Leitthema Z Rheumatol 2009 · 68:295–304 DOI 10.1007/s00393-008-0399-x Online publiziert: 29. März 2009 © Springer Medizin Verlag 2009
Redaktion
V. Krenn, Trier W.L. Gross, Bad Bramstedt/Lübeck
Glomerulonephritiden (GN) sind entzündliche meist immunpathogenetisch vermittelte, nichteitrige, beide Nieren befallende Erkrankungen, die glomeruläre Strukturen (Kapillarendothel und -epithel, kapilläre Basalmembranen, Mesangium und Epithel der Bowman-Kapsel) in unterschiedlicher Form (global, segmental) betreffen. Rückwirkungen auf nachgeschaltete Tubuli gehören ebenso wie Veränderungen im Interstitium zur Erkrankung, welche das gesamte Nephron betrifft. GN können primär auftreten, d. h. ohne fassbare Grunderkrankung, oder sekundär als Nierenbeteiligung nach Medikamenten exposition und bei infektiösen, malignen, metabolischen oder autoimmunologischen Multisystemerkrankungen. Besonders häufig treten GN bei Vaskulitiden und Kollagenosen auf, dementsprechend hat die Kenntnis der GN in der Rheumatologie eine hohe Bedeutung.
Einteilung der Glomerulonephritiden Die Einteilung der GN kann nach klinischen oder histologisch-strukturellen Gesichtspunkten erfolgen. Klinisch können das nephritische Syndrom und das nephrotische Syndrom unterschieden werden. Das nephritische Syndrom geht mit einer renalen Mikrohämaturie und einer Proteinurie unterschiedlichen Ausmaßes einher. Bei geringer glomerulärer Schädigung ist der Patient klinisch meist asymptomatisch. Im Urin zeigen sich eine renale Mikrohäma
S.M. Weiner1 · R. Waldherr2 · J. Kriegsmann3 1 2. Medizinische Abteilung, Rheumatologie, Immunologie, Nephrologie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz, Trier 2 Praxis für Pathologie, Heidelberg 3 Institut für Pathologie, Trier
Diagnostik der Glomerulonephritiden turie und milde Proteinurie (<1,5 g/Tag), jedoch keine Zylinder. Die Nierenfunktion ist meist normal. Bei ausgeprägter glomerulärer Schädigung ist der Patient meist symptomatisch mit einer Oligurie, arterieller Hypertonie und Ödemen. Im Urin zeigen sich neben der renalen Mikrohämaturie häufig Zylinder und eine große Proteinurie, die auch nephrotisch sein kann. Das nephrotische Syndrom geht mit einer großen Proteinurie (>3,5 g/Tag) einher. Klinisch zeigt sich eine ausgeprägte Ödembildung, der Patient beobachtet nicht selten einen schäumenden Urin. Im Urin zeigen sich granulierte Zylinder oder Wachszylinder, eine Mikrohämaturie liegt seltener vor, was mit der fehlenden entzündlichen glomerulären Zellinfiltration in Zusammenhang steht. Im Serum finden sich eine Hypoalbuminämie und Hyperlipidämie. Hinsichtlich des Verlaufs können unterschieden werden: F eine asymptomatische GN (meist fokale GN, wie frühe IgA-Nephropathie), F eine akute GN (z. B. postinfektiöse GN), F eine rasch-progrediente GN (z. B. bei Vaskulitiden) und F eine chronische GN (z. B. fortgeschrittene IgA-Nephropathie). Unter der rasch-progredienten GN (RPGN) versteht man das klinische Syndrom einer schnell voranschreitenden Verschlechterung der exkretorischen Nierenfunktion innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen auf dem Boden einer
entzündlichen Erkrankung der Glomeruli [5]. . Tab. 1 gibt einen Überblick über GN bei entzündlichen Vaskulopathien.
