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Akustik
CAE-Prozess zur Akustikanalyse von BMW-Ottomotoren BMW-Ottomotoren zeichnen sich durch eine hohe Laufkultur und einen hervorragenden Akustikkomfort aus. Um diese Eigenschaften bei verkürzten Entwicklungszeiten und steigender Variantenvielfalt sicherzustellen, erfolgt die Motorentwicklung unter intensiver Anwendung von CAE-Methoden. Im folgenden Beitrag wird ein CAE-Prozess zur Akustikanalyse vorgestellt, der insbesondere den Zielkonflikt zwischen Ergebnisgüte und Analysegeschwindigkeit auflöst.
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Die Autoren 1 Einleitung
2 Zielsetzung
Die Verkürzung der Entwicklungszeiten von Motoren bedingt die Reduzierung von zeitaufwändigen testbasierten Entwicklungsschleifen. Mit Hilfe virtueller Auslegungsprozesse [1] wird ein großer Teil der funktionalen Eigenschaften des Motors in der frühen Phase der Entwicklung festgelegt. Dies gilt auch für die Akustikentwicklung des Motors, bei der in der Konzeptphase eine Vielzahl von konstruktiven Entscheidungen getroffen wird, die in späteren Entwicklungsphasen nur mit großem Aufwand korrigiert werden können. Der Fokus der Auslegung der strukturdynamischen Eigenschaften liegt dabei auf der Kurbelwelle, dem Grundlagerbereich des Kurbelgehäuses, der Anbindung von Getriebe, Tragarmen und schweren Anbauteilen (wie Klimakompressor oder Generator) sowie der Gestaltung dünnwandiger Oberflächen. Das strukturdynamische Verhalten des Motor-Getriebe-Verbandes wird mit Hilfe der linearen Finite-Elemente-Methode (FEM) berechnet. Die Körperschallemission wird anhand der Beschleunigungspegel an den Koppelstellen zum Fahrzeug bewertet. Die Beurteilung der Luftschallemission erfolgt auf Basis der Oberflächenschnellen.
Für die rechnerische Akustikanalyse wird eine Genauigkeit angestrebt, welche die absolute Bewertung im Vergleich zu Zielwerten erlaubt. Diese Genauigkeit wird im Wesentlichen durch die Güte der Modellierung bestimmt. Um eine Ergebnisbewertung durchführen zu können, wie sie für Prüfstands- oder Fahrzeuguntersuchungen Standard ist, ist zudem die vollständige Erfassung der Strukturschwingungen für alle wichtigen Betriebspunkte in Abhängigkeit von Lastzustand und Drehzahl erforderlich. Der Modellaufbau muss deutlich schneller als die Herstellung der Hardware sein, wobei der Modellierungsaufwand für die zentralen Bauteile Kurbelgehäuse und Zylinderkopf einen entscheidenden Einfluss hat. Die Geschwindigkeit, mit der Konstruktionsvarianten des Motor-Getriebe-Verbandes bewertet werden können, hängt zum einen vom Änderungsaufwand am Gesamtmodell und zum anderen vom Aufwand für die Berechnung und die Ergebnisauswertung ab. Auch hier werden geringe Durchlaufzeiten angestrebt. Um die genannten Anforderungen zu erfüllen und die daraus resultierenden
3.1 Modellierung der Motorkomponenten
Dr.-Ing. Frank Albertz ist Teamleiter Akustik, Schwingungen Ottomotoren Konzepte und CAE im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group, München. Dr. -Ing. Stefan Doll war zur Zeit der Erstellung des Artikels Mitarbeiter CA-Techniken Strukturdynamik im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group, München. Dipl.-Ing. Claus-Otto Griebel ist Leiter Akustik, Schwingungen Ottomotoren im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group, München. Dr. -Ing. Ralf Mehling ist Mitarbeiter CATechniken Strukturdynamik im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group, München. Dipl.-Ing. Jerome Willot war zur Zeit der Erstellung des Artikels Mitarbeiter Akustik, Schwingungen Ottomotoren Konzepte und CAE im Bereich Antriebsentwicklung der BMW Group, München.
