MedR 2005, Heft 7
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MITTEILUNGEN
DOI: 10.1007/s00350-005-1405-9
Das Gesundheitssystem in den USA -finanzielle Krise -- mögliche Lösungen1 Das Gesundheitssystem in den USA basiert als privates Krankenversicherungssystem auf der Finanzierung des Arbeitgebers (employersponsored health care). Innerhalb dessen gibt es die Möglichkeit des self-funding, das heißt, der Arbeitgeber errichtet ein eigenes Finanzierungssystem, beispielsweise einen Fonds, aus dem er die Rechnungen für die Behandlungen seiner Mitarbeiter direkt bezahlt. Oder der Arbeitgeber bedient sich eines privaten Krankenversicherungsunternehmens, das sämtliche Transaktionen vornimmt und dem er pro Mitarbeiter eine monatliche Prämie zahlt. Ersteres leisten sich große Unternehmen, letzteres ist für mittlere oder kleinere Unternehmen die bessere Lösung2 . Eine sehr geringe Zahl von Arbeitgebern (weniger als 10 % insgesamt) bieten keinen Krankenversicherungsschutz an. Deren Arbeitnehmer müssen entweder die Kosten selbst tragen oder fallen in das sogenannte safety net, also die durch die öffentliche Hand finanzierte Gesundheitsversorgung. Die Kosten für die Krankenversicherung eines Arbeiters steigen zur Zeit dreimal schneller als sein Lohn, und die Kosten des Gesundheitssystems erfordern die Aufwendung eines Viertels des Einkommens von 14 Millionen Amerikanern3 . Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts sind die Gesamtkosten für das Gesundheitswesen jährlich stark gestiegen. Eine Kostenexplosion wurde erstmals im Jahr 2002 im Vergleich zum Jahr 2001 bemerkt, nämlich eine Steigerung um 9,3 %. Die Ausgaben beliefen sich damit auf 15 % des Bruttoinlandsproduktes. Als Gesamtsumme wurden im Jahr 2002 1,6 Billionen $ oder pro Person 5,400 $ ausgegeben, das ist die höchste Summe pro Kopf für Gesundheitsversorgung in der Welt4 . Rapide steigende Kosten und gleichzeitige wirtschaftliche Flaute fordern auf, die Kosten für das Gesundheitswesen zu senken und das System selbst effizienter zu machen. Dieser Beitrag skizziert das Gesundheitssystem in den USA [A.], das mehrheitlich aus privaten Krankenversicherungsanbietern besteht, jedoch auch ein stark ausgeprägtes soziales Netz (safety net) aufweist, das mit caritativen und verschiedenen staatlich finanzierten Anbietern [I.] arbeitet. Die Finanzierung des Netzes wird dargestellt [II.] und auf das Problem der Finanzierbarkeit eingegangen. Des weiteren zeigt der Beitrag die laut Regierungsprogramm des Präsidenten geplanten Verbesserungen [B.] auf, die zur langfristigen Finanzierbarkeit dienen sollen. Nebenbei ist er ein Plädoyer für die private Krankenversicherung [A. III. und C.]. A. Das Gesundheitssystem in den USA Das Gesundheitssystem in den USA basiert im Wesentlichen auf einem Versicherungssystem, das an die Arbeitstätigkeit geknüpft ist. In der Regel zahlt der Arbeitgeber freiwillig in eine Krankenversicherung ein. Im Staat Maine gibt es eine Initiative, die eine staatliche Krankenversicherung für alle vorsieht (Dirigo Health Care), zu der der jeweilige Arbeitgeber eine freiwillige kleine private Versicherungsprämie zahlt. Im Staat California gibt es ein Gesetz, nach dem alle Arbeitgeber, die mehr als 40 Beschäftigte haben, Krankenversicherungsschutz anbieten müssen. Zu diesem im Wesentlichen privaten Krankenversicherungssystem haben folglich nicht