Diagnostik der Glomerulonephritis GN gehen in variablem Ausmaß mit einer glomerulären Hämaturie, Proteinurie, renaler Hypertonie und Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR) einher und können bei entsprechender Klinik mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden. E Die definitive Diagnose einer GN ist ohne histologische Untersuchung nicht zu stellen. Bei der Anamnese muss insbesondere nach dem Auftreten von Ödemen, rückläufiger Diurese, schäumendem Urin oder Makrohämaturie gefragt werden. Als Folge der Natriumretention und der renalen Schädigung steigt häufig der Blutdruck an, der vor allem bei Vorliegen einer großen Proteinurie in den Normbereich gesenkt werden sollte. Extrarenale Manifestationen können auf die zugrunde liegende Erkrankung Hinweise geben. So muss bei Vorliegen einer Purpura insbesondere an eine ANCAassoziierte Vaskulitis, an eine Purpura Schönlein-Henoch und eine Kryoglobulinämie gedacht werden. Bei Zeichen der Zum Gedenken an Frau Dr. Eveline Wandel, Mainz († 2008). Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2009
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Leitthema Tab. 1 Nierenbeteiligung bei entzündlichen Vaskulopathien Rheumatoide Vaskulitis Systemischer Lupus erythematodes
Häufigkeit <10% 30–90%
Assoziierte GN Nekrotisierende GN mit Immunkomplexablagerungen Typ I minimale mesangiale LN Typ II mesangioproliferative LN
Sklerodermie
10–25%
M. Wegener Mikroskopische Polyangiitis
80–90% 80–90%
Typ III fokale LN (<50% der Glomeruli), segmental oder global Typ IV diffuse LN (>50% der Glomeruli), segmental oder global Typ V membranöse LN Typ VI sklerosierte LN (>90% der Glomeruli) Thrombotische Mikroangiopathie (renale Krise; 6% aller Sklerodermiepatienten) Fibrosierende Nephropathie (25% aller Sklero dermiepatienten) Pauci-immune nekrotisierende GN Pauci-immune nekrotisierende GN
Churg-Strauss-Syndrom
15–5%
Pauci-immune nekrotisierende GN
Kryoglobulinämie
Purpura Schönlein-Hennoch Polyarteriitis nodosa
Membranoproliferative GN Typ I (mesangiokapillär) Mesangioproliferative GN IgA-Nephropathie, ggf. mit Halbmondbildung Intrarenale Vaskulitis mit Aneurysmen
Infektiöse Endokarditis
Immunkomplex-GN
Klinik der GN Oft pANCA-positiv, RPGN Asymptomatisch Proteinurie + Mikrohämaturie, normale Nierenfunktion Proteinurie + Mikrohämaturie, oft Nierenfunktion beeinträchtigt, ggf. RPGN
Fortgeschrittene Niereninsuffizienz Meist Blutdruckanstieg, rapide Nierenfunktions verschlechterung, Proteinurie Milde Proteinurie ± Kreatininerhöhung RPGN RPGN oder langsam progredienter Kreatinin anstieg RPGN oder langsam progredienter Kreatinin anstieg Proteinurie + Mikrohämaturie, ggf. RPGN Proteinurie + Mikrohämaturie Proteinurie + Mikrohämaturie, ggf. RPGN Proteinurie + Mikrohämaturie, progredienter Kreatininanstieg Proteinurie + Mikrohämaturie, progredienter Kreatininanstieg
LN Lupusnephritis.
Hämolyse kommen differenzialdiagnostisch eine Lupus-Nephritis, ein Antiphospholipidsyndrom oder ein hämolytischurämisches Syndrom infrage.
Die Labordiagnostik bei GN umfasst die korrekte Erfassung der Nierenfunktion, die Urindiagnostik einschließlich Quanti fizierung der Proteinurie und des Urin sediments. Die Urindiagnostik und serologische Untersuchungen dienen der Aktivitätsbeurteilung, der Einordnung der GN und der Entscheidungshilfe für das weitere Vorgehen (. Abb. 1).
Die Bestimmung der Kreatinin-Clearance mittels 24-h-Urinsammlung ist aufgrund häufiger Sammelfehler oft problematisch. Zur Abschätzung der Nierenfunktion eignet sich alternativ insbesondere bei einer GFR >50 ml/min die GockroftGault-Formel, die das Serumkreatinin, Alter, Gewicht und Geschlecht berücksichtigt. Bei einer GFR <60 ml/min gibt die MDRD-Formel, die das Serumkreatinin, Alter und Geschlecht berücksichtigt, zuverlässige Auskunft über die GFR [17]. Alternativ kann auch Cystatin C zur Abschätzung der Nierenfunktion herangezogen werden, was insbesondere bei Kindern und alten Menschen zuverlässigere Werte liefert.
Glomeruläre Filtrationsrate
Proteinurie
Um die Nierenfunktion abzuschätzen, wird am häufigsten das Serumkreatinin verwendet, aber häufig auch fehlinterpretiert [18]. Insbesondere beim älteren Menschen und bei geringer Muskelmasse wird die Nierenfunktion unterschätzt.
Der Urinstix reicht häufig aus, um selbst ein geringe Erythrozyturie oder Leuko zyturie zu erfassen. Eine Proteinurie wird wiederum meist erst ab einer Menge von 300–500 mg/Tag im Urinstix zuverlässig erfasst, wobei speziell Bence-Jones-
Laborbefunde
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Proteine komplett der Diagnostik entgehen, da nur Albumin erfasst wird. Aussagekräftiger ist eine quantitative Protein bestimmung im Urin, die mittels 24-hSammelurin oder Spontanurin erfolgen kann. Durch Anwendung des ProteinKreatinin-Quotienten ist eine zuverlässige Abschätzung der Proteinurie auch dann erlaubt, wenn die 24-h-Sammelmenge nicht korrekt ist [4]. Der ProteinKreatinin-Quotient im Spontanurin, insbesondere dem ersten Morgenurin, ergibt ebenso Anhaltswerte, da die Kreatininausscheidung relativ konstant ist. Hierbei entspricht ein Protein-KreatininQuotient aus dem Spontanurin von 0,45 g, 0,7 g und 1,84 g/g Kreatinin einer Proteinurie im 24-h-Sammelurin von ≥0,5 g, ≥1,0 und ≥3,5 g/Tag [16].
