihrer Befunde referiert, sondern auch stets hinsichtlich ihrer Erfüllung klassischer Gütekriterien sozialwissenschaftlicher Empirie eingeordnet. Etwas irreführend ist allerdings zum Teil die Einteilung der referierten Studien in spezifische inhaltliche Abschnitte, die nicht trennscharf erscheinen (z. B. Theorien, Inhaltsanalysen, Einflusspotenzial, Persönlichkeitseigenschaften etc.). Wünschenswert für eine eventuelle Neuauflage wäre neben einem Register auch – wie bei Meta-Analysen mittlerweile Standard – die Erstellung von tabellarischen Übersichten bzw. Steckbriefen der Studien, um die Flut an Informationen besser zu kanalisieren bzw. zu vermitteln. Die inhaltlichen Befunde sind zu vielfältig, um sie an dieser Stelle einzeln zu referieren. Insgesamt gesehen ist die Synopse eindrucksvoll geraten und gehört auf die Basisliteraturliste der deutschsprachigen Computerspielforschung. Als kritische Bilanz überzeugt sie argumentativ allerdings nicht vollständig, denn sie enthält einige Leerstellen. So wird beispielsweise ein Dilemma der empirischen Medienwirkungsforschung im Bereich der Computerspiele nur äußerst knapp in einem Absatz angesprochen (S. 233): Wenn man von negativen Wirkkräften ausgeht, muss man auch positive für wahrscheinlich halten. So gibt es eine Vielzahl von Studien zu so genannten pro-sozialen Folgen, zu Lerneffekten oder zu den Serious Games, die in diesem Band keine Berücksichtigung finden. Auch wissenschaftstheoretisch hat diese Einschränkung Folgen, wenn keine positive Wirkung falsifiziert, sondern allein eine negative verifiziert werden soll. Ein anderes Argument berührt die Natur der Computerspiele als stark interaktives Medium, das nicht nur Unterhaltungs-, Informations- und Kommunikationsmedium zugleich sein kann, sondern sich auch zu real-virtuellen Erlebniswelten und Sozialisationsinstanzen gewandelt hat. Kunczik problematisiert zwar eingangs schlaglichtartig die Frage, inwieweit die Befunde und Ansätze traditioneller Wirkungsforschung auf Computerspiele überhaupt (noch) übertragbar sind und ob nicht in einem Ulrich Beck’schen Sinne neue Ansätze und Kategorien nötig wären, denkt diesen Gedanken aber weder weiter noch überträgt er ihn systematisch auf seine Analysekriterien. So werden von ihm komplexere und kontextualisierende Theorie-Ansätze und damit verbundenen Studien wie z. B. von Krotz und Quandt et al. nicht berücksichtigt. Verdeutlicht wird diese implizit reduktionistische Perspektive von Kunczik auch am Titelbild. Es zeigt zwei Spieler von „Command & Conquer Generäle“ (2003). In der heutigen Zeit ein Relikt der Vorzeit, ein so genanntes Retro-Game. Lobigs, Frank und Gerret von Nordheim (Hrsg.): Journalismus ist kein Geschäftsmodell. Aktuelle Studien zur Ökonomie und Nicht-Ökonomie des Journalismus. – Baden-Baden: Nomos 2014 (= Reihe: Medienökonomie; Bd. 5). 269 Seiten. Preis: € 46,–. Liane Rothenberger
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Es steht im Titel des Sammelbandes, es steht als Überschrift über dem Beitrag von Altmeppen und es steht noch einmal in der Einleitung der Herausgeber, dass Journalismus „kein Geschäftsmodell ist und auch nie eines werden wird“ (S. 14). Es geht in diesem Band, der auf eine Tagung der DGPuK-Fachgruppe Medienökonomie im Jahre 2012 zurückgeht, also nicht darum, dies in Frage zu stellen, sondern darum, sich mit unterschiedlichen Aspekten dieses Themas zu beschäftigen, denn Journalismus und Ökonomie sind und bleiben „schicksalhaft verbunden“ (S. 15). Die namhaften Autoren des Bandes tragen dazu bei, mehr Transparenz in dieses Verhältnis zu bringen und die Vermischungsprozesse darzustellen. Altmeppen spricht in seinem Beitrag – von den Herausgebern als „Protestnote“ bezeichnet – von einer „generellen Ökonomisierung der Gesellschaft“ (S. 17), bei der auch der Journalismus keine Ausnahme darstelle. Systemtheoretisch gesehen, so argumentiert Altmeppen, passten Journalismus- und Wirtschaftssystem nicht zusammen. Journalismus werde nie marktfähig. Jedoch muss er finanziert werden, denn er verkauft sich nicht selbst. Dieser Ökonomisierungsdruck, so machen auch andere Beiträge deutlich, führt in den Redaktionen zu Straffungsprozessen und mehr Effizienz. Den „Medienmanager“ – für ihren Forschungsgegenstand doch eigentlich eine wesentliche Spezies – haben Journalismusforscher bisher weitgehend ausgeblendet, obwohl schon 1973 gefordert wurde, sich diesem Feld analytisch zuzuwenden. Hier schaffen Winter und Buschow Abhilfe und stellen Ergebnisse einer Befragung von Medienmanagern in Deutschland vor. Die Medienmanager sind eher konservative Typen und durchschnittlich seit 14 Jahren im Geschäft. Das heißt, sie haben ihre Unternehmen in der Krise begleitet und sind daher wichtige Auskunftgeber. In diesem Zusammenhang ist auch das Ergebnis der Studie von Buschow und Wellbrock interessant, die die in den Geschäftsberichten genannten Ziele von Medienunternehmen betrachten. Das Thema „publizistische, inhaltliche bzw. journalistische Qualität“ kommt im Themenranking lediglich auf den hinteren 19. Platz. Allerdings thematisierte die Printbranche diese Aspekte signifikant häufiger als die Rundfunk-Branche. Beachtenswert ist weiterhin der essayistische Beitrag von Rau. Ihm zufolge kann der Journalismus von ökonomischen Kenntnissen und Prinzipien profitieren, denn häufig sei der „Kontext“ der Marke wichtiger als der „Content“ (S. 117). Rau sieht die Entwicklung eher als generellen Strukturwandel und wenn als Krise, dann als eine des Geschäftsmodells und eines ratlosen Managements. Die aktuelle Krise sei „weder eine betriebswirtschaftliche, noch eine konjunkturelle, sie ist eine managementbezogene, systemische und schließlich: eine journalistische“ (S. 113). Aus diesem Blickwinkel geht es nicht nur um die Reduktion der Kosten, die Redaktion und Verwaltung verursachen, sondern auch um die Senkung der Vertriebskosten. Vor diesem Hintergrund diskutieren May und Münster Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Verlagen und Presse-Grossisten. Kolo legt den Fokus auf die demokratieerhaltende Funktion der Qualitätspresse und fragt, ob diese an die traditionellen Verlage gebunden bleibe bzw. welche Optionen die Digitalisierung für deren Fortbestand bereithalte. Sein Fazit: „ein eher optimistisches Gesamtszenario zur Erlösentwicklung“ (S. 186). Allerdings sei das innovative Erschließen neuer Geschäftsfelder nicht gerade eine Stärke der Medienhäuser. Gibt es denn alternative Finanzierungsformen? Degen und Spiller ziehen