alle Bürger Zugang. Zur Zeit sind es 45 Millionen Amerikaner, die nicht versichert sind5 . Dazu zählen die Arbeitslosen, Obdachlosen, illegal Eingewanderten und viele soziale Randgruppen, die aufgrund chronischer Krankheit, Drogenabhängigkeit oder anderer Problemen ihren Arbeitsplatz verloren haben oder als Landarbeiter (California, Texas) oder Geringverdiener tätig sind. Neben dem privaten Sektor hat sich ein großer Bereich des sozialen Netzes etabliert, das die vielen Nicht-Versicherten auffängt. I. Die Funktion des sozialen Netzes Die Bevölkerung der USA zeichnet sich durch viele Nicht-Versicherte aus. Viele von diesen Randgruppen, die keiner angestellten Tätigkeit nachgehen, sind nicht in einem der vom Arbeitgeber angebotenen Programme zur Krankenversicherung versichert. Meist ist das der Fall in Gegenden, die abgelegen sind, wenig Infrastruktur haben und auch an der Infrastruktur des Gesundheitswesens kaum teilhaben6 , ebenso
in Gegenden, wo medizinische Versorgung rar ist, die Arbeitslosigkeit hoch, und viel Armut herrscht7 . Diese Randgruppen müssen kostengünstig oder kostenfrei Behandlung im Krankheitsfall und Gesundheitsvorsorge erhalten. 1. Rolle der kommunalen Gesundheitszentren (Community Health Care Centers, CHCs) Das Rückgrat des sozialen Netzes sind die kommunalen Gesundheitszentren (CHCs), die der Menschenrechtsbewegung in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts entstammen, als man dem Verlangen nach zugänglicher und bezahlbarer Gesundheitsfürsorge Abhilfe schaffen wollte. Es gibt in den Staaten in 3500 Kommunen solche Gesundheitszentren. Diese Zentren bieten nicht nur medizinische (Erst-)Versorgung und Prävention, sondern leisten auch Übersetzungsdienste für medizinisches Personal, erheben Daten zu Krankheitshäufigkeiten, bieten Fürsorge und Hilfe für (ältere) Menschen, leisten Kinderbetreuungsdienste und kommen zu den Menschen bei Bedarf nach Hause. Dies ist wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Ethnien und sozialen Gruppen der Mitglieder notwendig: 11,3 Millionen der Patienten im Jahr 2002 waren Geringverdiener, 39 % der Patienten sind nicht krankenversichert, 36 % der Patienten sind Medicaid8 -Patienten, 621 000 sind obdachlos, 708 000 sind ausländische Arbeiter, die teilweise illegal auf Farmen in California oder Texas oder in Fabriken, etwa der stahlproduzierenden Industrie rund um Chicago, arbeiten9 . 2. Öffentliche Krankenhäuser Seit dem 18. Jahrhundert gibt es öffentliche Krankenhäuser in den USA, die Menschen medizinische Versorgung gewähren. Öffentlich heißt hier nicht nur von einer öffentlichen Hand finanziert, sondern auch öffentlich zugänglich10 . Sie werden nicht von einem federal fund (von der Ebene des Staatenbundes der Vereinigten Staaten, also ,,aus Washington“) bezahlt (im Folgenden: föderale Ebene), wie es bei den CHCs der Fall ist, sondern werden von verschiedenen staatlichen und caritativen Anbietern finanziert. Sie bieten ein breites Spektrum der medizinischen Versorgung an, inklusive Erste Hilfe, Schockbehandlung und Behandlung von Traumata, Psychiatrie, Gynäkologie, Behandlung von Herz-Kreislauf-Beschwerden. Die Krankenhäuser sind teilweise spezialisiert. Die Ambulanz und ErsteHilfe-Abteilung ist selbst ein Anbieter des sozialen Netzes und wird
