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ESSAY Klaus Sachs-Hombach: Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. – Köln: Herbert von Halem Verlag 2003, 365 Seiten, Eur 26,–. Klaus Sachs-Hombach (Hrsg.): Wege zur Bildwissenschaft. Interviews. – Köln: Herbert von Halem Verlag 2004, 281 Seiten, Eur 26,–. Klaus Sachs-Hombach (Hrsg.): Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung. – Köln: Herbert von Halem Verlag 2005, 568 Seiten, Eur 36,–. Bezüglich des Bildes hat die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zwei Schwachstellen, die auch die drei hier zu besprechenden Konvolute betreffen: zum einen die Fixierung auf eine sprachlich geprägte Zeichentheorie als Basis von Kommunikationstheorie; zum anderen die Bevorzugung verbaler Kommunikationsformen aus methodischen, aber auch ideologischen Gründen (beispielsweise der politischen Kommunikation). Seit einigen Jahren gibt es Versuche, diese Defizite aus zwei unterschiedlichen Richtungen auszugleichen: als Beschäftigung mit dem »Bild« (etwa Bücher wie »Weltmarkt der Bilder«, »Ein Bild ist mehr als ein Bild«) oder im Bemühen, so etwas wie ein Verständnis von »visueller Kommunikation« zu entwickeln, das über die »nonverbale Kommunikation« hinausgeht (z. B. die seit 2002 bei Sage erscheinende Zeitschrift ›Visual Communication‹ und die seit 2000 existierende Fachgruppe »Visuelle Kommunikation« der DGPuK). Diese Versuche sind bisher jedoch effekthascherisch bis bruchstückhaft geblieben. Insofern ist es grundsätzlich verdienstvoll, wenn Klaus Sachs-Hombach einen Versuch vorlegt, dieser Problematik aus einer ganz anderen Perspektive etwas mehr Systematik und Struktur zu verleihen. Er ist Philosoph (Jg. 1957, wissenschaftlich weitgehend in Magdeburg sozialisiert, Anfang 2006 noch dem Mittelbau zugehörig), aber jetzt seit einiger Zeit am Institut für Simulation und Grafik, also in computervisualistischen Kontexten tätig. Er versucht mit einigem Aufwand, eine »allgemeine Bildwissenschaft« zu entwickeln, für die es angeblich an einer »übergreifenden Konzeption des Bildbegriffs« (Klappentext) fehlt. Das stimmt so nicht: Bereits 1993 hat Petra Schuck-Wersig eine sehr allgemein angelegte Arbeit vorgelegt (»Expeditionen zum Bild. Beiträge zur Analyse des kulturellen Stellenwerts von Bildern«), die allerdings seitdem konsequent von der gesamten einschlägigen Literatur übersehen wird – so auch von Sachs-Hombach (der allerdings doch gelegentlich an ihr zu naschen scheint, ohne das zuzugeben). Da Sachs-Hombach 2003 habilitiert wurde und seine Studie »Das Bild als kommunikatives Medium« aus ebendiesem Jahr stammt, kann man wohl davon ausgehen, dass es sich um eine philosophische Habilitationsschrift handelt. Dem entspricht auch der Anspruch, mit dem sie auftritt: Sachs-Hombachs »allgemeine Bildwissenschaft« orientiert sich explizit an de Saussure und will einen grundlegenden interdisziplinären Theorierahmen entwickeln. Diese Zielsetzung wird aber rasch auf einen sehr engen Bildbegriff verkürzt: »artifizielle, flächige und relativ dauerhafte Gegenstände, die innerhalb eines kommunikativen Aktes zur Veranschaulichung realer oder auch fiktiver Sachverhalte dienen« (S. 77). Das wirft viele Fragen auf, insbesondere nach der relativen Dauerhaftigkeit der Gegenstände: Fallen Bildschirm- und Displaybilder darunter? Generisch sind Bilder »wahrnehmungsnahe Zeichen« – dazu wird ein Gegenstand, »wenn wir ihm einen Inhalt auf Grundlage unserer Wahrnehmungskompetenzen zuweisen« (S. 88). Was das bedeuten soll, bleibt unklar, es wird lediglich auf »natürliche Bilder« und ähnliche Phänomene kurz eingegangen. Auf Seite 95 wird das dann eingeschränkt auf »visuelle Wahrnehmungskompetenzen«, die leider ebenfalls nicht spezifiziert werden. Es ist wohl richtig, dass Bilder etwas mit Wahrnehmen zu tun haben, aber etwas genauer hätte es schon sein dürfen. Insgesamt ist die Arbeit weit entfernt von begrifflicher Klarheit und vermag auch keine Antworten auf bekannte offene Fragen zu versprechen. Bilder grundsätzlich als »Zeichen« zu verstehen, ist auf der
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Basis des bekannten Korpus von Zeichentheorie schwer möglich, weil ebenso vieles an ihnen nicht Zeichen ist. Sachs-Hombach gibt das implizit auch zu und verweist darauf, dass ihm eine Erweiterung der Zeichentheorie vorschwebt, die er allerdings nur in Form der Wiederholung des Zuschreibungsaktes einführt: dass es sich um ein Zeichen handelt, wenn »ihm ein Inhalt zugeschrieben wird, der innerhalb einer kommunikativen Handlung als Basis einer sachlichen, expressiven oder auch appellativen Mitteilung dienen könnte« (S. 95). Wieso plötzlich Mitteilung, wenn das Bild doch so wahrnehmungsnah ist? Und was ist eine »kommunikative Handlung«? Darüber schweigt Sachs-Hombach. Diese für einen allgemeinen Theorierahmen recht dürftige Basis wird nur geringfügig angereichert durch die Einführung eines herzlich simplen Medienbegriffs: Medien werden einerseits unterschieden in körpergebundene, temporäre und körperungebundene, fixierte; andererseits in wahrnehmungsnahe und arbiträre. Bild und Film sind demnach körperunabhängig, fixiert und wahrnehmungsnah. Das dient dazu, eine Entwicklung anzunehmen vom gestischen Ausdruck hin zu abstrakten Symbolsystemen – wer hätte das gedacht. Aber trotzdem kann Sachs-Hombach auf dieser dürftigen Basis in die richtige Richtung weisen, auch wenn er dieser dann leider nicht mehr folgt: »Bei den bildhaften Darstellungsformen handelt es sich demnach um eine eigentümliche Zwischenstufe der kommunikativen Formen, die hinsichtlich der Eigenständigkeit des Mediums der schriftlichen Kommunikation vergleichbar ist, hinsichtlich der interpretativen Mechanismen aber Momente sehr ursprünglicher Kommunikationsformen enthält, die auf den selben funktionalen Kompetenzen aufbauen, die bereits im unmittelbaren Lebensvollzug angewandt wurden.« (S. 97f.) Am Ende des Theoriekapitels wird dann als Ergänzung des »semiotic turn« ein »visualistic turn« eingeführt, der »die sensuellen Formen der Welterschließung« (S. 98) bemerkbar machen soll. Im Weiteren bleibt Sachs-Hombach allerdings strikt auf der Basis der bewährten Semiotik und erörtert vor allem Parallelen und Unterschiede zur Sprache, wobei er sich weitgehend auf die Bildformen der Malerei beschränkt. Das Kapitel über Bildanalyse zerfällt dann konsequenterweise in Syntax, Semantik und Pragmatik, darein wird die Sprechakttheorie gemischt, streckenweise wird auch mehr über Sprach- als über Bildkommunikation gehandelt. Versuche, die Spezifika von Bildkommunikation aus ihren eigenen Bestimmungen abzuleiten, werden nicht unternommen. Immerhin versucht der Autor, eine knappe Typologie von Bildern vorzunehmen, die allerdings nicht durch allzu große Kreativität überrascht: darstellende Bilder, Strukturbilder, reflexive Bilder (Malerei). Damit kommt man nicht sehr weit. Interessant könnte die Erweiterung des Theorierahmens im Kapitel »Bilder als Medien« sein, das allerdings nur das fotografische, das filmische und das »elektronische« Bild umfasst (wobei Letzteres nicht das Fernsehen, sondern nur einige kleinteilige Computergrafikkomponenten beschreibt). Das Buch verliert sich dann in Darstellungen, die wenig systematisch wirken, aber auf Diskussionen Rücksicht nehmen, die wohl eher in Sachs-Hombachs beruflichen Kontexten geführt werden: Mentale Bilder (die er begrifflich klar ausgeschlossen hatte, die aber in den Kognitionswissenschaften nun einmal eine Rolle spielen), Bildfunktionen, kognitive Aspekte der Bildverwendung, Bild und Gesellschaft – zu all diesen Themen gibt es eigentlich nicht sehr viel mehr als Anmerkungen, die in der Regel aus der Sicht formuliert sind, die man kennt, wenn sich Informatiker bemühen, gesellschaftliche Phänomene zu verstehen. Sie geraten dann meist in die merkwürdigsten Theorien hinein, weil sie den Stand der betreffenden Wissenschaften nicht kennen. Dem Anspruch einer »allgemeinen Bildwissenschaft« kann das Buch nicht gerecht werden. Dazu ist es einerseits zu eng an die Semiotik gebunden und andererseits ist der Autor viel zu wenig daran interessiert, die Breite seines Themas und der bis dahin vorliegenden Ansätze zur Kenntnis zu nehmen und womöglich miteinander zu verschmelzen. Der Titel ist irreführend: Für »Bilder« interessiert sich der Autor nur bedingt, was »Medien« sind, ist ihm nicht klar geworden, von »Kommunikation« versteht er auch nicht viel. Leider setzen sich diese Defizite auch in den in der Folgezeit von Sachs-Hombach unternommenen Versuchen der Unterfütterung seines doch sehr unklaren Theoriegerüsts fort. »Wege zur Bildwissenschaft«, der zweite hier zu besprechende Band, ist eine Sammlung von Interviews zu der Thematik »Bildwissenschaft – Philosophie – Bildtheorie«. Insgesamt werden 17 Experten interviewt, unterteilt in – Bilddisziplinen (als solche gelten Kunstwissenschaft, Semiotik [Roland Posner], Philosophie, Archäologie, Mathematik, Medien- und Filmwissenschaft [Hans Jürgen Wulff ]),
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– Bildtheorien (anthropologisches Phänomen, mentale Bilder, Bildsysteme, phänomenologische Sicht, Interpretation, Perspektive) und – Bild, Bildmedien bzw. Bildende Kunst (Präsentationskontexte, atmosphärisches Phänomen, Milieu, Produktionstheorie, Bildkritik). Auch jede andere Ordnung hätte eingeleuchtet. Die Mehrzahl der Interviewten befasst sich mit Bildern aus philosophischer und/oder kunstwissenschaftlicher Sicht, dennoch entfaltet jedes Interview mit den z. T. sehr hochrangigen Experten (wie Hans Belting, Gernot Böhme) seine eigene Dynamik, die es durchzuarbeiten gilt – zusammengefasst wird nichts und das ist auch verständlich, denn naturgemäß folgen derartige Interviews keinem zwingenden Gedankengang, sondern entfalten Assoziationen, deren Logik nicht immer deutlich ist. Verständlicherweise ist das Ziel, dass alle Interviewten eine allgemeine Bildwissenschaft bejahen und fordern – und dies wird auch erreicht. Allerdings: Umrisse einer solchen allgemeinen Bildwissenschaft ergeben sich trotz der relativen Homogenität der Befragten nicht. Oder genauer gesagt: Umrisse, die es in der Monographie Sachs-Hombachs durchaus noch gegeben hat, verschwimmen hier in den ungehemmt angemeldeten Individualinteressen. Aber gerade deswegen ist der Band eine interessante Materialsammlung, die verdeutlicht, dass man es sich eben nicht so einfach machen kann, wie das viele Autoren einschließlich Sachs-Hombachs tun. Dies gilt auch für sein neuestes Konvolut, den umfangreichen Sammelband »Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung«, in dem er für die Grundlagen der Bildwissenschaft ein ähnliches Schema beibehält: – Disziplinen (Bildlogik, Zeichentheorie, Anthropologie, Kommunikationswissenschaft [Thomas Knieper], Bild und Macht, Kartographie, Informatik) – Methodologische Grundlagen (pictorial vs. linguistic turn, Bildtypologie, Methoden, systemische Bildwissenschaft, perzeptuelle/semiotische Determinanten, Heidegger, Bildhandeln, politische Ikonographie) – Bildphänomene und Bildbedeutungen (Bild-Semantik, bildhafte Ähnlichkeit, semantische Tiefe, cognitive linguistics, iconic arts, mental pictures, Verstehen in der Kindheit, Aufmerksamkeitsverteilung) Als »angewandte Bildwissenschaft« werden ausgewiesen: – Kunst und Design (Rätsel und Spiel, Leinwand des Gehirns, instruktionale Bilder, visuelle Gestalter, Kommunikationsdesign), – Fotografie und Film (generative Fotografie, digitale Bildbearbeitung, Kognitionspsychologie und Film, Filmsemiotik, Bildprozesse) und – Bildwissenschaft und Computervisualistik (computational visualistics, multimediale Systeme, Webnavigation, Stile in der Computergrafik). Der Band versammelt 37 Beiträge, von denen ein Drittel aus dem philosophischen Kontext stammt und ein weiteres Drittel aus Kunstgeschichte, Psychologie und Informatik. Ein Teil der Autoren ist bereits aus dem Interviewband bekannt und vertraut, die Artikel sind meist recht kurz. Es werden erhebliche Breitendefizite der angezielten »allgemeinen Bildwissenschaft« deutlich: Die sozialwissenschaftlich orientierte Kommunikationswissenschaft und selbst die naheliegende Medienwissenschaft sind praktisch ausgeklammert (der Beitrag von Knieper befasst sich konkret fast ausschließlich mit Täuschungsprozessen, versucht also nicht, eine allgemeine kommunikationswissenschaftliche Position zum Bild zu erarbeiten). Auch werden keine Versuche unternommen, Definition, Typologie und Funktion von Bildern systematisch zu untersuchen (der Beitrag der Philosophin Martina Plümacher zur Bildtypologie versucht z. B. keine Typologie, sondern stellt nur einige Schwierigkeiten von Typologien dar). Zudem erscheinen als »Bildmedien« (oder allgemeiner: kommunikative Bildverwendungsräume) nur Kunst, Design, Fotografie, Film und Computer. Die Massenmedien, Kontexte wie Werbung, die Bildwelten des Alltags fehlen praktisch völlig. Auf der anderen Seite ist hier aber auch eine Fülle von Ansätzen und Bildmöglichkeiten versammelt, die den Band zwar nicht zu einem systematisierenden, strukturierenden Beginn einer »Bildwissenschaft« machen, aber immerhin zu einer Sammlung, in der es sich lohnt, mal hier und da zu lesen, Querverweisen zu folgen. Das Anliegen von Sachs-Hombach ist nachvollziehbar und wichtig – Bilder spielen eine immer wichtigere Rolle, allerdings eben nicht nur als materielle Bilder, die ja nur eine Stufe in dem Vermittlungszusammenhang sind, der weitgehend dadurch geprägt ist, dass visuelle Eindrücke planvoll gestal-
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tet werden, um die Vorstellungsbilder von Menschen zu beeinflussen, zu kontrollieren und anzuregen. Ob dies nun konkret dreidimensional geschieht (Architektur, Kulturlandschaften, Gärten, Museen etc.) oder konkret zweidimensional (Bilder im engeren Sinne) oder abstrakt (Aufbau von Images und Marken) ist zweitrangig. Dies wäre ein spannendes Thema, zu dem die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft viel beitragen könnte, es aber bisher mangels seriösen Interesses nicht tut. Aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade an einer allgemeinen Bildwissenschaft, die visuelle Kommunikation als Eigenwert und vielleicht in ihrem Verhältnis zur linearen verbalen bzw. narrativen Kommunikation ernst nimmt, niemand so richtig interessiert ist. Sachs-Hombach hat einen Eindruck von der Bedeutung und eine Ahnung, weshalb das möglicherweise bedeutsam sein kann. In seinem ersten Anlauf hat er einen ehrenwerten, aber erkennbar nicht weit tragenden Versuch unternommen und mag das wohl auch selbst gefühlt haben. Seine weiteren Anläufe machen den Eindruck der Materialsammlung, die allerdings zwei Defizite aufweist: Zum einen wird sie halbherzig durchgeführt, d. h. man traut sich nicht, die ganze Breite des Phänomens auch nur zu denken. Zum anderen wird sie zu unstrukturiert durchgeführt, als dass mehr als einige interessante Anstöße aus ihr erwachsen könnten. So geht es übrigens auch in den neuesten Bemühungen Sachs-Hombachs weiter: der elektronischen Zeitschrift ›IMAGE‹ und dem »Virtuellen Institut für Bildwissenschaft« (beides über http://www.bildwissenschaft.org). Auch dort dominieren z. T. die gleichen Personen, wobei die Zahl der Informatiker zunimmt und damit auch das Gewicht der bei ihnen bekannten Schwächen. Kommunikationswissenschaftler bleiben konsequent ausgeklammert – und man kann es ehrlicherweise auch verstehen. Die Konturen, die hier vorliegen, sind doch theoretisch ziemlich verwaschen, relativ weit weg von sozialwissenschaftlichen Kommunikations- und Mediendiskussionen, zirkulieren ein wenig in sich selbst und nehmen vor allem die Realität der explodierenden Bilderwelten nur ungern ins Blickfeld. Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hätte sicherlich ein Interesse an einer »allgemeinen Bildwissenschaft«, zudem wäre das »Bild als kommunikatives Medium« sogar eine ihrer ureigensten Angelegenheiten. Das würde aber bedeuten, dass sie ernsthaft an der Beseitigung ihrer eingangs angeführten Defizite arbeiten müsste: Es wären Annäherungen zu wagen an realitätsbezogene Theorien des Kommunizierens und von Medien, die auf visuelle und bildliche Voraussetzungen und Erscheinungen nicht nur vage Rücksicht nehmen. Dabei müsste man sich allerdings einerseits aus den Spielräumen gewisser Konstruktivismus- und Systemtheorien hinausbewegen und andererseits die Faszination durch die politische Kommunikation und ihre Medien in Richtung Konsum und Unterhaltung überwinden und erweitern. GERNOT WERSIG, Berlin
Christoph Fasel (Hrsg.): Nutzwertjournalismus. – Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2004 (= Reihe: Praktischer Journalismus; Bd. 61), 268 Seiten, Eur 24,90. Der Nutzwert journalistischer Texte entscheidet immer häufiger über den Kauf eines Magazins oder einer Zeitung. Die verlässliche Information für die alltagstaugliche Umsetzung ist bei Lesern gefragt wie nie. Journalisten müssen sich mit dieser Interessenlage des Lesers intensiver denn je auseinandersetzen. Für viele Journalisten, aber auch für Verlage ist Nutzwertjournalismus daher
die große Chance, sich im Markt behaupten zu können. Voraussetzung ist die Kenntnis der Themenfindung, der Stilformen, der rechtlichen Rahmenbedingungen. Das alles will Christoph Fasel in seinem Reader »Nutzwertjournalismus« bieten. Auf den ersten 30 Seiten des Sammelbandes bemüht sich Andreas Eickelkamp, die Frage »Was ist Nutzwert?« wissenschaftlich zu ergründen. Dabei stellt er fest: »Nutzwertjournalismus ist auf dem besten Wege, bestes Brot- und Buttergewerbe für Journalisten aller Mediengattungen zu werden.« Tatsächlich erwartet heute die Leserschaft zu-
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sätzlich zu den neuen Ereignissen viel Service und Erläuterungen zu neuen Waren, Dienstleistungen, Modetrends, Befindlichkeiten etc. Die Zahl der Specials und der Supplements soll die Leser-Blatt-Bindung stärken. Hier kann Print einen zielgruppengerechten Vorsprung vor dem scheinbar allwissenden, aber sehr schwer zu durchschauenden Internet gewinnen. Der Reader bietet zu den verschiedenen Aspekten der Nutzwertinformation wichtige Hintergründe und Hinweise. Ulrike Hennemann thematisiert die Frage nach der Unabhängigkeit nutzwertigen Textens. Sie hebt die Bedeutung der professionellen PR für den Nutzwert hervor. Für Ratsuchende sind die Kapitel zur Themenfindung und zum Schreibstil von besonderem Gewinn. Einstiege und Fazit werden gesondert behandelt. Christoph Fasel als Absolvent der Henri-Nannen-Schule hat hier seinen Wolf Schneider gründlich gelernt. Der »Küchenzuruf« wird dabei leider arg strapaziert. Sehr hilfreich ist der Beitrag von Ulrich Kaufmann. Er erläutert die rechtlichen Gefahren in der vergleichenden Wirtschaftsberichterstattung. Zugleich ermuntert er mit gerichtsfesten Entscheidungen zu fairen Vergleichen. Denn Nutzwertjournalismus ist nur so glaubwürdig wie die solide Recherche. Ein zusätzliches Kapitel zu Produktwarnungen gibt den Verfassern von Nutzwertartikeln erste Sicherheitsleitlinien. Auch die Anzeigenkunden werden in die rechtliche Würdigung einbezogen. Heike Groll und Michael Bechtel, Leiterin und Autor der »Drehscheibe« der Initiative Tageszeitung, erläutern die Möglichkeiten, auch in Tageszeitungen Lesern immer mehr Nutzwert zu bieten. In einem umfangreichen Katalog von nutzwertig ausgerichteten Magazinen und Zeitschriften schildern mehr als ein Dutzend Autoren die besonderen Schwerpunkte bis hin zum Kindermagazin. Interviews mit den Chefredakteuren von ›Focus‹, Helmut Markwort, und ›WISO‹ im ZDF, Michael Opoczynski, geben einen ehrlichen Einblick in die Praxis der »Ratgeber«-Redaktionen. Schließlich: Wie in der UVK-Reihe »Praktischer Journalismus« üblich finden sich zum Abschluss eine Checkliste, die »Todsünden des Nutzwertjournalismus« auflistet, und ein 18 Fragen umfassender Katalog, mit dem sich die Qualität und Haltbarkeit des Textes überprüfen lässt.