Bild 1: Vernetzungsverfahren am Beispiel des Kurbelgehäuses des Vierzylinder-Ottomotors Figure 1: Meshing process using the 4-cylinder gasoline engine's crankcase as an example
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Akustik 3.1.1 Gemischte Schalen-Volumen-Modellierung
Zielkonflikte aufzulösen, müssen die Vorteile der einzelnen Modellierungsansätze und Berechnungsverfahren in einem effizienten CAE-Prozess integriert werden. 3 Finite-Elemente-Modellierung
Für die korrekte Bestimmung der Strukturschwingungen ist die vollständige Modellierung der Anbauteile mit ihren Massenund Steifigkeitseigenschaften erforderlich. Das Weglassen wesentlicher Massen oder die vereinfachte Modellierung als Starrkörper ist nicht zulässig. Einen weiteren entscheidenden Einfluss auf die Berechnungsgenauigkeit hat die Auswahl einer geeigneten Modellierungsmethodik für die zentralen Motorkomponenten wie Kurbelgehäuse und Zylinderkopf. Deshalb werden im Folgenden verschiedene Methoden zur Modellierung dieser Komponenten hinsichtlich Effizienz und Ergebnisgüte ausführlich erläutert. Der Zusammenbau des gesamten MotorGetriebe-Verbandes steht am Ende des Modellierungsprozesses. 3.1 Modellierung der Motorkomponenten
Bild 2: Korrelation zwischen rechnerischer und experimenteller Modalanalyse für das Schalen-Volumen-Modell Figure 2: Correlation between computer-based and experimental modal analysis for the shell-solid model
3.1.2 Manuelle Vernetzung mit Volumenelementen
Aufgrund der geometrischen Komplexität von Kurbelgehäuse und Zylinderkopf wird der FE-Modellierungsaufwand durch diese Komponenten entscheidend beeinflusst. Am Beispiel des Kurbelgehäuses des aktuellen BMW-Vierzylinder-Ottomotors werden die in Bild 1 dargestellten Modellierungsverfahren analysiert. Neben den Unterschieden im Elementtyp werden die Unterschiede in der Detailtreue der Geometrieabbildung besonders deutlich. 3.1.1 Gemischte SchalenVolumen-Modellierung
Die FE-Modellierung mit gemischten Schalen-Volumen-Modellen ist insbesondere in der frühen Entwicklungsphase immer noch Standard. Dickwandige Strukturen des Kurbelgehäuses, wie zum Beispiel Lagerstuhlbereich, Anschraubpunkte etc., werden dabei mit linearen Hexaederelementen vernetzt. Dünnwandige Strukturen des Kurbelgehäuses, wie zum Beispiel Rippen, Wassermantel etc., werden mit linearen Schalenelementen modelliert. Aufgrund der Vereinfachungen bei der Geometrieabbildung ist der Modellierungsaufwand akzeptabel. Die Ergebnisgüte der rechnerischen Modalanalyse im Vergleich zur experimentellen Modalanalyse ist in Bild 2 dargestellt. Jeder Punkt in diesem Diagramm ist einer Resonanz zugeordnet. Die Position der Punkte gibt an, wie gut gemessene und gerechnete Eigenfrequenzen übereinstim-
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Bild 3: Korrelation zwischen rechnerischer und experimenteller Modalanalyse für das manuell vernetzte Hexaeder-Modell Figure 3: Correlation between computer-based and experimental modal analysis for the manually meshed hexahedral model
men, das heißt, bei schlechter Übereinstimmung ergeben sich Abweichungen von der Diagonalen. Die Farbe der Punkte gibt den MAC-Wert (modal assurance criterion) und damit den Grad der Übereinstimmung in den Schwingformen an. Eine ausreichende Ergebnisgüte wird erreicht, wenn die Frequenzabweichungen kleiner
als 5 % und die MAC-Werte größer als 0,7 sind. Die genannten Anforderungen werden durch die gemischte Schalen-VolumenModellierung nur unzureichend erfüllt. Gründe hierfür sind die unzureichende Geometrieabbildung sowie die inkompatiblen Übergänge zwischen Schalen- und
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Volumenstruktur, das heißt unzureichende Anbindung der translatorisch-rotatorischen Knotenfreiheitsgrade der Schalenelemente an die rein translatorischen Knotenfreiheitsgrade der Volumenelemente. Wesentlicher Vorteil der gemischten Schalen-Volumen-Modellierung ist die kurze Rechenzeit der Modelle in Folge der geringen Knoten- und Elementanzahl.