1) Die Autorin hat im Rahmen eines Austauschprogramms in der Firsthealth-Stammfiliale in Chicago-Downers Grove, Illinois, hospitiert (zu Firsthealth s. Fn. 2). 2) Dennoch bedienen sich Unternehmen wie McDonalds, General Motors, United Airlines eines privaten Krakenversicherungsunternehmens wie Firsthealth. Firsthealth ist ein privates Krankenversicherungsunternehmen, das Kommunen und Unternehmen Versicherungsmodelle für deren Arbeitnehmer anbietet. 3) Fox, M., US Health Insurance Costs rise faster than wages (Medline Plus by US National Library), www.nlm.nih.gov/medlineplus/ news/fullstory 20375.html (Stand: 27. 10. 2004). 4) The Henry J. Kaiser Foundation, Health Care Costs, Report 7164, unter www.Kff.org abrufbar. 5) Health Care Costs (Fn. 4). 6) Guideline for Medically Underserved Area and Population Designation, Bureau of Health Professions: bhpr.hrsa.gov/shortage/ muaguide.htm (Stand: 26. 10. 2004). 7) Lewin, M./Altman, S., America’s Health Care Safety Net: Intact but endangered, Washington, D. C., National Academy Press, 2000. 8) Medicaid ist ein föderales Programm, das den öffentlichen Anbietern die Behandlungskosten für nicht versicherte Amerikaner bezahlt. 9) Uniform Data System (UDS), Department of Health and Human Services, Health Resources and Service Administration, 2002; Issue Brief, Washington, D.C.; Kaiser Commission on Medicaid and the Uninsured, 2003; vgl. Rosenbaum, S./Dievler, A., A Literature Review of the Community and Migrant Health Centres Programs, Washington D. C., 1992. 10) Vgl. Starr, P., The Social Transformation of American Medicine, New York, 1949.
432 MedR 2005, Heft 7 durch das Programm Emergency Medical Treatment and Active Labor Act (EMTALA), das 1986 ins Leben gerufen wurde, finanziert11 . Gemäß EMTALA darf kein Notfall-Patient unbehandelt zurückgewiesen werden, auch privat Versicherte nicht. Dennoch sind viermal öfter Nicht-Versicherte unter den Patienten. Zwischen 1996 und 2000 hat sich die Zahl der Ersthilfe-Patienten um 20 % von 91 auf 108 Millionen erhöht12 . Allerdings beschränkt sich die Behandlungspflicht auf Notfall-Patienten, immer vorausgesetzt, daß sie nicht in der Lage sind, selbst zu zahlen. Ist eine Behandlung kein Notfall, könnte aber eine spätere (kostenintensivere) Notfallbehandlung vermieden werden, wird sie (dennoch) nicht durchgeführt. Auch Geburtsvorbereitung und pränatale Untersuchung von Schwangeren müssen nicht durchgeführt werden. (Handelt es sich dabei um eine illegale Einwanderin und kommt das Kind demzufolge mit Gesundheitsschäden zur Welt, ist es ein krankes Kind, das mit Geburt in den USA amerikanischer Staatsbürger ist und nun Behandlung auf Kosten des Staates in Anspruch nehmen kann.) 3. Medicare Medicare ist das Programm, das den Krankenversicherungsschutz für Rentner ab dem 65. Lebensjahr gewährleistet. Der Schutz greift für Staatsbürger der Vereinigten Staaten ab 65 Jahren, die selbst oder deren Ehegatten für mindestens zehn Jahre in einem Arbeitsverhältnis waren, dessen Arbeitgeber in Medicare eingezahlt hat. Es gibt Arbeitgeber, die für die Part A Premium-Versorgung bezahlen, die einen umfangreichen Versicherungsschutz für die Krankenhauskosten beinhaltet. Anderenfalls haben Rentner die Möglichkeit, für 174–316 $ monatlich (Angaben aus 2003) dieses ,,Upgrade“ selbst zu zahlen. Part B kostet den Rentner 58,70 $ im Monat. Zusätzlich muß er 20 % der Kosten selbst tragen. Die ersten 100 $ Arztkosten im Jahr zahlt er generell selbst, bevor