GABRIELE BARTELT-KIRCHER, Essen
Svennik Høyer/Horst Pöttker (Hrsg.): Diffusion of the News Paradigm 1850-2000. – Göteborg: Nordicom 2005, 311 Seiten, SEK 250,–/Eur 25,–. This book centers on the »news paradigm« (The Event, News Value Factors, The News Interview, Journalistic Objectivity, The Inverted Pyramid), exploring how it arose in American journalism and subsequently appeared in European press systems. To develop an explanation of the evolving paradigm, the book’s 15 authors consider perspectives ranging from the historical, political, cultural, economic and, ultimately, the industrial and ideological. Co-editor Svennik Høyer builds a conceptual foundation for the news paradigm, critiquing some of the existing answers for its emergence and adoption. At first, this chapter could be seen as an acceptance of professional journalistic ideology, but eventually it heads toward four suppositions that view the news paradigm much less as idealized practice. Instead, Høyer suggests that historical and political factors leading toward adoption of the news paradigm are important but loosely coupled considerations. Michael Schudson delves into the emergence of the objectivity norm, arguing that a holistic explanation is needed, one steeped in historical context. For example, Schudson points out that in America, public relations surfaced much earlier than in Europe, while European journalists achieved social positions as prestigious intellectuals, a place not often given to their American counterparts. An introductory chapter by Harlan Stensaas also focuses on objective news reporting through a content analysis that seeks out its roots. Disputing six common answers to why objectivity arose, Stensaas offers yet another: A shift of social authority appeared from the clergy on to science, what he calls »secularization«. In secularized America, the news paradigm turned journalists into the equivalent of society’s scientists. Closing the conceptual foundation section of the book, co-editor Horst Pöttker challenges the technological explanation for the inverted pyramid, especially the notion that unreliable telegraph communication led to putting key information first. He also considers gaps in arguments about political, cultural and economic influences as the key determinant. Pöttker argues instead for the »lead principle«, the idea that placing key information first in a news story offers a better
Buchbesprechungen chance of reader understanding, while also enhancing efficiency for the journalist. With this conceptual foundation in place, the book then heads to eleven region-specific studies, including Scandinavia (Sweden, Denmark, Norway), Germany, and Central/Eastern Europe (Soviet Union, Estonia, Russia, Poland). Although these chapters provide a valuable opportunity for exploring key ideas from the book’s first part, it would have been helpful to create a greater degree of connectedness between these studies and the conceptual framework. In a few cases, the goals of these chapters are not clearly consistent with those of the overall book. Most telling of factors affecting adoption of the news paradigm are those chapters centered on the role of political disruptions and state-controlled journalism. Pöttker, for example, differentiates the long history of German journalism up to the end of World War II from post-war journalism that transfused the news paradigm through the presence of Western Allies. The section on Central and Eastern Europe takes a different track, discussing how central tenets of the news paradigm became a potential threat to government authority and control. In the book’s last section, both Hanno Hardt and Kevin Barnhurst offer critical discussions about the news paradigm that focus on ideology and industrialization. From Hardt’s view, the news paradigm aids media organizations while also playing a role in social control by conditioning media audiences to expect a continuity of news that affirms their own positions in society. Barnhurst builds on Hardt’s position, showing how the ideological dimensions of historical moments, industry developments and social change have shaped the nature of news. Closing the book, Pöttker’s Epilogue revisits these discussions, suggesting that a »meta-perspective« is necessary to understand the near-universal adoption of the news paradigm. Rather than relying solely on technological, cultural or political-economic answers, he urges that a stronger explanation draws from all three vantage points. Pöttker also cautions that the news paradigm should not be dogmatized, because that would work against its essential goal for news in society. This concern becomes the book’s key tension, one that in itself depends on the reader’s own paradigm – journalistic or critical – for studying and understanding the nature of news. DANIEL A. BERKOWITZ, Iowa
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Helmut H. Diederichs (Hrsg.): Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim. – Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2004 (= Reihe: suhrkamp taschenbuch wissenschaft; Bd. 1652), 420 Seiten, Eur 14,50. Als das Kino populär wurde und ein Geschäft, nahm die interessierte Öffentlichkeit erregten Anteil. Denn diese Darbietungen in dunklen Räumen, in denen die Menschen oft dicht gedrängt über Stunden saßen und sich von bunt gemischten Programmen bewegter Bilder faszinieren ließen, gaben zu mancherlei schlimmen Befürchtungen Anlass. Die so genannten »Schundfilms« mit ihren Verbrecherjagden, Mordanschlägen, Brandstiftungen, Eisenbahnunglücken oder Familien- bzw. Liebestragödien galten als »raffinierte Anhäufung alles Rohen, Gemeinen und Perversen« (S. 84). Verheerende Wirkungen insbesondere auf Frauen, Jugendliche und Kinder wurden befürchtet, und dem musste entgegen getreten werden. Es entstand die politisch-pädagogisch orientierte »Kinoreformbewegung«, es entstanden aber auch erste Versuche einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem neuen Medium. Und so begann in Deutschland die Geschichte der Filmtheorie. Helmut H. Diederichs, durch seine filmhistorischen Arbeiten vielfach ausgewiesen, hat eine sehr schöne Auswahl früher Texte zusammengestellt, in deren Mittelpunkt die Frage nach der Filmkunst steht: »Wann und wodurch wird Film zur Kunst?« (S. 12) Nachdem man zunächst »den« Kino mit der eher unverfänglichen, bloßen Wiedergabe von Realität gleichgesetzt hatte, warfen die bald auf dem Markt befindlichen, verfilmten Spielhandlungen, die »Kinodramen«, schon wichtige theoretische Fragen auf. Vor allem ging es um ihre Abgrenzung gegenüber dem Theater und der Pantomime, d. h. um die Tonund Sprachlosigkeit der bewegten Darstellungen und deren besondere ästhetische Funktionen. Es wurden unentwegt Vergleiche und Differenzierungen vorgenommen, auch gegenüber der Fotografie. Es wurde über die Abschattierungen zwischen den Farben Schwarz und Weiß diskutiert, über Funktion und Bedeutung des Lichts, über Zwischentitel. Von Anfang an gab es Kinoliebhaber, die die künstlerischen Möglichkeiten dieser neuen Aneignung von Welt erkannten und die sich daran beteiligen wollten. Sie kamen aus bürgerlichen Milieus, oft mit akademischem Hintergrund. Sie publizierten in kinematografischen Zeitschriften, die übrigens nicht zuletzt seitens
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der Filmindustrie herausgegeben wurden. Zu ihnen gehören z. B. Hermann Häfker, Konrad Lange und Herbert Tannenbaum. Leider verzichteten Verlag und Herausgeber auf biografische Hinweise zu den jeweiligen Texten. Ob in diesen Texten ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes theoretisches Denken formuliert wird, mag zu bezweifeln sein, zumal aus sozialwissenschaftlicher Sicht. Um kunsttheoretische Vorformen handelt es sich aber sicher, dafür sprechen Systematisierungsbestrebungen und genaue Beobachtung. Die eigentliche Filmtheorie beginnt mit Béla Balázs, Anfang der 1920er Jahre. Mit seinen Texten erfolgt ein eindeutiger qualitativer Sprung, das bestätigt auch wieder die Lektüre des vorliegenden Sammelbandes. Seine systematische Konzentration auf die bestimmenden Merkmale des Stummfilms, insbesondere Physiognomie und Mienenspiel, seine Beobachtungen zur »Bilderführung«, also zu Bildausschnitten (Einstellungen), Bildfolgen (Sequenzen) und deren »Tempo«, lenken über zur nächsten entscheidenden Entdeckung der Filmtheorie: zu Schnitt und Montage. Hier gelten die Texte Sergej M. Eisensteins als unübertroffen, deren Lebendigkeit jedes Mal neu begeistert. Dziga Vertov und Wsewolod Pudowkin, wie Eisenstein Regisseure und zugleich Filmtheoretiker, sind ebenfalls mit Texten vertreten, an deutschsprachigen Autoren jetzt nur noch Rudolf Arnheim und Hugo Münsterberg. Letzterer fällt etwas aus dem Rahmen, da er sich mit den psychischen Rezeptionsbedingungen der Filmwahrnehmung befasst, diese aber ebenfalls als Kunstwahrnehmung verstanden. Als der Tonfilm sich durchsetzt, diskutieren die sowjetischen Filmautoren vor allem die These von »Parallelismus und Kontrapunktik«, Balázs entwickelt seine eigene Sicht der Dinge, Arnheim beteiligt sich an der sowjetischen Diskussion. Zum Farbfilm finden wir den berühmten, unvollendeten Brief Eisensteins an Lew W. Kuleschow, den er kurz vor seinem Tod begann. Auch hier wird mit der Parallelismus-Kontrapunktik-These gearbeitet. Ein Aufsatz von Rudolf Arnheim aus dem Jahr 1963 beschließt die vorliegende Sammlung etwas willkürlich. Obschon als Epilog gekennzeichnet und in durchaus aktueller Weise die nie endenden Wechselbeziehungen zwischen realer Welt (als Material) und ästhetischer Gestaltung (als Bild- bzw. Filmkunst) thematisierend, hätte dieser Beitrag auch wegfallen oder durch das Beispiel einer folgenden Etappe der Filmtheorie er-
setzt werden können, etwa durch einen Beitrag von André Bazin. Auch so wäre eine Verbindung zur Gegenwart entstanden. Dieser kleine Einwand soll das Verdienst und die Kompetenz des Herausgebers nicht schmälern. Er lässt uns durch seine Textauswahl teilhaben an lebendiger Filmtheoriegeschichte. VERENA BLAUM, Eching
Günter Bentele/Romy Fröhlich/Peter Szyszka (Hrsg.): Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Mit Lexikon. – Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005, 624 Seiten, Eur 44,90. Drei ausgewiesene PR-Professoren haben ein »Handbuch der Public Relations« ediert: der in Leipzig forschende und lehrende Günter Bentele, die in München unterrichtende Romy Fröhlich und der an der Zürcher Hochschule Winterthur tätige Peter Szyszka. Ein so renommiertes Dreigestirn lässt großes Kaliber erwarten. Die drei haben überdies drei Dutzend weitere anerkannte Experten aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz als Beiträger gewonnen; diese handeln auf jeweils rund einem Dutzend Seiten insgesamt 41 Sachgebiete ab und machen zum Schluss vertiefende Lektüreofferten. Das spricht für einen breiten, umfassenden Horizont. Die mehr als 600 Buchseiten bieten außer Texten mit ganz wenigen eingestreuten Tabellen und Schemazeichnungen sowie einem Register überdies ein Lexikon gängiger PR-Begriffe. Das deutet auf alles hin, was ein Handbuch üblicherweise verspricht: einen Gesamtüberblick über eine Branche, fundiert, umfassend, aktuell, anwenderfreundlich. All das leistet dieses Buch auf hohem Niveau auch und ist trotzdem kein Handbuch der Public Relations. Das hat einen einfachen Grund: »Ziel der Herausgeber war es« nach deren Worten nämlich, »ein Handbuch vorrangig für den Einsatz im akademischen Bereich als Grundlage für Forschung und Lehre zu konzipieren.« Seine Zielgruppe sind vor allem Studenten. Sie erhalten hier, wie das Vorwort verspricht und das Buch umfassend einlöst, ein »grundlegendes Einführungswerk in theoretische und berufliche Grundlagen von Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit«. Es nähert sich der PR zunächst aus den Blickwinkeln der Kommunikationswis-
Buchbesprechungen senschaft, der Organisationssoziologie, der Sozialpsychologie, der Wirtschafts- sowie der Politikwissenschaft, erörtert danach die Problematik von PR-Definitionen und liefert Praktikertheorien sowie wissenschaftliche Theorieansätze aus u. a. systemtheoretischer, konstruktivistischer, rekonstruktiver oder organisationsbezogener Sicht. Dann stellt es vor einem kurzen Querverweis auf amerikanische Einflüsse auf das PR-Verständnis so genannte Ansätze mittlerer Reichweite dar, unter ihnen die Determinationsthese, das Intereffikationsmodell, das PR-Verständnis im Marketing oder das Modell der verständnisorientierten Öffentlichkeitsarbeit. Es handelt Schlüsselbegriffe ab wie z. B. Kommunikation und Persuasion, Identität und Image, Vertrauen und Glaubwürdigkeit, öffentliche Meinung und Issues Management. Es summiert die PR-Berufsgeschichte auf und bezieht dabei, was besonders erwähnenswert ist, ausdrücklich auch die frühere sozialistische Öffentlichkeitsarbeit in der DDR mit ein. Es analysiert Berufsrollen und Berufsbilder der Öffentlichkeitsarbeit von der Wirtschaft über die Verbände und die Politik sowie die Öffentliche Hand bis zur Non-Profit-PR. Es umreißt Aufgabenfelder kommunikativen Handelns, Konzeptionen strategischer PR-Arbeit, den Bereich der Krisen-PR und das Thema Wertschöpfung von Kommunikation und vergisst nicht einmal juristische und ethische Rahmenbedingungen kommunikativen Handelns. Noch Wünsche? Ja; denn das Buch wendet sich »auch an die Berufspraxis«, in der es »vorhandene Skepsis gegenüber der notwendigen wissenschaftlichen Fundierung von Kommunikationsarbeit und Kommunikationsmanagement abbauen« soll. Dass es diese Fundierung ermöglicht, ist das große Verdienst dieses Buches. Themen des Kommunikationsmanagements spricht es auch an, aber mit notwendig weniger Tiefgang. Es berührt Fragen der Macht von PR (»Von Mediengesellschaft kann man« Klaus Merten zufolge »immer dann sprechen, wenn es nicht prinzipiell, sondern laufend möglich ist, dass Fiktionen faktische Wirkungen ausüben oder als Fakten definiert werden können« – Merten sieht hier zu Recht »Weiterungen, deren Grenzen noch gar nicht absehbar sind«) und Fragen ihrer Ohnmacht (so liefert Susanne Femers eine wohlbegründete »Absage an den Allmachtsmythos der kommunikativen Beeinflussung«). Es spricht in seinem Lexikonteil von PR-Zielen als »Punkt, Ort oder Zustand, den Akteure mit ihren Tätig-
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keiten erreichen wollen«, aber nennt konkrete nur beiläufig (Bekanntheit, Publizität, Image, Reputation, Verkauf etc.). Das Lexikon referiert über Verkaufsförderung, was kaum in ein PR-Handbuch gehört, nicht aber über den der PR näher liegenden Begriff Marketing. Insgesamt handelt es sich trotzdem um einen exzellenten Überblick wissenschaftlichen Denkens rund um die Querschnittsaufgabe PR. Hätte der Verlag das Buch zutreffend »Handbuch PR-Forschung« oder ähnlich genannt, hätte er ein – wenn auch vielleicht verkaufsförderndes – Missverständnis vermieden.
GERNOT BRAUER, München
Gunnar Krüger: »Wir sind doch kein exklusiver Club!« Die Bundespressekonferenz in der Ära Adenauer. – Münster etc.: LIT Verlag 2005, 237 Seiten, Eur 19,90. Die 1950er Jahre sind wieder interessant geworden für die Deutschen, die in den Wirtschaftswunderjahren nach Rezepten für die aktuelle Krise suchen. Gunnar Krüger untersucht einen Ausschnitt der Gründerzeit, der für ein kleines Publikum von besonderem Reiz ist. Sein Buch über die Bundespressekonferenz in der Ära Adenauer beschreibt die Anfänge einer Beziehung, die bis heute hält und grundsätzlich mit Konflikten aufgeladen ist: die zwischen Politik und Medien. In Bonn, der kleinen Stadt am Rhein, die für 50 Jahre provisorischer Regierungssitz wurde, weil Konrad Adenauer seinen Rosengarten in Rhöndorf liebte, bildeten sich förmliche Rechte und informelle Gepflogenheiten dieser öffentlichen Ehe heraus. Krügers Buch verschafft dem professionell interessierten Leser das Vergnügen jeder neugierigen und faktenreichen Geschichtsarbeit. Wer meint, alles Wesentliche schon zu wissen, begreift noch einmal, dass es auch anders hätte kommen können, wenn sich nicht von der ersten Stunde an Menschen über das normale Maß hinaus engagiert hätten: für die Pressefreiheit. Das neue Haus der Bundespressekonferenz in Berlin steht im Wortsinn auf der Mauer. Eine blasse Linie im Innenhof und eines der wenigen erhaltenen originalen Mauerstücke neben dem Gebäude machen deutlich, dass es an diesem Ort vor wenigen Jahren noch keine freie Presse gab. Voller Stolz weisen die Vorstandsmitglieder der
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Bundespressekonferenz ihre Gäste darauf hin, dass deutsche Journalisten aus der Geschichte gelernt haben. Nie wieder unter staatlicher Bevormundung, habe es nach 1945 geheißen, und deshalb gebe es die ungewöhnliche Konstruktion der Bundespressekonferenz: keine regierungsamtliche Einrichtung, sondern ein freier Zusammenschluss der Korrespondenten. Anders als im Weißen Haus in Washington leiten in Berlin Journalisten die Regierungspressekonferenzen, erteilen ihren Kollegen das Wort und bestimmen darüber, wer teilnehmen darf. Das ist die Wahrheit. Nur nicht die ganze. Der historische Bruch zur Nazi-Zeit war gewollt, aber in Richtung einer staatsunabhängigen Organisationsform drängten nicht nur deutsche Journalisten, sondern auch die Alliierten. Eine Pressekonferenz in Regie der Bundesregierung wäre von den »Besatzungsjournalisten« nicht geduldet worden, erinnert sich einer der Zeitzeugen, die Krüger befragt hat. Eine unabhängige Struktur, weist Krüger nach, war auch für die Bundesregierung eine »Entlastung«, in den Jahren der Anfangsschwierigkeiten die »arbeitsökonomischste Form, Journalistenfragen zu beantworten«. Das grundsätzliche Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Öffentlichkeit auf kritische Information und dem der Politik auf positive Darstellung begleitete die 50er Jahre. Schon damals gab es die Klagen der Politik über die Qualität der Korrespondenten, aber auch die Anstrengungen der Medien selbst, die um Professionalität und Standards in den eigenen Reihen kämpften. Die Nazi-Vergangenheit, übrigens auch die von Journalisten, die Spiegel-Affäre und ihre Vorläufer in Bonn, schließlich das Verhältnis der Bundespressekonferenz zu DDR-Medienvertretern waren die großen Konflikte der 50er Jahre. Vieles daran trug den Stempel der unmittelbaren Nachkriegszeit und des Kalten Krieges. So sind die festen Parteibindungen von Journalisten, die wie die Politik in klare Lager geteilt waren, längst hinfällig. Doch formten diese Konflikte auch Strukturen zwischen Politik und Medien, die bis heute nachwirken. »Wie kommt die Regierung eigentlich dazu, immer dann zu Pressekonferenzen zu erscheinen, wenn die Bundespressekonferenz es für richtig hält?«, fragt der stellvertretende Regierungssprecher Werner Krueger 1957 ein Vorstandsmitglied der Bundespressekonferenz. Damals war noch umkämpft, was heute feststeht. Seit 1955 stehen die Sprecher der Bundesregierung dreimal in der Woche den Korrespon-
denten Rede und Antwort. Die Regelung garantiert – von der großen Öffentlichkeit kaum bemerkt – einen direkten Informationszugang der Berliner Parlamentskorrespondenten zu Ministerien und Kanzleramt. Reinhard Appel, in den frühen 60er Jahren Vorsitzender der Bundespressekonferenz, hat ein Vorwort beigesteuert. Tröstlich, dass schon Konrad Adenauer, der Kanzler mit der Vorliebe für »Teegespräche« im Kreise vertrauter Journalisten, die Presse mit rheinischem Spott bedachte. »Na«, fragt der Kanzler im Vorübergehen einen Korrespondenten, »hab’n Se wieder doppelt verdient – erst an ’ner Falschmeldung, dann am Dementi?« TISSY BRUNS, Berlin
Peter Glotz/Stefan Bertschi/Chris Locke (Hrsg.): Thumb Culture. The Meaning of Mobile Phones for Society. – Bielefeld: Transcript Verlag 2005, 293 Seiten, Eur 27,80. Joachim R. Höflich/Julian Gebhardt (Hrsg.): Mobile Kommunikation. Perspektiven und Forschungsfelder. – Frankfurt am Main etc.: Peter Lang 2005, 252 Seiten, Eur 39,80. Klaus Baier: UMTS in Europa. Analysen zur Diffusion und Adoption in der Aufbauphase. – Münster etc.: LIT Verlag 2005 (= Reihe: Geographie der Kommunikation; Bd. 5), 272 Seiten, Eur 23,90. Vor wenigen Jahren konnte man noch mit gutem Recht sagen, dass es zum Mobiltelefon kaum sozial-, kultur- oder kommunikationswissenschaftliche Forschung gibt. Dieses Defizit wurde inzwischen deutlich abgebaut, vor allem in der englischsprachigen Welt. Das Forschungsgebiet war von Anfang an international ausgerichtet, jedoch dominieren hier einmal nicht die Amerikaner, sondern die Europäer. Typisch für das Forschungsfeld ist aber auch, dass zwei Sorten von Beiträgen häufiger vorkommen: zum einen gewagte zeitdiagnostische Spekulationen, bei denen der Eindruck entsteht, dass wir uns mit diesem kleinen Gerät nicht nur eine neue Kommunikationsform erschlossen hätten, sondern gleich in eine völlig neue Epoche der Menschheitsgeschichte eingetreten seien. Die empirische Basis solcher Überlegungen ist dabei oft sehr dünn. Auf der anderen Seite gibt es eine Fülle solider
Buchbesprechungen Empirie darüber, wie lange, wann, wo und wozu die Leute ihr Gerät benutzen – aber man weiß nicht recht, ob man dadurch etwas Interessantes erfährt – oder mehr, als man ohnehin weiß, durch eigene Erfahrung mit dem Telefonieren. Zwei der hier zu besprechenden Publikationen – die beiden Sammelbände »Thumb Culture« (Die Erstauflage erschien, obwohl in der Schweiz organisiert, ganz in englischer Sprache; eine deutsche Übersetzung ist für Anfang 2006 angekündigt.) und »Mobile Kommunikation« – decken einen großen Teil des breiten Spektrums sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung ab, das typisch ist für dieses Forschungsgebiet. Viel ist inzwischen schon geschrieben worden zum Erreichbarkeitsdilemma, zur Flexibilisierung der Kommunikation, zur Bedeutung des Handys für die Mikro-Koordination im Alltag, zur Störung der Kommunikation im öffentlichen Raum, zur SMS-Kultur. Eine Reihe von Autoren, die auch hier vertreten sind, publizieren seit Jahren zu diesen Themen. Sie stammen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, und viele von ihnen sind in irgendeiner Form mit der Telekommunikationsbranche verbunden, die auch zahlreiche Studien gesponsert hat. Leopoldina Fortunati aus Italien ist in beiden Sammelbänden vertreten und liefert interessante Überlegungen zum Mobiltelefon als Mode-Accessoire und zur Kreativität der Konsumenten beim Entdecken von neuen Verwendungsweisen des Geräts. Leslie Haddon aus Großbritannien, der auch schon seit Mitte der 1990er Jahre in dem Feld aktiv ist, bilanziert die kurze Geschichte der digitalen Telefonie unter der Frage, wie sich die Kommunikationsprobleme dabei verschoben haben. Richard Ling, ein Amerikaner in Norwegen, befasst sich mit der Störung des öffentlichen Raums durch das eindringende Kommunikationsmedium. James Katz aus den USA macht sich Gedanken über die nächste Phase der Forschung zum Mobiltelefon. Richard Harper und Phil Gosset bieten interessante Einblicke in die Praxis des Handy-Gebrauchs in jugendlichen Subkulturen, wo es sich immer mehr zu einem Kontrollorgan des Zugangs zur Gruppe entwickelt hat. Joachim Höflich hat bereits einiges zur SMS-Kultur veröffentlicht und berichtet hier u. a. über Unterschiede der Praktiken des öffentlichen Telefonierens in vier europäischen Ländern. Außerdem legt er einen grundlegenden Beitrag zur Medientheorie vor. Auch Hans Geser ist in beiden Sammelbänden vertreten mit interessanten Spekulationen über gesellschaftliche
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Veränderungen, die allerdings manchmal doch in der Luft hängen. Wie manche andere auch, sieht er Tendenzen der Renomadisierung und betont insbesondere den regressiven Charakter der mobilen Kommunikation, eine Art Rückkehr zu tribalen Kommunikationsverhältnissen. Geser ist ausgesprochen optimistisch, was die subversive Kraft des Geräts betrifft: Er glaubt, die großen formalen Organisationen wären tendenziell gezwungen, ihre modernen Ordnungs- und Zeitstrukturen aufzugeben. In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegungen des ungarischen Philosophen Kristóf Nyíri: Er betrachtet den Erfolg des Mobiltelefons als Zeichen einer Wiedergewinnung nichtentfremdeter Kommunikation in der Postmoderne, ein Zurückdrängen von Schrift und Rationalität. Bei insgesamt fast 30 Artikeln in den beiden Sammelbänden können hier natürlich nur wenige Beiträge gewürdigt werden. Lesenswert sind jedenfalls auch einige Texte über afrikanische und asiatische Telefonkulturen in »Thumb Culture« (der Ausdruck stammt übrigens von einer Befragten aus China), weil sie deutlich machen, dass einige Charakteristika der mobilen Kommunikation, die hierzulande als quasi-natürliche Eigenschaften der Technik angesehen werden, typische Phänomene des westlichen Individualismus sind. Deutlich aus dem bisher skizzierten Rahmen fällt das dritte hier zu besprechende Buch, eine Monographie von Klaus Baier, die sich mit einer speziellen technisch-ökonomischen Entwicklung im Telekommunikationssektor befasst, der Einführung von UMTS. Diese neue Technologie der »dritten Generation« (3G) wurde in Deutschland durch eine spektakuläre Versteigerung der Lizenzen und heftig propagierte Zukunftsvisionen einer durch sie möglichen neuen Lebensweise (digital lifestyle) bekannt. Das Anliegen des Autors ist, die Marktdurchsetzungs- und Gewinnchancen der Unternehmen abzuschätzen, die auf die UMTS-Technik gesetzt haben. Seine Perspektive ist die des Marketing, seine Hauptsorge gilt daher der Frage, ob sich die Lizenznehmer nicht übernommen haben. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, wie sie in den beiden Sammelbänden zu finden sind, sind ihm fremd. Daraus ergeben sich eine Reihe gravierender Einschränkungen hinsichtlich der Brauchbarkeit dieses Buches für Kommunikations-, Kulturund Sozialwissenschaftler (abgesehen von einigen anderen gravierenden Mängeln des Buches und einer weitgehenden Beschränkung auf Internet-Quellen im Literaturverzeichnis).