Urinmikroskopie Bei Verdacht auf GN sollte grundsätzlich ein Urinsediment untersucht werden. Hierzu wird Urin für 5 min bei 3000 rpm zentrifugiert, der Überstand verworfen
Zusammenfassung · Abstract und eine geringe Menge des Sediments auf einen Objektträger aufgebracht und innerhalb von 30–60 min nach der Probengewinnung mikroskopiert. Hierbei sind die Erythrozytenmorphologie und die Suche nach Zylindern von Interesse. Bei der Erythrozytenbeurteilung wird der Anteil von dysmorphen Erythrozyten und einer Untergruppe, den Akanthozyten, prozentual und absolut erfasst (. Abb. 2 a, b). > Bei Verdacht auf GN sollte
grundsätzlich ein Urinsediment untersucht werden
Dysmorphe Erythrozyten entstehen durch Irregularität der Zellmembran. Während Akanthozyten ausschließlich eine Folge des Durchtritts durch die glomeruläre Basalmembran und der physiko chemischen Schädigung des Erythrozyten im Tubulussystem sind, können andere dysmorphe Erythrozyten auch durch Veränderungen des Urin-pH-Werts, von Proteingehalt, Osmolalität und Kreatinin konzentration reversibel entstehen (. Abb. 2 a; [31]). Hieraus resultiert bei Nachweis von Akanthozyten ≥5% eine hohe Spezifität (98%) für eine glomerulären Erkrankung mit allerdings einer geringen Sensitivität von 52% [14]. Bei hohem Anteil von dysmorphen Erythrozyten (50% bis über 80%) ohne Nachweis von Akanthozyten kann eine renale Mikrohämaturie ebenso vermutet, aber nicht bewiesen werden [22]. Ein Überwiegen isomorpher Erythrozyten (>80%) im Sediment wiederum zeigt zuverlässig eine urologische Erkrankung an (. Abb. 2 c). Lassen sich zusätzlich Zellzylinder unter Einschluss von Erythrozyten und/oder Leukozyten nachweisen (. Abb. 2 d), muss von einer schwerwiegenden GN ausgegangen werden. Ein unauffälliges Urinsediment schließt eine renale Vaskulits jedoch nicht aus. So kann bei der klassischen Polyarteriitis nodosa eine glomeruläre Ischämie ohne konsekutive Nekrose auftreten und somit der Urinbefund unauffällig bleiben. Granulierte Zylinder oder Wachszylinder lassen sich insbesondere bei einer großen Proteinurie über 3 g/Tag nachweisen. Hyaline Zylinder wiederum sind nicht diagnoseweisend. Normalisiert sich unter
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Diagnostik der Glomerulonephritiden Zusammenfassung Glomerulonephritiden treten häufig bei Patienten mit rheumatischen Systemerkrankungen, insbesondere bei Kollagenosen und Vaskulitiden auf. Klinisch werden das nephrotische Syndrom und das nephritische Syndrom unterschieden, bei rasch auftretender Verschlechterung der Nierenfunktion spricht man von einer rapid progressiven Glomerulonephritis. Die Differenzialdiagnose der Glomerulonephritis kann anhand von Urinsediment, Ausmaß der Proteinurie und der Niereninsuffizienz sowie serologischer Befunde eingegrenzt werden. Der Nachweis von Akanthozyten und Zellzylindern im Urin weist auf eine schwere Glomerulonephritis oder Vaskulitis hin. Eine Nierenbiopsie ist erforderlich, um die definitive Diagnose stel-
len zu können. Allerdings können einem morphologischen Reaktionsmuster wie der membranösen Glomerulonephritis verschiedene Krankheitsprozesse zugrunde liegen und bei einem spezifischen Krankheitsprozess verschiedene morphologische Reaktions muster auftreten. Die rapid progressive Glomerulonephritis ist ein nephrogischer Notfall und muss früh diagnostiziert und therapiert werden, um ein dialysepflichtiges Nierenversagen zu verhindern. Schlüsselwörter Glomerulonephritis · Rapid progressive Glomerulonephritis · Nierenhistologie · Nierenbiopsie · Urinsediment
Diagnostics of glomerulonephritis Abstract Glomerulonephritis occurs frequently in patients with multisystemic rheumatic disease, especially in collagen vascular disorders and vasculitides. From a clinical point of view nephrotic syndrome has to be distinguished from nephritic syndrome. Rapid deterioration of renal function is referred to as rapid progressive glomerulonephritis. The differential diagnosis of glomerulonephritis can be narrowed by the findings on urine sediment, amount of proteinuria, degree of renal insufficiency and serological findings. In particular, the presence of urine acanthocytes and cellular casts are diagnostic for glomerulonephritis or vasculitis. Renal biopsy is necessary
to establish the final diagnosis in most cases; however, some histological pattern such as membranous glomerulonephritis may occur in several different etiopathogenetic diseases and one disease process may lead to different histomorphologic pictures. Rapid progressive glomerulonephritis is a nephrological emergency and should be diagnosed and treated early to prevent dialysis-dependent renal insufficiency. Keywords Glomerulonephritis · Rapid progessive glomerulonephritis · Renal pathology · Renal biopsy · Urine sediment
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Leitthema
Patient mit Mikrohämaturie + Proteinurie im Urinstix
• Erythrozytenzylinder GFR n oder ↓ CRP oder BSG ↑
Ja • Klinische Hinweise auf Endokarditis? Herzgeräusch, Fieber?