Medicare die Kosten übernimmt. Einige Arzneimittel übernimmt Medicare nicht, was in den USA in der vergangenen Zeit zu heftigen Diskussionen geführt hat. Rentner sind also gut beraten, selbst noch eine private Krankenversicherung abzuschließen, um für ihre Krankenversicherung vorzusorgen. Wer beispielsweise schon mit 55 in den Ruhestand eintritt und sich für zehn Jahre versichern muß, wird von einer durchschnittlichen Pension von 60,000 $ im Jahr 20 % für seine Krankenversicherung ausgeben müssen13 . Medicare gehört zum sozialen Netz. Regelmäßig haben staatliche Stellen und Arbeitgeber zudem in Fonds investiert, aus denen sie ihren pensionierten Mitarbeitern Krankenversicherungsschutz gewähren14 . II. Wie finanziert sich das soziale Netz? Lange Zeit waren die verschiedenen Anbieter des sozialen Netzes von staatlicher Unterstützung abhängig – das staatliche Finanzierungsprogramm Medicaid deckt 35 % der Ausgaben der CHCs und 38 % der Kosten für die Behandlungen in den öffentlichen Krankenhäusern15 –, der föderalen Ebene, Fonds der Bundesstaaten, Fonds und lokalen Steuern. (Kommunen erheben lokale Steuern wie sales tax [Mehrwertsteuer], aus denen sie kommunale Gesundheitseinrichtungen bezahlen.) Die CHCs sind sogar fast gänzlich von föderalen Zahlungen abhängig. Im Jahr 2004 gibt das föderale Bureau of Primary Health Care über 1, 62 Milliarden $ aus, um die Kosten für die Behandlung der Unversicherten zu decken16 . Die Staaten und die Kommunen übernahmen im Jahr 2001 beispielsweise 38 % der ungedeckten Kosten der Behandlung NichtVersicherter in den öffentlichen Krankenhäusern17 . Im Jahr 2002 erhielten die CHCs von den Staaten und Kommunen 531 Millionen $18 . Der Bedarf an neuen Finanzierungsmethoden ist stark gewachsen. Der Anteil der föderalen Zahlungen (über den Fonds DSH) belief sich in 2003 insgesamt auf 8,6 Milliarden $19 . Diese Zahl scheint eine enorme Summe darzustellen. Dennoch kann sie die finanzielle Belastung der Organe des sozialen Netzes nicht ausgleichen. Es gibt Umfrage-basierte Statistiken, die belegen, daß trotz dieser föderalen Ausgleichszahlungen die durchschnittlichen Gewinnmargen der öffentlichen Krankenhäuser im Jahr 2001 unter einem Prozent lagen20 . Die Regierung Bush strebt eine enorme Erhöhung der Fonds, aus denen das soziale Netz bezahlt wird, an. Das Programm zur Expansion des sozialen Netzes zielt darauf ab, die Anzahl der CHCs zu erhöhen, um bis zum Jahr 2006 6,1 Millionen neue Patienten behandeln zu können21 . Auch bei der Gesundheitsversorgung der Rentner hat das soziale Netz finanzielle Schwächen: Die Baby-Boom-Generation (76 Mil-
Mitteilungen lionen Menschen) kommt in die Jahre und sieht sich einer schwach werdenden demographischen Entwicklung gegenüber. Auch hier werden finanzielle Umverteilungen gefordert22 . III. Die Reform des Gesundheitswesens: Vor- und Nachteile Eine Reform erscheint in den nächsten Jahren unumgänglich. Die eingangs genannten immensen Beträge, die das Gesundheitssystem in den USA verschlingt, sind kaum vorstellbar. Zustande kommen sie durch vielerlei Faktoren. Bereits genannt wurde die Verpflichtung der öffentlichen Krankenhäuser, nur Notfallpatienten zu behandeln. So werden beginnende Erkrankungen, die kostengünstig behandelt werden könnten, erst zu einem späten Zeitpunkt, sozusagen wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, kostenintensiv