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nach einer Fallstudien-Analyse das Fazit: Die Bedeutung von Crowdfunding für den Journalismus ist bisher gering. Investigativer Journalismus kann jedoch auch von gemeinnützigen Rechercheorganisationen gefördert werden. Trotz ihrer Abhängigkeiten von Geldgebern nehmen diese Organisationen „eine wichtige Vorbild- und Multiplikatorfunktion für den investigativen Journalismus ein“ (S. 236). Einer der interessantesten Beiträge steht am Schluss: Manfred Knoches „Gegenentwurf“ und „Kritik der politischen Ökonomie der Medien“. Die Geschichte, wie dieser Beitrag schlussendlich in den Band fand, ist so kurios, dass man sie selbst lesen muss (S. 15). Der Text bereichert den Band ungemein, da er eine so ganz andere, häufig gemiedene kapitalismuskritische Perspektive einnimmt. Wird die Zukunft nun eine „positive Ökonomie“ (S. 15) für den Journalismus bringen? Also eine, die seine Funktionen bewahrt und seine Eigenheiten respektiert? Diese Frage kann und will auch dieser Band nicht beantworten. Die derzeitige Situation, mögliche Zukunftsszenarien und historische Entwicklungen porträtieren und damit eine Fülle von neuem empirischen „Beweismaterial“ liefern, das kann dieser Band allemal. Die hier dargestellten Ergebnisse und Überlegungen sollten daher ihren Weg in die Medienbetriebe finden – sowohl in das Management als auch in die Redaktionen. Marcinkowski, Frank (Hrsg.): Framing als politischer Prozess. Beiträge zum politischen Deutungskampf in der politischen Kommunikation. – Baden-Baden: Nomos 2014 (= Reihe: Politische Kommunikation und demokratische Öffentlichkeit; Bd. 6). 255 Seiten. Preis: € 44,–. Urs Dahinden Braucht es einen weiteren Sammelband zum Thema Framing? Diese Frage ist durchaus legitim, denn Framing hat als Theorieperspektive in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft eine einzigartige internationale Karriere zurückgelegt, welche mit einer unüberblickbaren Anzahl von Publikationen verbunden ist. Der Herausgeber und seine Autoren erheben jedoch auch nicht den Anspruch, das Forschungsfeld Framing in seiner Gesamtheit zu analysieren, sondern legen einen klaren und sinnvollen Fokus auf die Bedeutung von Framing in der politischen Kommunikation. Der Band ist in drei Teile gegliedert, welche in mehreren Einzelbeiträgen die Methodologie, die Strategie und die Publikumseffekte von Framing untersuchen. Die Untersuchungsgegenstände sind sehr vielfältig und reichen von Wahlkämpfen in Deutschland und Australien über die Regierungskommunikation in Finanzkrisen bis hin zu öffentlichen Debatten um einen Moscheebau in New York. Marcinkowski beschreibt in der Einleitung Framing als einen Prozess, der „in allen Phasen und Verästelungen der Politik“ (S. 13) anzutreffen ist. Da Ereignisse und Sachverhalte in der Welt nicht für sich sprechen, bedürfen sie einer Interpretation und Deutung, was Marcinkowski in der Kurzform zusammenfasst, dass man „nicht nicht rahmen kann“ (S. 8). Auch Matthes hebt in seiner kritischen Bestandsaufnahme hervor, dass Framing ein „Leuchtturm-Konzept sei, „das (fast) alle Teile
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der politischen Kommunikationsforschung ausleuchten und beschreiben kann“ (S. 17). Interessanter als die Gemeinsamkeiten sind die Unterschiede zwischen diesen beiden Autoren: Bedarf Framing einer einheitlichen Konzeptualisierung? Hier divergieren die Positionen: Marcinkowski betrachtet diese Frage als „längst entschieden“ zugunsten eines „konzeptionellen Pluralismus“ (S. 10). Matthes argumentiert gegen eine solche konzeptionelle Offenheit, denn dadurch wäre „alles Framing“ (S. 26), womit die Trennschärfe und Erklärungskraft des Konzepts reduziert würde. Als harter Kern des Framing-Konzepts schlägt er die klassische Frame-Definition von Entmann (1993) vor, welche gemäß seiner Einschätzung noch stärker theoretisch eingebettet werden sollte. Matthes beurteilt das Framing-Forschungsfeld insgesamt kritisch: In seiner Analyse orientiert er sich an drei wissenschaftlichen Qualitätskriterien von Theorien (Vorhersagekraft, Widerspruchsfreiheit, Adäquatheit) und kommt nur bei der Adäquatheit zu einer positiven Einschätzung. Mehrere Autoren des Sammelbands weisen auf wichtige Forschungslücken hin: Erstens hat das visuelle Framing noch nicht die ihm gebührende Beachtung in der Forschung gefunden. Zweitens wurden Framing-Effekte bisher fast ausschließlich in Labor-Experimenten mit ihren bekannten Nachteilen untersucht. Drittens fehlt eine theoretische und methodologische Auseinandersetzung mit der Frage, wie Framing mit politischen Werten und Ideologien überzeugend verbunden werden kann. Viertens weist Marcinkowski kurz auf die „normative Ambivalenz“ von Framing hin. Leider fehlt im Sammelband aber eine vertiefende Diskussion von theoretischen Bezugspunkten und normativen Maßstäben, anhand derer differenziert werden könnte zwischen gesellschaftlich eher erwünschten und eher unerwünschten Formen des Framings. Auch hier besteht Forschungsbedarf: Wenn diese normativen Fragen (im Sinne einer falsch verstandenen „Wertfreiheit der Wissenschaft“) gar nicht mehr innerhalb der zuständigen Disziplinen thematisiert werden, so überlasst man die Beantwortung stillschweigend den politischen Akteuren mit ihren jeweiligen Partikularinteressen und verkennt dabei den großen Bedarf nach einer wissenschaftlich fundierten Medienkritik. Gesamtfazit: Ja, es braucht diesen Sammelband, weil er die Debatte bei den erwähnten Punkten weiterbringt. Allerdings sind in dem Band wichtige Forschungslücken erst identifiziert und nur ansatzweise bearbeitet, sodass eine Fortsetzung dieser Diskussionen in Folgepublikationen nach wie vor notwendig bleibt. Oehmer, Franziska: Verbände in den Medien. Eine Analyse der medialen Resonanz von Interessenverbänden und deren Determinanten in deutschen und Schweizer Printmedien. – Baden-Baden: Nomos 2013. 203 Seiten. Preis: € 34,–. Kerstin Thummes Franziska Oehmer widmet sich in ihrer Dissertationsschrift der Frage nach Determinanten der Printberichterstattung über Interessenverbände im Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz. Ziel ist es, das identifizierte „Forschungsdefizit in dem Beziehungsgeflecht, Massenmedien und Interessenverbände, zu überwinden“