• Akanthozyten oder dysmorphe Erythrozyten >50% GFR ↓ CRP oder BSG ↑
- Urinmikroskopie/ -sediment GFR bestimmen BSG, CRP
Blutkulturen, TEE
• Akanthozyten oder dysmorphe Erythrozyten >50% GFR n CRP oder BSG ↑ • Akanthozyten oder dysmorphe Erythrozyten >50% GFR n CRP oder BSG n
Nein -V.a. RPGN: Nierensonographie Serologie: ANA, ANCA, anti-GBM, C3, C4 Soforttherapie: 250mg Prednison i.v. für 3 Tage Nierenbiopsie am folgenden Tag Nierenbiopsie planen Ja Positive Serologie (ANA, ANCA, C3↓, C4↓) oder Bluthochdruck Nein Verlaufskontrolle
• Dysmorphe Erythrozyten <50%, keine Akanthozyten
Urologische Abklärung
Abb. 1 9 Algorithmus zur Abklärung bei Verdacht auf Glomerulonephritis
Abb. 2 9 Urinsediment und Erythrozytenmorphologie mit Urin. a Phasenkontrastmikroskopie (Vergr. 400:1): dysmorphe Erythrozyturie als Hinweis auf renale Mikrohämaturie, Nachweis von Akanthozyten (schwarzer Pfeil), Knizozyten (weißer Pfeil), Kodozyten (weißer punktierter Pfeil). b Phasenkontrastmikroskopie (Vergr. 1000:1): Akanthozyturie (Pfeile), charakteristischer Marker für eine renale Mikrohämaturie. c Lichtmikroskopie nach Papanicolaou-Färbung (Vergr. 1000:1): nichtglomeruläre postrenale Erythrozyturie. d Phasenkontrastmikroskopie (Vergr. 400:1): Erythrozytenzylinder als Hinweis auf schwere Glomerulonephritis. (a, d: Margit Schmude, Dialyselabor, Universität Mainz; b, c: Dr. Ines Rathert, Institut für Urinzytologie Düren)
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Therapie das Urinsediment, insbesondere die Erythrozyturie, kann von einem Rückgang des aktiven entzündlichen glomerulären Prozesses ausgegangen werden. Die Proteinurie hingegen kann je nach Ausprägung des glomerulären Schadens länger persistieren.
Serologische Diagnostik Bei der Abklärung von GN sind die in . Tab. 2 aufgelisteten Laborwerte hilfreich.
Unspezifische Labortests
Tab. 2 Labordiagnostik bei Glomerulonephritiden Unspezifische Labortests Blutbild
Kreatinin, Harnstoff, GFR nach CockroftGauld oder MDRD, Elektrolyte Gesamteiweiß und Albumin, Eiweißelektrophorese Quantitative Immunglobuline
Ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) als Akute-Phase-Protein zeigt eine aktive entzündliche Erkrankung an, wobei ein Fehlen humoraler Entzündungszeichen eine GN oder RPGN nicht sicher ausschließt. Der Befund eines Komplementverbrauchs findet sich vor allem bei immunkomplexvermittelten Erkrankungen. Kryoglobuline wiederum lassen sich insbesondere bei chronischer Hepatitis C und bei infektiösen Endokarditiden nachweisen [32, 33].
LDH ↑, Haptoglobin ↓ Coombs-Test
Infektserologie
Anti-Basalmembran-Antikörper „C3-nephritic factor“ Anti-Cardiolipin-Antikörper Anti-Glycoprotein-I-Antikörper Lupus-Antikoagulans HIV-Serologie HBV-, HCV-Serologie
Die Hepatitis-C-Virus- (HCV-) und -BVirus- (HBV-) Serologie sollte bei jeder GN durchgeführt werden. Die HCV-Infektion ist assoziiert mit der membrano proliferativen GN Typ I, die mit oder ohne gemischte Kryoglobulinämie auftreten kann. Hingegen kommen bei der chronischen HBV-Infektion unterschiedliche GN vor: membranöse GN, Polyarteriitis nodosa, fokal segmentale Glomerulo sklerose (FSGS), IgA-Nephropathie und akute proliferative GN [21].