3.1.3 Automatische Vernetzung mit Volumenelementen
3.1.2 Manuelle Vernetzung mit Volumenelementen
Das Problem der inkompatiblen Elementübergänge wird bei einer vollständigen Volumenvernetzung vermieden. Die manuelle Vernetzung von Rippen, Wassermantel, etc. mittels linearer Hexaederelemente zieht jedoch einen erheblichen Mehraufwand für die Modellierung nach sich. Um diesen zu begrenzen, werden geometrische Details wie Ausrundungen, Fasen, Bohrlöcher, etc. im Volumenmodell (wie auch beim gemischten Schalen-Volumen-Modell) häufig nicht abgebildet. Trotzdem ergibt sich insgesamt eine im Vergleich zur Schalen-Volumen-Modellierung deutlich verbesserte Geometrieabbildung. Zusammen mit dem Entfall der kritischen Elementübergänge werden dadurch die Abweichungen zwischen gerechneten und gemessenen Eigenfrequenzen/-formen deutlich verringert, Bild 3.
Bild 4: Korrelation zwischen rechnerischer und experimenteller Modalanalyse für das automatisch vernetzte Tetraeder-Modell Figure 4: Correlation between computer-based and experimental modal analysis for the automatically meshed tetrahedral model
3.1.3 Automatische Vernetzung mit Volumenelementen
Im Vergleich zur Hexaedervernetzung kann der Modellierungsaufwand erheblich verkürzt und die Aussagegüte weiter gesteigert werden, wenn frei vernetzte Tetraedermodelle verwendet werden. Durch den Direktzugriff der topologiebasierten Tetraedervernetzer auf die Modelldaten im originären CAD-Format wird die zeitaufwändige Geometrieaufbereitung im FE-Preprozessor auf ein Minimum reduziert [2]. Das detaillierte CAD-Modell wird inklusive aller geometrischen Details mit linearen Tetraederelementen vernetzt, die anschließend zur Erhöhung der Ergebnisgüte auf Elemente mit quadratischer Ansatzordnung, das heißt mit Mittelknoten auf den Kanten, überführt werden. Der gesamte Zeitaufwand für die Vernetzung eines Kurbelgehäuses kann so auf zirka eine Stunde verkürzt werden. Die Abweichung der Eigenfrequenzen und MAC-Werte zwischen rechnerischer und experimenteller Modalanalyse können bei Verwendung der freien Tetraedervernetzung im Vergleich zur Hexaedervernetzung halbiert werden, Bild 4. Wesentliche Ursache für die verbesserte Ergebnisgüte des Tetraedermodells ist die verbesserte Geometrieabbildung. Geometrische
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3.2 Gesamtmodellaufbau des Motor-GetriebeVerbands
Bild 5: Automatisierter Zusammenbau der Komponentenmodelle zum Motor-Getriebe-Verband Figure 5: Automated assembly of the component models to form the engine-transmission unit
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Details, die bei der manuellen Erstellung eines Hexaedermodells (auch bei optionaler quadratischer Elementansatzordnung) vernachlässigt werden, sind im Tetraedermodell enthalten, Bild 1. Wesentlicher Nachteil der Tetraedervernetzung ist die extreme Größe des FE-Modells und die damit verbundene drastische Erhöhung der Rechenzeit. Deshalb konnte die freie Tetraedervernetzung bisher zur rechnerischen Akustikanalyse von MotorGetriebe-Verbänden insbesondere wegen der Vielzahl der zu berechnenden Betriebspunkte nicht praktikabel eingesetzt werden. Der Einsatz der Tetraedervernetzung wird jedoch angestrebt, da diese im Gegensatz zu den anderen Modellierungsmethoden die Anforderungen an die Ergebnisgüte und den Modellierungsaufwand sehr gut erfüllt. Deshalb ist die Optimierung der Berechnungsgeschwindigkeit erforderlich. In Abschnitt 4 werden Berechnungsverfahren vorgestellt, die diesen Zielkonflikt auflösen. 3.2 Gesamtmodellaufbau des Motor-Getriebe-Verbands
Der Übergang von Hexaedermodellen auf Tetraedermodelle erfordert eine Neugestaltung des zugehörigen CAE-Prozesses.