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und „einen Beitrag zum Verständnis der Entstehung der Medienagenda [zu] leisten“ (S. 19). Die Relevanz der Fragestellung ergibt sich insbesondere aus der Berücksichtigung von akteursbezogenen Faktoren der Nachrichtenselektion und aus den system- bzw. länderspezifischen Rahmenbedingungen der Verbandskommunikation. Auf Grundlage einer empirischen Studie sollen Implikationen für die Verbandskommunikation aufgezeigt und die Zugänglichkeit zur Öffentlichkeit im Sinne eines deliberativen Demokratieverständnisses überprüft werden. Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands analysiert Oehmer zunächst die Merkmale von Interessenverbänden, ihre Kommunikation sowie die politischrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns in Deutschland und in der Schweiz. Obwohl sich das Interesse der Untersuchung auf die klassische medienbezogene Öffentlichkeitsarbeit konzentriert, könnte eine PR-theoretische Fundierung der stark anwendungsbezogenen Ausführungen dazu beitragen, ein differenzierteres Bild der Funktionen der Verbandskommunikation zu zeichnen. Aus der Zusammenführung vorhandener Ansätze und Studien erstellt Oehmer anschließend einen Überblick über interne und externe Determinanten der Medienresonanz von Verbänden. In einem zweiten Schritt ordnet sie die identifizierten Determinanten schlüssig Ansätzen der Nachrichtenwerttheorie, der News Bias Forschung und des Agenda-Building zu. Einige der internen Determinanten, wie die Intensität der Öffentlichkeitsarbeit (Anzahl Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, Gespräche mit Journalisten) oder der Organisationsgrad (Anteil der im Verband Organisierten zur Gesamtzahl möglicher Mitglieder) werden sehr eng definiert ohne den möglichen Einfluss weiterer Faktoren zu diskutieren, wie beispielsweise die Nutzung verbandseigener Kommunikationskanäle oder die Professionalität der Verbandskommunikation. Als verbandsexterne Faktoren werden der Zugang zum politischen System und die Konkurrenz durch andere Verbände berücksichtigt. Der Zugang zum Mediensystem, z. B. in Form von Beziehungen zu Journalisten, spielt hier jedoch keine Rolle. So bleiben Potenziale zur Steigerung der Originalität der Studie und der Relevanz der Ergebnisse ungenutzt. Als Grundlage für den empirischen Teil der Arbeit kombiniert Oehmer die angeführten Ansätze der Nachrichtenauswahl überzeugend zu einem zweistufigen Modell der Akteursselektion, das gleichermaßen direkte Einflüsse auf die Medienresonanz erfasst als auch indirekte, die über die Verbandskommunikation vermittelt werden. Zur Prüfung des Modells wählt die Autorin ein anspruchsvolles Mehrmethodendesign mit einer Inhaltsanalyse überregionaler Printmedien (Mai 2008 bis April 2010), einer Inhaltsanalyse von Verbandsdokumenten und von Pressemitteilungen sowie einer quantitativen Befragung von Kommunikationsverantwortlichen in Verbänden. Im Ergebnis kann Oehmer verschiedene Zusammenhänge des Modells bestätigen. So zeigt sich, dass der Organisationsgrad, der Zugang zum politischen System und die Stärke der Konkurrenz auf die Intensität der PR und darüber auch auf die Medienresonanz einwirken. Zwischen deutschen und Schweizer Verbänden ergeben sich dabei deutliche Unterschiede, deren Ursachen im politisch-rechtlichen System bzw. in der Bedeutung von Medienpräsenz vermutet werden können. Insgesamt erklärt das Modell einen großen Anteil der Varianz der Medienresonanz von Verbänden in beiden Ländern. Als wesentliche direkte Determinanten erweisen sich die Anzahl der Pressemitteilungen, die Beachtung von Nachrichtenfaktoren (nur in Deutschland),
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die Tätigkeit von Verbänden in den Handlungsfeldern Wirtschaft und Politik sowie eine Zielsetzung im Bereich Fremdhilfe. Allerdings bleibt offen, ob Verbände mit diesen Eigenschaften positive oder negative Resonanz erfahren, da der Tenor der Medienresonanz nicht erhoben wurde. Vor diesem Hintergrund muss die vermeintliche Bestätigung der Determinationsthese mit Vorsicht eingeschätzt werden. Da die Ergebnisse insgesamt wenig überraschend ausfallen, lassen sie leider kaum richtungweisende Schlussfolgerungen in Bezug auf die Praxis der Verbandskommunikation zu. Ihr Mehrwert liegt vielmehr in der Bestätigung und Konkretisierung des Einflusses akteursbezogener Merkmale auf die mediale Resonanz von Verbänden. Alles in allem legt Franziska Oehmer eine solide Studie vor, die durch den Nachweis akteursbezogener Determinanten einen Beitrag zum Verständnis der Medienresonanz von Verbänden leistet und auf länderspezifische Unterschiede aufmerksam macht. Die Arbeit zeichnet sich zudem durch eine sehr systematische Struktur, gute Lesbarkeit und diverse hilfreiche Abbildungen aus. Post, Senja: Wahrheitskriterien von Journalisten und Wissenschaftlern. – Baden-Baden: Nomos 2013. 