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Auch in dem Sammelband »Thumb Culture« ist die Perspektive der Industrie in einigen Artikeln vertreten, zwei davon seien noch kurz vorgestellt. Paul Golding gehört zu den Optimisten in diesem Feld. Für ihn ist klar: Der Übergang zu 3G ist ein Schritt ins goldene Zeitalter. 3G ist nicht einfach eine neue Technologie – es ist eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte, eine kulturelle Revolution. Golding gehört zu jenen, die sich kaum vorstellen können, dass es Leute gibt, die nicht sehnlichst auf die neuen »Applikationen« und Datendienste warten, zum Beispiel auf die Möglichkeit, alles speichern zu können, was wir den ganzen Tag über palavert haben. Golding sind angesichts solcher Möglichkeiten kulturkritische Bedenken natürlich fremd. Solche Bedenken interessieren zwar auch Nick Foggin nicht, der ebenfalls die Perspektive der Unternehmen vertritt. Aber er hält einen Großteil dieser Perspektiven (der Techniker und des Marketing) für völlig falsch. So ist für ihn zum Beispiel die Suche nach der »killer application« ebenso unsinnig wie die Vorstellung, mit dem Handy sollte jedes Konsumbedürfnis abgedeckt werden. Statt verzweifelt nach neuen Applikationen zu suchen und den Kunden einzureden, sie bräuchten irgendwelche seltsamen Dienste, sollten sie sich lieber auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, nämlich das Telefonieren. Da sei noch viel zu verbessern. Fazit: Am interessantesten ist das vom inzwischen leider verstorbenen Peter Glotz mitherausgegebene Buch »Thumb Culture«. Es ist vielschichtig, enthält soziologisch, kommunikationstheoretisch, kulturtheoretisch und ökonomisch orientierte Beiträge. Einige Autoren praktizieren dabei Interdisziplinarität zwischen Technik und Philosophie oder zwischen BWL/Marketing und Kulturtheorie. Auch sind viele Beiträge nicht allzu lang, diesem Thema durchaus angemessen – gewissermaßen ein Short Message Service. Der Glotz-Band ist nicht nur wegen der Sprache, sondern auch wegen einiger Beiträge, die sich mit der Situation in Afrika, Asien und Australien befassen, stärker am internationalen Publikum orientiert. Auch das von den beiden Kommunikationswissenschaftlern Höflich und Gebhardt herausgegebene Buch »Mobile Kommunikation« enthält eine ganze Reihe interessanter Beiträge. Zumindest manche von ihnen bieten gute Ansatzpunkte für allgemeine kommunikationstheoretische und gesellschaftsdiagnostische Diskussionen. Insgesamt ergänzen sich die beiden Sammelbände gut, während die UMTS-
Monographie deutlich abfällt und nur für wenige Spezialisten nutzbringend sein dürfte.
GÜNTER BURKART, Lüneburg
Hartmut Winkler: Diskursökonomie. Versuch über die innere Ökonomie der Medien. – Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004 (= Reihe: suhrkamp taschenbuch wissenschaft; Bd. 1683), 258 Seiten, Eur 11,–. Hartmut Winkler rückt in seiner »Diskursökonomie« Kommunikation signifikant in den Mittelpunkt seiner Ausführungen über Medien und ihre Funktionsweisen. Die zentrale Argumentationsfigur des Buches ist die Gegenüberstellung von Medienerzeugnissen, die Winkler prägnant als Speicher von Kommunikationsakten konzipiert, mit den kommunikativen Handlungen selbst. Die Grundthese seiner Monographie sieht in Medien und in Diskursen die gleichen Mechanismen am Werk wie in der Ökonomie – Zirkulation und Tausch. Sein Anliegen ist es, »ausgehend von der technischen Reproduktion nach den Quantitäten des zirkulierenden Materials zu fragen« (S. 15). Was er also konzipiert, ist eine »politische Ökonomie der Zeichen und der Diskurse« (S. 250), die sich, wie die politische Ökonomie die Mechanismen der Warenzirkulation, mit den vergleichbaren Mechanismen im Feld der Symbole und Zeichen auseinandersetzt. Diese Idee zieht ihre Spannung aus der Parallelisierung von Medieninhalten und Geld auf der Basis des Tausches, der in Winklers Theoriegebäude sowohl Medien als auch Wirtschaft konstituiert. Der Unterschied besteht für den Paderborner Medienwissenschaftler nicht in den Strukturen der beiden Formen Ökonomie und Medien (beide basieren auf Zirkulation), sondern in den Gegenständen des Strukturprinzips – den Gütern auf der einen, den Zeichen auf der anderen Seite. Um die aufgezeigte Diskrepanz theoretisch zu überwinden und die Konzepte zusammenzuführen, bemüht Winkler den in den Cultural Studies viel diskutierten Begriff der Performativität. Winkler gelingt es, seine »Diskursökonomie« auf einen systematischen Unterbau von grundlegenden Begriffen aufzusetzen, die ausführlich hergeleitet und im Kontext der weiteren Begriffe verortet werden. Die systematische Begriffsarbeit, die Winkler vor allem in den ersten zwei Kapiteln des Buches leistet, um seine Grundthese zu entwickeln, ist insgesamt der stärkere Teil
Buchbesprechungen der Abhandlung, gibt sie doch an Diskursanalysen interessierten Forschern ein begriffliches Instrumentarium an die Hand, Parallelen von Ökonomie und Diskurs vertieft zu untersuchen. Die Schwäche des Buches offenbart sich hingegen da, wo er seine theoretischen Überlegungen zu Zirkulation, Tausch und Medium aus den Sphären der Theorie auf die konkrete Ebene der Gesellschaft »herunter zu brechen« versucht. Seinen ausgefeilten Überlegungen zu Zeichen und Geld folgt so die keineswegs neue Einsicht, dass »Schuld Gesellschaft konstituiert« (S. 44), eine Überlegung, die spätestens seit Georg Simmels Philosophie des Geldes bekannt sein dürfte. Es ist auch keineswegs einleuchtend, dass im weltgesellschaftlichen Kontext der Gegenwart, in dem, wie Rudolf Stichweh prägnant herausarbeitet, die Andersheit der Menschen zu einer universellen sozialen Erfahrung wird, das »Normale« innigster Wunsch der Individuen sei, wie Winkler mit Bezug auf Jürgen Link behauptet. Dessen ungeachtet dürfte Hartmut Winklers Monographie Eingang in die theoretische Diskussion finden – ist doch das Grundprinzip des Buches, das Mediale als den Austausch von Symbolen zu konzipieren, nur zu geeignet, Kommunikation in den Mittelpunkt theoretischer Betrachtungen zu rücken. Als Problem bleibt die Anwendbarkeit seiner theoretisch ausgefeilten Ausführungen, die aufgrund ihrer Komplexität in der empirischen Forschungspraxis nur schwerlich Verwendung finden können. Der Gebrauchswert der sehr lesenswerten Abhandlung liegt daher insbesondere in ihrem Charakter als Fundgrube theoretischer Begriffe. Hervorzuheben ist abschließend die Tatsache, dass der Autor das Buch kostenlos als Pdf-Datei im Internet veröffentlicht hat. Dies ist eine nur konsequente Fortführung der Leitfrage nach den Quantitäten des Zirkulierenden.
PETER DIRKSMEIER, Bremen
Hans Hafenbrack: Geschichte des Evangelischen Pressedienstes. Evangelische Pressearbeit von 1848 bis 1981. – Bielefeld: Luther-Verlag 2004 (= Reihe: Evangelische Presseforschung; Bd. 5), 663 Seiten, Eur 42,90. Geschichte habe die Aufgabe, unser Verständnis von Vergangenheit im Lichte der Gegenwart und von Gegenwart im Lichte der Vergangenheit zu
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fördern. Dies formulierte vor 25 Jahren Adam Schaff, nach Auffassung des deutschen Geschichtsphilosophen Hans-Georg Faber ein unorthodoxer Marxist, dessen Polemik gegenüber der Kritischen Theorie nach 1968 nur schlecht verhüllt war. Was hat das mit dem vorliegenden Buch zu tun? Zweierlei: Hafenbrack schildert, dass nach 1968 konservative Kreise den Evangelischen Pressedienst (epd) als linkslastige Nachrichtenagentur tituliert haben. Dieser Verruf gemahnt an gesellschaftspolitische Positionen konservativer Historiker. Gleichzeitig erinnert die Arbeit von Hafenbrack an den Satz von Schaff, aber auch an den Appell »linker« Historiker, Geschichte als demokratischen Auftrag zu betrachten. Das Hauptinteresse des Buchs, das vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) herausgegeben wurde, gilt der Frage, ob eine journalistisch unabhängige evangelische Nachrichtenagentur möglich ist. Hafenbrack, 1936 geboren, Absolvent der Theologie, von 1981 bis 1998 Chefredakteur der epd-Zentralredaktion, präsentiert demnach mehr als eine Chronik der evangelischen Pressearbeit. Er beschreibt und bewertet die Spannungen zwischen journalistischer Freiheit der Redaktion, Einfluss des Herausgebers und Verpflichtung gegenüber den Beziehern. Auf diese Weise gelingt es ihm vorbildlich, die Entwicklung einer Kommunikationsinstitution bis zu seinem Antritt als Chefredakteur aufzuzeigen. Der Schwerpunkt liegt bei den Kapiteln über die Jahre 1933 bis 1941. In den vorangehenden erörtert Hafenbrack die Frage, inwiefern der epd eine widerstandsfähige Grundhaltung entwickeln konnte, die eine Distanz zum NS-Regime ermöglicht hätte. In den Abschnitten über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt ihn, welche Konsequenzen der epd aus seinem Verhalten während des »Dritten Reichs« gezogen hat. In methodischer Hinsicht basiert die Arbeit auf einer qualitativ angelegten inhaltsanalytischen Betrachtung des epd und archivalischer Kärrnerarbeit, die eines kritischen Umgangs mit Vergangenheit bedarf, um tradierte Darstellungen entlarven zu können. Auf eine Fortführung der Geschichte bis in die Gegenwart verzichtet Hafenbrack angesichts der Chronik »Der Weg der kirchlichen Pressearbeit von 1933 bis 1950«, die Focko Lüpsen (Chefredakteur des epd von 1933 bis 1966) 1950 verfasst hatte, dem Argument geschuldet: »Der Mißbrauch der Geschichte für eigene Zwecke sollte sich nicht wiederholen.« (S. 18) Geschich-
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te sine ira et studio zu schreiben – diesem Ideal einer Geschichtsschreibung ist Hafenbrack nicht verpflichtet. Er demaskiert vielmehr Teile dieser Chronik, er deckt deren Fälschungen, Verbiegungen und Verheimlichungen auf, ohne aber je zu moralisieren. Den Angelpunkt für seine Geschichte stellt die Behauptung Lüpsens dar, dass der epd 1937 verboten und danach in die Illegalität gedrängt worden sei. Diese Version geisterte 50 Jahre lang in mehreren pressegeschichtlichen Darstellungen fort, fern jedweder Quellenkritik. Selbst Jürgen Wilke unterlag ihr, ohne zu wissen, dass damit das Kalkül von Lüpsen aufging, nichts solle über seine Aktivitäten im »Dritten Reich« öffentlich aufkommen. Faktum hingegen ist, wie Hafenbrack nachweist, dass der epd bis 1941 erschienen ist und im Dienst der NS-Propaganda gestanden hat, inklusive antisemitischer Grundhaltung. Anhand weiterer Fakten ist der Arbeit zu entnehmen, dass Lüpsen aus seiner Hitler-Verherrlichung keinen Hehl gemacht und Gebete in den ersten Kriegausgaben des epd ausgewählt oder formuliert hatte, in denen der christliche Opfergedanke zum Soldatenmythos umfunktioniert und der Gottesdienst mit dem Kriegsdienst identifiziert wurde. Hafenbrack charakterisiert diese Gebete als Fortsetzung der NS-Propaganda mit liturgischen Mitteln. Obwohl Lüpsen überdies Zensor von religiösen Schriften für die Wehrmacht gewesen war, stilisierte er sich in der Nachkriegszeit mit einem Arsenal von Schutzwällen zum unangepassten Oppositionellen. Dieser eigentümlichen Selbstdarstellung steht nun endlich entgegen, dass er ein Opportunist aus Ehrgeiz gewesen ist. Hafenbrack übernimmt damit eine Bezeichnung, die Horst Pöttker 2002 in seiner Typologie von Verhaltensweisen im NS-Regime und danach entwickelt hat. Fruchtbar ist der Boden also, den er schuf. Dass Karl O. Kurth, Vorstand des 1942 eröffneten Instituts für Zeitungswissenschaft der Universität Wien, 1945 relegiert und in der Nachkriegszeit u. a. leitender Mitarbeiter des Göttinger »Forschungsinstituts für Publizistik«, von Lüpsen gebeten wurde, ihm bei der Abfassung seiner Chronik an die Hand zu gehen, erweitert den fachhistorischen Blickwinkel. Dass er einen ausgewiesenen NS-Zeitungswissenschaftler offensichtlich erfolgreich darum ersucht hatte, wie Hafenbrack aus Textpassagen ableitet, lässt Kontinuitäten sichtbar werden, die andere Rezensenten möglicherweise leichthin als nebensächlich abtun würden.
WOLFGANG DUCHKOWITSCH, Wien
Caroline Fehl: Europäische Identitätsbildung in Abgrenzung von den USA? Eine Untersuchung des deutschen und britischen Mediendiskurses über das transatlantische Verhältnis. – Münster etc.: LIT Verlag 2005 (= Reihe: Forschungsberichte Internationale Politik; Bd. 32), 124 Seiten, Eur 14,90. Der empirische Kern der vorliegenden Studie handelt von der relativen Häufigkeit positiver und negativer Identifikationen mit den USA in den Beiträgen je einer konservativen und einer liberalen Tageszeitung in Deutschland bzw. in Großbritannien im Jahr 2001. Ihr theoretischer Bezugsrahmen ist viel allgemeiner. Es geht um die Frage, ob man von einer wachsenden transatlantischen Entfremdung reden kann. Sie wird im Hinblick auf einschlägige, vor allem qualitative Literatur zum Thema gestellt und in Bezug auf zwei Theorien operationalisiert: zum einen die sozialpsychologische Theorie kollektiver Identitätsbildung, zum anderen die konstruktivistische Theorie der – antagonistischen, aber auch positiven – Rollenidentitäten in internationalen Beziehungen. Über diese Positionen hinaus entwickelt die Autorin das bisher noch nicht genug beachtete Konzept der »Gegenidentitäten« als relevant für eigene Politik und »Wir-Gefühl«. In einer umfangreichen Literaturrecherche findet sie diesen Mechanismus auf europäischer Seite wirksam in Zeiten des Kalten Krieges und heute verstärkt Richtung Südosten bzw. Islam, aber nicht unbedingt Richtung Westen – das Konzept »Westen« gelte vielmehr nach wie vor als Stifter gemeinsamer Werte. Um aber den schon um die Jahrtausendwende zahlreicher werdenden Argumenten bezüglich eines wachsenden Anti-Amerikanismus auf den Grund zu gehen, wurde die vorliegende Untersuchung durchgeführt. Dazu waren mehrere Einschränkungen nötig: Die Analyse beschränkt sich auf den Mediendiskurs. Innerhalb dessen greift sie auf Tageszeitungen zurück. Konkret werden zwei Leitmedien in zwei wichtigen europäischen Ländern verglichen, und zwar in nur einem Jahr (wenn auch einem wichtigen: in dessen letztem Drittel liegt der 11. September). Die Beschränkungen werden methodisch bzw. pragmatisch begründet und durch das intelligent entwickelte Konzept der Kodierung der Zeitungsbeiträge teilweise aufgehoben. Die auf Erving Goffman beruhende Frameanalyse erlaubt eine brauchbare Zuordnung von Tendenz und
Buchbesprechungen Haltung der jeweiligen Artikel. Durch diese genaue – manchmal wohl etwas redundant vorgetragene – Vorgangsweise dürften die Resultate als einigermaßen gesichert gelten. Sie lauten, dass (1) ein relatives Überwiegen negativer Identifikation keineswegs festgestellt werden kann und (2) sich darin die politischen Ausrichtungen der Medien (konservativ = noch positiver) stärker unterscheiden als ihre nationale Herkunft. Eine dritte Hypothese, betreffend die Zunahme von Anti-US-Ressentiments über einen längeren Zeitraum, konnte nicht überprüft werden – das allerdings hätte man schon vorher wissen können. Zu hinterfragen wäre vielleicht die Zuordnung der deutschen Zeitungen zu politischen Lagern: FAZ = konservativ, SZ = linksliberal. Zumindest was deren Feuilletons betrifft und das gegenseitige Abwerben dortselbst, scheinen die Grenzen doch eher verwischt. Ein wie großes Gewicht diese Beiträge gehabt haben, lässt sich der Lexis-Nexis-Recherche ebenso wenig entnehmen wie, so die Autorin, »die durchschnittliche Anzahl der in einer Ausgabe enthaltenen Artikel«. Das sollte aber ein kurzes Abzählen in einigen Ausgaben schon beantworten können. Für ein letztes Problem kann niemand etwas: dass die fünf Jahre alten Daten nicht mehr relevant sein dürften. Dies trifft auf viele gründliche Studien zu, und die Autorin weist selber den Weg zu weiteren Untersuchungen »over time« und unter Einschließung mehrerer Indikatoren für die sich entwickelnde Stimmung zwischen den beiden Machtblöcken.
MICHAEL FREUND, Wien
Aurora Wallace: Newspapers and the Making of Modern America. A History. – Westport (CT), London: Greenwood Press 2005, 215 Seiten, USD 49,95/GBP 28,99. Nur als Gedankenspiel: Wie viele Seiten, wie viele Bände würde ein deutschsprachiges Projekt mit vergleichbarem Anspruch im Titel beanspruchen? Aurora Wallace, Assistant Professorin an der New York University, braucht knapp 190 Seiten und sie betreibt dennoch keinen Etikettenschwindel: Klar strukturiert, immer problemorientiert und spannend zu lesen, beschreibt sie den historischen Beitrag der Zeitungen für die Entwicklung des modernen Amerika. Um ihren
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spezifischen Fokus zu verdeutlichen, muss sie zunächst klären, dass sie keine Geschichte der Presse mit Anspruch auf Vollständigkeit anstrebt, nicht die Leistung der Presse zum »nation building« und ebenso wenig die Krise der Gattung durch Konzentration, Kommerzialisierung, inhaltliche Verarmung, Netz-Konkurrenz und Verlust der Leserschaft analysieren will. Und doch spielen auch alle diese Fragen eine Rolle. Ihr zentrales Erkenntnisinteresse ist »the newspaper as a change agent in the construction and maintenance of community and as a prime mover in enacting policy, supporting development, building neighborhoods, and generally modifying the physical and built environment« (S. 1). Unterschiedliche Zeitungstypen wurden aus unterschiedlichen Gründen zu unterschiedlichen Zeiten in lokalen und regionalen Räumen sowie landesweit wichtig, weil sie jene Funktionen erfüllten, die gerade gebraucht wurden. Ihre Eigentümer hatten großes Interesse an der Entwicklung der Stadt oder der Region, sie setzten sich für Projekte und infrastrukturelle Verbesserungen ein, die der Allgemeinheit dienten. Manche profitierten aber auch direkt von solchen Engagements, etwa als große Grundbesitzer vom Zuzug und dem Ausbau der Vorstädte. Wallace unterscheidet sieben historische Konstellationen mit differierenden Raumdominanzen, Problemlagen und prototypischen Zeitungen: die Boulevardpresse der 1920er Jahre als Apologeten der Großstadt, die Orientierung schufen, Lebensstile und Sprache beeinflussten; die reform- und wertorientierten Kleinstadtzeitungen in den 1930er Jahren; die »Black Press« in den 40ern sowie regionale Zeitungen, die nach dem Krieg die neue Mobilität propagierten und zum Aufstieg der Suburbs beitrugen; später in den 1960ern die Alternativ- und Stadtteilzeitungen wie die ›Village Voice‹, wo der New Journalism etabliert, über Jugendkultur berichtet und solche gestaltet wurde. Heute stehen sie im Besitz von Medienkonzernen, die durch Pensionsfonds finanziert werden und stärker an Gewinnmargen interessiert sind als an publizistischen Leistungen und medialer Vielfalt für kleine Einheiten. Das letzte Kapitel widmet sich der überregionalen US-Presse: dem Weltblatt ›New York Times‹, der kritischen ›Washington Post‹, dem neoliberalen ›Wall Street Journal‹ und der an der TV-Ästhetik orientierten ›USA Today‹. Die Conclusio des Bandes: Zeitungen sind Institutionen in ihren Wirkungsbereichen. Sie dokumentieren, kommentieren und beeinflussen
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Entwicklungen als Beobachter und Akteure der Modernisierung. Und alle Nachrufe auf das Medium – so Wallace in ihrem empfehlenswerten Buch – scheinen verfrüht.