Vorhandene zeit- und kostenaufwändig erstellte Hexaedermodelle wurden früher bei konstruktiven Änderungen angepasst und gepflegt. Um den Änderungsaufwand akzeptabel zu halten, war damit in der Regel eine zunehmende geometrische Abweichung zwischen Konstruktionsstand und FE-Modell verbunden. Die TetraederVernetzung ermöglicht nun, aus einem geänderten CAD-Modell bei minimalem Zeitaufwand unmittelbar ein neues FE-Modell abzuleiten. In diesem weiterentwickelten Prozess müssen bei konstruktiven Änderungen die betreffenden Komponenten im Gesamtmodell des Motor-Getriebe-Verbandes ausgetauscht werden. Hinzu kommt ein erhöhter Aufwand für den bisher manuellen Zusammenbau in Folge der unregelmäßigen Elementierung bei der Tetraedervernetzung. Um den Aufwand für diesen Arbeitsschritt zu reduzieren, wurde ein Werkzeug entwickelt, bei dem der Zusammenbau des Motor-Getriebe-Verbandes aus den einzelnen Komponentenmodellen für Kurbelgehäuse, Bedplate, Ölwanne, Zylinderkopf, Zylinderkopfhaube, Abgaskrümmer, Sauganlage, Nebenaggregate, Tragarme, Getriebe etc. automatisiert nach einer einmal de-
finierten Zusammenbauvorschrift erfolgt. Wesentliche Teilschritte sind hierbei: korrekte Positionierung der Komponenten, Definition der Verschraubungspunkte zwischen den Komponenten sowie Generierung spezieller Verbindungselemente, Anbindung von Lasteinleitungsknoten an die Struktur, Erzeugung von Ersatzmassen, Suche und Nummerierung von Auswerteknoten, Bild 5. Mit Hilfe eines speziell für diesen Zweck angepassten Werkzeuges [3] ist es nun möglich, Komponentenmodelle im Gesamtmodell des Motor-Getriebe-Verbandes effizient und mit minimalem Aufwand auszutauschen. 4 Berechnungsverfahren
Der gesamte Berechnungsprozess basiert auf dem Prinzip des dynamischen Freischneidens zwischen Kurbeltrieb/Ventiltrieb und Kurbelgehäuse/Zylinderkopf. Die wesentlichen Teilprozesse sind die Anregungssimulation, die rechnerische Modalanalyse zur Bestimmung der Eigenfrequenzen und Eigenschwingformen des Motor-Getriebe-Verbandes sowie die abschließende Betriebsschwingungssimulation, Bild 6. 4.1 Anregungssimulation
4 Berechnungsverfahren
Bild 6: Gesamtablauf des CAE-Prozesses zur Akustikanalyse Figure 6: Overall CAE acoustic analysis process sequence
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Die korrekte Erfassung der Anregungsverhältnisse und die vollständige Analyse des Betriebsbereiches ist für die Aussagekraft und die Belastbarkeit der Berechnungsergebnisse von entscheidender Bedeutung. Die Verwendung von synthetischen Signalen wie Rauschanregung oder die Betrachtung einzelner Motorordnungen beziehungsweise einzelner Drehzahlpunkte ist daher nicht zielführend. Die Anregungskräfte aus dem Kurbeltrieb, wie zum Beispiel Hauptlagerkräfte und Kolbenseitenkräfte, werden mittels Mehrkörpersimulation berechnet. Um die relevanten Kurbeltriebsschwingungen korrekt zu erfassen, müssen