244 Seiten. Preis: € 39,–. Jutta Milde In ihrer im Jahr 2012 an der Universität Mainz entstandenen Dissertation widmet sich Senja Post einem häufig diskutierten Thema: Es geht ihr darum, warum sich die journalistische Berichterstattung über wissenschaftliche Inhalte zum Teil erheblich von wissenschaftlichen Darstellungen unterscheidet und warum sich Journalisten die wissenschaftliche Vorgehensweise nicht zunutze machen. Die Grundlage zur Beantwortung der Frage bildet die Annahme, dass Journalisten und Wissenschaftler entsprechend ihrer Berufsrationalität handeln und zu ähnlichen Normen verpflichtet sind, diese jedoch in konkreten Situationen mit alternativen Ziel- und Normvorstellungen kollidieren können. Aus diesem Grund werden in der Studie Handlungsprinzipien von Journalisten und Wissenschaftlern anhand der drei konkreten Konfliktfälle Objektivität, Genauigkeit und Sorgfalt untersucht. Mit Hilfe einer fundierten Literaturarbeit und stringenten Argumentationen werden in den ersten fünf Kapiteln die Problemstellung erläutert und die Grundlagen für die Untersuchung aufgearbeitet. Dabei bezieht sich Post auf Hartmut Essers Modell zur Erklärung subjektiv rationalen Handelns, dass knapp den theoretischen Ausführungen vorangestellt wird. Das Handeln von Journalisten und Wissenschaftlern unterliegt gewissen Rahmenbedingungen, die im Folgenden besprochen werden. Es zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die sich u. a. auf die Stellung in der Gesellschaft, Pflichten, Finanzierungsmodelle, Zielpublika, Zeitmaße, Qualitätssicherung und Erklärungsmodelle beziehen. Darauf aufbauend werden die drei Konfliktsituationen aus Sicht von Journalisten und Wissenschaftlern nachvollzogen, die im Zentrum der nachfolgenden Untersuchung stehen. Post hat eine quantitative Befragung von Journalisten und Wissenschaftlern verschiedener Ressorts und Fach-
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bereiche durchgeführt. Ermittelt wird, inwieweit das Handeln von Journalisten und Wissenschaftlern durch ihre Ziele, Mittel und Möglichkeiten beeinflusst wird. Durch die Ergebnispräsentation wird der Leser schrittweise geführt, was den Nachvollzug der umfangreichen und differenzierten Analysen unterstützt. Im Kern zeigen die Befunde, dass Journalisten und Wissenschaftler sich im Konfliktfall eher dafür entscheiden, den Forderungen nach Objektivität, Genauigkeit und Sorgfalt nachzukommen, Journalisten mitunter jedoch auch alternative Zielvorstellungen verwirklichen. Dazu greifen Journalisten und Wissenschaftler zu teilweise ähnlichen und teilweise unterschiedlichen Mitteln, die sich bei der Objektivitätsnorm aus der Anerkennung der praktischen Relevanz ergeben, bei der Genauigkeit aus dem journalistischen Streben nach Gewissheit bzw. der Kritikbereitschaft von Wissenschaftlern sowie bei der Sorgfalt aus der Furcht vor negativen Konsequenzen bei Falschveröffentlichungen. Die Mittel sind dabei an die jeweiligen Möglichkeiten geknüpft. Während beispielsweise von Wissenschaftlern die Offenlegung des systematisch geplanten Vorgehens in ihren Studien als Mittel für Objektivität aufgefasst wird, haben Journalisten deutlich weniger Kontrolle über die Realität und versuchen deshalb verstärkt, die berichteten Fakten für sich sprechen zu lassen. Insgesamt leistet die Publikation einen wichtigen Beitrag zur Journalismusforschung und zeigt, dass journalistisches Handeln das Produkt komplexer Wechselwirkungen berufsspezifischer Bedingungen ist. Damit lässt sich die Ausgangsfrage der vorgelegten Untersuchung beantworten: Journalisten scheinen sich mehrheitlich an berufsinternen Interessenlagen zu orientieren und selten an einer wissenschaftlichen Vorgehensweise, da diese für das Erreichen ihrer Ziele überwiegend als ungeeignet erscheint. Potthoff, Matthias: Medien-Frames und ihre Entstehung. – Wiesbaden: Springer VS 2012. 419 Seiten. Preis: € 52,99. Bertram Scheufele Man kann die unzähligen Publikationen zur Selbstdarstellung auf Facebook fast nicht mehr sehen. Mit Facebook & Co. lebt aber auch alte Forschung wieder auf. So werden mittlerweile die bekannten Fragen der Yale-Studies durch die Dörfer der Social Media getrieben. Da ist es erfreulich, wenn sich eine Qualifikationsschrift noch einer grundlegenden Frage annimmt, die bislang nicht abschließend beantwortet wurde. Wie die Frage der Selbstdarstellung auf Facebook ist natürlich auch der Framing-Ansatz einfach nicht totzukriegen. Allerdings ist die Frage, welche Faktoren denn Einfluss auf Medien-Frames nehmen, ein Bereich, für den man sich bislang eine umfassende Aufarbeitung gewünscht hatte. Diese hat Matthias Potthoff mit der Buchveröffentlichung seiner Dissertation nun vorgelegt. Einem rund 400 Seiten starken Buch gerecht zu werden, wäre ein Unterfangen, das kein Rezensent leisten kann. Ich beschränke mich daher auf einige Punkte, die naheliegender Weise meinen subjektiven Blick spiegeln. Potthoff behandelt in einem ausführlichen Kapitel zunächst, was er unter einem Frame versteht, systematisiert bestehende Frame-Definitionen und leitet eine eigene Definition ab, bei der
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z. B. das Kohärenzmoment betont wird. Danach folgt eine Auseinandersetzung mit der Diskussion, ob es sich beim Framing-Ansatz nun um ein Paradigma, ein Forschungsprogramm oder eine Theorie handelt. In beiden Kapiteln werden bekannte Diskussionsstränge besprochen, dies jedoch profund und mit erfrischender Kritikfreude sowie – und das ist längst nicht selbstverständlich – ohne Bevorzugung oder Aussparung einer bestimmten Denkschule. Daran schließt sich ein Kapitel zum „Konstruktivismus als makrotheoretische[r] Basis des Framing-Ansatzes“ (S. 121) an, das man je nach erkenntnistheoretischer Präferenz bewerten wird. Den Kern des Buches bilden zwei Kapitel. Im Kapitel „Teilprozesstheorie zur Entstehung von Medien-Frames“ (S. 153) werden alle denkbaren Einflussfaktoren auf Medien-Frames diskutiert, die abschließend in einer Mehr-Ebenen-Logik verortet werden. Hilfreich wäre für den Leser gewesen, diese Logik bereits zu Beginn des Kapitels zu kennen. An einzelnen Stellen mag man auch anderer Meinung sein. So sind z. B. Ideologien, zu denen meines Erachtens auch politische Orientierungen gehören, zugleich Teil der Kultur, die aber von Potthoff getrennt behandelt werden. Dennoch schließt gerade dieses Kapitel definitiv eine bislang bestehende Lücke des Framing-Ansatzes. Auch beim Kapitel „Teilprozesstheorie zur Wirkung von MedienFrames“ (S. 217) kann man manches anders sehen. So halte ich den Ansatz von Price und Tewksbury, der trotz