Autoantikörper
In der Autoantikörperdiagnostik sind bei der Abklärung einer GN insbesondere zirkulierende Antikörper gegen glomeruläre Basalmembran (Anti-GBM), Anti körper gegen Zytoplasmabestandteile von Neutrophilen und Monozyten (ANCA) und antinukleäre Antikörper (ANA) von Bedeutung. Bei serologischem Nachweis von Anti- GBM-Antikörpern ist bei entsprechender Klinik die Anti-GBM-Nephritis bewiesen, bei einer Spezifität von 95%. Bei einer Sensitivität der ELISA-Kits
C3-, C4-Komplement
Spezifische Labortests ANA und Anti-dsDNS-Antikörper Antistreptolysin (ASL) Antistreptodornase Kryoglobuline, Rheumafaktor pANCA (MPO), cANCA (PR3)
Interpretation Leukozytose bei Vaskulitiden, Infektionen Leukopenie bei SLE Fragmentozyten bei HUS Anämie bei SLE, HUS, fortgeschrittener Nieren insuffizienz Thrombozytopenie bei HUS, APS Schweregrad der Niereninsuffizienz Erniedrigt bei nephrotischem Syndrom Myelom-Gradient bei Plasmozytom, Kryoglobulin ämie, AL-Amyloidose IgA ↑ bei 50% der IgA-Nephropathien, Purpura Schönlein-Henoch IgG ↑ bei Kollagenosen, Vaskulitiden Bei Hämolyse im Rahmen eines HUS oder SLE Positiv bei Hämolyse bei SLE Negativ bei Hämolyse bei HUS C3 n, C4 ↓ bei Poststreptokokken-GN C3 ↓, C4 ↓ bei SLE, Endokarditis, Kryoglobulinämie C3 ↓, C4 n bei membranoproliferativer GN Typ II SLE Poststreptokokken-GN Kryoglobulinämie, Endokarditis, Hepatitis C, Kollagenosen ANCA-assoziierte Vaskulitiden Endokarditis Goodpasture-Syndrom, Anti-Basalmembran-RPGN Membranoproliferative GN Typ II APS-Nephropathie, SLE
„Colapsing“ Variante der FSGS Kryoglobulinämie, viral-assoziierte GN
APS Antiphospholipidsyndrom, FSGS fokal segmentale Glomerulosklerose, HBV-/HCV Hepatitis-B/C-Virus, HUS hämolytisch-urämisches Syndrom, SLE systemischer Lupus erythematodes.
oder Dot-Blots von 60–100% [6, 19, 23] schließt ein negativer Befund eine AntiGBM-Nephritis nicht aus. Bei bis zu 33% der Patienten mit Anti-GBM-Nephritis lassen sich auch ANCA, insbesondere mit der Spezifität gegen Myeloperoxidase (MPO), nachweisen. Die renale Prognose dieser Patienten unterscheidet sich allerdings nicht von den Patienten mit alleinigem Anti-GBM-Antikörper-Nachweis [24]. Zum Nachweis von ANCA soll sowohl ein indirekter Immunfluoreszenztest (IIF) unter Verwendung von ethanol- und formalinfixierten Granulozyten als auch ein antigenspezifischer ELISA-Assay oder Dot-Blot (MPO bzw. Proteinase 3) durchgeführt werden. Hierdurch lässt sich bei
einer Sensitivität von 67–96% (in Abhängigkeit des verwendeten ELISAs) die Spezifität auf 99% erhöhen [7, 10]. Sowohl cANCA als auch pANCA kann bei infektiösen Endokarditiden auftreten [11], sodass stets eine Diagnosesicherung mittels Histologie angestrebt werden sollte. ANCA sind nicht nur als Krankheitsmarker, sondern auch als pathogen anzusehen, da beobachtet wurde, dass durch passiven Transfer von ANCA von der Mutter auf den Fetus eine generalisierte Vaskulitis ausgelöst werden kann [25]. Zum ANA-Screening ist ein IIF-Test ausreichend. Bei entsprechendem ANATiter und Fluoreszenzmuster sind weitere Tests einschließlich dsDNS-Antikörper und Antikörper gegen extrahierbare Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2009
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Leitthema nukleäre Antigene (ENA) indiziert. AntidsDNS-Antikörper zeigen eine Korrelation zur proliferativen Lupus-Nephritis der Klasse III und IV. C1q-Antikörper lassen sich in 60–89% der Patienten mit LupusNephritis nachweisen, insbesondere bei aktiver Nephritis [28]. C1q-Antikörper sind nicht krankheitsspezifisch und lassen sich u. a. auch bei der Poststreptokokken-Nephritis nachweisen [15], während sie bei der C1q-Nephropathie negativ sind [27]. Antikörper gegen Nukleosomen zeigen keine klare Korrelation zur aktiven Lupus-Nephritis [2].
Sonographie und Duplexsonographie der Nieren Die Sonographie dient in erster Linie dazu, Differenzialdiagnosen auszuschließen. So sollten bei Mikrohämaturie, die nicht eindeutig glomerulärer Herkunft ist, und bei Makrohämaturie Zystennieren, Markschwammnieren, ein Nierenzellkarzinom oder ein Tumor der ableitenden Harnwege ausgeschlossen werden. Die Nierengröße und die Parenchymdicke sind zudem von Interesse, da bei kleinen Nieren unter 8–9 cm und einem reduzierten Nieren parenchym eine Nierenbiopsie nicht mehr sinnvoll erscheint. Die Duplexsonographie kann Hinweise auf Niereninfarkte, Nierenvenenthrombose oder thrombotische Mikroangiopathie (hohe intrarenale Widerstandsindices, reduzierte Perfusion der Nierenrinde) geben.
