Zeitschrift ffir Zellforschung 88, 560--564 (1968)
Der frostge/itzte Bakterienkern* E i n B e i t r a g z u r Kl~irung seiner T e r t i ~ i r s t r u k t u r KARL GERHARD LICKFELD Elektronenmikroskopisches Laboratorium, Institut fiir Medizinischc Mikrobiologie, Klinikum Essen der Ruhr-Universit~t Bochum Eingegangen am 1. M/irz 1968
The Frozen-etched Nucleus o/Bacteria and its Tertiary Structure Summary. It is not possible to differentiate between nuclear substance and cytoplasm in frozen-etched Pseudomonas aeruginosa. The nuclear substance becomes visible, however, after insertion of OsO4-fixation, following ultramicrotomy techniques. Then its configuration can clearly be correlated with that one found in ultrathin sections. This presentation of the frozen-etched nuclear substance must be an artifact. The nuclear substance seems to be floating in a ground plasm, filling the whole space enclosed by the cytoplasmic membrane. The chromosomes of certain Dinoflagellates can easily be presented by means of freezeetching; it seems inadmissable to compare their fine structure with that of bacterial nuclear substance.
Zusammen/assung. Bei Pseudomonas aeruginosa licfert die Gefrier~tzung ein Aquivalentbild vom Bakteriuminnern, das eine Differenzierung von Kern und Zytoplasma nicht gestattet. Bei Modifikation der Gefrier~tztechnik durch Einschaltung einer OsO4-Fixierung, in Anlehnung an die Ultramikrotomie, wird der Kern in einer Gestalt sichtbar, die mit dem bekannten Ultradfinnschnitt-/~quivalentbild eindeutig korrelierbar ist. Es ergibt sich der zwingende SchluB, da$ diese Darstellung des frostgeKtzten Bakterienkerns ein Artefakt ist. Das Chromosom flottiert anscheinend in einem Grundplasma, das den gesamten, v o n d e r Zytoplasmamembran umschlossenen Raum erffillt. Da die Chronmsomen bestimmter Dinoflagellaten mit Hilfe der GefrierKtzung leicht darstcllbar sind, erscheint es unzul~ssig, sic bezfiglich ihrer Terti/irstruktur mit dem Baktericnkern zu vergleichen.
Einleitung Lange h a t es der E l e k t r o n e n m i k r o s k o p i e Schwierigkeiten bereitet, B a k t e r i e n artefaktfrei e i n z u b e t t e n (GIESBRECHT, 1959; KELLENBERGER et al., 1964). Die U n t e r s u c h u n g e n u n d methodischen Hinweise y o n RYTE~ et al. (1958) stellten einen W e n d e p u n k t dar. VSllig neue P e r s p e k t i v e n erSffnete die Gefrier/~tztechnik (MooR, 1964). Zahlreiche A r b e i t e n fiber frostge/itzte B a k t e r i e n sind bereits erschienen. Bisher ist es aber n i c h t gelungen, den B a k t e r i e n k e r n m i t Hilfe der Gefrier/itzung differenziert darzustellen. Die Ursache ffir dieses Versagen k a n n entweder i n der Methode oder im Objekt stecken. Die physikalischen u n d physikalisch-chemischen Voraussetzungen ffir das Gelingen einer Gcfrier/itzung sind so genau b e k a n n t ( M o o r et al., 1963; MOOR, 1964; MooR, o. J.), dal~ methodeg e b u n d e n e Fehler leicht zu e r k e n n e n sind. Es besteht keine begrfindete Veranlassung zu unterstellen, dab sich B a k t e r i e n im Prozel~ der Gefrier/~tzung grunds/itzlich anders v e r h a l t e n als andere biologische * Herrn Prof. Dr. med. H. RusxA zum 60. Geburtstag gewidmet. Meiner Mitarbeiterin, Fr/~ulein BEATEMENGE,MTA, danke ich ffir unermfidliche Assistcnz.
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Objekte. Der Verdacht liegt nahe, dab das bislang bekannte Bild v o n d e r Terti~rs t r u k t u r des Bakterienkerns, so wie es die Ultramikrotomie liefert, kein ~quivalent seines intravitalen Aussehens ist. Jedes biologische Objekt ~Srd im R a h m e n seiner Vorbereitung ffir die Ultramikrotomie vielen unphysiologischen Einwirkungen ausgesetzt. Sie werden durch die Gefrier~tzung vermieden. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, mit ihrer Hilfe Vorstellungen y o n quasi-lebenden Objekten zu gewinnen, ungleich viel gr6Ber als auf dem Umwege fiber die Ultramikrotomie. Das scheinbare Fehlen des Bakterienkerns in Gefrier/itzungspr/~paraten einerseits u n d seine klare Differenzierung in Ultradfinnschnitten andererseits ist zwanglos erkl~rbar, wenn m a n unterstellt, dab er im Verlauf der ultramikrotomischen Pritparationsschritte eine Artifizierung erfithrt. Daher bietet sich das Experiment an, den EinfluB des Fixierungsmittels auf die Kerngestalt mit Hilfe der Gefrierittztechnik zu untersuchen.