behandelt. Es gibt keine Preisbindung für Medikamente. Gerade Medikamente für Dauermedikation sind extrem teuer. Die Pharmaindustrie hat eine große Lobby in Washington. Die Tatsache, daß die Amerikaner sehr prozeßfreudig sind und für medical malpractice, also Arzthaftungsprozesse, hohe Schadensersatzsummen locken, führt dazu, daß sich ein Arzt für durchschnittlich 100.000 $ Jahresprämie gegen solche Prozesse versichern muß23 . Die ersten 100.000 $ Fixkosten vor Praxiseinrichtung, Personal und Arbeitslohn stehen also bereits fest. Dementsprechend hoch werden die Preise gestaltet, um Gewinn zu erzielen. Eine Gebührenordnung, an die der Arzt gebunden ist, gibt es nicht. Der Vorteil dieses Systems liegt in der hohen Qualität der ärztlichen Behandlung. Forschung wird großgeschrieben, Forscher, die etwas auf sich halten, sind häufig in den USA anzutreffen. Ärzte spezialisieren sich sehr stark und vervollkommnen ihre Fertigkeiten auf ihrem Spezialgebiet. Behandlung kann sofort gewährleistet werden, Wartezeiten sind unbekannt. Wem die Gesundheit etwas wert ist, kann hervorragende Behandlung genießen24 . Einige Pläne zur arbeitgeberseitigen Kostendämpfung des privaten Systems schlagen sogenannte consumer-driven health plans vor, also ein Modell, das vorsieht, dem Mitarbeiter eine gewisse Summe Geld an die Hand zu geben, mit dem er sich selbst nach seinen Bedürfnissen versichert25 . Andere schlagen einen Fonds des Arbeitgebers vor, in den der Arbeitnehmer einzahlt und so an den Kosten beteiligt wird. Die ersten 200.000 $ einer Behandlung (was ungefähr 40 Tagen Krankenhausaufenthalt entspricht26 ) zahlt dann der Arbeitgeber aus dem Fonds. Auch in den USA gibt es seit der Regierung Clinton die Überlegung, eine einheitliche Krankenversicherung, universal health care, die wohl mit einer gesetzlichen Krankenversicherung als ,,Bürgerversicherung“ in Deutschland vergleichbar wäre, einzuführen. Jeder soll
11) Section 1867(a) des Social Security Act. 12) National Center for Health statistics, National Hospital Ambulatory Medical Care Survey, 1992–2000. 13) Jenks Harm, K., When Employers fund Retiree Health Care, Public Management: Health Care: It’s going to cost you, 12/2003, 4–8. 14) Tiffany, G., Living with Medicare, www.icma.org/xp/vl/ww/ retirementhealth/livingwithmedicare.xml, (Stand: 27. 10. 2004). 15) Uniform Data System (UDS), Department of Health and Human Services, Health Resources and Services Administration, 2002; Lave, J./Keane, C., The Impact of Lack of Health Insurance on Children, Journal of Health and Social Policy 10, No. 2, 1998, 57–73. 16) Health Resources and Servive Administration, Budget and Appropriations, www.hrsa.gov/budget.htm (Stand: 28. 11. 2004). 17) Singer, I./Davison, L./Fagnani, L., America’s Safety Net Hospitals and Health System 2001: Results of the Annual NAPH Member Survey, Washington, D. C., 2003. 18) UDS (Fn. 15). 19) Tolbert, J., Safety Net Financing: A Source Book for Healthcare Executives, Washington, D. C., 2003. 20) Wie Fn. 17. 21) The Health Care Safety Net Amendments Of 2002, 107–251; (Fn. 15). 22) Weitere Informationen: Jenks Harm (Fn. 13). 23) Angaben von Firsthealth, www.firsthealth.com. 24) Ergebnisse aus zahlreichen Interviews, die die Autorin unter Mitarbeitern von Firsthealth, Bürgern und Politikern geführt hat. 25) Angaben von Firsthealth. 26) Angaben von Firsthealth.