Nierenbiopsie Die Nierenbiopsie dient der korrekten Diagnosestellung sowie der prognostischen Einschätzung und somit auch der Therapieplanung. In der Hand des erfahrenen Nephrologen handelt es sich um einen risikoarmen Eingriff. Er wird in aller Regel unter sonographischer Sicht durchgeführt. Acetylsalicylsäure muss mindestens 7 Tage vor der Biopsie abgesetzt werden. Es hat sich bewährt, zusätzlich die Blutungszeit zu messen, die unter 9 min liegen sollte [3]. Kontraindikationen sind unkontrollierte arterielle Hypertonie und Gerinnungsstörung, eine relative Kontraindikation ist die Einzelniere. Bei ungeklärtem pro-
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gredientem Nierenversagen kann aber auch die Biopsie einer Einzelniere sinnvoll sein. Die Komplikationsrate ist insgesamt gering (5–18%), ein signifikantes Hämatom wird bei 2–3% beobachtet, eine Makrohämaturie bei 1%, arteriovenöse Fisteln bei 0,05–1%. Eine Nephrektomie ist bei unstillbarer Blutung nur selten erforderlich (0–0,4%).
Histologische Muster bei Glomerulonephritiden Die spezifische Diagnose einer GN erfolgt durch Ausschluss anderer Kategorien. Die Diagnose einer GN erfordert die Beurteilung morphologischer und klinikopathologischer Kategorien. Zu den morphologischen Kategorien gehören F Mesangiopathie, F fokale oder diffuse Mesangioproliferation oder endokapillare Proliferation, F Nekrotisierungen, F extrakapilläre Halbmondbildung, F fokale oder diffuse Sklerose und F membranoproliferative Veränderungen der Glomeruli. Morphologische Kategorien werden ergänzt durch zusätzliche klinikopathologische Befunde, zu denen F immunhistologische und elektronenmikroskopische Untersuchungen, F serologische Daten und F die Kenntnis extrarenaler Manifestationen gehören. Diese zweite Kategorie umfasst Immunkomplex-GN, die Anti-GBM-GN sowie Pauci-immun-GN (. Tab. 3: [13]). Erschwerend für die Erstellung einer definitiven Diagnose erweist sich die Tatsache, dass einem morphologischen Reaktionsmuster verschiedene Krankheitsprozesse zugrunde liegen können. So kann die membranoproliferative GN u. a. bei Endokarditis, HCV-Infektion oder SLE angetroffen werden. Umgekehrt können bei einem spezifischen Krankheitsprozess (IgA-Nephropathie, Lupus-Nephritis) zahlreiche verschiedene morphologische Reaktionsmuster auftreten. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass jede GN ein Spektrum histologischer
Bilder umfasst, welches von der Krankheitsdauer, Schwere der Erkrankung, Aktivität und Chronizität des Krankheitsprozesses abhängt.
Lichtmikroskopie glomerulärer Reaktionsmuster Glomeruläre Reaktionsmuster umfassen glomeruläre mesangiale, endokapilläre und extrakapilläre Hyperzellularität, jedoch auch reduzierte Zellularität einschließlich Vernarbung. Mesangiale Hyperzellularität ist definiert als 3 oder mehr Zellen im Mesangium (3 µm Schnittdicke) und wird durch Vermehrung mesangialer Zellen und/ oder mononukleär-pahagozytärer Zellen verursacht (. Abb. 3 a). Die endokapilläre Hyperzellularität erklärt sich durch eine Proliferation von Endothelzellen und durch einen vermehrten Anteil neutrophiler Granulozyten in Kapillarlumina (. Abb. 3 b). Der RPGN wiederum liegt lichtmikroskopisch in der Regel eine Halbmondnephritis („crescentic nephritis“, CGN) zugrunde, die mit einer halbmondförmigen Erscheinung der extrakapillären Proliferationen innerhalb des BowmanKapsel-Raums einhergeht [5]. Die extrakapilläre Hyperzellularität wird durch eine Hyperplasie der parietalen Epithelzellen der Bowman-Kapsel, die häufig eine halbmondförmige Erscheinung annimmt (Halbmondnephritis; . Abb. 3 c, d), und durch einen Einstrom von Makrophagen hervorgerufen. Sie stellt eine unspezifische Reaktion der Glomeruli auf schwere entzündliche Veränderungen der Kapillarwand dar. Bei einer RPGN mit rasch auftretendem Verlust der GFR weisen in aller Regel mehr als 50% der Glomeruli eine extrakapilläre Proliferation auf [5]. Die Halbmondnephritis muss von der kollabierenden Variante der FSGS, die eine Podozytenhyperplasie darstellt, abgegrenzt werden. Eine entzündliche oder nekrotisierende glomeruläre Beteiligung kann auch zur Sklerose führen. Die Veränderungen können entweder diffus (lichtmikroskopisch entzündliche Veränderungen in >50% der Glomeruli) oder fokal (betrifft <50% der Glomeruli) sein.