berechtigter Apostrophierung als „Meilenstein“ (S. 231) in eine Fußnote verbannt wird, immer noch für erhellender als die schon in den 1990er Jahren von Cappella und Jamieson in die Framing-Forschung eingeführten On-line Judgements – aber das nur am Rande. Abschließend präsentiert Potthoff die Untersuchungsanlage und Ergebnisse seiner ländervergleichenden Framing-Analyse am Beispiel der Diskussion um den EU-Betritt der Türkei. Die komplexe Codierlogik kann hier nur rudimentär wiedergegeben werden. Das als manuell-dimensionsreduzierend bezeichnete Vorgehen kombiniert eine strukturierende und zusammenfassende qualitative Inhaltsanalyse, eine klassische Inhaltsanalyse und eine Clusteranalyse, um damit z. B. dem Kohärenzgedanken der eigenen Frame-Definition Rechnung zu tragen. Die ermittelten Frames sind denn auch überzeugender als die Frames etlicher anderer Studien mit statistisch-strukturentdeckender Frame-Identifikation. Jedem einzelnen Schritt zu folgen, macht dem Leser zwar einige Mühe. Vermutlich wird auch mancher den Einwand mangelnder Replizierbarkeit vorbringen. Aber Frames sind eben nicht so simpel zu erfassen, wie es teilweise nahegelegt wird. Potthoffs methodische Ausführungen wie auch die zentralen Theoriekapitel sind mit Gewinn für eine eigene Frame-Analyse zu lesen. Schielicke, Anna-Maria: Rückkehr der Religion in den öffentlichen Raum? Kirche und Religion in der deutschen Tagespresse von 1993 bis 2009. – Wiesbaden: Springer VS 2014. 192 Seiten. Preis: € 34,99. Christian Klenk Während die Mitgliederzahl der Kirchen in Deutschland aufgrund von Austritten und der demografischen Entwicklung stetig schrumpft und die religiöse Praxis, gemessen etwa am Gottesdienstbesuch, kontinuierlich nachlässt, hat es den Anschein, als
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würde in den Medien immer mehr über religiöse und kirchliche Themen berichtet. Papst Franziskus, Bischof Tebartz-van Elst oder der Missbrauchsskandal sind nur einige Stichworte, die an große Wellen wohlwollender oder vernichtender Kirchenberichterstattung denken lassen. Doch handelt es sich dabei nur um episodische Ausreißer? Verfälschen Einzelereignisse und -personen das Bild und erwecken den irreführenden Eindruck von einer allgemeinen Renaissance des Religiösen im gesellschaftlichen Diskurs? Oder kann man auch über einen längeren Zeitraum hinweg eine „Rückkehr der Religion in den öffentlichen Raum“ beobachten? Mit dieser Frage hat Anna-Maria Schielicke ihre 2012 an der Technischen Universität Dresden abgeschlossene Dissertation überschrieben. Ihrer empirischen Analyse nähert sich Schielicke mit einer sinnvoll strukturierten theoretischen Erörterung zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft, in der die Ursachen der Säkularisierung sowie Gründe für einen möglichen Bedeutungsgewinn des Religiösen diskutiert werden, wie z. B. die Modernisierung mit ihren ethischen Fragestellungen etwa zur Stammzellenforschung oder zur Sterbehilfe. Darauf aufbauend entwickelt die Autorin ein schlüssiges Instrumentarium, mit dessen Hilfe sie die Berichterstattung über Religionsthemen in der Tagespresse im Hinblick auf Volumen, Themen, Quellen und Akteure untersucht. Teilweise orientiert sich Schielicke an Studien aus den USA und der Schweiz, die sie auch bei der Auswertung zum Vergleich heranzieht. Anders als von Schielicke behauptet, liegen für Deutschland empirische Studien zur Religionskommunikation auch jenseits von Großereignissen wie Kirchen- oder Weltjugendtagen vor, die von der Autorin leider unberücksichtigt bleiben. So ging Daniel Meier einer ähnlichen Forschungsfrage wie Schielicke nach und untersuchte in seiner Dissertation (Kirche in der Tagespresse, Erlangen 2006) die Berichterstattung über Religion und Kirche in der Presse. Während Meier sowohl überregionale als auch regionale Tageszeitungen über vier Monate hinweg betrachtete, entschied sich Schielicke dazu, die Inhaltsanalyse auf zwei Leitmedien (Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung) zu begrenzen. Dafür dehnt sie den Untersuchungszeitraum auf 18 Jahre aus (stichprobenartige Untersuchung im Vierjahresrhythmus; N = 2017), um langfristige Entwicklungen nachzeichnen zu können. Die Eingrenzung auf zwei überregionale Titel (ohne deren Lokal- und Regionalteile) und die Zugriffskriterien für die Artikelauswahl (Wörter mit den Wortstämmen religio* und christ* sowie die Begriffe Papst, Kardinal, Bischof und EKD) haben jedoch Folgen für das Untersuchungsergebnis. So stellt Schielicke fest, dass in der Kirchenberichterstattung die oberste Führungsebene dominiert und einfache Gläubige kaum vorkommen. Vermutlich ist aber ein Großteil der Berichterstattung über das kirchliche Leben in den Pfarreien durch das Raster der Untersuchung gerutscht. Oder ein anderes Beispiel: Ein Zehntel der codierten Artikel waren nur fünf Redakteuren zuzuordnen, die sich bei SZ und FAZ schwerpunktmäßig um Kirchenthemen kümmern; Agenturen – die kirchlichen eingeschlossen – verloren hingegen im Laufe der Untersuchungszeit als Quelle an Bedeutung. Auch hier würde das Bild bei der Untersuchung regionaler Zeitungen, die keine spezialisierten Redakteure für Kirchenthemen haben, mutmaßlich anders aussehen. Schielicke kann nachweisen, dass die Religionsberichterstattung im Untersuchungszeitraum tatsächlich an Umfang und Meinungsfreudigkeit gewinnt. Der