HANNES HAAS, Wien
Siegfried Weischenberg/Hans J. Kleinsteuber/ Bernhard Pörksen (Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. – Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2005 (= Reihe: Praktischer Journalismus; Bd. 60), 500 Seiten, Eur 34,90. Bob Franklin/Martin Hamer/Mark Hanna/Marie Kinsey/John E. Richardson: Key Concepts in Journalism Studies. – London etc.: Sage Publications 2005, 362 Seiten, Hardcover: USD 99,95/GBP 60,–; Paperback: USD 30,95/GBP 15,99. Handbücher, Enzyklopädien und Nachschlagewerke aller Art sind ideologische Produkte eines kulturspezifischen Milieus. Sie vermitteln einen systematischen Einblick in die Konstruktion und Definition von Begriffen und identifizieren die historischen und kulturellen Zusammenhänge der in diesen Werken exponierten Begriffswelten. Die vorliegenden Publikationen sind da keine Ausnahme. Das zeigt sich sowohl an ihrer Einschätzung und Bearbeitung von Inhalten – die sich entweder ausschließlich auf Journalismus (»Key Concepts«) oder auf eine medienwissenschaftliche Sicht vom Journalismus (»Handbuch«) beziehen – als auch an ihrem Verständnis von Leserschaft – Studierende (»Key Concepts«) bzw. Studierende und Medienpraktiker (»Handbuch«). Über diese Gemeinsamkeiten hinaus unterscheiden sich beide Werke jedoch in ihrem inhaltlichen und redaktionellen Verständnis. So kommen die »Key Concepts« dem Wunsch nach kurzer und präziser Information entgegen, während das »Handbuch« mit seinem wissenschaftlichen Anspruch ausführlicher definiert und systematischer beschreibt. Einerseits produzieren fünf Autoren einen gut koordinierten Text, andererseits arbeiten drei Herausgeber mit circa 100 Autoren an der Verwirklichung eines ambitiösen Vorhabens. Das »Handbuch« ist ein anspruchsvolles Unternehmen, nicht nur in Bezug auf die Organisation des Inhalts, sondern auch in dem Bemühen,
verschiedene Lesergruppen mit Hilfe von längeren Aufsätzen (und zahlreichen Literaturhinweisen) an die begrifflichen Bezüge zur Mediengesellschaft heranzuführen. Dabei stehen medienund kommunikationswissenschaftliche Konzepte wie »Nutzenansatz«, »Systemtheorie« oder »Two-step-flow of communication« neben professionellen Begriffen wie »Layout« oder »Lokaljournalismus« und vermitteln den Eindruck einer vielfarbigen Palette akademischer und professioneller Interessen. Die überwiegenden medien- oder kommunikationswissenschaftlichen Ansätze jedoch machen das »Handbuch« effektiv zu einem »Handbuch der Medienwissenschaft«, in dem Journalismus dem interessierten Leser vornehmlich aus der Perspektive wissenschaftlicher Interessen vermittelt wird – allerdings mit einem eng gefassten Verständnis von Medien, denn über Fernsehen, Presse und Hörfunk hinaus werden weder Fotografie noch Film – ganz abgesehen von Musik – entsprechend berücksichtigt. So wird das »Handbuch« auch zu einer Aussage über den Charakter der deutschen Kommunikationswissenschaft, die sich mit ihren vielförmigen Interessen und disziplinären Zuordnungen nur schwierig auf das Thema Journalismus reduzieren lässt. Häufige Bezüge zur amerikanischen Medienforschung verstärken diesen Eindruck und führen zu Problemen in der Wahl von Stichworten und Querverweisen (z. B. »Gender Studies« vs. »Geschlechterforschung« oder »Uses and Gratification« vs. »Nutzenansatz«). Während die einzelnen Beiträge in einer die Themen abdeckenden Form klar gegliedert sind (von »Definition/Begriffsbestimmung« bis »Ausblick«) und informativ zum Lesen anregen, zeigen sich redaktionelle Probleme in der eigentlichen Konzeption und Organisation des Handbuchs. So bildet die Wortkombination mit »Medien« (von »Medienethik« bis »Medienwirkung«) einen circa 80-seitigen Textblock, der nicht nur das Buch dominiert, sondern auch die Suche nach Stichworten erschwert (es gibt z. B. keine Verweise von »Ethik« auf »Medienethik«, von »Recht« auf »Medienrecht« oder von »Ökonomie« auf »Medienökonomie«). Im Gegensatz zu den »Key Concepts« fehlt dem »Handbuch« auch ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis. Dazu kommen undifferenzierte oder verallgemeinernde Stichworte, wie »Regulierung« oder »Verbände/Verein«, denen eine spezifische Zuordnung ebenso fehlt wie dem Beitrag »New Journalism«, der ohne Verbindung zum deut-
Buchbesprechungen schen Journalismus – oder zur Entwicklung des amerikanischen Journalismus, die sowieso nicht zum Thema des Handbuchs gehört – bezugslos bleibt. Besonders missglückt ist der Versuch, mit Beiträgen über nationale Mediensysteme eine internationale Dimension einzubringen, denn offensichtlich standen weder Raum noch Expertise ausreichend zur Verfügung, um diesen Anspruch zu erfüllen. So werden einzelne mitteleuropäische Länder (z. B. Frankreich, Spanien oder die Schweiz) intensiver beschrieben, während andere Länder pauschal unter »Osteuropa«, »Afrika«, »Asien« oder »Lateinamerika« ohne weitere Erklärung dieses Unterschieds abgehandelt werden. Das historische »Jugoslawien« erscheint in diesem kuriosen Sammelsurium von nationalen Mediensystemen als Stichwort mit Hinweis auf »Osteuropa« (im Gegensatz zu Nachfolgestaaten wie Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro oder Mazedonien), ohne dort jedoch erwähnt zu werden. Der Leser sollte von einem zeitgemäßen Handbuch zumindest eine Beschreibung der Mediensysteme der Europäischen Union erwarten können und nicht lediglich die Umsetzung einer Absicht, mit einem »guten Dutzend Länder- und Regionen-Artikeln« einen Hauch von »Kosmopolitismus« zu verbreiten (S. 9). Das genügt nicht für ein »Handbuch«, dessen Vorwort mit einem Verweis auf Diderots und d’Alemberts »Encyclopédie« von 1751 beginnt und das sich als Begleiter in Universität und Praxis sieht. Die vielfältigen Interessen von Journalismus und Medienwissenschaft im deutschsprachigen Raum sollten Anspruch auf ein klar konzipiertes Nachschlagewerk haben; der vorliegende Band erfüllt diesen Anspruch nur teilweise. Die »Key Concepts« dagegen sind ein redaktionell einheitliches Produkt mit einer klaren Zielsetzung, das inhaltlich eine durchgehend kurze (mit wenigen Literaturhinweisen) und leicht verständliche Beschreibung oder Definition als Einführung in die Begriffswelt des britischen Journalismus (von »absence« bis »yellow journalism«) bietet. Die Autoren haben ihre wissenschaftlichen Ansprüche dem Streben nach Verständlichkeit und Übersichtlichkeit nachgestellt, aber nicht verschwiegen. Der bescheidenere Einstieg in das Thema führt zu einem konsequenteren Ergebnis des zweiteiligen Nachschlagewerks, das aus einer Auflistung der Begriffe und einer Liste journalistischer Institutionen besteht. Zusätzlich werden technische Ausdrücke in einem Glossar erläutert.
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Die Autoren beschreiben, ähnlich wie die Herausgeber des »Handbuchs«, die wissenschaftliche Einbindung von Journalismus als Studienobjekt in »media, communication, and cultural studies«, gehen dabei aber gezielter vor. Vor allem wird die Relevanz theoretischer Konzepte (u. a. »ideological state apparatuses«, »ideology«, »hegemony« oder »intertextuality«) mit zusätzlichen Hinweisen auf medienwissenschaftliche Methoden (wie »content analysis« oder »discourse analysis«) betont. Das Resultat ist ein übersichtliches Nachschlagewerk für den am britischen Journalismus interessierten Leser, der sich mit den professionellen Institutionen und dem journalistischen Milieu vertraut machen will und gleichzeitig einen Ansatz zum Studium des Journalismus sucht. Die »Key Concepts« sind dafür ein guter Anfang. Beide Bände bieten ausreichend Gelegenheit, sich in die jeweils spezifische wissenschaftliche und professionelle Begriffswelt von Medien und Journalismus einzulesen, wobei die »Key Concepts« in sich geschlossener bleiben als das »Handbuch«, das in vielen Beiträgen ausführlicher ist, aber als Gesamtprojekt zu wünschen übrig lässt. HANNO HARDT, Ljubljana
Art Silverblatt/Nikolai Zlobin: International Communications. A Media Literacy Approach. – M. E. Sharpe: Armonk (NY), London 2004, 295 Seiten, Hardback: USD 72,95; Paperback: USD 27,95. The key contribution of this book, according to its authors, is to focus principles of media literacy on »the critical analysis of international communications« (p. xiii). Toward this end, Art Silverblatt and Nikolai Zlobin have produced a basic textbook for beginning students that is wide in scope but restricted to definition, description, and analysis devoid of critique. Although they consider media literacy to be a »critical thinking skill« that should position students to exercise independent judgments of media messages (p. 7), Silverblatt and Zlobin are meticulously technical in their treatment of the subject. The first half of the book covers approaches to international media literacy in four chapters, each consisting of a review of elements for analysis (rather than theories) followed by a summarizing list of lines of inquiry. Thus, the chapter on
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»process« as an approach to media literacy is divided into sections on function, media communicator, and audience; the chapter on »context« consists of separate sections on historical and cultural context; the chapter on »framework« covers affective response, narrative elements, and genre; and the chapter on »production elements« treats editing, translation, connotative image, infographics, music, and performance as its subcomponents. For the most part, the treatment of these topics and subtopics is straightforward with little conceptual elaboration and with each point illustrated by a simple, short example. The examples range widely, coming from Russia, India, Afghanistan, China, Iran, Palestine, Israel, the U.S., Thailand, Great Britain, Canada, Croatia, and many other parts of the media world. The second half of the book is dedicated to a comparative analysis of national media systems and a discussion of international advertising. The authors produce an outline of lines of inquiry for analyzing national media systems by quickly reviewing various political systems (totalitarian, democratic, and transitional), regulatory systems, ownership patterns, and additional considerations of geography, education, and religion. Perhaps the most interesting chapter is a set of nine brief case studies of national media systems (in China, Egypt, India, Jamaica, Japan, Moldova, New Zealand, Russia, and South Africa), written by different media scholars in response to a common set of questions. Juyian Zhang, for example, describes the »corporatization« of China’s broadcasting industry and press and its regulation of the internet, concluding that »China’s media industry is in a gradual transition from dry propaganda machine and ideological vehicle to lively, daring, market-oriented corporations« (p. 172). The limitation of the book’s approach is most clearly revealed in its final chapter, which is comprised of four samples of media literacy analysis. These student papers follow faithfully the elements outlined in the book, finding exactly what they are directed to look for and nothing more. The papers are inclined toward description and reiteration of analytical themes found in their textbook. One student, for example, comparing the 1997 Japanese film »Ringu« to its 2002 American remake »The Ring«, observes that the Japanese version tells a more nuanced story at a slower pace than the American version, an observation that parallels Silverblatt and Zlobin’s account of differences between a French Film and
its American remake. Like their teachers, these students have substituted a preset system of categorization for thoughtful media criticism and critique.
ROBERT L. IVIE, Bloomington (Indiana)
Andrea Grisold: Kulturindustrie Fernsehen. Zum Wechselverhältnis von Ökonomie und Massenmedien. – Wien: Erhard Löcker Verlagsgesellschaft 2004, 364 Seiten, Eur 29,80. Am Beispiel des Fernsehens wird in diesem Buch die besondere Logik kulturindustrieller Produktionsweisen in Gesellschaften vom heutigen technologisch und ökonomisch hoch modernisierten Typus untersucht, der immer mehr durch globalisierte Märkte bestimmt wird. Der besondere Vorzug der Untersuchung besteht darin, dass sie nicht bei einer begrenzten fachökonomischen oder medienökonomischen Analyse im engeren Sinne stehen bleibt. Vielmehr gelingt es der Autorin, in einem Durchgang durch einen weiten Bereich der Sozialwissenschaften bis hin zu den Cultural Studies und dem angelsächsischen Konzept einer kommunikationswissenschaftlich bestimmten »Political Economy« auf wichtige Grundfragen und weitergehende oder komplementäre theoretische Ansatzpunkte hinzuweisen, aus denen heraus Fragen an die industrielle Ökonomik zu stellen sind. Als analytisches Kernkonzept verwendet die Autorin einen erweiterten Begriff des Fordismus. Sie begreift darunter nicht zuletzt auch ein umfassendes System sozialer Regulierung sowie einen konstitutiven Zusammenhang von Lebenswirklichkeiten und lebensweltlichen Praxen. Einen wichtigen Teil dieser Erweiterung des Fordismus macht darüber hinaus die ästhetische Welt der Moderne aus. Massenmedien und der gesamte Bereich der Kulturindustrie spielen in dieser Betrachtung eine nicht unwesentliche Rolle in der Gesamtökonomie, weil sie ein zentrales Element nicht nur der Distribution und der Information, sondern auch der Konstitution von Bedürfnissen und Nachfrage innerhalb der Gesellschaften darstellen. In ihrem schlussfolgernden Teil kommt die Autorin zu einer fast nebensächlichen, doch wirkungsmächtigen Aussage: Es existiert ein konstitutiver Sektor ökonomischen Geschehens, der in der – insbesondere neoklassischen – »Main-
Buchbesprechungen stream-Ökonomie« (so der Begriff der Autorin) »noch immer weitgehend tabuisiert oder schlichtweg nicht thematisiert ist« (S. 283), nämlich ein Begriff der Produktion, der auf die konstitutiven Voraussetzungen jeder Gesellschaft als Einheit kultureller Produktion zurückgreift – oder zumindest an diese Ebene anzuschließen in der Lage ist. Anders gesagt: »Die ökonomische Position sowohl dem Phänomen wie auch dem Konzept Kultur gegenüber ist weithin unbestimmt bis prekär.« (ebd.) Die Autorin hält der von ihr so bezeichneten „Mainstream-Ökonomie“ daher einen Umgang mit dem Konzept Kultur vor, der hauptsächlich darin bestehe, diese zu ignorieren. Dabei ergibt sich aus den Gegenwartsentwicklungen des Post-Fordismus, dass in immer stärkerem Maße wichtige Bereiche der Wirtschaft gerade durch symbolische, also kulturell geprägte Formen des Marktgeschehens bestimmt werden. Die Feststellung muss demgemäß lauten, dass die Theorie- und Methodenbildung der Ökonomik gerade an diesem wichtigen Punkt offenkundig selbst gesteckte Barrieren nicht zu überschreiten vermag. Der Facettenreichtum dieser insgesamt als umfassende Literaturanalyse angelegten Arbeit wäre jedoch mit diesem einen wiedergegebenen Ergebnis nur unzureichend umrissen. Der Studie kommt es nicht auf ein einziges durchschlagendes Schlussargument an, sondern auf ein umfassendes Plädoyer für verstärkte Ansätze einer notwendigen Differenzierung und Vertiefung gerade des Diskurses zwischen sehr unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Das Lohnenswerte eines solchen Diskurses wird an Dutzenden von Beispielen in faszinierender Klarheit vorgeführt. Am Ende ihrer Untersuchung versagt die Autorin sich wie gesagt einen eigenen Paukenschlag und belässt es bei einer ökonomisch argumentierenden Position des Sowohl-als-Auch. Offenbar sieht sie den nahe liegenden regulationspolitischen Ertrag ihrer Arbeit in einer Mediatorenfunktion zwischen dem marktliberalen und dem regulativ am Gemeinwohl orientierten Ansatz. Beide Ansätze versuchen sich heute mit ökonomischen Argumenten öffentlich besonders glänzende Legitimation zu verschaffen. Die Autorin zeigt, dass hier ein Rivalenkampf zweier nur scheinbar getrennter Formationen aufgeführt wird. Aus der gesamten Darlegung der Analyse kann man den Schluss ziehen, dass es heute einer vollständigen und neuen Grundlegung auch der
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Medien- und Kommunikationspolitik bedarf, sofern sie sich auf ökonomische Ansätze beruft. Die Untersuchung ist bei aller fachlichen Verdichtung lesefreundlich. Dennoch gibt es leider auch schmerzliche Stellen für einen Rezensenten. Dazu gehört mit Sicherheit, dass Bourdieu hier nach englischer Übersetzung einvernommen wird. Überdies stört, dass – die letzte Bemerkung machte es bereits deutlich – ein extremes Übergewicht angelsächsischer Literatur Eingang fand. Europa, insbesondere in seiner südlichen und nördlichen Sphäre, scheint hier fernab einer fachlichen Auseinandersetzung mit Fragen der Kulturindustrie. Was natürlich nicht der Fall ist. Bei einer Arbeit dieses Zuschnitts verzichtet man als Leser überdies ungern auf ein Register. Doch möchte man angesichts des Reichtums an Anregungen, den diese umfassende Durchreise durch einen Kontinent an Forschung bietet, am Ende nicht in Beckmesserei verfallen.
GERD G. KOPPER, Dortmund
F. T. Meyer: Filme über sich selbst. Strategien der Selbstreflexion im dokumentarischen Film. – Bielefeld: Transcript Verlag 2005, 222 Seiten, Eur 25,80. War für die neuere Dokumentarfilmtheorie Selbstreflexivität als theoretisches und praktisches Problem bislang überwiegend Gegenstand von Teildiskursen in Abhandlungen über Wahrheit und Wirklichkeit, so stehen mit der Arbeit von F. T. Meyer nunmehr Strategien der dokumentarischen Selbstreflexion im Mittelpunkt einer filmwissenschaftlichen Studie. Dabei geht es dem Autor darum, jenes »disjunktive Spannungsgefüge […] zwischen dem möglichst hohen Anspruch auf Authentizität und Objektivität einerseits und seinen subjektiven Voraussetzungen andererseits« (S. 7) auszuloten. Zunächst werden als theoretische Fundierung in einem disziplinär vergleichsweise weit ausgreifenden kulturhistorischen Abriss unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktionen vor dem (Dokumentar-)Filmzeitalter skizziert sowie die ideengeschichtliche Entwicklung von Subjektivitätskonzepten als Voraussetzung von Selbstreflexivität aufgezeigt. Es folgt eine knappe (und bisweilen etwas enge) Darstellung der Theorieansätze zur filmischen Wirklichkeitskonstruktion bei Kracauer, Bazin und Wildenhahn. Vor diesem Hintergrund differenziert der Autor die Be-
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griffe Selbstreflexivität und Selbstreferentialität und kommt mit Nichols (1991) zu dem Ergebnis, dass die Offenlegung der Konstruktionsprinzipien eines Dokumentarfilms für sich allein genommen lediglich ein selbstreferentielles Moment wäre, denn »Selbstreflexion umfasst … mehr als die Reflexion des Mediums im Medium; vielmehr stehen auch die Voraussetzungen des Mediums zur Disposition« (S. 53). Im Hauptteil der Studie wird die Entwicklung selbstreflexiver Strategien am Beispiel ›klassischer‹ filmhistorischer Beispiele dargestellt – von John Grierson und der britischen Dokumentarfilmschule, über Dziga Vertov (»Der Mann mit der Kamera«, 1929), Jean Vigo (»A propos de Nice«, 1929), das Direct Cinema und Cinéma Vérité, Chris Marker (»Sans Soleil«, 1983) bis hin zu Harun Farocki und Alexander Kluge (»Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit«, 1985). Abschließend widmet sich der Autor am Beispiel von Farocki, Kluge und Marker unter anderem dem Zusammenhang postmoderner und selbstreflexiver Strategien im Dokumentarfilm und geht der Frage nach, was die Dekonstruktion absolutistischer und universalistischer Wahrheits- und Objektivitätsansprüche für den Dokumentarfilm bedeute. Insgesamt liefert die Untersuchung einen fundierten und darüber hinaus angenehm lesbaren Beitrag als Einstieg in die neuere Dokumentarfilmforschung mit vielen informativen Einzelanalysen – auch wenn die disziplinär und historisch relativ breite theoretische Fundierung in manchen der angeführten Details zum Widerspruch reizt und in den Beispielanalysen der Œvre-Kontext des jeweiligen Filmemachers nicht eigens thematisiert wird, so dass Entwicklungen bzw. Veränderungen selbstreflexiver Strategien im Gesamtwerk allenfalls erahnt werden können.
ANDREAS JAHN-SUDMANN/HELMUT KORTE, Göttingen
Michael Beuthner/Stephan Alexander Weichert (Hrsg.): Die Selbstbeobachtungsfalle. Grenzen und Grenzgänge des Medienjournalismus. – Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005, 432 Seiten, Eur 39,90. Der von Michael Beuthner und Stephan Alexander Weichert herausgegebene Sammelband ge-
hört in eine Reihe neuerer Publikationen zur Positionsbestimmung von Medienjournalismus als Metakommunikation der Branche. Die Beiträger kommen teils aus der Praxis, teils aus der Wissenschaft. Die fast 30 Texte des Buches beschreiben Aufgaben des Medienjournalismus, bieten Analysen von Exempeln der journalistischen Auseinandersetzung mit Medien und versuchen sich schließlich in Ausblicken auf die Zukunft des Genres. Wiederholt werden die – theoretisch denkbaren bzw. real wahrgenommenen – Funktionen von Medienjournalismus beschrieben, als da wären: Orientierung, Qualitätssicherung als kritisches Korrektiv, Transparenz, Entwicklung von Medienkompetenz u. Ä. Überraschungen sollte man hier nicht erwarten. Der Titel »Die Selbstbeobachtungsfalle« umschreibt eine Hypothese der Herausgeber, wonach der Beobachtung von Journalismus durch Journalisten, von Medien durch Medien ein Widerspruch innewohnt, der das Unterfangen wenn nicht unmöglich macht, so doch mit mannigfaltigen, die Objektivität eintrübenden Hypotheken belastet. »Wie beobachtet man eigentlich die Beobachter? Welche blinden Flecken entstehen dabei?« (S. 15) sind zwei der Leitfragen. Auch ein Medienjournalist, ein Medienkritiker bleibe immer »Berufskollege«, der in die »Unabhängigkeitsfalle« tappe, schreiben die Herausgeber einleitend. Gemeint sind damit die teils bewussten, teils unbewussten Bindungen an Standards der Branche sowie auch die Bindung an den eigenen Arbeitgeber, die der Kritik Grenzen setze. Der titelgebende theoretische Ansatz der Herausgeber ist ambitioniert, das gesamte Buch aber löst Weniges davon ein. Auch ist es nicht besonders sorgfältig lektoriert, weist viele Druckfehler auf. Mindestens zwei Texte (die von Thomas Leif und Nadine Sophie Blömer) passen thematisch kaum hinein. Insofern hätte etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche gut getan. Als falsch ist die Behauptung zu beurteilen, der deutsche Medienjournalismus habe »keine gewachsene Tradition« (S. 22) vorzuweisen. Selbst wenn man die halbhundertjährige Geschichte der Rundfunkfachdienste nicht hinzuzählen will, so haben sich doch spätestens seit Mitte der 1980er Jahre, also seit Entfaltung des dualen Rundfunksystems, zahlreiche medieninteressierte Autoren und auch mindestens ein Dutzend einschlägiger Publikationen herausgebildet. Die Behandlung der Medien-Fachdienste – von ›Funkkorrepondenz‹ über ›Kontakter‹ bis
Buchbesprechungen ›kress report‹ – in diesem Buch ist mangelhaft. Zwar werden ihre Titel hin und wieder eingestreut, ihre Arbeitsweise und Funktion werden aber bestenfalls gestreift. In die Tiefe dringt dabei keiner der Autoren. Wieso die vor einigen Jahren erfolgte Einführung von Anzeigenwerbung bei ›epd medien‹ sogleich einen »Druck fortschreitender Ökonomisierung« (S. 106) bedeutet, wie Kerstin Engel meint, bleibt unbelegt. Christian Meier, der sich doch betont die »Zukunft der Medien-Branchendienste« zum Thema gewählt hatte, schafft es, ›Funkkorrespondenz‹ und ›epd medien‹, also die Dienste mit der längsten Geschichte und wohl auch stärksten journalistischen Ambition, gänzlich unerwähnt zu lassen. Konsens der Beiträger ist der Glaube an die Wichtigkeit von Medienjournalismus als kritische Selbstreflexion dieser Branche. Allerdings versteht sich der Band auch als Momentaufnahme in einer Phase der Krise. Denn, so meint jedenfalls die ›journalist‹-Redakteurin Monika Lungmus: »Der Medienjournalismus befindet sich auf dem Rückzug.« (S. 63) Blickt man insbesondere auf die Fernsehseiten vieler Regionalzeitungen, wo allenfalls schmaler TV-Service geboten wird, scheint dies zu stimmen. Auch die Äußerung von WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz, wonach Medienseiten »die größte Seuche« seien, gibt zu Optimismus keinen Anlass, weil es nämlich keine Einzelmeinung zu sein scheint. Auf der anderen Seite gibt es immer noch genügend Blätter mit großer Reichweite, die sich ambitionierte Medienseiten leisten. Das »große schwarze Loch versäumter Medienbeobachtung« (S. 300), das Peter Littger befürchtet, kann jedenfalls aus Sicht der Praxis nicht geortet werden.