Kurbelwelle, Schwingungsdämpfer und Schwungrad als flexible Körper (FE-Modelle) eingebunden werden. Gegebenenfalls ist die Einbindung weiterer Grundmotorkomponenten, wie zum Beispiel Kurbelgehäuse und Bedplate, als flexible Körper anzustreben. Die freien Ventiltriebsmassenkräfte stellen zusätzliche relevante Anregungsgrößen dar. Das dynamische Verhalten der hochentwickelten vollvariablen Ventiltriebe (VVT) der BMW-Motoren der neuen Generation wird dabei durch Mehrkörpersimulation abgebildet. Die phasenrichtige Zusammenführung der dynamischen Schnittkräfte aus dem Kurbeltrieb und der freien Massenkräfte aus dem Ventiltrieb erfolgt nachgeschaltet zu den Mehrkörpersimulationen.
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4.2 Rechnerische Modalanalyse
Der Aufwand der rechnerischen Modalanalyse ist aufgrund der mehrere Millionen umfassenden Anzahl der Freiheitsgrade des FE-Gesamtmodells erheblich. Die Substrukturtechnik bietet einen zielführenden Ansatz, diesen Aufwand zu reduzieren. Die Knotenfreiheitsgrade eines Komponentenmodells können dabei formal in „äußere“ und „innere“ Freiheitsgrade unterschieden werden. Knoten mit äußeren Freiheitsgraden koppeln die Komponente mit der Außenwelt, wie zum Beispiel Verschraubungspunkte, Lasteinleitungsstellen oder Auswertepunkte. Knoten mit inneren Freiheitsgraden sind per Definition alle restlichen Knoten. Mit Hilfe der statisch-dynamischen Reduktion nach Craig-Bampton ist es nun möglich, die inneren Freiheitsgrade der Komponente zu kondensieren.
Das auf diese Weise reduzierte Komponentenmodell, das so genannte Superelement, hat im interessierenden Frequenzbereich praktisch die gleichen dynamischen Eigenschaften wie das entsprechende FEFeinmodell. Je nach Aufgabenstellung können die Motorkomponenten im Gesamtmodell wahlweise als FE-Feinmodell oder als Superelement eingebaut werden. Beispielsweise ist es zur Analyse der Oberflächenschwingungen des Kurbelgehäuses effizienter, nur das Kurbelgehäuse als Feinmodell und die Reststruktur als Superelement abzubilden, anstatt den gesamten Motor-Getriebe-Verband als Feinmodell darzustellen, Bild 7. Die rechnerische Modalanalyse sowie die Substrukturtechnik sind als Standardfunktionen in der verwendeten FEM-Soft-
ware [4] implementiert. Der Zusammenbau der Modelle und die Steuerung der Berechnungsabläufe werden durch die Verwendung von Superelementen jedoch deutlich aufwändiger. Um diesen Nachteil auszugleichen, wurde das in Abschnitt 3.2 vorgestellte Werkzeug um entsprechende Funktionen erweitert. 4.3 Betriebsschwingungssimulation
Vergleichbar mit dem Betriebsschwingungsversuch am Antriebsprüfstand ist eine Betriebsschwingungssimulation mit realistischen Anregungskräften erforderlich. Grundlage dieser Betriebsschwingungssimulation ist die so genannte Modenüberlagerung, bei der die Schwingungsanteile der einzelnen Eigenformen zur gesamten Betriebsschwingung summiert werden.