Buchbesprechungen Versicherungsschutz genießen, ist deren Aussage. Darüber, wie das zu finanzieren sei, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Meistens läuft es jedoch auf staatlich finanzierte Modelle hinaus27 . Aber eine Reform, die darauf abzielt, wird in den USA sehr skeptisch gesehen. Eine solche allumfassende Krankenversicherung, die notwendigerweise mangels Anknüpfungspunkt die zahlreichen illegalen Immigranten ausnimmt, die in Teilen Californias (Obsternte), Texas und Illinois (Stahlproduktion u. a.) eine große Zahl der Bevölkerung ausmachen28 , würde sich nicht lohnen. Die Arbeitnehmer, die in privaten Versicherungen oder über andere Programme versichert sind, belasten das soziale Netz in der Regel kaum. Für die 45 Millionen Armen, die Obdachlosen und die illegalen Einwanderer wäre also das soziale Netz immer noch notwendig inklusive der finanziellen Transferleistungen29 . Auch eine andere Untersuchung demonstriert, daß ein soziales Netz trotz universeller Versicherung immer noch notwendig wäre, denn eine Versicherung kann nicht gleichen Zugang zu allen Leistungen gewähren. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen den Gesundheitsleistungen, die Versicherte erhalten und deren sie bedürfen, die von verschiedenen Faktoren abhängig sind: Wohnort und Lebensart (Leben in einer Metropole oder in einem durch Farmland geprägten Staat, wo der nächste Arzt viele Autostunden entfernt ist), Einkommen, Sprache, Ethnie, Herkunft, Umgang mit Krankheiten, religiöse Motive für Krankenbehandlung, Art der Versicherung, Geschlecht und vieles mehr. Nicht jeder Patient braucht also die gleiche Versicherung, nicht jeder will die gleiche Versicherung, nicht jeder Mensch hat dieselben Bedürfnisse, dieselben Krankheiten oder denselben Gesundheitszustand. Warum sollte eine einheitliche Versicherung von Vorteil sein, zumal das Problem derjenigen, die aus der Gesellschaft herausfallen und trotzdem in einem sozialen Netz aufgefangen werden müssen, nicht gelöst würde30 ? B. Die angekündigten Reformen der Regierung des Präsidenten ,,Die Kosten im Gesundheitswesen steigen zur Zeit um 65 % und Arzneimittelkosten steigen schneller als die Inflationsrate“, so Kerry in einem Interview, der die Intention des alten und neuen Präsidenten Bush kritisiert31 , Steuergelder an kleine Firmen weiterzuleiten, um sie zur Errichtung von self funds anzuregen. Beide Präsidentschaftskandidaten haben kein Patentrezept entwickelt, die steigenden Kosten des Gesundheitswesens zu senken. Beide haben aber angekündigt, das System effizienter und bezahlbarer für den einzelnen zu machen. Beispielsweise, indem Arzneimittelkosten gesetzlich gesenkt werden und die Höhe der Schadensersatzansprüche in Arzthaftungsprozessen begrenzt werden sollen. Unter der Regierungszeit Präsident Bushs als Governor in Texas wurde eine Maximalsumme für Schadensersatzansprüche festgelegt. Texas ist bislang der einzige Staat, der ein solches Gesetz verabschiedet hat. Auf der Agenda Präsident Bushs steht nun ein solches Gesetz auch für die Vereinigten Staaten. (Ein solches Gesetz der föderalen Ebene dient dann als Mindestanforderung an alle Staaten, dessen inhaltliche Forderungen die Staaten nicht unterschreiten, jedoch schärfer formulieren dürfen.) Kerry hatte eine Begrenzung der Schadensersatzforderungen wegen medical malpractice nicht in seinem Regierungsprogramm angekündigt. Wie dargestellt, machen diese Prozesse aber einen nicht unerheblichen Teil der Kostenexplosion im Gesundheitswesen aus32 .