VOLKER LILIENTHAL, Frankfurt am Main
Edzard Schade (Hrsg.): Publizistikwissenschaft und öffentliche Kommunikation. Beiträge zur Reflexion der Fachgeschichte. – Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2005, 347 Seiten, Eur 34,–. Der Herausgeber wollte mit diesem Buch drei Aufgaben auf einmal lösen und hat vielleicht auch deshalb auf dem Umschlag nicht verraten, worum es ihm eigentlich ging. Hinter dem Titel »Publizistikwissenschaft und öffentliche Kommunikation« verstecken sich ein Tagungsband, eine Selbstdarstellungsbroschüre des Instituts für
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Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich sowie eine »Historische Bibliografie 1896 bis 1996«, die die Publikationstätigkeit all jener Personen erfassen soll, die an den Vorläufereinrichtungen des Instituts gelehrt haben. Zunächst zum Tagungsband. Edzard Schade hat hier einen Teil der Vorträge versammelt, die im November 2003 auf dem Symposium »100 Jahre Medienforschung an der Universität Zürich« gehalten wurden. Wenn man sich auf solche Wurzeln wie die Gründung eines Journalistischen Seminars durch Oskar Wettstein (1866 bis 1952) im Jahr 1903 besinnt, hat dies natürlich wenig mit Nostalgie oder fachgeschichtlicher Neugier zu tun, sondern in erster Linie mit den Zielen der Gegenwart. Seit Publizistikwissenschaft in Zürich im Wintersemester 1996/97 erstmals als Hauptfach angeboten wurde, ist die Stadt zum Mekka der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft geworden. Die Zahl der Professoren- und Mitarbeiterstellen hat sich jeweils mehr als verdreifacht, und die Nachfrage der Studierenden ist ungebrochen. Auch für ein »junges Fach« scheint es aber nicht schädlich zu sein, auf eine »beachtlich lange Tradition« verweisen zu können (Institutsdirektor Otfried Jarren in der Einleitung). Dass es in den »100 Jahren« Lücken gab und dass das heutige Profil kaum auf den Journalisten Wettstein oder den Historiker Karl Weber (1880 bis 1961), von 1938 bis 1952 Seminarleiter, zurückzuführen ist, fällt da nicht wirklich ins Gewicht. Wer sich für die Geschichte der Kommunikationswissenschaft interessiert, hat der Züricher Marketingmaßnahme einige bemerkenswerte Beiträge zu verdanken. Edzard Schade bietet eine »historische Rückschau auf die publizistikwissenschaftliche Forschung« am Institut, Susen Göppner schreibt über die Institutionalisierung des Fachs in Zürich, Peter Meier über Bern und Ulrich Saxer über die Jahre 1975 bis 1996, die er selbst in Zürich mitgestaltet hat. Dass der Tagungsband eher der Logik einer Festveranstaltung folgt als einer wissenschaftshistorischen Systematik, wird bei den anderen drei Beiträgen vielleicht noch deutlicher. Hans Bohrmann war eingeladen worden, um über Inhalt und Funktionen einer »Fachgeschichte der Publizistikwissenschaft« zu sprechen. Wolfgang R. Langenbucher plädierte dafür, endlich »Werke« zu schreiben und den »Ansatzismus« aufzugeben, und Marie Luise Kiefer skizzierte die Herausforderungen, vor denen die Medienbranche durch die
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»Ökonomisierung« steht. Für die Gäste des Symposiums war diese Mischung sicher wunderbar, zwischen zwei Buchdeckeln aber wirkt sie eher zufällig. Dieser Eindruck verstärkt sich bei den anderen beiden Teilen des Buches. So sehr eine Bibliografie zu begrüßen ist, die die Forschungstätigkeit eines Instituts dokumentiert, so sehr ist zu beklagen, dass der Leser nicht erfährt, auf welche Quellen sich die Zusammenstellung stützt. Der vage Hinweis, dass nur das aufgenommen wurde, was sich »inhaltlich mehr oder weniger direkt auf publizistikwissenschaftliche Themen bezogen« hat, hilft nicht wirklich weiter. Und dass die Professoren Jarren, Bonfadelli, Imhof, Siegert, Wirth und Marcinkowski zwischen dem Tagungsband und der Bibliografie ausführlich ihre Aktivitäten in Forschung und Lehre beschreiben, mag zwar mit Blick auf das Ziel Eigenwerbung verständlich sein, das Medium Buch aber scheint dafür denkbar ungeeignet. Vielleicht wollten die Kollegen einfach nur den Nachfolgern die Arbeit erleichtern, die eines Tages »200 Jahre Medienforschung in Zürich« zu feiern haben. MICHAEL MEYEN, München
Kurt Neubert/Helmut Scherer (Hrsg.): Die Zukunft der Kommunikationsberufe. Ausbildung, Berufsfelder, Arbeitsweisen. – Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2004 (= Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft; Bd. 31), 306 Seiten, Eur 29,–. Mit diesem Buch liegen die Vorträge der DGPuK-Jahrestagung 2003 in Hannover vor. Den Erwartungen auf eine grundlegende Darstellung der Zukunft der Kommunikationsberufe unter dem Blickwinkel kommunikationswissenschaftlicher Hochschulausbildung, die Titel und Verlagstext hervorrufen, wird der Sammelband mit 15 Beiträgen nur bedingt gerecht. Das Buch hat dort seine Stärken, wo es Arbeitsweisen in Kommunikationsberufen thematisiert. Das gilt für Thorsten Quandts Einordnung von Online-Journalisten als schnelle Aufbereiter von Nachrichten und für Thomas Schusters Kritik am nutzwertorientierten »Neuen Wirtschaftsjournalismus«. Aufschlussreich ist auch die ernüchternde Analyse von Jochen Hoffmann und Sarah Zielmann zur Wahr-
nehmung politischer Öffentlichkeitsarbeit aus der Sicht von Politikern und Journalisten. Im für den Ausbildungspraktiker lesenswertesten Beitrag des Buches wagt Ruth Blaes einen Ausblick, wie sich Medienberufe, speziell der journalistische, durch die Entwicklung zu Digitalisierung und Vernetzung von Arbeitsplätzen verändern. Künftig bitte mehr dieser Beiträge der Praxis zur Wissenschaft! Denn die Visionen Blaes’ – Grenzen zwischen bislang abgesteckten Arbeitsfeldern lösen sich auf; Kostenstellenrechnung und finanzieller Spardruck dominieren; mehrmediale Kenntnisse sind im freien Journalistenberuf unabdingbar – kann die Kommunikationsforschung nicht ignorieren. Auch das Kapitel zum Übergang von Absolventen der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften ins Berufsleben ist erhellend, weil es – sicher unbeabsichtigt – Schwächen der Disziplin bei der Berücksichtigung der beruflichen Praxis in der Ausbildung offen legt. Sowohl beim Bachelor in Erfurt als auch in München und Münster fühlte sich nur eine Minderheit der Absolventen gut auf den Berufseinstieg vorbereitet. Die Kommunikationswissenschaft will zwar keine berufsausbildenden Fertigkeiten leisten, doch sehen Stephanie Lücke und Berit Baeßler »Optimierungspotenzial« (S. 108) in der Praxisorientierung und der Internationalisierung ihres Erfurter Studiengangs sowie einen Bedarf an Aussagen zur Berufsvorbereitung der gesamten Disziplin. Im hervorragenden Beitrag von Jürgen Wilke und Danièle Wurth über Chancen von KW’lern in Journalismus und PR erfährt man, dass 84 Prozent der Mainzer Absolventen zwischen 1989 und 2001 rückblickend den Praxisbezug vermissten. Wilke/Wurth tun dies jedoch als »berufsweltlichen Pragmatismus« ab und folgern, am Studiengang müsse nichts geändert, stattdessen nur der »Nutzwert« (S. 128) u. a. von empirischer Methodenlehre stärker herausgearbeitet werden. Dankbar registriert man Ansätze von Selbstkritik bei Carsten Reinemann, Wolfram Peiser und Olaf Jandura, die aus Absolventenbefragungen einen Indikator für ein generelles Defizit der Methodenausbildung herauslesen, die nur für wenige Tätigkeitsfelder nützlich ist. Im Kapitel über universitäres Lehren und Lernformen werden die Erfahrungen des Erfurter Bachelorstudiengangs mit einem neuen internetbasierten Lernsystem reflektiert. Fazit: Ohne direktes Lernen geht es nicht; mit webbasierten Lehrformen können Studierende jedoch aktiver
Buchbesprechungen in die Lehre einbezogen werden. Lesenswert ist die Erfahrung von Patrick Rössler, dass organisatorische Notwendigkeiten und höherer Betreuungsaufwand zunehmend den Arbeitsalltag des sich zum Bildungsmanager wandelnden Hochschullehrers prägen. Das von Peter Szyszka entworfene PR-Bildungsprofil bleibt leider auf deskriptiver Ebene stecken. Insgesamt fehlt dem Kapitel eine Auseinandersetzung mit Studieninhalten und Teildisziplinen des Fachs. Mögliche Auswirkungen der im Vorwort angesprochenen Veränderungen in den Medien (Digitalisierung, steigende technische Anforderungen an Journalisten) auf die Hochschulausbildung werden gar nicht thematisiert. Was der lesenswerte Beitrag von Beate Schneider und Anne-Katrin Arnold über das Verständnis türkischer und deutsch-türkischer Journalisten in Deutschland als Sprachrohr für Migranten in einem Sammelband über Ausbildung soll, bleibt unklar. Gleiches gilt für Wolfgang R. Langenbuchers Leitbild für einen europäischen Journalismus, das eher ein Plädoyer für eine journalistische Themenfindungs-Brille ist denn ein Beitrag zu Ausbildungsfragen. Die Forderung von Bärbel Röben, deutsche Journalisten sollten in der Ausbildung als Schlüsselqualifikation den Umgang mit Differenzen (Ethnie, Gender) lernen, ist schon eher relevant. Gleichwohl: Hätte es in der Debatte über zeitgemäße KW-Ausbildung nicht drängendere Themen gegeben? Der vorliegende Sammelband ist trotz – oder gerade wegen – der genannten Kritik ein wichtiges Buch. Wer als (Hochschul-)Medienausbilder die Dokumentation gegen den Strich liest, wird dies mit Gewinn tun.
MARCUS NICOLINI, München
Barbara Sichtermann/Andrea Kaiser: Frauen sehen besser aus. Frauen und Fernsehen. – München: Verlag Antje Kunstmann 2005, 192 Seiten, Eur 18,90. Vor 65 Jahren, mitten im Krieg, führte mich Erich Welter durch die Räume der ›Frankfurter Zeitung‹, bei der ich von nun an, bis zu ihrem Verbot durch Hitler im Jahr 1943, arbeiten sollte. Wegen eines »zu positiven« Artikels über den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt war ich auf Goebbels Weisung aus der Redaktion der Wochenzeitung ›Das Reich‹ entlas-
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sen worden. Damit war ich in eine gefährliche Lage geraten. Doch nach wenigen Tagen erreichte meine Eltern in Berlin-Dahlem ein Telefonanruf: »Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Tochter, die ›Frankfurter Zeitung‹ schützt sie.« Nun war ich also in Frankfurt und sah mir meinen neuen Arbeitsplatz an. Feierlich führte Welter mich in den großen Raum, in dem jeden Tag die Redaktionskonferenz zusammenkam. Er zeigte mir meinen Platz am Konferenztisch und sagte: »Sie sind die erste Frau, die an diesem Tisch Platz nimmt.« Patzig antwortete ich: »Das interessiert mich nicht.« Heute tut mir diese Reaktion leid, denn Welter hatte mir eine besondere Ehre erweisen wollen: Eine Frau am Konferenztisch war damals noch nicht ganz selbstverständlich. Wie sehr sich seitdem die Rolle von Frauen im Journalismus geändert hat, zeigt das Buch »Frauen sehen besser aus« von Barbara Sichtermann und Andrea Kaiser am Beispiel des Fernsehens. Dabei beschäftigt es sich nicht nur mit der Bedeutung der Frauen in den Redaktionen, sondern auch mit dem Mediennutzungsverhalten der Frauen sowie der Darstellung von Frauenrollen in den Fernsehprogrammen. Beim letztgenannten Thema knüpft der Band an etwa 30 Jahre alte Befunde an, wonach Frauen im Fernsehen fast nur als Hausfrauen, Mütter oder als repräsentative Begleitung von Männern dargestellt wurden. Dies hat sich inzwischen gründlich geändert. Zwar gibt es die Bilder der traditionellen Frauenrollen noch immer, doch immer stärker kommen auch besonders patente, erfolgreiche, »starke« Frauen ins Blickfeld des Fernsehens. Oft wirken diese Heldinnen so dynamisch, dass etwa Maybrit Illner feststellte, dass man im wirklichen Leben nicht unbedingt mit solchen Frauen zu tun haben wolle. Nicht selten erscheinen die neuen Klischees wie eine spiegelbildliche Umkehrung der älteren. Diese Veränderung der Frauenbilder hängt nach Überzeugung der Autorinnen eng mit dem Entstehen des dualen Systems zusammen, mit der »Entdeckung des Zuschauers« und der stärkeren Ausrichtung an den Sehinteressen der weiblichen Zuschauer. Interessant ist die Beobachtung, dass die Frauen im politischen Fernsehjournalismus in den letzten Jahren größere Bedeutung gewonnen haben (z. B. durch Sabine Christiansen), und dass zugleich männliche Moderatoren wie Reinhold Beckmann oder Johannes Kerner mit Prominenten-Plauderrunden in Bereiche vorstoßen,
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die bis dahin eher als »Frauendomäne« galten. Dabei werten die Autorinnen kräftig: So werfen sie beispielsweise Sabine Christiansen vor, sie strukturiere ihre Sendung nicht gut, Maybrit Illners Sendung sei informativer, etc. Auch hinter den Kulissen haben die Frauen heute mehr Bedeutung als noch vor einigen Jahrzehnten. In den Redaktionen sind Frauen stark vertreten und ebenso in den tieferen Führungsebenen. Ausnahmen sind immer noch die Frauen in gehobenen Leitungspositionen, was sich zum einen – wie in anderen Berufen auch – durch die Tendenz der meisten Frauen erklärt, Familie und Karriere als Gegensätze zu begreifen und sich für die Familie zu entscheiden. Hier wird recht ausführlich gegen »die besondere deutsche Auffassung der Mutterrolle« angeschrieben. Zum anderen wird unsentimental festgestellt, dass trotz (oder sogar wegen) der Schutzrechte für Frauen die Einstellung einer Frau im gebärfähigen Alter für Arbeitgeber ein Risiko sei, das sich auf Beschäftigungschancen und Karrieremöglichkeiten auswirke. Zum dritten wird angesprochen, dass Frauen, beim Fernsehen nicht anders als in anderen Bereichen, weniger an Karriere interessiert sind als Männer, sich eher in ihren Positionen wohl fühlen. Ein ganzes Kapitel von etwa 20 Seiten widmet sich deshalb dem Thema »Wie wird Frau Chef?«, wobei die fernsehspezifischen Dimensionen eher in den Hintergrund treten. Angesichts eines Gesamtumfangs von 192 Seiten ist das sicher zu viel, ebenso wie die ausführlichen Diskussionen über die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf. Nicht ganz so ausführlich beschreiben die Autorinnen den Fernsehkonsum der Frauen. Hier wird etwa erklärt, weshalb Frauen etwas mehr fernsehen als Männer, dass die Macht über die Fernbedienung zuweilen auch schon einmal von den Frauen ausgeübt wird und weshalb Frauen sich überdurchschnittlich für Soaps interessieren. Die wissenschaftliche Schwäche des Bandes, die etwas sorglose Vermischung von InterviewZitaten, Ergebnissen empirischer Erhebungen, Wahrnehmungen aus qualitativen Analysen und kräftigen Bewertungen, ist zugleich auch seine erzählerische Stärke: Das Buch ist unterhaltsam und verschafft dem Interessierten einen guten ersten Überblick.
ELISABETH NOELLE, Allensbach
Mitchell S. McKinney/Lynda Lee Kaid/Dianne G. Bystrom/Diana B. Carlin (Hrsg.): Communicating Politics. Engaging the Public in Democratic Life. – New York etc.: Peter Lang 2005 (= Reihe: Frontiers in Political Communication; Bd. 2), 315 Seiten, Eur 29,40. »Communicating Politics« versteht sich als Beitrag zu einer praktisch engagierten Kommunikations- und Politikwissenschaft. In diesem Band soll erkundet werden, wie sich durch – auch massenmedial geleistete – Verdichtung der Kommunikationsbeziehungen zwischen politischen Eliten und Bürgerschaft Demokratie verbessern ließe. Diese Zielsetzung wird im Einleitungsbeitrag von dreien der vier Herausgeber entfaltet. »Communicative engagement perspective« nennen sie ihren Ansatz; Demokratie fassen sie als eine kommunikative Hervorbringung auf, die sich dem Zusammenwirken von politischen Führern bzw. Kandidaten, den Medien und der Bürgerschaft verdankt; fördern wollen sie den Gedanken, dass sich Forscher um der Demokratie willen engagieren; und als exemplarischen Beitrag hierzu verstehen sie die im vorliegenden Band in praktischer Absicht versammelten Analysen zum politisch-kommunikativen Geschehen. Diese – sehr klare und höchst lobenswerte – Zielsetzung muss man dem ersten Kapitel des Bandes entnehmen. Es fehlt nämlich eine Einführung der Herausgeber, welche die Zielsetzung, Entstehung und editorische Prägung des Bandes verdeutlicht hätte, und ebenso fehlt ein zusammenfassendes Schlusskapitel. Von den vier Teilen des Sammelbandes umschließt jeder vier bis sieben Kapitel samt einiger nicht in die Kapitelzählung einbezogener »reflections«. Der erste Teil (»Communicating the importance of civic engagement«) bringt den bereits erwähnten Aufsatz zur Gesamtperspektive, welcher die Rolle von Kommunikation für bürgerliches Engagement umreißt und den Grundtenor des Bandes anstimmt, dass in den USA das Ausmaß politischer Partizipation allzu gering sei und darum gesteigert werden müsste. Weitere Kapitel geben Überblicke über das Wissen von US-Amerikanern über Politik, über den Zustand des politischen Kommunikationssystems, über staatliche Möglichkeiten, auf mehr Bürgerengagement hinzuwirken, sowie etliche detaillierte empirische Bestandsaufnahmen, insbesondere zum Wahlverhalten und zu den Nichtwählern. Der zweite Teil (»Communicating politics through the media«) bilanziert in seinen vier Ka-
Buchbesprechungen piteln, was hinsichtlich der im Titel genannten Aufgabe wohl schief läuft bzw. verbessernd getan werden könnte, was Medien zur politischen Aktivierung beitragen könnten und was sich hierzu aus den letzten US-Präsidentschaftswahlkämpfen lernen ließe. Die substantielle Fixierung des Bandes auf Präsidentschaftswahlkämpfe kommt in seinen zwei weiteren Teilen auf den Gipfelpunkt, deren Überschriften, ihrerseits nicht sonderlich trennscharf, den Stoff ganz vom Material her, nicht aber von analytischen Kategorien her zu gliedern unternehmen. Teil III behandelt nämlich »Candidates communicating with the public«, Teil IV »Communicating diverse messages to diverse constituencies«. Der dritte Teil befasst sich dabei mit politischer Werbung, Interneteinsatz sowie dem Umgang mit Duellen der Präsidentschaftsbewerber unter dem Aspekt der Steigerung politischer Partizipation und der Erhöhung der Wahlbeteiligung, während der vierte Teil vor allem genderspezifische Aspekte der Wahlkampfführung sowie Versuche behandelt, Jugendliche politisch anzusprechen und einzubeziehen. Schon dieser Überblick zur Organisation des vorliegenden Bandes macht klar, dass es sich eher um eine Buchbindersynthese als um ein klar strukturiertes intellektuelles Unterfangen handelt. Tatsächlich sind die versammelten Beiträge auch von ihrer Machart her höchst unterschiedlich. Da finden sich ausargumentierte und die einschlägige US-Literatur zusammenfassende Beiträge ebenso wie kurze, nach Anspruch und Reichweite eher begrenzte, wenn auch empirisch solide Forschungsartikel, und neben gut ausgearbeiteten Praktikerbeiträgen gibt es den Abdruck von so gut wie gar nicht für akademische Veröffentlichungszwecke redigierten Reden anlässlich recht verschiedener Veranstaltungen. Eine gemeinsame Perspektive besitzen die in diesem Band zusammengestellten Texte zwar durchaus: Es geht der Absicht nach um die Verbesserung von Wahlbeteiligung und politischem Engagement, dem Gegenstand nach vor allem um die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe. Doch was hier versammelt wurde, gleicht eher einem pragmatisch zusammengestellten Blumenstrauß als einem überlegt kultivierten Garten. Ganz fehlt auch jede vergleichende Perspektive und jegliche theoretische Verdichtung des empirisch Ausgebreiteten. Ingesamt liest man zwar vieles mit Gewinn, doch ein Muss ist dieser Band keineswegs. Wer zur Wahlkampfkommunikation arbeitet, sollte dennoch zu ihm greifen,
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desgleichen jener, der an den Möglichkeiten massenmedialer Beiträge zur politischen Bildung interessiert ist.