4.2 Rechnerische Modalanalyse Bild 7: Einsatz der Superelementtechnik am Beispiel der Schwingungen des Kurbelgehäuses Figure 7: Use of the super element technique using crankcase vibrations as an example
4.3 Betriebsschwingungssimulation Bild 8: Oberflächenschallleistung des Kurbelgehäuses dargestellt als Pegelverlauf, Campbell-Diagramm und Oberflächenverteilung Figure 8: Crankcase surface sound power depicted as level curve, Campbell diagram and surface distribution
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Die Körperschallemission wird direkt anhand der Beschleunigungen an den Koppelstellen zum Fahrzeug bewertet. Hierbei ist der Rechenaufwand gering, da nur wenige Auswertepunkte analysiert werden müssen. Im Gegensatz dazu wird die Luftschallemission indirekt über die strukturdynamisch induzierte Schallleistung der Oberfläche beurteilt. Aufgrund der großen Anzahl an Auswerteknoten, die den Oberflächenknoten entsprechen, ist hierbei der Rechenaufwand kritisch. Zur Darstellung eines effizienten CAE-Prozesses wurde deshalb ein optimiertes Programm mit einem auf die spezifischen Anforderungen der Schallleistungsberechnung angepassten Ablauf und einer effizienten Ergebnisauswertung entwickelt. In Bild 8 sind beispielhaft die wichtigsten Ergebnisdarstellungen für die Schallleistung des Kurbelgehäuses dargestellt. In dem Pegelverlauf ist eine kritische Überhöhung zu erkennen, die mit Hilfe des Campbell-Diagramms einer kritischen Drehzahl und Frequenz zugeordnet werden kann. Aus der Darstellung der Schallleistungsverteilung kann die Stirnseite des Kurbelgehäuses als Schwachstelle identifiziert werden.
5 Evolution des entwickelten CAE-Prozesses
Bild 9: Evolution des CAE-Prozesses zur Akustikanalyse Figure 9: Evolution of the CAE acoustic analysis process
6 Anwendung am Beispiel des neuen BMWReihensechszylinder-Ottomotors
5 Evolution des entwickelten CAE-Prozesses
In Bild 9 sind die evolutionären Schritte bei der Entwicklung des CAE-Prozesses hinsichtlich Modellierungsgeschwindigkeit, Berechnungsgeschwindigkeit und Ergebnisgüte bewertet. Die Modellierungsgeschwindigkeit umfasst dabei den Zeitaufwand zur Erstellung der Komponentenmodelle, zur Änderung der Komponentenmodelle bei Konstruktionsvarianten und zum Zusammenbau. Ausgangssituation ist ein Gesamtmodell, bei dem die zentralen tragenden Motorkomponenten als Schalen-VolumenModell und die Anbauteile als Starrkörper abgebildet sind. Bei den Berechnungsverfahren werden auf die Standardfunktionen der FEM-Software zurückgegriffen. Die Berechnungs- und Modellierungsgeschwindigkeit sind hoch, allerdings ist die Ergebnisgüte unzureichend. Durch Ausmodellieren der Anbauteile und Übergang zur vollständigen manuellen Volumenmodellierung wird die Ergebnisgüte erheblich gesteigert. Der hierzu erforderlich Modellierungsaufwand ist jedoch inakzeptabel. Dieses Defizit wird durch die automatische Tetraedervernetzung und den automatisierten Zusammenbau des Motor-Getriebe-Verbandes aus den Einzelkomponenten beseitigt. Es wird allerdings eine Gesamtmodellgröße er-
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Bild 10: Parameter des Akustik-Funktionskonzeptes Figure 10: Functional acoustic concept parameters
reicht, die eine effiziente Berechnung mit den Standardberechnungsverfahren nicht mehr praktikabel möglich macht. Durch Verwendung von Superelementen und Optimierung der Betriebsschwingungssimulation wird die Berechnungsgeschwindigkeit in etwa auf das Niveau der Ausgangssituation bei gleichzeitig ausreichender Ergebnisgüte gebracht. 6 Anwendung am Beispiel des neuen BMW-Reihensechszylinder-Ottomotors