Tab. 3 Charakteristika der verschiedenen Formen der rapid progressiven Glomerulonephritis (RPGN) RPGN-Form Typ I: zirkulierende Anti-GBMAntikörper (lineare Immunfluoreszenz) Typ II: zirkulierende Immunkomplexe (granuläre Immunfluoreszenz)
Klinik/Labor Anti-GBM mit pulmonaler Hämorrhagie Anti-GBM ohne pulmonale Hämorrhagie
Diagnose Goodpasture-Syndrom Anti-GBM-Nephritis
Ggf. IgA ↑, C3 n, C4 n keine Vaskulitis Ggf. IgA ↑, C3 n, C4 n mit Vaskulitis ANA-positiv, dsDNS-Antikörper-positiv, ggf. C1q-Antikörper, C3 ↓, C4 ↓, SLE-Zeichen ANA-negativ, dsDNS-Antikörper-negativ, C1q-Antikörper-negativ, keine SLE-Zeichen Antistreptolysin (ASL) ↑, Antistreptodornase ↑, C3 n, C4 ↓ Akuter Streptokokkeninfekt Kryoglobuline positiv, Rheumafaktor-positiv, C3 n–↓, C4 n–↓, ggf. HCV-positiv C3 ↓, C4 n, C3-Nephritisfaktor
IgA-Nephropathie
Ggf. Paraprotein
Typ III: pauci-immune GN (negative Immunfluoreszenz)
Blutkulturen positiv, ANCA-positiv oder -negativ, C3 ↓, C4 ↓, Kryoglobuline positiv, Rheumafaktor positiv, Endokarditis ANCA-negativ oder -positiv, CRP ↑ keine systemische Vaskulitis pANCA-positiv, seltener cANCA-positiv, CRP ↑ nichtgranulomatöse Vaskulitis cANCA-positiv, seltener pANCA-positiv, CRP ↑ granulomatöse Vaskulitis ANCA-positiv oder negativ, Eosinophilie, CRP ↑ Asthma, granulomatöse Vaskulitis
Immunhistochemie Eine suffiziente histopathologische Diagnostik der GN erfordert die Anwendung immunhistochemischer Techniken (Immunenzymtechnik oder Immunfluoreszenz), die entweder an Gefrierschnitten oder an formalinfixiertem Material durchgeführt werden können. Die geringere Sensitivität der formalinfixierten Gewebe erfordert die Anwendung sogenannter „Antigen-retrival-Techniken“. Die immunhistologische Untersuchung an formalinfixiertem Material wird heute in zahlreichen Zentren aus pragmatischen Gründen (Logistik) bevorzugt. Generell werden Antikörper gegen IgA, IgG, IgM, C3 und C1q eingesetzt. Weitergehende Fragestellungen können auch die Anwendung von Antikörpern gegen die κ- und λ-Kette, Fibrin oder Fibrinogen, Kollagenvarianten oder C4d erfordern. Es werden im Wesentlichen 3 immunhistochemische Reaktionsmuster unter-
schieden, nach welchen auch die RPGN weiter differenziert wird ([5]; . Tab. 3):
Typ I: lineare Ablagerungen entlang der glomerulären Basalmembran Der Typ I entspricht der Anti-GBM-GN und findet sich bei 5–10% aller biopsierten RPGN-Fälle [12].
Typ II: granuläre glomeruläre Immunglobulin- oder Komplementablagerungen Der Typ II entspricht der Immunkomplexnephritis, die insbesondere mit mesangialen und/oder kapillären Immunglobulinablagerungen einhergeht (. Abb. 3 a, e, f). Bei dieser mit 40–50% zweithäufigsten und ätiologisch sehr heterogenen Gruppe ist das Auftreten von Halbmonden nicht charakteristisch, sondern wird als schwere Verlaufsvariante einer bereits präexistenten GN angesehen. Neben den in . Tab. 2 aufgelisteten Er-
Purpura Schönlein-Henoch Lupus-Nephritis C1q-Nephropathie (Histologie ähnlich Lupus-Nephritis) Postinfektiöse GN Membranoprolifertive GN Typ I (mesangiokapillär) Membranoproliferative GN Typ II („dense deposit disease“) Fibrilläre GN (Elektronenmikroskopie: 20 nm Fibrillen) GN bei Endokarditis Idiopathische RPGN (5%) Mikroskopische Polyangiitis M. Wegener Churg-Strauss-Syndrom
krankungen können auch Medikamente (z. B. Penicillamin) oder Malignome diese RPGN auslösen.
Typ III: kein oder sehr wenig Immunglobulin Der Typ III entspricht der pauci-immunen GN und ist mit 51% der häufigste RPGN-Typ. Diese RPGN ist gekennzeichnet durch den Nachweis von ANCA im Serum bei 80% der betroffenen Patienten [29]. Immunhistologisch finden sich zwar keine Ablagerungen von Immunglobulinen, jedoch in 87–89% C3Komplement, in 14–30% C1q- und nur in 2–4% C4-Komplement [30]. Diese Befunde und tierexperimentelle Ergebnisse zeigen, dass der alternative C-Pathway eine entscheidende Bedeutung bei der Ausbildung der GN hat [34].