WERNER J. PATZELT, Dresden
Michael Schröder/Axel Schwanebeck (Hrsg.): Zeitungszukunft – Zukunftszeitung. Der schwierige Gang der Tagespresse in die Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts. – München: Reinhard Fischer 2005, 190 Seiten, Eur 20,–. Für den düsteren Ausblick hat man sich mit einer schönen Aussicht entschädigt: Am Starnberger See haben Journalisten, Wissenschaftler und Verlagsmanager über die Zukunft der Zeitung diskutiert – auf Einladung der evangelischen Akademie Tutzing, der Akademie für Politische Bildung und des Instituts für Journalistenausbildung und Kommunikationsforschung an der Universität Passau. Michael Schröder und Axel Schwanebeck zeichnen in ihrem Tagungsband die wichtigsten Diskussionslinien nach. Man weiß bloß nicht so recht, für wen. Wer sich wissenschaftlich mit der Zeitung auseinander setzt, findet die präsentierten Daten und Fakten in aktuellerer Version auch an anderer Stelle, etwa im Jahrbuch des BDZV. Eine zusammenfassende Analyse der Einzelbeiträge, die die verschiedenen Thesen und Ideen einordnet und verdichtet, sucht man vergebens. Praktikern präsentiert das Buch einige gute Ideen aus unterschiedlichen Zeitungshäusern – von bereichsübergreifenden Teams bei der Produktion eines Veranstaltungsmagazins bis zur Erschließung attraktiver Geschäftsfelder wie der Briefzustellung. All diese Ideen diffundieren in den Netzwerken der überschaubaren Branche aber schneller als über den Weg der Veröffentlichung eines Tagungsbandes. Lesenswert ist das Buch am ehesten für Neueinsteiger in die Zeitungsforschung, die sich einen Überblick über den Stand der Diskussion verschaffen wollen. Sie müssen freilich damit leben, dass ein Tagungsband immer nur eine Momentaufnahme ist, die neueste Entwicklungen nicht berücksichtigen kann. Davon abgesehen verschafft das Buch dem Leser jedoch einen Überblick über die Bandbreite der Positionen, die auf wichtigen Diskussionsfeldern eingenommen werden: Horst Röpers kritischen Blick auf geplante Kartellrechtsänderungen etwa pariert ›Tagesspiegel‹-Geschäftsführer
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Joachim Meinhold. Wolfgang Stöckels gewerkschaftliche Perspektive auf Zusammenhänge zwischen journalistischer Qualität und Vergütungsmodellen wird ebenso berücksichtigt wie Michael Detjens verlegerische Sicht auf dasselbe Thema. Sinnvoll ist auch, dass sich Vertreter regionaler und überregionaler Titel zur Entwicklung des Mediums äußern. Etwas verloren wirken dagegen die Beiträge zur Journalistenausbildung. Die Debatte über geeignete Wege in den Journalistenberuf kann und sollte man auch unabhängig von der Konjunktur eines einzelnen Mediums führen. Und in Einschnitten in die universitäre Journalistenausbildung zeigt sich eher die Misere der öffentlichen Hand. LARS RINSDORF, Saarbrücken
Volker Gehrau/Benjamin Fretwurst/Birgit Krause/Gregor Daschmann (Hrsg.): Auswahlverfahren in der Kommunikationswissenschaft. – Köln: Herbert von Halem Verlag 2005, 288 Seiten, Eur 29,50. Wann immer empirische Kommunikationsforscher eine Verallgemeinerbarkeit ihrer Befunde anstreben, wird die Frage des einzusetzenden Auswahlverfahrens substanziell. Oder sollte es zumindest – denn in längst nicht allen Studien wird dabei angemessen und nachvollziehbar vorgegangen. Auf dieses Defizit weisen die beiden einleitenden Aufsätze eines längst überfälligen Sammelbandes zum Einsatz von Auswahlverfahren in der Kommunikationswissenschaft hin, entstanden aus den Beiträgen einer Tagung der Methoden-Fachgruppe der DGPuK. Der Befund beruht auf einer Pilotstudie von Volker Gehrau, Benjamin Fretwurst und René Weber, die einschlägige Beiträge aus den Jahren 2002 und 2003 untersuchten und nur in weniger als einem Viertel aller Fälle tatsächlich Zufallsstichproben antrafen. Unterscheidet man mit Blick auf die Befragung KW-spezifische und allgemeine Aspekte, so liefert der Band zu letzteren mindestens zwei interessante Hinweise: Erstens ergibt die Last-Birthday-Auswahl in Haushalten bei der (immer häufiger angewendeten) Telefonbefragung zwar verlässlichere Ergebnisse als Interviews mit der abnehmenden Person, weil dies überproportional häufig politisch interessierte und persönlichkeitsstarke Frauen sind. Allerdings ist sie, wie die Analysen von Marcus Mau-
rer verdeutlichen, selbst auch fehlerbehaftet, weil der Mensch, einmal am Hörer, aus welchen Gründen auch immer dazu tendiert, sich selbst als denjenigen zu nennen, der als letztes Geburtstag hatte. Zweitens zeigen Gregor Daschmann und Tilo Hartmann in ihrem explorativen Methodenexperiment, dass bei Online-Umfragen die Ansprache per Email erwartungsgemäß zu einer höheren Ausschöpfung führt als das Schalten entsprechender Banner. Speziell Kommunikationsforscher dürfte hingegen interessieren, wie im Falle der Münsteraner Journalistenbefragung vorgegangen wurde oder sich der Methodenwechsel in der Media-Analyse 2000 ausgewirkt hat. Hilfreich ist an den entsprechenden Beiträgen von Maja Malik bzw. Jörg Hagenah und Henning Best insbesondere, dass der Leser ausführliche Hintergrund-Informationen zu diesen viel zitierten Basiserhebungen erhält, die zukünftig deren Bewertung erleichtern. Der Hauptteil des Buches widmet sich allerdings Auswahlverfahren bei der Inhaltsanalyse, und mehrere Aufsätze zeigen eindrucksvoll, welch Nachholbedarf hier besteht. Besonders brisant erscheint der umfangreiche Beitrag von Grit Jandura, Olaf Jandura und Christoph Kuhlmann, der wider den »Mythos der künstlichen Woche« argumentiert. Ihre elaborierten statistischen Vergleiche unterschiedlicher Auswahlprozesse mahnen zur Vorsicht beim Einsatz dieses verbreiteten Verfahrens, das je nach Starttermin offenbar zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Wie sehr dies ein grundsätzliches Auswahlproblem darstellt, belegt Jens Wolling am Beispiel des Hörfunks, wo die generelle Nachrichtenstruktur nur auf der feinsten Analyseebene durch außergewöhnliches Geschehen beeinflusst wird. Die kontinuierliche Fernsehprogrammforschung im Auftrag der Landesmedienanstalten hingegen beruht auf einer verfeinerten Anwendung der »natürlichen Woche«. Die inhaltliche Argumentation von Joachim Trebbe eröffnet im Dialog mit den Ausführungen von Jandura und anderen ein interessantes Spannungsfeld, das zumindest eines verdeutlicht: Die Komplexität sowohl unserer inhaltsanalytischen Fragestellungen wie auch die Struktur ihrer Untersuchungsobjekte verlangen für jeden Einzelfall kreative Lösungen – Pauschalurteile bringen hier nur wenig voran. In besonderem Maße gilt dies sicherlich für die Analyse von Internet-Inhalten, die in vielerlei Hinsicht noch in ihren methodischen Kinderschuhen steckt und für die auch Thomas
Buchbesprechungen Rössings Vorschlag einer »Typenstichprobe« nur unter Verzicht auf den Repräsentativitätsanspruch weiterhilft. Mit einem methodischen Standard beschäftigt sich die Hannoveraner Forschungsgruppe um Wiebke Möhring, und zwar mit der von Winfried Schulz schon Ende der 1960er Jahre entwickelten, nach Auflagenhöhen gewichteten »publizistischen Stichprobe« des deutschen Zeitungsmarktes. Sie kann äußerst effektiv um eine zweite Auswahlstufe ergänzt werden, die einzelne Zeitungsausgaben (und nicht nur die »publizistischen Einheiten«) berücksichtigt. Auch dieser Beitrag verdeutlicht, weshalb der Band im Grunde genommen zur Pflichtlektüre jedes qualitätsbewussten empirischen Kommunikationsforschers gehören müsste. Und damit sind keineswegs ausschließlich quantitativ arbeitende Kollegen gemeint, wie Christian Wengers Überlegungen zum theoretischen Sampling zeigen. Zwar stellt sich das Basisproblem hier weniger gravierend dar, weil die »Generalisierung qualitativer Ergebnisse über die Explikation des Kontextes« erfolgt (S. 57); doch auch jenseits des Anspruches auf Repräsentativität ist eine Stringenz in den Auswahlprozessen verlangt. Eines ist gewiss: Mit diesem Band wachsen zukünftig wohl die Ansprüche an die empirische Kommunikationsforschung, denn er schafft Aufmerksamkeit für die immense Bedeutung eines passenden Auswahlverfahrens und erzeugt so eine neue Sensibilität für das Thema gerade unter Gutachtern für Projektanträge und Manuskripte. PATRICK RÖSSLER, Erfurt
Carsten Reinemann: Medienmacher als Mediennutzer. Kommunikations- und Einflussstrukturen im politischen Journalismus der Gegenwart. – Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag 2003 (= Reihe: Medien in Geschichte und Gegenwart; Bd. 19), 333 Seiten, Eur 34,90. Den Ausgangspunkt von Reinemanns Journalismusstudie bilden die Veränderungen im deutschen Mediensystem. Wie sich der »Strukturwandel der (Medien-)Öffentlichkeit« auf Selbstverständnis und Arbeitsweise des politischen Journalismus auswirkt, gehört zu den Dauerfragestellungen der Journalismusforschung. So alt die – inzwischen systemtheoretisch als »Selbstreferenz« geadelte – Sentenz ist, Journalisten orientierten sich an Journalisten, so verdient doch die-
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ser professionsspezifische ›Klassiker‹ gerade in der modernen Mediengesellschaft wissenschaftliches Interesse. Denn soviel wir über das journalistische Rollenverständnis in unterschiedlichen politischen Kulturen inzwischen wissen, so mager ist der Kenntnisstand hinsichtlich der Mediennutzung und -bewertung von Journalisten selbst. Genau in diese Forschungslücke stößt Reinemann mit seiner Studie zu den »Kommunikations- und Einflussfaktoren im politischen Journalismus der Gegenwart«. Mit dem Ziel, journalistisches Informationsverhalten empirisch zu untersuchen, werden im theoretischen Teil der Arbeit die Nutzungsforschung, die Journalismusforschung und die Medienwirkungsforschung auf einschlägige Ansätze und Befunde abgeklopft. Reinemann geht von einer »professionellen Instrumentalität« (S. 30) als Ausgangspunkt für die Informationssuche aus. Den viel behaupteten Gegensatz zwischen Kollegen- und Publikumsorientierung sowie Konkurrenzbeobachtung stellt er in Frage und verweist zu Recht auf disparate Befunde in der Wirkungsforschung. So muss differenziert werden, ob es sich um horizontale, um vertikale oder um gattungsübergreifende intermediale Prozesse handelt. Und direkte Konkurrenz muss nicht unbedingt zu intermedialer Persuasion und intermedialem Agenda-Setting führen. Sie kann auch das Gegenteil bewirken, wie die unterschiedliche politische Ausrichtung von Medien und die Vielfalt von Themen und Bewertungen in der alltäglichen Berichterstattung zeigen. Reinemann entwirft ein »Modell journalistischer Medien- und Quellenrezeption« (S. 98), in dem zwischen akteurs-, quellen- bzw. medien- sowie wirkungsspezifischen Faktoren unterschieden wird. Befragt wurden Journalisten der Ressorts Aktuelles, Nachrichten und Politik bei Tageszeitungen, überregionalen Wochen- und Sonntagszeitungen mit Schwerpunkt Politik, bundesweit verbreiteten Fernseh-Vollprogrammen und Spartenkanälen mit Schwerpunkt Information sowie bundes- und landesweit verbreiteten Hörfunksendern. Nach einer Quotenstichprobe wurden von 500 angeschriebenen Personen 284 in die Untersuchung einbezogen. Gefragt wurde nach dem Zeitbudget journalistischer Mediennutzung, nach der Reichweite von Mediengattungen und Einzelmedien, nach den Medienrepertoires, nach der Bedeutung der Medien für die konkrete journalistische Arbeit, nach den Vorstellungen von politischem Einfluss und nach der Rolle anderer Medien innerhalb des Mediensystems
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sowie nach Zusammenhängen zwischen Mediennutzung, Medienbedeutung und Medienimages. Mit im Schnitt viereinhalb Stunden bestätigt Reinemanns Untersuchung die hohe Bedeutung professioneller Mediennutzung im Tagesablauf von Journalisten, mit deutlichen Unterschieden zwischen Print- und Fernsehjournalisten sowie zwischen Altersgruppen und Tätigkeitsprofilen. Die Mehrheit politischer Journalisten liest regelmäßig überregionale Zeitungen, darunter besonders die SZ, die ›Bild‹-Zeitung und die FAZ, und bevorzugt die Informations- und Magazinsendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Unter elitentheoretischen Gesichtspunkten wenig überraschend, für die Erklärung der Distanz zu „den Menschen draußen im Lande“ (Helmut Kohl) aber doch aufschlussreich ist der Befund, dass Medienrezeption, Themenprioritäten und Problemsichten von Journalisten und politischen Akteuren einander ähnlicher sind als die von Journalisten und Bevölkerung. Als einflussreichstes Medium in der bundespolitischen Berichterstattung hat sich die SZ profiliert. Ebenfalls wichtig sind die FAZ, der ›Spiegel‹, die ARD-Nachrichten, die ›Bild‹-Zeitung und die ›Welt‹. Allerdings sind die Unterschiede zwischen dem Prestige der Medien und den Möglichkeiten der Themensetzung und Publikumsbeeinflussung beträchtlich. Die Arbeit besticht durch ihre transparente, den Forschungsprozess gut dokumentierende Anlage. Sie regt die Journalismusforschung an, den Gegensatz zwischen Kollegen- bzw. Medienorientierung und Publikumsorientierung zu überprüfen. Methodologisch macht Reinemanns Studie einmal mehr deutlich, wie wichtig solide akteurs- bzw. handlungstheoretisch angelegte empirische Analysen sind, um qualifizierte institutionen- und strukturtheoretische Aussagen zu machen. Auch ohne vergleichende Daten liefert die Arbeit Hinweise auf Trends veränderter Mediennutzung und -bewertung im Journalismus, auf Generationenunterschiede bei der Nutzung und Bewertung von Medien ebenso wie auf eine gestiegene Markt- und Publikumsorientierung. Gemessen an den normativen Standards, an denen sich das Selbstbild des politischen Journalismus und die akademische Ausbildung (noch) weithin orientieren, stellt sich mit Reinemanns Befunden einmal mehr die Frage, ob mit der Professionalisierung des Medienbetriebes nicht eine Entprofessionalisierung des politischen Journalismus einhergeht.
ULRICH SARCINELLI, Landau
Claudia Mast/Klaus Spachmann: Reformen in Deutschland. Wege einer besseren Verständigung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. – Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005, 377 Seiten, Eur 44,90. Ein Satz vorweg: Die vorliegende Studie von Claudia Mast und Klaus Spachmann ist lesenswert. Denn sie beschäftigt sich nicht nur mit einer hochaktuellen Frage, sondern findet auch eine interessante Antwort: Nicht Politiker oder Vorstände der Großunternehmen, sondern der Mittelstand, Hochschulen und unabhängige Institutionen haben die besten Chancen, der Bevölkerung Reformen positiv zu vermitteln. In Deutschland besteht Konsens darüber, dass angesichts von Globalisierung und demographischer Herausforderung Reformen unabdingbar sind. Doch warum sie bisher nur in Ansätzen stattgefunden haben, was konkret geschehen sollte und wie Mehrheiten dafür gefunden werden können, darüber herrscht keine Einigkeit. Oftmals werden »die Wirtschaft« oder »die Medien« pauschal verurteilt, ihrer Aufgabe nicht gerecht zu werden; die Bevölkerung gilt als ängstlich und uninformiert. Aber was läuft tatsächlich schief in der Kommunikation? Wo werden Reformthemen mangelhaft kommuniziert und warum? Um diese Fragen zu beantworten, haben Mast/Spachmann zunächst in qualitativen Leitfadeninterviews Chefredakteure deutscher Tageszeitungen und Unternehmenslenker befragt. Zweiter Untersuchungsschritt waren quantitative Befragungen derselben Zielgruppen. In einem dritten Schritt fand eine repräsentative Telefonbefragung der Bevölkerung statt. Dieses Untersuchungsdesign überzeugt durch Klarheit, Stringenz und Angemessenheit. Zunächst provoziert es, dass das Teilsystem »Politik« bei einer Untersuchung zur Kommunikation von Reformen ausgeklammert wurde. Doch tatsächlich geht es bei den anstehenden Reformen letztlich immer (auch) um die Rolle der Wirtschaft in der Gesellschaft, wie die Kapitalismusdebatte des Frühsommers 2005 anschaulich gezeigt hat. Überdies ist der Forschungsbedarf im Bereich Wirtschaft ungleich drängender angesichts der reichhaltigen Literatur zur politischen Kommunikation. Im Theorieteil bieten die Autoren eine qualifizierte und umfangreiche Übersicht zu den Hintergründen der Kommunikation von Wirtschaftsthemen. Zudem referieren sie die Ergeb-
Buchbesprechungen nisse aktueller Meinungsumfragen. Deren wichtigste Aussagen: Die grundsätzliche Reformbereitschaft in der Bevölkerung endet meistens dort, wo man persönliche Nachteile befürchtet. Bisher ist es den Verantwortlichen nicht gelungen, Reformen in einen positiven Gesamtzusammenhang zu stellen. Hinzu kommt ein ausgeprägter Vertrauensverlust gegenüber den Eliten, so die Autoren: »Politiker und Manager müssen zunächst das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen, wenn sie als glaubwürdige Kommunikatoren für mehr Zustimmung zu Reformen werben wollen.« Kernstück der Arbeit ist die Präsentation der eigenen Forschungsergebnisse auf knapp 200 Seiten: Die überwältigende Mehrheit der befragten Chefredakteure, aber auch der Unternehmer konstatiert zwischen Bevölkerung und Wirtschaft ein massives Verständigungsproblem. Als Ursachen sehen sie vor allem fehlende Kommunikation und Wissensdefizite in der Bevölkerung. Die befragten Wirtschaftsvertreter sprechen der Bevölkerung sogar die Fähigkeit ab, an der Reformdiskussion aktiv teilzunehmen. Aber auch in der Kommunikation zwischen Wirtschaftsvertretern und Medien bestehen Defizite: Den Unternehmern mangelt es an Medienkompetenz, so das Urteil der Chefredakteure. Die Wirtschaftslenker hingegen kritisieren einen Trend zur Negativberichterstattung und zur Konzentration auf die Aussagen der Politik. Dabei können Politiker und Gewerkschaftsvertreter, so die Auffassung von Journalisten wie auch Unternehmern, als »Gefangene des Politikbetriebs« kaum Beiträge zur Problemlösung leisten. Als Hoffnungsträger gelten den Experten deshalb Institutionen, die in der Argumentation nicht so festgefahren sind, z. B. Wissenschaft und Forschung, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen. Die Bevölkerung hingegen, so das Ergebnis der repräsentativen Umfrage, setzt ihr Vertrauen vor allem in den Mittelstand. Dessen Positionen sind ihr zwar weitgehend unbekannt, sie traut ihm aber vor sämtlichen politischen Gruppen am ehesten zu, die Interessen der Bevölkerung bei den anstehenden Reformen zu vertreten. Da auch die befragten Medien- und Wirtschaftsvertreter Hoffnungen in den Mittelstand setzen, besitzt er enormes Potenzial, eine Mittlerrolle im Reformprozess zu übernehmen.
KATRIN SCHNETTLER, Berlin
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Christoph Classen: Faschismus und Antifaschismus. Die nationalsozialistische Vergangenheit im ostdeutschen Hörfunk (1945-1953). – Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag 2004 (= Reihe: Zeithistorische Studien; Bd. 27), 384 Seiten, Eur 44,90. Klaus Arnold/Christoph Classen (Hrsg.): Zwischen Pop und Propaganda. Radio in der DDR. – Berlin: Christoph Links Verlag 2004, 282 Seiten, Eur 24,90. Zwei nicht nur gewichtige, sondern auch wichtige Werke zum ostdeutschen bzw. DDR-Radio sind hier anzuzeigen: Christoph Classens Dissertation, die er im Rahmen des DFG-geförderten Forschungsprojekts »Geschichte als Herrschaftsdiskurs« am Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung Potsdam (ZZF) schrieb; und ein Band, der Beiträge einer vom ZZF und der Katholischen Universität Eichstätt im März 2004 veranstalteten Tagung versammelt. Classens an Primär- und Sekundärquellen gesättigte Arbeit fragt danach, wie die NS-Vergangenheit in SBZ und früher DDR »öffentlich wahrgenommen und dargestellt«, wie sie im Radio inszeniert wurde und wie die »Chancen auf positive gesellschaftliche Aufnahme« des Themas standen (S. 12). Sein »geschichtskulturelles« Herangehen möchte über institutions- und programmorientierte Mediengeschichts-Rekonstruktionen hinausgehen und »allgemeiner bei den Kommunikationsstrukturen und -inhalten« ansetzen und – anknüpfend an Jörg Requate (1995) – nach deren »Wandel, ihren jeweiligen Bedingungen und Chancen« fragen (S. 25). SBZ bzw. DDR werden dabei als »Diktatur der Moderne« verstanden. Erinnerungskultur, semiotische Konzepte aus der politischen Kulturforschung, Assmanns Modelung des Halbwachs’schen »kollektiven Gedächtnisses« zum »kommunikativen und kulturellen Gedächtnis« und der auf die DDR-Geschichtskultur angewandte Foucault’sche Diskursbegriff spannen das weite theoretische Feld, auf dem Classen sich bewegt. Zum 77 Seiten umfassenden theoretischen Teil der Arbeit gehört schließlich ein Kapitel zum kommunistischen Faschismusverständnis zwischen 1921 und 1945. Zwei zentrale Kapitel (186 Seiten) widmen sich den Phasen 1945-47 und 1948-53, in denen die Repräsentationen des Nationalsozialismus bzw. von Faschismus und Antifaschismus im SBZ-/DDR-Radio unterschiedliche Ausprägungen erfuhren. Mit der Erörterung institutions-,
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organisations-, personal- und technikgeschichtlicher Aspekte und des allgemeinen Programmkontexts sowie programmgeschichtlicher Exempel der wichtigsten thematischen Topoi backt Classen in diesen Teilen medienhistorisches Schwarzbrot. Die Quellenlage ist für diese Zeiträume eher bruchstückhaft. Trotz Aufarbeitung bei Fischer/Pietrzynski (Deutsches Rundfunkarchiv 1995) und Diskussion bei Galle (2003) vermisst man eine klare Übersicht über die Zahl der vorhandenen Sendemanuskripte und Tonquellen und deren inhaltliche Schwerpunkte. Zu Recht relativiert Classen die Aussagekraft prozentualer Angaben angesichts der Quellenlage, zugleich bildet er aber dennoch thematische Schwerpunkte und legt sie seinen weiteren Interpretationen und theoretisch-kulturellen Erörterungen zu Grunde. Zudem zählt er nur die absolute Zahl der Manuskripte (S. 111), die sehr wenig aussagt, und er unterlässt es, aus deren Länge auf die Sendelänge und damit den tatsächlichen Anteil des Themas am Programm zu schließen. So bleiben diese Teile exemplarisch bzw. hermeneutisch-interpretativ und sind nur bedingt für die Errichtung makro-theoretischer Gebäude geeignet, die dann folgt. Eine Kontextualisierung des programmlichen Umfelds wird nur sehr knapp angedeutet, ein Vergleich mit einem oder mehreren Programmen der Westzonen fehlt, ohne dass allerdings auf Rezeptionsvermutungen (»Wahrnehmung«) oder noch weiter gehende Deutungen verzichtet würde. Classen unternimmt einen großen methodologischen Wurf, der wichtige Anregungen und Elemente für einen fruchtbaren kultur- und medienhistorischen Diskurs enthält. Das frühe ostdeutsche Nachkriegsradio mit seiner löchrigen Quellengrundlage erscheint hierfür aber »zu klein« bzw. die Ergebnisse werden »zu groß« aufgeblasen. Die Arbeit ist als Dissertation in ihrer methodischen Ambition und Kraft außergewöhnlich, ihr kulturhistorischer Zugriff harrt noch der Ausführung an einem größeren Thema mit breiterer Daten- und Quellengrundlage. Eine sehr prägnante Kurzfassung schrieb Classen für den Sammelband »Zwischen Pop und Propaganda«. Dieser relativ schnell nach der Tagung mit Hilfe der »Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur« veröffentlichte Band enthält im ersten von fünf Kapiteln zwei Beiträge von Clas-
sen/Arnold zum DDR-Radio und seinem Verhältnis zur Unterhaltung und zur Propaganda sowie einen hochinteressanten Aufsatz von Thomas Lindenberger, der die Massenmedien des Kalten Krieges unter sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten analysiert. Er konstatiert eine Unvereinbarkeit von Kaltem Krieg und Massenmedien. Letztere hätten geholfen, die im Kalten Krieg errichteten Limitierungen in einem systemübergreifenden Prozess zu überwinden. Die folgenden Kapitel nehmen in großen chronologischen Schritten den »Rundfunk in der SBZ und in der frühen DDR« sowie »nach dem Mauerbau« in den Blick. Auf das Syndrom der in der bürgerlichen Tradition stehenden Unterhaltung, die Abgrenzung davon und den Aufbau einer eigenen »sozialistischen Unterhaltung« gehen Wolfgang Mühl-Benninghaus – organisationsgeschichtlich für die Jahre bis 1949 – und Monika Pater – eher programmgeschichtlich orientiert für die 1950er Jahre – ein. Endlich einmal eine vergleichende Betrachtung legt Hans-Ulrich Wagner für die literarischen Programmangebote des Berliner Rundfunks und des Nordwestdeutschen Rundfunks in der frühen Nachkriegszeit vor. Ingrid Pietrzynski konzentriert sich auf den Einschnitt, den das Radio-Programm des 17. Juni 1953 bedeutete. Im dritten Kapitel beschäftigen sich Christian Könne mit der Wirtschaftsagitation im Radio, Rolf Geserick mit der Entwicklung des Radios in der Honecker-Ära, Sylvia Dietl mit dem Ende des DDR-Rundfunks unter struktur- und handlungstheoretischen Aspekten und Ernst Elitz mit dem DeutschlandRadio als »Produkt der Einheit«. Der Deutschlandsender (Klaus Arnold), der RIAS (Bernd Stöver), das Jugendstudio DT 64 (Heiner Stahl), Radio Moldau (Claus Röck) und der Deutsche Freiheitssender 904 sowie der Deutsche Soldatensender 935 (Jürgen Wilke) werden im vierten Kapitel untersucht. Im fünften Kapitel stellen Adelheid von Saldern und Konrad Dussel Überlegungen zur Komparativik an: zwischen dem NS-Rundfunk und dem DDR-Rundfunk der 1950er Jahre bzw. zwischen BRD und DDR. Der Rezeption des Radioprogramms in der DDR widmet sich Michael Meyen, und über Hörerbriefe an DT 64 schreibt Edward Larkey.