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Bush will nun kleineren Unternehmen und Arbeitgebern, die es sich nicht leisten können, ihre Mitarbeiter krankenzuversichern, so daß diese in das soziale Netz und im Alter Medicare zur Last fallen, Steuererleichterungen gewähren, um Anreize zu schaffen für private Modelle, sogenannte private health savings accounts, die entweder für consumer driven healthplans33 oder zur klassischen Arbeitgeberkrankenversicherung (self funds) genutzt werden können. Des weiteren sieht er vor, Familien mit geringem Einkommen Steuererleichterungen zu gewähren, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich privat zu versichern und nicht auf das safety net angewiesen zu sein, das er somit entlasten will. Die Tendenz geht also zur Stärkung des privaten Krankenversicherungsmarktes und zur Reduktion der staatlichen Beihilfen für das soziale Netz, das weniger Lasten tragen soll. C. Zusammenfassung Das Gesundheitssystem der USA sieht sich in einer noch schlimmeren finanziellen Lage als das in Deutschland. Es ist geprägt von einem rein privaten Versicherungsmarkt und daneben von einem sozialen Netz, das die Nicht-Versicherten auffängt. Trotz der finanziellen Überlastung, die eine Reform unumgänglich macht, wird in der Literatur und von den politischen Entscheidungsträgern der Ausweg nicht in der Verstaatlichung des Gesundheitssystems gesucht, sondern in der Stärkung des privaten Sektors. Diese Vorgehensweise bei der Krisenbewältigung könnte auch erkenntnisleitend sein für Deutschland und die europäischen Länder, den privaten Krankenversicherungsmarkt zu stärken, statt zur – vermeintlichen – Kostendämpfung eine Verstaatlichung herbeizuführen. Rechtsreferendarin Felicitas Klieve, Max-Ernst-Straße 11, D-50354 Huerth 27) Angaben von Firsthealth. 28) California und Texas geben für 2002 2,4 Millionen sowie 1,1 Millionen illegale Einwanderer an: Passel, J.S./Capps, R./Fix, M., Undocumented Immigrants: Facts and Figures, Washington Urban Institute, 2004. 29) Marquis, M.S./Long, S.H., Trends in Managed Care and Competition 1993.1997, Health Affairs 18, No. 6, 1999, 75-88. Maxwell, J./Termin, P./Watts, C., Corporate Healthcare Purchasing among Fortune 500 Firms: The Nations Largest Employers Exacted All of the Savings they can from Aggressive Purchasing and Switching Employees to Managed Care. What will their next move be? Health Affairs 20, No. 3, 2001, 181–188. 30) Fiscellla, K./Frank, P./Gold, M.R./Clancy, C.M., Inequality in Quality: Adressing Socioeconomic, Racial and Ethic Dispatities in Health Care, JAMA 283, 2000, 2579–84; Collins, K.S./Hughes, D.L./Doty, M.M., Diverse Communities, Common Concerns: Assessing Health Care Quality for Minority Americans, The Commonwealth Fund, New York, 2002; Zuvekas, S.H./Weinick, R.M./ Cohen, J.W., Racial and Ethnic Differences in Access to and Use of Health Care Services 1977 to 1996, Medical Care Research Review 57, sup. 1, 2000, 36–54. 31) Chicago Tribune, 22. 10. 2004, S. 23. 32) Pearson, R./Zuckmann, J., Health Care, Science dominate day, Chicago Tribune, 22. 10. 2004, S. 23. 33) Oben, sub A. III.
BUCHBESPRECHUNGEN
Sicherheitsvorschriften für Medizinprodukte (SMP). Von Matthias Nöthlichs und Horst Peter Weber. Verlag Erich Schmidt, Berlin usw. 2003, Grundwerk einschl. 20. Erg.-Lfg. 2003, 1104 S., Loseblatt, € 76,Die letzte Besprechung dieses Werkes erfolgte in MedR 2002, 345. Die 19. und 20. Erg.-Lfg. (Stand: Juli 2003) bringen die Kommentierung des Medizinproduktegesetzes nach der Neufassung des MPG durch das 2. Gesetz zur Änderung des Medizinproduktegesetzes durchgängig auf den neuesten Stand. Viele Paragraphen haben dabei nur eine redak-
tionelle Anpassung an die neue Nummerierung des Gesetzes erfahren, einige jedoch auch eine inhaltliche Neubearbeitung. Ebenfalls auf dem neuesten Stand ist nun der Text der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV). Die neuen Erläuterungen zu den §§ 3, 4a sowie 11 liegen vor, nicht aber wie angekündigt auch diejenigen zu den §§ 12, 13 MPBetreibV. Neu eingefügt wurde das auch für Medizinprodukte geltende Gesetz über Funkanlagen, die UVV Laserstrahlung, die geänderte Eichordnung sowie die DIMDI–Verordnung. Die vom Rezensenten in der letzten Besprechung angeregte Anpassung der Kommentierung auch an das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften steht