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Zuwachs ist zum einen auf kontroverse Themen zurückzuführen, wie z. B. auf den Streit um Gentechnik oder auf religionsinterne Konflikte. Ein anderer Grund sind kirchliche Großereignisse. Hier fällt das Jahr 2005 mit seiner intensiven Berichterstattung über den Tod von Papst Johannes Paul II. und die Wahl Benedikts auf. Doch auch in anderen Jahren dominiert die katholische Kirche deutlich die Berichterstattung, während die Evangelische Kirche bei der Themensetzung glückloser sei, möglicherweise „aufgrund ihrer föderalen Struktur und allgemeinen Schmucklosigkeit“, wie Schielicke vermutet. Überhaupt hat der Bedeutungsgewinn des Themas Religion nach dem Urteil der Autorin weniger mit einer erfolgreichen Medienarbeit der Kirchen zu tun als vielmehr mit den Nachrichtenfaktoren Prominenz, Relevanz und Konflikt. Leider sind in der ansonsten gut aufbereiteten Studie nahezu alle Schaubilder schwer oder gar nicht lesbar, weil in den Diagrammen gleich dicke Linien verwendet wurden, deren Grautöne sich kaum unterscheiden. Mit Hilfe von gepunkteten oder gestrichelten Linien ließe sich in einer Zweitauflage leicht Abhilfe schaffen. Thomä, Manuel: Der Zerfall des Publikums. Nachrichtennutzung zwischen Zeitung und Internet. – Wiesbaden: Springer VS 2013. 275 Seiten. Preis: € 34,99. Michael Harnischmacher Es ist eine begrüßenswerte Entwicklung, dass der regionalen und lokalen Informationsvermittlung von der kommunikationswissenschaftlichen Forschung in letzter Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die vorliegende Dissertation von Manuel Thomä trägt einen wichtigen Teil dazu bei, die Dynamiken und Veränderungen im lokalen Informationsmarkt besser zu verstehen. Die Studie wurde im Rahmen der Leserforschung des Leipziger Instituts für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung angefertigt und greift die erste Erhebungswelle dessen Leserpanels auf, weshalb Thomä hier mit einer beeindruckenden empirischen Untersuchung aufwarten kann. Basierend auf 30 Leitfadeninterviews, einer einmaligen standardisierten Befragung von 1239 Lesern sowie einer Panelstudie mit drei Erhebungswellen (je ca. 350 Teilnehmer) ist der Autor der Frage nachgegangen, welche Nutzungsmuster und -bedürfnisse die gegenwärtige Leserschaft von regionalen und lokalen Tageszeitungen im Spannungsfeld zwischen Print- und Onlineangeboten an den Tag legt. Leider wird diese wissenschaftlich wichtige Frage eingebettet in zwei Ansprüche, die beide nur unzureichend erfüllt werden können: Erstens mittels „Grounded Theory“ einen Forschungsansatz zu verfolgen, der das Problem umgehen soll, dass „mitunter […] die soziale Realität einzelne Theorien schon wieder überholt [hat], wenn sie fertig formuliert sind“ (S. 108). Zweitens dem Ziel, aus den eigenen Ergebnissen konkrete „Handlungsempfehlungen für die Medienpraxis“ abzuleiten (Kap. 8). Doch zunächst zu dem, was die Studie zu einer derzeit unverzichtbaren Lektüre im Forschungsfeld lokaler Informationsvermittlung macht: Thomä identifiziert sechs Lesertypen, die hinsichtlich ihrer Nutzung von gedruckten und digitalen Angeboten der Zeitungen unterschieden werden können. Dabei präzisiert er die bislang gängige
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Unterscheidung bezüglich der Nutzung von Onlineangeboten – Substitution, Komplementarität oder Nicht-Nutzung – und führt drei neue Nutzungstypen ein: „neutrale Nutzung“, „gesättigte Nutzung“ und „unteilbare Nachrichten-Nutzung“. Zudem kann er aufzeigen, dass die Nutzung des einen oder anderen Angebots nicht allein von Interessen oder der generellen Online-Affinität der Rezipienten abhängt, also auf individuelle Merkmale zurückzuführen ist, sondern die Zuwendung auch situations- und themenabhängig sein kann. Grundsätzlich zeigt sich in der Studie deutlich: die Leserschaft kann man nicht in Zeitungsleser und Online-User unterteilen, vielmehr „stehen viele Nachrichtenmedien einer fein zerteilten Leserschaft gegenüber“ (S. 217). Diese wird in ihren unterschiedlichen Ansprüchen präzise analysiert und beschrieben. Der Weg zu diesen relevanten Ergebnissen führt für den Leser durch einen langen und ausufernden Theorieteil, dessen Grundannahmen nicht hundertprozentig nachvollziehbar erscheinen. Dabei wird ein aus der Grounded Theorie abgeleiteter „pragmatischer Ansatz“ verfolgt, der ein unterstelltes Objektivitätspostulat sozialwissenschaftlicher Theorien umgehen soll. Allerdings hat man oft den Eindruck, dass es sich bei dem, was hier als „Theorien“ verstanden wird und vermieden werden soll, gar nicht um Theorien im sozialwissenschaftlichen Sinne handelt, sondern höchstens um Annahmen, Erwartungen oder Hypothesen. Unterstützt wird dieser Eindruck durch das, was sich hinter dem „pragmatischen Ansatz“ verbirgt: Gemeint ist letztlich ein zunächst exploratives Vorgehen, das nicht eine theoriegeleitete Hypothesengenerierung an den Anfang stellt, sondern eine qualitative Exploration (die 30 offenen Leitfadeninterviews). Auf deren Basis werden im Anschluss die erwähnten, umfassenden quantitativen Untersuchungen durchgeführt. Der Leser fragt sich hier schon, was denn nun – abgesehen von einigen neuen Etiketten – der große Unterschied zu einem normalen sozialwissenschaftlichen Forschungsprozess sein soll. Irritierend ist, dass methodische Standards problematisiert und gängige Verfahren infrage gestellt werden, nur um sie dann doch wieder anzuwenden; und zwar in vorbildlicher Form in einem abwechslungsreichen und nachvollziehbaren Methodenmix, aber dennoch forschungspraktisch konservativ. Durch die Umetikettierung des eigentlich konventionellen Vorgehens zur „Grounded Theory“ wird die theoretische Grundlage der Studie unnötig verkompliziert. Der abschließende Teil zu „Handlungsempfehlungen für die Medienpraxis“ zeigt zudem, wie schwierig es ist, aus dem hier aufgezeigten heterogenen Verhalten der Leserschaft praxisrelevante Hinweise abzuleiten. So lässt sich die Quintessenz der beschriebenen Tipps zusammenfassen als: Haltet das Publikum und seine Bedürfnisse im Auge! So scheitert das Buch letztendlich nicht an der eigenen Studie, Methode oder den Forschungsergebnissen, sondern an zu hoch gesetzten eigenen Ansprüchen. Ohne die beiden hehren (und letztlich nicht eingelösten) Ziele, das Rad neu erfinden zu wollen (Grounded Theory) und gleichzeitig den krisengebeutelten Lokalmedien praktische Tipps zum Ausweg aus der Misere aufzuzeigen, wäre diese Studie um einiges präziser, aber auch kürzer ausgefallen. In der gegenwärtigen Form muss man sich in den Weiten des Textes auf die Suche machen nach den kommunikationswissenschaftlich relevanten Punkten. Dies ist jedoch, schon aufgrund der makellos durchgeführten Studie, eine lohnenswerte Suche.