Material und Methode Pseudomonas aeruginosa aus klinischem Material wurde auf Blut-Agar-Platten isoliert und geziichtet. Je 4 0sen voll Bakterienmasse wurden in zwei 30 ml-Portionen HefeextraktBouillon (Bacto-Yeast Extract, B 127, DIFCO, mitzus~tzlich 0,3 Gew.- % NaCl und 0,2 Gew.- % Na2HP04) eingerieben und 2,5 h lang bei 37~ C bebriitet. Der Inhalt eines K61bchens wurde 10 min lang bei 6500 g zentrifugiert. Stecknadelkopfgrol~e Portionen des Sediments wurden auf kupferne Objekttr~ger pipettiert, in Frigen 22 (CHF2C1) gefroren und in fliissigen Stickstoff fibertragen. Der Inhalt des anderen KSlbchens wurde vor dem Zentrifugieren mit 3 ml OsO4 (1%ig in Kellenberger-Puffer) versetzt. Die Einwirkungszeit betrug 2 h. Nach dem Zentrifugieren wurde zweimal mit Hefeextrakt-Bouillon gewaschen. Das dann gewonnene Sediment wurde wie das des anderen KSlbchens weiterbehandelt. Die Gefrier~tzung erfolgte in herkSmmlicher Weise (MooR, 1964) bei -- 100~C (BA 360 M, Balzers). Es wurde ein Elektronenmikroskop vom Typ EM 9 (Zeiss) verwendet.
Ergebnisse a) Pseudomonas aeruginosa, unfixiert. Ps. aeruginosa ist ein sti~bchenf6rmiges, gramnegatives Bakterium. Abb. 1 zeigt in Teilansicht ein frostge~tztes Individuum, das median gespalten wurde. Hinweise auf die Feinstruktur yon Zellwand und Z y t o p l a s m a m e m b r a n brauchen im R a h m e n dieser Arbeit nicht gegeben zu werden. Das Innere des Bakteriums ist gleichartig strukturiert. Es ist keine Differenzierung zwischen K e r n und Zytoplasma m6glich. b) Pseudomonas aeruginosa, fixiert. Auf den ersten Blick ist das Innere des Individuums, das Abb. 2 in Teilansicht wiedergibt, differenzierbar. Man erkennt axial verlaufende, f/~dige Strukturen. Sie erstrecken sich weder fiber die gesamte Breite, noch fiber die gesamte L~tnge des Bakteriums. I m fibrigen ist das Innere gleichartig blasig his k6rnig strukturiert. c) Pseudomonas aeruginosa, ultradfinn geschnitten. Abb. 3 zeigt in Teilansicht einen medianen L/~ngsschnitt durch ein OsOa-fixiertes I n d i v i d u u m yon I s . aeruginosa. Axial ist die verhs hyaline Region des Kerns mit zahlreichen Chromosomanschnitten zu sehen. Er ist von einem an Ribosomen reichen Zytoplasma umgeben.
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Diskussion Uberraschend ist die l~bereinstimmung des elektronenmikroskopisehen •quivalentbildes von Ps. aeruginosa, wie es die Ultramikrotomie liefert (Abb. 3), mit dem, das die Gefrier~tzung ergibt (Abb. 2), wenn man letztere durch Einschaltung einer OsO4-Fixierung in den Pr~parationsgang grundss ver~ndert. I m sti~bchenf6rmigen Bakterium scheint der kernmembranlose Kern eine stfibchenf5rmige Organelle zu sein, die vom Zytoplasma ganz umhiillt wird. DaB der Kern keine Membran hat, ist ein Hinweis auf den engen funktionellen Zusammenhang zwisehen ihm und dem Zytoplasma. Es ist bekannt, daI3 Kern und Zytoplasma sogar ein Gemisch bilden kSnnen (LICKFELD,1967). Auf Grund der bislang erworbenen Kenntnisse dr~ngt sich fiir Ps. aeruginosa und fiir zahlreiche andere Bakterien die Vorstellung auf, daB der Kern sozusagen herausnehmbar im Zytoplasma ruht, so als wenn er der AusguB eines Hohlraums im Zytoplasma ware. Die originale Gefrier~tzung zeigt, dab dieses morphologisehe Modell falseh ist (Abb. 1). Der frostge~tzte Bakterienkern ist elektronenmikroskopisch nieht sichtbar. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Befund bei Saccharomyces cerevisiae (MooR, 1963), dab Zyto- und Karyoplasma praktiseh identische Feinstrukturen haben und chromosomale Feinstrukturen nieht erkennbar sind. Offensiehtlich ist das Innere von Ps. aeruginosa vollstfindig mit einem Grundplasma erfiillt, das wenig elektronendicht ist. I m Bereich des Zytoplasmas wird es weitgehend durch Ribosomen und durch eine deutlich granulierte Zytoplasmakomponente tiberdeckt. I m Kernbereich hingegen scheint nur das Chromosom im Grundplasma zu flottieren. Diese Modellvorstellung erkli~rt sowohl die gewohnte Gestalt des Bakterienkerns im elektronenmikroskopisehen Aquivalentbild nach ultradiinnem Schneiden, als auch die homogene Erfiillung des Innern von Ps. aeruginosa naeh Gefrieri~tzung. I m Ultradiinnschnitt wird das ,,artifizierte" (SrTTE, 1961) Chromosom eines Bakteriums auf Grund der Prs (RYTER et al., 1958) im wenig elektronendichten Grundplasma sichtbar. Die Gefrier~tzung fiihrt zu einer wesentlich weiter getriebenen Artffizierung, da ein Abdruck im Hinblick auf die MSgliehkeit einer Rekonstruktion des Individuums wie ein unendlich diinner, wenn auch nieht ebener Schnitt behandelt werden kann. U m so iiberrasehender ist daher die Darstellung des Kerns yon Ps. aeruginosa bei modifizierter Gefrier~tzung (Abb. 2). Die klare Darstellung zeugt fiir die Schwere der artifiziellen Vers im Bereieh des Bakterienkerns. Sie sind um so schwerwiegender, als im Rahmen der originalen Gefrier~tzung (Abb. 1) Abschnitte des Chromosoms weder in Li~ngs-, noch in Schriig- oder Queransicht auszumachen sind. Anseheinend bietet der DNS-Faden bei Gefriers keinen ,,Kontrast" gegenfiber dem Grundplasma. Abb. 1. Pseudomonas aeruginosa, median aufgebrochen und frostge~itzt. Der Kern ist im Innern des Bakteriums nicht sichtbar. 90000 • Abb. 2. Pseudomonas aeruginosa, median aufgebrochen und frostge~tzt. Die Gefrier~tzung wurde dureh Einfiigung einer OsO4-Fixierung modifiziert. Im Zytoplasma ZP ist der Kern ZK deutlich zu erkennen. 90000 • Abb.3. Pseudomo~u~saeruginosa.Medianer Ultradiinnschnitt. Preparation nach KELLENBERGER. Zytoplasma ZP und Kern ZK lassen sieh leicht differenzieren. 90000 •
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Die A n w e n d u n g unterschiedlicher P r i i p a r a t i o n s t e c h n i k e n ermSglicht das Erk e n n e n artifizieller Ver~nderungen (SITTE, 1966). I m vorliegenden F a l l sind Ultram i k r o t o m i e u n d modifizierte Gefrier~tzung als ein sich wechselseitig erg/inzendes Verfahren zusammenzufassen. E s s t e h t d e m der Gefrier~tzung nach M o o r (1964) gegenfiber. Es ist wohl sicher, dal3 dieses Verfahren der W a h r h e i t n~herliegende I n t e r p r e t a t i o n e n feinstruktureller Details auf u n d in B a k t e r i e n ermSglicht. So e r g i b t sich die p a r a d o x e Situation, daI3 die Organelle , , K e r n " aus d e m Beobacht u n g s b e r e i c h des e l e k t r o n e n m i k r o s k o p i s c h t/itigen B a k t e r i o l o g e n verschwindet, wenn er die Gefrier~tztechnik a n w e n d e t . Es m a g sein, d a ] sie hier noch weiter verbessert w e r d e n muG, b e v o r weitere E r k e n n t n i s s e m5glich sind. Die Tatsache, dal3 es ohne weiteres mSglich ist, bei Dinoflagellaten m i t Hilfe der Gefrieri~tztechnik C h r o m o s o m e n darzustellen (GIESBRECttT, 1965), lit~t es sehr zweifelhaft erseheinen, ob es zuliissig ist, P a r a l l e l e n zwischen ihrer Tertii~rstruktur u n d der des B a k t e r i e n c h r o m o s o m s zu ziehen. A u c h bei g r a m p o s i t i v e n B a k t e r i e n ist der frostge~tzte K e r n n i e h t differenzierb a r (LICKFELD, unver6ffentlicht). Es ist b e k a n n t , daI3 die Z u g a b e eines F r o s t s e h u t z m i t t e l s die Gefrier~tzung von B a k t e r i e n n i e h t verbessert. E i n K o n t r o l l e x p e r i m e n t im R a h m e n der hier vorgelegten U n t e r s u c h u n g best~tigte diesen Befund. Literatur
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Priv.-Doz. Dr. K. G. LICKFELD Elektronenmikroskop. Lab., Institut f. Med. Mikrobiologie, Klinikum Essen, 43 Essen, Hufelandstra~e 55