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Abb. 3 8 a Mesangiale IgA-Nephropathie mit kleinem segmentalem zellulärem Halbmond (Trichromfärbung). b Akute endokapillär-proliferative GN (Trichromfärbung). c Extrakapilläre GN mit zellulärem Halbmond bei ANCA-assoziierter Vaskulitis (PAS-Färbung). d Extrakapilläre GN mit fibrösem Halbmond (HE-Färbung). e Diffuse proliferative Lupus-GN mit segmentaler zellulärer Halbmondbildung (Trichromfärbung). f Immunhistologie mit mesangialer und segmental granulärer Ablagerung von IgG. g Sklerosierter Glomerulus als Folge einer fortgeschrittenen GN (HE-Färbung). h Interstitielle Nephritis mit Granulom bei M. Wegener (Trichromfärbung)
Elektronenmikroskopie
Prognose der Glomerulonephritis
Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung können die lichtmikroskopisch beobachteten Veränderungen detaillierter beschrieben werden. Außerdem ist es möglich, fibrilläre Ablagerungen zu beobachten, die in ein eigenes System glomerulärer Veränderungen eingeordnet werden können (fibrilläre Glomerulopathien). Die Beurteilung der Lage und Form der elektronendichten Deposits korrespondiert mit den lichtmikroskopisch beschriebenen Immunkomplexablagerungen. Es können mesangiale, subendotheliale, intramembranöse und subepitheliale Deposits bezüglich der Lokalisation unterschieden werden.
Die Differenzierung der verschiedenen GN- und RPGN-Typen ist hinsichtlich der Prognose und Therapieplanung entscheidend. Auch ist die Erkrankungsschwere unterschiedlich, so sind bei Erstdiagnose die Nieren bei dem RPGN Typ I am schwersten und bei Typ II am geringsten geschädigt. Der Anteil der betroffenen Glomeruli mit Halbmonden ist bei Typ I am höchsten (85% haben >50% Halbmonde vs. 50% bei Typ III und 13% bei Typ II; [12]). Aber auch bei einzelnen Typ-II-RPGN-Entitäten ist die Voraussage unterschiedlich, mit einer guten Prognose bei der postinfektiösen GN und eher ungünstigen Prognose bei der IgANephropathie oder dem SLE.
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Bei den ANCA-assoziierten Vaskulitiden haben ältere Patienten (>65 Jahre) häufig höhere Kreatininwerte verglichen mit jüngeren Patienten (<65 Jahre) und sind bei Diagnosestellung häufiger dialyse pflichtig [8]. Die beste Korrelation zur Nierenfunktion bei RPGN zeigt der Prozentsatz der normalen Glomeruli, gefolgt vom Ausmaß der glomerulären Sklerose (. Abb. 3 g), dem Vorhandensein diffuser interstitieller Infiltrate (. Abb. 3 h) und von tubulärer Nekrose oder Atrophie [1]. Prognostische Bedeutung hat auch die Differenzierung der frischen, potenziell reversiblen zellulären Halbmonde mit Integrität der Bowman-Kapsel (. Abb. 3 c) von fibrozellulären bzw. fibrösen Halbmonden mit Kapselruptur (. Abb. 3 d), die irreversibel zu
Leitthema einer tubulären Atrophie und Untergang des Nephrons führen [9]. Große Halbmonde können zudem den Abfluss zum proximalen Tubulus verlegen und hierdurch zu „atubulären Glomeruli“ führen. Bei der Lupus-Nephritis gehen die proliferative Form (Klasse III und IV) wie auch die kombinierte proliferative und membranöse GN (Klasse III oder IV und V) mit einer ungünstigen Prognose einher. Die Klasse-VI-Nephritis stellt das Endstadium einer fortgeschrittenen Zerstörung der Niere dar. Die neue ISN/RPS-Klassifikation, die die Klasse III von der Klasse IV anhand der Anzahl der betroffenen Glomeruli (<50% vs. >50%) differenziert und bei Klasse IV einen vorwiegend segmentalen (IV-s) und globalen Befall der Glomeruli (IV-g) unterscheidet, hat nach bisherigen Erfahrungen zu keiner besseren Differenzierung hinsichtlich der Prognose geführt [20, 26].
Fazit für die Praxis Jede rasch voranschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion ist als nephrologischer Notfall anzusehen, rasch abzuklären und die entsprechende Therapie einzuleiten, insbesondere bei nephritischem Urinsediment. Im Einzelfall kann bei Fieber und anderen systemischen Krankheitszeichen die Diagnostik schwierig sein, da auch septische Krankheitsbilder mit einem pathologischen Urinsediment einhergehen können. Die Diagnose erfolgt in der Zusammenschau der klinischen, serologischen und histopathologischen Befunde. Um eine verzögerte Therapieeinleitung zu vermeiden, hat es sich bewährt, bereits bei dem dringenden Verdacht auf RPGN mit der immunsuppressiven Therapie ggf. auch mittels Plasmapherese zu beginnen. Lediglich bei isolierter renaler Mikrohämaturie und geringer Proteinurie (<1 g/Tag) sowie normaler Nierenfunktion kann mit einer invasiven Diagnostik abgewartet und die Urinbefunde zunächst engmaschig kontrolliert werden.
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Korrespondenzadresse PD Dr. S.M. Weiner 2. Medizinische Abteilung, Rheumatologie, Immunologie, Nephrologie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz Nordallee 1, 54292 Trier
[email protected] Danksagung. Frau Dr. med. Ines Rathert, Institut für Urinzytologie Düren, und Frau Margit Schmude, Dialyselabor, I Med. Klinik und Poliklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, sei für die Urinzytologie bilder gedankt. Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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