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Weischenberg, Siegfried: Max Weber und die Vermessung der Medienwelt. Empirie und Ethik des Journalismus – eine Spurenlese. – Wiesbaden: Springer VS 2014. 424 Seiten. Preis: € 49,99. Michael Haller Seine Begeisterung, auch Bewunderung für den „großen Visionär der Moderne“ (Klappentext) veranlasste Siegfried Weischenberg, in einem weit ausgreifenden Porträt Max Webers „Theorielinien“ als wegweisend für die Theorien der Mediengesellschaft zu deuten. Jene Studie, eigentlich ein Opus Magnum, publizierte Weischenberg 2012. Dies war ihm aber nicht genug. Ihn interessierte, in welcher Weise Max Webers Verständnis der Medien (notabene der Presse) von der empirischen Journalismusforschung aufgegriffen, diskutiert und aktualisiert worden ist. Eine Antwort gibt nun dieses zweite Opus zum „Komplex Weber“. Und auch diesmal legt der Autor die Latte sehr hoch: „Erstmals“ würde mit bibliometrischen Methoden „eine Bestandsaufnahme zum Journalismus und seiner Erforschung“ vorgelegt, um ein „Fazit zur Vermessung der Medienwelt in den vergangenen 100 Jahren ziehen zu können“ (S. 363). Die Gliederung des Buches ähnelt einem Wünschelrutenpfad. Der erste Teil, „Mediensoziologie und Medienethik“ überschrieben, transferiert die einst von Weber postulierte Ambiguität der Gesinnungs- zur Verantwortungsethik in die Welt des Journalismus und diskutiert, wie die Fachliteratur seither mit diesem Konzept umgegangen ist. Dabei benutzt Weischenberg eine extrem sensible Wünschelrute, die fast überall ausschlägt, u. a. bei der Diskursethik, der konstruktivistischen Ethik (gibt es die?), den Tugendtheorien, Medienqualitätskonzepten, Wirklichkeitskonzepten, bei „Handlungsdispositionen im internationalen Vergleich“ und auch beim Thema „Kapitalismus und Moral“. Im zweiten Teil („Forschungs-Forschung zur Aussagenentstehung“) spurtet der Autor zunächst durch „Stationen der Fachgeschichte“, um sie auf drei „Schulen“ einzudampfen (die von ihm initiierte Münsteraner, die von Noelle-Neumann inaugurierte Mainzer und die „neue Münchener“ mit Bourdieu als spiritus rector). Erwägungen zum Topos Reputation schließen sich an, gefolgt von einer – leider unklaren und unzureichend dokumentierten – Beschreibung des bibliometrischen Verfahrens; jedenfalls umfasst der Corpus „413 einzelne Publikationen, welche für die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft – gemäß dem Kriterium der Zitationshäufigkeit – im Bereich der Journalismusforschung die größte Relevanz besitzen“ (S. 183). Im dritten Teil („Max Webers Fragestellungen und ihre Spuren“) präsentiert Weischenberg diesen gewaltigen Corpus teils inhaltsanalytisch, teils paraphrasierend, teils räsonierend – und auch qualifizierend. Dabei versteht es Weischenberg, selbst verquaste Fundstücke in seine Argumentationslinie einzuordnen, welche das Ziel ansteuert, Webers Journalismusverständnis (insb. seine Presse-Enquête) als Amalgam aus Handlungs- und Systemtheorie diskutabel zu machen. Das ist für alle, die Weischenbergs Theoriewanderwege kennen, insofern spannend, als hier die alte systemtheoretische Engführung verlassen und die Wünschelrute in der Landschaft der
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normativ gerechtfertigten Medienfunktionen eingesetzt wird – auch dies geschieht mit Weber als Wegweiser. Der vierte Buchteil („Das Jahrhundert der Journalismusforschung“) nimmt den Kerngedanken Weischenbergs auf, dem zufolge Max Weber die gesamte Sozialwissenschaft auf ein empirisches Fundament stellen wollte. Ob Weber auch als Kronzeuge taugt, wenn es dem Autor (einmal mehr) um die „radikale Entmythologisierung“ – er meint damit die angeblich ontologisierende „alte Zeitungskunde“ – geht (S. 339), bleibe dahingestellt. Die Lektüre beider Bände erzeugt im Kopf des Lesers eine stets anregende, mitunter witzige Diskussion, weil die verschiedensten Ansätze, Forschungsbefunde und Theoriekonzepte pointiert vorgeführt, gegeneinander gestellt und assoziierend angereichert werden. Dieser materialreiche „Binnen-Diskurs“ ist aus meiner Sicht der Hauptgewinn der umfassenden Studie. Sie hat freilich auch problematische Seiten. Zunächst die Herangehensweise an das Material: Die meisten Weber-Referenzen werden behandelt, als seien sie aus der Zeit gefallen (Webers Denken sei „zeitlos“, S. 180). Dass die Perspektive der Gesellschaftswissenschaften, zumal jene der Journalismusforschung im soziokulturellen, auch politischen Frame ihrer Zeit zu verstehen ist, bleibt verschiedentlich ausgeblendet. Dies gilt auch für Max Webers Ethik-Konzept, das an die Politik der frühen Weimarer Republik adressiert war. Man kann dieses Missverständnis bereits an der Titelgebung ablesen: Die durch Daniel Kehlmanns Roman populär gewordene Phrase „Vermessung der Welt“ ist topografisch gemeint; historische Räume lassen sich (auch im metaphorischen Sinne) nicht „vermessen“. In diesem Zusammenhang steht auch die Bemühung des Autors, sein zweifellos sinnfälliges Medienanalyse-Konzept („Kontexte des Journalismus“, 1992) in die Webersche Theorielinie einzufügen, so, als gäbe es eine vom Jahrhundertdenker Max Weber begründete Konzeption, die über verschiedene Geistesheroen zu Weischenbergs Konzept führe. Im Übrigen wird der Lesegenuss durch unnötige, begrifflich schräge Polemiken gegen Nichtempiristen gemindert. Und als gelernter Philosoph empfinde ich Fremdschämen, wenn ich ernst gemeinte Sätze lese wie diesen: „Die Ethik ist bekanntlich eine ‚Erfindung‘ des Aristoteles“ (S. 71). Egal. Die insgesamt spannende Theoriewanderung führt den Leser ganz am Schluss zurück in die systemtheoretischen Gefilde. Denn noch immer schmerzt Weischenberg das von Luhmann nachgelassene Problem des Strukturbegriffs, der die „Frage aller Fragen“ offen lässt: „Was bedeutet eigentlich ‚Journalismus‘?“ (S. 346). Weischenbergs Wünschelrute, die auf der Suche nach dem binären Journalismuscode in früheren Entwürfen beim Begriff Aktualität vibrierte, produziert nun beim Merkmal „nachrichtlich/nicht-nachrichtlich“ (S. 353) den harten Ausschlag. Ob auch dies in die Denklinien Max Webers zu bringen ist? Den Vorhang zu und alle Fragen offen. Verzeichnis der Rezensent(inn)en Dr. Urs Dahinden ist Professor am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur.
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Dr. Jasper A. Friedrich ist Professor am Standort Berlin der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft. Dr. Alexander Godulla ist akademischer Oberrat im Department für Sprache, Texte, Medien der Universität Passau. Dr. Michael Haller war Professor am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Dr. Michael Harnischmacher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Medienwissenschaft an der Universität Trier. Dr. Holger Ihle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationsund Medienforschung der Deutschen Sporthochschule Köln. Dr. Christian Klenk ist Leiter der Stabsabteilung Entwicklung und Kommunikation der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dr. Boris Alexander Kühnle ist Professor am Institut für qualitative Medien- und Innovationsforschung der Hochschule der Medien Stuttgart Dr. Michael Meyen ist Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München. Dr. Jutta Milde ist Forschungsgruppenleiterin in der Interdisziplinären Forschungsgruppe Umwelt der Universität Koblenz-Landau. Dr. Daniel Nölleke ist akademischer Rat auf Zeit am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Dr. Christian Nuernbergk ist akademischer Rat am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München. Dr. M. Bjørn von Rimscha ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Dr. Liane Rothenberger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft der Universität Ilmenau. Dr. Bertram Scheufele ist Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim. Dr. Kerstin Thummes ist Juniorprofessorin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Dr. Jeffrey Wimmer ist Juniorprofessor am Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft der Universität Ilmenau. Neu in der Rezensionsredaktion In dieser Liste stehen alle Bücher, die die Redaktion Buchbesprechungen von den Verlagen angefordert hat bzw. die von den Autoren oder Verlagen an die Redaktion geschickt wurden. Aus diesen Neuerscheinungen wählen die Herausgeber der Publizistik und die Redaktion die Bücher aus, die dann rezensiert werden. Arnold, D. (2014). Medienregulierung in Europa. Vergleich der Medienregulierungsinstrumente und -formen der EU-Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund technischer Konvergenz und Europäisierung. Baden-Baden: Nomos.