RÜDIGER STEINMETZ, Leipzig
Buchbesprechungen Christiane Eilders/Friedhelm Neidhardt/Barbara Pfetsch: Die Stimme der Medien. Pressekommentare und politische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik. – Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004, 431 Seiten, Eur 39,90. Das Buch »Die Stimme der Medien« widmet sich einem in der Kommunikationsforschung bislang weithin vernachlässigten Genre: dem Kommentar. Das Buch unterteilt sich – nach einer Einführung, in der der öffentlichkeitstheoretische Hintergrund der Studie, das allgemeine Untersuchungsinteresse, die Vorgehensweise und einige zentrale Befunde skizziert werden – in zwei Hauptteile sowie einen Anhang. In diesem sind das methodische Design und Instrumentarium der Untersuchung ausführlich dokumentiert. Während sich die Beiträge des ersten Hauptteils den aus öffentlichkeitstheoretischer Sicht zentralen Dimensionen der Meinungsbildungsfunktion der Presse widmen, werden im zweiten Teil thematisch abgegrenzte Analysen zu verschiedenen Politikfeldern und spezifischen Fragestellungen präsentiert. Im Vergleich dieser beiden Teile kann der erste durch seine stringente Herangehensweise stärker überzeugen. Ihm soll besondere Beachtung geschenkt werden. Alle Beiträge des Bandes stützen sich auf eine Inhaltsanalyse der Pressekommentare fünf überregionaler »Qualitätszeitungen« im Zeitraum 1994 bis 1998. Von diesen kann angenommen werden, dass sie außerordentliche öffentliche und politische Wirkungen entfalten, da sie in hohem Maße von Publikum, politischer Elite und Medien rezipiert werden. Gleichwohl, daran erinnert richtigerweise der einführende Beitrag, sind entsprechende Resonanzen der »Stimme der Medien« in starkem Maße abhängig von Themenfokussierung, Meinungskonsonanz und Issue-Persistenz – je vielstimmiger und disharmonischer der Chor der Medien dagegen ausfällt, desto weniger kann er schließlich Aufmerksamkeit erzeugen und das Publikum überzeugen. Nach einem Blick auf das »Kommentariat«, d. h. auf die Kommentatoren, deren Soziostruktur, Rollenverständnis und Handlungsoptionen, machen sich die nachfolgenden Beiträge des ersten Teils auf die Suche nach Akteuren, Themen, Frames und Bewertungen in den Pressekommentaren. Dabei verdeutlichen die Analysen vor allem eines: Eine vergleichsweise hohe soziale Homogenität der Kommentatoren und eine relativ ausgeprägte Themenfokussierung führen, wenig
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überraschend und aus demokratietheoretischer Sicht sicherlich auch erwünscht, nicht zwangsläufig zu hoher Meinungskonsonanz. Im Hinblick auf ihre politische Wirkungskraft schmälert dies das Potenzial der Kommentare: Die regelmäßige Vielstimmigkeit und Kakophonie des Chors der Pressekommentare scheint tatsächlich eher zu »irritieren als [zu, J. T.] orientieren« (S. 33). Gerade bei randständigen Politikbereichen verkümmert die »Stimme der Medien« demzufolge nur allzu oft zu einer wirkungslosen, ja »symbolischen Geräuschkulisse« (S. 278). Dieser Politikfelder und ausgesuchten Fragestellungen nimmt sich der zweite Teil des Bandes an. Die Auswahl der Beiträge scheint dabei vor allem den »spezifischen inhaltlichen Forschungsinteressen der einzelnen Autoren« (S. 22) und weniger den zuvor ermittelten thematischen Fokussierungen zu folgen. Dadurch verliert der Band etwas an der vorher eingeschlagenen Systematik; zugleich bietet er aber z. T. erstmalig empirische Einblicke in die Berichterstattung über einige Policies, wie z. B. Medienpolitik, Recht/Justiz oder Europäische Beziehungen. Bei einigen dieser Beiträge handelt es sich um überarbeitete Fassungen bereits veröffentlichter Artikel, die sich zudem – zwangsläufig – auf niedrige Fallzahlen stützen. Alles in allem, und ungeachtet des vergleichsweise disparaten zweiten Teils, kann der Band durch seine Fokussierung auf ein – bislang weithin vernachlässigtes – Genre und einen einheitlichen methodischen Zugang sehr überzeugen. Dessen Lektüre kann auch Studierenden empfohlen werden, denn nicht nur der Aufbau des Bandes ist logisch und nachvollziehbar, auch sind nahezu alle Beiträge leicht verständlich geschrieben, sie verzichten – bis auf wenige Ausnahmen – auf Wiederholungen, und die Befunde sind durch den umfassenden Anhang gut dokumentiert. Zugleich bietet das Buch eine Fülle an Ansatzpunkten für die Forschung: Die herausgearbeiteten Kommentarfaktoren, das (nicht untersuchte) Zusammenspiel von Kommentar und Nachricht und schließlich die unterstellten »Wirkungen« von Kommentaren auf Politik, Medien und Publikum bedürfen weiterer empirischer Überprüfung in longitudinal und horizontal vergleichender Perspektive sowie unter Berücksichtigung anderer Mediengattungen. Der »Stimme der Medien« kommt insofern nicht zuletzt das Verdienst zu, neue Anstöße für die politische Kommunikationsforschung zu liefern.
JENS TENSCHER, Landau
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Walter J. Schütz: Zeitungen in Deutschland. Verlage und ihr publizistisches Angebot 1949-2004. 2 Teilbände. – Berlin: Vistas 2005, 1162 Seiten, Eur 68,–. Die sieben Stichtagssammlungen deutscher Zeitungen aus den Jahren 1954, 1964, 1967, 1976, 1989, 1994 und 2004 von Walter J. Schütz sind als einzigartige Arbeitsleistung in der Publizistikund Kommunikationswissenschaft weithin bekannt; für sie ist ihr Autor nach der vierten Erhebung 1983 von der Universität Münster mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde geehrt worden, und sie sind das zentrale Thema der ihm 1995 zum Abschied aus dem amtlichen Berufsleben gewidmeten Festschrift »Publizistik«. Wie Walter J. Schütz sich danach nun als Privatgelehrter um das Wissenschaftsfach und um das Spezialthema Stichtagssammlung verdient gemacht hat, ist unter anderem auch in den hier vorzustellenden Bänden nachzuvollziehen. Neben vielem anderen wurde die bibliographische Dokumentation der bisherigen Sammlungen zu einem Fixpunkt unter den selbst gestellten Aufgaben, ein bibliographisches Verzeichnis, das für jede Zeitungsausgabe Titel, vollständige Untertitel, Ausgabenkennung, ergänzende Hinweise auf lokalbezogene Innentitel, Angaben über Verlag und Mantellieferung sowie die verkaufte Auflage enthält. Langjährige Vorarbeiten und Erprobungen anlässlich regionaler Zeitungsbibliographien 1965, 1990 und 1997 haben Walter J. Schütz eine spezifische typographische Form der bibliographischen Berichterstattung finden lassen, die die publizistische Zusammengehörigkeit und Besitzverhältnisse der Zeitungsausgaben bereits optisch spiegelt. Sie ist eher archivarischen Traditionen verpflichtet und weit entfernt von den bibliothekarischen Bemühungen um eine verbindliche Titelaufnahme von Zeitungen, denen es in ihrer Fixierung auf formal unterscheidbare Zeitungsausgaben bisher nicht gelungen ist, zeitgleiche (horizontale) und historische (vertikale) Verknüpfungen eingängig und nachvollziehbar darzustellen. Die von Walter J. Schütz entwickelte Form der Titelaufnahme gibt noch einmal Anlass zum Überdenken der bibliothekarischen Regelwerke und ihrer Anwendung. Seine bibliographischen Beschreibungen zeigen, dass ohne ein exaktes Wissen um diese Verknüpfungen und ohne ihre Berücksichtigung eine inhaltlich und formal angemessene Titelaufnahme irgendeiner beliebigen einzelnen Zeitungsausgabe nicht sinnvoll und nicht korrekt ist. Jetzt werden alle bundes-
deutschen Zeitungsausgaben in sechs zeitlichen Schnitten exakt und übersichtlich vorgestellt, eine weitergehende Hilfe für die Bibliothekare ist für diesen Zeitraum nicht erwartbar. Aber die beiden Bände bieten mehr: Nach thematischer Einführung (von Hans Bohrmann), Einleitung und methodischen Erläuterungen beginnt Walter J. Schütz seine Übersichten mit einer Liste der Tageszeitungen in den Ländern der BRD vor der Aufhebung des Lizenzzwanges 1949. Danach folgen die einzelnen Stichtagssammlungen, jeweils ergänzt um die Liste der Mikrofilme aus der Verfilmung durch das Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse (sie fehlt für die Stichtagsverfilmung 2004, da diese bei Drucklegung noch nicht abgeschlossen war). Eingeschoben hinter die Stichtagssammlung 1989 findet sich in angeglichener Form (Gliederung nach Bundesländern statt nach Bezirken) eine Darstellung der verlegerischen und redaktionellen Struktur der in der DDR im Oktober 1989 erschienenen Tageszeitungen. Sie beruht nicht auf einer Stichtagssammlung, sondern auf Recherchen aus dem Jahr 1990. Die folgende (sechste) Stichtagssammlung vom 8. bis 14. Juni 1994 wurde im Ergebnis beeinträchtigt durch den zeitgleichen Arbeitskampf im Druckgewerbe, der unvorhersehbare Irregularitäten in der Pressestruktur (Ausfälle, Notausgaben u. Ä.) bewirkte. Nachträgliche Recherchen konnten zwar die redaktionelle und verlegerische Struktur der damals 137 »publizistischen Einheiten« rekonstruieren, aber eine exakte Beschreibung der 1597 Ausgaben und die konkrete Nennung der 385 »Verlage als Herausgeber« waren nicht möglich. Die Stichtagssammlung vom 29.9. bis 5.10.2004 beschreibt wieder alle, nun 1538 Ausgaben in gewohnter Weise. Zusätzlich wird für 2004 die »Zeitungsverbreitung nach Gebietskörperschaften« vorgestellt, in der für jeden Kreis resp. jede kreisfreie Stadt die Namen der Ausgaben mit je ortsbezogener Berichterstattung genannt werden, somit die »Brutto-Zeitungsdichte« vorgestellt wird. Es folgen ein Register der Verlagsorte mit den Zeitungen der jeweiligen Stichtagssammlungen und ein Register der Haupttitel deutscher Tageszeitungen in derselben Gliederung, so dass zeitliche Veränderungen in der Pressestruktur sichtbar werden. Danach folgen ein elfseitiges, akribisches Literaturverzeichnis von Beiträgen zur Methode und Ausführung von Stichtagssammlungen nebst allen Veröffentlichungen von Ergebnissen und Anwendungen und schließlich ein sehr lesenswertes
Buchbesprechungen »Nachwort als Rückblick und Dank«, das die Historie der Stichtagssammlungen mit der Lebensgeschichte des Autors verbindet. Walter J. Schütz hat mit der Dokumentation seiner Stichtagssammlungen diese einzigartige wissenschaftliche und dokumentarische Leistung zur Vollendung gebracht, dafür gebührt ihm der Dank der gesamten Wissenschaftsgemeinschaft.
WILBERT UBBENS, Bremen
Heiner Boehncke/Michael Crone (Hrsg.): Radio Radio. Studien zum Verhältnis von Literatur und Rundfunk. – Frankfurt am Main etc.: Peter Lang 2005 (= Reihe: Frankfurter Forschungen zur Kultur- und Sprachwissenschaft; Bd. 9), 357 Seiten, Eur 46,80. »Radio Radio« ist ein merkwürdiges Buch. 2002 und 2003 veranstalteten die beiden Medienwissenschaftler und Rundfunkmitarbeiter Heiner Boehncke und Michael Crone eine Seminarreihe an der Frankfurter Universität zum Thema »Literaturgeschichte des Radios«. Doch wer neugierig danach fragt, was die Dozenten darunter verstehen, wird enttäuscht. Angesichts einer breiten Forschungslandschaft, in der an bislang traditionell germanistischen Instituten nun »Medienkultur« gelehrt und mit ausdifferenzierten Methoden über »Literatur im Medienzeitalter« gearbeitet wird, hätte man sich näheren Aufschluss über Konzeption und Ansatz gewünscht. Stattdessen wird man nach einem nur eine Seite umfassenden Vorwort unvermittelt mit 17 »überarbeitete[n] Hausarbeiten der Studierenden« (S. 5) konfrontiert. Unter der Klammer »Studien zum Verhältnis von Literatur und Rundfunk« sind die Beiträge von insgesamt 23 Studentinnen und Studenten vereinigt und in der Gliederung sieben Kapiteln zugeordnet. Diese sind zum Teil enger an das Thema angelehnt – wie »Das Radio und die Literatur« und »Das Radio und die Autoren«, wo Rundfunkarbeiten von Kurt Tucholsky, Hans Magnus Enzensberger, Vargas Llosa, Albert Ostermaier und Bertolt Brechts »Flug der Lindberghs« untersucht werden. Andere Kapitel wie »Das Radio und die Propaganda« und »Das Radio und sein Publikum« greifen bereits in ihrem Titel über die Themensetzung hinaus. Unter »Das Radio und der Sport« behauptet sich ein einziger Beitrag über »Fußball im Ohr«, der zwar bei Ror Wolfs Radioarbeiten zum Thema Fuß-
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ball in den 1970er Jahren seinen Ausgang zu nehmen verspricht, aber bei der WM-Endspiel-Reportage von 1954 und bei den Radioschlusskonferenzen der Bundesliga 1998/99 seinen Hauptgegenstand findet. Einleitend werden bunt gemischt unter »Radio Radio« drei Arbeiten gebracht über »Radiogerede – Worte rund um ›Funk‹«, über »Oralität und Rundfunk« sowie über »Design – Radio als Möbel«. Abschließend bieten vier Studierende eine teilweise kommentierte Bibliografie zum Thema Literatur und Rundfunk, die allerdings nur den Zeitraum 1923 bis 1945 erfasst und lückenhaft ist. Die Herausgeber dieses Sammelbandes kündigen die unter ihrer Ägide entstandenen Arbeiten als »interessante und eigenständige Beiträge« an; die Motivation und Legitimation zu deren Veröffentlichung wird knapp mit den »vielfältigen Anregungen für Studium und Forschung« begründet. Doch selbst solch lakonischen Zielsetzungen genügen die in ihrer wissenschaftlichen Durchdringung und in ihrer sprachlichen Darstellung sehr unterschiedlichen Aufsätze oft nicht. Zu viele Ungenauigkeiten schleichen sich ein, zu wenig thematische Prägnanz bei einzelnen Fragestellungen ist zu beklagen. Da tun formale Fehler bei Orthografie und Grammatik sowie uneinheitliche Zitierweisen innerhalb eines Beitrags – was jeder Dozent im Semesteralltag anprangert – ein Übriges. Verweise auf Seminarreader geben zwar Einblick in die Arbeitsweise der Frankfurter Studierenden, für den Außenstehenden sind sie jedoch nicht nachvollziehbar. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob eine universitätsinterne Veröffentlichung in Heftform bzw. eine Online-Publikation auf einer Homepage der Veranstaltungsreihe nicht ausgereicht hätte.
HANS-ULRICH WAGNER, Hamburg
Dieter Prokop: Das Nichtidentische der Kulturindustrie. Neue kritische Kommunikationsforschung über das Kreative der Medien-Waren. – Köln: Herbert von Harlem Verlag 2005, 107 Seiten, Eur 17,–. Das Buch enthält zwei neu bearbeitete und ergänzte Aufsätze Prokops aus der ›Zeitschrift für kritische Theorie‹ (Hefte 14/2002 und 16/2003), versehen mit einem Vorwort des Autors, in dem dieser sein wissenschaftliches Programm und seine Motive vorstellt. Ähnlich wie
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einst Paul F. Lazarsfeld unterscheidet er hier kommerzielle von kritischer Kommunikationsforschung und bekennt sich zu letzterer, die er im Interesse »der Freiheit und der Qualität der Medien« (S. 9) weiter betreiben, aber auch erneuern möchte, weil er eine eindimensionale Kritik der Kulturindustrie ablehnt. Im ersten Teil (»Dialektik der Kulturindustrie. Ein Beitrag der neuen kritischen Kommunikationsforschung«, S. 17-54) bezichtigt er zunächst die Vertreter des Konstruktivismus, der Cultural Studies und der Systemtheorie in Bausch und Bogen, »einen postmodernen Anti-Essenzialismus, Relativismus und Irrationalismus« zu propagieren, und nennt sie polemisch »Vergnügungs-Wissenschaftler«, die sich angeblich weigerten, Qualitäten von Meinungsfreiheit, Öffentlichkeit und Mündigkeit wahrzunehmen, und stattdessen die Funktion der Medien als eine Art »Gottesdienst an der Gesellschaft« definierten (S. 17). Nach diesem Rundumschlag zeigt er sich dann wie gewohnt als exquisiter Adorno-Kenner, der im Stande ist, dessen Theorie angemessen zu würdigen und zugleich zu erweitern. In der Beurteilung des Warencharakters medienkultureller Muster, die im Kapitalismus tendenziell auf abstrakte quantitative Tauschwerte reduziert werden, stimmt er Adorno ohne Einschränkung zu, doch dürfe man nicht nur diese eine, negative Seite der Medaille sehen, sondern müsse berücksichtigen, dass aus Medienproduktion, Medienprodukten und Medienkonsumtion immer »auch Momente der Freiheit des Subjekts hervorgehen« (S. 44). Dahinter steckt maßgeblich Prokops wohlwollendes Menschenbild, auch wenn er keineswegs davon ausgeht, dass Medienkonsumenten nur rational handeln (S. 47f.). Folglich sucht er nicht außerhalb, sondern innerhalb der Kulturindustrie nach Gegentendenzen und findet diese exemplarisch sogar in Quizshows, in denen durchaus Träume vom besseren Leben aufbewahrt seien (S. 49f.). Im zweiten Teil (»Freiheitsmomente der Warenform. Negativ-dialektische Theorie der Kulturindustrie«, S. 55-97) begründet und belegt er seine Behauptung, dass »in der Waren-Struktur, in den Waren-Strategien selbst, ein kreatives Potenzial angelegt ist«, dass man also das Kreative (das Nichtidentische) mitten in der Kulturindustrie (im Identischen) findet (S. 13f.). Und diese Unterscheidung sei keinesfalls eine zwischen falsch und richtig, weil eine Erkenntnis des Nichtidentischen ohne die Erfahrung des Identi-
schen gar nicht möglich sei (S. 73). Auch diese These wendet Prokop exemplarisch auf ein Fernsehformat an, diesmal auf die aktuellen Abenteuer-Spiel-Shows, und er konstatiert, »dass die ›Herausforderungen‹, mit denen Stars ständig konfrontiert werden, nicht nur das Bedrohende sind, sondern auch das Identität Schaffende und Verändernde« (S. 85). Zwar attestiert er dem TV-Dschungel neoliberale Ideologiepropaganda, nämlich einen sozialdarwinistischen Modellcharakter, da es hier primär um ein Survival of the Fittest auf Kosten von Schwachen gehe, doch das sei wiederum nur die eine Seite der Medaille, denn jener Dschungel sei eben auch ein utopischer Ort, in dem man eine enorme Vielfalt sowie Sinnlichkeit und Überlebenskunst entdecken könne (S. 87ff.). Am Ende äußert der Autor die Hoffnung, dass Produzenten von Medienwaren künftig versuchen, eine »ordentliche Waren-Wertform« mit »reinem Gebrauchswert« zu verbinden (S. 92), also sowohl ökonomisch erfolgreich wie inhaltlich anspruchsvoll zu sein. Dazu entwickelt er eine Typologie von neun möglichen Strategien, deren Nützlichkeit für die empirische Forschung sich allerdings noch erweisen muss (S. 93ff.). Das übersichtlich gestaltete und handliche Taschenbuch eignet sich gut als Einführungstext in aktuelle Perspektiven der Kritischen Theorie und deren Brauchbarkeit für die Medienanalyse, auch wenn Prokop gelegentlich zwischen Darstellung, Analyse und Polemik changiert. Das Literaturverzeichnis ist mit über hundert Quellenangaben für einen derart prominenten Wissenschaftler ungewöhnlich umfangreich, und ebenso bemerkenswert ist, dass der Autor nur sieben eigene Schriften anführt.