Der große Entwicklungssprung bei der Entwicklung des neuen BMW-Reihensechszy-
linder-Ottomotors mit dem Al-Mg-Verbundkurbelgehäuse, dem weiterentwickelten variablen Ventiltrieb der zweiten Generation und einer Vielzahl weiterer akustisch relevanter Innovationen [5, 6] erforderte die frühzeitige Bewertung der akustischen Eigenschaften. Hierbei wurde der beschriebene CAE-Prozess erstmals durchgängig eingesetzt. Basis für die Akustikentwicklung war dabei die Definition eines so genannten Akustik-Funktionskonzeptes. Hierin sind wesentliche akustikrelevante Konzeptfestlegungen zusammengefasst, Bild 10. In der frühen Phase bestand die Aufgabe darin, die akustischen Eigenschaften alterna-
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tiver Lösungsansätze zu bewerten, Einflüsse konstruktiver Parameter zu bestimmen und Optimierungspotentiale zu ermitteln. In Abstimmung mit anderen Funktionsund Bauteilanforderungen wurde mit Hilfe der rechnerischen Akustikanalyse auf dieser Basis ein stimmiges Gesamtkonzept entworfen und die Erreichung der Akustikziele sicherstellt. Die Aussagequalität des vorgestellten CAE-Prozesses ist am Beispiel der Biegeschwingung des Motor-Getriebe-Verbandes dargestellt, Bild 11. Im Ausgangszustand ist eine deutliche Zielüberschreitung zu erkennen, die durch konstruktive Maßnahmen im Bereich der Verbindungsstellen zwischen Motor und Getriebe eliminiert wurde. Die mit dem sonst üblichen Lösungsansatz, die Resonanzfrequenz außerhalb des Drehzahlbereichs zu verschieben, einhergehende Gewichts- und Kostenmehrung konnte dabei vermieden werden. Die Wirksamkeit der konstruktiven Maßnahmen wurde durch Prüfstandsuntersuchungen bestätigt, was die gute Übereinstimmung zwischen den in Bild 11 dargestellten gemessenen und berechneten Pegelverläufen zeigt.
6 Anwendung am Beispiel des neuen BMWReihensechszylinder-Ottomotors
Bild 11: Berechnete Beschleunigungspegel am Getriebeende in der 1,5-ten Motorordnung und Vergleich zur Prüfstandsmessung Figure 11: Calculated acceleration levels at the end of the transmission in the 1.5 th engine order and comparison with test rig measurement
7 Zusammenfassung
Um die Akustikentwicklung von Motoren ab der frühen Phase zielführend zu unterstützen, wurde ein effizienter CAE-Prozess abgeleitet, der den Zielkonflikt zwischen Ergebnisgüte und Analysegeschwindigkeit auflöst. Die Vorteile einzelner Modellierungsansätze und Berechnungsverfahren wurden hierzu in ein Prozessumfeld integriert, das überwiegend aus kommerziellen Programmen besteht. Der beschriebene CAE-Prozess zur Akustikanalyse hat sich bei der Entwicklung des neuen BMW-Reihensechszylinder-Ottomotors bewährt und entspricht für die laufenden und zukünftigen Motorprojekte dem
Standardprozess in der BMW-Ottomotorenentwicklung. Ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung des CAE-Prozesses wird die Erweiterung um die Schallabstrahlungsberechnung sein, mit der insbesondere die Wirksamkeit von Sekundärmaßnahmen wie Akustikhauben oder Teilkapselungen erfasst werden soll. For an English version of this article, see MTZ worldwide For information on subscriptions, just call us or send an email or fax.
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Literaturhinweise [1]
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