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Bauer, T. A. (2014). Kommunikation wissenschaftlich denken. Perspektiven einer kontextuellen Theorie gesellschaftlicher Verständigung. Wien, Köln, Weimar: Böhlau. Brandstetter, B. (2014). Verbraucherjournalismus. Konstanz, München: UVK. Dorsch-Jungsberger, P. E. (2014). Papstkirche und Volkskirche im Konflikt. Die Kommunikationsstrategien von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. Berlin, Münster: Lit. Fawzi, N. (2014). Machen Medien Politik? Medialisierung der Energiepolitik aus Sicht von politischen Akteuren und Journalisten. Baden-Baden: Nomos. Fröhlich, R., & Koch, T. (Hrsg.). (2014). Politik – PR – Persuasion. Strukturen, Funktionen und Wirkungen politischer Öffentlichkeitsarbeit. Wiesbaden: Springer VS. Gasser, B. (2014). Freunde und Medienfiguren verstehen. Zur Empathie bei Kindern in realen und fiktionalen Welten. Konstanz, München: UVK. Glotz, P. (2014). Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Beiträge zur Kommunikations-, Medien- und Kulturpolitik. Mit einer Einführung von Michael Meyen. Hrsg. von Wolfgang R. Langenbucher und Hans Wagner. Baden-Baden: Nomos. Gutounig, R. (2014). Wissen in digitalen Netzwerken. Potenziale Neuer Medien für Wissensprozesse. Wiesbaden: Springer VS. Hölig, S. (2014). Informationsorientierte Kommunikationsmodi zwischen Massenund interpersonaler Kommunikation. Baden-Baden: Nomos. Hoeres, P. (2013). Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt. München: Oldenbourg. Hoffjann, O., & Pleil, T. (Hrsg.). (2014). Strategische Onlinekommunikation. Theoretische Konzepte und empirische Befunde. Wiesbaden: Springer VS. Holtz-Bacha, C. (Hrsg.). (2014). Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2013. Wiesbaden: Springer VS. Kleinen-von Königslöw, K., & Förster, K. (Hrsg.). (2014). Medienkonvergenz und Medienkomplementarität aus Rezeptions- und Wirkungsperspektive. Baden-Baden: Nomos. Klimmt, C., Maurer, M., Holte, H., & Baumann, E. (Hrsg.). (2014). Verkehrssicherheitskommunikation. Beiträge der empirischen Forschung zur strategischen Unfallprävention. Wiesbaden: Springer VS. Kottkamp, J. (2014). Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften in der Mediengesellschaft. Eine repräsentative Studie. Wiesbaden: Springer VS. Kreileder, C. (2014). Die Relevanz der Kommunikationswissenschaft für Public-Relations-Praktiker. Eine qualitative Studie zur Rolle des Fachs in der Wissensgesellschaft. Berlin, Münster: Lit. Krüger, U. (2013). Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln: von Halem. Kuhnhenn, M. (2014). Glaubwürdigkeit in der politischen Kommunikation. Gesprächsstile und ihre Rezeption. Konstanz, München: UVK. Maier, J., Maier, M., Hosenfeld, A., König, W., König, M., Rahnke, M., & Alings, D. (Hrsg.). (2014). Printmedienrezeption und Kompetenzerwerb. Ein Langzeitexperiment zur Wirkung der lokalen Tageszeitung auf individuelle Lebenschancen und die gesellschaftliche Teilhabe junger Erwachsener. Baden-Baden: Nomos.
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Neuberger, C., Langenohl, S., & Nuernbergk, C. (2014). Social Media und Journalismus. Düsseldorf: LfM. Otto, A. (2014). Sozialistische Öffentlichkeitsarbeit in der DDR. Eine empirische Studie am Fallbeispiel des Leipziger Messeamts. Wiesbaden: Springer VS. Rau, H. (Hrsg.). (2014). Digitale Dämmerung. Die Entmaterialisierung der Medienwirtschaft. Baden-Baden: Nomos. Ruchatz, J. (2014). Die Individualität der Celebrity. Eine Mediengeschichte des Interviews. Konstanz, München: UVK. Rühl, M. (2014). Journalismus und Public Relations. Theoriegeschichte zweier weltgesellschaftlicher Errungenschaften. Wiesbaden: Springer VS. Schmidt, S. J. (2014). Kulturbeschreibung Beschreibungskultur: Umrisse einer Prozess-orientierten Kulturtheorie. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Springer, N. (2014). Beschmutzte Öffentlichkeit? Warum Menschen die Kommentarfunktion auf Online-Nachrichtenseiten als öffentliche Toilettenwand benutzen, warum Besucher ihre Hinterlassenschaften trotzdem lesen, und wie die Wände im Anschluss aussehen. Berlin, Münster: Lit. Stange-Fayos, C. (2014). Publizistik und Politisierung der Frauenbewegung in der wilhelminischen Epoche. Die Zeitschrift „Die Frau“ (1893–1914). Diskurs und Rhetorik. Frankfurt am Main: Peter Lang. Stehle, H. (2014). Unternehmenskommunikation in Geschäftsbeziehungen. Businessto-Business-Kommunikation als Teil der funktionalen PR-Forschung. Wiesbaden: Springer VS. Tolsdorff, T. (2014). Von der Stern-Schnuppe zum Fix-Stern. Zwei deutsche Illustrierte und ihre gemeinsame Geschichte vor und nach 1945. Köln: von Halem. Viertmann, C. (2014). Der Sündenbock in der öffentlichen Kommunikation. Schuldzuweisungsrituale in der Medienberichterstattung. Wiesbaden: Springer VS. Weichert, S. A., Kramp, L., & Welker, M. (2013). Die Zeitungsmacher. Aufbruch in die digitale Moderne. Wiesbaden: Springer VS. Welling, S., Breiter, A., & Schulz, A. H. (2014). Mediatisierte Organisationswelten in Schulen. Wie der Medienwandel die Kommunikation in den Schulen verändert. Wiesbaden: Springer VS. Wolf, C. (2014). Mobiler Journalismus. Angebote, Produktionsroutinen und redaktionelle Strategien deutscher Print- und Rundfunkredaktionen. Baden-Baden: Nomos.
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