JOACHIM WESTERBARKEY, Münster
Christiane zu Salm (Hrsg.): Zaubermaschine interaktives Fernsehen? TV-Zukunft zwischen Blütenträumen und Businessmodellen. – Wiesbaden: Gabler 2004, 239 Seiten, Eur 69,90. Es war mutig von Verlag und Herausgeberin, eine interdisziplinär angelegte Aufsatzsammlung zum Thema interaktives Fernsehen (i-TV) zum jetzigen Zeitpunkt in Angriff zu nehmen, konnte man doch davon ausgehen, dass manches bereits überholt ist, sobald das Buch auf den Markt kommt. Herausgeberin Christiane zu Salm (da-
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einig, dass Digitalisierung und i-TV auf längere Sicht gesehen die Struktur des Fernsehangebots deutlich verändern werden. Entgegen mancher Prognose noch vor wenigen Jahren wird die »digitale Revolution« jedoch ausbleiben. Stattdessen ist ein evolutionärer Prozess im Gange, in dessen Verlauf Anpassungen auf beiden Seiten (Anbieter und Nutzer) erforderlich sein werden, das traditionelle Fernsehen bzw. die eher »passive« Nutzung jedoch weiterhin einen zentralen Platz einnehmen (»Auch im Cyberspace gibt es das Recht auf Faulheit«, Norbert Bolz). Klaus Schönbach hebt die künftig steigende (weil wegen des wachsenden Angebots notwendige) Selektivität des Nutzers hervor, während Horst Stipp den Anbietern dringend rät, die Interessen der Konsumenten stärker in den Mittelpunkt ihrer Planungen zu stellen und nicht die Technik (»Interaktivität ohne technologische Zwangsjacke«). Insgesamt bietet der Band eine sehr brauchbare Einführung in die vielfältigen Aspekte des interaktiven Fernsehens, sowohl im Hinblick auf das notwendige Basiswissen als auch als Anregung für die weitergehende Beschäftigung mit speziellen Fragestellungen. Einige der Beiträge enthalten dazu nützliche Literaturhinweise. Für diejenigen, die sich bereits eingehender mit i-TV befasst haben, liefert der Band zwar keine überraschenden Neuigkeiten, dafür aber möglicherweise – durch den interdisziplinären Ansatz – die Chance, ihren Blickwinkel zu erweitern.
RUNAR WOLDT, Frankfurt am Main
Thomas L. McPhail: Global Communication. Theories, Stakeholders, and Trends. Second edition. – Malden (MA), Oxford, Carlton (Vic.): Blackwell Publishing 2006, 357 Seiten, Hardback: USD 99,95/GBP 55,–; Paperback: USD 49,95/GBP 17,99. Bereits in zweiter Auflage erscheint Thomas McPhails Lehrbuch zur internationalen Kommunikation. Es bietet eine solide Einführung in das komplexe Thema, ist gut zu lesen und für die weitere Beschäftigung stimulierend. Das Theoriegerüst in Kapitel 1, das dem Buch als roter Faden dient, ist reduktionistisch und verbindet im Wesentlichen zwei Ansätze: die Theorie vom »elektronischen Kolonialismus«, die an McPhails eigene Studien zur Neuen Welt-Informations-
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und Kommunikationsordnung anknüpft, sowie die Weltsystem-Theorie, wie sie vor allem von Wallerstein entwickelt wurde. Der Autor greift beide im Verlauf des Bandes immer wieder geschickt auf, um mit ihnen auf den ersten Blick disparate Phänomene zu analysieren, zu erklären und vor allem in einen Zusammenhang zu stellen. Das funktioniert erstaunlich stringent, ließe sich einwerfen, denn es gäbe noch so viele andere Erklärungsansätze – die McPhail auch keineswegs unerwähnt lässt. Aber die dem Lehrbuch-Charakter der Publikation geschuldete Beschränkung überzeugt: Sie macht den Lernstoff handhabbar (und beschränkt den Textkorpus auf rund 330 Seiten). Die Auswahl der Themen und Akteure der globalen Kommunikation, die in elf Hauptkapiteln eingeführt werden, ist angemessen. Es sind keineswegs nur US-amerikanische Multimedia-Giganten, die mit ihren diversifizierten Geschäftsaktivitäten und Hegemonialbestrebungen vorgestellt werden, sondern ebenso ihre europäischen (»The United States of Europe«) und asiatischen, in einigen Seitenblicken auch lateinamerikanischen Konkurrenten. McPhail analysiert die Rolle der führenden Nachrichtenagenturen, der Werbe- und PR-Agenturen und außerdem die Funktionen westlicher Auslandsrundfunksender. Diese Darstellungen sind über weite Strecken deskriptiv und dienen wohl in erster Linie beinahe banal dazu, Nichtwissen auf Seiten der Leser zu verringern. Bei weitem nicht alles, was man hier erfährt, wird im weiteren Verlauf des Buches argumentativ aufgegriffen. Auch schleichen sich kleinere Fehler ein. So ist Radio Canada International in den 1990er Jahren keineswegs »eliminated« worden (S. 172), auch wenn dies einmal geplant war; der BBC World Service hat eine fünf Mal so große weltweite Hörerschaft wie von McPhail angeführt – rund 150 statt 30 Millionen wöchentliche Hörer (S. 162). Aber die
Grundlinien, welche (und wessen) Interessen grenzüberschreitende Kommunikation tangiert, werden deutlich. Weitere Kapitel behandeln Medien in der arabischen Welt (Gastautor: Ralph Berenger), den Einfluss von technisch-wirtschaftlich-politischen Infrastrukturorganisationen wie ITU, Intelsat, WTO und OECD und den übergeordneten Kontext der bereits Jahrzehnte währenden Debatte um eine gerechte oder wenigstens angemessenere Welt-Informations- und Kommunikations-Ordnung. McPhail diskutiert all diese Akteure und Prozesse zwar kritisch, wenngleich angenehm differenziert und dialektisch – die Zeit der unfruchtbaren ideologischen Grabenkämpfe ist wohl vorbei. Ein Blick auf das Internet als »New Frontier« der weltweiten Kommunikation findet sich gegen Ende des Bandes. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen des Buches (Kapitel 13) lesen sich zu einem guten Teil wie eine variierte und um Details aufgestockte Wiederholung des Einführungskapitels. Oder positiv formuliert: Anfang und Ende des Bandes bilden eine Klammer, mit deren Hilfe man das zuvor Gelesene einordnen und so seinen individuellen Lernerfolg testen kann. Der eilig Lernende könnte sogar nur diese beiden Kapitel lesen und bekäme immerhin ein tragfähiges theoretisches Gerüst und ein zumindest für den Anfang ausreichendes Wissen über Akteure, Strukturen und aktuelle Forschungsprobleme der internationalen Kommunikation an die Hand. Das ist nicht das Geringste, was man von einem Lehrbuch sagen kann. Die rund 270 Seiten dazwischen, so sei betont, lohnen die Lektüre alles in allem ebenso. Die zahlreichen Wiederholungen von zentralen Punkten dürften der Didaktik geschuldet sein. McPhail glaubt wohl nicht, dass Lehrbücher noch linear von vorne nach hinten gelesen werden.
OLIVER ZÖLLNER, Stuttgart
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K URZBESPRECHUNGEN Joanna Barck/Petra Löffler u. a.: Gesichter des Films. – Bielefeld: Transcript Verlag 2005, 386 Seiten, Eur 28,80. Das menschliche Gesicht ist in der visuellen Kommunikation allgegenwärtig. Es ist daher kaum verwunderlich, dass es auch als Gegenstand medienwissenschaftlicher Forschung aktuell eine bemerkenswerte Konjunktur erlebt. Der vorliegende, aus dem Forschungskolleg »Medien und kulturelle Kommunikation« der Universitäten Köln, Bonn, Bochum und Aachen hervorgegangene Band versteht sich als »Kommentar zu dieser besonderen Faszination, die das Gesicht als filmisches Ereignis [...] hervorruft« (S. 9). In 26 alphabetisch geordneten Beiträgen analysieren die Autoren Begriffe wie »Auge«, »Blick«, »Narbe« oder »Träne« im Kontext filmwissenschaftlicher, kulturwissenschaftlicher und medienästhetischer Überlegungen. Ganz nebenbei ermöglichen sie dabei auch eine erfrischend unkonventionelle Sichtweise auf die Geschichte tse des Films.
Rebekka Bratschi: Xenismen in der Werbung. Die Instrumentalisierung des Fremden. – Frankfurt am Main etc.: Peter Lang 2005 (= Reihe: FASK. Publikationen des Fachbereichs Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim, Reihe A; Bd. 44), 229 Seiten, Eur 42,50. Die Mainzer Dissertation versteht Werbung als Zerrspiegel der Gesellschaft, der aber dennoch kollektive Mentalität abbilde, weshalb ihre sozialwissenschaftliche Analyse Rückschlüsse auf das Zusammenleben erlaube. Xenismen, Elemente des (sprachlich, kulturell) Fremden, findet Bratschi in ausgewählten Fernsehspots, Plakaten und Anzeigen der Jahre 2001 bis 2003. Das kommerzialisierte und stereotypisierte Fremde diene der Aufmerksamkeitssteigerung, die Häufigkeit seines Auftretens sei ein Gradmesser für Ethnozentrismus. Das Fremde in der Werbung vermittle zudem Hinweise auf die Mentalihb tät der deutschen Rezipienten.
Else Frobenius: Erinnerungen einer Journalistin zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg. Herausgegeben und kommentiert von Lora Wildenthal. – Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag 2005 (= Reihe: Selbstzeugnisse der Neuzeit; Bd. 16), 257 Seiten, Eur 29,90. Else Frobenius wurde 1875 im russischen Livland geboren, zog 1908 nach Berlin und wurde eine glühende Nationalistin (und Kolonialistin), zugleich Vorkämpferin der rechten Frauenbewegung. Die Republik, der sie das Wahlrecht verdankte, lehnte sie ab. Sie arbeitete für die ›Deutsche Allgemeine Zeitung‹ und wurde 1933 NSDAP-Mitglied. Das Manuskript, das Frobenius 1944 beendet hat, zeigt kaum Reflexion oder gar Selbstkritik und ist gerade darum nützlich, weil es verdeutlicht, wie sich die Vorbereiter und Unterstützer des Nationalsozialismus selbst sahen. Zudem sind diese Memoiren, wie die kurze Einleitung der Herausgeberin erkennen lässt, auch ein Beitrag zur Geschichte der Schattenseihb ten des Feminismus.
Romy Günthart/Michael Jucker (Hrsg.): Kommunikation im Spätmittelalter. Spielarten, Wahrnehmungen, Deutungen. – Zürich: ChronosVerlag 2005, 159 Seiten, Eur 24,80. Der Band versammelt Beiträge einer Tagung von Nachwuchswissenschaftlern. Zwar habe sich eine allgemeine Theorie der spätmittelalterlichen Kommunikation noch nicht entwickelt, mehrere Aufsätze können aber Bausteine dazu liefern. Dafür ist besonders der Beitrag von Arié Malz (»Der Begriff ›Öffentlichkeit‹ als historisches Analyseinstrument«) geeignet. Mediengeschichtlich von Interesse sind die Ausführungen zum Botenverkehr der rheinischen Reichsstädte (Christian Jörg), zur Kommunikation Geistlicher im Bistum Konstanz (Sabine Arend) und zur Weitergabe und Rezeption mystischen Erlebens (Mirjam hb Reich/Henrik Otto).
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Henry Keazor/Thorsten Wübbena: Video thrills the Radio Star. Musikvideos: Geschichte, Themen, Analysen. – Bielefeld: Transcript Verlag 2005 (= Reihe: Kultur- und Medientheorie), 476 Seiten, Eur 31,80. Die Zukunft des Musikvideoclips ist angesichts der jüngsten ökonomischen Einbrüche in der Musikindustrie mehr als ungewiss. Der vorliegende Band versteht sich daher als Würdigung einer Mediengattung, die in ihrer jetzigen Form möglicherweise schon bald Geschichte ist. Die Autoren führen in die historische Entwicklung des Genres ein, diskutieren aber auch dessen Bezüge zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen der Gegenwart sowie zu kunstgeschichtlichen Vorbildern und anderen Gattungen wie Kino- und Fernsehfilmen, Computerspielen, Cartoons, Werbespots etc. Die Erkenntnisse der materialreichen Studie fußen auf ausführlichen Analysen ausgewählter Videos, die als exemplarisch für die genannten Themenbereiche gelten tse sollen.
Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Werke, Bd. 3. Herausgegeben von Inka Mülder-Bach unter Mitarbeit von Sabine Biebl. – Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005, 914 Seiten, Eur 62,–. Was ein zentraler Beitrag zur realistischen Filmtheorie wurde, erschien dem Emigranten Kracauer während des Schreibens wie ein Alptraum. Die Neuausgabe seiner »Theorie des Films« bereinigt die durch Übersetzungen und Überarbeitungen eingeschlichenen Fehler und, besonders lesefreundlich, löst den Anmerkungsapparat zu Gunsten von Fußnoten ab. Zudem enthält der Band bislang unpubliziertes Material Kracauers aus seinem Nachlass, hier, da unbetitelt, »Marseiller Entwurf zu einer Theorie des Films« genannt. Diese gut 250 Seiten starke tabellarische Gedankensammlung erlaubt einen tieferen Einblick in die Entstehungsgeschichte der »Theorie des Films«. Bildteil und Register runden den hb Band ab.
Editha Marquardt: Visiotype und Stereotype. Prägnanzbildungsprozesse bei der Konstruktion von Region in Bild und Text. – Köln: Herbert von Halem Verlag 2005, 222 Seiten, Eur 25,–. Ästhetisierende Visualisierung schafft Einheit: Marquardt untersucht Sachsen betreffende Bildbände der 1990er Jahre und bebilderte Quellen zwischen 1900 und 1918. Dominanter Bildinhalt dieses diachronen Vergleichs ist die Architektur, die am häufigsten auftretenden Orte sind Dresden, Leipzig, Meißen und Freiberg. Identitätsstiftende Funktion haben prominente Personen, überragend August der Starke, weniger ausgeprägt Bach, Goethe, Lessing und Napoleon, die die Autorin semikanonisch nennt. Das Buch ging aus dem Leipziger Sonderforschungsbereich »Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das hb Beispiel Sachsen« hervor.
Janja Polajnar: Strategien der Adressierung in Kinderwerbespots. Zur Ansprache von Kindern und Eltern im Fernsehen. – Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2005 (= Reihe: Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation; Bd. 7), 259 Seiten, Eur 35,90. Hat die sprachwissenschaftliche Werbeforschung bislang vorwiegend Anzeigen untersucht, so wendet sich Janja Polajnar in ihrer Dissertation gezielt der Fernsehwerbung zu. Anhand von 100 Kinderwerbespots für Spielzeug und altersgerechte Lebensmittel entwirft sie eine Typologie von Adressierungsstrategien. Dabei geht sie von der Hypothese aus, dass bei der Bewerbung von Kinderprodukten die Ansprache der beiden Zielgruppen (also Kinder und Eltern) nicht nur in getrennten Werbemitteln erfolgt, sondern durchaus auch in einem Werbemittel vorliegen kann. Wie die Analyse des zu Grunde gelegten Textkorpus zeigt, ist das bei 35 Prozent der untersuchten Spots der Fall. Eltern werden der Autorin zufolge nie ausschließlich als Zielgruppe tse angesprochen.
Buchbesprechungen Markus Reiter: Überschrift, Vorspann, Bildunterschrift. – Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2006 (= Reihe: Praktischer Journalismus; Bd. 64), 138 Seiten, Eur 19,90. In der Reihe »Praktischer Journalismus« ist ein neuer Ratgeber erschienen, der Print-Journalisten beim Formulieren von Kleintexten helfen will. Ein klarer Fokus wird dabei auf die Überschrift gesetzt (rund 60 Seiten); Vorspänne und Bildunterschriften werden vergleichsweise knapp diskutiert (jeweils gut 20 Seiten). Seine Regeln und Tipps für den Redaktionsalltag leitet der Autor, selbst ein erfahrener Journalist, aus etlichen Positiv- und Negativ-Beispielen ab. Er behandelt sowohl nachrichtliche Beitragsformen als auch solche, die – wie im Boulevardjournalismus oder bei Publikumszeitschriften – den Leser unterhaltse ten oder umwerben wollen.
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Andreas Sombroek: Eine Poetik des Dazwischen. Zur Intermedialität und Intertextualität bei Alexander Kluge. – Bielefeld: Transcript Verlag 2005 (= Reihe: Kultur- und Medientheorie), 320 Seiten, Eur 27,80. Andreas Sombroek deutet Alexander Kluges Werk als »vernetzte Großmontage«, in der das »Dazwischen« eine Schlüsselkategorie sei. Zudem generiert der Autor aus verschiedenen Texten Kluges einen Medienbegriff, während Kluge die Bezeichnung »Medium« eher unbrauchbar findet. Im empirischen Teil analysiert Sombroek Filme, um festzustellen, inwieweit eigene und fremde Zitate, bestimmte technische Effekte und Widersprüche von Wort und Bild integriert werden. Die Untersuchung ist eine für den Druck hb leicht überarbeitete Kölner Dissertation.
Michael Reufsteck/Stefan Niggemeier: Das Fernsehlexikon. Alles über 7000 Sendungen von Ally McBeal bis zur ZDF-Hitparade. – München: Wilhelm Goldmann Verlag 2005, 1512 Seiten, Eur 49,90.
Martin Steinlehner: Qualitätsmoderation oder moderative Qualität. Eine empirische Vergleichsstudie zu Moderationen von Sport-Magazinsendungen im Fernsehen. – Münster etc.: LIT Verlag 2005 (= Reihe: Sportpublizistik; Bd. 3), 129 Seiten, Eur 14,90.
»Dies ist ein Buch für alle, die eigentlich lieber fernsehen.« (S. 7) Schon dieses Motto der beiden Autoren macht deutlich, dass das vorliegende »Fernsehlexikon« sicherlich kein Nachschlagewerk mit wissenschaftlichem Anspruch ist. Dennoch ist es auch für den Kommunikationsforscher nicht ohne Wert: In jahrelanger Arbeit haben die Journalisten Michael Reufsteck und Stefan Niggemeier Informationen zu mehr als 7000 Sendungen zusammengetragen, die seit dem Start im Jahr 1952 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden. Die einzelnen Beiträge enthalten Angaben zu den entscheidenden Daten, Fakten und Mitwirkenden, berichten aber auch über Hintergründe und überliefern manch unterhaltsame Anekdote. Berücksichtigt wurden nach Angaben der Autoren alle Sendungen, »die mindestens drei Teile, Folgen oder Ausgaben hatten und in einem der Vollprogramme liefen« (ebd.).
Ziel dieser im Studiengang Sport, Medien und Kommunikation der TU München entstandenen Diplomarbeit ist die Entwicklung von Qualitätskriterien zur Bewertung von TV-Moderationen im Sportjournalismus. Dazu wurden die moderativen Elemente aus 28 ausgewählten Sport-Magazinsendungen (vorwiegend aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen) transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. In seiner Schlussdiskussion stellt der Autor der Studie drei zentrale Ergebnisse in den Mittelpunkt: Die untersuchten Moderationen seien insgesamt hochgradig konvergent; von einer Boulevardisierung könne keinesfalls die Rede sein; die Dominanz von männlichen Sportmoderatoren sei zwar nach wie vor deutlich, löse sich jedoch nach und nach auf. Von diesen Erkenntnissen leitet der Autor einige Empfehlungen für die journalistische tse Praxis ab.
tse
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V ERZEICHNIS
DER
R EZENSENT ( INN ) EN
Harald Bader (hb) ist wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Journalistik der Universität Dortmund. Gabriele Bartelt-Kircher ist Leiterin der Journalistenschule Ruhr in Essen. Dr. Daniel A. Berkowitz ist Associate Professor an der School of Journalism and Mass Communication der University of Iowa. Dr. Verena Blaum war bis 2002 Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Lüneburg. Heute lebt sie in Eching bei München. Gernot Brauer ist freier Journalist und geschäftsführender Gesellschafter der K.lab Agentur für Unternehmenskommunikation in München. Tissy Bruns ist Leiterin der Parlamentsredaktion des ›Tagesspiegel‹ und war von 1999 bis 2003 Vorsitzende der Bundespressekonferenz. Dr. Günter Burkart ist Professor am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Lüneburg. Peter Dirksmeier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geographie der Universität Bremen. Dr. Wolfgang Duchkowitsch ist Professor und Leiter der Fachbibliothek am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Tobias Eberwein (tse) ist studentische Hilfskraft am Institut für Journalistik der Universität Dortmund. Dr. Michael Freund ist Professor und Leiter des Media Communications Program an der Webster University Vienna und Redakteur beim ›Standard‹. Dr. Hannes Haas ist Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Dr. Hanno Hardt ist Professor für Kommunikation und Medien an der Universität Ljubljana. Dr. Robert L. Ivie ist Professor am Department of Communication and Culture der Indiana University, Bloomington. Dr. Andreas Jahn-Sudmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für interdisziplinäre Medienwissenschaft der Universität Göttingen. Dr. Gerd G. Kopper ist Professor am Institut für Journalistik der Universität Dortmund. Dr. Helmut Korte ist Professor am Zentrum für interdisziplinäre Medienwissenschaft der Universität Göttingen. Dr. Volker Lilienthal ist Verantwortlicher Redakteur von ›epd medien‹ in Frankfurt am Main. Dr. Michael Meyen ist Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München. Dr. Marcus Nicolini ist Studienleiter am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) in München. Prof. Dr. Dr. h.c. Elisabeth Noelle ist Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach. Dr. Werner J. Patzelt ist Professor am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Dresden. Dr. Lars Rinsdorf ist als stellvertretender Vertriebsleiter verantwortlich für die Marktforschung der ›Saarbrücker Zeitung‹. Dr. Patrick Rössler ist Professor für Empirische Kommunikationsforschung/Methoden an der Universität Erfurt. Dr. Ulrich Sarcinelli ist Professor am Institut für Sozialwissenschaften (Abt. Politikwissenschaft) der Universität Koblenz-Landau. Dr. Katrin Schnettler ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung Marktwirtschaft in Berlin. Dr. Rüdiger Steinmetz ist Professor am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Dr. Jens Tenscher ist Juniorprofessor am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Wilbert Ubbens ist Wissenschaftlicher Bibliothekar an der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Dr. Hans-Ulrich Wagner ist Leiter der Forschungsstelle zur Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland am Hans-Bredow-Institut Hamburg.
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Dr. Gernot Wersig ist Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin. Dr. Joachim Westerbarkey ist Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Runar Woldt ist Redakteur bei der Fachzeitschrift ›Media Perspektiven‹ in Frankfurt am Main. Dr. Oliver Zöllner ist Professor für Media Marketing and Research an der Hochschule der Medien Stuttgart.